Alevi Magazin 2014

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Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie A.L.E.V.I. Erscheinungsjahr 2014 Ein Magazin über die Zukunftswerkstatt Alevitentum Entstehung, Leitgedanken und Ziele Themen und Meinungen rund um das Alevitentum Aufklärung. Liebe. Einheit. Vielfalt. Identität.

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Ihr haltet gerade in den Händen die Zeitschrift unseres Jugendprojektes „Zukunftswerkstatt Alevitentum“. Mit dieser Jugendzeitschrift wollen wir Euch „die Alevitische Akademie“, das Jugendprojekt, die Jugendlichen die in diesem Projekt mitmachen und die bisher geleistete Arbeit vorstellen. Eure Meinungen und Anregungen sind erwünscht.

Transcript of Alevi Magazin 2014

Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

A.L.E.V.I.Er

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2014

Ein Magazin über die Zukunftswerkstatt AlevitentumEntstehung, Leitgedanken und Ziele

Themen und Meinungen rund um das Alevitentum

Aufklärung. Liebe. Einheit. Vielfalt. Identität.

Impressum

Herausgeber: Alevitische Akademie,Erschienen im Rahmen des Projekts „Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie“

Anschrift des Herausgebers:Alevitische Akademie Mannheimerstr. 105a 68535 Edingen – NeckarhausenTelefon: 0621 / 397 727 14Fax: 0621 / 397 726 87Internet: www.aleviakademisi.orgE-Mail: [email protected]: 4.000Vertrieb: EigenvertriebErscheinungsjahr 2014

Projektleitung: Mehmet Ali ÖztoprakRedaktion: Mehmet Ali Öztoprak, Beyhan KepenekGastautoren dieser Ausgabe: Ezgi Fidan­o¤lu, Tuna Sürücü, Mutlu Aval›r, Burcak Tun­cel, Ali Zülfikar Ay, Aynur Küçük, Cem Kara, Gözde Özdo¤an, Alev Seda Özdemir, Eren Ali Kök, Yusuf Usul, Mahir fiahin, Zübeyde ‹nce, Alev Sar›alt›n, Pinar Bozkurt, Sunay Eryi¤it, Suzan Eryi¤itFotos: privat, Gülcan Ayval›k S. 36, 85, 86, 88Gestaltung: Gülcan Ayval›k

Alle Rechte vorbehalten. Die von uns gesetz­ten, gestalteten und veröffentlichten Texte, Illustrationen und grafischen Darstellungen dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Vereins reproduziert oder nachgedruckt werden. Trotz sorgfältiger Bearbeitung kann der Verein für etwaige redaktionelle oder technische Fehler sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben keine Haftung übernehmen. Stand: März 2014

Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

A.L.E.V.I.Aufklärung. Liebe. Einheit. Vielfalt. Identität.

� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Alevitische AkademieVorstellung und Begrüßung

Zukunftswerkstatt Entstehung, Leitgedanken und Ziele

Vorstellung der Teams1. Wer sind wir?2. Was machen wir?3. Was wollen wir erreichen?

Team PresseTeam AlevitentumTeam GeistlicheTeam Cem EviTeam ProjektakquiseTeam InternetTeam Organisation

Präsentation der Alevitischen Akademie

Fördermitglied werden

Impressum

Einführung in das Thema AlevitentumCem Zeremonien Unterschiede und Gemeinsamkeiten K›rklar Cemi Irflat Cemi (Gençlik Cemi)Müsahiplik Cemi

Die 12 Imame und ihre Bedeutung

Aleviten in Syrien Gastbeitrag von Ali Zülfikar Ay

Die GeistlichenWer sind die Geistlichen und wel-che Stellung haben sie im Aleviten-tum?

5 Fragen 5 Antworten

Aufklärung

Unsere Liebe zum GlaubenEine Einführung

VereinsarbeitVorstellung, Intention und Ziele der Fördermitglieder der alevitischen Akademie und der Vorsitzenden Bochum AKM

Sundern AKM

Was, Wie, Wo?Erfahrungsberichte der Jugend­lichen zu den Wochenend­seminaren

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INHALTLiebeVorspann

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie �

fiah Ismail Hatayi und seine Bedeutung für das AlevitentumSein Leben und die Staatsgrün­dung

Frauen im AlevitentumRolle und Funktion einer „Ana“ im Alevitentum

Wir zeigen EinheitAlevitische Seelsorge

Vielfalt

Aleviten in AnatolienSitten, Bräuche, Kultur

Aleviten auf der ganzen Welt Weltkarte und Infos über die ausgewählten Länder

Vielfalt im Glauben und kulturelle VielfältigkeitBektaschi, arabische Aleviten, Ehli Hak und die kulturelle Vielfältigkeit

RezepteAflureBabuko (Tunceli/Dersim)Mad›mak (Sivas)

ARU - Identitätsbildung von klein auf

Identitätsbildung von alevi-tischen JugendlichenGastbeitrag über die Zusammenar­beit mit alevitischen Jugendlichen

Identitätsbildung von jungen Erwachsenen

Unsere Kinder sind unsere Zukunft

Lieder für Kinder­ Selbstfindung im Glauben durch alevitische Projekte­ Zusammentreff von Gleichgesinnten

Lesenswert - Zwei Buchrezensionen

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Einheit Vielfalt Identität

[email protected]

� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Es ist beachtlich, dass Aleviten an­dere Glaubensgemeischaften als gleichwertig betrachten und sie entsprechend achten. Doch oft­mals wird ein Begriff verwendet, welcher das Mass dieser Achtung unbewusst reduziert. Der Begriff heißt „Hoflgörü“– was so viel be­deutet wie Toleranz.

Aber tolerieren wir andere Glauben, wenn wir beim Besuch einer Kirche uns gleich wie ein uns vorausge­hender Christ verhalten, indem wir eine Kerze anzünden, in Ehrfurcht den sakralen Raum betreten, mit ih­nen singen und uns am Amen beteili­gen? Nicht anders verhalten wir uns, wenn wir eine Synagoge oder einen anderen für eine Religionsgemein­schaft heiligen Raum betreten oder betreten würden. Nein, das ist mehr als Toleranz. Wir respektieren diese Glauben und ihre Gemeinschaften. Auch die Tatsache, dass wir keine Missionierung kennen, ist Ausdruck dieser Wertschätzung. Wie sieht es aber mit unserem Res­pekt innerhalb unserer Gemeinde aus? Es wird immer schwieriger den traditionellen alevitischen Weg zu beschreiten, ohne Vorwürfen und

Missachtungen aus den eigenen Rei­hen ausgesetzt zu sein. Hier gilt die Aufforderung, zunächst seinen ei­genen Glauben zu kennen, um sich dann auch eine Meinung bilden zu können.

Wir haben einen über Jahrhunderte überlieferten Glauben. Wie entstand dieser Glaube und wie wurde er an die Generationen weitergegeben? Viele verschiedene Meinungen füh­ren heute zu einem Zerrbild des Ale­vitentums. Umso schwieriger wird es, sich dessen bewusst zu sein, wofür eigentlich unser Glaube steht.

Die Alevitische Akademie hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade hier anzusetzen: Alevitische Quellen sollen es vereinfachen, auf Fragen richtige Antworten zu finden. Denn die Quel­le birgt die Wahrheit in sich. Auch die Überlieferung der traditionellen ale­vitischen Lehre soll es ermöglichen, dass jedes Individuum durch Kenntnis der Lehre sich entwickeln und seinen Weg finden kann. Lehrveranstaltun­gen insbesondere für Jugendliche stehen daher ganz oben auf unserer Tagesordnung.Viele besuchen wir heutige Cem­Got­

tesdienste. Die Gebete und Dienste finden in türkischer Sprache statt, wobei auch Fremdwörter aus dem arabischen oder persischen verwen­det werden. Allein dem türkischen zu folgen, bereitet uns schon Schwierig­keiten. Aber rühmen wir uns nicht, dass wir gerade in der Sprache beten, die wir auch verstehen. Folglich müs­sen wir auch die Wege finden, damit alle verstehen, was im Cem gespro­chen wird. Die innere Bedeutung der Gebete und der Sinn der einzelnen Dienste sind daher nur einige der Themen unserer Seminare.

Einst sprudelte Wissen und Weisheit aus dieser Gesellschaft heraus. Den­ker, Dichter und Geistliche hinterlie­ssen uns Werke, die wir heute noch zur Grundlage unseres Glaubens nehmen. Wer findet heute die rich­tigen Antworten für die Zeit und welche Lieder werden heute für die nächsten Jahrhunderte komponiert. Welche Verse heutiger Dichter be­eindrucken uns? Fragen, auf welche die Alevitische Akademie Antworten sucht. Wir stellen fest, dass der Materialis­mus des 20. Jahrhunderts uns sehr beeinflusst hat. So sehr, dass unser

Alevitische Akademie

RespektstattToleranz

Vorspann [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie �

Idealismus schwindet. Hier setzt die Alevitische Akademie an. Projekte und Veranstaltungen sollen dazu an­regen, dass Menschen den Mut fin­den, in die Fussstapfen der Menschen zu treten, die unsere Ideale bilden.

Zu unseren Idealen gehörten einst auch stets unsere Geistlichen. Mit der Migration hat sich unsere Geist­lichkeit auch dem Erwerbsleben ge­widmet und dabei sein Ehrenamt vernachlässigt. Ungeachtet der Fra­ge, ob die Geistlichkeit noch als Eh­renamt fortgeführt werden kann, bedarf es einer soliden Aus­ und Fort­bildungsmöglichkeit für heranwach­sende Geistliche. Einerseits brauchen wir eine Geistlichkeit, die auf alle Fra­gen um die Glaubenslehre eine Ant­wort bietet. Andererseits ist es auch von besonderer Bedeutung, dass der Glaube gerade von den Geistlichen gelebt wird und die Geistlichen eine Vorbildfunktion ausüben. Theorie und Praxis sind daher parallel zu be­rücksichtigen und der Geistliche auf ein entsprechendes Leben vorzube­reiten. Zu diesem Zweck wurde unter dem Dach der Alevitischen Akademie eine Arbeitsgemeinschaft für Nach­wuchsgeistliche gebildet.

Inzwischen leben wir seit über fünf Jahrzehnten in Europa. Doch nur ein geringer Anteil der Menschen in Euro­pa kennt das Alevitentum. Immer wie­der werden wir gefragt, wer wir sind und was das Alevitentum ausmacht. Wir haben es nicht geschafft, uns der Mehrheitsgesellschaft vorzustellen. In der Abgeschiedenheit, in Rand­ und Gewerbegebieten versammeln wir uns. Das Cemhaus ist eine Einrich­tung, die ihren Platz im Stadtzentrum finden muss. Denn hier versammelt sich eine Gemeinde, die keine Un­gleichheiten kennt. Hier kommen ver­schiedene Menschen zusammen und werden gleich behandelt. Hier fin­den Menschen Frieden und Freunde. Umso mehr ist daher die Alevitische Akademie bemüht, die Alevitische Ge­meinde der Öffentlichkeit vorzustel­len, indem sie Veranstaltungen für Nichtaleviten vor Ort organisiert oder unterstützt.

Anzumerken ist noch die Situation der alevitischen Lehre an den Univer­sitäten. Auch hier ist die Alevitische Akademie bemüht, einen eigenen Lehrstuhl für die alevitische Theologie zu erreichen. In Österreich sind die Errungenschaften auf diesem Gebiet

beachtlich. Der Masterstudiengang an der Uni Innsbruck findet bereits seit 2012 statt. Die Alevitische Aka­demie ist in diesen Prozess eingebun­den und unterstützt den dortigen Vorgang mit allen Mitteln. Die The­ologischen Lehrveranstaltungen wer­den von Alevitischen Akademikern vorgetragen, welche in Absprache mit der Akademie organisiert wur­den. Die Zeichen stehen gut und die Bestrebungen der österreichischen ALEVI Gemeinde machen uns zuver­sichtlich, dass der erste alevitische Lehrstuhl Europas an einer Universi­tät in Österreich eingerichtet wird.

Vielleicht möchtest du auch etwas für deinen Glauben tun und weisst nicht, wo du anfangen kannst. Die Alevitische Akademie sucht kluge Köpfe und gläubige Herzen für ihre umfangreichen Arbeiten. Wir freuen uns über jeden Beitrag und alle An­regungen.

Sedat Korkmaz Akademievorstand

[email protected]

10 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Ihr haltet gerade in den Händen die Zeitschrift unseres Jugendprojektes „Zukunftswerkstatt Alevitentum“. Mit dieser Jugendzeitschrift wollen wir Euch „die Alevitische Akademie“, das Jugendprojekt, die Jugendlichen die in diesem Projekt mitmachen und die bisher geleistete Arbeit vorstellen. Eure Meinungen und Anregungen sind erwünscht.

Entstanden ist die Zukunftswerkstatt aus der alltäglichen Praxis heraus. Jugendliche, die sich für das tradi­tionelle Alevitentum interessieren, sollten eine Plattform haben, um ge­meinsam für das Alevitentum Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Im Rahmen der Alevitischen Akademie haben wir uns überlegt, wie wir ta­lentierte Jugendliche (angehende Abiturienten, Studenten, Akademi­ker), die wir oft auf verschiedenen Veranstaltungen trafen und die oft den Wunsch äußerten, sich für ihren Glauben engagieren zu wollen, für uns gewinnen können. So entwickel­te ich als Generalsekretär der Akade­mie ein Konzept. Nachdem es vom

Vorstand der Alevitischen Akademie abgesegnet wurde, begann ich mit der Arbeit. Dezember 2012 wurde die Zukunftswerkstatt gegründet.

Was ist die Zukunftswerk­statt?

Die Zukunftswerkstatt ist eine Platt­form für alevitische Jugendliche, die sich für ihren Glauben – das Aleviten­tum – engagieren wollen. Jeder der die Liebe zu Hz. Ali in sich trägt kann mitmachen, Ideen entwickeln und umsetzen. Ihr müsst weder Mitglied in einem Verein sein, noch müsst ihr euch im Alevitentum bestens ausken­nen. Bei uns könnt ihr alles erlernen. Wir erwarten, Zuverlässigkeit, Ver­antwortungsbewusstsein, Engage­ment und die Bereitschaft sich für das traditionelle Alevitentum zu en­gagieren.Die Zukunftswerkstatt besteht aus Teams und Teamleitern. In der Gra­fik, könnt ihr den aktuellen Aufbau der Zukunftswerkstatt sehen. Die jeweiligen Teamleiter der 7 Teams

koordinieren und leiten das jeweilige Team. Sie sind für die Umsetzung und Entwicklung von Ideen verantwortlich sowie für die Aufgabenverteilung an die Teammitglieder. Die Teams wer­den zusätzlich von professionellen Coaches begleitet, damit wollen wir die Qualität der anvisierten Ziele ge­währleisten. Jedes Team erfüllt in­nerhalb der Zukunftswerkstatt eine andere Aufgabe. Sicher kann sich et­was am Aufbau und der Struktur der Zukunftswerkstatt ändern. Die Team­leiter treffen sich regelmäßig um die Projektarbeit zu optimieren. Sie spre­chen sich ab, um Defizite so schnell wie möglich auszuräumen.

Was hat die Zukunftswerk­statt bis jetzt umgesetzt? Welche Ziele wurden für das Alevitentum erreicht?

Es galt zunächst eine Struktur ins Pro­jekt zu integrieren. So verbrachten wir unser erstes Treffen damit eine funk­tionierende Infrastruktur zu schaffen, ebenfalls wurde beim ersten Treffen

ZUKUNFTSWERKSTATTAlevitentumLiebe Jugendliche, liebe Leser,

Entstehung, Leitgedanken und Ziele

Vorspann [email protected]

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 11

diskutiert, welche Aufgaben die je­weiligen Teams zu erfüllen haben. Die Zeitschrift, die du gerade in der Hand hältst, ist ein Ergebnis der Zu­kunftswerkstatt und wurde vom Team Presse & Öffentlichkeitsarbeit entwickelt. Das Team Alevitentum organisierte mehrere Wochenendse­minare zum Thema „Grundlagen der alevitischen Glaubenslehre“, weil sie erkannte, dass die Jugendlichen oft große Wissenslücken im Bereich Ale­vitentum aufwiesen. Durch das Team Nachwuchsgeistliche kamen ca. 100 Jugendliche aus geistlichen Familien zusammen, die als Geistliche für die Zukunft ausgebildet werden wollten. Im Rahmen des Jugendprojekts ist eine Istanbulreise geplant. Dort wol­len die Jugendlichen wichtige alevi­tische Glaubensstätte wie fiah Kulu oder Karacaahmet besichtigen bzw. sich untereinander besser kennen lernen. Es ist also eine ganze Menge, ­ leider kann ich hier nicht alles auf­zählen­ , was dieses Projekt bisher an Mehrwert für unseren Glauben ge­leistet hat.

Was will die Zukunfstwerk­

statt in Zukunft erreichen?

Langfristig ist es erstrebenswert, wich­tige Positionen in den Projekten, mit kompetenten Jugendlichen zu beset­zen, die nachhaltig gute Arbeit leisten und Vorhaben erfolgreich abschlie­ßen. Das Projekt soll ein Mehrwert für die Aleviten und für das Aleviten­tum hervorbringen. Die Alevitische Akademie wird das Projekt auch in Zukunft in vollem Umfang fördern. Die Zukunftswerkstatt profitiert aus den bestehenden Strukturen der Alevitischen Akademie. Doch für die Zukunft wollen wir eine Eigenständi­ge, noch besser funktionierende und ergebnisorientierte Zukunftswerk­statt schaffen. Zusammenfassend hängt der Erfolg des Projektes vom individuellen Ein­satz eines einzelnen Jugendlichen ab. Gemeinsam mit den Teamleitern werden wir uns überlegen, wie die Zukunftswerkstatt in Zukunft ausseh­en soll. Welche Änderungen sich er­geben werden, steht noch offen.

Die Fortführung des Projektes hängt vom Willen der Jugendlichen ab. Vor­rangig werden die herausgearbeite­ten Ziele der einzelnen Teams Priori­tät haben. Wenn diese erreicht sind, werden sich die Verantwortlichen zusammenfinden und sich über die Zukunft des Projektes austauschen.

Bist du an einer Fortführung der „Zu­kunftswerkstatt Alevitentum“ interes­siert? Falls wir deine Neugier geweckt haben und du ebenfalls mitmachen möchtest, kannst du dich gerne per E­Mail mit einer kurzen Vorstellung an die Alevitische Akademie wenden.

Mehmet Ali Öztoprak Projektleitung Zukunftswerkstatt, Generalsekretär Alevitische Akademie

[email protected]

12 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Wir, das Team „Presse“, sind eine Grup­

pe aus 10 ehrgeizigen und jungen Mit­

gliedern, die aus verschiedenen Teilen

Deutschlands kommen. Unser Team stellt

eine Stütze für die Planung, Gestaltung

und Umsetzung der Presse­ und Öffent­

lichkeitsarbeit der Zukunftswerkstatt dar.

Ziel ist es die Zukunftswerkstatt unter

dem Dach der Alevitischen Akademie

nach innen zu stärken und nach außen hin

souverän und umfassend darzustellen.

Unsere Aufgaben sind u.a. die Beantwor­

tung von Pressefragen, Veröffentlichung

von Presseartikeln und Vermittlung von

Pressekontakten. Wir dokumentieren

und veröffentlichen alle wichtigen Er­

eignisse und Veranstaltungen der Zu­

kunftswerkstatt, um die Zilegruppen zu

erreichen und diese über unsere Orga­

nisation zu informieren. Eine der wich­

tigsten Aufgaben unseres Teams ist die

Übernahme der redaktionellen Arbeit an

der Jugendzeitschrift A.L.E.V.I., die eine

enge Zusammenarbeit von allen Gruppen

aus der Zukunftswerkstatt erfordert. Wir

nehmen auch gerne Vorschläge und An­

regungen an, die zu einer Verbesserung

der Jugendzeitschrift führen können.

Wir sind eine interne Hilfe für Fragen

rund ums Lektorat. Das heißt, wir über­

prüfen und bearbeiten die Artikel und

Texte der anderen Partnerteams oder der

Gastautoren / Innen.

Wenn ihr neugierig geworden seid, könnt

ihr uns gerne kontaktieren. Wir sind of­

fen für alle Fragen und beantworten sie

so schnell wie möglich.

Team PresseKontakt: [email protected]

Team Presse

ZUKUNFTSWERKSTATT

Vorstellung der Teams1. Wer sind wir? 2. Was machen wir? 3. Welche Ziele wollen wir erreichen?

Beyhan Kepenek, Mehmet Ali Öztoprak

Vorspann [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 13

Das Team Alevitentum besteht aus 32 Mitgliedern, von denen

drei die Teamleiterfunktion übernehmen. Die Mitglieder kom­

men überwiegend aus Deutschland, wobei auch Mitglieder aus

Österreich in diesem Team mitmachen. Hauptaufgabe dieses

Teams ist es, Informationen über das Alevitentum zu sammeln,

und diese in Form von Projekten an Interessierte weiterzugeben

und zu vermitteln.

Das Team Alevitentum ist nahezu mit allen Gruppen vernetzt.

Ob es nun das Team Nachwuchsgeistliche ist, um bestimmte

Informationen zu bekommen oder weiterzugeben, oder auch

Team Projektakquise, um die vom Team Alevitentum vorge­

stellten Projekte in die Tat umzusetzen. Deshalb nimmt Team

Alevitentum auf gewisse Art und Weise eine besondere Rolle

in der Zukunftswerkstatt ein. Das bedeutet auch, dass diese

Gruppe eine Menge Aufgaben zu bewältigen hat. Ein Grund für

die hohe Mitgliederzahl und die drei Arbeitsgruppen in dieser

Gruppe.

Das Team Alevitentum besteht aus folgenden Arbeitsgruppen:

Arbeitsgruppe 1: Pädagogische Konzepte -Methoden für Kinder und Jugendliche

Diese Gruppe beschäftigt sich zur Zeit mit Projekten für Jugend­

liche und Kinder. Zu den Projekten gehört die Entwicklung von

Spielen über das Alevitentum für Kinder und Jugendliche. Zu­

dem ist ein Kinderbuch mit Geschichten und Liedern in Arbeit.

Auch ein Hörbuch über das Alevitentum ist in Planung.

Arbeitsgruppe 2: Seminare über das Alevitentum

Diese Gruppe beschäftigt sich mit der Planung und Gestaltung

der Seminare, die zurzeit überall in Deutschland stattfinden.

Dabei spielt die abschließende Auswertung eine sehr wichtige

Rolle, um bei negativen Rückmeldungen Verbesserungen ein­

zuleiten.

Arbeitsgruppe 3: „Gençlik Cemi“ – Cem für Jugendliche und Buchprojekt über die alevitische Glaubenslehre

Die Arbeitsgruppe 3 will die Inhalte der Cem­Zeremonien mit

deutschen Übersetzungen und Erläuterungen den Jugendlichen

näherbringen, da viele Jugendliche die türkische Sprache nicht

ausreichend beherrschen. Zudem arbeitet diese Gruppe an

einem Buch über die alevitische Glaubenslehre für Jugendliche

in deutscher Sprache.

Team AlevitentumKontakt: [email protected]

Team Alevitentum

Ali Güldo¤an, Cemre Gültekin, Zübeyde ‹nce, Nevda Dönmez, Sevcan Nedime Akgül, Eren Ali Kök, Coflkun Ak›nc›v.l.n.r.

[email protected]

14 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Die alevitischen Geistlichen Dede‘s und Ana‘s stammen aus der

Familie des Propheten Mohammed ab. Die Rolle des Geistlichen

kann nur vererbt werden, aus diesem Grund wird ihnen eine

ganz besondere Wertschätzung erbracht. Innerhalb der alevi­

tischen Gemeinde nehmen sie im religiösen und sozialen Leben

eine wichtige Position ein. Die Glaubensgemeinschaft der Alevi­

ten ist seit 25 Jahren eine organisierte Gemeinschaft in Europa.

Doch noch gibt es viele Defizite auszuräumen, eins davon ist die

Ausbildung von Nachwuchsgeistlichen (Seyyid­Kinder, Ocakza­

de), welche in der Vergangenheit vernachlässigt wurde.

Von der Ausführung des Gottesdienstes bis Bestattungen, von

Familienangelegenheiten bis Nachbarschaftsproblemen, von

„Ikrar“ bis „Müsahiplik“, spielen die Geistlichen in allen Be­

reichen unseres Glaubens eine große Rolle.

Dezember 2012 startete die Alevitische Akademie ein Jugend­

projekt mit dem Namen „Zukunftswerkstatt Alevitentum“. Das

Projekt sah die Gründung von 7 Teams vor, die im Bereich des

Alevitentums über jugendrelevante Themen arbeiten sollten.

Eines dieser Teams, ist das Team Nachwuchsgeistliche. Beim

ersten Treffen am 15. und 16. Dezember 2012 im alevitischen

Kulturverein Mannheim und Jugendherberge Heidelberg Inter­

national kamen ca. 25 Nachwuchsgeistliche zusammen um sich

zu vernetzen, kennenzulernen und im Rahmen der „Zukunfts­

werkstatt“ Aufgaben zu erarbeiten und initiativ zu werden.

Wir tauschten uns über diverse Themen, wie Ocaks, die Ausbil­

dung zum Geistlichen, die Probleme als Nachwuchsgeistliche,

alevitische Gemeinden etc. aus. Die Anzahl der Nachwuchs­

geistlichen ist seit dem auf 100 gestiegen.

Anschließend traf sich das Team am 02.02.2013 in der Alevi­

tischen Akademie in Mannheim. Hier wurden die nächsten Ziele

besprochen und konkretisiert. Das Team wurde beim internen

Treffen von zwei älteren Geistlichen Sedat Korkmaz „Dede“

und Dervifl Tur „Dede“ unterstützt. In Zukunft soll Sedat Kork­

maz „Dede“ die Nachwuchsgeistlichen coachen.

Ein Teil der Themen die beim ersten internen Treffen

von den Seyyid-Kindern herausgearbeitet wurde:

- den Buyruk vollständig auszuarbeiten und zu erlernen

- den Koran richtig zu lesen und interpretieren

- die Fundamente des Alevitentums zu erlernen

- andere Weltreligionen zu erforschen

- zu lernen wie man richtig lehrt und predigt

- Pilgerfahrten (Düzgün Baba, Kerbela, Erdebil, Hac› Bektafl)

- Seminare und Schulungen planen und leiten

- Erlernung geschichtlicher Hintergründe

- Das Kennenlernen und Verstehen der heiligen Personen,

(Hünkar Hac› Bektafl Veli, Yunus Emre, fiah ‹smail Hatayi)

- Seelischer Beistand

- Erlernen der Zeremonien und Gottesdienste

- Konfliktmanagement

- Verständigung der Deyifl (Gebetsgesang)

Sicherlich kann sich der Leser fragen, aus welchen Gründen sich

die Alevitische Akademie bemüht die Geistlichkeit, vor allem die

Kinder der Geistlichen, zu fördern. Die Geistlichen sind für den

Bestand der Gemeinde unabdingbar. Das Team soll durch regel­

mäßige Fortbildungen auf allen Ebenen des alevitischen Glau­

bens, Wissen erlangen und in die Praxis transferieren können.

Praxis wird bei der Akademie großgeschrieben, sodass die Geist­

lichen­Anwärter oft Tischgebete und allgemeine Gebete auf

Veranstaltungen der Alevitischen Akademie vortragen. Dabei

soll das Team von erfahrenen Dede‘s und Ana‘s profitieren und

Akademiker / Innen die das Alevitentum lange Jahre erforscht

haben zu Rate ziehen. Das Ziel ist es den Nachwuchsgeistlichen

sowohl in geschichtlichen als auch in religionswissenschaftlichen

Fragen Wissen zu vermitteln. Da wir schlussendlich alle wissen,

dass der Bedarf an kompetenten und gut deutsch sprechenden

Dede‘s und Ana‘s enorm ist, kann hier eine Menge geleistet

werden.

Du kommst selbst aus einer geistlichen Familie? Deine Liebe zu

Hz. Ali ist unermesslich? Du willst uns mit deiner Anwesenheit

bereichern? Du willst lernen, bist ehrgeizig und willst deiner

Gemeinde dienen? Dann bist du herzlich eingeladen, mit uns

gemeinsam für das Alevitentum zu arbeiten.

Unsere Kontaktdaten: Facebook: www.facebook.com/AleviAkademisi?fref=ts

Internet: www.aleviakademisi.org

E­Mail: [email protected]

Team Geistliche

Ali Cemyi¤it, Ezgi Fidano¤lu, Mansur Erol, Eren Yi¤it, v.l.n.r.

Vorspann [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 15

Seit nunmehr 10 Monaten beschäftigen wir uns mit einem Kon­

zept zur Verwirklichung unseres großen Traumes: Eine rituelle

Glaubenseinrichtung für Aleviten in Deutschland. Die Idee klingt

unglaublich kühn, da es so etwas in Deutschland bisher nicht

gegeben hat. Jedoch bei näherer Betrachtung der Rahmenbe­

dingungen, insbesondere der Berücksichtigung von Wissensres­

sourcen und der Unterstützung der Akademie realisierbar und

weit fern der Unmöglichkeit. Der Bedarf resultiert aus der Tatsa­

che, dass Aleviten in Deutschland ihre Heimat haben und ihren

Glauben, leider nur eingeschränkt, praktizieren können. Viele

rituelle Veranstaltungen werden aktuell ohne spirituelle Identi­

fikation und unter schwierigen Bedingungen realisiert, was sich

jedesmal als große organisatorische Herausforderung darstellt.

Jedes Jahr sind die kleinen Kulturvereine während des Fasten­

monats Muharrem überfüllt. Der Andrang ist so groß, dass

teilweise Angebote zum rituellen Gebet abgesagt und Feier­

lichkeiten zu den Gedenktagen, aufgrund der eingeschränkten

Kapazitäten, nicht möglich sind. Jeder Alevite in Deutschland ist

mit solchen Gegebenheiten in Berührung gekommen, weshalb

wir uns zusammengeschlossen und ein Projekt initiiert haben.

