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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich 3/15 blog.phzh.ch/akzente Fremdsprachen – Unterrichten in der Lebenswelt der Kinder Seite 10 Digitale Medien: mit Mama und Papa in der Schule Computer sezieren und coole Trickfilme herstellen Seite 20 Doppelrolle: wie Kyung-Jin Candrian Kind und Studium zusammenbringt Seite 24

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  • AkzenteDas Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich

    3/ 15

    blog.phzh.ch/akzente

    Fremdsprachen – Unterrichten in der Lebenswelt der Kinder

    Seite 10

    Digitale Medien: mit Mama und Papa in der Schule Computer sezieren und coole Trickfilme herstellen

    Seite 20

    Doppelrolle: wie Kyung-Jin Candrian Kind und Studium zusammenbringt

    Seite 24

  • AusstellungDER ENTFESSELTE RAUM10. Mai bis 1. November 2015

    Raum ist nicht gleich Raum, und Raum ist nicht allein gross oder klein, rechtwinklig oder schief, endlich oder unendlich. Vielmehr werden Räume durch das vielfältige Zusammenspiel von Volumen, Dimensionen, Proportionen, Material, Farbe, Licht und Schatten sowie Bewegung bestimmt. Die Ausstel-lung bietet auf lustvolle Art und Weise die Gelegenheit, Grund-lagen der Darstellung und Bildung von Raum zu entdecken und die Konventionen der gewohnten Raumvorstellungen zu verlassen. Modelle, Objekte, Installationen, Anamorphosen, Spiegelräume, Videoarbeiten, Computeranimationen und inter- aktive Spiele laden ein, Phänomene und Wirkungen von spezi-fischen und überraschenden Situationen zu erkunden.

    Angebote für SchulenRäume erlebenWorkshop im Museum für alle Stufen

    Begehbare Räume bauenWorkshop im freien Gelände für Mittelstufe, Sekundarstufe 1 + 2

    Räume bauen und erleben – Begleitheft & LehrerInnendokumentationFür alle Stufen für den selbstständigen Ausstellungs-besuch mit der Klasse, kostenlosErhältlich an der Museumskasse, Download ab www.gewerbemuseum.ch/Museumspädagogik

    Material-ArchivMehrere Workshops für verschiedene Stufen

    ÖffnungszeitenDi bis So 10 – 17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossenÖffnungszeiten Feiertage siehe www.gewerbemuseum.ch

    Anmeldung und InformationenGewerbemuseum WinterthurKirchplatz 14, 8400 WinterthurTelefon 052 267 51 [email protected]

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    Fotos: Dieter Seeger (Cover); Dieter Seeger, Nelly Rodriguez, Niklaus Spoerri

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    Informationsveranstaltung

    Masterstudiengang Sonderpädagogikmit den Vertiefungsrichtungen:— Schulische Heilpädagogik— Heilpädagogische Früherziehung

    Mittwoch, 4. November 2015, 15.00–17.30 Uhr

    Keine Anmeldung erforderlich

    Mehr Infos unter www.hfh.ch/agenda, über Telefon 044 317 11 41 / 42 oder [email protected]

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    Inhaltsverzeichnis/Editorial

    Das Thema Fremdsprachen ist ein Dauerbrenner. Im Schatten der Debatte über Reihenfolge und Zeitpunkt der Einfüh-rung einer zweiten und dritten Sprache steht die Frage, wie guter Fremdsprachenunter-richt gelingen kann. Dabei ist die Bereit-schaft bei den Schüle-rinnen und Schülern trotz zunehmender Mo- bilität und dem Einzug der englischen Sprache noch die gleiche: Eine Fremdsprache ist in erster Linie etwas fremdes, das es zu er- lernen gilt. Verändert haben sich die Unterrichtskon- zepte. Von einem Para-digmenwechsel spricht Daniel Stotz, Fachbe-reichsleiter Englisch an der PH Zürich. Er sieht eine Abkehr vom Anspruch, eine Sprache in Perfek-tion zu vermitteln. «Guter Unterricht muss primär den Sprachge-brauch aktivieren, denn Sprache lernt man durch den Gebrauch», so Stotz. Ein handlungsorien- tierter Ansatz soll die Angst vor dem Gebrauch einer Fremdsprache abbauen. Dafür braucht es motivierte Lehrerin-nen und Lehrer. Dies zeigt eine Studie auf, die Bettina Imgrund, Fachbereichsleiterin Französisch an der PH Zürich, durchgeführt hat. Fazit: Mehr als in anderen Fächern identi-fizieren Schülerinnen und Schüler den Fremd-sprachenunterricht stark über die jeweilige Lehrperson. Darauf bereitet die Ausbildung an der PH Zürich vor. Durch Sprach- kurse und Sprachaufent-halte werden die Studie-renden auf ihre Rolle als zukünftige «Bot-schafter» einer Fremd-sprache vorbereitet.– Reto Klink

    Inhalt 3/2015

    4 Vermischtes Tagung: Musik in der

    Ganztagesbildung

    7 Eine Frage, drei Antworten Wie arbeiten Sie im Team?

    9 Seitenblick Wieder zurück aufs Land?

    10 Schwerpunkt Fremdsprachenunterricht

    Leitartikel: Sprachen lernen heisst Sprachen leben Meinungen: Worauf legen Lehrpersonen Wert?

    Primarstufe: Sind zwei Fremdsprachen zu viel?

    Interview: Romain Hofer, Leiter Marketing beim Perso-nalvermittler «Manpower»

    20 Reportage In der Primarschule Unter- siggenthal lernen Eltern den Umgang mit digitalen Medien

    24 Studierendenseite Porträt, Masterarbeit, Kolumne

    27 PH Zürich Ausbildung: Experimentieren auf der Primarstufe

    Stiftung Pestalozzianum: Restauration und Digitalisie-rung der Sammlungen

    IPE: «Veränderungen stossen nicht immer auf Gegenliebe»

    Forschung: «Schulleitende müssen lernen, ‹Nein› zu sagen»

    32 Mein Fremdsprachen- praktikum

    «Es gab viel weniger Druck als bei uns in der Schule»

    34 Medientipps

    37 Aus dem Leben eines Lehrers

    Glück und Heimweh am Berninapass

    38 Fundstück

    38 Impressum

    20 Digitale Medien: Eltern und Kinder beim gemeinsamen Üben

    24 Porträt: Kyung-Jin Candrian ist Mutter und Studentin an der PHZH

    Weg von der Perfektion

    Fotos: Dieter Seeger (Cover); Dieter Seeger, Nelly Rodriguez, Niklaus Spoerri

    10 Fremdsprachen: die Lebenswelt der Kinder ins Zentrum rücken

  • Vermischtes

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    Musik in der Ganztagesbildung

    Bis ins Jahr 2025 sollen in der Stadt Zü-rich alle Volksschulen zu Tagesschulen werden – so die Vision des Zürcher Stadtrats. Gut mög-lich, dass sich die Ganztagesbildung langfristig überall etablieren wird. Um das Ziel einer ganz-heitlichen Bildung zu erreichen, benötigt Ganz-tagesbildung vielfältige Angebote – auch aus dem musisch-ästhetischen Bereich. Wie dies erreicht werden kann, war Thema einer Tagung an der PH Zürich. Patricia Schuler von der PH Zürich und Esther Forrer Kasteel von der ZHAW wiesen zu Beginn auf verschiedene Stu-dien hin, die eine positive Wirkung von regel-mässigem Musikunterricht in Ganztagesschu-len auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler sowie auf das Schul- und Unterrichts-klima nachweisen konnten. Als zentrale Her-ausforderung sehen die Wissenschaftlerinnen die Verankerung der musikalischen Bildung im regulären Unterricht. «Die Musikangebote soll-ten integraler Bestandteil des Schulprogramms sein und nicht vom Engagement einzelner Lehrpersonen abhängen», so Patricia Schuler. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass es vom Zufall abhänge, ob Musik angeboten werde.

    Anschliessend präsentierte die ehemalige PHZH-Studentin Hanna Widmer die Erkennt-nisse aus ihrer Masterarbeit. Sie untersuchte deutsche Ganztagesschulen mit musisch-kultu-rellem Schwerpunkt und kam zum Schluss: Durch verlängerte Präsenzzeiten entstehen neue Gefässe, die für Angebote genutzt werden kön-

    nen, beispielsweise über Mittag. Ebenfalls auszahlen würden sich Kooperationen mit ausserschulischen Akteuren wie lokalen Musikvereinen. Dadurch verbessere sich die Qualität des Unterrichts. Zudem wichtig sei, dass passende Räume wie eine Aula zur Verfügung stehen.

    Elisabeth Danuser und Edith Sto-cker von der ZHdK zeigten danach kon- krete Umsetzungsideen auf. Eine Möglich-keit seien beispielsweise wöchentliche Sing- oder Tanzkurse für eine ganze Gruppe von Schülerinnen und Schülern. Diese Angebo-te könnten sowohl in die Schul- als auch in die Betreuungszeit integriert werden. Zum Schluss wies Susanne Gilg vom Verband Zürcher Musikschulen auf Good-Practice- Beispiele hin. So hat die Schule Zofingen einen Weg gefunden, den Instrumentalun-terricht in den Stundenplan zu integrieren – durch dessen Aufteilung in geleitete und schülerzentrierte Aktivitäten. Während der schülerzentrierten Phase ist der Unterricht bei Fachlehrpersonen (Logopädie, Instru-mentalunterricht etc.) möglich. Eine ange-regte Diskussion unter den Teilnehmenden unter anderem über Finanzierungsmöglich-keiten schloss die Veranstaltung ab. – Christoph Hotz

    Weitere Informationen: tiny.phzh.ch/grundsatzpapier

    Kommende Ver-anstaltungen

    21. September«Lernwirksame Führung»Michael Schratz, Sprecher der Jury des Deutschen Schul- preises, zeigt in seinem Referat auf, wie lernwirksame Führung gelingt.

    31. Oktober«Unterrichten mit neuen Medien»Die diesjährige Tagung findet unter dem Titel «App@IT auf Bildung» statt.

    6. November«Quereinstieg in den Lehrberuf»Die Tagung widmet sich unter anderem den Fragen, wie Quereinsteigende im Schulfeld an- genommen werden und wie das «Training on the job» gelin-gen kann.

    Weitere Informa- tionen zu den Veranstaltungen: phzh.ch

    Foto: Reto Klink

    Fotos: Reto Klink, Vera Honegger

    Die PHZH-Absol-ventin Hanna Widmer unter-suchte in ihrer Masterarbeit Ganztagesschulen mit Schwerpunkt «Musisch-kultu-relle Bildung».

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    Vermischtes

    5

    Schulinterne Weiterbildung

    Beratungsangebote

    Kurse

    Lehrmittel-einführungen

    Berufseinführung

    CAS

    Module

    Intensiv- weiterbildung

    MAS

    5615

    2232

    1650

    992

    693

    555

    554

    12830Fo

    to: Reto Klink

    PHZH in Zahlen Aktuelles

    Schreibwettbewerb der PH ZürichZum fünften Mal hat das Schreib-zentrum der PH Zürich gemeinsam mit anderen Institutionen einen Schreibwettbewerb veranstaltet, diesmal zum Thema «Warteschlei-fe». Gewonnen haben Helen Kauf- mann (Kategorie «Hope») und Jörg Roos (Kategorie «Glory»). Die Texte sind online publiziert:

    blog.phzh.ch/akzente

    Neues Abkommen mit amerikanischer UniversitätDie PH Zürich hat mit der Utah Valley University ein Abkommen mit Schwerpunkt «Studierenden-mobilität» unterzeichnet. Im Okto- ber werden die ersten amerikani-schen Studierenden für ein Prak- tikum in Zürich erwartet.

    Zertifikat der Cambridge- UniversitätDie PH Zürich ist mit einem Zer- tifikat zum offiziellen Zentrum für die Vorbereitung auf die Cam- bridge-Englisch-Prüfungen ausge -zeich net worden.

