Alblust - Das Schwäbische Alb Magazin: Ausgabe 3-2015
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Aus
gabe
3/2
015
Heft 3/2015 EURO 4,–
Wohlig
warm
durch den
Winter
Mit Schneeschuhenübers Degerfeld
Große weiße Welt
Auf den Spuren derFeuerzangenbowle
Heiße Gerüchte in Ellwangen
Heilsame Wärme aus der Urzeit
Jurafango aus Bad Boll
Mit Volldampf und Musik
Ab in die Sauna
64 Heilkraft aus der UrzeitSchiefergestein wird in Bad Boll zu Jurafangopulver zermahlen
70 Die große weiße Welt!Eine Tour mit Alb-Guides und Schnee-schuhen übers Degerfeld
FlurstückFeld, Wald, Wiese
LandpartieAusflüge und Aktivitäten
SchauplatzKultur und Leben
40 Flammendes GeheimnisAuf den Spuren des Films „Die Feuer-zangenbowle“ durch Ellwangen
48 Kunststück!Im „Atelier 5“ in Mariaberg sind anerkannte Könner am Werk
54 Helle FreudeIn Binsdorf leben beim „Z’Licht-Abend“ alte Traditionen auf
60 Die Schöne und der TodRahel Merks wurde zur schönsten Bestatterin im Land gewählt
18 Ab auf die PisteIn Holzelfi ngen wird gerodelt und gefeiert wie in den Alpen
24 Unter DampfMit Sauna-Events heizt das Badkap in Albstadt Gästen ein
30 Heimat im KleinformatFritz Wollmann zeigt in Blaubeuren seine bewegliche Krippe
36 Heiß auf EisWie auf der Ostalb ein Sendemast zum Eiskletterturm wurde
18 4040
TafelrundeEssen, trinken, feiern
78 Zähe LeidenschaftAls Sattlerin braucht Eva-Maria Haas viel Fingerspitzengefühl
84 Warme Füße, warmes Herz!Tutto aus Hechingen sorgt für Socken-wolle und Schafpatenschaften
92 Gut im HolzJeder Holzspan wird beim Fertighaus-Hersteller Schwörer genutzt
98 Zweite ChanceEine Reutlinger Manufaktur gestaltet Neues aus geerbten Pelzmänteln
104 Obst in FlammenEin Besuch auf dem Braunhof bei Brennerin Beate Kottmann
110 Von Schönem umringtKloster Lorch ist beliebt bei Hochzeits-paaren und Ausfl üglern
116 „Meine Heimat ist das Dorf“Jürgen Reck vom Gasthaus zum Löwen in Wilfl ingen und sein Rehbraten
121 Ob Martinimarkt oder Marathon, Fasnetsumzug oder Filmfestival: Die wichtigsten Veranstaltungen im Überblick
126 Bummeln in Burgen, Klöstern und Städten: Tipps für Weihnachtsmärkte
AushäusigTipps und TermineÄlbler
Macher und Originale
38 Land erleben: Tipps für Trips
46 Wer hat’s erfunden?
47 Lesezeichen: Neue Bücher
76 Fundstücke
102 Tipps von der Landfrau
128 Impressum
Rubriken
78 11036
78 Zähe LeidenschaftAls Sattlerin braucht Eva-Maria Haas
ÄlblerMacher und Originale
Wohlig
warm
durch den
Winter
Landpartie
Unter DampfDraußen weht ein eisiger Wind, die Büsche ächzen unter der
Last des Schnees. Doch zwischen Ebingen und Lautlingen
liegt eine warme Insel namens „Badkap“, eine Hitze-Oase
auf der vor Kälte klirrenden Zollernalb. Sie verspricht nicht
nur eine heiße, sondern sogar eine orientalische Nacht.
Abrakadabra in der Albsauna:Der Aufguss zaubert Schweißperlenauf die Haut.