Wer sind WIR?Das Team besteht aus Akademikern, Helfern sowie Kooperations­

partnern aus der Praxiswelt, die ihr gesamtes Know­how einset­

zen, um ein passendes Konzept innerhalb eines Projektes für

den Bau einer rituellen alevitischen Einrichtung zu erstellen. Das

Know­how aller Beteiligten erstreckt sich vom Finanzierungs­

konzept, Analysen, rechtlicher Prüfung bis hin zu Bauplanung.

Das Team wird geleitet von Herrn Tuna Sürücü (26, B.A.­ Mas­

terstudent). Herr Sürücü erlernte den Beruf Groß­ und Außen­

handelskaufmann und studierte Wirtschaftswissenschaften mit

den Schwerpunkten Finanzen / Steuern / Audit. Als Analyst in

einer europäischen Steuerabteilung, insbesondere Ertragssteu­

ern und Verrechnungspreismethodik (Transfer Pricing) eines in­

ternational tätigen Unternehmens, ist er verantwortlich für die

Realisierung des Projektes und das Reporting an den Vorstand

der Alevitischen Akademie.

Was ist eine traditonelle alevitische Glaubensein-richtung? Ein traditionelles Cem­Haus, ursprünglich ein Teil eines „Dergah“,

ist optisch sowie funktionell, deutlich von anderen religiösen

Bauten zu unterscheiden. Jeder Alevite kennt die Gedenkstätte

Haci Bektafl in Nevsehir, die dem Projektteam u.a als architek­

tonische Grundlage dient. Als innere Gebäudeausstattung ist

ein großer Saal mit einem Dach aus 12 Zweigen geplant (sym­

bolisch für die 12 Imame), die mehreren hundert Menschen

Platz zum beten bieten soll. Des Weiteren soll es eine Bibliothek

geben, viele Seminarräume für die Akademie zur Bildung von

Jugendlichen, Übernachtungsmöglichkeiten für weit angereis­

te und diverse andere alevitische Prinzipien erfüllen, bspw. für

verstorbene Menschen rituelle Abschiedsmöglichkeiten. Diese

und weitere Punkte sind im Modellantrag geplant bzw. bereits

implementiert.

Das Projekt Das Projekt ist mehrjährig in Projektphasen ausgelegt. In den

einzelnen Phasen beschäftigt sich das Team analytisch mit di­

versen Fragestellungen, die im Konzept wesentlicher Bestand­

teil sind und dokumentiert werden: Themen sind unter ande­

rem Finanzen, Architektur, Standort sowie Baurecht. Nach der

konzeptionellen Erstellung der Lösungen zu den Anforderungen

und den optischen Herausforderungen wird das Projektteam

mit Ingenieuren, Unternehmen und rechtlichem Beistand an

Stakeholders herantreten und den Antrag stellen.

Team CemeviKontakt: [email protected]

Team Cem Evi

„Errichtungeinestra-ditionellenCemEvi“–DasgroßeProjektderAlevitischenAkademie

Tuna Sürücü und Mehmet Ali Öztoprak

[email protected]

1� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Das Team Projektakquise ist dazu da, um Einnahmequel­len für die Alevitische Akademie zu erschließen. Akquise leitet sich von Akquisition ab und bedeutet Erwerbung oder Anschaffung. Somit fungiert das Team als sehr wich­tiger Schlüssel, welcher den jeweiligen Teams die Tür zur Verwirklichung ihrer Projekte öffnen wird. Um jedoch an Fördergelder zu kommen, bedarf es zunächst an Recher­che­ und Selektionsfähigkeit. Zudem müssen die Mit­glieder in der Lage sein, Ausschreibungen effektiv zu nut­zen und entsprechende Projekte zu verschriftlichen. Die Zusammenarbeit mit den anderen Teams ist von großer Bedeutung, um gemeinsam herauszuarbeiten wo Förder­gelder beantragt werden können.

Die Aufgabenfelder können wie folgt zusammenge­fasst werden:

Aufgabenfeld 1: Wohlfahrtsverbände (notwendig für Zuschüsse aus Lan­desmitteln, Betriebskosten, Projektberatung und Erstel­lung, Vernetzung innerhalb der Verbände in BW und Stif­tungsförderungen)

Aufgabenfeld 2: Jugendring Rhein Neckar­Kreis und Landesjugendamt: (notwendig für städtische Zuschüsse, Kommunale Vernet­zung, Zuschüsse des Landesjugendamtes, Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach §75 KJHG)

Aufgabenfeld 3: Internationale Jugendbegegnungen und Ferienmaßnahmen

Aufgabenfeld 4: Stiftungen (Analyse von Stiftungen, die für uns in Frage kommen und die unsere Arbeiten fördern können; Erstel­lung einer Liste von Stiftungen und ihren Förderbedin­gungen; Antragsstellung bei entsprechenden Stiftungen)

Aufgabenfeld 5: Finanzierungskonzept beziehungsweise Projektkonzept unseres Cem Evi Projektes in enger Abstimmung mit Team Cem Evi

Um unsere Teammitglieder auf Ihre Aufgaben vorzuberei­ten, fanden bisher zwei Veranstaltungen unter dem Titel „Einführung in das Planen und Schreiben von Förderan­trägen“ statt. Der Referent Cemalettin Özer, welcher als Diplom­Ingenieur tätig ist, bildet selbst einen Teil unseres Teams. Die praktische Umsetzung einer Antragstellung ist eine effektive und wichtige Unterstützung für das Verstehen der einzelnen Prozessschritte. So wurde den Teammitgliedern nach einer detailreichen Einführung ein solches Praxisbeispiel näher gebracht. Zuweisungen von Teilaufgaben in unserem Team werden in nächster Zeit stattfinden.

Team ProjektakquiseKontakt: [email protected]

Team Projektakquise

Damla Bozkurt, P›nar Bozkurt, Tuna Sürücü, Suna Eryi¤it, Suzan Eryi¤it, v.l.n.r.

Vorspann [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 1�

Das Team Internet besteht aus neun

Mitgliedern, davon sind zwei Team­

leiter. Die Aufgaben des Teams sind

in verschiedene Bereiche unterteilt

und umfassen alle Tätigkeiten, die

mit dem Internet verbunden sind. Die

Hauptaufgabe des gesamten Teams

ist die Gestaltung und Führung der

Webseite der Zukunftswerkstatt Ale­

vitentum, der Alevitischen Akademie

und die Pflege des Facebook­Profils.

Obwohl das Team relativ klein ist, hat

es sehr viele verschiedene Aufgaben.

Das Team arbeitet sehr eng mit dem

Team Organisation.

Team Internet

Eren Yi¤it, ‹smail Öztoprak, Ca¤lar Sivri, Canan Baydemir, Yusuf Usul, v.l.n.r.

Diese Teams bestehen aus den folgenden Bereichen:

• Gestaltung einer Internetseite (Alevipedia). Leitung: Naflit Kireylio¤luUnterstützung der Teamleitung: Yusuf Usul Das Ziel dieses Projektes ist den Menschen eine Internetseite zur Verfügung zu stellen, in der sie schnell und einfach richtige Antworten auf ihre Fragen zum Alevitentum bekommen.

• Gestaltung und Einrichtung eines InternetradiosendersLeitung: Ca¤lar SivriUnterstützung der Teamleitung: Yusuf Usul Dieses Projekt hängt mit der Internetseite Alevipedia zusammen.

• Selektion der FakeseitenLeitung: Canan BaydemirUnterstützung der Teamleitung: Ersin Kök und ‹smail Öztoprak Die Fakeseiten beinhalten falsche und schlechtmachende Informationen über das Alevitentum. Diese Seiten werden gesucht und selektiert.

• Dreh eines KurzfilmvideosLeitung: Ca¤lar SivriUnterstützung der Teamleitung: Nasit Kireylio¤lu, Yusuf Usul und Alev Sar›alt›n Da das Lesen nicht immer attraktiv auf Jugendliche wirkt, arbeiten wir an einem kurzen Videofilm über das Alevitentum.

• Überprüfung der Genehmigung für die Mitgliedschaft in der ZWA.Leitung: Alev Sar›alt›n. Alle neuen Mitglieder müssen ein paar Fragen beantworten und bekommen die Profilfragen und Richtlinien zugeschickt. Erst nach dem die Profilfragen an das Team Organisation zugesendet wurden, kann eine Aufnahme stattfinden. Alle neuen Mitglieder stellen sich mit einem kurzen Text vor.

Vorspann

Team InternetKontakt: [email protected]

[email protected]

Alev Sar›alt›n, Yusuf Usul

1� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Die Gruppe Organisation ist das Bindeglied und zentraler Ansprechpartner der anderen Gruppen. Alle nötigen In­formationen der Mitglieder werden von dem Team auf­genommen und archiviert.

Wir, das Team Organisation bilden das „Informations­zentrum“ der Zukunftswerkstatt. Wie der Name unseres Teams schon verrät, organisieren wir alles was gerade ansteht wie beispielsweise die Treffen der Zukunftswerk­statt (Fahrten, Übernachtungen, Ablauf, Aufgabenver­teilung und Nachbereitung), die Kommunikation und Koordination der Gruppen untereinander, aber auch die Freizeitaktivitäten in Kombination mit Regionaltreffen der Werkstattmitglieder in den diversen Regionen.

Eine weitere wichtige Aufgabe unseres Teams ist das Sammeln, Auswerten von wichtigen Daten bezüglich der verschiedenen Gruppen. Diese Ergebnisse werden ausge­wertet und fließen in die Gestaltung der operativen und strategischen Planungen ein und sind ein wichtiger Bei­trag zur Arbeit der Zukunftswerkstatt. Diese Aufgabe ist enorm wichtig für die Gestaltung der Zukunftswerkstatt.

Wir veröffentlichen innerhalb der Zukunftswerkstatt ei­nen Teil der Ergebnisse und teilen die Erkenntnisse mit den anderen Gruppen. Die Arbeit innerhalb des Teams Organisation wird von den Teamleiter, bundesweit ko­ordiniert. Eine in Zukunft immer wichtiger werdende Herausforderung ist die Organisation der Seminare, die mittlerweile europaweit stattfinden. Die Seminare erfreu­en sich immer größerer Beliebtheit und werden von den Jugendlichen in den alevitischen Gemeinden mit regem Interesse besucht.

Fazit: Wir sind die Helfer im Hintergrund, die den Ma­chern im Vordergrund die Grundlagen schaffen. Unser Ziel ist es, den Zusammenhalt und Fortschritt der Teams zu fördern und die Transparenz bzw. den Gesamtüber­blick innerhalb der Zukunftswerkstatt strukturiert auf­rechtzuerhalten.

Team OrganisationKontakt: [email protected]

Team Organisation

Dilek Eker, Mahir fiahin, Dilek fiahin, Fulya Kuflcu, v.l.n.r.

Vorspann [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 1�

[A]wieAufklärung.

Einführung in das Thema Alevitentum

Cem Zeremonien

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

K›rklar Cemi

Irflat Cemi (Gençlik Cemi)

Müsahiplik Cemi

Die 12 Imame und ihre Bedeutung

Aleviten in Syrien

Gastbeitrag von Ali Zülfikar Ay

Die Geistlichen Wer sind die Geistlichen und welche Stellung haben sie im Alevitentum?

5 Fragen 5 Antworten

20 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Es gibt eine Überlieferung namens „K›rklar Cemi“ (Versammlung der vierzig Heiligen). Der Prophet Hz. Muhammed vernahm, in sich zurückgezogen

und im meditativen Zustand, eine Stimme aus der Sphä­re des „Gaib“ (eine Sphäre des Verborgenen, jenseits von Zeit und Raum): „Oh Muhammed!“ Diese Stimme erfüllte ihn mit einer unbeschreiblichen Liebe. Gleichzei­tig erschien ihm der Engel Gabriel (Cebrail Mele¤i) und fragte ihn:„Warum bist du so bedacht?“ Der Prophet Muhammed antwortete: „Ich habe eine Stimme aus dem Gaib gehört, der mich gerufen hat, jedoch kann ich mich nicht von ihm befreien.“ Gabriel bittet ihn, ihm zu folgen, wenn er erfahren möchte, wer zu ihm sprach. Es beginnt ein innerer spiritueller Wanderweg mit Gab­riel. Als sie „Sidret‘ül Münteha“ (die letzte Grenze des irdischen Reiches) erreichen, spricht Gabriel:„Oh Muham­med, ab hier kann ich nicht mehr weiter. Du musst alleine passieren, denn sonst würde ich meine Flügel verbren­nen“. Hz. Muhammed setzt seinen Weg alleine fort, worauf er einem Löwen begegnet, der ihm den Weg versperrt und ihn nicht durchlassen will. Da vernahm er dieselbe Stimme aus dem Gaib:„Oh Muhammed! Du musst deinen Ring in das Maul des Löwen legen.“Hz. Muhammed befolgte diesen Rat. Als er seine Hand aus dem Maul des Löwen herauszieht, hat er seinen Pro­

phetensiegel nicht mehr und der Löwe gibt ihm den Weg frei. Als er einen grünen Vorhang erreicht, hörte er erneut die selbe Stimme.Hz. Muhammed wacht wieder auf und entsetzt stellt er fest, dass sein Siegel fehlt, welches er doch vor seinem meditativen Zustand am Finger trug. Um von seiner Vision zu berichten, macht er sich auf den Weg zu ‹mam Ali. Als er am Haus ankommt, klopft er an die sagenhafte Tür und seine Tochter Fatima Ana fragt: „Wer ist da?“ Der Prophet antwortet:„Ich bin es, Muhammed. Mach die Tür auf!“ Die Stimme antwortet: „Hier ist bereits ein Muhammed unter uns. Geh zurück!“ Als er verwundert umkehrt, er­mutigt ihn Gabriel erneut an die Tür zu klopfen. Der Pro­phet Muhammed klopft noch mal an, und wieder fragt Fatima: „Wer ist da?“ Der Prophet Muhammed antwortete: „Ich bin es, der Ge­sandte Gottes Muhammed. Mach die Tür auf!“ „Hier gibt es schon einen Propheten, kehre um!“ Hoff­nungslos kehrt der Prophet zurück und erneut spricht Gabriel zu ihm: „Oh Muhammed, sag doch wer du wirk­lich bist!“ Der Prophet Muhammed klopft ein letztes Mal an die Tür. Die Stimme seiner Tochter Fatima fragt: „Wer ist da?“ Der Prophet Muhammed, der seinen Siegel an den Löwen verloren hatte, erwidert:“ Ich bin es, Hadim‘ül Fukara (der Bedienstete der Armen).“

Einführung in das Thema Alevitentum

Cem Zeremonien: K›rklar Cemi /Versammlung der vierzig Heiligen

„ÜçCanBirCem“

Aufklärung [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 21

Erenler cemine her can giremez

Edep ile erkan yol olmay›nca

Her kamberim diyen kamber olamaz

fiah›n kamberine kul olmay›nca

(Kamber war der selbstlose Diener Hz. Ali)

Und die alte hölzerne Tür öffnete sich knirschend mit einer einzigen demütigen Formel: Hadim‘ül Fukara.

Hatay›m Hal Ca¤›nda

Hak Gönül Alça¤›nda

Yüzbin Kabe Yapmak

Bir Gönül Alça¤›nda

Die in Türkmenistan, dem Iran und der Provinzstadt „Ho­rasan“ lebenden Sufis, sowie von „Nimmatullah“ bis zu im früheren Mesopotamien lebenden Ehli Haks, in Anato­lien lebende K›z›lbafl Aleviten, von der Ägäis über Istanbul bis hin zu im Balkan lebende Bektaschiten, sie alle bezie­hen ihre Cem Zeremonie auf diese Überlieferung.

Deswegen wird auch meistens „Yol Bir, Süreek Binbir!“ (Der Weg ist Eins, aber die Traditionen sind tausend und eins) gesagt. Es gibt natürlich unter K›z›lbafl Aleviten Klassifizierungen der Cem Zeromonien aber im Großen und Ganzen sagt es dasselbe aus und zwar, dass es zwei Arten von Cem Versammlungen gibt. Muhabbet Cemi, Karapaça Cemi, Koldan Kopma Cemi, hier kann jeder „Can“ eintreten, um sich einen Einblick zu verschaffen. In die andere Art der Cem Zeromonie dürfen nur die ein­treten, die ein „‹krar“ (Gelübde) geleistet haben oder die Musahib (zwei Eheleute die ein Gelübde abgeben haben bis zum Ende des Lebens zusammenzuhalten) sind. Diese Cem Zeromonie die einmal im Jahr gehalten wird, wo je­der Initiierte oder Musahib teilnehmen muss, heißt Görgü Cemi. Eine Cem Zeromonie ist mehr als Gottesdienst oder ein Ort, an dem man Streitigkeiten löst. Es ist eine Versamm­lung, die man als unreife Seele betretet und als vollkom­mener reifer Mensch (insan­i kamil) verlässt. Es ist ein Prozess, der das gesamte Leben andauert und mit der Hilfe von einem Mürflid­i Kâmil (Wegweiser) und mit dem Rehber (der, der dem „Talip“ [Suchender] beisteht) fort­geführt wird. Wenn wir den Cem beschreiben, würden wir den Hauptbestandteil im gemeinsamen Bekenntnis, der Rezitation der Himmelsfahrt des Propheten mit dem anschließenden Semah und dem Trauerlied für Imam Hü­seyin sehen. Vor diesem Kerngottesdienst fängt die Vor­

Mann und Frau beim Semah während einer Cem Zeremonie.

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22 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

bereitung schon Zuhause an, indem jeder, der am Cem teilnimmt eine Gabe (Lokma) vorbereitet, sich reinigt und versöhnt zum Cem kommt.

Jeder „Can“ geht durch den engen „Eflik“ (Türspalt) mit einem „Niyaz“. In vielen alevitischen Dörfern, wo der „Mürflid“ seinen „Talips“ die Tür öffnet, ist der Ein­gang eng und tief. Als Beispiel ist der enge Eingang im Mausoleum von Hac› Bektafl Veli zu nennen. Aus vielen mündlichen und schriftlichen Überlieferungen geht her­vor, dass das große Ego des Menschen ihn daran hindert, solch‘ einen engen Türspalt zu passieren. Allein der, der sein selbst überwinden kann, soll am Cem teilnehmen.

Girelim Ali serine

Ç›kal›m meydan yerine

Küfrümüz iman yerine

Sayamazs›n demedim mi

(Pir Sultan Abdal)

Innerhalb des Cems wird jeder Can Zeuge, dass Lichter, in Form von Kerzen, geweckt werden. Im Original heisst es „Çera¤ Uyand›rmak“, es ist ein Licht von besonderer Bedeutung.

Man kann dies vergleichen, wie wenn man aus einem tie­fen Schlaf geweckt wird, um die Herzen aller, die an dem Cem teilnehmen, zu erhellen.

Jeder Can gibt sich wechselseitig das Einverständnis (R›zal›k). Jeder Can muss dem anderen vertrauen, weil das Ayn‘ül Cem eine sehr private Versammlung ist, wo auch besprochen wird, ob jemand unrechtes getan hat. Die Probleme und Streitigkeiten werden hier geklärt.

Diese betrifft jeden Can, die an dem Cem teilnimmt. Es ist eine Art „Läuterung“. Jeder muss in Einklang sein, deswegen wurden auch in anatolischen Dörfern große Gruppen vermieden. Wenn man die noch in Anatolien stehenden Dergahs (Klöster) betrachtet, ist der Raum, wo die Cem Zeremonie stattfindet, ein kleiner Raum, der viel­leicht höchstens für vierzig Menschen Platz bietet.

Die Erzählung K›rklar Cemi sowie auch andere alevitische Erzählungen beinhalten sehr wertvolle Symbole und Bot­schaften, die auf dem Weg Ali (Ali Yolu) jeder Can ge­brauchen könnte.

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Mutlu Aval›r Team Alevitentum

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 23

Die Zwölf Imame zählen im Alevitentum zu den

Heiligen, die die Grundlagen der alevitischen Glau-

benslehre geprägt und gestaltet haben. Dank dieser

Menschen und ihren Nachfahren konnte das Alevi­

tentum bis heute weitergeführt werden. Daher ha­

ben sie eine sehr große, unermessliche Bedeutung

für die Aleviten. Sie sind die Lichter Gottes (Hakk‘›n

Nurlar›). Alle 12 Imame sind die Nachkommen des

Propheten Hz. Mohammeds durch Hz. Fatma und

Hz. Ali. Die Heiligen sollten nicht unabhängig von

der Ehlibeyt (die Familie des Propheten) betrachtet

werden. Es beginnt mit der Ehlibeyt, diese bilden das

Fundament.

Hz. Ali ist zugleich der erste Imam und der Begründer dieser Imamet­Tradierung, die sich nach dem Tod des Propheten entwickelt hat. Um ein weiteres Missverständ­nis aus dem Weg zu räumen, sollte an dieser Stelle ein wichtiger Punkt aufgeklärt werden. Die Zwölf Imame sind nicht aufgrund der feudalen, familiären Verhältnisse zum jeweiligen Geistlichenführer, Glaubensvertreter ihrer Zeit gewählt worden, sondern aufgrund ihres Wissens über die alevitische Lehre. Damit ist natürlich die (entscheidende) Bat›ni­Lehre (Gizli Ö¤reti) des Alevitentums gemeint, über den nicht jeder verfügen kann. Die heiligen hatten das Glück, dieses Wissen von Grund auf (während ihrer Erzie­hung) zu erwerben.

Obwohl alle Imame mit ihrem Wissen ihrer Zeit voraus waren und ein Vorbild darstellten, kennt man einige von ihnen aufgrund ihrer Prägung in der Geschichte. In die­sem Zusammenhang hört man z.B. über Imam Ali, Imam Hüseyin, Imam Cafer Sad›k und Imam Muhammed Mehdi mehr als die anderen. Das macht aber die anderen nicht weniger bedeutsam.

Die zwölf Imame spielen in den alevitischen Gottes­diensten (Cem) eine große Rolle. Aleviten belegen ihre Liebe an die Imame in ihren Gebeten. Die Geistlichen (Dede, Pir) erzählen sehr oft über das Leben der Zwölf Imame. Sie kommen fast in allen Liedern vor. Vor allem sind die Duaz­› Imam, die Lieder die für sie geschrieben wurden, zum Teil Trauerlieder. Zusätzlich werden sie immer wieder in den Gedichten der sieben großen alevitischen Dichter erwähnt. Eine trau­rige Wahrheit, die hier erwähnenswert ist, dass alle elf, außer dem letzten Imam Muhammed Mehdi, nicht durch einen natürlichen Tod gestorben sind. Imam Mehdi wird im Alevitentum als Erlöser gesehen. Die Aleviten glau­ben daran, dass er irgendwann zurückkehren wird, um sie zu erlösen.

Nach dieser kurzen Einleitung über die zwölf Imame, möchte ich sie auf den folgenden Seiten einzeln ganauer vorstellen.

Die zwölf Imame und ihre Bedeutung

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24 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

1. Imam Hz. Ali (598 – 661) Hazreti Ali wurde am 21. März 598 geboren. Am 24. Ja­nuar 661 wurde er von Ibn Mülcem ermordet. Hz. Ali ist Muhammeds Cousin. Muhammed hat ihn erzogen. Er ist auch der Schwiegersohn des Propheten, somit der Fortführer der Prophetenfamilie, des Ehlibeyt. Hz. Ali ist der erste Gläubige, der den Islam als Religion anerkannt und sich für die Ausbreitung des Islams eingesezt hat. Er war ein Mensch der Weisheit, Tapferkeit und Hilfsbereit­schaft. Er war ein Freund der Unterdrückten. Durch ihn konnte der Stamm des Propheten fortgeführt werden. Hz. Ali wurde niemals mit einer Kriegsniederlage kon­frontiert, denn er verfügte über eine „übermenschliche“ Kraft. Hier einige überlieferten Worte Hz. Muhammeds über Hz. Ali.

„Ich bin die Stadt der Wissenschaft,

Ali ist ihr Eingang.“

„Wer Ali nicht liebt, liebt mich nicht.“

„Derjenige, der Ali missachtet, missachtet mich.“

Es gibt noch viele weitere Beispiele für die Beziehung zwi­schen Hz. Ali und Hz. Muhammed. Im heutigen Sunni­tentum wird die Liebe zwischen Hz. Ali und Hz. Muham­med anerkannt. Diese Angaben sind natürlich allgemeine Informationen. Aleviten haben eigene charakteristische Meinung über Hz. Alis Person, die wir selbstverständlich auch zur Sprache bringen.

2. Imam Hz. Hasan (624 – 670) Hz. Hasan kam in Medina als der erste Sohn von Hz. Ali und Hz. Fatima zur Welt. Er war der erste Enkel des Pro­pheten Muhammeds. Hz. Hasan blieb in seinem Leben größtenteils politisch inaktiv. Nach dem Tod von Hz. Ali, wurde Hz. Hasan von vielen als Kalif anerkannt. Doch Muawiya beanspruchte das Recht des Kalifats. Hz. Hasan gab das Kalifat freiwillig auf, um weitere Unruhen zu ver­meiden. Im Jahre 670 wurde Hz. Hasan durch seine Frau Cüde, welche Muawiye angestiftet hatte, vergiftet.

3. Imam Hz. Hüseyin (626 – 680)Hz. Hüseyin wurde 626 in Medina geboren. Er war der zweite Sohn von Hz. Ali. In seinen Adern floss das Blut von Hz. Muhammed. Hz. Hüseyin hatte ein leidvolles Leben. Erst wurde sein Vater umgebracht und neun Jahre später sein älterer Bruder. Für ihn war es unbegreiflich, wie die Menschen die Nachkommen des Propheten umbringen konnten, obwohl sie an den Islam und an den Propheten glaubten. Es war doch Hz. Muhammed, der vor seinem Tod zur Gemeinde sagte: „Ich hinterlasse euch zwei Din­ge, zum einen ist es der Koran und zum anderen Ehlibeyt, meine Familie. Beide sind unzertrennlich. Ihnen sollt ihr folgen.“Nachdem Muawiya, der erste Umayyaden Kalif und Mör­der, seinen Sohn zum Kalifen gerufen hatte, musste Hz. Hüseyin Medina verlassen. Hz. Hüseyin machte sich auf den Weg nach Kufa, weil er eine Einladung von den

Die 12 Imame 1. Hz. Ali

2. ‹mam Hasan

3. ‹mam Hüseyin

4. ‹mam Zeynel Abidin

5. ‹mam Muhammed Bak›r

6. ‹mam Cafer Sad›k

7. ‹mam Musai Kaz›m

8. ‹mam Ali R›za

9. ‹mam Muhammed Taki

10. ‹mam Ali Nak

11. ‹mam Hasan Askeri

12. ‹mam Muhammed Mehdi

1. 2.3.4.5.

6.7.8.9.

10.11.12.

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 25

Einwohnern dieser Stadt erhielt. Sie versprachen ihn zu beschützen und zu unterstützen. Hz. Hüseyin hatte auf seinem Weg dorthin 72 Begleiter, die an die Wahrheit Gottes glaubten und den Weg des Propheten befolgten. Doch als Hz. Hüseyin mit seinen Gefolgsleuten, an dem Ort Kerbela am Euphrat ankam, erwartete ihn die 5.000 Mann starke Yezid Truppe. Yezid wollte von Hz. Hüseyin, dass er ihn als Kalif anerkennen und sich ihm niederwer­fen sollte. Es kam zu einem Gefecht zwischen den beiden Seiten. Da sich Hz. Hüseyin weigerte, einen Tyrannen als Kalif anzuerkenn, wurden er und seine 72 Gefährten in Kerbela umgebracht. Seit dem 10. Oktober 680 weinen wir daher um Hz. Hüseyin und fasten für ihn und die wei­teren Imame, denn Aleviten wollen sich an das Leid von Hz. Hüseyin erinnern und mit ihm die ganze Propheten­familie ehren.Die Trauer­ und Fastenzeit im Monat Muharrem ist ein Grundbaustein der alevitischen Lehre. Der jüngste Sohn von Hz. Hüseyin, Imam Zeynel Abidin, überlebte dieses Massaker. Somit war er der Träger des Göttlichen Lichts und zugleich der vierte Imam.

4. Imam Hz. Zeynel Abidin (658/9 – 713) Hz. Zeynel Abidin war der Sohn von Hz. Hüseyin. Die Mut­ter von Hz. Zeynel Abidin war die Tochter von dem letz­ten Sassaniden König Yazdgird. Er kam in Medina auf die Welt und war bereits im Kindesalter gesundheitlich sehr schwach. Als sein Vater sich in Kerbela gegen die Armee von Ye­zid verteidigte, konnte Hz. Zeynel Abidin, aufgrund seiner körperlichen Verfassung, ihm nicht beistehen.Hz. Zeynel Abidin wurde nach dem Massaker von Kerbela in Ketten mit den gefangenen Frauen nach Damaskus zu Yezid gebracht. Yezid und seine Genossen wollten, dass sich Hz. Zeynel Abidin niederwerfen sollte aber Hz. Zeynel Abidin verteidigte sich mit Stolz und Ehre gegen Yezid und unterwarf sich ihm nicht. Noch heute ist er für die Aleviten, mit seinen Taten und seiner Lebensart, ein Wi­derstandssymbol. Nach diesem Vorfall musste der Tyrann Yezid Hz. Zeynel Abidin nach Medina entlassen. In Medina verteilte Hz. Zeynel Abidin Lebensmittel an die Armen, doch niemand wusste wer er war, denn er ver­teilte die Lebensmittel nachts und niemand bekam ihn je zu Gesicht. Wie seine Vorfahren wurde auch Hz. Zeynel Abidin von seinen Gegnern, Namens Velid bin Abdul Me­lik, vergiftet und umgebracht. Er starb im Jahre 713. Das Grab von Hz. Zeynel Abidin ist ein Pilgerort für die Alevi­ten.