    «Schulen arbeiten mit Tablets»Eine neue Weiterbildung der PH Zürich bereitet Schulen auf den Unterricht mit mobilen Geräten vor. Unter Teilnahme von Natio-nalrat und ICTswitzerland-Prä- sident Ruedi Noser wurde das von Samsung finanzierte Projekt kürzlich eröffnet. 2015 finden

    PHZH-Rektor Walter Bircher (l.) und Matthew S. Holland, Rektor der Uni Utah, unterzeichnen das Abkommen.

    Die Tanzgruppe mit Studierenden der PH Zürich performt zu einem Stück aus dem Musical «Hair».

    Thomas Stierli von der PH Zürich erläutert in einem der neuen Medienräume das Angebot.

    15 Kurse statt. Diese sind alle ausgebucht. 2016 stehen weitere Termine an.tiny.phzh.ch/tablet

    6. Musik- und Performance-NachtEinen Abend lang stand die PH Zürich ganz im Zeichen von Tanz, Theater und Musik. Eines der Highlights an der 6. Musik- und Performance-Nacht war die Auf- führung von Studierenden aus dem Vertiefungsmodul «Tanz». Inspiriert von Musicals aus dem 20. Jahrhundert führten sie unter dem Titel «Once upon a time» ihr Programm auf. Anschliessend zeigten Studierende des Freifachs «Theater» das Stück «Jukebox». Episodenhaft erzählten sie Ge-schichten aus Lebensphasen, die jeder Mensch kennt, wie den ersten Liebeskummer. Weiterer Höhe-punkt waren die zwei ausverkauften Konzerte des Hochschulchors. Rund 250 Sängerinnen und Sänger gaben dabei eine Auswahl an «ABBA»-Liedern zum Besten.

    Fotos: Reto Klink, Vera Honegger

    Anzahl Teilnehmende in Weiterbildungen und Bera-tungen an der PH Zürich.

    Total: 12449 Teilnehmende im Jahr 2014

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    Meinungen

    Eine Frage, drei Antworten: Wie arbeiten Sie im Team zusammen?

    Gewinnbringend hoffent-lich! Zum Wohle der Schule, zur Stärkung des Einzelnen und der Gemeinschaft und – als ultima- tiver Bezugspunkt unseres Tuns – zur Förderung unserer Schülerin-nen und Schüler. Zu dem «Wie» gehört für mich immer auch das «Warum». Was ist das Ziel unserer Zusammenarbeit? Im Betriebs- konzept sind die Ziele der Zusam-menarbeitsgefässe beschrieben und Aufgaben, Verantwortungen, Kompetenzen und Strukturen geregelt. Die Klärung der Rahmen-bedingungen schafft Freiräume zur individuellen Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Die pädagogi-schen Teams zum Beispiel dienen neben dem fachlichen Austausch auch der Reflexion für das pädago-gische Handeln der Lehr- und Betreuungspersonen. Ein positiver Umgang mit Fehlern und gegen- seitiges Vertrauen sind hier von zentraler Bedeutung. Eine konst- ruktive Streitkultur und Offenheit für Neues sind Voraussetzungen für Meinungsbildungsprozesse, etwa in Schulkonferenzen bei der Erarbeitung des Schulprogramms oder bei der Einigung auf gemein-same Standards. In Klassen- und Leitungsteams oder in Projekt-gruppen ist es hilfreich, wenn indi-

    viduelle Begabungen und Kompe-tenzen gegenseitig ergänzt werden und Rollen geklärt sind. Zusam-menarbeit bedeutet immer auch eine sinnvolle Arbeitsverteilung innerhalb des Teams für überge-ordnete Aufgaben. Dafür braucht es Verantwortungsbereitschaft jedes Einzelnen und die Haltung hin zu «Wir und unsere Schule».

    Im Allgemeinen bin ich sehr zufrieden, wie wir in unserem Lehrerteam zusammenarbeiten. Wir helfen uns gegenseitig, sind offen für Anregungen und bespre- chen schwierige Schulsituationen miteinander, was sehr entlastend wirkt. Bin ich zum Beispiel nicht sicher, wie ich einen Konflikt mit Eltern lösen soll, geben mir meine Kollegen und Kolleginnen gute Anregungen, wie ich die Sache anpacken könnte. Bei der Zusam-menarbeit im Team ist mir auch wichtig, dass Probleme direkt an- gesprochen werden, weil auf diese Weise viele Missverständnisse und Schwierigkeiten unkompli-ziert aus dem Weg geräumt werden können. Hin und wieder kam es aber vor, dass jemand Mühe mit dieser direkten Art hatte und sich schnell angegriffen fühlte. Infolge- dessen musste ich lernen, meine

    Regina Haller, Schulleiterin, Schule Im Birch Zürich

    Sylvia Beutler, SHP, Schulen Sternenberg und Bauma

    Reto Caduff, Primarlehrer, Schulhaus Probstei Zürich

    Wortwahl genau zu überdenken, bevor ich etwas sage, um unnötigen Konflikten aus dem Weg zu gehen.

    In meiner Tätigkeit als Schulische Heilpädagogin gehört die Arbeit im Team zum Alltag. Für mich ist gelingende Teamarbeit auch gleichzeitig Voraussetzung für erfolgreiche heilpädagogische Unterstützung in der Schulklasse. Dabei erscheinen mir die grund-sätzliche Bereitschaft und Offen- heit für eine gute Zusammenarbeit im Team unabdingbar. Nur wenn ich «am Puls» der Lehrpersonen, der Schülerinnen und Schüler bin, kann ich im Klassenzimmer wirk- sam arbeiten und unterrichten. Es ist mir wichtig, nicht nur wäh- rend der IF-Stunden anwesend zu sein, sondern auch in den Pausen, nach dem Unterricht, bei Projekten und Exkursionen. Ich arbeite in vier verschiedenen altersdurch -mischten Klassen, und da gelingt es mir nicht immer, allen Ansprüchen nach gemeinsamer Planung und Auswertung des Unterrichts ge- recht zu werden. Mich täglich auf verschiedene Klassen, Lehrperso-nen und Schulhausteams einzustel-len, ist eine grosse Herausforde-rung, sie erfordert viel Flexibilität und eine grosse Präsenz.

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    Curricula-EntwicklungBildungspolitikManaging DiversityBildungsmarketingEidg. DiplomErwachsenenbildner/in HFQualitätsmanagementDigital LearningLeiten und FührenNetzwerken in der BildungBeginn: Oktober 2015

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 5 9

    Kolumne –

    Seitenblick

    Bestimmt sind Sie sich be- wusst, was Sie beiläufig tun, wenn Sie beispielsweise jemandem helfen, seinen platten Veloreifen zu reparie-ren, wenn Sie keine Gerüchte streu- en oder den Nachwuchs des loka- len Sportvereins trainieren? Genau, Sie pflegen und vermehren Ihr So- zialkapital. Dieser Begriff steht für den Wert sozialer Beziehungen und deren produktive Nutzung. Ein hohes Sozialkapital kann einem auf der Wohnungs- oder Jobsuche hel- fen, eine Krankheitsphase durch Besuche erträglicher werden lassen oder für die nötigen Stimmen beim Sprung auf die politische Bühne sorgen. Soziales Kapital stellt also neben dem physischen Kapital (z.B. Geld) und dem Humankapital (z.B. Fachwissen) eine dritte Ver- mögensart dar.

    Gemäss aktuellem For-schungsstand soll uns Sozialkapital gescheiter, gesünder, sicherer, rei- cher und eine Demokratie gerechter und stabiler machen. Sozialkapital könnte also als Kitt unserer Gesell- schaft betrachtet werden. Mit einem spezifischen Blick auf die Schweiz hat der Soziologe Markus Freitag in verschiedenen Studien das Sozial- kapital untersucht und die Befunde

    kürzlich im Verlag der NZZ unter dem Titel Das soziale Kapital der Schweiz veröffentlicht. Die gute Nachricht vorab: Im internationa-len Vergleich reiht sich die Schweiz im oberen Mittelfeld der west- lichen Industrienationen ein. Zwar bröckelt der gesellschaftliche Kitt auch hierzulande, aber von einem generellen Niedergang des sozialen Miteinanders kann keinesfalls die Rede sein.

    Eine Randnotiz im Buch von Freitag bereitet dem aufge-schlossenen, urbanen Leser jedoch Kopfzerbrechen. Es handelt sich um ein Ranking, das der Forscher mit Rücksicht auf den zeitgenössi-schen Durst danach erstellt hat. Es besagt, dass in den ländlichen, religiös-konservativen Kantonen das Sozialkapital am höchsten sei: Unterwalden, Appenzell-Innerrho-den, Uri und Glarus führen dieses Ranking an. Freitag verschweigt zwar nicht, dass dieser Befund «auf Bevölkerungsumfragen mit einer überschaubaren Anzahl Befragter» beruht und dass deshalb bei der Interpretation Vorsicht geboten ist. Aber der Stachel ist gesetzt. Ist es vielleicht doch so, dass dort, wo man sich noch Grüezi sagt, der

    Zusammenhalt zwischen den Menschen grösser und das Leben lebenswerter ist?

    Niemand ist davor gefeit, sich von Zahlen und Tabellen ver- wirren zu lassen und sie in absolute Wahrheiten umzudeuten. Jüngst ist das Martin Beglinger in einem Artikel im Magazin des Tages- Anzeigers passiert. Mit Bezug zu Freitags Ranking zeichnet er eine ungetrübte Idylle eines Landlebens voller Sozialkapital und zementiert damit ein Weltbild, das in vielen Schweizer Köpfen präsent ist – nicht zuletzt auch bei Lehrperso-nen, die gerne einmal mit etwas Wehmut von harmonischem Unter- richten in einer beschaulichen Landschule träumen.

    Während aber die proble- matischen Seiten des Sozialkapitals auf dem Land, wie beispielsweise die soziale Kontrolle oder unver-rückbare Rollenzuschreibungen, im realen Leben schnell zutage treten, ist die reduzierende Zuspitzung von methodisch unzulänglichen Ana ly- sen weitaus weniger gut erkennbar und dadurch problematischer.

    Rudolf Isler ist Professor für Pädagogik an der PH Zürich.

    Illustration: Raffinerie AG

    Rudolf Isler – Seitenblick

    Wieder zurück aufs Land?

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 510

    Fremdsprachen werden heute nicht mehr grammatik-, sondern handlungsorientiert unterrichtet. Der Paradig-

    menwechsel wird bereits gut gemeistert.

    Text: Melanie Keim, Fotos: Dieter Seeger

    Sprachen lernen heisst Sprachen

    leben

    Schwerpunkt F

    remdsprachenunterricht

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 5 11

    Schwerpunkt F

    remdsprachenunterricht

    Ein Paar sitzt vor dem Café de Flore, eine leichte Brise trägt eine sehnsüchtige Akkordeon-Melodie herbei, ein Passant mit Bart und Beret bricht die Spitze seines Baguettes ab und der Kellner fragt diskret nach den Wünschen der Gäste. «J’aimerais boire un verre de vin blanc, s’il vous plaît», gilt es mit perfektem Pariser Akzent zu antworten. Eine Situation wie aus dem Bilderbuch. Aber vielleicht eine, die nicht ins Schulzimmer passt? Denn ist eine 11-Jährige in der Französischstunde um halb zehn Uhr morgens wirklich an einem Glas Weiss-wein interessiert?

    Kein Lernen auf Vorrat«Früher wurden Fremdsprachen oftmals auf Vorrat ge-lernt», sagt Daniel Stotz, Fachbereichsleiter Englisch an der PH Zürich. Wenn Schülerinnen und Schüler in der Primarschule etwas lernen, was sie vielleicht einmal als erwachsene Touristen anwenden können, sei das jedoch wenig motivierend. Rollenspiele nach einem fixen Skript, die dazu nur am Rande mit der Lebenswelt von Primar-schulkindern zu tun haben, sind daher im Fremdspra-chenunterricht passé.