K ein Handtuch passt mehr zwi-schen die schwitzenden Körper. Rund 100 Menschen, soeben den
Minusgraden ihrer Heimat entkommen, sitzen dicht an dicht in der Panorama-Sau-na. Sogar Stehplätze sind rar. Auf dem Aufguss-Plan des Sauna-Meisters wird das Event als „Hot India“ angekündigt. Im Badkap in Albstadt ist heute „orientalische Nacht“ – mitten im Winter.Die Panorama-Sauna steht erhaben über den anderen sechs Saunen. Von hier aus sehen wir zwei Blockhäuser, ein Schwimm-becken und das Bistro, das heute „orien-talische Fleischspieße“ auf der Karte hat. Durch die großen Panoramascheiben hebt sich der verschneite Tierberg ab, der zu den „Balinger Bergen“ gehört. Plettenberg, Schafberg, Lochenstein, Hörnle bilden ein grandioses Amphitheater, in dessen Mit-te die schwitzenden Körper sitzen. Gespannte Stille. Die wartenden Gäste tuscheln, zwei tragen ein Ruhebänkchen von draußen herein. Wenn alle einen Sitz-platz haben, kann’s losgehen. Wie auf
einer Leinwand tauchen hinter den Panorama-scheiben Geli, Ina und Ingo auf, die Zeremonienmeister der „orientalischen Nacht“. Glänzende Pail-letten, goldene Weste, feuerrote Bauch-tanzröcke: Ihr Outfi t ist märchenhaft wie aus „Tausendundeiner Nacht“.„Wie eine Fata Morgana“ dröhnt es plötz-lich aus großen Lautsprecherboxen unter den Holzbänken hervor. Mehrere Hundert Watt brüllen den Song der „ErstenAllgemeinen Verunsicherung“ in die 90-Grad-Hölle. Geli, Ina und Ingo stehen vor den drei glühenden Öfen im Zentrum. Sie
begin-nen damit,
literweise Wasser mit „Maharadscha-Duft“ aus Holzlöffeln über die heißen Steine zu gießen. „Ein alter Beduine, saß auf einer Düne, biss in die Zechine und sprach: Inschallah!“ Der Aufguss hängt wie eine Wolke in der Luft, als könnte er die Absurdität des Moments nicht recht begreifen. Die Sauna-gänger klatschen und johlen zum Lied der Band, die in den 1980er-Jahren, als
Schauplatz
Filmreif: Seit 50 Jahren wird in der „Weinstube Kanne“ die Feuerzangen-bowle zelebriert.
Die Feuerzangenbowle mit
Heinz Rühmann ist ein Film-
klassiker. Bis heute geht das
Gerücht, dass Teile davon in
Ellwangen auf der Ostalb
gedreht wurden. Eine
Spurensuche zwischen
Mythos und Wahrheit und
einem dampfenden Feuer-
kessel in einer Weinstube
der Altstadt.
Die Feuerzangenbowle mit
Heinz Rühmann ist ein Film-
klassiker. Bis heute geht das
Gerücht, dass Teile davon in
Ellwangen auf der Ostalb
Spurensuche zwischen
Mythos und Wahrheit und
einem dampfenden Feuer-
kessel in einer Weinstube
U m 21.35 Uhr geht in der „Kanne“ in Ellwangen das Licht aus. Drau-
ßen ist es dunkel und klirrend kalt. Der Wirt trägt einen dampfenden Silberkessel in den alten Gastraum, auf dem ein wei-ßer, mit Alkohol getränkter Zuckerhut liegt. Er zündet ihn an und übergießt die kleine Flamme mit hochprozentigem Rum. Leuchtend blau schlägt sie nach oben, wie verzaubert sitzen die Gäste um den Tisch herum und verfolgen die kleine Zeremonie, die sie sich an diesem Abend genau an dieser Stelle gewünscht haben. Die Feuerzangenbowle in der „Weinstube Kanne“ in Ellwangen ist Kult. Vor rund 50 Jahren hat sie der Wirt hier eingeführt, bis zu seinem Tod 2006 hat der „Kan-nen-Hans“, wie er genannt wurde, Winter für Winter Hunderte von Bowlen serviert. Danach ist sein Sohn Hariolf in die Bresche gesprungen. „Harry, du musst das weiter-machen“, haben alle gesagt. Inzwischen ist er fast so routiniert wie der Vater. An
geht in der „Kanne“ in Ellwangen das Licht aus. Drau-
ßen ist es dunkel und klirrend kalt. Der Wirt trägt einen dampfenden Silberkessel in den alten Gastraum, auf dem ein wei-ßer, mit Alkohol getränkter Zuckerhut liegt. Er zündet ihn an und übergießt die kleine Flamme mit hochprozentigem Rum. Leuchtend blau schlägt sie nach oben, wie verzaubert sitzen die Gäste um den Tisch herum und verfolgen die kleine Zeremonie, die sie sich an diesem Abend genau an dieser Stelle gewünscht haben. Die Feuerzangenbowle in der „Weinstube Kanne“ in Ellwangen ist Kult. Vor rund 50 Jahren hat sie der Wirt hier eingeführt, bis zu seinem Tod 2006 hat der „Kan-nen-Hans“, wie er genannt wurde, Winter für Winter Hunderte von Bowlen serviert. Danach ist sein Sohn Hariolf in die Bresche gesprungen. „Harry, du musst das weiter-machen“, haben alle gesagt. Inzwischen ist er fast so routiniert wie der Vater. An
manch kaltem Winterabend dampft es an mehreren Tischen gleichzeitig in der schwäbischen Traditionsgaststätte.