5. Imam Hz. Muhammed Bak›r (676 – 733) Imam Muhammed Bak›r, der Sohn Hz. Zeynel Abidins, wurde im Jahr 676 in Medina geboren. Nachdem sein Va­ter umgebracht worden war, folgte Hz. Muhammed Bak›r als fünfter Imam. Er wagte sich mehr in den politischen Alltag und versuchte die Nachfolger der Ehlibeyt Familie zu vereinen. Er traf Maßnahmen, die dafür sorgten, dass es den Menschen auf geistiger wie auch materieller Ebene gut ging. Er war religiös sehr gebildet, er war ein bedeu­tender Aufzeichner von Hadithen (Taten und Aussagen des Propheten) die damals in Bücher schriftlich fixiert wur­den. Sein Leben ist bis heute, wie das von seinem Vater Hz. Zeynel Abidin, schleierhaft geblieben. Der Kalif Hischam beauftragte eine Person Namens ‹bra­him zum Mord an Hz. Muhammed Bak›r. ‹brahim brachte am 28.03.733 Hz. Muhammed Bak›r um. Kurz bevor er starb erklärte er Hz. Cafer Sad›k zu seinem Nachfolger. Nach den Morden an den Vorfahren von Muhammed Bak›r, war sein Tod der Auslöser für mehrere große Auf­stände.Die bekannteste aufständische Gruppe ist die Gruppe der Zaiditen. Sie Stammen von Zaid, dem Halbbruder von Hz. Zeynel Abidin, der in den Jahren 749 / 750 einen Aufstand in Kufa organisierte. Zaiditen gibt es heute noch im nörd­lichen Jemen.

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2� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

6. Imam Hz. Caferi Sad›k (702 – 765) Der sechste Imam Hz. Caferi Sad›k kam im Jahr 702 in Me­dina auf die Welt. Schon in jungen Jahren besuchte er die von seinem Vater gegründete Schule. Er wirkte sehr Weise und diskutierte mit den älteren Schülern über das Rechts­system, Theologie und naturwissenschaftliche Gescheh­nisse. Bis zum Alter von 12 Jahren wurde Hz. Caferi Sad›k unter der Anleitung seines Vaters Hz. Muhammed Bakir unterrichtet. Als heranwachsender Jugendlicher sammelte Hz. Caferi Sad›k Hadithe und interpretierte sie. Er nahm es sehr schwer, dass seine Vorfahren, unter den Umayyaden Kalifen umgebracht wurden. Er konnte das Kalifat nicht akzeptieren, weil die Umayyaden Dynastie gegenüber der Ehlibeyt und den Gläubigen sehr despotisch vorgegan­gen waren. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er die Verantwortung für die Gemeinde. Als religiöses Ober­haupt der Gemeinde konnte Hz.Caferi Sad›k seine theo­logischen Andeutungen verbreiten und in der Gemeinde verfestigen, somit entstand die Caferi Schule. Hz. Caferi Sad›ks Onkel Zaid und sein Sohn Yahya sind in den Kämp­fen, die sie gegen das Umayyaden Reich geführt haben, ums Leben gekommen. Hz. Caferi Sadik wusste, dass es nicht der richtige Moment war eine Revolte anzuzetteln. Er war stets bestrebt um eine friedvolle Lösung. Doch trotz seiner Bemühungen wurde er im 10. Regierungs­jahr des Kalifen Mansur von einem durch den Kalifen be­stellten Mörder vergiftet. Die Aleviten verdanken ihre All­tagsordnung Hz. Caferi Sadik, denn auf ihn ist die Quelle „Buyruk“ zurückzuführen,die bis heute ihre Bedeutung nicht verloren hat.

7. Imam Hz. Musa Kaz›m (745 – 799)Der siebte Imam Hz. Musa Kaz›m, geboren 745 in Me­dina, war der Sohn von Hz. Caferi Sad›k. Er wurde von ihm unterrichtet, deswegen war auch sein Wissen über die Islamische Theologie sehr ausgeprägt. Nachdem Tod von Hz. Caferi Sad›k entstand eine Kluft unter seinen An­hängern. Sein Sohn Ismail starb bereits in jungen Jahren. Somit fiel die Nachfolge auf seinen jüngeren Bruder Hz. Musa Kaz›m. Die Anhänger von Ismail haben Hz. Musa Kazim nicht als Nachfolger anerkannt, sie erklärten Mu­hammed Ismail, den Sohn des verstorbenen Ismail, als ihren Imam und somit entstand die Gruppe der Ismai­liten. Die Anhänger von Muhammed Ismail meinten, dass die Reihe der Imame mit Muhammed Ismail endete, man nennt diese auch die Siebener Imamiten. Die Ismailiten gründeten in Maghreb (909) einen Staat, das Reich der Fatimiden. Mit der Gründung von Kairo (10. Jhd.) wurde die Ismailitische Lehre zu einer offiziellen Staatsdoktrin. Doch die Mehrheit der Gläubigen hat nach dem Tod von

Hz. Caferi Sad›k als siebten Imam Hz. Musa Kaz›m aner­kannt und ihn als Führer der Gemeinde gewählt. Hz. Musa Kaz›m war ein sehr charismatischer und gebildeter Mann, er eilte jedem zur Hilfe und versuchte die Menschen von unwürdigen Taten abzuhalten. Obwohl der siebte ‹mam ein friedliches Leben führte, wurde er von dem ungläu­bigen Kalifen Harun Raflid im Jahr 793 in Ketten gelegt und von Medina nach Bagdad verschleppt. Er lebte sechs Jahre unter Folter und Erniedrigung in den Kerkern von Bagdad. Der Hass auf die Propheten Familie und vor allem auf die Anhänger von Hz. Musa Kaz›m war so groß, dass Harun Rasid Hz. Musa Kaz›m nicht lebend im Kerker dul­dete und im Jahr 799 ihn umbringen ließ. Der Leichnam von Hz. Musa Kaz›m wurde in einer Vorstadt von Bagdad begraben, seit dem heißt diese Vorstadt al­Kazimiya, die nach ihm benannt wurde. Für die Aleviten ist al­Kazimiya seither eine bedeutungsvolle Wallfahrtsstätte.

8. Imam Hz. Ali Riza (765 – 818) Hz. Ali Riza war 24 Jahre alt als sein Vater Hz. Musa Kaz›m von Harun Raflid getötet wurde. Im Jahr 765 kam Hz. Ali Riza, wie sein Vater und Großvater, in Medina auf die Welt. Schon in jungen Jahren musste er wegen den Unterdrückungen viel Schmerz erfahren. Bevor sein Vater Hz. Musa Kazim von Medina abgeholt wurde, er­klärte er seinen Sohn Hz. Ali Riza zu seinem Nachfolger. Hz. Ali Riza wurde nach Horasan (Gegend in Nord­Ost Iran) ins Exil geschickt und ließ eine Tochter und einen Sohn in Medina zurück. In Horasan wurde Hz. Ali Riza von dem Kalifen al­Ma’mun im Jahr 818 hinterlistig und brutal ermordet. Zu seine Ehren wurde um seinen Grab die Stadt Meschhed errichtet. Bevor der Kalif des Abba­siden Reiches Hz. Ali Riza umbringen ließ, bot man ihm das Kalifat an. Hz. Ali Riza lehnte das Kalifat ab, denn sie verlangten von ihm das Zurückhalten der Wahrheit und die Duldung von Unrecht. Beides war für den ‹mam nicht vereinbar mit seinem Glauben. Das Imamet von Hz. Ali Riza dauerte ca. 20 Jahre, während dieser Zeit hatte er es erreicht, dass die Gläubigen in einer festen Gemeinschaft lebten. Bevor Hz. Ali Riza von Medina nach Horasan zog, erklärte er seinen einzigen Sohn Hz. Muhammed Taki als seinen Nachfolger.

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 2�

9. Imam Hz. Muhammed Taki (811 – 835) Im Jahr 818, nach dem Tod von Hz. Ali Riza, wurde sein damals erst 8­jähriger Sohn Hz. Muhammed Taki zum 9. Imam. Mit acht wurde er als Imam ausgerufen und mit 24 Jahren wurde er wie seine Ahnen ermordet. Im kind­lichen Alter musste er mit einer Tochter des damaligen Kalifen al­Ma‘mun heiraten, damit er sich eng an die re­gierende Dynastie bindet. Die Vermählung mit der Toch­ter des Kalifen geschah gegen seinen Willen. Seine An­hängerschaft wurde dadurch besser geschützt und blieb eine Zeitlang von Angriffen und Pogromen verschont. Bis zum Frühjahr 835 gab es keine große Kluft zwischen der Herrscherschicht und Hz. Muhammed Taki. Nach dem der Kalif al­Ma´mun gestorben war, wurde der al­Mu´tasim zum neuen Kalifen ausgerufen. Auf sein Befehl wurde der 9. Imam Hz. Muhammed Taki im Alter von 24 Jahren umgebracht.Trotz seines jungen Alters war Hz. Muhammed Taki sehr weise und beliebt. Er ist auch unter dem Namen Cevat („der Freigebige“) bekannt, diesen Namen bekam Hz. Muhammed Taki durch seine guten Taten und die Wei­tergabe der Göttlichen Liebe. Er wurde auch von An­dersgläubigen als ein religiöser Führer respektiert. Bevor er starb, erklärte er seinen letzten Willen: Das erste war, seinen Sohn Hz. Ali Naki zum Nachfolger zu erklären und das zweite, seinen Leichnam neben seinem Großvater begraben zu wollen. Wie gewollt wurde er neben sei­nem Großvater, dem Siebten Imam Hz. Musa Kaz›m, in al­Kazimiya begraben.

10. Imam Ali Naki (829 – 868)Der 10. Imam Ali Naki wurde im Jahre 829 geboren. Imam Ali Naki wurde genauso wie sein Vater bereits in seiner Kindheit zum Imam erzogen. Er musste miterleben, wie ihm Abbasidische Herrscher anordneten, das Grab des Imam Hüseyins mit dem Flusswasser des Euphrat zu über­schwemmen. Damit sollte der Besuch der Menschen in Kerbela verhindert werden und die Erinnerung an Hz. Hü­seyin vernichtet. Mit verschiedenen Methoden versuchten sie Imam Ali Naki und seine Anhänger zu unterdrücken. Imam Ali Naki stand bis zu seiner Ermordung im Jahre 868 unter der Folter der damaligen Herrschern.

11. Imam Hasan Askeri (846 – 874)Im Jahre 846 kam Imam Hasan Askeri auf die Welt. Wie seine Vorgänger erlitt er Unterdrückung und Folter. Im Jahre 874 starb Imam Hasan Askeri an einer Vergiftung. Er ließ seinen Sohn (Imam Mehdi) zurück. Imam Hasan Askeri verschwieg die Geburt seines Sohnes, um ihn vor dem gleichen Schicksal zu verschonen.

12. Imam Muhammed Mehdi (869)Imam Muhammed Mehdi ist der letzte der Zwölf Imame, er kam 869 in Sammara auf die Welt. Sein Vater Imam Hasan Askeri verschwieg Imam Mehdis Geburt bis zur letzten Sekunde. Denn der abbasidischer Herrscher wollte um jeden Preis die Geburt des 12. Imams verhindern, um damit endgültig die Vertreter des wahren Glaubens, die sich gegen die unrechtmäßige Herrschaft der Abbasiden wehrten, auszulöschen und die eigene Machtposition zu erhalten und zu stärken. Nach der Vorstellung der Ale­viten (auch Schiiten) lebt Imam Muhammed Mehdi im­mer noch in der Verborgenheit und wird vor dem Ende der Welt erscheinen. Sein Titel „Mehdi“, bedeutet so viel wie „der Geführte“ oder „der Rechtgeleitete“. Weitere Titel sind: Fürst der Zeit [sahib­ul­zaman], „Beweiskräf­tiger Sohn Hasans“ [hudschat ibn­al­hasan], Statthalter des Schwertes [sahib­alsaif], womit unter anderem das Schwert Zülfikar gemeint ist, dass sich bei ihm befindet.

Remzi Kaptan Team Alevitentum

Aufklä[email protected]

2� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Aufklärung

„So wertvoll die Freund-schaft der Türkei ist, so furchtbar ist ihr Zorn.“

Mit diesen Worten reagierte Erdogan im Sommer 2013 auf den bis heute un­geklärten Abschuss eines türkischen Kampfjets an der syrisch­türkischen Grenze. Im selben Atemzug sicherte Erdogan den syrischen Flüchtlingen, zumindest verbal, unendliche Hilfe zu. Die Zahl der syrischen Flüchtlinge hat sich inzwischen laut Angaben des türkischen Innenministeriums, auf 600.000 erhöht. Die Kosten, die die türkische Regierung für die 21 Con­tainerstädte und die Versorgung der syrischen Flüchtlinge aufgebracht hatte, beziffern sich auf über zwei Milliarden Euro. Trotz dieses Kraft­aktes für ein Land, dessen östliche Provinzen sich immer noch auf Ent­wicklungslandniveau befinden, sind die Zustände der Flüchtlinge, laut Berichten, katastrophal. Hinzu er­scheint es grotesk, dass zeitgleich zur türkischen Hilfsaktion, die Opfer des Erdbebens in der kurdischen Stadt Van weitgehend vergessen von der türkischen Öffentlichkeit zwei Jahre nach der Tragödie immer noch in Zel­

ten lagern. Unabhängig von diesem Widerspruch, erscheint die Flücht­lingspolitik Erdogans, auf den ersten Blick nahezu philanthropisch. Gute Nachbarn helfen sich in schweren Zeiten. Das syrische und türkische Volk haben seit Jahrhunderten ein enges Verhältnis. Der Islam gebietet es, Menschen in Not beiszustehen. Das sind die Hauptargumente Er­dogans für seine Flüchtlingspolitik. Also alles ganz vorbildhaft? Ein Akt der Menschlichkeit der islamistischen AKP­Regierung?

Vergessene Flüchtlinge aus SyrienUm diese Fragen zu beantworten, lohnt es sich, einen Blick auf die wirklich vergessenen Flüchtlinge des Krieges zu werfen. Diejenigen, die keinen Besuch von Angelina Jo­lie, amerikanischen Politikern oder der türkischen Regierung erwarten dürfen. Denn unbemerkt von den westlichen Medien sind Angehörige einer kleinen und weitgehend un­bekannten syrischen Gemeinde auf der Flucht. Im Sommer 2013 kamen ca. 10.000 turkmenisch­alevitische Flüchtlinge aus Syrien in die Türkei. Zugebenen, anhand des massen­haften Andrangs in die Türkei er­

scheint diese Zahl sehr gering. Den­noch ist die Geschichte ein Sinnbild für eine rückwärtsgewandte Politik der Trennung und Kategorisierung von Menschen nach Religion und Konfession. 5000 Menschen wur­den Zeuge von dieser tiefgehenden Trennung. Ihre Geschichte beginnt mit der grausamen Sommeroffensive der radikalen Al­Nusra Front (Al­Qai­da­Ableger in Syrien) in Kooperation mit der FSA (Freie Syrische Armee). Das offizielle Ziel der Dschihadisten war es, die Minderheiten aus den Küstengebieten, die meist Assad­An­hänger sind, empfindlich zu treffen. Doch auch im Norden Syriens griffen die Islamisten zu ihrer brutalen Art, Minderheiten für ihre fehlende Un­terstützung der Opposition mit Mas­sakern zu bestrafen. So wurden nach den Massakern in Latakia (an syrische Aleviten; im türkischen „Arap Alevi­leri“), Rojava (an der kurdischen Min­derheit, die ca. 10 % der syrischen Bevölkerung ausmacht) gerieten auch turkmenisch­stämmige Alevi­ten ins Visier der Extremisten. Nach diesen Massakern flohen aufgrund ihrer isolierten Lage ganze Familien turkmenischer Aleviten in die Türkei ­ bizarrerweise in das Land der Spon­

Abgestellt in Istanbuler Parks, verfolgt durch wütende funda-

mentalistische Mobs, mit Messern zerstückelte Zelte als Unter-

kunft - Das unbekannte Leben der vergessenen alevitischen

Flüchtlinge Syriens. Nach den Massakern von Reyhanl›, Roja-

va und Latakia bahnt sich die nächste Tragödie mit türkischer

Beteiligung im Zusammenhang mit dem Syrien-Krieg an. Denn

abseits der Kameras suchen K›z›lbafl-Aleviten aus Syrien Schutz

vor der Al-Nusra in der Türkei und sind dennoch nicht wirklich

außer Gefahr.

von Ali Zülfikar Ay

Aleviten in Syrien

[email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 2�

Aufklärung

soren ihrer Verfolger. Die Flüchtlinge berichten, dass nach Ausbruch des Krieges die turkmenisch­alevitischen Dörfer mit Lebensmittel und anderen Hilfsgütern versorgt wurden. Diese Versorgung konnte allerdings nach der Offensive der Islamisten nicht mehr gewährleistet werden. Anders als die alevitische oder christliche Minderheit an der Küste des Landes stellen die turkmenischen Aleviten in ihren Siedlungsgebieten nicht die Mehrheit, sodass die Flucht aus ihren Dörfern und der Stadt Aleppo die ein­zige Möglichkeit vor ihrer kompletten Ausrottung war.

„Ihr beschmutzt die Umgebung der Moschee!“ Mit Messern zerstückelte Zelte und Todesdro-hungen - Kein herzlicher Emp-fang durch die TürkeiDoch die Türkei, laut Erdogan offen für alle Syrer, nahm diese Flüchtlinge alles andere als mit offenen Armen auf. Vielmehr fanden sich die alevi­tischen Flüchtlinge in Istanbuler Parks des ultra­konservativen Istanbuler Stadtteils Fatih wieder. Die wenigen Berichte in den Medien offenbarten eine schockierende Situation dieser Familien. Es fehlte wochenlang an Nahrung, Sanitäranlagen und ande­ren grundlegenden Dingen. Nach wochenlanger Notlage entschlos­sen sich schließlich die selbst not­leidenden und vom Staat nicht un­terstützten alevitischen Gemeinden der Türkei diesen Flüchtlingen eine Unterkunft zu bieten. Aktuell leben 3000 der Flüchtlinge in Unterkünf­ten der alevitischen Pir Sultan Abdal Gemeinde Gaziosmanpafla in Istan­bul. Weitere 7000 leben auf eigener Faust ohne jegliche Unterstützung, teilweise in Parks und anderen öf­fentlichen Anlagen. Aufgrund der Lebensgefahr durch die mehrheitlich Assad­feindlichen Flüchtlinge ist es diesen Menschen nicht möglich, in den Flüchtlingscamps zu leben. Die AKP­Regierung verweigert eine Lö­sung dieser unerträglichen Situation.

Die Flüchtlinge fühlen sich wortwört­lich auf der Straße gelassen. Als ob der tägliche Überlebenskampf ge­gen Hunger, fehlende Hygiene und Kälte nicht ausreicht, kamen im Dezember offene alevitenfeindliche Ausschreitungen der Anwohner des Viertels gegen die alevitischen Flücht­linge. Am 24. November wurden sie Opfer eines Angriffs eines islamisti­schen Mobs. Hierbei schnitten mit Messern bewaffnete Männer die Zelte der Flüchtlinge auf und skandierten „raus mit den Assad­Leuten“. Den Flüchtlingen wurde vorgeworfen, dass sie mit ihrer Anwesenheit die Umgebung einer Moschee beschmut­zen würden. Die völlig verängstigten Familien strömten in Todesangst auf die Straßen. Selbst die alevitische Ge­meinde in Gaziosmanpafla wird offen angefeindet. Die Anwohner krimina­lisieren rhetorisch die Leitung der Ge­meinde. Der Grund ihre Hilfe für die alevitischen Flüchtlinge Syriens. Dass diese feindliche Haltung gegenüber Aleviten mit Erdogans Auftritten zu­sammenhängt, auf denen er immer wieder die konfessionellen Probleme Syriens thematisiert und hierbei auch die Aleviten in der Türkei indirekt an der Tragödie in Syrien mitbeschuldigt, liegt auf der Hand. Doch wie man am Beispiel der alevitischen Flüchtlinge Syriens erkennt, bleibt Erdogans re­ligiöse Diskriminierung nicht nur bei der Rhetorik. Bereits zuvor hat Erdogans Politik der Ansiedlung von Rebellen im stark von Aleviten bewohnten Süden der Türkei, vor allem im als „Provinz der Toleranz“ bekannten multieth­nischen und mutlireligiösem Hatay, eine Destabilisierung herbeigeführt. Die unmittelbaren Konsequenzen waren der bis heute ungeklärte An­schlag von Reyhanli mit 52 Toten, die permanente Angst der religiösen Minderheiten vor Pogromen durch die syrischen Rebellen und die starke Beteiligung an den Gezi­Protesten in der Region mit drei toten Studenten aus Hatay.

Mediale Verklärung: R.T.E. als Held der Flüchtlinge und die Gefahr eines neuen Mas-sakersDoch auch die Lage der übrigen sy­rischen Flüchtlinge ist alles andere als gut. Ungeachtet der Fernsehbilder, welche eine bedeckte syrische Mut­ter präsentieren, die ihren Drillingen die Namen Recep,Tayyip und Erdo­gan gab, sieht die Wahrheit in diesen Lagern nicht harmonisch aus. Wie schlecht die Situation durch die sun­nitischen Flüchtlinge in den Camps wahrgenommen wird, zeigt der Auf­stand im Lager von Akcale im Südos­ten der Türkei. Hierbei wurden meh­rere Menschen verletzt. Auslöser war der Tod eines Kindes im Lager. Bereits zuvor kamen viele Kinder durch Brän­de in den notdürftigen Lagern um. Etliche Flüchtlinge, die vom Krieg ge­flohen sind, nahmen das Angebot der syrischen Regierung an und kehrten nach Syrien zurück. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass Ankara die Situa­tion der alevitschen Flüchtlinge aus Syrien ernst nimmt und zumindest sichere Unterkünfte für die Familien mit zahlreichen Kindern sicherstellt. Aufgrund ihrer isolierten Lage und den fehlenden Beziehungen zu ihren Glaubensbrüdern in der Türkei ist ihre Situation besonders prekär. Die ge­walttätigen Ausschreitungen gegen sie, lassen aufhorchen. Die Kette der Massaker, die durch die syrischen Op­positionellen begangen werden, rei­ßen nicht ab. Vielmehr bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen der Analysten. Nur eine Mobilma­chung gegen die unmenschliche Be­handlung dieser Flüchtlinge und eine aktive Hilfe kann ihre gefährliche Si­tuation verbessern.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die ale­vitischen Flüchtlingskinder aus Syrien, anders als die zahlreichen ermordeten Kinder aus Rojava, Reyhanli und Lata­kia, nicht den „Zorn des Recep Tayyip Erdogans und der Türkei“ spüren.

[email protected]

30 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Um diese Sure verstehen zu können, muss man den Hin­tergrund ihrer Übermittlung kennen.Es heißt, diese Sure wurde dem Propheten nach dem Tod seines einzigen Sohnes Kâsim gesandt. Nach diesem schmerzvollen Verlust Hz. Muhammeds wurde er von sei­nen Mitmenschen verhöhnt, da sein Stamm ohne einen männlichen Nachfahren nach dem damaligen Verständ­nis nicht fortbestehen konnte. Unter anderem wurde ihm nachgesagt: „Lasst ihn, er hat keine Nachfahren, denn er hat keinen Sohn, welcher die Familie fortführen könnte. Nach seinem Tod wird sein Name in Vergessenheit gera-ten und wir sind ihn dann los“. Um die Trauer des Propheten zu lindern und seine Hoff­nung für die Zukunft zu bestärken, übersandte Gott ihm diese Sure „Kevser“. Der Name der Sure bedeutet Über­fluss. Die Sure steht für den Fortbestand der Nachfahren Hz. Muhammeds. Denn sein Familienstamm sollte von seiner Tochter Hz. Fatma und dem Imam Ali­yel Murte­za weitergeführt werden. Von deren Sohn Hz. Hüseyin stammen die Geistlichen (Seyyid) ab. Sie sind die Nach­fahren des Propheten und verdienen höchsten Respekt und Anerkennung.

Allerdings müssen die Seyyid‘e wiederum diesem Res­pekt würdig sein. Diese wechselseitigen Anforderungen können nur erfüllt werden, wenn alle Hand in Hand mit­wirken. Es ist ein Kreislauf, in den alle Aleviten integriert

Aufklärung

Man gehe zurück in die Lebzeiten des Propheten Muhammed Mustafa (s.a.v.) und die Übersendung der 108. Sure des Korans (Kevser suresi). Dort heißt es:

„Wahrlich, wir haben dir die Fülle des Guten gegeben;So bete zu deinem Herrn und opfere. Fürwahr, es ist dein Feind, der ohne Nachkommenschaft sein soll.“

Die Geistlichen

[email protected]

Wer sind die Geistlichen und

welche Stellung haben sie

im Alevitentum?

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 31

sind. Der Geistliche (Pir / Dede) muss beispielsweise durch seine Geduld, seine ehrliche Lebensweise und seine Erge­benheit zu Gott ein Vorbild für seine Mitmenschen sein. Seinen Talip hat der Geistliche zu lehren. Dies muss sich der Talip wiederum z.B. durch seinen Respekt gegenüber dem Geistlichen verdienen. Dieses Miteinander verbindet nicht nur alle Aleviten, sondern trägt auch dazu bei, dass sie sich gegenseitig prägen. So veranlasst ein Talip seinen Pir mit seinen Fragen dazu, sein Wissen immerzu „aufzu­frischen“ bzw. sich fortzubilden.

Das Nachwuchsgeistlichen - Treffen –

2013 in Oberhausen AKMJeder Alevite trägt die Verantwortung dafür, dass dieses Miteinander aufrechterhalten wird. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde bei dem Geistlichen­Treffen ge­macht, welches von der Alevitischen Akademie im Rahmen des Jugendprojektes „Zukunftswerkstatt Alevitentum“ organisiert wurde und vom 24.12.­26.12.13 in Oberhau­sen stattfand. Eingeladen waren alle Nachwuchsgeist­lichen sowie viele Geistliche (Dede). Insgesamt nahmen über 200 Geistliche am Treffen teil, ca. 100 davon junge Dede und Ana Anwärter zwischen 15­35 Jahren. Dort wurde ihnen der Wert der Geistlichen im Alevitentum ver­mittelt. Zugleich hatten sie Gelegenheit, ihre Sorgen und

Wünsche zu äußern. Es fand sich eine aufgeschlossene Gemeinschaft zusammen, die gute Ideen für die Zukunft brachte und auch den Elan zur Umsetzung besaß. Ziele sind u.a. die einheitliche Ausbildung der Nachwuchsgeist­lichen und die Nutzung richtiger Quellen bei etwaigen Recherchen. Eine große Sorge vieler Anwesender war, dass das Alevi­tentum immer noch von einigen als nicht dem Islam zuge­hörig betrachtet wird. Gerade im Hinblick auf die Historie kann dies von keinem verständigen Menschen hingenom­men werden. Es kann nur zwei Gründe für eine solche Meinung ge­ben. Der Erste ist das Fehlen reichlichen Wissens und der Zweite, die Absicht unsere Gemeinschaft auseinander­zureißen. Als Einzelner kann man vielleicht nicht genug ausrichten, doch gemeinschaftlich kann dieses Problem bewältigt werden. Denn allein die Bildung unserer Ju­gendlichen kann und wird sie vor der schlechten Absicht derer schützen, die das Alevitentum seinen wahren Wur­zeln entreißen wollen. So wie wir Hand in Hand diesen Glauben leben, so müs­sen wir auch Hand in Hand unseren Glauben bewahren.

Sevgi Bektafl & Suat GüngörTeam Nachwuchsgeistliche

Aufklä[email protected]

Bilder vom Nachwuchsgeistlichen Treffen 2013 in Oberhausen

32 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

IST DAS ALEVITENTUM EINE RELIGION INNERHALB ODER AUßERHALB DES ISLAMS? Seit geraumer Zeit wird innerhalb der alevitischen Ge­meinschaft über die Zugehörigkeit des Alevitentums zum Islam diskutiert. Bevor die Zugehörigkeit der Aleviten zum Islam untersuchen, muss zunächst der Islam definiert wer­den. Genau hier liegt jedoch der Ursprung dieses Zwistes. WAS IST DER ISLAM? Besteht überhaupt die Mög­lichkeit einer einheitlichen, konkreten Definition? Es existiert derzeit bei islamischen Theologen unter­schiedlicher Strömungen Konsens, dass die Rede vom einheitlichen Islam falsch ist. Dafür existie­ren zu viele unterschiedliche Auslegungen. Islam bedeutet Frieden machen und Hingabe. Frieden machen heißt, daß der Gläubige mit sich selbst und mit seiner Umgebung in Frieden leben soll. Hingabe drückt sich in der Annahme des Willen Gottes aus. Der Muslim erlangt mit dem Islam Frieden durch die Hingabe in Gottes Willen. Im Koran, der hei­ligen Schrift der Muslime, sagt Gott Selbst, daß Er den Islam für die Menschen als Religion erwählt hat: “… Heute habe Ich für euch eure Religion vollständig ge-macht, und Ich habe Meine Gnade an euch erfüllt, und Ich habe für euch den Islam zur Religion gemacht…” (Koran 5:3).

Die abendländische Bezeichnung, „Mohammedaner” lehnen die Muslime ab, da Mohammed als Prophet der Überbringer der Botschaft des Islam war, Gott allein aber anbetungswürdig ist. Eine mögliche Definition wäre der Glaube an Allah als einzigen Gott, der Glaube an seinen

Gesandten Mohammed und nach der Schia die Ergän­zung, dass Ali Gottes Freund ist. Dies entspricht der ers­ten Säule des Islams. Nach dieser Auffassung sind Alevi­ten Muslime, da sie z.B. in Cem­Zeremonien jedes Mal Allah­Muhammed­Ali aussprechen. Nimmt man jedoch die weiteren Säulen nach sunnitischer Auffassung hinzu wie die Pilgerfahrt nach Mekka (hac), das fünfmalige ri­tuelle Gebet am Tag (namaz) und das Fasten im Monat Ramadan, wird schnell deutlich, dass Aleviten sich an die­se Vorschriften nicht halten und demnach keine Muslime wären. Betrachtet man die islamische Mystik, wird wie­derum schnell ersichtlich, dass kennzeichnende Einflüsse

ins Alevitentum bestehen. Das Gottesbild der Einheit des Seins (Vahdet­i Vücud), das Wertesystem der vier Pforten und vierzig Stufen (dört kap›, k›rk makam), der vollkommene Mensch (‹nsan­i Kamil) und viele weitere zentrale Punkte der alevitischen Lehre findet man auch in anderen Lehren der islamischen Mystik. Aufgrund der Unmöglichkeit einer einheitlichen Defi­

nition des Islams, macht diese Diskussion keinen Sinn. Sie führt nur unnötig zu Missdeutungen und Fehleinschät­zungen. Die Mehrheit der alevitischen Geistlichen, der Aleviten und das Projektteam der TAAKM, Tirol Anadolu Alevileri Kültür Merkezi, definieren aber Alevitentum als den Kernpunkt des Islam somit eine Islamische Glaubens­richtung „Islam›n içinde–‹slam›n özü”.Das Alevitentum ist eine islamische Glaubensrichtung. Alevitentum bezeichnet die Islamauffassung, die im Rat der Vierzigen gereift, durch die zwölf Imame weiterent­wickelt wurde und das Kriterium des Verstandes von Imam Cafer­i Sad›k zu seiner Richtschnur gemacht hat.[Auszug aus dem Statut der Islamische Alevitische Glaubensgemein-

schaft in Österreich (ALEVI) www.aleviten.at]

5 Antworten

5 Fragen

1

Aufklärung

Quelle: alevi.at.