    Der Fremdsprachenunterricht hat nicht nur scha-blonenhafte Rollenspiele hinter sich gelassen. Angesichts der grossen Veränderungen in den letzten Jahren spricht Stotz gar von einem Paradigmenwechsel. «Die zentrale Frage des Fremdsprachenunterrichts lautet heute nicht mehr, was ich weiss, sondern was ich kann», erläutert er den Wechsel von einem grammatik-, wissens- und per-fektionsorientierten Unterricht hin zu einem handlungs-orientierten Lernen. Dank dem bereits 2001 lancierten Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Spra-chen (GER) hat die Kompetenzorientierung im Fremd-sprachenunterricht schon früher als in anderen Fächern Einzug gehalten. Das international anerkannte Ni-veausystem GER hat nämlich nicht nur Sprachkom- petenzen vergleichbar gemacht und zur Aufwertung von Muttersprachen geführt. Die kompetenzorientierten Tests internationaler Sprachdiplome haben auch mass-gebend zu einem Verständnis von Kompetenzorientie-rung im Fremdsprachenunterricht beigetragen.

    Dennoch weist Stotz auf die Herausforderung hin, die die pädagogischen Veränderungen für Lehrper-sonen darstellen, die noch mit einem Fokus auf eine per-fekte Beherrschung der Grammatik unterrichtet wurden. Wie prägend die eigene Lernerfahrung sei, zeige sich beispielsweise daran, dass manche Lehrpersonen und Studierende nach wie vor von «Unterrichtsstoff» spre-chen, was einem handlungs- und kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht eigentlich zuwiderlaufe.

    Neue HandlungsmöglichkeitenWas beinhaltet also ein guter, handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht? «Guter Unterricht muss pri-

    mär zum Sprachgebrauch aktivieren, denn Sprache lernt man durch den Gebrauch», sagt Stotz. Er bezeichnet Sprache als Kommunikationsvehikel und weist diesbe-züglich auf die Bedeutung von substanziellen, altersge-rechten Inhalten hin: «Inhalte dürfen nicht einfach ein Aufhänger sein, denn die Begeisterung für Fremdspra-chen weckt man über attraktive Inhalte.»

    Auch wenn Fremdsprachen heute einen grossen Stellenwert haben und Kinder und Jugendliche im Inter-net, durch Reisen und eine heterogene Gesellschaft stär-ker mit Fremdsprachen in Kontakt kommen als früher, sind die Bedingungen für den Fremdsprachenunterricht heute nicht grundsätzlich günstiger. «Viele Schülerinnen und Schüler begegnen Englisch mit einer gewissen Grundmotivation. Doch es bleibt eine Fremdsprache, die man lernen muss, und wenn der Unterricht nicht stimmt, dann ist die anfängliche Motivation bald ver-schwunden», so Stotz. Zeitgemässer Fremdsprachenun-terricht geht daher über Stereotypen hinaus und ist um eine Erweiterung des kulturellen Horizonts bemüht, wo-bei auch Themen aus anderen Fächern wie Geschichte, Musik oder Geografie herbeigezogen werden und keine

    «Fremdsprachenun- terricht ist dann er- folgreich, wenn sich Schülerinnen und Schüler als selbst-wirksam erleben und sie in authentischen Situationen handeln können. Dies bedingt, dass sich der Unter-richt möglichst nahe an der Lebenswelt der Jugendlichen bewegt. In der 1. Sek ist der spielerische Zugang zur Sprache zentral. Danach erhält die Re- flexion eine immer wichtigere Bedeutung, und die Jugendlichen müssen komplexere Aufgaben lösen kön-nen. Im Englischun-terricht gelingt dies besser als im Franzö-sisch. Dies hat meh-rere Gründe: Die Spra-che wird von den Schü- lerinnen und Schülern und den Eltern als wichtig eingeschätzt, sie ist im Alltag omnipräsent und wird

    schon seit der 2. Pri-marklasse unterrich-tet. Ich hoffe, dass ich die Jugendlichen mit dem neuen ange-kündigten Franzö-sisch-Lehrmittel mehr begeistern kann. Eine grosse Herausforde-rung ist für mich der Umgang mit den unter-schiedlichen Kompe-tenzniveaus. Ich ver- suche, diese auszu-gleichen, indem die starken mit den schwächeren Schülern zusammenarbeiten. Dabei helfen koopera-tive Lernformen. Eine weitere Schwierigkeit tritt dann auf, wenn Jugendliche an die Gymi-Prüfung wollen. Dort werden schwerge-wichtig Grammatik und Wortschatz geprüft, beides Elemente, die im kompetenzorien-tierten Unterricht einen anderen, funk-tionaleren Stellen-wert haben.»

    Thomas RoosLehrer einer 3. Sekundarstufe A, Schule Küsnacht

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    Schwerpunkt F

    remdsprachenunterricht

    Trennung zwischen sprachlichem und kulturellem Wis-sen gezogen wird. «Grammatikalische Inputs gilt es je-weils kritisch auf die neuen Handlungsmöglichkeiten zu untersuchen, die diese den Schülerinnen und Schülern bringen», fährt Stotz fort. So wird im Englischen ein Past Simple, das erzählerisch wie rezeptiv Welten öffnet, auch schon relativ früh eingeführt, ohne die Erwartung, dass

    die Schülerinnen und Schüler die Form mitsamt Ausnah-men perfekt beherrschen. Während früher in einem line-aren Aufbau grammatische Perfektion angestrebt wurde, baut ein handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht auf einer zyklischen Progression hin zu einem Verständnis von Sprache als System auf, wobei neue Sprachstruktu-ren, Grammatikformen oder Vokabular durch den immer wiederkehrenden Gebrauch gefestigt werden.

    Dabei gehen explizites Regelwissen und implizites Lernen Hand in Hand. «Macht die Aufgabe mit dem Können und den Mitteln, die ihr zurzeit habt, und dann schauen wir, was noch nötig ist», beschreibt Stotz die Grundlage einer kompetenzorientierten Aufgabenstel-lung. Wenn Fehler als Teil des Lernprozesses gelten, kann nicht nur die Angst vor Fremdsprachen reduziert und Raum für Kompetenzerfahrung geschaffen werden. Auch können Sprachkompetenzen aus anderen Spra-chen besser genutzt und gefördert werden. So kann ein Kind mit Migrationshintergrund beispielsweise durch seine ausgebildeten rezeptiven Strategien beim Ent-schlüsseln eines schwierigen Texts in der Klasse als Eis-brecher agieren. Das Ablassen von einer grammatik- und perfektionsorientierten Didaktik dürfe jedoch nicht mit dem Verzicht auf Genauigkeit verwechselt werden, mahnt Stotz: «Die Lehrperson muss den Blick zu einem Zeit-punkt auf Genauigkeit und zu einem anderen auf Flüs-sigkeit richten können.»

    Professionelles Handeln der LehrpersonStotz’ Fokus auf die Kompetenzen der Lehrperson kommt nicht von ungefähr. Der Erfolg des Fremdspra-

    chenunterrichts und die Motivation hängen nämlich weniger von externen Faktoren wie etwa der Dominanz von Englisch in der Jugendkultur ab, sondern vor allem vom professionellen Handeln der Lehrerinnen und Leh-rer. Dies konnte Bettina Imgrund, Fachbereichsleiterin der Sprachen Französisch, Italienisch und Romanisch an der PH Zürich, in ihrer kürzlich verfassten Disserta-tion aufzeigen. Sie untersuchte anhand von Praxislektio-nen, weshalb das Erlernen einer Fremdsprache in einem Fall gelingt und im anderen nicht, was Studien wie PISA nur teilweise beantworten. «Für eine Verbesserung der Unterrichtsqualität muss man letztlich den Dialog zwi-schen Theorie und Praxis suchen», sagt Bettina Im-grund. So wurden für ihre Studie Französischlektionen gefilmt und anschliessend von Fachdidaktikerinnen auf Merkmale eines gelungenen Unterrichts untersucht – die Best-Practice-Beispiele aus den Kooperationsschu-len werden wiederum in der Ausbildung an der PH Zü-rich mit Studentinnen und Studenten analysiert und das Professionswissen von Praxisexperten so auch syste-misch genutzt.

    Die Untersuchung zeigte, dass die Unterrichts-qualität primär davon abhängt, ob es der Lehrperson gelingt, die Klasse zu motivieren und ein attraktives und anspruchsvolles Lernangebot zu gestalten. Imgrund zi-tiert eine Schülerin, die in der Untersuchung befragt

    Zeitgemässer Fremdspra-chenunterricht ist auch um eine Erweiterung des kulturellen Horizonts bemüht.

    «Mein Rezept für einen erfolgreichen Fremdsprachenunter-richt ist das spiele-rische Lernen und das Kennenlernen der Kultur des Sprach-raums. In meinem letzten Klassenzug begann ich gegen Ende der 1. Klasse, die Geschichte von Pad-dington vorzulesen. In der ersten Eng-lischstunde reiste dann Paddington direkt aus London an und begleitete die Kinder während der ganzen 2. Klasse. Ich baute zum Üben Spiele und kindgerechte Be- züge zur Kultur ein. Am Pancakes-Day assen wir über Mittag Pan-cakes und wandten ty-

    pische Redewendungen wie «Can you give me the sugar, please» gleich an. Wichtig ist, dass die Kinder im Unterricht mög-lichst viel zum Reden kommen, die behandel-ten Themen einen Bezug zu ihrem Leben haben und der Unter-richt allen Spass macht. Meinen Erfah-rungen nach fällt es den meisten Kindern leicht, Englisch zu lernen. Am Anfang ist es eine relativ ein-fache Sprache. Auf der Unterstufe haben wir ausreichend Zeit zur Vermittlung der Lerninhalte, und es besteht noch kein grosser Leistungs-druck.»

    KäthiHärri Lehrerin einer 1. Klasse, Primarschule Embrach

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    eterogenität

    Schlüsselpunkt Lehrperson: Die Qualität des Fremdsprachenunterrichts hängt primär von der Attraktivität des Lernangebots ab.

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    remdsprachenunterricht

    wurde: «Wenn wir keine Lust haben, dann macht die Französischstunde keinen Spass. Dann muntert uns un-ser Lehrer auf, und es ist gerade wieder lustig. Unser Lehrer weiss irgendwie, wie man uns motiviert zum Ar-beiten. Manchmal ist es so, als wären wir für ihn die Wichtigsten.» Weil die Fremdsprache im Unterricht Me-thode und Medium zugleich sei, identifizierten die Schü-lerinnen und Schüler den Fremdsprachenunterricht stärker über die Lehrperson, erklärt Imgrund. «Die Klas-se ist daher noch mehr als in anderen Fächern von der Lehrperson und ihrem professionellen Handlungsreper-toire abhängig», so Imgrund.

    Anwendungsfreundliches für MehrkämpferWeil der Fremdsprachenunterricht stärker als andere Fä-cher an Lehrmittel gebunden ist und die Optimierung von Unterrichtsprozessen auch von der Qualität der Lehrmittel abhängt, reiht sich die Frage an, was ein gutes Lehrmittel ausmacht. «Mehrkämpfer brauchen gute Un-terstützung», bricht Marlies Keller die Ansprüche an ein Lehrmittel herunter. Die Co-Projektleiterin «Inhalt» der Lehrmittelentwicklung des neuen Französischlehrmit-tels dis donc! erklärt: «Weil der Fremdsprachenunterricht

    besonders stark von interessanten Inhalten abhängt und die Recherche und Aufbereitung von authentischem Text-, Bild- oder Tonmaterial sehr zeitaufwändig ist, sind Lehrpersonen mit verschiedenen Unterrichtsfächern auf attraktive Unterrichtsmaterialien mit kurzer Vorberei-tungszeit angewiesen.» Aufgaben müssten Lernerfolge stets an einem Endprodukt sichtbar machen, auch sei eine breite Palette an Zusatzmaterial wichtig. Keller weist diesbezüglich auf das Potenzial von digitalen Me-dien hin, die ein autonomes und individuelles Lernen ermöglichen. Beispielweise kann ein Kind mit Lern-schwierigkeiten mit geeigneten Programmen denselben Dialog wie seine Gspänli verlangsamt anhören. Auch können individuelle Lernzielüberprüfungen am Compu-ter für Lehrpersonen entlastend sein. Doch sollen digitale Medien nur dann eingesetzt werden, wenn sie tatsächlich einen Mehrwert bieten. «Die Kunst der Lehrmittel- entwicklung besteht darin, eine Auswahl an intelligenten Lernangeboten zu entwickeln, anhand derer die Lehre-rinnen und Lehrer die Unterrichtssituation rasch vor Augen haben, um so entscheiden zu können, was zu ihrer Klasse passt.»