Als Drehort wurde das Gymnasium ausgemacht
Es ist nicht so ganz klar, wer als Erster behauptet hat, „Die Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann sei in Ellwangen gedreht worden. Am 28. Januar 1944, im vorletzten Kriegsjahr, kam der berühmte Filmklassiker in die Kinos. Er hält sich bis heute, wurde tausendfach im Fernse-hen oder auf Open-Air-Leinwänden im Winter gezeigt. Zweimal ist dabei die Silhouette einer Stadt zu sehen. In einem Fall handelt es sich um Schwäbisch Hall, im anderen um die Konturen des Schlos-ses und der Wallfahrtskirche auf dem Schönenberg in Ellwangen. Intakte Klein-stadtidyllen, während in der Realität der
Flurstück
Heilkraft aus der UrzeitWenn die Felsbrocken in
die Gesteinsmühle wandern,
bebt der Boden im Fango-
werk in Bad Boll. Der
Schlamm aus dem Pulver,
das aus Juraschiefer gewon-
nen wird, speichert hervor-
ragend Wärme und hilft
Menschen mit Rheuma,
Arthrosen oder Sportver-
letzungen.
D er Bagger hat seinen Dienst getan, nun muss Niko Ivetic ran. Ivetic, seit 35 Jahren Mitarbei-
ter des Bad Boller Fangowerks, schnappt sich einen gewaltigen Hammer und geht quer durch die zugige Halle. In einer Ecke türmen sich asphaltgraue Felsbrocken zu einem Hügel. Der Bagger hat sie aus dem Gelände gleich hinter dem Schuppen her-ausgebissen. Die Grube, die dadurch ent-standen ist, sieht unspektakulär aus. Grund- und Regenwasser haben sich darin zu einem Tümpel gesammelt, in dem Goldfi sche ihre Bahnen ziehen. Ein Grund für die Fischreiher, regelmäßig im Fangowerk vorbeizuschauen.
Ölschiefer ist ein Relikt aus grauer Vorzeit
Rund 300 Tonnen Juraschiefergestein passen in das unscheinbare Gebäude: der Jahresbedarf des Bad Boller Fango-werks, in dem seit Jahrzehnten das heilsame
Jurafangopulver produziert wird. Die mächtigen Steinplatten sind ein Relikt aus grauer Vorzeit, als die Schwäbische Alb ein sauerstoffarmes, subtropisches Meer war. Rund 180 Millionen Jahre ist das her, und der Ölschiefer ist der zu Stein gewordene Schlamm am Grunde des Gewässers, in dem tote Fische, Seelilien, Muscheln und der ein oder andere Sau-rier versanken. Beim Abbau des Ölschie-fers kommen sie als Fundstücke wieder ans Tageslicht, meist platt gedrückt wie Flundern: Ammoniten und Belemniten zum Beispiel, viele Millionen Jahre alte Kopffüßer, die Tintenfi schen ähnelten. Oder der Zahn eines Wassersauriers. Des-halb steht immer ein Paläontologe neben der Grube, wenn der Bagger seine Arbeit aufnimmt und sich Meter für Meter durch den Unter-grund frisst: Von der tiefschwarzen,
Hilfspakete gefüllt mit Jurafango: Rein-hold Schön schwört auf die Wirkung des aus Schiefergestein gewonnenen Pulvers.
Flurstück
Die große weiße WeltSchneeschuhe an und rauf auf die unberührte Fläche:
Die Alb-Guides brechen auch im Winter zu Touren auf.
Beispielsweise übers Degerfeld auf der Zollernalb, wo die
Temperatur auf bis zu minus 40 Grad sinkt und man sehen
kann, wie der Wind eine Lawine im Kleinformat baut.