[email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 33

Der Kodex „Achte auf die Reinheit Deiner Hände, Deiner Zunge und Deiner Lenden” ist das wichtigste Prinzip im Alevitentum. Diese wenigen Worte drücken den Kern der alevitischen Ethik aus. Hac› Bektafl Veli hat diese Worte im 13. Jahrhundert ausgesprochen und geprägt. Seither dienen sie als komprimierte Verhaltensmaxime im Alevi­ten­ und Bektaschitentum. Die Reinheit der Hände symbolisiert das Gebot, dass Aleviten niemals ihre Hand nach Sachen ausstrecken dürfen, die ihnen nicht gehören. Jedoch beschränkt sich dies nicht nur auf materielle Dinge. All das, was jemand anderem zusteht, darf nicht verletzt werden (kimsenin hakk›n› yememek). Zudem versinnbildlicht die Kontrolle der Hand, dass jegliche Form der Gewalt ausdrücklich untersagt ist. Die Reinheit der Zunge verbietet Lügen, üble Nachreden und ähnliches. Dies fordert stets zum wahrheitsgetreuen Reden auf. Des Weiteren besagt die Zügelung der Zunge, dass man das Geheimnis (s›r) vor Außenstehenden wahren soll. Die Zügelung der Zunge und die Wahrung des Geheimnisses haben noch einen tieferen, mystischen Sinn, dessen Erklärung jedoch an dieser Stelle zu ausführlich wäre. Die Reinheit der Lenden meint im direkten Sinn, dass man in einer monogamen 1 Ehe leben soll. Jedoch symbolisiert die Zügelung der Lenden vielmehr und impliziert die Bekämpfung der niederen Triebseele (nefs). Die Bekämpfung der niederen Triebseele zieht sich durch die komplette alevitische Lehre. Die niedere Triebseele be­inhaltet Charakterzüge wie Egoismus, Habgier, Arroganz, Wollust, Neid, Bosheit usw. Das Alevitentum ist der Weg, diese niedere Triebseele durch den Einklang mit Gott zu besiegen. Die Kontrolle der Lenden drückt letzten Endes dies aus.

1 Einehig, nur mit einer Person verheiratet sein.

WOHER KOMMT DIE BEZEICH-NUNG „ROTSCHOPF (KIZILBAfi)?

Die Gelehrten des Erdebil­Ordens und ihre Anhängerschaft, die den Safawiden­Staat im Iran gründeten und

sich zur Zwölferschia bekannten, trugen eine Kopfbedeckung von roter Farbe und wurden deshalb auch

„Rotschöpfe” genannt. Die Dynastie 2 der Safawiden war zu dieser Zeit im heutigen Iran das regierende

Regime und etablierte dort den schiitischen Islam als Staatsreligion. Der religiöse Ursprung dieser Dynastie

geht auf Safi al Din zurück, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts in der Stadt Erdebil den islamisch­mysti­

schen Erdebil­Orden (auch Safi­Orden genannt) gegründet hatte. Da auch die Aleviten Anatoliens sich an

die Safawiden gebunden betrachteten, wurden auch sie „Rotschöpfe” genannt. Auch soll der Umstand,

dass die Soldaten Schah Ismails (eine bedeutende politische, mehr noch literarische Person im Alevitentum)

rote Kopfbedeckungen und gelbe Stiefel trugen, zu der besagten Bezeichnung geführt haben. Zum Teil wird

diese Bezichnung auch auf Hz. Ali und seine Gefährten zurückgeführt, die in der Schlacht von Siffin gegen

Muawiya eine rote Kopfbedeckung trugen. In der Geschichte des Alevitentums wurde diese Bezeichnung

als Schimpfwort für Aleviten gebraucht. Es ist auch falsch, die „Rotschöpfe” als eine von den Aleviten ver­

schiedene Gemeinschaft darzustellen. Anfangs wurde das Wort „Alevit” für die Angehörigen des Hauses Ali

gebraucht. Wie Pir Sultan Abdal in einem Gedicht beschreibt, band sich Ali ein rotes Tuch in seinen Turban,

was dann auch seine Gefolgschaft imitierte, so dass das rote Tuch allgemein für seine Anhängerschaft galt.

Die Bezeichnung „Rotschopf” wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts benutzt. Danach geriet es in Ver­

gessenheit und wurde durch „Alevit” ersetzt.

2 Bezeichnet eine Geschlechterabfolge von Herrschern und ihrer Familien.

3

2 WAS BEDEUTET „KONTROLLIERE DEINE HÄNDE, DEINE ZUNGE UND DEINE LENDEN”?

Aufklä[email protected]

34 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

KANN MAN ZUM ALEVITENTUM

KONVERTIEREN? Bis Dato ist es so, dass man zum Alevitentum nicht konvertieren kann, da man – wie auch im Judentum – in die Gemeinschaft hinein geboren wird. Aber zum Bektaschitentum, das als städtische Auslegung und Variante des Alevitentums definiert werden kann, können Menschen unabhängig ihrer ethnischen Her­kunft konvertieren. Ein Grund, weshalb man zum Alevitentum nicht konver­tieren kann, liegt darin, dass das Alevitentum keine Missionierung 1 kennt. Das Alevitentum ist keine Religion, die für Massen von Menschen konzipiert worden ist.

1 Mission bedeutet (Aus-)Sendung; missionierende Religion ist eine Religion, die ihre Botschaft aktiv verbreitet.

Der Ursprung des Wortes Alevitentum liegt bei Hz. Ali, dem 1. Imam, den von Muham­med bestimmten Nachfolger, Schwiegersohn des Propheten und den die Aleviten als vollkommenen Menschen anerkennen. Er und Hz. Fatma sind die Personen, welche die Blutlinie des Ehlibeyt (die Familie Muhammeds) fortsetzten. Es gibt aber bei dem Thema des Todes von Hz. Ali einen weit verbreiteten Irrtum. Dies ist auch der Grund, zu dessen Klärung dieses Schreiben beitragen will. Die Geschichte, dass Hz. Ali während eines Gebets in einer Moschee von hinten mit einem vergifteten Messer umgebracht wurde, entspricht nicht der Wahrheit. Dieser Irrtum wird heute leider auch innerhalb vieler ale­vitischer Familien weiter verbreitet. Zum einen gab es in der damaligen Zeit keine Mo­scheen wie sie heutzutage existieren, sondern Gebetshäuser (mescit) die den Moscheen nicht ähnelten und zum anderen das Gebet (salât) ähnelte nicht dem des sunnitischen namaz, wie es praktiziert wird. Was nun über den Tod bzw. Ermordung Ali´s zu sagen ist folgendes; Hz. Ali wurde am 24.01.661 von Ibn Mülcem beim Verlassen seines Hauses mit einem giftigen Messer von hinten erstochen. Die Tatsache, dass die Mordwaffe ein giftiges Messer war, ist das einzig Richtige an der Geschichte. Das ist auch nicht der Grund warum Aleviten nicht in die Moschee gehen um zu beten, sondern nur ein weit verbreitetes Irrtum.

Beyhan Kepenek Team Presse

5 WIE IST ALI ERMORDET WORDEN?

4Aufklärung

Wenn du willst, dass auch deine Frage beantwortet wird, dann schreibe uns

doch gerne an: [email protected]

[email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 35

Unsere Liebe zum Glauben

Eine Einführung

Vereinsarbeit

Vorstellung, Intention und Ziele der Fördermitglieder

der alevitischen Akademie und der Vorsitzenden

Bochum AKM

Sundern AKM

Was, Wie, Wo?

Erfahrungsberichte der Jugendlichen zu den

Wochenendseminaren

LwieLiebe.

3� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Das Alevitentum ist eine Glaubenslehre und

basiert auf folgende Werte: Liebe, Respekt

und Toleranz für den Nächsten gegenüber.

Die Liebe spielt dabei eine sehr signifikante

Rolle. Sie ist die Basis des Glaubens.

Man assoziiert in erster Linie das Wort Liebe mit Zunei­gung, Wertschätzung oder Verbundenheit. Jedoch ist hier die Liebe zu Gott (Hak) und die Liebe der Auslebung des Alevitentums gemeint. Diese Liebe kann nicht erklärt werden, sondern muss gelebt werden (Aflk anlat›lmaz, yaflan›r). Heutzutage sieht man den Wandel der Jugend sehr deut­lich. Sie hat sich verändert, sowohl zum Negativen als auch zum Positiven. Nach einer Studie von 2011 (Quelle: mpfs) liegen die Inte­ressen der Jugendlichen mit 83%­92% bei Freundschaft und Liebe, gefolgt von Musik mit 83%­87%. Ganz unten dabei ist überregionale Politik mit 15­25%. Betrachtet man dabei das Thema Religion, taucht sie nirgends in der Skala auf. Jedoch kann man nicht alle Jugendlichen un­ter einen Kamm scheren. Es gibt aber auch andere. Und zwar jene, die sich für Ihren Glauben, dem Alevitentum, ihre Freizeit hingeben, indem sie z.B. an Wochenendse­minaren zur Glaubenserkennung (veranstaltet von der Alevitischen Akademie) teilnehmen oder aber diejenigen,

die neben Studium, Job und Familie im Vorstand der Ale­vitischen Akademie tätig sind und diese ganzen Seminare veranstalten. Mehmet Ali Öztoprak, der 28 Jährige Master Student, der dies kann und will. Und zwar alles für seinen Glauben, alles für seine Liebe zu Hak­Muhammed­Ali. Seit 2 Jahren ist er schon ehrenamtlich als Sekretär in der Alevitischen Akademie tätig. Aber nicht nur das, er ist auch schon seit über 6 Jahren im Jugendvorstand der Alevitischen Ge­meinde in Bochum und arbeitet fleißig mit den über 50 Jugendlichen (alter von 10­26 Jahren) für ihren Glauben. Nicht von Anfang an waren es so viele Mitglieder. Die Zahl stieg stetig an. Durch gute Arbeit mag man sagen. Gemeinsam haben sie viel erreicht. Sie sind nicht nur Mit­glied in Vereinen wie z.B. dem Paritätischen Wohlfahrts­verband, sie sind auch nicht ganz unbekannt bei Bochu­mer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Theaterprojekte wie „Heimleket“, jährliche Folkloreauf­tritte am Springer Platz machen sie gerne mit. Ihre aktive Jugendarbeit schweißte sie immer mehr zusammen und gemeinsam leben sie genau diese Liebe aus, die Liebe zum Alevitentum­„Alevilik­Aflk›“. Auch Bircan Akdo¤an, 16 aus Bochum, ist ein gutes Bei­spiel dafür, dass Jugendliche sehr wohl noch andere Inter­essen pflegen. Sie tanzt seit 2009 bei der Folklore Grup­pe „Dance of Harmony“, die aus Jugendlichen aus ganz NRW besteht. Jeden Sonntag für 2 Stunden trifft sich die Tanzgruppe aus Bochum im Bochumer Verein. Sie lernen nicht nur türkischen Folkloretanz, sondern auch „Semah“

AlevilikAșkıUnsereLiebezumGlauben

Liebe [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 3�

– dem rituellen „Tanz“ zur Vereinigung von Mensch zu Gott. Semah ist jedoch kein folkloristisches Element, dass zum Vergnügen getanzt werden sollte. Es ist ein Gebets­ritual, der nur in der Cem­Zeremonie vorgetragen wer­den sollte. Regelmäßig gibt es Auftritte für Bircan und ihre Freunde, manchmal sogar 2­3 pro Tag. Das erfordert viel Disziplin und Zeit. Doch Bircan ist mit Leib und See­le dabei. Aber das genügt ihr nicht. Auch bei den Cem­Zeremonien ist sie immer dabei. Sie übernimmt eine der 12 Dienste im Cem, und zwar den 4.Dienst als „Ceragci (Delilci)“ (Zünder des Lichts). Dabei sagt sie ihr Gebet auf und zündet das symbolische Licht und sorgt für die Be­leuchtung des Cem­Hauses. Mit ihren 16 Jahren meistert sie ihre Schule, geht nebenbei ihrer Folklore Leidenschaft nach und ist aktiv bei den Cem­Zeremonien dabei, alles aus Liebe zu Hak­Muhammed­Ali.Im Alevitischen Glauben gibt es natürlich auch bekannte Persönlichkeiten, die aus Liebe zum Glauben handelten.

Pir Sultan Abdal zum Beispiel, ein alevitischer Dichter, der im 16.Jahrhundert in Anatolien lebte. Er war ein sehr berühmter und gemochter Dichter und Denker. In seiner Lyrik drückte er die sozialen, kulturellen Probleme und seine Liebe zum Volk und seinem Glauben aus. Im Osma­nischen Reich galt er deswegen als Rebell und wurde vom Pascha H›z›r zum Tode verurteilt. Für die Aleviten ist Pir Sultan Abdal ein Held, der sich gegen die Ungerechtigkeit auflehnte.

Abschließend möchte ich oben noch ein Gedicht von Afl›k Veysel aufführen, in dem er die Liebe erwähnt.

Nilüfer Cay Team Presse

[email protected]

Aflk›m›n temeli sen bir alemsin

Sevgi muhabbetsin dilde kelams›n

Merhabas›n dosttan gelen selams›n

Duyarak al›r›m sen vars›n orda (Afl›k Veysel)

3� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Vereinsarbeit Bochum AKMDie alevitische Gemeinde Bochum wurde 1988 von einer handvoll Menschen gegründet. Damals traf man sich in einem Park, weil man keine Räumlichkeiten fand um die Gründung zu vollziehen. Damals wie heute hatten die Vereine mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das ist aber völlig normal, da sie keinerlei Unterstützung er­fahren haben, außer von ihren Mitgliedern.

Einen Wendepunkt innerhalb der alevitischen Bewegung stellt das Sivas Massaker 1993 dar. Leider wurde uns al­len damals bewusst, wie unorganisiert und wie schwach wir waren. Aus diesem Grund haben wir uns als Alevi­ten an die Arbeit gemacht und die Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF) gegründet. Die Alevitische Gemein­de Bochum war von Anfang an dabei. Auch wenn unser Dachverband als eine Glaubensorganisation gegründet wurde, überwog bis heute die politische Seite des Ver­bandes. Heute sehen und erkennen wir, dass uns dies nicht weiterbringt und die Aleviten sich zurück zu den „Wurzeln“ sehnen. Es ist Zeit für eine Veränderung. Von der Politik hin zum Glauben bzw. zum Alevitentum. Ge­lingt uns diese Veränderung nicht, habe ich die Befürch­tung, dass wir uns in Zukunft nicht entwickeln und nicht wachsen werden. Heute zählt unsere Gemeinde mehr als 200 Familien zu seinen Mitgliedern. Wir haben mitten im Zentrum von Bochum unser eigenes Cem Evi gekauft und können stolz sagen, dass unsere Gemeinde zu den schöns­

ten in Deutschland zählt. Hervorragende Beziehungen zu den städtischen Einrichtungen, MSO‘s, Wohlfahrts­ und Jugendverbänden sind für uns mittlerweile selbst­verständlich. Ferner setzen wir uns, für die Interessen der alevitischen Bevölkerung innerhalb der alevitischen Gemeinde Deutschlad (AABF) regelmäßig ein.

Besonders hervorzuheben ist unsere Jugendabteilung. Die Alevitische Jugend Bochum ist in Europa aufgrund seiner finanziellen und personellen Stärke beispiellos. Wir sind stolz auf unsere Jugendabteilung und mit welchem Einsatz sich unsere Jugendlichen für das Alevitentum einsetzen. Unsere Jugendabteilung hat einen sehr guten Ruf in ganz Deutschland. Sie ist in Organisationen wie im Jugendring Bochum, Paritätisches Jugendwerk, Bund der alevitischen Jugendlichen in Deutschland (BDAJ), Deutsches Jugendherbergswerk etc. Mitglied.

Seit 2011 ist unsere Gemeinde Fördermitglied der Alevi­tischen Akademie. Die Alevitische Akademie versteht sich als die Bildungs­ und Forschungseinrichtung der Aleviten. Aus diesem Grund verdient sie umfangreiche Unterstüt­zung der Aleviten, um Bildungs­ und Forschungsarbeit für die Aleviten zu betreiben. Seit unserer Mitgliedschaft im Jahr 2011 hat die Akademie wertvolle Arbeit in dieser Sache geleistet, deswegen danken wir der Alevitischen Akademie. Wir wünschen der Akademie für die Zukunft alles Gute.

Ismail Boyraz Vorsitzender Alevitische Gemeinde Bochum

Liebe [email protected]

Warum ist unsere Gemeinde Fördermitglied der Alevi­tischen Akademie? Die Aleviten haben in den letzten 20 Jahren einen beachtlichen Grad an Organisation erreicht. Viele Vereine sind unter Dachverbänden organisiert. Den­noch stellen wir tagtäglich fest, dass das Alevitentum bis heute nur unzureichend der deutschen Gesellschaft und vor allem der jüngeren Generation der hier aufwachsen­den Menschen bekannt ist. Die Alevitische Akademie ist durch ihre wissenschaftliche Arbeit und besonders durch die Wochenendseminarrei­he „Grundlagen der alevitischen Glaubenslehre“, die sich vor allem an Jugendliche richtet, zu einer wichtigen Institution geworden. Die Unterstützung der alevitischen Vereine im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und das Engagement jedes einzel­nen Mitgliedes der Akademie haben uns imponiert. Wir sind der Akademie sehr dankbar für die Unterstützung unserer Abendveranstaltung, bei dem unsere Gemein­de auf Kreisebene vergangenen Mai vorgestellt wurde. Weiterhin ist es für uns sehr wichtig, mit der Akademie eine Institution zu unterstützen, die unserem Bild des Ale­vitentums, so wie es von unseren Vorfahren übermittelt worden ist, nicht widerspricht. Wir unterstützen als Alevitische Gemeinde Hochsauer­landkreis Kultur­ und Cemhaus die Arbeit der Alevitischen Akademie, die entgegengesetzt zu anderen Organi­sationen das Alevitentum nicht als eine eigenständige Religion präsentiert. Für die Zukunft wünschen wir den ehrenamtlichen Mitar­beitern der Alevitischen Akademie weiterhin viel Erfolg.

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 3�

Liebe

Sundern AKM

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Die Alevitische Akademie veranstaltet seid 2012 in Ko­operation mit verschiedenen alevitischen Gemeinden Wochenendseminare zum Thema Grundlagen der Alevi­tischen Glaubenslehre, die jeweils von Freitag bis Sonntag andauern. Die Wochenendseminare finden in Jugendher­bergen mit 2 Übernachtungen statt.

In diesen Seminaren werden durch kompetente Refe­renten, die seit Jahren die alevitische Lehre erforschen, die Grundlagen des Alevitentums an interessierte Ju­gendliche vermittelt. Dogma, Liturgie und auch die Ter­minologie des alevitischen Weges soll hierbei erklärt und veranschaulicht werden. Ferner haben die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre individuellen Fragen an den Refe­renten zu stellen, andere alevitische Jugendliche aus ganz Deutschland kennenzulernen und sich gemeinsam mit anderen alevitischen Jugendlichen über Probleme, Lö­sungsansätze und Zukunftsperspektiven der alevitischen Jugendarbeit zu unterhalten.

Die Alevitische Akademie will durch diese Wochenend­seminare alevitische Jugendliche drei Tage lang in Sachen Alevitentum unterrichten und möglichst vorhandene Wissenslücken schließen. Wir hoffen, dass wir durch diese Seminare interessierte Jugendliche hinreichend zum The­ma „Alevitentum“ aufklären bzw. die Vernetzung und den Zusammenhalt innerhalb der alevitischen Jugend in Deutschland stärken konnten.

Seit 2012 haben bereits hunderte alevitische Jugendliche an den Wochenendseminaren der Alevitischen Akademie teilgenommen. In den folgenden Seiten findet ihr einige Fotos und Aussagen der Teilnehmer aus den Wochen­endseminaren der alevitischen Akademie.Auf den nächsten Seiten stellen wir euch die Wochen­endseminare in Bildern vor. Weitere Fotos könnt ihr auf der Facebook Seite der Alevitischen Akademie unter Al­bums sehen.(www.facebook.com/AleviAkademisi/photos_albums)

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WOCHENEDNSEMINAREGrundlagen der alevitischen Glaubenslehre

40 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

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Was - Wie - Wo?Erfahrungsberichte der

Jugendlichen zu den

Wochenendseminaren

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 41

Liebe

Nilüfer Cay Team Presse

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42 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

07.06.­09.06.13 Der geistliche Sedat Dede referiert vor wissbegierigen Jugendlichen aus ganz NRW.

Bircan Akdogan, 16 aus Bochum „Ich war bei dem Seminar am Big­gesee dabei. Es war sehr lehrreich. Am besten fand ich die lehrreichen Spiele mit Nehir Basaran. Der Geist­liche Sedat „Dede“ war natürlich auch wieder toll. Ich finde durch die Seminare, die veranstaltet werden, bilden wir eine Einheit und man schätzt den Glauben besser.“

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Ersin Kök, 21 aus Hamburg „Ein Seminar, rund um das Aleviten­tum! Toll!“

Ipek Tahtali, 16 aus Lü-beck „Immer wieder gerne! Mein Wissen über meinen Glauben ist aktualisiert!“

Dilek Eker, 24 aus Hamm „Ich habe an dem Seminar „Grundlagen der alevitischen Glaubens­lehre“ teilgenommen. Es war ein sehr lehrreiches, buntes Wochen­endseminar, an dem wir die Grundelemente unserer Glaubensrich­tung kennengelernt haben, unsere Fragen beantwortet bekamen und tolle Freundschaften bilden konnten. Auch nach dem Seminar haben wir den Kontakt zueinander beibehalten und treffen uns nun regelmäßig mit SAZ, SÖZ UND AfiK. Es ist wundervoll und erfüllend zu sehen, dass so viele junge Menschen für den sicheren Bestand ihres Glaubens arbeiten und tolle Projekte entwickeln.“

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 43

Wochenendseminar mit den alevitischen Kulturvereinen Neumünster, Hamburg, Lübeck und Wedel Ostsee2013

Can Aksevi, 19 aus Bochum „Das Seminar hat mir sehr gefallen und ich würde auch wieder daran teilnehmen. Ich habe dort viel über das Alevitentum gelernt und es hat mir auch Spaß gemacht und man hat dort viele Leute kennengelernt.“

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Wochenendseminar, Biggesee 2013

Serap Zileli, 22 aus Witten „Ich habe an 2 Wochenendseminaren teilgenommen. Letztes Jahr (Mai) wa­ren wir am Möhnesee und dieses Jahr am Biggesee (7.6.­9.6.13). Ich fand die Wochenendseminare sehr erfolgreich, da man viel über unseren Glauben lernen konnte. Zudem wurde alles verständlich erklärt. Man hatte die Gelegenheit sein Wissen zu vertiefen und viele Fragen zu stellen. Weiterhin hatte man die Mög­lichkeit viele alevitische Jugendliche aus anderen „Vereinen“ kennenzulernen. Ich war gerne an den Wochenendseminaren dabei und würde es auch weiter empfehlen. Es ist wichtig den eigenen Glauben kennenzulernen.“

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44 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Liebe

„Solche Seminare müssen unbedingt öfters organisiert werden! Danke!“

Cansu Akgül, 22 aus Wedel

„Ich freue mich schon auf das nächste mal! Danke Akademie!“

Hasan Hüseyin, 20 aus Ham-burg

Bergen Saat, 22 aus Neumünster „Vielen Dank an alle die dieses Seminar organisiert und geleitet haben!“

Aylin Akdogan, 24 aus Bochum „Als erstes einen großen Dank an die Alevitische Akademie, dass sie uns wieder ermöglicht hat durch die Wochenendseminare intensiver über das Aleviten­tum zu lernen. Mir hat das Wochenendseminar sehr viel Spass gemacht, wo Ich auch einiges habe mitnehmen können.“

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 45

Eren Gökdemir, 21 aus Oberhausen „Das Wochenendseminar war sehr lehrreich. Von Anfang an wurde eine sehr familiäre Atmosphäre geschaffen. Wir kannten uns alle erst seit ein paar Stunden, aber diese familiäre Atmosphäre sorgte dafür, dass wir alle offen waren und dies wiederum förderte das Lernen und Erlernen des Alevitemtums.“

Pinar Bozkurt26 aus Sundern„Ich habe sowohl letztes Jahr, als auch dieses Jahr an dem Wochenendsemi­nar teilgenommen. Letztes Jahr habe ich dann auch zum ersten Mal von der Alevitischen Akademie erfahren. Letztes Jahr war das Seminar am Sorpesee, dieses Jahr am Biggesee, beide Seen liegen im schönen Sauerland. Ich muss sagen, dass im Vergleich zu letztem Jahr eine Steigerung stattgefunden hat. Während letztes Jahr viel mehr frontal ablief, hatten wir dieses Jahr durch Nehir Basaran viele interaktive Übungen, die pädagogisch gut abgestimmt waren. Wir sind auf einem echt guten Weg, da die Jugendlichen eingebun­den und ernst genommen werden.“

Nasit Kireylioglu, 25 aus Bo-chum „Das Wochenendseminar am Möhnesee war für mich das erste Seminar über mei­nen Glauben. Ich fand es sehr lehrreich und ich würde immer wieder aufs Neue an sol­chen Veranstaltungen teilnehmen. Ich kann es wirklich jedem empfehlen, der sich mit seinem Glauben auseinandersetzen will.“

Wochenendseminar in Zusammenarbeit mit dem Alevitischen KulturvereinStuttgart,Überlingen am Bodensee 2013

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4� A.L.E.V.I. – Jugendzeitschrift der Alevitischen Akademie, Ausgabe 01/2014

Liebe

CK

BE

Eren Ali Kök aus Neumünster: „Ich finde es wichtig, dass solche Seminare stattfinden und die alevitischen Werte an Jugendliche vermittelt werden.“

Hasan Hüseyin Sar› aus Ham-burg: „Ich konnte alles fragen und kompetente Antworten bekommen. Solche Seminare müssen öfter stattfinden“

Gruppenfoto Wochenendsemi-nar in Scharbeutz an der Ostsee

Foto von Teilnehmern am Wochenendseminar in Scharbeutz an der Ostsee

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 4�

Liebe

STUTT

Fotos zeigen die Teilnehmer aus dem Wochenendseminar in Stuttgart

Alle Fotos gibt es auch auf unserer Fa-cebook–Seite: www.facebook.com/AleviAkademisi?fref=ts

Aylin Karayel aus Stuttgart: „Ich habe viel über das Leben von Hz. Ali, Hz. Hasan, Hz. Hüseyin und den restlichen Imamen gelernt. Diese großen Menschen sind echte Vorbilder für alevitische Jugendliche.“

GART

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4� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Liebe

VER

HA

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NNSevcan Nedime Akgül aus Hanno-ver: „Diese Seminare tragen viel zur Identitäsbildung von alevi-tischen Jugendlichen bei.“

Yasin Bozda¤ aus Bremen: „Habe hier viele neue Freunde kennengelernt.“

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 4�

Liebe

SEEBIG GE

Kudret Kaplan aus Hattingen „Bei uns in Hattingen gibt es nicht so viele Aleviten, ich bin deswegen froh, soviele neue ale-vitische Freunde kennengelernt zu haben.“

Aylin Akdo¤an aus Bochum: „Mir ist das Alevitentum wichtig, und die Seminare machen sehr viel spaß, man lernt auch viel.“

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50 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Liebe

MÖH

NE

SEE

Ersoy Doruk aus Recklinghausen: „Ich finde solche Seminare sind sehr sinnvolle Freizeitgestaltun-gen. Man hat Spaß, kann viel un-ternehmen und zuhause anschlie-ßend viel neues berichten.“

Ya¤mur Y›ld›r›m aus Gladbeck: „Ich fand es prima, dass die Seminare auf Deutsch stattfan-den.“

Fulya Kuscu aus Gelsenkirchen „Ich will die Jugendlichen aus meiner Gemeinde dazu motivie-ren, auch an solchen Seminaren teilzunehmen.“

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 51

Liebe

PE

SORAlev Koç aus Grevenbroich: „Diese drei schönen Tage werden bei mir immer positiv in Erinnerung bleiben.“

Serap Demir aus Wuppertal: „Die Lage am Sorpesee war herrlich. Habe viel über das Alevitentum gelernt.“

R›za Karabacak aus Solingen: „Ich würde gerne noch mal so ein Seminar besuchen wollen.“

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52 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Liebe

ÜBER

Umut Yildirim aus Calw: „ Ich habe nach dem Seminar, all die Jugendlichen die ich dort kennen-gelernt habe vermisst. Ich bedan-ke mich auch bei Cem Kara abi, der uns viel über das Alevitentum beigebracht hat“

Dilay Arslan aus Nürtingen: „Wir sind mit 13 Jugendlichen aus Nürtingen angereist und waren von der Organisation und dem Wissen des Referenten überwäl-tigt. Vielen Dank an die Alevi-tische Akademie“

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 53

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LIN

GEN

Pelin Parlak aus Schwäbisch Gmünd: „Unsere Gemeinde ist mit ca. 25 Jugendlichen ange-reist. Ich bin sehr froh, dass sol-che Seminare stattfinden. Vielen Dank an die Organisatoren“

Das Seminar fand 2013 in Überlingen am Bodensee statt.