    Der Fokus auf die lehrpersonenfreundliche Hand- habung rührt auch von einer negativen Erfahrung mit dem 2006 publizierten Englischlehrmittel Explorers her, das von einem Teil der Zürcher Lehrpersonen derart ve-hement abgelehnt wurde, dass die Bildungsdirektion ein alternatives Lehrmittel zuliess. «Explorers war als erstes Lehrmittel komplett kompetenzorientiert gestaltet. Doch die Zeit war wohl noch nicht reif dafür», nennt Keller mit als Grund für die teilweise schlechte Aufnah-me des Lehrmittels. Bei solch grossen didaktischen Rich-tungswechseln seien obligatorische Einführungen ins Lehrmittel nötig. Zudem konnte das Lehrmittel in der Praxis nicht umfänglich erprobt werden, da zu diesem Zeitpunkt in der Primarstufe noch kein Englisch unter-richtet wurde.

    Weniger Mühe als erwartetDas neue Französischlehrmittel dis donc! der Lehrmittel-verlage Zürich und St. Gallen für die 5. bis 9. Klasse wird von Fachdidaktikerinnen und Praxislehrpersonen ge-meinsam entwickelt und durchläuft eine integrale Praxis- erprobung in 30 Klassen pro Jahrgangsband. Für die wis-senschaftliche Beurteilung und die Überarbeitung der ersten Version werden nun systematisch Befragungen von Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schülern mit einbezogen. Dabei zeigte sich einerseits, dass Kinder an sehr traditionellen Themen wie Haustieren und Rezep-ten interessiert sind, und andererseits, dass Lehrperso-nen ihrer Klasse teilweise zu wenig zutrauten. Die Lehr-personen glaubten im Voraus, dass die relativ komplexen Texte des für 2017 geplanten Lehrmittels die Kinder überfordern würden. Doch diese hatten im Unterricht

    «Ich unterrichte in einer Klasse mit einer Spannweite von muttersprachlichen Kindern bis hin zu Kindern, die noch kein Deutsch spre-chen. Eine Herausfor-derung ist insbeson-dere der Französisch- unterricht. Vielen Kindern fehlt der Bezug zu der Sprache. Kinder mit lateini-schen Erstsprachen haben gewisse Vortei-le. Sie können auf ihre Muttersprache zurückgreifen. Eng-lisch zu unterrichten ist insofern einfa-cher, weil die Spra-che im Alltag der Kinder präsent ist. Das Klassenlager machen wir immer in der Westschweiz, da- durch erhalten die Kinder einen realen Zugang zum Franzö-

    sisch. Zwei Mädchen sprachen im letzten Lager einmal einen Passanten mit «Bon-jour, ça va?» an und hatten sehr Freude, als er ihnen antwor-tete. Oft haben die Kinder jedoch Hem-mungen, die Sprache anzuwenden. Ich ver- suche, im Unterricht häufig Komplimente zu machen und Mut zu- zusprechen. Zurzeit wird das neue Franzö-sisch-Lehrmittel dis donc! erprobt. Ich bin eine der Test-Lehr- personen. Die Kinder mögen daran insbeson-dere die Lernplatt-form im Internet. Das Lehrmittel bietet für stärkere Lernende Zu- satzaufgaben an, für die schwächeren fehlt meiner Meinung nach einfaches, repetiti-ves Übungsmaterial.»

    Karin WidmerLehrerin einer 5. Klasse, Schulhaus Hohlstrasse, Zürich

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    remdsprachenunterricht

    weniger Mühe mit dem authentischen Textmaterial als erwartet. «Die Lehrpersonen haben Sprachen selbst noch anders gelernt», weist Keller auf die Lücke zwischen alten und neuen Unterrichtskonzepten hin, die Kinder auch einmal an der Grenze ihres Niveaus üben lassen. «Wir sind aber gut unterwegs», sagt Keller aufgrund der Rück-meldungen aus der Erprobung. Zudem seien die heuti-gen Studierenden, die quasi fachdidaktisch unbeschrie-bene Blätter seien, offen gegenüber neuen Unterrichts- konzepten.

    Bereit für adaptiven UnterrichtIn der Ausbildung an der PH Zürich wird viel Wert auf eine dem Niveau der Lernenden entsprechende Unter-richtsgestaltung gelegt. Angehende Lehrpersonen müs-sen Aufgaben richtig analysieren können und die Vor-kenntnisse der Lernenden passgenau diagnostizieren, um einen adaptiven Unterricht zu gestalten. Neben didakti-schen Kompetenzen sind hohe Sprachkompetenzen auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer nötig, damit diese souverän auf Unvorhergesehenes reagieren, inhaltlich fle-xibel bleiben und auch Muttersprachlerinnen und Mut-tersprachlern ein angemessenes Angebot machen kön-nen. In der Ausbildung zur Fremdsprachenlehrperson auf Sekundarstufe wird daher von den Studierenden ein C2-Niveau gefordert, für die Primarstufe ein C1. Dies entspricht dem höchsten beziehungsweise zweithöchsten Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrah-mens.

    Neben Fachdidaktik- und Forschungsmodulen stehen dem Niveau der Studierenden entsprechende in-terne Sprachkurse und ein Sprachaufenthalt sowie Un-terrichtspraktika mit Praxisexperten der Kooperations-schulen und im Zielsprachgebiet auf dem Studienplan. Während drei bis vier Wochen unterrichten die Studie-renden dabei in einer von der Hochschule vermittelten Partnerschule eine Klasse in deren Muttersprache, was viele als äusserst herausfordernde und wertvolle Erfah-rung bezeichnen. Die Praktika führen nicht nur in den französischen und englischen Sprachraum, sondern auch ins Tessin, da an der PH Zürich auf Sekundarstufe auch Italienisch studiert werden kann. Während Englisch die am häufigsten gewählte Sprache ist und gemäss Bettina Imgrund immer mehr Studierende den Marktwert von Französisch erkennen, entscheiden sich Muttersprachler aus Graubünden auch wegen des Italienischangebots für ein Studium in Zürich. Zudem können Studierende Rätoromanisch vertiefen. «Wir sind sehr stolz auf dieses vielseitige Angebot. Für uns ist das ein Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit und zu einer weitsichtigen Umsetzung von sprachpolitischen Programmen», sagt Bettina Im-grund.

    Lesen Sie zum Thema Fremdsprachenunterricht auch die Serie «Mein Fremdsprachenpraktikum»: S. 32/33.

    Sind zwei Fremdsprachen in der Primarschule zu viel?

    Im Jahr 2004 empfahl die Schweizerische Konfe-renz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) in ihrer Fremdsprachenstrategie, dass bis spätestens zum fünften Primarschuljahr der Unterricht von zwei Fremdsprachen einsetzen soll, davon eine Landessprache sowie Englisch. Die Reihenfolge der unterrichteten Fremd-sprachen war Sache der Kantone. Im Kanton Zürich wurde Englisch bereits 2003 mit der Einführung von «Frühenglisch» der Vorrang gegeben. In ver- schiedenen Kantonen wurden Initiativen für nur eine Fremdsprache auf der Primarstufe lanciert mit dem Argument, zwei Fremdsprachen überforde-re die Kinder. Im Kanton Zürich wurde eine sol- che im Jahr 2006 mit rund 60 Prozent abgelehnt. Nach wie vor wird der Unterricht von zwei Fremd- sprachen auf der Primarstufe von verschiedenen Lehrpersonenverbänden kritisiert. Der Dach- verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) forderte 2013 eine bessere Umsetzung der Sprachenstrategie und schlug vor, die zweite Fremdsprache unter Umständen als Wahlpflicht-fach zurückzustufen. Der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV) teilte im April 2015 mit, dass die Mehrheit seiner Mitglieder nur eine Fremdsprache in der Primarschule wünsche und dass der Verzicht auf Englisch in der Primar aus pädagogischen Gründen ein realistischer Ausweg aus dem nationalen Fremdsprachendilemma sei. In verschiedenen Kantonen wurden und werden erneut Unterschriften für weitere Ab- stimmungen gesammelt. In Nidwalden lehnte die Bevölkerung eine entsprechende Initiative 2015 ab. «Die im EDK-Beschluss geforderte funktiona-le Mehrsprachigkeit der gesamten Bevölkerung kann nur erreicht werden, wenn man schon in der Primarschule mit dem Fremdsprachenunterricht beginnt», sagt Christoph Suter, Bereichsleiter Sprachen auf der Primarstufe an der PH Zürich. Die Forschung zeige eindeutig, dass ein Fremd-sprachenunterricht über längere Zeit zu höheren Kompetenzen führe. Ein früher Fremdsprachenun-terricht soll demnach verhindern, dass bestimm-te Gruppen, wie in der Vergangenheit, unzurei-chende Fremdsprachenkompetenzen erwerben. Aus fachlicher Perspektive gebe es keinen Grund, weshalb zwei Fremdsprachen Kinder überfordern sollten, gibt Suter den Fachdiskurs wieder: «Die Kinder bringen die nötigen Voraussetzungen mit, Lernschwierigkeiten gibt es wie in jedem anderen Fach», so Suter. Letztlich gehe es um die grundsätzliche Frage, wie man die Mehrsprachigkeit gewichte. Die Einwände von Lehrpersonen gelte es aller-dings sehr ernst zu nehmen. Suter sieht mit als Grund für diese Bedenken, dass unterschätzt wurde, wie viel Zeit und Ressourcen die Einfüh-rung eines neuen Fachs benötige. «Der Arbeits-aufwand der Lehrpersonen für Weiterbildung und Umsetzung ist neben allen anderen Aufgaben, die sie zu bewältigen haben, sehr gross», sagt Suter. «Nun gilt es, sie auf dem eingeschlagenen Weg bestmöglich zu unterstützen.»

    – Melanie Keim

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    Schwerpunkt F

    remdsprachenunterricht

    «Fremdsprachen können die Differenz ausmachen»Romain Hofer kennt als Leiter «Marketing und Kommunikation» des Personalvermitt-lungsunternehmens «Manpower Schweiz» die Sprachanforderungen der Arbeitgebenden wie auch die Fremdsprachenkompetenzen der Arbeitnehmenden. Er beobachtet, dass zunehmend auch ein Wissen um die Kultur hinter einer Sprache gefordert wird.

    Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

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    Schwerpunkt F

    remdsprachenunterricht

    Welche Bedeutung haben Fremd- sprachen heute in den Unternehmen?Fremdsprachen haben in der Schweiz nach wie vor eine sehr grosse Bedeutung. Bei zwei sehr guten Bewerbungsdossiers gewinnt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Person, die mehr Sprachen kann. Denn Sprachkennt- nisse zeigen auch, dass eine Person Neuem gegenüber offen ist. Fremdsprachen haben auch einen Einfluss auf den Monatslohn: Für die Westschweiz schätzt man, dass Deutsch-kenntnisse durchschnittlich 300 Franken mehr Monatslohn bringen, bei Englisch spricht man von 150 Franken. Das ist ziem- lich einfach zu erklären, denn es gibt weniger Leute, die gut Deutsch sprechen als solche, die Englisch beherrschen.