S ollen doch die Psychologen rätseln und debattieren. Tatsache ist und bleibt: Der Mensch hat und will
Spuren hinterlassen. Wie Lucy, die Vor-menschenfrau in der afrikanischen Erde. Der Astronaut im Mondstaub. Und jeder Wintersportler im unberührten Schnee. Unsere Chancen stehen bestens. Flach, weit, weiß dehnt sich das Degerfeld vor uns aus, makellos. Eine konkurrenzlos am tiefblauen Himmel stehende Sonne lässt die Schneekristalle zu Myriaden funkeln. „Piz-Buin-Wetter“, ruft Annette Schmid und stapft in den tiefen Schnee. Mühelos startet sie und hinterlässt große ovale Löcher als Spur. Wir folgen und legen
parallel die nächste Löcherreihe – mit unseren Schneeschuhen.
Fürs Schneeschuh- wandern ist die Alb ideal
Aus dem Arbeitsschuh der nordamerika-nischen Trapper ist längst ein trendiges Sportgerät geworden. Und die Schwäbi-sche Alb ist ein besonders geeignetes Revier dafür. Der Reiz des Schnee-schuhwanderns liegt in der Freiheit umherzuschweifen. Nicht wie der Win-terwanderer an gebahnte Wege gebunden zu sein. Oder der Langläufer, der Skater zumal, an Loipen. Da bieten die offenen
Flächen der Alb mit ihren mäßigen Stei-gungen ein ideales Terrain, um geradewegs dem Horizont entgegenzulaufen. Oder, wie wir, einigen Kiefern, einer pittoresken Gruppe mit einer Anmutung fast schon wie bei Caspar David Friedrich, inmitten des sonst fast völlig leeren Degerfeldes. Wir wissen jetzt, warum das eine so freie Landschaft ist. Durch eine geologische Besonderheit liegen hier unter dem Schnee besonders fruchtbare Böden. Schon seit vorchristlichen Zeiten hat hier der Mensch den Wald zurückgehalten bis auf die Kup-pen ringsum, deren felsdurchsetzter Boden unattraktiv ist für die Landwirtschaft. Annette Schmid hat uns das erklärt, weil
VorschauDie nächste Ausgabe von Alblust mit dem Titelthema„Flüssige Genüsse“ erscheint am 2. März 2016.
RedaktionChefredakteurin: Claudia List
Texte: Wolfgang Albers, Annette Clauß, Hans Jörg Conzelmann, Christine Dewald, Dorothee Fauth, Isabella Hafner, Karin Kontny, Claudia List, Ulrike Oelkuch, Marion Schrade, Andreas Steidel, Anja Wasserbäch
Fotos: Günther Bayerl, Andreas Fink, Manfred Grohe, Heinz Heiss, Claudia List, Patricia Neligan, Steffen Schmid, Corinna Spitzbarth, Benny Ulmer, Thomas Warnack
Titelfoto: Thomas Warnack
Redaktionsanschrift: Gaußstraße 74b, 70193 Stuttgart, [email protected]. 07 11 /91 45 40 58
VerlagVerleger: Valdo Lehari jr., [email protected]
Leitung Magazin: Joachim Bräuninger
Herausgeber: GEA Publishing und Media Services GmbH & Co. KG
Persönlich haftende Gesellschafterin: GEA Publishing und Media Services Verwaltung GmbH, Burgplatz 5, 72764 Reutlingen
Geschäftsführer: Michael Eyckeler,Stephan Körting
Idee: Joachim Bräuninger undStefan Hartmaier
Anzeigen: Stephan Körting (verant.),Joachim Bräuninger, Sabrina Glück,Iris Goldack, Patricia Kozjek
Anzeigenanschrift: Alblust, Burgplatz 5, 72764 Reutlingen, [email protected]
Gestaltung: Achim Goller, Silvia Kloker,Felix Michel
Druck: Bechtle Druck & Service/Esslingen a. N.
Vertrieb: Joachim Eggert
Auflage: 25 000
LeserserviceBurgplatz 5, 72764 Reutlingen,Tel. 0 71 21/302 555, Fax 0 71 21/302 556, [email protected], www.alblust.de/abo
Die Alblust erscheint viermal jährlich und kostet im Abo 15,90 Euro.
Impressum
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