Alle Fotos gibt es auch auf unserer Facebook–Seite: www.facebook.com/AleviAkademisi?fref=ts

54 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Liebe

Unterhaltung mit den Jugend-lichen während der Pause beim Wochenendseminar im Alevi-tisch-Bektaschitischen Institut.

1. und 2. Treffen der Zukunftswerkstatt

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A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 55

E wieEinheit.

fiah Ismail Hatayi und seine Bedeutung für das AlevitetumSein Leben und die Staatsgründung

Frauen im Alevitentum

Rolle und Funktion einer „Ana“ im Alevitentum

Einheit in Vielfalt

Sitten und Gebräuche

5� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

fiah ‹smail Hatayi wurde im Jahr 1487 in der iranischen Stadt Ardabil gebo­ren. Sein Vater und Großvater stamm­ten von der Familienlinie von Imam Musa el­Kaz›m ab 1. Sie waren die Führer (Scheich) des Safawiden Or­dens und lebten in der Stadt Ardabil. Die Stadt Ardabil war somit auch das Zentrum des safawidischen Ordens. Nach dem Tod von fiah ‹smails Vater, wurde fiah ‹smail der Scheich vom Or­den und Führer seiner Stammeslinie (Ocak). In der heutigen Türkei existie­ren noch Stämme die ihren Namen von den Safawiden bekommen ha­ben und somit eine Verwandtschaft mit diesen besitzen. Darunter sind u.a. der fiah Hatayi Stamm, Sayyid Safiyüddin Ishak Veli Stamm und der Scheich Safi Stamm. 2

Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Anhänger der Safawiden als „K›z›lbafl“ (Rotköpfe) bezeichnet. Die Scheichs der Safawiden waren die obersten religiösen Anführer der K›z›lbas (mürsid­i kâmil). Die K›z›lbafl strömten in die Stadt Ardabil, um

den Safawiden Orden zu besuchen.3

Dort bildeten die Safawiden Scheichs die Dedes aus und gaben ihnen ihre Diplome. Die Anhänger hingegen brachten ihren Scheich Geschenke mit. 4 fiah ‹smails Vater und auch sein Großvater bewaffneten sich und versuchten einen Staat zu gründen. Doch alle beide versagten bei dem Vorhaben und wurden beim Un­terfangen getötet. Dadurch wuchs Schach Ismail als Waise auf und wur­de von treuen Freunden (ehl­i ihtisas) seiner Ahnen beschützt. 5

1501 war durch die Eroberung Täbris durch fiah ‹smail, ihm auch die Grün­dung des Safawiden Staates vergönnt. Er machte auch Täbris zur Haupt­stadt seines Reiches. Jetzt hatten die K›z›lbafl Anhänger in Anatolien einen offiziellen eigenen Staat und eine Ins­tanz die sie schützen konnte. Darum bezeichnete man auch das Safawiden Reich als „Staat der K›z›lbafl“. 6 Im sel­ben Jahr hat der osmanische Sultan Bayezid II. den K›z›lbafl Anhängern in

1 Ghulam Sarwar(1939):History of Shah Ismail Safawi, s.17 2 Ali Yaman (2006): K›z›lbafl Alevi Ocaklar›, s.91-923 Walther Hinz (1992):Uzun Hasan ve Seyh Cüneyd, s.8-9 4 Hasan-I Rumlu (2006): Ahsenü’t-Tevârîh, s.579 5 The Safavid state and polity, s.192 6 Roger Savory (1980): Iran under the Safavids ,s.34

Şah İsmail Hatayi und seine Bedeutung für das Alevitentum

Sein Leben und die Staatsgründung

Einheit [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 5�

Anatolien unter Drohung der Todes­strafe die Ausreise in das Safawiden Reich verboten. 7 Von 1505­07 hat fiah ‹smail weite Teile von Ostanato­lien in sein Reich einverleibt, darunter einige Teile von Sivas, Marafl, Erzin­can, Cemisgezek (Dersim), Elaz›¤, Erzurum, Çapakçur (Bingöl), Mufl. 8 So befreite er einen Teil seiner An­hänger aus dem Joch der Osmanen.

Die Zusammenkunft verschiedener „Alevi“ Gruppen

Zu dieser Zeit gab es verschiedene Gruppen, die heute unter der „Ale­vi“ Identität definiert werden kön­nen. Zunächst trafen sich unter dem Zweig Sîa­yi Batiniyye unter anderem die Gruppen Kalenderi, Hayderi, Rum Adballari sowie Hurufi. Dies geht aus den Untersuchungen von Ayfer Kara­kaya hervor. 9 Die Alevitischen Orden bzw. Stammeslinien (Ocak) waren von den Safewiden unabhängig, je­doch nach der Zeit von fiah ‹smail

ihnen untergeben und leisteten ihren Hizmet (Art Dienstleistung).

Das Leben der PIR‘s unter den Staaten

Alevitische Gruppen lebten in der mittelalterlichen Kogge mit der Ver­bundenheit zu fiah ‹smail und Safa­widen unter der Landesführung von Sunnitischen Herrschern, was sie nicht wollten. Als Beispiel können die Osmanl›, Dü‘l­Kadir sowie Akkoyun­lu Länder genannt werden. Aleviten wurden hier stark verfolgt. Als wei­teres Beispiel kann das zweite Bayezit Land genannt werden, dass einerseits Osmanische Soldaten aufwies sowie K›z›lbafl geprägte Zivilbevölkerung. Diese Tatsache bereitete Angst. 10

Anderes Beispiel: Im Rahmen des Krieges von fiah ‹smail gegen den Staat Dulkadir im Jahre 1507, bekam fiah ‹smail von Soldaten des Gegners Unterstützung, da sie zu den Safe­wi gingen. 11 Es wird zudem gesagt,

fiah ‹smail Hatayî

(1487­1524)

7 R›za Y›ld›r›m (2008): Turkomans between two empires: the origins of the Qizilbãsh identity in Anatolia (1447-1514), Bilkent University, s.307 8 Roger Savory (1965): The Consolidation of Safawid Power in Persia, s.75 9 Röportaj (Erdal Gezik): Ayfer Karakaya ile Alevi Belgeleri ifl›¤›nda Bektaflilik, Safevilik ve Vefailik, soru 710 R›za Y›ld›r›m (2008): Turkomans between two empires: the origins of the Qizilbãsh identity in Anatolia (1447-1514), Bilkent University, s.341

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5� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

dass einige Sympathisanten das Zelt von Yavuz in Flammen setzten.

Unter den Ländern, die als „Safewi“ geprägt waren, konnte ein Teil der Bevölkerung, die dort nicht mehr leben konnte, zu den Gebieten der Pir‘s umziehen. Als Beispiel kann angeführt werden, dass im Jahre 1511 der „Sufuyan Halife Rumlu“ mit 15.000 Bevölkerung und derer Stämme angeführt werden, die von den Ländern der Osmanen zu den Ländern der Safewi umzogen. 12

Ein Gedicht von Pir Sultan Abdal soll die Bedeutung und die Liebe von fiah ‹smail zu den K›z›lbafl zeigen.

Çok uzak illerden özendin geldin Sol tozlu yollara bezendin geldin

Urum‘dan ne günah kazand›n geldin Niye geldin derler Urum sofusu

Bülbül gerek gül dal›na konmaya fiah ‹smail gibi sama dönmeye

Musahibin yok mu derdin yanma ya Niye geldin derler Urum sofusu

Pir Sultan Abdal‘›m hele yazsalar Arasalar ülke ülke gezseler

Yolu do¤ru sürmeyeni assalar Niye geldin derler Urum sofusu

Das Alevitentum bei der Staasgründung

Im Rahmen der Staatsgründung ar­beiteten die Verantwortlichen an der Staatsregligion „Sefevi Tarikat (K›z›lbafl)“. Ganz oben stand der „Mür­sid­i Kamil“ fiah ‹smail selbst, unter ihm die „Halifet ulhulefa“ (Halifeler Halifesi ­ KALIFEN), die für das Gebiet Anatolien verantwortlich waren. Aus den damiligen Quellen geht hervor, wie notwendig diese Kalifen für die hierarchische Struktur waren. 13

In dem YOL der K›z›lbaflis gab es ins­gesamt 6 Makam (Behörden): Kalife (Kalifen), Dede (Geistlichen), Müreb­bi, Rehber (Wegweiser), Musahip (Wegbegleiter) und Talip (Schüler). Früher kamen die Dedes aus den Mürsid Ocaks (Geistliche Stammesfa­milien). Die Mürsids wurden von den Kalifen zugelassen. 14 „Halifelik“ war bei der Staatsgrün­dung von fiah ‹smail bereits vorhan­den. Die Einführung bzw. das Leben des „müsahiplik“ ist nach Quellenan­gaben von fiah ‹smail selbst realisiert worden. Der Müsahip von fiah ‹smail Sultan Ali Mirza, hat beim „Çald›ran“ Krieg sein Leben für fiah ‹smail geop­fert: 15

Cellatlar araland›

Ci¤erler parelendi

Sultan Ali ‹mirza‘m

Bu kavgada parelendi …

Çöl olas› Çald›ran

Altun kadeh kald›ran

Hatayi‘m a¤lar gezer

Musahibin ald›ran

11 A Narrative of Italian Travels in Persia (1873) isimli eserde gecen „The Travels of a Merchant in Persia“, s.197 12 Roger Savory (1960): The Principal Offices of the Safawid State during the Reign of Ismail I, s.92 13 Roger Savory (1965): The Office of Khalifat Al-Khulafa under the Safawids, s.497 14 Saim Savafl (2002): XVI. As›rda Anadolu‘da Alevîlik,Vadi Yay›nlar›, s.39, dipnot 70 15 ‹smail Kaygusuz: „Sufi K›ran“ – Çald›ran Savafl› ve Çald›ran sonras› Safevi-K›z›lbafl yönetiminin çöküfl evresi

Der Safawiden Staat 1510

Einheit [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie 5�

fiah ‹smails Platz im Alevi-tentum Die heutigen „nefesler“ in den CEMs kommen zu meist von fiah ‹smail selbst. Er nutzt in seinen Gedich­ten den Begriff „Hatâyî“, die den K›z›lbaflis als Regel gegeben wurde. Gemäß den Quellen der K›z›lbaflis und Bektaflis wurde von den Osma­nen versucht, die K›z›lbaflis zu ellimi­nieren bzw. zu vernichten. Trotzdem lebten die K›z›lbaflis ihren Glauben in den Gedichten weiter.

Die heutigen Cems sind nach Quel­len von den K›z›lbafl Schriftstücken zu entnehmen. In anderen Worten, Aleviten sind gehörig zu fiah ‹smail und dem „Safevi Tarikat“. Das Zi­tat „Yol bir sürek binbir“ beschreibt dies. Es ist unerheblich wie diese sich nennen, ob Bektafli, Sefevi (K›z›lbafl), Sebek, Haksari oder Nimetullah, alle führen zur gleichen Tür. Die Gedichte fiah ‹smails sowie weitere Schrift­stücke von ihm machen einen Teil des heutigen Alevitentums aus. Des Weiteren macht ihn die Tatsache, dass er ein „mürsid-i kâmil“ aus dem 16. Jahrhundert war, zu einer religi­ösen Figur in Alevitentum. Wie Hz. Muhammed, Hz. Ali, die 12 Imame, Ebu‘l Vefa, Pir Sultan Abdal ist er auch eine religiöse Figur im Alevi­tentum. Wie gesagt wird, wer Hz.

Ali nicht liebt, ein Alevite nicht sein kann, Pir Sultan nicht liebt, ein Ale­vite nicht sein kann. So lässt es sich sagen, wer fiah ‹smail Hatâyi nicht liebt, ein Alevite nicht sein kann. In der alevitischen Praktizierung des Glaubens (Ayin­i Cem‘de), ist in den Gedichten, der beschriebene Mensch nach seinem Weg beschrieben und dies macht ihn zu einer alevitischen religiösen Figur.

In Ayin­i Cem wird „fiah Hatâyi“ oder „Hatâyi“ gesagt, dies impliziert gleich­zeitig den „niyaz“ von vielen Aleviten wenn sie es hören. In den Bergen Bulgariens wird beim traditionellen Semah Tanz auch „fiAH! fiAH!“ ge­rufen.

Obwohl er vor 500 Jahren verstarb, erzählen Aleviten immer noch die Ge­schichten von fiah Hatayi, geben ih­ren Kindern den Namen „‹smail“ oder „fiahismail“. In bestimmten Regionen ist dies ziemlich häufig wiederzufin­

den. 16

Gökhan SerenVerfasser / Autor Tuna Sürücü / Yusuf UsulÜbersetzung

16 The Fallible Master of Perfection – Shah Ismail in the Alevi-Bektashi Tradition, s.11

Die K›z›lbafl am Hofe der Safawiden, 15. Jahrhundert

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�0 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Um die Rolle und Funktion einer „Ana“ näher beschrei-ben zu können, werde ich zunächst am Beispiel mei-ner eigenen Biographie in die Thematik einführen und schließlich die Inhalte mei-ner Ausführungen um alevi-tische Glaubensgrundsätze ergänzen.

Als Jugendliche wirkte ich im Alevitischen Kulturverein in Rheda­Wiedenbrück mit.

Später, mit dem Studium und dem damit verbundenen Umzug, landete ich in Münster in Westfalen. Dort an­gekommen und auf der Suche nach Anschluss stellte ich mir die Frage, ob es auch in Münster einen Alevitischen Verein gibt. Nach kurzen Recherche­be­mühungen stellte sich heraus, dass Münster in der Tat keinen Ale­vitischen Verein hat. Neben dem tiefen Bedauern, in Münster keinen Alevitischen Verein gefunden zu haben, hatte ich gleich­zeitig das Glück, durch Uni­ und Studentenwohnheimkontakte einige

Aleviten, die sich gleichfalls wegen des Studiums in Münster aufhielten, kennenzulernen. In dieser Gruppe fanden wir uns zu einer Studenten­Initiative zusammen und begannen, uns für die alevitischen Belange im weitesten Sinne zu engagieren. Wir trafen uns regelmäßig mindes­tens zweimal wöchentlich. Das eine wöchentliche Treffen war öffentlich und fand regelmäßig in den Räumen eines interkulturellen Zentrums für Studenten statt. Durch Kleinanzei­gen in der gängigen Wochenschau und weitere sich im Laufe der Zeit ergebende Kontakte zu Aleviten und am Alevitentum Interessierten wurde die Runde größer. Im Laufe dieser Zeit veranstalteten wir Leseabende, Diskussionsrunden zu aktuellen und vergangenen politischen Themen, Treffen zu alevitischen Themen und vieles mehr. Im Rahmen der Initiative hatten wir sogar die Idee, eine klei­ne Broschüre / Zeitschrift zum Thema Alevitentum in deutscher Sprache zu veröffentlichen. In der Tat schrieben zwei liebe Freunde und ich an dieser kleinen Broschüre / Zeitschrift über verschie­

dene alevitische Themen, druckten das Heftchen in Eigenregie in einem Copy­Shop und verteilten es. Ferner hatten wir das große Glück, dass ei­ner unserer Mitgründer und aktivsten Mitwirkenden ein hervorragender Saz­Spieler ist, wir und auch andere in den Genuss eines regelmäßigen Saz­Unterrichts kamen. Die gesamte Arbeit wurde so intensiv und lebendig vorangetrieben, dass in der immer größer werdenden Grup­pe der Wunsch nach einem richtigen Verein aufkam. Also besuchten meine beiden Freunde und ich, manchmal auch gemeinsam mit einigen alevi­tischen Bekannten, alevitische Fami­lien und erkundigten uns nach dem Bedarf an einem Alevitischen Verein. Die besuchten Familie waren begeis­tert von der Idee, einen Alevitischen Kulturverein zu haben, und wollten zu dieser neue Aufgabe beitragen. Kurz nach der Gründung des Alevi­tischen Vereins in Münster verließen die zwei Freunde Münster, sodass ich neue Aufgaben in einem ande­ren Rahmen, damit ist der Vorstand gemeint, übernahm. Drei Jahre nach Gründung des Vereins bin ich nun als

Frauen im Alevitentum

Die Rolle und Funktion einer „Ana“ im Alevitentum

Einheit [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie �1

Vorsitzende des Geistlichenrates im Verein aktiv. Daneben blieb ich dem Alevitischen Verein in Rheda­Wie­denbrück über die gesamten Jahre ein treues, aktives Mitglied. Meine Tätigkeiten in beiden alevi­tischen Vereinen sind jeweils unter­schiedlich zu betrachten. Der Verein in Rheda­Wiedenbrück ist ein Verein mit etablierten Strukturen. Vorstand und Mitglieder kennen alevitische Glaubensinhalte und das Gemein­deleben sehr genau und sind in der Praktizierung der alevitischen Glau­bensinhalte erfahren. In Münster hin­gegen wurden wegen der Migration und der Tatsache, dass es nicht ein­mal einen Alevitischen Kulturverein, geschweige denn einen Austausch von Aleviten untereinander gab, wel­che zur Praktizierung von alevitischen Glaubensinhalten beitragen könnten, viele Grundbausteine des alevitischen Glaubensweges vernachlässigt.

Dazu zählt in erster Linie auch die Nicht­Pflege des Pir­und Talip­Ver­hältnisses 1, welches den größten Anteil daran hat, dass der alevitische Glaube nicht entsprechend gelebt werden konnte. Insbesondere Ju­gendlichen der dritten Generation sind vielen alevitischen Glaubens­inhalten entfremdet. Die Migration insgesamt hat bei Alt und Jung dazu beigetragen, dass sich das alevitische Glaubensverständnis und die alevi­tische Lebensweise zurückgebildet haben. Eine Neustrukturierung durch Alevitische Kulturvereine /„Cem­Häu­ser“ (religiöse Gemeinden) in Europa und insbesondere auch in Deutsch­land hat zumindest dazu beigetra­gen, dass die Gleichgesinnten die Chance zu einem Miteinander erhal­ten haben. Da die Aleviten in Münster allerdings

nicht einmal über ein „Cem­Haus“ bzw. einen Kulturverein verfügten, war ihnen auch das Wesen eines Gemeindelebens fremd. Die Aleviten in Münster waren sich weitgehend unbekannt. Viele, die sich schon oft begegnet sind und darüber hinaus miteinander in Unterhaltungen und sogar in Geschäftsbeziehungen zu tun hatten, wussten nicht von der religiösen Identität des Anderen. Of­fensichtlich war es tabu, die eigene religiöse Zugehörigkeit zu offenba­ren und nach der religiösen Identität des Anderen zu fragen. Ein weiteres Ergebnis der Verheim­lichung der eigenen Identität hat­te zur Folge, dass ein Großteil der Aleviten in Münster sich dem Glau­ben entfremdet hatte und trotz des Umgangs miteinander die religiöse Identität des Nächsten unbekannt blieb, hier wurde offensichtlich die „Takiye“ 2 angewandt.

Der Verein eröffnete die Möglichkeit des Kennenlernens, des Miteinan­ders und der religiösen Entfaltung. Dadurch entwickelte sich der Ver­ein in Münster zu einer Art Begeg­nungsstätte mit vielen verschiedenen kulturellen, religiösen und sozialen Angeboten. Die Menschen und ins­besondere auch die Kinder hatten das erste Mal Gelegenheit, sich ken­nenzulernen, von ihrer Herkunft und dem Hintergrund ihrer Lebensweise und ihrer doch so „anderen“ Denk­weise zu erfahren sowie bekannte Denkweisen und Handlungsmuster zu prüfen, zu hinterfragen und zu deuten. Viele der Denk­ und Hand­lungsmuster in Hinsicht auf die Le­bensweise und das gesellschaftliche Miteinander wurden in Gesprächen mit Gemeindemitgliedern nachträg­lich, von ihnen selbst, immer auf die

alevitischen Glaubenswurzeln zurück­geführt. Da es im gesamten Verein kaum Geistliche gab, wurde ich bei religiösen Themen immer häufiger in Anspruch genommen. Immer wenn Diskussionen bzw. Unsicherheiten nicht nur im Vorstand, sondern auch unter den Mitgliedern im Raum ste­hen, wurde mein Rat eingeholt. Jede Begegnung mit Mitgliedern führte zu einer Auseinandersetzung mit religi­ösen Themen. Sowohl Vorstand des Vereins als auch Mitglieder wissen, dass ich geistlicher Abstammung, also Nachkommin der „ehl­i beyt“ 3­Familie bin und durchaus auch darum bemüht bin, dem „Weg“ 4, soweit wie möglich, gerecht zu werden.

Mit der letzten Vorstandswahl im Juni 2013 bin ich einstimmig zur Vor­sitzenden des kleinen Geistlichen­rates gewählt worden. Bei den Ale­viten besteht Einigkeit darüber, dass Frauen und Männer in jeder Hinsicht gleichberechtigt sind, jedoch unter­schiedliche Aufgaben und Rollen haben, denen sie im irdischen Leben gerecht werden müssen. Genau diese Einigkeit über die Gleichberechtigung erlebe ich im Alltag in der Rolle und Funktion als „Ana“. Insbesondere die Migration der Aleviten nach Deutsch­land und anderen europäischen Län­dern hat sie von den Glaubenstradi­tionen entfremdet und nach Identität und Selbstdarstellung in der jewei­ligen Gesellschaft suchen lassen. So kam es, dass viele Aufgaben und Rollen von Dede / Pir, Ana und Talip verwechselt und falsch, d. h. entfernt von dem eigentlichen Glaubenskern, definiert werden. Die Gleichstellung von Mann und Frau, die im alevi­tischen Glaubensverständnis vorherr­schend ist, dient in allen alevitischen Selbstdarstellungen, insbesondere

1 „Pir“ bedeutet „spirituell“ und bezeichnet einen geistlichen Führer, der durch seine Abstammung vom Propheten Mohammed und vom Imam Ali und damit durch die Zugehörigkeit zur „ehl-i beyt“-Familie prädestiniert ist, Schüler anzunehmen, vgl. Bozkurt 1988, S. 23 ff. „Talip“ bedeutet: „Schüler“, „Strebender auf dem Weg zu Gott“, vgl. Bozkurt 1988, s.38-43. 2 „Aleviten praktizierten Takiye, das Verbergen der eigenen Zugehörigkeit. Takiye ist eine defensive Strategie, die das Ziel hat, nicht aufzufallen, und die verwendet wird, um in einer ablehnenden und potentiell feindlichen Umwelt, die Verleumdungen für bare Münze nimmt, möglicher Verfolgung zu entgehen“, Sökefeld 2008, s. 9. 3 „ehl-i beyt“ ist die Familie des Propheten. Zur Familie des Propheten zählt der heilige Imam Ali, die heilige Fatima, der heilige Hasan und der heilige Pir Imam Hüseyin. Nur die „ehl-i beyt“-Familie und deren Nachkommen sind auserwählt, den alevitischen Glaubensweg zu weisen. 4 „Weg“ bedeutet, „dem alevitischen Glaubensweg“ gerecht zu werden.

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auch im europäischen Ausland, dazu, sich als humane und an Gleichberech­tigung orientierte Glaubensrichtung zu präsentieren. In der Tat ist eines der höchsten Glaubensgüter im Ale­vitentum die Gewissheit, dass Frauen und Männer vor Gott und auch im alltäglichen Leben gleichberechtigt sind. Der Fehler in den Selbstdar­stellungen und neueren Beschrei­bungen rund um das Alevitentum liegt in der Behauptung, dass auch Frauen Cem­Zeremonien (alevitische Gebetszeremonien) durchführen dür­fen. Möglicherweise erklärt sich diese Fehleinschätzung durch den Wunsch nach Anerkennung als moderne Glaubensrichtung in der hiesigen Gesellschaft, zumal die traditionellen alevitischen Glaubensgrundlagen durch die neue Lebensweise zuneh­mend in den Hintergrund rücken. Vernachlässigt wird der Grundsatz, dass der alevitische Glaube auf dem Pir­Talip­Verhältnis beruht und die Rollen­ und Funktionsträger dement­sprechend unterschiedliche Aufga­ben haben. Im „Buyruk“ 5 werden die Geistlichen als Träger des göttlichen Wissens be­nannt. Daher, so wird ausgeführt, sind einzig die Geistlichen dazu prä­destiniert, den religiösen Weg zu weisen. Die Autorität der Geistlichen wird so weit ausgelegt, dass alle an­deren, die sich anmaßen, den Weg weisen zu können, vom Weg abgeirrt sind.

„Auf dem Pfad und bei den Grund-pflichten kann man klug oder dumm (oder vollkommen und unwissend) sein.“

Unwissende, nicht von Muhammed­Ali abstammende Pire dürfen keine Gefolgschaftshuldigung erfahren oder Führung beanspruchen. Ihre Reue ist ungültig. Sie dürfen keine

Schüler aufnehmen oder Gelöbnisse annehmen. Sie sind wider das reli­giöse Gesetz, wider den mystischen Pfad, wider die Erkenntnis und wider die Wahrheit. Denn sie sind nicht bis zur Quelle des Wassers vorgedrun­gen. […] Deshalb darf niemand, der nicht von Muhammed­Ali abstammt, Scheich oder Pir sein, Schüler annehmen oder Verfügungen treffen. Ihr Gelöbnis ist ungültig. Was sie essen, ist unrein, was sie schlucken ist verdorben. 6

Neben der Anweisung, dass aus­schließlich die Nachkommen der „ehl­i beyt“­Familie für die religiöse Wegweisung in Frage kommen, wird betont, dass in der heiligen Schrift ausschließlich die Rede von einem männlichen geistlichen „Pir/Dede“ ist. Eine Schlussfolgerung aus dieser Darlegung lautet, dass die Geist­lichkeit nur mit den Männern der „ehl­i beyt“­Familie Fortbestand ha­ben kann und dass eine Ana (weibli­che Nachkommin der „ehl­i beyt“­Fa­milie) eine andere Funktion und Rolle hat als der Pir / Dede. Da ich selber eine „ehl­i beyt“­Abstammung habe und mit dem Thema der Rollen und Funktionen von Geistlichen im Eltern­haus groß geworden bin und in der Öffentlichkeit (weitestgehend alevi­tische Gemeinden) mit dem Thema der alevitischen Geistlichkeit ständig in Berührung komme, habe ich mich innerlich und wissenschaftlich mit „Dedes“/„Pirs“ und „Anas“ ausein­andergesetzt.

Geistliche alevitische Frauen, also Analar7, haben die Aufgabe, ihren Ehemann, den Pir, in jeder Hinsicht zu vervollständigen. Erst wenn sich der Pir in einem Ehebund befindet und beide sich unter der Bezeu­gung/dem Gelöbnis und dem Segen des eigenen Pir das „‹krar“ (Gelöb­

nis) geleistet haben und auf immer und ewig verbunden bleiben, ist der Pir als Person vollständig. In der Zeit des Alleinstehendseins sind sowohl Frauen als auch Männer nach alevi­tischem Verständnis unvollständig. Die Vollständigkeit wird durch die Einheit und Verschmelzung der Ehe­leute erreicht.

Die Vorstellung, alevitische Frauen seien im alevitischen Glauben zwar gleichberechtigt, dürften aber kei­ne Cem­Zeremonien abhalten, ist für viele nicht mehr akzeptabel. Die alevitische Frau wird der Glaubens­auffassung nach hoch, sogar höher als der alevitische Mann geschätzt. Als Beispiel für die Manifestation Gottes in der Frau und den gebüh­renden Respekt vor den Frauen wird die heilige Fatima (Tochter des Pro­pheten Muhammed und Ehefrau des Imam Ali) genannt. Sie war diejenige, die, noch bevor es das Sein gab, da war und in ihrer Person die gesamte „ehl­i beyt“­Familie verkörperte, so­dass den Überlieferungen nach der Prophet Muhammed die Krone auf ihrem Haupt war, der Imam Ali ihre Lenden mit einem Gürtel umwickelte und ihre Söhne Imam Hasan und Hü­seyin die Ohrringe rechts und links an ihren Ohren symbolisierten. In der Konsequenz heißt dies, dass die Gleichberechtigung im alevitischen Glaubensverständnis sehr groß ge­schrieben wird, jedoch jede Rolle mit unterschiedlichen Funktionen und Aufgaben besetzt ist. So ist es eben der Pir, der als einziger prädestiniert ist, Schüler („Talipler“) anzunehmen und den geistlichen Weg zu weisen. Im Buyruk, heißt es, dass die Betreuung von Talip­ler (Schülern) immer nur vom Pir als verantwortlichem Wegweisenden 7

ausgeführt werden kann. Sicherlich könnten Dedeler / Pirler 8 den Weg

5 „Buyruk“ („Gebot“) ist das wichtigste alevitische Buch nach dem Koran, welchem alle alevitischen Glaubens- und Verhaltensregeln zu entnehmen sind. Es ist die Offenbarung des Imam Cafer-i Sadik, des 6. Imams der 12 Imame.

6 Vgl. Bozkurt 1988, S. 24.

7„Analar“ ist der Plural von Ana.

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der Derwische wählen und in Abge­schiedenheit die Einheit und geistige Verschmelzung mit Gott suchen. Da Dedeler / Pirler allerdings als „Seyid­i Saadet Evladi Resul“ („gesegnete Nachkommen des Propheten und seines ehl­i beyt“) und als Lehrer der Schüler („Talipler“ 9) geistige Füh­rungsaufgaben besitzen, ist ihnen der „einfachere Weg“, in erster Linie nur auf die Einhaltung des eigenen rich­tigen Glaubensweg bedacht zu sein, nicht möglich. Vielmehr handelt es sich um einen eigens gerecht einge­haltenen alevitischen Glaubensweg (denn auch jeder Dede/Pir muss sich vor seinem eigenen Pir verantworten und Rechenschaft über seine eigenen Handlungen ablegen) und zudem um die spirituelle und geistliche Führung der Talipler. Der Talip sollte möglichst im Einklang mit seinem Pir agieren, denn es ist der einzige Weg, über den die Vervollkommnung und göttliche Einheit erlangt werden kann.