    Wie hat sich die Bedeutung von Fremd-sprachen in der Schweiz verändert?Für Englisch gilt: Während früher das «First Certificate» als Minimum verlangt wurde, bewegen sich die Erwartungen heute für vie- le Berufe in Richtung C-Niveau und somit auf die dritte und höchste Stufe des interna-tionalen Referenzrahmens. In internationalen Firmen, die in der Schweiz ihren Hauptsitz haben, beobachten wir zudem eine interes-sante Tendenz: Mehrsprachigkeit ist heute eine zentrale Erwartung, womit nicht nur die Sprache gemeint ist. Mitarbeitende müssen neben den Sprachkenntnissen zunehmend auch ein kulturelles Wissen mitbringen. Wo kulturelle Aspekte stark gewichtet werden, kann neben Englisch und der Landessprache auch eine exotische Muttersprache wie Viet- namesisch von Vorteil sein, selbst wenn diese im Beruf nicht gebraucht wird. Man vermu- tet, dass sich solche Personen gut in einem multikulturellen Umfeld bewegen können. In den letzten Jahren ist bei unseren Kunden in der Westschweiz zudem die Nachfrage nach Deutsch gestiegen, in Zürich erhält Französisch eine immer grössere Bedeutung.

    Welches sind heute die wichtigsten Fremdsprachen?Nach wie vor sind dies primär Deutsch, Französisch und Englisch. Im Bau- und Pro- duktionssektor sind natürlich Sprachen wie Portugiesisch, Spanisch oder slawische Spra- chen wichtig. Von Teamleitern werden in diesem Sektor in den letzten Jahren primär Kompetenzen in einer Landessprache ver-

    langt und nicht mehr wie früher in den Muttersprachen der Mitarbeitenden. Ten- denziell gilt: Je höher die Hierarchiestufe, desto mehr Sprachen sollte man sprechen und verstehen.

    Sind grundsätzlich mündliche oder schriftliche Kompetenzen wichtiger?Das ist stark vom Sektor, Kompetenzniveau und den Kommunikationskanälen abhängig. Für die Korrespondenz auf elektronischem Weg stehen uns heute neben den Korrek- turprogrammen immer mehr Vorlagen zur Verfügung. Durch diese Vereinfachung wer- den die schriftlichen Anforderungen zum Teil reduziert. Andererseits verlangen Firmen heute eine fehlerfreie Kommunikation als Teil des Images, und durch Social Media werden Fehler heute viel schneller und breiter bekannt. Deshalb ist in manchen Bereichen mehr schriftliche Perfektion verlangt als früher.

    In Stellenausschreibungen werden hinsichtlich Sprachkenntnisse zum Teil scheinbar überrissene Anforderungen gestellt. Fordern Arbeitgebende Sprach-kenntnisse, die im Job gar nicht ange-wandt werden?Wenn man eine Mitarbeiterin sucht mit fünf Sprachen auf C-Niveau, obwohl sie diese für die ausgeschriebene Stelle nicht benötigt, wird das durch den Markt automatisch re- guliert. Solche Leute sind auf einem Markt mit einer gewissen Talentknappheit schwierig zu finden und haben daher einen hohen Preis. Wenn ein Unternehmen in Fremdspra-chenkenntnisse investiert und einen höheren Lohn bezahlt, dann will es auch einen Return on Investment, das heisst, der Gebrauch ist quasi ein Must. Natürlich können die Anfor- derungen zwischen Stellenausschreibung, Dossiertriage, Gespräch und dem tatsächli-chen Arbeitsvertrag abnehmen. Generell wird in der Jobbeschreibung aber nicht doppelt so viel verlangt, wie im Beruf nötig ist. Die Ausschreibungen sind in letzter Zeit trans-parenter geworden, auch dank der Standar-disierung durch den Europäischen Referenz-rahmen.

    Wie schätzen Sie die Sprachkompeten-zen der Arbeitnehmenden ein?Die Sprachkompetenzen haben sich verscho-

    Über Romain Hofer

    Romain Hofer war schon als Kind mit verschiedenen Spra-chen konfrontiert. In Lausanne gebo-ren, verbrachte er die ersten Lebens-jahre in Zürich, ohne von seinen West- schweizer Eltern Deutsch zu lernen. Den Vater zu ver-stehen, wenn dieser mit Deutschschwei-zer Kollegen sprach, wurde zu einem wich- tigen Ziel, auch nach der Rückkehr in die Westschweiz.

    Nach dem Studium der Betriebswissen-schaften an der Uni- versität Lausanne nahm Hofer bewusst eine Stelle bei der UBS in Zürich an. In den folgenden Po- sitionen im Marke-ting bei Schweizer Unternehmen und Institutionen waren seine Deutschkennt-nisse stets von grosser Bedeutung, auch in seiner heu- tigen Position.

    Der 44-Jährige wohnt mit seiner Frau und der 11-jährigen Tochter in Prilly bei Lausanne, ar- beitet gerne im Garten und sammelt Vintage-Werbungen. Sport in der Natur bezeichnet er als wichtigen Ausgleich zur Arbeit. Am Tag des Interviews war er schon um 6.30 Uhr mit dem Ruderboot auf dem Lac Léman. Privat spricht Hofer immer noch lieber Französisch als Deutsch.

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 518

    Schwerpunkt F

    remdsprachenunterricht

    ben. Die Schere zwischen Personen, die gute, und sol- chen, die weniger gute Fremdsprachenkenntnisse haben, öffnet sich nach unseren Beobachtungen immer weiter. Bei Personen, die Fremdsprachen als wichtig einschät-zen – oftmals Hochschulabgänger – haben sich die Kenntnisse deutlich verbessert. Auf der anderen Seite gibt es heute Leute, die wenig Wert auf Fremdsprachen legen. Das ist gefährlich, weil Sprachkenntnisse bei einer Bewerbung die Differenz ausmachen können.

    Und wie schätzen die Arbeitnehmenden ihre Sprachkenntnisse ein? Das ist stark von der Kultur abhängig. In der Schweiz schätzen sich unsere Kandidatinnen und Kandidaten immer noch zu tief ein. Wenn ein Schweizer sich be- wirbt, hat er fast mit Sicherheit bessere Fremdsprachen- kenntnisse, als er dies in seinem Lebenslauf angibt. Bei Deutschen und Franzosen ist es tendenziell umge- kehrt. Jugendliche überschätzen sich eher. Das ist eine neue Entwicklung und hat auch mit der Art, wie man heute Sprachen lernt, zu tun. Gerade im Englischen haben die Jugendlichen schnell das Gefühl, die Spra- che ganz gut zu beherrschen, wenn sie Songtexte ken- nen oder eine Zeit im Ausland verbracht haben. Zwi- schen Alltagssprache unter Kolleginnen und Kollegen und der Sprache im Beruf besteht aber ein grosser Unterschied. Dies ist jedoch nicht unbedingt nur nega-

    tiv. Eine Sprache zu leben, bedingt auch eine gewisse Selbstsicherheit und Lockerheit.

    Wie fördern die Betriebe die Sprachkompetenzen ihrer Mitarbeitenden?Da gibt es auf jeden Fall Nachholbedarf. Je grösser eine Firma ist, desto mehr kann sie in die Mitarbeiten-den investieren, doch Weiterbildung ist nicht immer nur eine Kostenfrage, sondern oft eine Frage der Firmenkultur. Heute bestehen immer mehr Möglich-keiten, Sprachen sehr kostengünstig zu lernen, etwa über Online-Kurse. Unternehmen sollten ihre Mitar-beitenden besser über solche Kanäle informieren oder diese zur Verfügung stellen.

    Wo und bei wem sehen Sie Handlungsbedarf ?Ich denke, dass Sprachen weniger trocken vermittelt werden sollten. Denn Sprachen lernt nur, wer Spass daran hat. Mit der Sprache sollte man immer auch die Kultur dahinter vermitteln. Meine Tochter hat bei-spielsweise eine sehr engagierte Deutschlehrerin, die unter anderem einen Austausch mit einer Innerschwei-zer Klasse gemacht hat. Das ist ein toller Weg, um kulturelle Unterschiede kennenzulernen und sich über diese hinweg auszutauschen. Doch solche Projekte erfordern viel Zeit, Energie und persönliche Motiva- tion.

    «Die Schweizerinnen und Schweizer schätzen sich bei den eigenen Sprachkenntnissen zu tief ein.» Romain Hofer vom Personalvermitt-lungsunternehmen «Man-power» in seinem Büro in Lausanne.

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 5 19

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  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 520

    Reportage

    Wie sieht eigentlich das Herz eines Computers aus? Und wo sitzt sein Gehirn? «Das werden wir jetzt gleich herausfinden», sagt Thomas Staub und teilt einen Stapel ausgedienter Laptops aus. Im Workshop «Blick in den Computer» bringt der Dozent für Medienbildung an der PH Zürich den Eltern und Kindern das Innen-leben und die Funktionsweise dieses alltäglichen und doch so abstrakten Gegenstands näher. Mit Minia-tur-Schraubenziehern machen sich die Mütter, Väter, Söhne und Töchter ans Werk. «Zuhause bitte nicht nachmachen», ermahnt Fachmann Staub die Kinder, die es kaum erwarten können, die Computer in ihre Einzelteile zu zerlegen.

    Der Akku ist schnell ausgebaut. Die Schale lässt sich auch noch leicht entfernen. Dann aber geht es ans Eingemachte, und daran kann man sich schon mal die Zähne ausbeissen. «Wenn es so schwierig ist, einen Computer auseinanderzunehmen, wie schwierig ist es dann erst, ihn zusammenzubauen?», meint Susan Greu-lich lachend, während ihr Sohn Tobija mit seinem Freund Samuel etwas ratlos die vielen Bausteine be-trachtet, die sie soeben freigelegt haben. Wie weiter?

    Wenn selbst der kleinste Schraubenzieher zu gross ist, muss man sich etwas einfallen lassen. «Hier, probier es mal damit», sagt Greulich zu ihrem Sohn und reicht ihm eine Büroklammer. Eine gute Idee. Eifrig werkelt der Sechsjährige weiter. «Von den vier Workshops, die zur Auswahl standen, wollte Tobija unbedingt diesen hier besuchen. Er interessiert sich sehr für Computer», weiss seine Mutter. Susan Greulich findet den Medien-bildungsmorgen eine gute Idee und schätzt das Ange-bot. «Der richtige Umgang mit Medien ist ein wichtiges Thema im Familienalltag. Wie viel braucht es? Was ist zu viel? Und wie kann man die Kinder sinnvoll an die Medien und neuen Technologien heranführen? Solche Fragen beschäftigen uns Eltern natürlich.»

    Vielfältige Anwendungen entdeckenGenau diese Fragen sollen mit dem Familien-Medien-bildungsmorgen aufgegriffen werden. Bereits zum zwei-ten Mal führt die Primarschule Untersiggenthal in Zu-sammenarbeit mit der PH Zürich diesen Anlass für Kinder der 2. Kindergartenstufe und ihre Eltern durch. «Wir setzen uns als Schulteam schon seit längerem in-tensiv mit Medienbildung auseinander», sagt Schullei-terin Silvia Mallien.