Imam Cafer es­Sadik verkündete: „Ein Schüler ist jemand, der seinem

Gefährten und Erzieher gegenüber einen Eid abgelegt hat und mit ihnen dieselbe Sprache spricht.“ Die Schüler der Sippe des Muham­med Ali müssen sich einen Tutor und Gefährten wählen, das Gelüb­de ablegen und sich das Ziel setzen, den Weg zu Gott zu bejahen. Nach Imam Cafer es­Sadik bedeutet das Is­lamische Gesetz, das Richtige zu ken­nen, der mystische Pfad, das Richtige zu tun, die Erkenntnis, den rechten Weg zu wählen, und die Wahrheit, zu Gott zu gelangen. Ein Schüler muss jedes dieser Vier Tore sehr gut kennen. Ein Schüler folgt dem Tu­tor, fügt sich dem Gefährten. Ein Schüler nimmt sich einen Pir aus dem Stamm des Muhammed­Ali. Er lernt – in den Händen des Pir geformt – die Regeln und den Weg. Er befolgt bedingungs­los die Befehle des Pir. Ein Schüler handelt nicht gegen die Worte des Pir. Ein Schüler bestätigt mit seiner Zunge und glaubt in seinem Herzen. Er weiß um Muhammed­Ali. Er geht auf dessen Weg und befolgt dessen Regeln. Bei all seinem Tun bittet er

um das Wohlgefallen Gottes und handelt nicht dagegen. Wenn ein Schüler dem Pir nicht gehorcht, den Leiter und den Gefährten nicht aner­kennt, die Vier Tore nicht kennt, sich nicht völlig dem mystischen Pfad hin­gibt, hat er bereits den Weg und die Gemeinschaft verlassen. Die Worte solcher Schüler sind falsch, ihre Ge­löbnisse ungültig. Sie haben sich von allen Vier Toren abgewandt. Ihre Eide, ihr Reden sind unwirksam. Ihre Gesichter sind schwarz, denn sie sind Lügner und Abtrünnige, die vom Weg Gottes verstoßen worden sind. Dieser gemeinsame Weg sichert – bei beid­seitiger, verantwortungsvoller Ein­haltung der Pflichten und göttlicher Hingabe – nicht nur das Erreichen der Vervollkommnung und die göttliche Einheit, sondern hat auch eine soziale und gerechte Lebensordnung in der Gesellschaft zur Folge. Interessant an den Ausführungen über die Aufga­ben eines Schülers auf dem Weg zu Gott ist nicht nur, dass der Schüler absolut den Weisungen des Pir unter­liegt und auf andere Art und Weise

8 „Dedeler“/„Pirler“: Plural der männlichen alevitischen Geistlichen.

9 „Talipler“: Plural von Talip.

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Gottes Weg nicht begehen kann, sondern auch die Tatsache, dass im Buyruk die Frau als geistliche Führerin von Talipler nicht erwähnt wird.

Geistliche Führung heißt in der Kon­sequenz auch das Leiten eines Cem. Ein ganz besonderes Gut des Cems ist der „Pir Imam Hüseyin Postu“ also der heilige Thron des Pir Imam Hüseyin (Enkelsohn des Prophe­ten Muhammed), welcher durch ein Schafsfell symbolisiert wird. Auf diesem Thron des Pir Imam Hüseyin nimmt der Pir Platz, um die Cem­Ze­remonie zu leiten. Dieses Fell, wel­ches den genannten Thron symboli­siert, ist Voraussetzung für ein Cem. Kein Fell, also kein Thron und damit kein Pir Imam Hüseyin und als letzte Konsequenz kein Cem. Kaum einer darf sich auf diesen wertvollen Thron setzen. Selbst der Pir / Dede muss ein wei­teres Gelöbnis dafür ablegen und sich vor seinem eigenen Führer, dem Pir, dafür verantworten und das Ein­verständnis dafür erhalten haben. Der Pir ist in dem Moment des Cems der Vertreter des Pir Imam Hüseyin. In den letzten 50 Jahren hat es hin und wieder eine Frau gegeben, die die geistliche Führung im Cem über­nommen hat, jedoch immer unter der Prämisse, dies stellvertretend für ihren verstorbenen Ehemann und zur Betreuung der Talipler zu tun. Diese Ausnahmen jedoch galten unter der Bedingung, dass der Ehe­mann, welcher als Pir diente, früh verstorben war und die eigenen Söh­ne noch nicht erwachsen genug wa­ren, um dieses Amt auszuüben. Bei­spiele aus der Vergangenheit zeigen, dass die Ana, welche zum Beispiel ein Cem leitete, ihren fünf Jahre alten Sohn auf das Schafsfell (den heiligen Thron des Pir Imam Hüseyins) setzte und stellvertretend für diesen das Cem führte. Insofern war der Sohn quasi Leiter des Cems und die Mutter das Sprachrohr ihres Sohnes. Faktisch

haben (geistliche alevitische) Analar die Aufgabe, ihren Ehemann, den Pir, in jeder Hinsicht zu vervollständigen. Dies heißt mit anderen Worten, dass die Ana zu allem in Hinsicht auf re­ligiöse Bekundungen / das Sprechen von Segensworten etc. befugt ist, außer, wie bereits genannt, auf dem „Pir­Post“ (dem heiligen Thron des Pir Imam Hüseyin) in einem Cem Platz zu nehmen und ein Cem zu leiten.

All diese Ausführungen sollen nicht missverstanden werden im Hinblick darauf, dass nicht auch Frauen häu­fig, genau wie der Dede / Pir, göttlich mit besonderen Aufgaben gefordert sind und wundersame Heil­ und Tat­kräfte besitzen.

So gibt es zahlreiche alevitische Frau­en, die sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart durch ihre Wundertaten und große göttliche Nähe bekannt sind. Bei meinen Aus­führungen handelt es sich um die Darstellung der unterschiedlichen Rol­len / Aufträge von Frauen und Män­nern im alevitischen Glauben, welche weder als Benachteiligung noch als Bevorzugung zu bewerten sind.

Der Wunsch nach Anerkennung der hiesigen Gesellschaft kann sich ohne Weiteres auf der Grundlage der alevi­tischen Wahrheiten, die auf den Wer­ten der Toleranz und der Humanität beruhen, erfüllen. Eine aufrichtige Darstellung des alevitischen Glau­bens ist dafür völlig ausreichend und bedarf keiner dem Glaubenszentrum entfremdeten Darstellung.

Als alevitische Geistliche fühle ich mich sowohl in der Gemeinde wie auch im Geistlichenrat der Alevi­tischen Gemeinde Deutschland e. V. als gleichberechtigte und geschätzte Person. Alle Themen werden ge­meinsam beraten und bestimmt. Im Alltag des Gemeindelebens erkläre ich häufig den alevitischen Glaubens­weg und spreche Segensworte, wo­bei ich darum bemüht bin, dem Talip nach Wunsch bei seiner Wanderung, auf dem alevitischen Glaubensweg, behilflich zu sein. Gleichwohl gibt es im Eigentlichen die Pir­Talip­Ver­hältnisse, welche bei Praktizierung alle Bedarfe von alevitischen Fami­lien decken, so dass ich immer in den gemeinsamen Gesprächen auf den „Pir“ der Familie verweise.

Aynur Küçük

Bundesvorstandsmitglied des Geistlichenrates AABF und Dozentin an der Universität Innsbruck für Islamische Religionspädagogik

Überarbeitete Fassung aus: Küçük, Aynur (2013): Rolle und Funktion einer Ana im Alevitentum. Ein Beitrag zum Islam Diskurs in Europa. In: Eißler, Friedmann (Hg.): Aleviten in Deutschland. Grundlagen, Veränderungspro-zesse, Perspektiven. 2. Auflage, Berlin: Evangelische Zentralstelle für Weltan-schauungsfragen, s.158-164

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In allen Krankenhäusern Deutsch­lands ist die Seelsorge bekannt und wird den Patienten bei Bedarf zur Verfügung gestellt. Im Christentum und auch im Alevitentum ist die­ser, seit Jahrhunderten existierende, Dienst nichts Neues. Der Unterschied ist jedoch der, dass im Alevitentum der „Seelsorge ­ Dienst“ nur von den Geistlichen ausgeübt wird, während alle Interessierten Christen dazu aus­gebildet werden können.

Trotzdem wird man in keinem Kran­kenhaus an eine alevitische Seelsor­ge bzw. an einen alevitischen Geist­lichen weitergeleitet, da dies für sie fremd ist. Jedoch sehen sich auch Aleviten nach 50 Jahren Migration vor der Herausforderung, sich mit Krankheit, Sterben, Tod und Trauer auseinanderzusetzen und vor allem die Mitglieder in diesen schwierigen

Lebensphasen zu begleiten und zu unterstützen. Dies führt dazu, dass immer mehr Aleviten verlangen, ge­nau wie Christen, ihr Verfassungs­recht auf Seelsorge zu praktizieren. Außerdem führt es dazu, dass die Geistlichen in diesem Gebiet nicht mehr genügen, da die Erwartungen ebenfalls steigen. Außerdem üben alevitische Geistliche, im Gegensatz zu den sunnitischen Imamen, ihre wachsenden Aufgaben ausschließlich ehrenamtlich aus und können daher nur begrenzt den wachsenden Be­darf nach religiösem Beistand Rech­nung tragen. Deshalb sollen mit dem Projekt ne­ben den Geistlichen auch ehrenamt­liche Laien geschult werden. Es geht darum, dem wachsenden Anteil an älteren, sterbenskranken Menschen der eigenen Glaubensvorstellung ent­sprechend zu begegnen und diesem

Engagement einen institutionellen Rahmen zu geben. Damit wird das Verfassungsrecht auf Seelsorge auch für die geschätzten 800.000 Aleviten in Deutschland, die als Religionsge­meinschaft hierzulande anerkannt sind, realisiert. Die Idee für dieses Projekt stammt von dem „Geistli­chenrat der Alevitischen Gemeinden der AABF in Baden Württemberg“ und Mitgliedern „der Alevitischen Gemeinde Stuttgart e.V.“, da sie in diesem Bereich Lücken erkannt und die Notwendigkeit gesehen haben, hier zu handeln. Das Projekt wurde bereits im Rah­men eines kleinen „Experiments“ (Proto­Projekt) am Standort Stuttgart erprobt. Im Rahmen eines vom Sozi­alministerium geförderten Projektes konnten die Geistlichen und weitere Teilnehmer im Zeitraum September 2011 bis März 2012 bereits erste Er­

Seit einigen Jahren steigt in vielen alevitischen Ortsgemeinden das Bedürfnis der Mitglieder nach

religiösem Beistand durch alevitische Geistliche und erfahrene Laien bei der Krankheitsbewäl­

tigung, der rituellen Totenwaschung, der Trauerverarbeitung sowie der Unterstützung bei der

Vermittlung von weiterführenden Hilfen (ambulante Pflegedienste, psychosoziale Beratungsstel­

len etc.) stetig. Diese Dienste sollen dem Sterbenden, dem Toten und / oder dessen Angehörigen

dienen und werden unter dem Begriff „Seelsorge“ zusammengefasst.

Einheit

Wir zeigen Einheit -Alevitische Seelsorge

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�� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

fahrungen im Themenfeld „Seelsor­ge“ sammeln. Ziel des Projektes war es, interessierten Mitgliedern aus 5 alevitischen Gemeinden im Großraum Stuttgart Basiskenntnisse über die seelsorgerische Arbeit zu vermitteln. Dazu wurde den Teilnehmer/Innen 3 Workshops angeboten, die durch in der Seelsorge und in der Hospizarbeit erfahrene Mitarbeiter/innen des Hos­piz St. Martin in Stuttgart gemeinsam mit dem „Geistlichenrat der AABF in Baden Württemberg“ konzipiert und durchgeführt wurden. Selbstre­flexion, Sterbemeditation, Kleingrup­penarbeit, Vortrag in Verbindung mit einer praktischen Krankenhausfüh­rung waren einige zentrale Elemente in den Workshops. Die Workshops waren offen für Interessierte aus den Alevitischen Gemeinden im Groß­raum Stuttgart und wurden rege be­sucht. Aus den Workshops konnten wichtige Erkenntnisse für das vorlie­gende Projektvorhaben gewonnen werden. Insgesamt hat sich während der kurzen Laufzeit gezeigt, dass in den Alevitischen Gemeinden eine große Bereitschaft vorhanden ist, sich um sterbende Menschen zu „kümmern“. Dieses Signal und die Bereitschaft wird nun mit der Unterstützung der Robert­Bosch­Stiftung aufgegriffen und soll zu einem landesweiten Alevi­tischen Seelsorgeangebot weiterent­wickelt werden. „Der Geistlichenrat der AABF in Baden Württemberg“ hat inzwischen begonnen, auf den vorherigen Workshops aufbauend und dem Alevitischen Glauben ent­sprechend, den Arbeits­ und Zeitplan inhaltlich auszufüllen. Außerdem werden Pläne entwickelt und erste Schritte gemacht für alle Bereiche des Projektes, wie zum Bei­spiel die Strukturen innerhalb des Projektteams und die Öffentlich­keitsarbeit. Im Projekt sollen für den Aufbau nachhaltiger Strukturen für einen ehrenamtlichen alevitischen Seelsorgedienst, die Strukturen in­

nerhalb der Alevitischen Community, die in den vergangenen 20 Jahren bundesweit entstanden sind, entspre­chend genutzt werden. Zum Beispiel ergibt sich über die Ortsgemeinden ein exklusiver Zugang zur alevitischen Community. Der Strukturaufbau in den Regionen soll unter der Aufsicht „des Geistlichenrates der AABF in Ba­den Württemberg“, die dafür einen Sprecher benennen, gemeinsam mit weiteren Projektpartnern (z.B. Kran­kenhäuser, Hospiz Gruppen) erfol­gen. Die ehrenamtlichen Seelsorger/Innen sollen mit Akteuren aus dem Sozial­ und Gesundheitswesen part­nerschaftlich vernetzt und auf Au­genhöhe kooperieren. Es wird erwartet, dass sich die alevi­tischen Seelsorger/Innen pro Woche ca. 3–5 Stunden ehrenamtlich für sterbenskranke Patient/Innen enga­gieren. Die Teilnehmer/Innen werden auf ihren Praxiseinsatz intensiv vor­bereitet. Einmal im Monat sollen sich alle ehrenamtlichen Seelsorger/Innen zum Erfahrungsaustausch treffen.

Das Projekt „Alevitische Seelsorge“ verfolgt das Ziel, Standards für die alevitische Seelsorge für Sterbende und Trauernde zu definieren. Wäh­rend der zweijährigen Projektlaufzeit sollen landesweit insgesamt 20 Män­ner und Frauen für die ehrenamtliche Begleitung älterer, Sterbenskranker und deren Angehöriger in stationä­ren Versorgungseinrichtungen und im häuslichen Umfeld ausgebildet werden. Die Geistlichen verfügen über jahrhundertealtes Erfahrungs­wissen zum Thema Sterben, Tod und Trauer. Im vorliegenden Projekt soll dieses Wissen schriftlich dokumen­tiert, reflektiert, geordnet und dann anschließend an die ehrenamtlichen alevitischen Seelsorger weitervermit­telt werden.

Die Teilnehmer/Innen sollen nach er­folgreicher Absolvierung der Ausbil­dung ein Zertifikat als ehrenamtliche

Alevitische Seelsorger/In erhalten. Die Gesamtverantwortung für das Vorha­ben obliegt „dem Geistlichenrat der Alevitischen Gemeinden der AABF in Baden Württemberg“. Die Entwick­lung der gesamten Projektarchitektur, die Koordination des Projektes, Fest­legung der Ausbildungsinhalte und wissenschaftlichen Begleitung sind in einer Steuerungsgruppe verortet. Zur Steuerungsgruppe gehören Vertreter „des Geistlichenrates der Alevitischen Gemeinden der AABF in Baden Würt­temberg“, Vertreter „der Alevitischen Akademie“, Vertreter „des Hospiz St. Martin“ und der Alpen­Adria Univer­sität Wien/ Klagenfurt.

Die Ausbildungsstandards zum eh­renamtlichen alevitischen Seelsorger sollen im Anschluss durch hierfür anerkannte Institutionen wie z.B. durch die Deutsche Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfpP) zerti­fiziert werden. Außerdem soll ein wissenschaftlicher Beirat gegründet werden. Der wissenschaftliche Beirat soll die Projektarbeit begleiten und begutachten. Er setzt sich zusammen aus Repräsentanten alevitischer Or­ganisationen in Deutschland und der Türkei, Universitäten, Forschungsein­richtungen, Verbänden und Fachein­richtungen wie z.B. Hospize.

Mit dem Projekt sollen die Grundla­gen für einen würdevollen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer für Pa­tienten alevitischen Glaubens nach den Regeln und Prinzipien des ana­tolischen Alevitentums geschaffen werden. Die ehrenamtlichen Seel­sorger/Innen sollen auf Wunsch der todkranken und sterbenden Men­schen und/oder Angehörigen auf dem letzten Lebensweg beistehen, einschließlich Sitzwache. Die Intenti­on und Zielsetzung des Vorhabens ist weltweit bislang einmalig innerhalb der Alevitischen Community. Eines der langfristigen Ziele ist, dass künftig der Geistlichenrat selbständig

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die Organisation und Durchführung der Ausbildungen zum ehrenamt­lichen alevitischen Seelsorger/In über­nimmt und landesweit als Ansprech­partner („Anker“) für Fragen rund um das Thema „Alevitische Seelsor­ge“ agiert. Die Stärkung der Geist­lichen ist für den Fortbestand der Alevitischen Bewegung von zentraler Bedeutung. Sie sind es, die dieser Be­wegung ihre Legitimität verleihen.

Das „Alevitische Seelsorgeprojekt“ ist vor diesem Hintergrund ein Zeichen des Dankes und der Anerkennung an die Geistlichen, die das Alevitentum über Jahrhunderte mündlich an die nachfolgenden Generationen vermit­telt haben. Die Interessierten sollten den Weg des Alevitentums beschrei­ten und sich dieser harten Aufgabe gewachsen fühlen. Bei weiteren Fra­gen, Anregungen und Interesse steht „der Geistlichenrat der Alevitischen Gemeinden der AABF in Baden Würt­temberg“, „der Geistlichenrat der AABF“ und die „Alevitische Akade­mie“ gern zur Verfügung.

Insbesondere folgenden Zielen soll durch das Projekt Rechnung getragen werden:

• Schaffung von Standards für die Ausbildung von ehrenamtlichen alevitischen Seelsorger/Innen mit dem Ziel, diese Standards nach Projektablauf für die Ausbildung von Ehrenamtlichen bundesweit einzuführen

• Würdevoller Umgang mit Sterbenden, Tod und Trauer entsprechend der alevitischen Glaubensvorstellung

• Beitrag zur Stärkung der Selbsthilfepotenziale von Betroffenen und Angehörigen (z.B. Information, Aufklärung und ggf. Motivation der Angehörigen weiterführende Hilfen anzunehmen)

• Förderung der sozialen Verantwortung von Migrantenselbst­ organisationen

• Reflexion von Praktiken der Trauerbewältigung aus der Herkunftskultur

• Förderung von Partizipation und Mitbestimmung der Betroffenen und Angehörigen

• Stärkung der eigenen Identität und Glaubensauffassung

• Enttabuisierung des Todes

• Vernetzung von Institutionen und Organisationen auf deutscher und türkischer Seite auf Augenhöhe

Ahmet Demir (Dede)

Vorsitzender des Geistlichen Ra­tes der Alevitischen Gemeinden der AABF in Baden Württem­berg, Projektleiter des Projektes „Alevitische Seelsorge“

Basri Aflk›n

Sozialwissenschaftler, Mit­glied des Vorstandes der Ale­vitischen Gemeinde Stuttgart e.V., Mitglied des Projektteams „Alevitische Seelsorge“ mit Verantwortung für Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit, Ansprech­partner für diesen Bereich

Fadime Onay

Mitglied des Jugendvorstandes der Alevitischen Gemeinde Stutt­gart e.V., Mitglied des Projekt­teams „Alevitische Seelsorge“ mit Verantwortung für Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit

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Kontakt: info@ aleviakademisi.org

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Was bedeutet für mich Vielfalt

Aleviten in Anatolien

Aleviten auf der ganzen Welt Weltkarte und Infobox über die ausgewählten Länder

Vielfalt im Glauben und kulturelle VielfältigkeitBektaschi, arabische Aleviten, Ehli Hak und die kulturelle Vielfältigkeit

Rezepte

Aflure

Babuko (Tunceli/Dersim)

Mad›mak (Sivas)

VwieVielfalt.

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Die Vielfalt eines Menschen setzt sich nicht nur aus seiner Persönlichkeit zusammen, sondern auch seine Kultur und seine Religion nehmen einen wichtigen Stellenwert in die­sem Zusammenhang ein. Aus diesem Grund ist es wich­tig, sich mit seiner Religion auseinanderzusetzen; nicht nur um sich anderen vorzustellen, sondern auch, um sich selbst besser zu kennen.

Was ist das Alevitentum? Woher stammt unsere Religion?

Dies sind grundlegende Fragen, die man sich als Alevite stellen sollte. Natürlich reicht dieser Artikel nicht aus, um unsere Religion ausreichend zu beschreiben bzw. diese Fragen exakt zu beantworten. Bekanntermaßen muss die Religion gelebt werden oder wie manche von uns sagen, der Weg muss gegangen werden, um das von unseren Vorfahren, unseren Dichter und Geistlichen beschriebene zu empfinden. Denn ein Weg ist nicht da, um auf ihn aus der Ferne zu schauen, sondern um auf ihm zu gehen. Dieser Weg ist nämlich etwas für die Ewigkeit, er ist die Ewigkeit selbst. Deshalb gab und gibt es ihn schon im­mer und es wird ihn auch immer geben. Es ist der Weg, den als erstes der Prophet Adam und den am Ende der Prophet Muhammed ging. Aber, und das sollte meines Erachtens nochmal erwähnt werden, ist der Weg immer noch vorhanden, dieser Weg, der weitergeführt wurde durch Imam Ali, den weiteren Imamen, Hac› Bektas­i Veli und den Dichtern. Er ist nämlich der Weg der Wahrheit (Hakkikat), dessen erste Bedingung die Hingabe zu Gott (dt. Übersetzung des Wortes „Islam“) ist. Wer nicht an Gott /Allah glaubt, kann diesen Weg nicht gehen.

Wir sagen nicht umsonst: „Ya Allah Ya Muhammed Ya Ali“.

Mit diesem Leitspruch hängt eine weitere Bedingung zusammen, und zwar die, der Ehlibeyt und dem Ko­ran zu folgen. Nicht umsonst sagte uns der Prophet:

„Zwei Dinge werde ich euch als Erbe hinterlassen. Das eine ist meine Familie, die Ehlibeyt, und das andere ist der Koran. Sie sind wie Noahs Schiff.“

Wichtig ist jedoch, besonders auf die Auslegung des Ko­rans bezogen, dies auf alevitische Weise zu tun, da die alevitische Interpretation sich von den Interpretationen der anderen Strömungen des Islams unterscheiden. Genau di­ese Interpretationen werden uns heute noch durch unsere Geistlichen (Dede / Ana), die in unseren Augen die Ehlibeyt darstellen, überliefert, da sie die Nachfahren unseres Pro­pheten sind. Ihre Vorfahren kamen damals aus Chorasan (heute Teil des Irans) und übermittelten den Inhalt unserer heutigen Religion an Teile der Bevölkerung von Anatolien. Eine wichtige Leitfigur war dabei Haci Bektas­i Veli (den ich bereits erwähnt hatte), da vor Allem durch ihn das Alevitentum sich in Anatolien verbreitet hat. Durch die heiligen Lieder der 7 großen Dichter (Ulu Ozanlar) wur­de das Alevitentum u.a. immer weiter und sogar bis in den Balkan verbreitet, wo es sogar vor hundert Jahren vor der Verbreitung des Kommunismus in dieser Region, viele Bektafli­Tekkes (Gebets­und Versammlungshäuser) gab. Heutzutage gehören etwa 20 Millionen (in anderen Quellen ist die Rede von 12,5 Millionen) Menschen in der Türkei dem Alevitentum an. Neben den K›z›lbafl­Bektasi Aleviten gibt es auch andere alevitische Strömungen wie bspw. arabische Aleviten bzw. Nusairi Aleviten / Alawiten, deren religiöse Praxis von der der K›z›lbafl­Bektasi Aleviten abweichen. Zum Abschluss möchte ich euch, liebe Leser, noch einen Hinweis geben: „Wer den Weg finden will, wird ihn auch finden, auch wenn er vielleicht vom Nebel versteckt ge-halten wurde, und wer ihn findet, wird merken, dass der Weg sich mit all seiner Vielfalt nicht verändert hat und niemals verändern wird.“Viel Spaß beim weiteren Lesen dieses Kapitels und mögen eventuelle Fragen in euren Köpfen gelöst werden.

Emre Tahtal›Team Alevitentum

„Was bedeutet für mich Vielfalt?“

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Die Einheitlichkeit im alevitischen Glauben zeigt sich in vielen Bereichen. Zum Beispiel ist das alevitische Sittensystem stark geprägt von dem

folgenden Zitat des Haci Bektafl Veli: ,,Kontrolliere dei-ne Hand, deine Lende und deine Zunge‘‘ – ,,eline beline diline sahip ol‘‘

Viele Aleviten richten ihre Lebensweise an diese Erkennt­nis, welche den Kern der alevitischen Ethik ausmacht (Eine detaillierte Erklärung finden Sie unter ,,5 Fragen – 5 Antworten‘‘). Die allgemeinen und einheitlichen Glau­bensinhalte beschränken sich allerdings zum Teil an die Regeln der 4 Tore (DÖRT KAPI) und der 40 Pforten (KIRK MAKAM). Das Ziel im Leben eines Aleviten ist die Erleuch­tung bzw. die Vollkommenheit zu erreichen und diese ist zu erzielen, indem man sich an die Regeln hält. In der ,,Makalat‘‘ des Hac› Bektafl Veli werden diese Themen de­tailliert erläutert.

Zu Beginn steht in dieser Schrift folgendes:,,Hak suphanahu ve ta’ala Adam› dört dürlü nesneden ya-ratt› ve hem dört güruh k›ld›. Ve hem dört bölü¤ün daha dört dürlü taatlar› vardur ve dört dürlü arzular› vardur ve dört dürlü hallar› vardur.‘‘

Was so viel bedeutet wie: „Der Lobgepriesene und Erhabene hat die Menschen aus vier Elementen geschaffen und in vier Gemeinden unter-teilt, diese sind nochmals in vier Gruppen geteilt.“

Dieser Anfang ist die Grundregel bei den Aleviten. Falls man einen Aleviten darüber ausfragen sollte, würde man die Antwort bekommen ,,Kap› dörttür‘‘. Das erste Tor ist die Scharia (Seriat), das zweite ist die Kenntnis der eigenen Rechte und Ansprüche (Tarikat), das dritte ist die Erkenntnis über die Mitmenschen (Ma­rifet) und das vierte und letzte Tor ist die Wahrheit (Haki­kat). Die Voraussetzung zum Erreichen des vierten Tores, ist die Beschäftigung mit den Rechten und Pflichten der Gemeinde. Nur so darf man das Recht erheben das ers­te Tor mitzugestalten, das heißt die Pliichten und Rechte einer Gemeinde ausformen. Die Pforten sind verbunden mit den Toren. Jedes Tor hat 10 Pforten, so ergeben sich insgesamt 40 Pforten. Eine weitere Gemeinsamkeit ist der Semah (Himmel, Himmelsgewölbe), welcher einen hohen Stellenwert innerhalb der alevitischen Kultur hat. Dieser findet während der Cem­Zeremonien statt, da er zu den 12 Diensten gehört. Der Semah wird von Frau­en und Männern unterschiedlichen Alters durchgeführt. Die Kleidung spielt keine große Rolle, da eher die inne­re Vereinigung mit Gott und der Natur im Vordergrund steht. Die Semah­Mitglieder tanzen gemeinsam in Form eines Kreises und richten die Hände nach oben und un­ten, was symbolisch eine Verbindung zwischen Erde und Gott darstellen soll. Ebenfalls wird beim ritualen Tanz die Flugbewegung des heiligen Tiers, des Kranichs (Turna) nachgeahmt. Der dabei entstehende kreisförmige Tanz und besonders das Drehen um die eigene Achse symbo­lisieren nicht nur das Universum, wo die Planeten in einer

Einheit in VielfaltSitten, Bräuche, Kultur

Aleviten in Anatolien

Vielfalt [email protected]

Umlaufbahn um die Sonne kreisen, sondern auch die immer währenden Kreisläufe des Lebens und der Natur. Denn die Einigkeit von Gott, Mensch und der Natur ist ein weiteres wich­tiges und einheitliches Element im alevitischen Glauben. Dieses bedeu­tet, dass der Mensch nur zur Wahr­heit gelangen kann, wenn alle drei Einheiten vereint sind.

So würde ein angelegter Schwer­punkt auf nur eine bzw. nur auf zwei der Einheiten die Harmonie zwischen ihnen zerstören, was zur Chaos im Menschen führen würde. Die ele­mentare Aufgabe ist also das ‘‘Eins­werden‘‘ mit Gott und der Natur, welches ebenfalls von den Semah­Teilnehmern symbolisiert wird.

Noch ein wichtiger und nicht zu vergessender Bereich bei der (kultu­rellen) Einheitlichkeit ist die Saz und die Weiter­ und Wiedergabe religi­ösen Liedguts. Diese beiden Dinge nehmen einen sehr wichtigen Platz im Alevitentum ein. Die Saz ist auch ein wesentlicher Bestandteil der

Cem­Zeremonien, da währenddes­sen Gedichte (DEYIS) mit Hilfe des Instruments vorgetragen werden. Dies führt dazu, dass die Mehrzahl der alevitischen Geistlichen das Ins­trument beherrschen kann. Die Saz bzw. die Ba¤lama ist so sehr in der alevitischen Kultur verankert, dass meistens mindestens eine Person aus einer Familie diese auch beherrschen kann. Die Liebe zur Musik wird daher sehr stark gefördert und veranschau­licht.

Wir Aleviten sind so vielfältig wie Menschen sein können, jedoch ver­bindet uns sehr vieles. Nicht nur das vorher Aufgezählte, sondern am Meisten unsere Liebe und unser nicht zu übertreffender Stolz auf unseren Glauben. Das alles verbindet uns stark und macht uns zugleich einheit­lich aber auch vielfältig.

Beyhan Kepenek Team Presse

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Das Foto zeigt Frauen und Männer beim „Semah“.

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Aserbaidschan � 9,17 Millionen Einwohner davon vermutlich 2 Millionen Aleviten � sind hauptsächlich im Südosten angesiedelt� Anatolische, Safewi Aleviten: die Geistlichen sind Saids; „der Posten“wird vom Vater auf den Sohn übergeben Geistliche werden als Ana / Dede angesprochen. Man muss, wenn man verheiratet ist, einen Musahip haben (Mus­ahip: sehr enges Freundschaftsband bzw. Bruderschaftsverhältnis)

Westeuropa (Deutschland, Österreich, Niederlande, UK, Frankreich, Belgien, Schweiz, Norwegen, Dänemark) � vermutlich über 1 Million Aleviten

Balkan (Albanien, Mazedonien, Kosovo, Bosnien, Ungarn, Bulgarien, Griechenland)� über 400.000 Aleviten � Bektafli: ist eine Tariqa (Tarikat), welche durch Hac› Bektafl­i Veli her­vorging Zweig des anatolischen Alevitentums durch leisten von religiösen Diensten in einem Dergah gilt man als Geistlicher, aber auch nur dann, wenn man „‹nsan­i Kamil“ (Das reife menschliche Wesen) erreicht hat; der Geistliche wird nicht durch seinen Stamm bestimmt die Muridun (Geistliche) werden in fünf Ränge unterteilt: Muhiblik, Derwisch, Baba, Mücerredlik und Halife man muss keinen Musahip (sehr enge Freunde bzw. Brüder/Schwes­tern sowie im Erdreich als auch im Jenseits) haben

Zypern � 1,06 Millionen Einwohner davon etwa 100.000 Aleviten

Türkei � 75 Millionen Einwohner davon 20 –25 Millionen Aleviten

Iran � 74,80 Millionen Einwohner davon 15 Millionen Aleviten � sind vor allem in Täbriz, Chorasan und Ardabil angesiedelt� Ehl­i Hakk: in Cem­Zeremonien wird kein Saz sondern Tambur gespielt durch Wissen und Frömmigkeit wird man Geistlicher; Geistliche müssen nicht zwingend Saids sein

Irak � 32,96 Millionen Einwohner davon ca. 1 Million Aleviten, Ehl­i Hakk

Syrien� 20,82 Millionen Einwohner davon 2,5 Millionen Aleviten, angesiedelt in Lazkiye, Baniyas und Tartus � Nusairier (arabische Aleviten): leitet sich von Muhammad ibn Nusair an­Numair, ab (Gründer bzw. Schüler vom 11. ‹mam Hasan El Askeri ) den Imamen werden Bab‘s (Tore) zugeordnet mit Ausnahme des 12. Imams Muhammed el­Mehdi es gibt 7 Offenbarungen; jeder Offenbarung ist eine Bedeutung, ein Name und Tor zugeordnet z.B. Habil – Adem Cebrail; Yusa Musa – Dan bin Asbavüt Asaf; ‹em­un Al­Safa ‹sa Rüzbih bin Satr Al‘a‘imma; Ali Muham­med Selman­i farisi ordnen wichtigen „Personen“ Himmelskörper­Symbole zu Ali Muhammed Selman­i haben die Symbole Mond Sonne Himmel glauben, dass sich eine Seele nach dem Tod erneut in andere Wesen bzw. Menschen manifestiert bis es den Rang des Insan­i Kamil erreicht Geistliche (Seyhs) sind Saids.

Vielfalt

ALEVITEN AUF DER GANZEN WELT

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Libanon� 4,26 Millionen Einwohner davon 100.000 Aleviten� Nusairier

Ismailiten: leitet sich von dem Namen des Sohns (Ismail) des 6. Imams Caferi Sadik ab. 18 Millionen leben u.a. verstreut in den u.g. Ländern (In­dien, Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Oman, Bahrain, Jemen, Ostafri­ka) erkennen nicht den Imam Musa al­Kazim als den 7. Imam an, sondern Muhammed ibn Ismail Oberhaupt der Geistlichen wird Aga Khan genannt; Geistliche sind Saids

Ismailiten, die den Aleviten sehr ähneln, leben in folgenden Ländern.

Indien � 1,24 Milliarden Einwohner, vor allem in Gujarat und Maha­rashtra angesiedelt

Pakistan � 176,70 Millionen Einwohner, vor allem in Hunza angesiedelt

Afghanistan � 35,32 Millionen Einwohner

Tadschikistan � 6,98 Millionen Einwohner

Oman � 2,69 Millionen Einwohner

Bahrain � 1,23 Millionen Einwohner

Jemen � 24,80 Millionen Einwohner

Ostafrika � ca. 300.000 Einwohner

Vielfalt

Ezgi Fidano¤lu Team PresseKontakt: [email protected]

[email protected]@aleviakademisi.org

�4 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

Ein vielzitiertes alevitisches Sprichwort besagt, dass es zwar nur einen Weg gäbe, aber 1001 Möglichkeiten auf diesem Weg zu gehen (türk. yol bir, süreç binbir). Gemeint ist der Weg zu Gott und die Gangweisen stehen für die verschiedenen Religionen. Auf dieses Sprichwort beziehen sich Ale­vitinnen und Aleviten des Öfteren, um ihre Toleranz gegenüber anderen Religionsgruppen zum Ausdruck zu bringen; dass nicht nur ihr Weise des Weges zu Gott führe, sondern auch der anderer Glaubensgemeinden. Es ist eine Apologie für die religiöse Viel­falt: Für die Vielfalt der unterschied­lichen Religionen auf der Welt, aber auch für die Vielfalt innerhalb der ei­genen Glaubensgemeinde. Denn das Alevitentum ist ebenfalls von einer Vielfalt geprägt, die häufig zu wenig berücksichtigt zu werden scheint. Selbstredend existiert, wie bei jedem größeren Kollektiv, eine reiche Diver­sität auf der individuellen Ebene – sei es hinsichtlich der Weltanschauung oder sonstiger individueller Eigen­heiten. Darüber hinaus besteht aber im Alevitentum auch eine historisch bedingte religiös­kulturelle Vielfalt. Diese soll im Folgenden in groben Abrissen dargestellt werden.

Die religiös­kulturelle Vielfalt im Ale­vitentum ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass der Begriff Alevî ein relativ junger Sammelbegriff aus dem späten 19. Jh. ist, dessen systemati­sche Verwendung sogar erst ab dem frühen 20. Jhs. nachgewiesen werden kann. Als Alevî wurden fortan Religi­onsgruppen bezeichnet, die zuvor als

K›z›lbafl, Bektâflî, Çepni, Tahtac›, Ab­dâlân oder Nusayri bekannt waren. In vielerlei Hinsicht war diese Typologi­sierung auch naheliegend: Denn die genannten Gruppen teilen sich sehr viele und zentrale Elemente in ihrer Glaubensvorstellung und Glaubens­praxis.

Die größte Gruppe und gängigste Bezeichnung war K›z›lbafl, dessen be­grifflicher Ursprung unterschiedlich gedeutet wurde; mal wurde er auf die frühislamische Zeit um den Pro­pheten Mohammed und Imam Ali zu­rückführt, mal auf vorislamisch­turk­menische Traditionen oder auf die Safawiden und fiah Ismail. In jedem Fall bezog sich der Begriff K›z›lbafl in der Frühneuzeit auf die Anhänger des Safawiden­Ordens in Ardabil (türk. Erdebil). Dieser hatte auch nach der Staatsgründung in 1501 noch zahl­reiche Anhänger in Anatolien. Soge­nannte Halîfe wurden zuvor von den Ordensleitern der Safaviden in diese Region geschickt. Diese Gesandten stehen auch in Verbindung mit den alevitischen Ocak in Anatolien, die die zentralen religiösen Institutionen des Alevitentums darstellen. Nach dem osmanisch­safavidischen Krieg brach das Band zwischen den ana­tolischen K›z›lbafl und den Safawiden ab; beide Strömungen entwickelten sich fortan in unterschiedlicher Wei­se. Die Safawiden strebten ab dem 17. Jh. zunehmend eine Theologie und orthodoxe Systematisierung ihrer Glaubenslehre an und entwickelten sich zu der heutigen bekannten Schia mit den Institutionen der Mujtahids

und Ayatollahs. Die K›z›lbafl in Anato­lien hingegen blieben von dieser Ent­wicklung weitestgehend unberührt und näherten sich anstelle dessen einer anderen religiösen Institution an: dem Bektaschitum. Die Bekta­schis haben denselben religiösen Ur­sprung wie die K›z›lbafl. Beide führen ihren Ursprung auf den persischen Sufismus zurück, der über die soge­nannten Horasan Erenleri Anatolien und die dort lebenden Glaubensge­meinden erreichte – einer der wich­tigsten unter ihnen war Hac› Bektâfl Velî. Vermutlich waren sich daher Glaubensvorstellung und ­praxis der Bektaschis und K›z›lbafl schon vor der Verflechtung sehr ähnlich. Allerdings kann man davon ausgehen, dass sich ab dem 16. Jh. diese beiden Gruppen noch weiter annäherten. Heute ist es deswegen äußerst geläufig, vom „Alevitentum­Bektaschitum“ als ein Begriff für eine Glaubenscommunity zu sprechen. Zwar ist dies ein rela­tiver junger Neologismus, doch sind Glaubenslehre und Ritualpraktik bei beiden Gruppen in der Tat nahezu deckungsgleich. Einzig die Organisa­tionsstruktur der beiden Gruppen un­terscheidet sich etwas signifikanter: Das Bektaschitum versteht sich als eine Beitrittscommunity, in die als angemessen empfundene Personen unabhängig von der Herkunft via Ini­tiation beitreten können. Das K›z›lbafl­Alevitentum hingegen ist eine genea­logisch legitimierte Gemeinschaft, in der die Mitglieder in die Gemeinde geboren werden. Zwar war bis in die Mitte des 20. Jhs. hierüber hinaus auch ein Initiationsritus (türk. ikrar)

VielfaltimGlaubenundkulturelleVielfältigkeit

Vielfalt [email protected]

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notwendig, dieser wird jedoch seit der Urbanisierung des Alevitentums ab den 1960ern zunehmend weniger umgesetzt. Auch wissen wir, dass das genealogische Prinzip erst im 16. Jh. in den Kanon der Glaubensvorstel­lung aufgenommen wurde; und dies höchstwahrscheinlich aus Schutz­gründen im Zuge der Verfolgungen in dieser Zeit.

Es gibt auch einen Zweig im Bekta­schitum, der sich ebenfalls über eine genealogische Herkunft legitimiert, die Çelebi­Bektaschis. Die Bezeich­nung Çelebi galt als ein allgemeiner Ehrentitel im Osmanischen Reich und bezog sich zumeist auf eine „edle“ Herkunft in diesem Fall auf die von Hac› Bektâfl Velî. Denn die Çelebi­Bektaschis verstehen sich als leibliche Nachfahren von Hac› Bektâfl Velî. Der Großteil der Çelebi­Bektaschis kommt aus Zentralanatolien. Ihnen steht der­zeit Vilayettin Ulusoy Efendi vor.

Daneben gibt es regional­spezifische alevitische Eigen­ und Fremdbezeich­nungen, u.a. Çepni und Tahtac›. Çep­ni bezeichnete zunächst einen „Volks­stamm“. Dieser gehörte vermutlich zu den ersten Stämmen, die die Leh­ren Hac› Bektâfl Velîs annahmen. Sie ließen sich hauptsächlich an der Schwarzmeerküste und an der ägä­ischen Küste nieder. Vor allem wer­den die Çepni an der nördlichen Ägä­is auch mit den sogenannten Tahtac› in Verbindung gebracht. Gleich wie die Çepni scheint auch Tahtac› ur­sprünglich einen Stamm bezeichnet zu haben, dessen Mitglieder nach ih­rer ausgeübten Tätigkeit als Holzfäl­ler benannt wurden. Sie stellen eine regionale Form des Alevitentums dar, die vor allem in den westlichen und südlichen Küstenregionen Anatoliens zu finden ist. Wie bereits erwähnt, sind sich Glau­bensvorstellung und Glaubenspraxis dieser Gruppen bis auf wenige Aus­nahmen sehr ähnlich. So sind der

Glaube an einen absoluten Gott, an Mohammeds Gesandtschaft (türk. nübüvvet bzw. risâlet) und Imam Alis Statthalterschaft (türk. vilâyet), die beide für die angestrebte Ver­vollkommnung des Menschen (türk. insân­i kâmil) als zentrale Beispiele gelten und deren Wissen über die 12 Imame und weitere Heilige des Weges (türk. evliyâ) an Hac› Bektâfl Velî weitergegeben sei, wesentliche Elemente ihrer Glaubenslehren; die religiöse Institution der Cem­Zeremo­nie als kollektives Gebet sowie das zentrale Beziehungsverhältnis von Mürflid und Talib zentrale Bestand­teile ihrer Ritualpraktiken. Nichts­destotrotz gibt es viele Eigenheiten in den Riten, wie etwa beim Semah; dieser unterscheidet sich in der cho­reographischen Form in den unter­schiedlichen Regionen, hat jedoch stets dieselbe religiös­theologische Bedeutung inne.

Allein die Nusayri, auch als arabische Aleviten oder Alawiten bekannt, scheinen institutionell, glaubensan­schaulich und glaubenspraktisch stär­ker abzuweichen. Dies liegt zum ei­nen in der historischen Genese: Vielen Historikern zufolge sind die Nusayri, die hauptsächlich in Südostanatolien und an der syrischen Küste leben, eine Fortsetzung der sogenannten Ghulat­Bewegung. Diese wurde von orthodoxen Muslimen als „Übertrei­ber“ verunglimpft, da sie Imam Ali vergöttlichen würde. In der Tat ist die Verehrung Imam Alis bei den Nusay­ri von einer dezidierten Divinität Alis geprägt: Denn Imam Ali wird als die Inkarnation des göttlichen Wesens und Sinns verstanden (arab. ma’nã), gewissermaßen als eine Menschwer­dung Gottes. Diese Manifestation wird von zwei weiteren Hypostasen begleitet, in der der Prophet Moham­med als zweite Stufe (arab. ism oder hidjãb für „Name“ oder „Schleier“) und Selmân­i Fârsi als drittes Glied (arab. bãb für „Tor“) einer Dreieinig­

keit verstanden werden, die mit dem Prinzip Hakk­Muhammed­Ali der Aleviten nicht vergleichbar ist. Auch scheinen nicht so viele Überschnei­dungen in der Glaubenspraxis zu bestehen, da die Nusayri traditionell nicht die Cem­Zeremonie als Kollek­tivgebet kennen.

Wie oben erwähnt, ist eine gängige Bezeichnung für die Nusayri„ara­bische Aleviten“. Für die restlichen Aleviten ist eine solche einheitliche Bezeichnung nicht möglich, da eine weitere kulturelle Vielfalt in der Spra­che liegt: So beten Alevitinnen und Aleviten ihre Gebete auf Türkisch, auf Kurmancî, Zazaki, neuerdings auch in westeuropäischen Sprachen und in den Sprachen des Balkans.

Hiermit geht auch ein weiterer Grund für die religiös­kulturelle Vielfalt des Alevitentums einher: die geogra­phischen Verteilung. Häufig dient das geographische Attribut „anatolisch“ dazu, das hier behandelte Alevitentum von anderen Formen, die sich Alevî nennen, abzugrenzen. Allerdings ist dies eine verkürzte und vereinfachte Beschreibung. Zwar ist das Haupt­verbreitungsgebiet des Alevitentums ohne Zweifel Anatolien, insbesonde­re Zentral­ und Mittelostanatolien, aber auch außerhalb Anatoliens las­sen sich alevitisch­bektaschitische Gruppen finden, die in der Tradition der anatolischen Version stehen. Ins­besondere in Südosteuropa gab und gibt es bis zum heutigen Tag viele Regionen, in der das Alevitentum bis zum heutigen Tag mehr oder weni­ger vital gelebt wird. So gibt es heute noch eine kleine alevitische Minder­heit in Bulgarien, insbesondere in den Provinzen Silistrien, Silwen und Rasgard, die auf bulgarisch auch als Aliani bekannt ist. Die Tekkes von De­mir Baba und Otman Baba gehören dabei zu den geschichtsträchtigsten des gesamten Balkans. Im heutigen Griechenland gibt es

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nach wie vor eine kleine alevitische Gemeinde in Didymoticho (türk. Di­metoka) in Thrakien. Insbesondere das ehemalige Tekke K›z›ldeli­Sultan ist nach wie vor ein aktives religi­öses Zentrum. In früherer Zeit hat es in Thrakien auch ganz interessante Verflechtungen und interreligiöse Beziehungen zu griechisch­ortho­doxen Christen gegeben; ähnliches galt auch bis zum späten 19. und frühen 20. Jh. für den Epirus, Bitola und Thessaloniki. Auf Zypern lebt so­gar bis heute eine kleine alevitische Community. In Albanien ist das Bektaschitum sogar heute die drittgrößte Religi­onsgruppe. Bis zu 30 Tekkes, insbe­sondere im Süden des Landes, sind aktuell aktiv und in etwa 20% der Bevölkerung bekennen sich zu dieser Glaubensgruppe. Zuvor war die Zahl der Tekkes sogar wesentlich höher. Allerdings wurden in den 1960ern alle Religionsgruppen in Albanien von Enver Hoxha verboten und Al­banien als erster atheistischer Staat deklariert. In den 1990ern haben

sich das Bektaschitum und auch die anderen Glaubensgemeinden in Al­banien rehabilitiert, so dass einige der geschlossenen Tekkes wieder reaktiviert werden konnten. Die al­banische Bektaschi­Zentrale in Tirana betreut auch Tekkes in Makedonien, u.a. das Tekke in Tetovo bei Skopje, das zu den ältesten und größten zählt. In Bosnien hat es bis zum 19. Jh. einige Bektaschi­Tekkes gegeben, die jedoch nicht die Zeit überdauer­ten. Sogar in Ungarn gibt es mit dem Gül­Baba­Türbe in Budapest die nörd­lichste Wallfahrtstätte des gesamten Islam. Auch gen Osten, vor allem in Aser­baidschan und im Iran, gab und gibt es alevitische bzw. mit den Aleviten verwandte Gruppen. So besteht na­hezu eine gesamte Stadt, Ilkhchi im aserbaidschanischen Iran, gänz­lich aus einer als Alevî bezeichneten Glaubensgruppe. Auch werden des Öfteren Verbindungen zwischen den Ehl­i Hakk sowie Ali­Illahi und den Aleviten gezogen. Zwar beste­hen interessante Ähnlichkeiten und

auch Hac› Bektâfl Velî wird von den Ehl­i Hakk als eine Manifestation ih­res Patrons, Sultan Sahak, betrachtet, allerdings ist bei einer Verknüpfung zu den Aleviten Vorsicht geboten, da es keine institutionelle Verbin­dung zum Alevitentum gibt und viele Unterschiede insbesondere in der Glaubenspraxis. Da das religiöse Leben nicht vom restlichen sozio­kulturellen Leben isoliert werden kann, geht diese ge­ographische Verteilung auch mit ei­ner kulturellen Vielfalt einher. Eine vergleichende Studie hierzu steht lei­der bis zum heutigen Tag noch aus. Natürlich entstand auch mit der Mig­ration von Alevitinnen und Aleviten hauptsächlich in westeuropäische Staaten eine weitere kulturelle Viel­falt, die jedoch hier nur erwähnt sei. So gibt es zwar keine 1001 Gangwei­sen innerhalb des Alevitentums, aber eine durchaus breite und interessante religiös­kulturelle Vielfalt.

Cem KaraDoktorand an der LMU in München

� Markus Dressler: Die alevitische Religion. Traditionslinien

und Neubestimmungen. Würzburg 2002. Vielleicht die beste

deutschsprachige Arbeit zum Alevitentum. Kristina Kehl-Bodro-

gi. Die K›z›lbafl-Aleviten. Untersuchungen über eine esoterische

Glaubens-gemeinschaft in Anatolien. Berlin 1988. Religionsso-

ziologische Untersuchung der K›z›lbafl mit guten historiogra-

phischen Einbettungen.

� Ali Yaman: Alevilikte Dedelik Kurumu ve Ocaklar. Istanbul

2004. Elaborierte Feldstudie zu der Ocak-Institution des Alevi-

tentums. Bedri Noyan: Bütün Yönleriyle Bektâflîlik – Alevîlik. 9

Bänder. Ankara 1998-. Das umfassende Werk des ehemaligen

Dedebabas der Bektaschis, wobei jedes Band ein anderes The-

ma aufgreift.

� Ismail Engin und Erhard Franz (Hrsg.): Aleviler / Alewiten. 3

Bänder. Hamburg 2000. Ausführlicher Sammelband mitunter

vielen Aufsätzen zu den Tahtac›.

� Hein Halm: Die islamische Gnosis. Die extreme Schia und die

‘Alawiten. München 1989. Standartwerk zu den Nusayri vom

deutschsprachigen Schia-Altmeister.

� Martin van Bruinessen: „Asl›n› inkar eden haramzadedir!”: The

debate on the ethnic identity of the Kurdish Alevis. In: Krisztina

Kehl-Bodrogi et al. (Hrsg.): Syncretistic religious communities in

the Near East. Leiden 1997, s.1-23. Ein guter Aufsatz zu den

Identitätsprozessen kurdischer Aleviten.

� Lyubomir Mikov: Bulgaristan‘da Alevi-Bektafli kültürü. Übers.

v. Orlin Sabev (Orhan Salih). Istanbul 2008. Ausführliche Arbeit

zu den kulturellen Überbleibseln des Alevitentum-Bektaschitum

in Bulgarien.

� Nathalie Clayer: Der Bektaschi-Orden in Albanien. In: Werner

Daum (Hrsg.): Albanien zwischen Kreuz und Halbmond. Mün-

chen 1998, s.152-158. Eine kurze, aber durchaus gute Einfüh-

rung in den Bektaschi-Orden in Albanien von der internationa-

len Spezialistin des Themas.

� John D. Norton: The Bektashis in the Balkans. In: Celia

Hawkesworth et al. (Hrsg.): Religious Quest and National Identi-

ty in the Balkans. Basingstoke 2001, s.168-200. Eine sehr gute

Überblicksdarstellung zu den Bektaschis auf dem Balkan.

� Andreas Kiriakidis: Bektaschitum und griechisches orthodoxes

Mönchtum. Religionskontakt und Vergleich zweier mystischer

Traditionen. Bonn 2010. Sehr interessante Arbeit zum Kultur-

kontakt von christlichen Mönchen und Bektaschis in Thrakien.

� Martin Sökefeld (Hrsg.): Aleviten in Deutschland: Identitäts-

prozesse einer Religionsgemeinschaft in der Diaspora. Bielefeld

2008. Ein sehr reicher Sammelband rund um das Alevitentum in

der deutschen Diaspora; viele deutschsprachige Wissenschaft-

ler sind mit übersichtlichen Zusammenfassungen ihrer Arbeiten

vertreten.

Lektürehinweise:

Vielfalt [email protected]

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Wissenswertes über Aflure: Dieses Gericht wird nach dem 12­tägigen Fasten gekocht und unter Ver­wandten und Bekannten verteilt und gegeben Falls zusammen verspeist. Das Fasten beendet man an dem 13. Tag mit dem Einnehmen dieser Süß­speise. Diese soll als Symbol der Dankbarkeit dienen für das Überleben der Schlacht von Kerbela des Zeynel Abidins, den Sohn von Imam Hüseyin.Aflure auf Deutsch Aschure genannt, bereitet man mit 12 verschiedenen Zutaten vor, die variieren können. Wichtig ist, die 12 Zutaten einzuhalten, da diese die 12 Imame symbolisieren. Man kann für diese Speise u.a. die folgenden Zutaten verwenden: Weizen, Bohnen, Saubohnen, Kicher­erbsen, Kastanien, Haselnüsse, Pistazien, Mandeln, Sultaninen, Feigen, Aprikosen und Walnüsse. Das Wort Aflure kommt ursprünglich von dem arabischen Wort ,,Aschara‘‘, welches zehn bedeutet. ,,Aschura‘‘ wird der 10. Tag vom Monat Muharrem genannt.

Zutaten:

• 400g Weizenkörner

• 200g weiße Bohnen

• 200g Kichererbsen

• 200g Ackerbohnen (Kabuklu Bakla)

• 200g Mandeln, geschält

• 200g Haselnüsse, geschält

• 200g getrocknete Feigen

• 200g Pistazien

• 150g Rosinen

• 150 g Walnüsse

• 100g getrocknete Aprikosen

• 1000g Zucker

Zubereitung: Die Weizenkörner, die weißen Bohnen, die Kichererbsen und die getrock­neten Ackerbohnen getrennt ein Tag vor Zubereitung im kalten Was­ser einweichen. Am nächsten Tag die eingeweichten Weizenkörner im Wasser kochen. Die Schaumbildung während des Kochens gelegentlich entfernen und dann zugedeckt weich kochen (je nach Weizensorte dauert dies etwa 4­5 Stunden). Gleichzeitig die Kichererbsen, die weißen Boh­nen, die Ackerbohnen mit Feigen, Rosinen, Pistazien, Mandeln, Haselnüs­sen, Walnüsse und getrocknete Aprikosen in einen großen Topf geben und nach Belieben salzen. Zwei Liter Wasser darüber gießen, den Zucker zufügen und das Ganze ca. 20­30 min kochen lassen. Den kochenden Weizen untermischen und alles zusammen nochmals 15­20 min kochen. Zum Schluss die Süßspeise in Dessertschalen füllen und erkalten lassen.

RezepteBeyhan Kepenek Team Presse

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Zubereitung: Zum Mehl 300ml Wasser geben. Karbonat dazu mischen und nach belieben salzen. Die Masse kneten bis sie fest wird. Diese in eine geölte, flache Form geben und in den vorgeheizten Backofen legen. Für den Aufguss zum Joghurt 500ml Wasser geben und rühren. Anschließend den geriebenen Knoblauch mit etwas Salz dazu geben. Den fertigen Teig aus dem Backo­fen nehmen und in kleine Stücke brechen und in der gleichen Form verteilen. Die Joghurt­Wasser­Mischung dazu geben. Zum Schluss die erhitze Butter mit einem Esslöffel darauf ver­teilen und schön einziehen lassen.

Zutaten Teig:

• 500g Mehl

• 1,5 TL Salz

• 1 TL Karbonat

• Wasser

Zutaten Aufguss:

• 2 Knollen Knoblauch

• 1 kg stichfester Sahnejoghurt

• 250g Butter

• Wasser

Zutaten:

• 500 g Mad›mak/Knöterich

• 2 Knollen Knoblauch

• 1 EL Paprikapaste

• 3 EL Olivenöl

• 5 EL Weizengrütze (Bulgur)

• Wasser, Salz

Zubereitung: Den Knöterich mit reichlich Wasser waschen. Alle Knoblauchzehen aus den zwei Knollen trennen, schälen und in Würfel schneiden. Diese in mittlerer Hitze mit dem Olivenöl rösten. Danach die Paprika­paste geben und mischen. Daraufhin den Knöterich mit drei Gläser warmen Wasser dazu geben. Die Weizengrützen waschen, alles zusammen kochen lassen und nach Belieben salzen.

Serviervorschlag: Mit (Knoblauch) Joghurt servieren. Guten Appetit.

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ARU - Identitätsbildung von klein auf

Identitätsbildung von alevitischen JugendlichenGastbeitrag über die Zusammenarbeit mit alevitischen Jugendlichen

Identitätsbildung von jungen Erwachsenen

Unsere Kinder sind unsere Zukunft

Lieder für Kinder­ Selbstfindung im Glauben durch alevitische Projekte ­ Zusammentreff von Gleichgesinnten

Lesenswert - Zwei Buchrezensionen

wieIdentität.I

„Seid ihr miteinander einver-nehmlich?“ „Ja, wir sind mitein-ander einvernehmlich.“ Analog zur Cem­ Zeremonie beginnt jeder Alevitischer Religionsunterricht mit dem Einholen des Einvernehmens der Schüler untereinander, und auch mit dem Lehrperson. Der Alevitische Religionsunterricht ist ein historischer Schritt für die Aleviten in Deutschland, der basierend auf Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes, ein ordentliches Unterrichtsfach darstellt. Nach langen Anerkennungsverfahren wurde der Antrag der Alevitischen Gemeinde im Jahre 2000/2001 bewilligt. In Folge dessen beauftragten die Kultusminis­terien der Länder Baden­ Württem­berg, Nordrhein Westfalen, Hessen und Bayern, die Turkologin und Pro­fessorin Prof. Dr. Ursula Spuler Ste­gemann, der Frage nachzugehen, ob die AABF als Religionsgemeinschaft deklariert werden kann, das zugleich die Voraussetzung für die Einführung des Alevitischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach bildete. So­wohl das religionswissenschaftliche Gutachten von Frau Prof. Dr. Ursula Spuler Stegemann, als auch das zur Bestätigung erstellte Rechtsgutach­ten von Prof. Dr. iur. Stefan Muckel bekundeten, dass die Alevitische Ge­meinde Deutschlands im Sinne des Artikels 7 Abs. 3 des Grundgesetzes als eine Religionsgemeinschaft an­zusehen ist. Somit wurde ein Mei­lenstein in der Alevitischen Historie gelegt. Die oben erwähnten Bundes­länder bildeten im Jahre 2004 eine Arbeitsgruppe, die die Einführung des Alevitischen Religionsunterrichts

an Grundschulen begleiteten und ak­tiv unterstützten. Als erstes Bundes­land führte Baden­Württemberg zum Schuljahresbeginn 2006/2007 den Alevitischen Religionsunterricht, vor­erst als Pilotprojekt, dann als Schul­fach ein. Nordrhein–Westfalen und Bayern führten zeitgleich im Jahre 2008/2009 den Unterricht an öffent­lichen Grundschulen ein, ein Schul­jahr in Folge Hessen und Saarland und seit dem Schuljahr 2013/2014 können Alevitische Kinder der Klas­sen 1­4 in Rheinland Pfalz den Alevi­tischen Religionsunterricht besuchen. Auch in Berlin können alevitische Grundschulkinder den Unterricht besuchen. Hamburg wird die Alevi­tische Glaubenslehre in Fächerver­bünden, wie etwa im interreligiösen Religionsunterricht, vermittelt. Damit der Alevitische Religionsunterricht an Grundschulen stattfinden kann, muss eine Mindestanzahl an Alevitischen

Schülern erreicht werden, die sich je nach Bundesland unterscheidet (in Ba­Wü 8, in NRW 12). Die örtlichen Alevitischen Gemeinden sind dafür zuständig, potenzielle Schüler aus­findig zu machen und diese an die AABF zu melden. Über das Ministe­rium gelangt dann die Schülerliste zu den entsprechenden Schulleitungen, die die konkrete Teilnehmerzahl an­hand von Anmeldeformularen über­prüft. Bei erreichen der Mindestan­zahl und geeigneter Lehrkraft wird der Religionsunterricht eingerichtet. Leider gelingt die Errichtung des Reli­gionsunterrichts nicht immer den Vorstellungen entsprechend. Ein Mangel an Lehrpersonal, als auch El­tern, die sich aus diversen Gründen gegen den Alevitischen Religionsun­terricht entscheiden, erschwert an einigen Stellen die Einführung des Unterrichtsfachs.