    Das Thema wird nicht nur im normalen Unter-richt vermehrt aufgegriffen, alle zwei Jahre findet zu-dem stufenübergreifend ein Medienmonat statt. «Dabei haben wir bei den Mittelstufenklassen festgestellt, dass viele Kinder gar nicht recht wissen, wozu sie die ver-schiedenen Medien und Geräte nutzen können. Dass man etwa mit dem Tablet viel mehr machen kann, als nur Videos auf Youtube anzuschauen», erzählt die Schul- leiterin. Deshalb hat die Schule beschlossen, bereits die Kindergartenkinder im Rahmen des Medienbildungs-morgens mit den vielfältigen Anwendungsmöglichkei-ten von Medien vertraut zu machen. «Es ist wichtig, möglichst früh mit der Medienbildung zu beginnen», sagt Silvia Mallien, «denn die Kinder sind heutzutage von klein an stark mit Medien und digitalen Geräten konfrontiert.» Ein Umstand, der die Väter und Mütter vor einige Herausforderungen stellt und nicht selten verunsichert. Hier soll der Medienbildungsmorgen Ab-hilfe schaffen, differenziert informieren und orientieren. Und auch relativieren. «Es ist ein Mythos, zu glauben, dass ein Kind automatisch klüger wird, wenn es sich mit dem Computer oder Smartphone beschäftigt», sagt Mallien. Verbieten solle man den Kindern solche Medi-en aber auch nicht. «Vielmehr geht es darum, sie an diese Technologien heranzuführen, indem man ihnen eine altersgerechte Nutzung anbietet.»

    Wie das geht, zeigt das Medienbildungs-Team der PH Zürich an diesem Morgen in vier verschiedenen Workshops, die in Absprache mit der Schule entwickelt wurden. Je nachdem für welches Angebot sich die ein-

    «Eine tolle Idee – das werden wir zuhause auch mal machen»

    Kinder werden heute mit Smartphone, Tablet und Computer gross. Deren Be-dienung ist oft kinderleicht, doch der Umgang mit den neuen Technologien und digitalen Medien weckt gewisse Unsicherheiten. Deshalb hat die Pri-marschule Untersiggenthal das Thema in einem von der PH Zürich organisier-ten Familien-Medienbildungsmorgen für Eltern und Kinder aufgegriffen.

    Text: Isabel Plana, Fotos: Niklaus Spoerri

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 5 21

    Schwerpunkt H

    eterogenität

    Im Workshop «Blick in den Computer» lernen die Kinder und Eltern das Innenleben von Laptops kennen.

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 522

    zelnen Familien entschieden haben, werfen sie einen Blick in den Computer, erzeugen eigene Soundeffekte, machen magische Fotos oder produzieren selber einen Trickfilm.

    Digitales Daumenkino«Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist, selber einen Trickfilm zu machen», meint Issa Emad erstaunt. Das Tablet auf dem Tisch eingespannt, macht eine ihrer Töchter Fotos, während die andere die zuvor ausgemal-ten und ausgeschnittenen Papierfiguren zentimeterwei-se über den Boden bewegt. Die Geschichte haben sich

    die beiden Mädchen zu Beginn selber ausgedacht. Und sie geht so: Zunächst steht der kleine Elefant alleine auf der Wiese. Dann nähert sich die Maus Schritt für Schritt, springt in hohem Bogen auf den Elefanten und reitet mit ihm durch die Landschaft. In viele Kleinstbe-wegungen eingeteilt, ergibt sich daraus eine Bilderreihe. Diese wird mit Hilfe einer App zusammengefügt und verwandelt sich, hintereinander abgespielt, in einen Film. Ein digitales Daumenkino sozusagen. «Es ist inte-ressant zu sehen, was man mit dem Tablet alles machen kann», sagt Issa Emad. «Sonst schauen meine Töchter darauf immer nur Videos. Aber mit dieser App können sie selber etwas gestalten. Eine tolle Idee, das werden wir zuhause auch mal machen.»

    Produzieren statt nur konsumierenZiel des Medienbildungsmorgens ist aber nicht nur, Interesse an der Technologie zu wecken und Ideen für den kreativen Einsatz von Tablets oder Smartphones aufzuzeigen, sondern die Eltern auch für die Wirkung der Medien auf die Kinder und mögliche Gefahren zu sensibilisieren und Ideen für den familiären Alltag mit Medien mitzugeben. Zu diesem Zweck hält Friederike Tilemann, Dozentin für Medienbildung an der PH Zü-

    rich, zwischen den Workshops ein Referat. «Medienbil-dung findet nicht nur mit elektronischen Geräten statt», sagt sie den Eltern. «Es geht auch darum, sich mit dem Kind über Medieninhalte zu unterhalten, zum Beispiel über die Szenen, die es im Fernsehen gesehen hat.» Denn Kinder nehmen das Gesehene anders wahr. «Es fällt ihnen beispielsweise schwer zu unterscheiden, ob etwas gespielt oder echt ist.» Während uns Erwachsenen klar ist, dass eine Person im Film nicht wirklich stirbt, können Kinder diese Abstraktion in der Regel noch nicht machen. Zudem hänge ihre Wahrnehmung stark von ihrer eigenen Lebenswelt ab, weiss Tilemann und fordert die Eltern auf: «Lassen Sie sich von Ihrem Kind einmal einen Film erzählen. Das ist sehr interessant. Sie erfahren dann nämlich häufig auch, welche Themen das Kind in seinem Leben gerade beschäftigen.»

    In ihrem Vortrag zeigt die Dozentin auf, dass Medienkompetenz weit mehr ist als die korrekte Hand-habung eines Geräts. «Es ist viel schwieriger, einen Apfel zu schälen, als ein Tablet zu bedienen. Dass Kinder die richtigen Gesten auf dem Touchscreen ausführen, be-deutet noch lange nicht, dass sie Medien durchschau-en.» Kompetent ist, wer sich kritisch mit Medien ausei-nandersetzt, sie gezielt anwendet und als Werkzeug zu nutzen weiss. «Versuchen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, selber etwas mit Medien zu gestalten, zum Bei-spiel ein Fotoalbum oder eine Fotogeschichte», ermutigt Tilemann die Eltern. «Man muss kein Computerfreak sein, um sein Kind in Sachen Medien gut begleiten zu können.»

    Bis auf die Tasten seziertKleine Computerfreaks scheinen Tobija und Samuel be-reits jetzt zu sein, so hartnäckig wie die beiden Buben den Laptop Stück für Stück zerlegt haben. «Schaut alle mal schnell her, ich will euch bei dieser Gruppe hier etwas zeigen», sagt Workshop-Leiter Thomas Staub und beugt sich über Tobijas und Samuels Laptop. «Wenn ihr hier mit den Fingernägeln draufdrückt, könnt ihr den Arbeitsspeicher herausnehmen. Das ist sozusagen das Kurzzeitgedächtnis des Computers.» Damit geben sich die beiden Buben noch lange nicht zufrieden. Sie sezie-ren weiter, bis der Laptop bis auf die letzte Taste in seine Einzelteile zerlegt ist. Thomas Staub schmunzelt und macht sich daran, das Gerät behelfsmässig wieder zu-sammenzusetzen. Damit auch die nächste Gruppe noch die Chance hat, den Computer auf Herz und Nieren zu prüfen.

    Weitere Informationen zum Angebot «Familien-Medienbildung» der PH Zürich: tiny.phzh.ch/familientag

    Ziel des Familienmorgens ist es unter anderem, Eltern für die Wirkung der Medien auf die Kinder und mögliche Gefahren zu sensibilisieren.

    Reportage

  • Ein Mädchen seziert einen Computer, während die Eltern den Ausführungen des PHZH-Fachmanns folgen.

    Tablet auf dem Tisch ankleben, Figuren bewegen, Fotos machen, App installieren – fertig ist der Trickfilm.

  • A K Z E N T E 3 / 2 0 1 524

    Studierendenseite

    Studierendenporträt

    Kyung-Jin Candrians Weg an die PH Zürich führte sie durch viele Länder. Die Berlinerin mit koreanischen Wurzeln kam der Liebe zu ihrem Ehemann wegen in die Schweiz. Nach ihrem Soziolo-gie-Studium in Konstanz spielte sie bereits mit dem Gedanken, Leh - re rin zu werden, schob den Plan aber auf, um reisen zu können. Die Entscheidung für das Studium zur Lehrperson fiel nach dem Auf ent - halt in einem Meditationszentrum in Tokyo. Gespräche mit anderen Menschen vor Ort, von denen viele den Lehrberuf ausübten, aber auch die internationale Perspektive des Berufs hätten sie inspiriert, sagt sie. Zurück in der Schweiz begann sie 2011 mit dem Studium. Nach zwei Semestern gönnte sie sich eine Pause, um mit ihrem Mann Asien zu erkunden. Zuerst absolvierte sie

    jedoch noch einen Sprachaufent-halt in England. Danach ging es über einen buddhistischen Pilger- weg von Indien nach Nepal, Malay- sia, Thailand und Burma. Nach sechs Monaten kehrte das Paar zu- rück. Kurz darauf wurde Candrian mit Wunschkind Mido schwanger.

    Sie zog ihr Studium während der gesamten Schwangerschaft durch, nur in einem Modul trat sie kürzer, als die physischen Belas-tungen zu gross wurden. Ihre Kol- leginnen und Kollegen an der PH Zürich seien alle sehr lieb gewesen. Die Dozierenden seien ihr entge- gengekommen. Im Juli 2014 kam die kleine Mido auf die Welt, «in den Semesterferien, zum perfekten Zeitpunkt», sagt sie und lacht. Ihr Leben sei seither präzise durchge-plant. Für Spontanität bliebe kaum

    Platz. Das spürt sie besonders wäh- rend der Praktika. Ihre Pausen nutzt sie dazu, nach Hause zu fah- ren, um das Kind zu stillen. Nach- mittags ist sie in erster Linie Mut- ter. Abends wird sie wieder zur Studentin und arbeitet oft bis spät in die Nacht. Der Wechsel zwi- schen den beiden Rollen ist stressig und doch gefällt es ihr so, wie es ist. Ihr Mentor, der sie während des Studiums betreut, spiele dabei eine grosse Rolle, da er auf ihre neue Lebenssituation Rücksicht nehme. Ihr Studienabschluss verschiebt sich durch die Mutterschaft um ein Jahr. Das sei nicht weiter schlimm, findet sie. Zeit zum Arbeiten hätte sie schliesslich noch bis 64. – Sarah-Amelia Paciarelli

    Sarah-Amelia Paciarelli ist Redaktorin in der Abteilung Kommunikation an der PH Zürich.

    Kyung-Jin Candrian, 30, Studentin auf der Sekundar-stufe I mit Tochter Mido.

    Foto: Nelly Rodriguez

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    Foto: Nelly Rodriguez

    Studierendenseite

    Die Masterarbeit

    Als Tochter eines Se- kun darlehrers erhielt Studentin Johanna John früh Einblicke in den Lehrberuf. Durch einen Vorfall an der Schule, an der ihr Vater unterrichtet, wurde sie auf ein unbehagliches Thema aufmerksam. Sie verfolgte mit, wie ein ehemaliger Schüler ihres Vaters auf die schiefe Bahn geriet, die Schule schwänzte und nach gescheiterten Integrationsversu-chen ausgeschult wurde. Vor zwei Jahren bekam sie im Rahmen eines Praktikums im Lehrerzim-mer ein Gespräch mit. Wieder ging es um einen Schüler, welcher der Schule fernblieb und dem die Ausschulung drohte. Johanna John gingen viele Fragen durch den Kopf. Viele blieben unbeant-wortet, und so entschloss sie sich dazu, ihre Masterarbeit dem Thema Schulabsentismus und Schulabbruch zu widmen. Den Fokus legte sie auf die subjektive Wahrnehmung der involvierten Akteure. Mittels Leitfadeninter-views, die sie mit Theorie und Forschungsergebnissen verknüpf- te, ging sie der Frage nach, wie betroffene Jugendliche und deren Lehrpersonen den Schulabbruch erleben, welche Faktoren den Abbruch begünstigen und welche ihn verhindern können. Neben individuellen Faktoren wie dem Alter, Geschlecht, sozioökonomi-schen Status und der familiären Situation der Jugendlichen spielten dabei auch institutionelle Einflüsse wie der Umgang mit Regeln oder Lehrpläne eine Rolle.

    Bisherige Forschungs- ergebnisse haben gezeigt: Schulabsentismus darf nicht auf Unlust und Schulaversion re- duziert werden. Die wissenschaft- liche Auseinandersetzung mit

    der Problematik führt vor Augen, dass sich Schulabsentismus in vielen Formen äussert. Die Gründe für das physische Fernbleiben von der Schule reichen vom «klas- sischen» Schwänzen über Schul-angst bis hin zum Zurückhalten des Schülers oder der Schülerin durch die Eltern. Die Analyse der Leitfadeninterviews bestätigte den aktuellen Forschungsstand dahingehend, dass sowohl indivi- duelle als auch institutionelle Faktoren einen Schulabbruch bedingen. Als wichtigste Erkennt-nis aber gilt, dass eine funktio- nierende Schüler-Lehrer-Bezie-hung und die Beziehungsfähigkeit beider Akteure die beste Schul- abbruchprophylaxe ist. Mit ihrer Arbeit möchte Johanna John sensi- bilisieren: Lehrpersonen sollten sich bewusst sein, dass «ein Schul- ausschluss ein sehr einschneiden-des und wegweisendes Erlebnis» für einen jungen Menschen sein kann. Die beiden Dozentinnen, bei denen die Masterarbeit eingereicht wurde, legen grossen Wert auf die Schulabsentismusprophylaxe in der Lehrpersonenausbildung: «Beim Schulabsentismus schauen viele gerne weg, da sich dahinter oft ein Problemkomplex verbirgt, der eine Lawine ins Rollen bringen kann», weiss Patricia Schuler. Um- so wichtiger sei es, dass angehende Lehrpersonen für diese pädagogi-sche Aufgabe diagnostisch befähigt würden, ergänzt Manuela Depauly. Johanna John ist jetzt ein Profi im Umgang mit Schulschwänzenden und schaut in Zukunft nicht weg, wenn jemand im Unterricht auf- fällig oft unerlaubt fehlt. – Sarah-Amelia Paciarelli

    Die Masterarbeit von Johanna John ist online veröffentlicht: blog.phzh.ch/akzente

    Albisriederplatz: Ich steige ins Tram und schnappe mir eine Zei- tung. Wieder sind Flüchtlinge ein Thema. Bald blättere ich weiter zum Klatsch und Tratsch. Sihlpost: Schon muss ich aussteigen. Ein schlechtes Gewissen plagt mich. Gehöre ich auch zu den Leuten, die Banalitäten höher gewichten als humanitäre Tragödien? Liess mich die Frontseite mit den verschütte-ten Menschen aus dem Erdbeben eben gerade kalt? Eine Überlebensstrategie ist es wohl, unlösbar erscheinende Probleme zu verdrängen. Ich erklä- re es mir so: Menschen suchen nach Antworten. Krieg, Terror oder Na- turkatastrophen passieren. Nie- mand weiss, warum und wann es wen trifft. Die Frontseite liess mich eben doch nicht kalt. Beim Lesen fühlte ich mich machtlos und trau- rig. Ich schätze es, dass wir ver- schont blieben und bin überzeugt: Blendet man das Weltgeschehen ganz aus, wird der eigene Horizont immer kleiner. Man beginnt sich über kleine Dinge zu ärgern. Die Gefahr, darin zu versinken, steigt. Es ist ein unglaubliches Privileg, in der Schweiz geboren worden zu sein, wo wir seit lan- gem von Krieg und Terror ver-schont geblieben sind. Für dieses ungemeine Glück haben wir nichts geleistet. Durch Zufall sind wir hier geboren. Sollen wir uns sozi- al engagieren, nachhaltig leben, spenden oder in Gedanken bei Ärmeren sein? Was wir aus diesem Privileg machen, muss jeder selbst verantworten.

    Alexandra Edelmann, Studentin auf der Primarstufe und Tutorin im Schreibzentrum der PH Zürich.

    Ein unglaubliches Privileg

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    PH Zürich – Ausbildung

    Auf den Tischen im Unterrichtszimmer liegen Ta-schenlampenbatterien, Glühbirnen, Ballone, Magnete und weitere einfache Alltagsgegenstände. Aufgeteilt in Gruppen brüten angehende Primarlehrerinnen und -leh-rer über Experimenten, die ihre Mitstudierenden als Lern aufgabe vorbereitet haben. Die Studierenden gehen mit forschender Neugier ans Werk. Kritisch prüfen sie, ob die Auftragsblätter auch für Kinder auf der Primarstufe verständlich sind oder didaktischer Korrekturen bedür-fen. «Dieses Experiment werde ich sicher mit meiner Klasse durchführen, wenn wir etwas mit Elektrizität ma-chen», meint eine Studentin, die nach den Sommerferien ihre erste Stelle antritt.

    Aufbauen von naturwissenschaftlichen KompetenzenEntgegen dem Wunsch einiger Studierender sei es aber nicht das Ziel, pfannenfertige Anweisungen für Experi-mente zu produzieren oder auszuhändigen, bemerkt Franziska Detken, die Dozentin des Moduls. Geweckt werden sollen stattdessen die Neugier und die Verinnerli-chung der wissenschaftlichen Forschungslogik. Dabei gehe es darum, «spielerisch Phänomene in Natur und Technik beobachten zu lernen, Fragen zu stellen, Vermu-tungen zu formulieren und mit Experimenten herauszu-finden, ob diese stimmen», sagt die Dozentin. Durch den Erwerb dieser methodischen Kompetenzen werde ein Zugang zu einer Vielzahl von Phänomenen ermöglicht, und zwar bei Lehrperson und Schülerinnen und Schü-lern gleichermassen. «Naturwissenschaften fristeten auf der Primarstufe bislang eher ein Stiefmütterchen-Da-

    sein», stellt Detken fest, «dabei sind Kinder auf dieser Stu-fe sehr neugierig. Ihnen in diesem Alter einen Zugang in diese Welt zu ermöglichen, erachte ich als sehr effektiv.»

    Um die Vertrautheit und das Vorwissen bezüglich Naturwissenschaften sei es sehr unterschiedlich bestellt unter den Studierenden, merkt die Dozentin an. Obwohl alle sehr interessiert seien, fühlten viele sich unsicher. «Deswegen», so Detken, «geht es im Modul auch darum, in den NaTech-Bereichen die Hemmungen der zukünf-tigen Primar-Lehrpersonen abzubauen und ihre fachli-chen und fachdidaktischen Kompetenzen zu stärken.» Es sei folglich ein wichtiges Ziel, dass die Studierenden fach-liche Sicherheit und Erfahrungen mit den zentralen Me-thoden gewännen; allen voran mit dem Experimentieren und der Arbeit mit Modellen. «Auch wenn dieser Weg für einige herausfordernd ist: Dieser Prozess ist sehr zentral und soll hier im Modul angeschoben werden», sagt Fran-ziska Detken und widmet sich wieder ihren forschenden Studierenden.

    Neue Handreichung für Lehrpersonen und SchulenEbenfalls im Zuge der Stärkung der Naturwissenschaften hat das Zentrum für Didaktik der Naturwissenschaften (ZDN) der PH Zürich im Auftrag des Volksschulamts eine Handreichung für Lehrpersonen und Schulen aller Stufen entwickelt. Auch in dieser steht das Experimentie-ren im Fokus. «Das Experimentieren ist in den Naturwis-senschaften die zentrale Arbeitsweise. Deshalb ist es

    wichtig, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht Experimente durchführen», sagt Susanne Metzger, Leite-rin des ZDN. Die Handreichung enthält Tipps für die Ausstattung der Schulen mit einfachen Experimentier- Materialien sowie Anregungen für Experimente.

    Link zur Handreichung: tiny.phzh.ch/experimentieren

    Christian Wagner ist Redaktor in der Abteilung Kommunikation der PH Zürich.

    Um die Kompetenzen von Lehrpersonen und Schulkindern in den naturwissenschaft-lich-technischen Bereichen zu stärken, hat die PH Zürich das Modul «Natur und Tech-nik mit Kindern» ins Leben gerufen. Dort lernen angehende Primarlehrpersonen, Kin- dern einen forschenden Zugang zu ihrer Umwelt zu eröffnen.

    Text und Foto: Christian Wagner

    Hemmungen abbauen im Experimentieren

    Das neue Ausbildungs-Modul vermittelt Studierenden Sicherheit im Umgang mit naturwissenschaftlichen Inhalten.

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    PH Zürich – Stiftung Pestalozzianum

    Historische Bücher und Handschriften, Kinder-zeichnungen, historische Glasdias, Schulwandbilder, Protokolle und vieles mehr: Die «Sammlungen Pestaloz-zianum» sind ein Archiv der kantonalzürcherischen Bil-dungsgeschichte von besonderem Wert und Ausmass. Dieses «Gedächtnis der Volksschule» befindet sich im Besitz der Stiftung Pestalozzianum, unterhalten und ge-nutzt wird es im Rahmen eines Vertrags durch die PH Zürich.

    Wichtige Bildungsfragen – Was heisst lernen? Wer soll dabei mitreden dürfen? – können nur im Bewusstsein fruchtbar diskutiert werden, dass Bildung, Politik, Ge-sellschaft und Kultur schon immer miteinander vernetzt waren. Die «Sammlungen Pestalozzianum», die sich im Dreieck der Person J. H. Pestalozzis, der Volksschule und des Trägerkantons Zürich entfalten, dokumentieren dies auf eindrückliche Weise.

    Kantonsrat bewilligte Projekt einstimmigDie Herkunft der Volksschule ist also deren Zukunft: Von dieser Überzeugung lässt sich die Stiftung Pestaloz-zianum leiten. Der Kanton, die Vorgänger-Institution «Pestalozzianum» und die PH Zürich haben der Stiftung vor mehr als zehn Jahren die auch international beachtli-chen Sammlungen überlassen. Die Stiftung fördert den Dialog zwischen Bildungswesen und Öffentlichkeit mit

    Preisen, Podien, Publikationen und nun mit diesem grös-seren Projekt. In zwei Antragsphasen (2013 und 2014) wurde das Projekt im Umfang von 7,1 Millionen Fran-ken entwickelt und beim Lotteriefonds beantragt. Es wurde Ende April 2015 vom Zürcher Kantonsrat ein-stimmig genehmigt.

    Sanieren, erschliessen und nutzbar machenDas in fünf Teilprojekte gegliederte Grossprojekt nimmt konkret folgende Aufgaben in Angriff: Das mit über 65 000 Zeichnungen bestückte «Archiv der Kinder- und Jugendzeichnung» wird inhaltlich vollständig erschlossen, digitalisiert und für die Online-Nutzung zugänglich gemacht. Eine grosse Sammlung von historischen visuel-len Unterrichtsmedien (Glasdias, Schulwandbilder und -karten) werden ebenfalls vollständig erfasst und digital zugänglich gemacht. Vor- und Nachlässe von bekannten

    Zürcher Pädagogen und Pestalozzi-Forschenden werden durch Findmittel erschlossen und teilweise digitalisiert und transkribiert. Vom Verfall bedrohte oder beschädigte wertvolle Bücher werden restauriert und entsäuert. Die umfassenden Arbeiten an den Beständen werden auch Anlass für vermittelnde Tätigkeiten wie Ausstellungen, Führungen, Faksimiles und Publikationen geben. So kann eine breite Öffentlichkeit auf verschiedenen Kanä-len von den Sammlungen profitieren.

    Weitere Informationen über das Projekt unter pestalozzianum.ch

    Peter Stücheli-Herlach ist Präsident, Thomas Hermann ist Geschäftsführer der Stiftung Pestalozzianum.

    Das «Gedächtnis der Volksschule»

    Die Stiftung Pestalozzianum hat ein Projekt für den Erhalt, die Erschlies-sung und die Nutzung ihrer umfangrei-chen Sammlungen entwickelt. Nun erhält sie gut sieben Millionen Franken aus dem Lotteriefonds des Kantons Zürich für dessen Umsetzung. Wichtige Partner sind die PH Zürich und externe Fachpersonen.

    Text: Peter Stücheli-Herlach, Thomas Hermann Foto: Reto Klink

    Die «Sammlungen Pestalozzianum» umfassen unter anderem 65000 Kinder- und Jugendzeich-nungen.

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    PH Zürich – Zentrum IPE

    Akzente: Rolf Gollob, wie gelangen Sie mit dem Zentrum IPE an Ihre Aufträge?Rolf Gollob: Das ist sehr unterschiedlich. Meistens werden wir direkt kontaktiert – beispielsweise von einer Bildungsorganisation eines Landes –, oder das Bil-dungsministerium eines Landes ist an die offizielle Schweiz gelangt, und diese tritt dann in Kontakt mit

    uns. Dies ist meistens die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).

    Arbeiten Sie immer mit offiziellen Vertretungen eines Landes zusammen?Ja, wir sind eine staatliche Organisation und als solche angehalten, mit der Bildungsbehörde in den entspre-chenden Ländern zu kooperieren. Gelangt beispielswei-se eine Nichtregierungsorganisation eines Landes mit einer Anfrage an uns, schicken wir sie immer zuerst zu ihren eigenen Behörden zur Absicherung und zur mög- lichen Einholung von finanziellen Mitteln.

    Erschwert Ihnen dies die Arbeit?Das macht die Arbeit manchmal komplizierter, ja. Eines unserer Grundprinzipien ist jedoch die Nachhaltigkeit. Diese können wir nur erreichen, wenn die offiziellen Vertretungen der Länder hinter den Projekten stehen oder sie sogar verantworten.

    Wie stellen Sie sicher, dass Sie stets unabhängig arbeiten können?Das ist eine wichtige Frage. Unsere Projekte sind immer mit Innovationen und Veränderungen verbun-den. Diese stossen nicht immer bei allen Akteuren eines Systems auf Gegenliebe. Innovationen sind gleichbe-deutend mit einer Anpassung von Inhalten, Strukturen und Prozessen. Dies führt zu Macht- und Einflussver-schiebungen. Wird beispielsweise im Rahmen eines unserer Projekte in einem Staat eine neue Didaktik ein- geführt, wird die Arbeit von Forschenden an den dor- tigen Universitäten möglicherweise entwertet, steht doch unsere Entwicklung in Konkurrenz zu ihren Ideen und Ansätzen. Solche Widerstände sind Teil des Pro- zesses. Unsere Vorschläge werden selten telquel über- nommen, sondern im Verlaufe des Projekts so angepasst, dass sie ins System passen. Der Innovationsgehalt darf jedoch nicht verloren gehen. Schlüsselkomponenten müssen eingehalten werden, sonst erfüllen wir unseren Auftrag nicht.

    Wie unterscheiden sich die politischen Systeme in den Ländern, in denen Sie sich engagieren?Die Machtverteilung in den einzelnen Ländern ist sehr unterschiedlich. Die Ukraine oder Rumänien sind Staaten mit starken administrativen Systemen. Das Beamtenwesen hat dort viel Macht. Starke Beamtenap-parate können die Fortschritte behindern, auf der anderen Seite sind sie aber verlässlich.

    Wie gestaltet sich die Arbeit in Ländern mit schwachen Administrationen?Dies betrifft unser Engagement in jungen Staaten wie Kosovo oder Bosnien. Bosnien beispielsweise ist sehr

    «Veränderungen stossen nicht bei allen Akteuren auf Gegenliebe»

    Seit rund zehn Jahren engagiert sich das Zentrum International Projects in Educa-tion (IPE) der PH Zürich in verschiedenen Ländern mit Projekten in Bereichen wie der Berufswahlorientierung oder der Demokratiebildung. Co-Leiter Rolf Gollob äussert sich im Interview darüber, wo- rauf es bei einem Engagement in Staaten wie der Ukraine oder Rumänien ankommt.

    Text: Christoph Hotz, Foto: Reto Klink

    Rolf Gollob, Co-Leiter Zentrum International Projects in Education (IPE) der PH Zürich.

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    PH Zürich – Forschung

    Akzente: Was sind die Schwerpunkte des Zentrums für Schulentwicklung?Zala-Mezö: Uns interessiert, wie sich Schulen weiterentwickeln und wie dabei die Prozesse ablaufen. Wir versuchen, Faktoren zu ermit-teln, die Weiterentwicklungen behindern oder unterstützen. Im Zentrum unserer Untersu-chungen stehen dabei stets Projekte, an wel- chen das ganze Team einer Schule beteiligt ist.

    Akzente: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?Zala-Mezö: Entwicklungen können von der Schule selber initiiert oder durch externe Faktoren ausgelöst werden. Ein gutes Beispiel für Letzteres ist der Lehrplan 21. Wird dieser eingeführt, müssen Schulen darauf reagieren. Das Team wird einen Weg finden müssen, wie es mit den Neuerungen umgeht. Ein wichtiger As- pekt dabei ist das Thema Kooperation und die Frage, wie die Lehrpersonen voneinander profitieren können – beispielsweise bei der Entwicklung von kompetenzorientierten Unterrichtsformen. Ziel ist, dass die Schulen nicht bloss Unterrichtsmaterialen austau-schen, sondern gemeinsam Lösungen erarbei-ten. Dieser Prozess muss geführt werden. Es braucht eine Person, die ihre Aufmerksamkeit permanent diesem Thema widmet.

    Akzente: Ist dies immer zwingend die Schul-leitung?Zala-Mezö: Nein, nicht unbedingt. Die inhalt-liche Verantwortung kann an eine Lehrperson delegiert werden. Dies gilt für alle Arten von Projekten. Denn häufig sind Schulleitungen stark überlastet. Es ist wichtig, dass sie Kompetenzen abgeben und, ebenso wichtig, dass sie Prioritäten setzen. Schulleitungen müssen lernen, bei Anfragen für Projekte Nein zu sagen. Wir erleben es oft, dass in Schulen zu viele Dinge gleichzeitig laufen. Deshalb soll-ten die Schulleitungen Schwerpunkte setzen.

    – Christoph Hotz

    Ausführliches Interview: blog.phzh.chWeitere Informationen zum ZSE: tiny.phzh.ch/zse

    dezentral organisiert und hat zwölf kaum koordinierte Bildungsministerien. Dort eine Neuerung umzusetzen, ist sehr schwierig.

    Wie wichtig ist die Stabilität eines Landes?Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg unserer Projekte ist, dass wir die Strukturen der Staaten gut kennen. Dabei kommt uns unsere langjährige Er- fahrung zugut. Wir wissen inzwischen, auf welcher Verwaltungsebene der jeweiligen Länder wir unsere Projekte ansiedeln müssen, damit eine Implementie-rung eher möglich wird. Wir wissen oft auch, bis zu welcher Ebene bei einem Regierungswechsel die Per- sonen im Verwaltungsapparat eines Landes ersetzt

    werden. Entsprechend suchen wir Projektpartner auf einer höheren Ebene. Unsere Hauptpartnerin in Rumänien hat diverse Ministerien überlebt. Unsere Aufgabe ist es auch, dafür zu sorgen, dass die Themen bei diesen Leuten nicht auf dem Pult liegen bleiben. In Rumänien konnten wir beispielsweise im Rahmen unseres Projekts JOBS eine neue Infrastruktur in Form eines Fachzentrums für Berufsorientierung innerhalb des Bildungsministeriums bilden. Dort wird jetzt eine Fachstelle eingerichtet, welche die Umsetzungsarbeit über viele Jahre hinweg leisten soll.

    Sie engagieren sich auch in der Ukraine. Das Land sah sich in den vergangenen Monaten und Jahren mit grossen Umwälzungen konfrontiert. Wie hat sich Ihr Engagement in dieser Zeit entwickelt?Wir arbeiten seit sechs Jahren in der Ukraine zum The- ma Demokratiebildung. Dabei geht es unter anderem darum, Lehrpersonen, Schulleitenden und Beamten die Grundlagen der praxisorientierten Demokratiebildung zu vermitteln. Wir arbeiten auch da mit einer staatlichen Organisation zusammen. Dies hat sich bewährt. Die vielen Regierungswechsel in den letzten Jahren haben unser Projekt nicht behindert. Dies liegt daran, dass unsere Partner in dieser Organisation die gleichen ge- blieben sind und die DEZA uns vor Ort unterstützt.

    Ausführliches Interview: blog.phzh.ch/akzenteWeitere Informationen zum Zentrum IPE: phzh.ch/ipe

    «Schulleitende müssen lernen, ‹Nein› zu sagen»

    Enikö Zala-Mezö, Leiterin Zentrum für Schulentwicklung (ZSE) der PH Zürich.

    «Die vielen Regierungs-wechsel in der Ukraine haben unser Projekt nicht behindert.»

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    Serie – M

    ein F

    remdsprachenpraktikum

    Hektisch ging es zu und her, bevor Jasmina Rüt-sche nach Schottland fliegen konnte. Denn ihr dreiwö-chiges Assistant Teachership an der Reston Primary School schloss sich nahtlos an das siebenwöchige Quar-talspraktikum an. «Das war sehr anstrengend», erinnert sie sich. Und dann kam schon wieder etwas total Neues, es war ihr fast zu viel. «Ich hatte keine Zeit, grosse Erwar-tungen zu entwickeln, hatten wir doch alle Hände voll zu tun, die Vorfreude kam etwas zu kurz.» Und dies, obwohl Schottland ihr Wunschziel war.

    Ihre Stimmung änderte sich aber in dem Mo-ment, als sie Louise Sanders, Schulleiterin der Reston

    Primary School, kennenlernte. Jasmina Rütsche lebte während ihres Aufenthalts im Haus der Schulleiterin. «Das war einfach toll, wie Louise Sanders mich bewirte-te, betreute, mit mir Ausflüge unternahm und mich ih-rem ganzen Freundeskreis vorstellte», sagt sie mit gros-sem Enthusiasmus. Dies, obwohl es ihr zu Beginn etwas mulmig war bei der Vorstellung, bei der Schulleiterin zu wohnen. «Das hätte ich mir in der Schweiz nicht vorstel-len können, schliesslich ist die Schulleiterin ja auch Vor-gesetzte.»

    Schulalltag ohne DruckDie Reston Primary School, an der Jasmina Rütsche die nächsten drei Wochen als Assistenzlehrperson verbrach-te, ist eine sehr ländliche und eher kleine Schule mit rund 70 Schülerinnen und Schülern. Die drei Klassen werden altersgemischt geführt. Auf das schottische Schulsystem war die Studentin sehr gespannt, obwohl sie nicht wirklich grosse Unterschiede zum schweizerischen erwartete. Dies entpuppte sich als falsche Vorstellung. Der Morgen begann etwas militärisch mit der sogenann-ten Assembly – alle Kinder versammelten sich in Reih und Glied zur Begrüssung –, dann ging es aber sehr spontan und offen weiter. Trotz einem eher formellen Umgang mit den Kindern, der durch die Kleidung der Lehrpersonen mit Anzug und Krawatte unterstrichen wurde, empfand Jasmina Rütsche den Schulalltag als eher unstrukturiert. Das hatte sie etwas überrascht. «Es war nicht zu vergleichen mit einer Schule im Kanton Zürich, hier geht alles sehr strukturiert und planmässig vor sich, mit Jahres-, Quartals-, Wochen- und Tagespla-nung», sagt sie. Besonders fiel Jasmina Rütsche aber auf, dass es kaum Frontalunterricht gab, meistens fand der Unterricht in Gruppen statt.

    Den Lehrplan mussten die Lehrpersonen zwar einhalten, wie sie den Unterricht gestalten, wurde aber

    «Es gab viel weniger Druck als bei uns in der Schule»

    Wunderschöne Landschaften, idyllische Landhäuser, freundliche Menschen und ein interessantes Schulsystem – so er-lebte Jasmina Rütsche, Studentin auf der Primars