ARU – Identitätsbildung von klein auf

Alevitischer Religionsunterricht

an öffentlichen Grundschulen

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Identität [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie �1

Ziele des Unterrichts

Voraussetzung eines jeden Lehr­faches ist ein Lehrplan, der die Ziele und die Inhalte des zu unterrichten­den Faches bezogen auf die Schulstu­fe beschreibt. Um die Ziele und die Themeninhalte für den Alevitischen Religionsunterricht an Grundschulen festzulegen, wurde eine Lehrplan­kommission mit alevitischen Fachkräf­ten zusammengestellt, die aus dem Selbstverständnis der alevitischen Glaubenslehre heraus Zielvereinba­rungen und Themeninhalte nieder­legten. Hierbei wurde insbesondere darauf geachtet, dubiose Interpretati­onen und Positionen im Alevitentum aufzunehmen und zum Gegenstand des Unterrichts zu machen. Diesem Lehrplan wurde durch die Kultusmi­nisterien der Länder zugestimmt und gilt für alle Bundesländer. Das Land Baden­Württemberg hat, basierend auf dem Lehrplan aus NRW, aus den Zielen Bildungsstandards formuliert, so wie es der Bildungsplan für Grund­schulen in Baden­Württemberg vor­sieht. Das Anliegen eines eigenen Re­ligionsunterrichts ergab sich aus den Wünschen der Eltern, alevitisches Glaubensgut an ihre Kinder weiter­zugeben, sodass einer Entfremdung der Kinder von alevitischen Werten und Traditionen entgegengewirkt werden kann. Dieser Wunsch sollte sich auch in den Lehrplänen für den Alevitischen Religionsunterricht wie­derspiegeln, in dem es u.a. heißt:

„Der Alevitische Religionsunterricht zielt darauf, die alevitischen Schüle-rinnen und Schüler mit dem Grund-verständnis des Alevitentums vertraut zu machen. Er trägt damit zur Wer-teerziehung der Kinder bei.“ (Lehr­plan für die Grundschule in Nordrhein Westfalen. Alevitischer Religionsun­terricht, Klassen 1­4, S.17.)

Im Kern hat der Alevitische Religions­unterricht drei Hauptziele, die ver­folgt werden:Die Wissensvermittlung. Alevitischen Kindern sollen Inhalte ih­res Glaubens herangetragen werden.

Die Identitätsbildung. Der alevitische Religionsunterricht soll eine alevitische Identität heraus­bilden. Der Unterricht soll ihnen die Möglichkeit geben, den alevitischen Glauben zu erfahren und zu erleben und daraus folgernd die Werte seiner Religion adäquat zu vertreten.

Die Wertevermittlung.Hiermit hängt zusammen, dass alevi­tischen Kindern die Menschenrechte im Grundgesetz vermittelt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass sich alevitische Wer­tevorstellungen mit den grundge­setzlichen Werten tangieren.

Darüber hinaus soll der Alevitische Religionsunterricht die Beziehungsfä-higkeit der Schüler und Schülerinnen stärken. Aufgrund der Tatsache, dass

der Unterricht Jahrgangsübergrei­fend stattfindet und unter den Kin­dern ethnische Unterschiede herr­schen, werden die Schüler dazu angeleitet, gleichberechtigte und to­lerante Beziehungen einzugehen und diese zu erhalten. Die Gleichberechtigung zwischen Mädchen und Jungen wird durch den Alevitischen Religionsunterricht er­fahren und verinnerlicht, welches ein wichtiges Element der alevitischen Lehre darstellt. Schülerinnen und Schüler, die am Religionsunterricht teilnehmen, sollen die Kompetenz entwickeln, sich im Interreligiösen Dialog mit anderen Mitschülern über ihren Glauben, Tradition und Kultur unterhalten zu können, aber auch lernen, Andersartigkeit zu verstehen und zu akzeptieren.

Inhalte des Unterrichts

Um diese Ziele zu erreichen, wurden konkrete Themeninhalte formuliert, über deren Kenntnis die Schüler ge­setzt werden sollen. Die Schüler, die den ARU besuchen, sollen über das alevitische Gottesverständnis informiert werden, sowie über die­alevitsche Denkweise zu Gott­ Mu­hammed­Ali herangeführt werden. Darüber hinaus werden Themen, wie Alevitische Glaubensgrundlagen, ale­vitische Werte, die alevitische Kultur und deren religiöse Einbindung in Ri­ten, insbesondere zu den Gesängen,

Identitä[email protected]

Die Lehrerin Burcak Tuncel mit den Schülern des Alevitischen Religions-unterrichts.

Theaterstück H›z›r & Ilyas im Alevitischen Religionsunterricht.

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Grundsätze alevitischer Moral und Ethik, religiöse Formen des Aleviten­tums, wie Cem, Semah etc., Aus­drucksformen des alevitischen Ver­haltens behandelt. Außerdem soll die überlieferte Wirkungsgeschichte des Propheten Mohammed, des heiligen Ali und der Zwölf Imame, sowie die Bedeutung und Wirkung des heili­gen Haci Bektafl Veli und der anderen heiligen nahe gebracht werden. Um interreligiöses Lernen anzubahnen, lernen die Schüler die Propheten aus den anderen großen Religionen und Grundlagen der unterschiedlichen Religionen und Glaubensrichtungen kennen.

Unterrichtsgestaltung

Wie aus den Themeninhalten des Lehrplans zu entnehmen ist, orientiert sich die Gestaltung des alevitischen Religionsunterrichts an der alevi­tischen Lehre und setzt Elemente die­ser im Unterricht ein. Besonders wich­tig sind Rituale, die sich z.B. auch in einer Cem­Zeremonie vollziehen. So beginnt, wie Anfangs erwähnt, jede Unterrichtsstunde mit dem Einholen des Einvernehmens (R›zal›k) zwischen den Schülern und zwischen den Schü­lern und der Lehrperson. Erst wenn alle Streitigkeiten und Unklarheiten ausgesprochen und geklärt sind, beginnt der eigentliche Unterricht. Somit wird ein kollektives Ritual der Aleviten erlebt und verinnerlicht. Des Weiteren wird darauf geachtet, dass die Sitzordnung gewährleistet, dass sich alle Kinder im Blick haben. Hierbei wird das Prinzip des Cemal cemal‘e oturmak verfolgt. Der Dreier Satz Hak-Mohammed-Ali soll möglichst in viele Inhalte integriert werden, so­dass auch dieser seelisch durchdrun­gen wird. Zum Beispiel sollen 3 Lieder gesungen werden oder es werden zu einer Aufgabe drei Beispiele genannt etc. Das Telli Kuran z.Dt.: Koran mit Saiten ist ein essentielles Instrument der alevitischen Lehre, daher sollen

alevitische, religiöse Gesänge in den Unterricht einbezogen werden. Unter dem alevitischen Leitgedanken Yol Bir- Sürek Binbir z.Dt.: Ein Weg- Viele Ziele muss jede Lehrkraft dem Kon­troversitätsprinzip folgen, in dem sie mögliche Interpretationen und Stand­punkte der Schüler im Unterricht zu­lässt und dadurch die Glaubens­ und Meinungsfreiheit im Unterricht selbst aufzeigt. Der Alevitische Religionsun­terricht wird in deutscher Sprache ab­gehalten, sodass die Schüler Begriffe aus dem türkischen, kurdischen oder persischen in die deutsche Sprache transferieren können. Diese Fähigkeit ist von hervorragender Bedeutung, da sie im interreligiösen Dialog ihre Religion und ihren Glauben in der deutschen Sprache darlegen und aufgrund der Sprachkompetenz die Alevitschen Gemeinden in solchen Situationen vertreten können. Sicher­lich werden Grundbegriffe, wie z.B. Dede, Semah, Müsahip, Cem etc. in der Ursprungssprache beibehalten, der deutsche Begriff dazu jedoch im Unterricht erwähnt und auch ver­wendet, sodass die Begriffe in bei­den Sprachen beherrscht wird. Fer­ner trägt der Unterricht in deutscher Sprache zur Sprachförderung bei und leistet einen beträchtlichen Bei­trag zur Integration, da Sprache im Prozess der individuellen und gesell­schaftlichen Integration eine außeror­dentliche Rolle spielt. Die Leistungen in diesem Fach werden benotet und sind versetzungsrelevant.

Lehrerausbildung

Um die Lehrbefähigung für die Ertei­lung des Religionsunterrichts zu erhal­ten, müssen sich die jeweiligen Lehr­kräfte an den dafür vorgesehenen Kursen qualifizieren. Für Lehrkräfte mit alevitschem Hintergrund wurde an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten der Erweiterungsstu­diengang Alevitische Religionslehre/Religionspädagogik eingerichtet, an

dem sich die Lehrkräfte immatrikulie­ren können. Hier findet in Form von Blockseminaren (Wochenende Semi­naren) die Qualifizierung der Lehrper­sonen statt. In NRW zertifizieren sich alevitische Lehrkräfte durch einen Kurs, der berufsbegleitend stattfindet. In diesen Fällen benötigen die Lehr­kräfte eine Abordnung seitens der zuständigen Schulbehörde. In beiden Fällen bestimmt die AABF die Lehrbe­auftragten für die jeweiligen Semi­nare. Obgleich die Möglichkeiten der Ausbildung von alevitischen Lehrkräf­ten vorhanden sind, ist ein reguläres Studium der Alevitischen Theologie unentbehrlich, um den Lehrpersonen fundiertes Wissen zu vermitteln.

Erfahrungen

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass der Alevitische Religionsunterricht, sowohl von den Schülern als auch von seitens der Eltern als positiv ange­nommen wird. Da sich der Unterricht mit der eigenen Identität befasst, ist eine hohe Motivation auf beiden Sei­ten zu erkennen. Erfreulich sind vor allem solche Situationen, in denen er­kennbar wird, dass die Schüler nicht nur über das Wissen verfügen, son­dern dieses Wissen auch in ihre Hand­lungen integrieren und so alevitische bzw. humanistische Lebensweisen einnehmen. Diese sind vor allem im Umgang mit anderen Mitschülern der Schule zu beobachten. Der Un­terricht erweckt Neugierde, sodass Schüler beispielsweise Interesse am Baglama spielen entwickeln oder In­teresse daran haben, einen Cemhaus oder einen Cem zu besuchen. Neben diesen und noch weiteren positiven Erfahrungen mit dem ARU gibt es leider auch negative, die vor allem auf die Eltern zurück zu führen sind. Wie bereits erwähnt, gibt es wahrlich Eltern, die sich gegen die Teilnahme ihres Kindes am ARU entscheiden. Gründe sind entweder die Angst, dass das Kind überfordert sei und die

Identität [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie �3

Leistungen in anderen Fächern sinken würden, sowie die Angst, dass das Kind aufgrund seiner Religionszuge­hörigkeit ausgegrenzt wird. Rückmel­dungen von anderen Lehrern oder Eltern der Kinder beweisen, dass der Alevitische Religionsunterricht den Bildungserfolg positiv unterstützt. Des Weiteren gibt es Eltern, die an­dere Angebote der Schule vorziehen, sowie Eltern, die einfach kein Interes­se, besser gesagt, keine Verbunden­heit zum Alevitentum haben. Auffäl­lig ist vor allem, dass ausgerechnet die Eltern die Teilnahme befürwor­ten, die selbst in den Alevitischen Gemeinden aktiv tätig sind. Hier sind insbesondere die Alevitischen Ortsge­meinden gefragt, die den Dialog zu den Erziehungsberechtigten suchen und eine kontinuierliche Koopera­tion gewährleisten müssen, in dem sie Aufklärungsarbeit, z.B. in Form

von Informationsabenden betreiben, indem konkrete Unterrichtsbeispiele und die Bedeutung des Unterrichts demonstriert werden. Auch der Lehr­kräftemangel stellt nach wie vor, vor allem für weiterführende Schulen, ein Problem dar.

Perspektiven

Nichtsdestotrotz ist der Alevitische Religionsunterricht auf erhebliches In­teresse gestoßen, sodass das Kultus­ministerium in NRW die Ausarbeitung eines Lehrplans für die Sekundarstufe 1 genehmigte, um den Unterricht an weiterführenden Schulen einzufüh­ren. So werden seit dem 2. Schuljahr 2011 / 2012 Schüler der Klassen 5­ 10 nach alevitschem Kernlehrplan unter­richtet. Es gilt ein großer Dank an alle an der Einführung des Alevitischen Religionsunterrichts an öffentlichen

Schulen beteiligten Personen aus­zusprechen, die hervorragende und zugleich fundamentale Leistungen erbracht haben. Diese werden zwei­fellos damit belohnt werden, das ale­vitisches Glaubensgut über weitere Generationen hin getragen und der Schatz des Alevitentums bewahrt zu haben. Analog zum Alevitischen Reli­gionsunterricht, wird auch dieser Ar­tikel abgeschlossen mit einem Ritual und einem Gülbenk (z.Dt.: Rosenruf), den die Schülerinnen und Schüler zum Ende der Stunde im Stehkreis aussprechen; Möge H›z›r uns be­

schützen!

Burcak Tuncel Alevitische Religionslehrerin an der Hart-ranft-Grundschule in Freudenstadt

Identität

Das erste Treffen des Jugendprojektes Zukunftswerkstatt im Alevitischem Kulturverein Mannheim, Dezember 2012

[email protected]

Literaturangabe :Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein Westfalen (Hrsg.): Lehrplan für die Grundschule in Nordrhein Westfalen. Alevi-tischer Religionsunterricht Klasse 1-4, Ritterbach 2008Kaplan, Ismail: Das Alevitentum- Eine Glaubens- und Lebensgemeinschaft in Deutschland. Hrsg.: Alevitische Gemeinde Deutschland, Köln 2004Spuler-Stegemann, Ursula: Gutachten: Ist die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. eine Religionsgemeinschaft? Marburg 2003

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Wenn wir über die alevitische Jugend sprechen, sollten einige Ausführungen zum Thema Ju­gend gemacht werden. Für viele von euch ist

der Begriff Jugend eindeutig. Wer ist denn für euch ein Jugendlicher? Im Alltag ist der Begriff Jugend eindeutig, jedoch haben die Wissenschaftler verschiedene Möglich­keiten gesehen, Jugend zu betrachten. Ich werde die Ju­gend aus einer sozialisationstheoretischer Perspektive be­schreiben. Damit wird eine zeitliche Perspektive eröffnet, die neben den Wandlungen in der Jugendphase auch die stattfindenden gesellschaftlichen Wandlungen in den Blick nimmt, die sich in den letzten Jahren ergeben ha­ben, welches auch die Jugendphase mitbestimmen, z.B.: längere Schulbildung. Die Situation der alevitischen Ju­gendlichen in Deutschland zeigt, dass sie im Verlauf ihrer Entwicklung mit besonderen Problemkonstellation kon­frontiert werden. Daraus ergibt sich die Frage nach den Risiken, die sich hierdurch für diese alevitischen Jugend­lichen für eine eigenständige Lebensgestaltung ergeben. Als individuell wirkende Faktoren, welche auf die Ent­wicklung der alevitischen Jugendlichen Einfluss nehmen, werden in der Literatur folgende Faktoren aufgelistet:

• Formale Kriterien (Einreisealter, Aufenthaltsdauer,

Unterbrechungen durch zwischenzeitliche

Aufenthalte im Ursprungsland)

• Qualität der familiären Beziehungen

• Umgangsformen der eigenen Eltern und anderer

Bezugspersonen mit der Migration (aus dem Dorf

in die Großstadt) und etwaigen Problemen

• positive Erfahrungen im Sinne von

„Sich­hier­wohl­und­geborgen fühlen“

• Negative bzw. traumatische Erfahrungen

(direktes oder indirektes Erleben von

Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierung bezüglich

des Glaubens (Alevitentums) etc.)

• Lebensumfeld (Qualität des Wohnumfeldes;

Zustand, Größe, Ausstattung der Wohnung)

• Sprachkompetenzen (Muttersprache, auch

Deutsch)

• Anzahl und Qualität von Freundschaften,

Partnerschaften zu Deutschen oder anderen

Nationalitäten

• Erfolgreicher Abschluss einer Schul­ und

Berufsausbildung

• Möglichkeit der sozioökonomischen Existenz­

sicherung in Form einer adäquaten und

dauerhaften Arbeitsstelle

• Ausmaß und Existenz kultureller oder religiöser

Inhalte (Kulturvereine) wie Literatur, Musik,

Feiern, rituelle Handlungen etc.

Diese Auflistung macht deutlich, dass es zu Konsequenzen in der Jugendphase der alevitischen Jugendlichen kommt oder kommen kann.

Gastbeitrag über die Zusammenarbeit mit alevitischen Jugendlichen

Identitätsbildung von alevitischen Jugendlichen

Identität [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie �5

Für viele Erwachsene war und ist die Jugend eine Über­gangsphase zwischen Kindheit und des Erwachsenen­seins. Diese weit verbreitete Vorstellung ist jedoch unzeit­gemäß. Sie passt in die Zeit der 50er Jahre, in der die Jugendphase mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres als beendet galt. Die einzelnen Lebensphasen haben sich bis heute weiter ausdifferenziert, bedingt durch die sich im­mer weiter verlängernde Lebensdauer und des stattfin­denden gesellschaftlichen Wandels: z.B. längere Schul­dauer: früher 8 Jahre – heute 10 Jahre.

Die Jugendlichen haben den entscheidenden Schritt in Richtung Erwachsenenstatus dann vollzogen, wenn sie die schulischen und beruflichen Ausbildungsverhältnisse verlassen und den Übertritt in die Berufswelt vornehmen und sich von den Eltern loslösen und die Gründung einer festen Partnerschaft und eine eigene Familie anstreben. Bei alevitischen Jugendlichen kann aber die Ablösung aus dem Elternhaus mit großen Schwierigkeiten verbunden sein, wobei es auf die Einstellungen der Eltern ankommt. Die Jugendlichen sind zudem außerfamiliären Sozialisati­onsprozessen ausgesetzt, die nicht von den Eltern (Groß­eltern, Onkel etc.) kontrollierbar sind.Diese Ungewissheit macht den Eltern Sorgen, dass die Kinder insbesondere die Töchter einen schlechten Ruf be­kommen könnten.Da aber ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden hat, kann ein bestimmtes Alter für den Übergang in die Er­wachsenenphase nicht genannt werden. Die Lebenslage des Einzelnen ist so unterschiedlich geworden, dass über das Ende der Jugend keine genauen Angaben gemacht werden können. Da die Jugendlichen die Entwicklungs­aufgaben nach und nach bewältigen, kann von einem schrittweisen Übergang von der Jugend zur Erwachse­nenphase gesprochen werden. Wie schon erwähnt findet der Übergang zur Erwachsenenphase meistens zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr statt.

Identität - Kultur

Hier ist es natürlich nicht möglich, auf alle Ebenen der Identitätsentwicklung einzugehen. Ich werde bewusst den Aspekt der Identitätsentwicklung zwischen den Kulturen herausgreifen, da es sonst den Rahmen dieses Textes sprengen würde.

Es ist nicht abzuleugnen, dass die alevitischen Jugend­lichen sich mit mindestens zwei kulturellen Wertesyste­men innerhalb ihrer sozialen Umwelt auseinandersetzen müssen, wodurch sie zweifelsohne eine Vielzahl von Problemen zu bewältigen haben. Gleichwohl sollten die positiven Aspekte eines Lebens in diesen Kulturen nicht unterschätzt werden. Gerade das Aufwachsen in ver­schiedenen Kulturen kann zu einer positiven Persönlich­keitsentwicklung der alevitischen Jugendlichen führen, denn sie gewähren größere Handlungskompetenzen, in dem sie früh üben, sich in den Kulturen zurechtzufinden und sich in ihrer Lebensgestaltung auf die Normen und Werte der Kulturen einzustellen.

Kultur ist als ein unabgeschlossenes, prozeßhaftes und in Bewegung befindliches System zu sehen, was nicht aber ein für alle Gruppen der Gesellschaft das Leben ver­bindlich regelndes System verstanden werden darf. Als Schlussfolgerung daraus, kann gesagt werden, dass die Identitätsbildung als ein lebenslanger Prozess aufzufassen ist.

Um nun die Identitätsentwicklung bei alevitischen Jugend­lichen verstehen zu können, soll nun ebenfalls die Identität definiert und dargestellt werden, wie sie entsteht. Nach Erikson, der sich wie kein anderer mit der Entstehung von Identität beschäftigt hat, gehen viele Forscher davon aus, dass die Identitätsentwicklung nur dann möglich sei, wenn die Wahrnehmung der eigenen Person durch sich selbst

Identitä[email protected]

�� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

und durch andere identisch sei. Identitätsbildung als ein Prozess würde somit auf einer immer, vergleichenden und damit auch wertenden Wahrnehmung beruhen, nämlich der Wahrnehmung des „Sich­selbst­Gleichens“ und der eigenen Gleichheit in der Wahrnehmung des Umfeldes. Die Identität des Menschen ist also faktisch vielfältig. Eine Frau kann zum Beispiel mehrere Rollen gleichzeitig be­herrschen. Sie kann einmal Mutter und eine berufstätige Frau zugleich sein. Die alevitischen Jugendlichen befinden sich in einem Prozess, in dem viele Hürden vorhanden sind und sie auf Ablehnung stoßen, weil sie oft von den Kulturen (sowohl von der Christlichen und Sunnitischen) als etwas Fremdes gesehen werden, und sie versuchen diese zu überwinden. Sie müssen sich in beiden Kulturen beweisen. Dabei stoßen sie auf eine Gefahr, z.B.: In der Schule haben viele Jugendliche Angst zuzugeben, dass sie Aleviten sind, weil sie sich mit dem Alevitentum nicht auskennen. Zum Teil passen sie sich ihren Mitschülern an, wie z.B.: das Fasten im Ramadan. Erst wenn mehrere ale­vitische sich Jugendliche zusammenschließen, trauen sich diese Jugendlichen auch zu sagen, dass sie im Ramadan nicht fasten, d.h. ihre eigenen Regeln im Alevitentum ha­ben.

Die Jugendlichen müssen die Veränderungen in der jewei­ligen Kultur durchsetzen, weil diese Kultur imstande ist, an die Stelle der alten Überlebensstrategien neue zu set­zen, die sich aus der jeweils eigenen Geschichte ergeben. Dieser Prozess ist voller Krisen, in dem viele auf der Stre­cke bleiben. Aber es ist der einzige Weg, der überhaupt die Entwicklung neuer Lebensformen ermöglicht, wenn auch nicht garantiert.

Es kann also zusammenfassend davon ausgegangen wer­den, dass alevitische Jugendliche zahlreiche kulturelle Wandlungsprozesse vollziehen, die die verschiedensten Bereiche ihres Lebens betreffen, wobei die von den Eltern mitgebrachten kulturellen Werte und Normen für die Ju­gendlichen eine neue Bedeutung erhalten.

Peer-GroupNeben der Familie haben die Freunde und Gleichaltrigen (Peer­Group) haben in der Sozialisation als auch in der Freizeit eine sehr wichtige Funktion. Die Peer­Group zählt für Kinder und Jugendliche ab dem Schulalter zu den wichtigsten Sozialisationsinstanzen, weil sie gleichaltrige suchen, die gleiche Probleme wie sie selber haben, und versuchen für sich Vorbilder bzw. Wege zu finden, wie sie damit zu recht kommen. Sie sind die wichtigste Be­zugsgruppe für den Loslösungsprozess vom Elternhaus und für die Entwicklung des eigenen Lebensstils. Daher spielen für alevitische Jugendliche Gleichaltrige auch eine

sehr große Rolle, weil sie untereinander ihre Erfahrungen austauschen können. Die beste Gelegenheit hierzu haben sie in den alevitischen Kulturvereinen/Cem Häusern, wo sie Gleichaltrige treffen können. Für viele der alevitischen Jugendlichen dienen diese Kulturvereine/Cem Häuser als ein Ort, in dem sie sich mit Gleichaltrigen treffen können und dort ihr Freizeit verbringen (z.B.:Saz Kurse, Folklore, Fußball, Semah und Theater). Insbesondere für alevitische Jugendliche, die in besonderer Weise von Verunsiche­rungen, Diskriminierungen und Ausgrenzungen betrof­fen sind, ist die Zugehörigkeit zu solchen Vereinen, in der ihnen Anerkennung und Akzeptanz entgegen gebracht wird, von großer Bedeutung für ihre Persönlichkeitsent­wicklung, da sie dort Gleichaltrige treffen. Daher ist es für die Aleviten sehr wichtig, diese Kulturvereine / CEM Häuser zu unterstützen und ihnen eine Hilfestellung zu geben. Wie sieht nun diese Hilfestellung aus?

In erster Linie sollen die Jugendlichen motiviert werden sich ehrenamtlich zu engagieren und es wird versucht, ihnen ein Gefühl des Vertrauens zu geben, da viele Ju­gendliche mit den gleichen Problemen kommen. Es soll­ten viele Seminare und Kurse stattfinden, wo die Jugend­lichen aufgeklärt werden, damit sie in ihrer Religion nicht diskriminiert werden.

Die alevitischen Jugendlichen sollten auch in der deut­schen Gesellschaft repräsentiert werden, so dass die Ju­gendlichen auch ein Gefühl haben, dass sie in der deut­schen Gesellschaft vertreten sind, und sie damit sehen, dass sie nicht alleine sind. Zusammenfassend können wir sagen, wenn der Jugendliche auf genügend Bezugsper­sonen zurückgreifen kann, die ihm Rückhalt und Sicher­heit geben, sind die Belastungssituationen besser und leichter zu bewältigen, als für Jugendliche, die diese Mög­lichkeit nicht haben.

Nehir BaflaranSozialarbeiter in Duisburg

Literaturverzeichnis• Alamdar-Niemann, Monika: Türkische Jugendliche im Eingliederungs-prozess. Hamburg: Kovac Verlag, 1992 • Atabay, Ilhami: Ist dies mein Land. Identitätsentwicklung türkischer Migrantenkinder in der Bundesrepublik. Herbolzheim: Centarus Verlag, 1994• Azizefendioglu, Aziz: Die Zukunftsperspektiven türkischer Jugendli-cher in der Bundesrepublik Deutschland. Herbolzheim: Centarus Verlag, 2000•Boos-Nünning, Ursula: Multikultuviert oder doppelt benachteiligt. Mi-nisterium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes NRW. Essen: 2000• Hurrelmann, Klaus: Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die so-zialwissenschaftliche Jugendforschung. München. Juventa Verlag, 11. überarbeitete Vorlage: 2012• Sökefeld, Martin: Aleviten in Deutschland: Identitätsprozesse einer Re-ligionsgemeinschaft in der Diaspora. Transcript Verlag, 1.Aufl. 2008

Identität [email protected]

A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie ��

Eines der auffälligsten Beobachtungen scheint wohl zu sein, dass sich sowohl alevitische Heranwach­sende als auch Erwachsene häufig über die Abgren­

zung vom „Fremden“ definieren. Äußerungen wie „Wir tragen kein Kopftuch“ oder „Wir beten nicht fünf Mal am Tag“ sind in dieser Hinsicht keine Seltenheit, wobei oft noch weitergegangen und das Alevitentum letztendlich als eine Religion vorgestellt wird, die von der Moderne bestimmt und sehr flexibel umsetzbar sei. Diese Negativ­definitionen weisen demnach darauf hin, wie unsicher die Selbstwahrnehmung junger alevitischer Menschen ist.

Bei der Bildung einer Identität ist es wichtig, die individu­elle Identität von der kollektiven zu unterscheiden. Wo­durch definiere ich mich und wodurch definiert sich mein alevitischer Kulturverein? Ist das Eigene das, was mich von den Sunniten unterscheidet? Und wenn ja, wie viel Iden­tität bleibt mir dann noch? Wie wertvoll ist diese Identi­tät, wenn sie durch das Fremde bestimmt wird? Und wie wichtig sind einheitliche Lebensweisen für eine kulturelle Identität? Bei der kollektiven Identität wird deutlich, wie wichtig historische und ethnische Gemeinsamkeiten sind. Je stär­ker diese ist, desto eher dient sie als Rahmenbedingung für die Ausbildung einer individuellen Identität. Das wohl markanteste Beispiel hierfür ist das Massaker in Sivas ge­wesen. Ismail Kaplan schreibt von einem Wendepunkt in der Identitätsgeschichte der Aleviten. Trotz räumlicher und persönlicher Distanz fand eine einheitlich starke Bewusst­machung statt, welche dazu führte, dass junge Aleviten anfingen, sich in der Öffentlichkeit zu ihrem Glauben zu bekennen. Trotz unterschiedlicher Abstammungen wur­de ein kollektives Identitätsgefühl geschaffen. Traurig ist jedoch, dass es erst schrecklicher Taten bedurfte, bevor dieses demonstrative Wirgefühl entstand. Die Frage, ob auch in Zukunft zunächst Ungerechtigkeiten geschehen müssen, damit das Gemeinschaftsgefühl gestärkt wird, mag ich nicht zu beantworten.Eine bewusste Auseinandersetzung mit der alevitischen

Glaubenslehre geschieht häufig, wenn es denn so be­hauptet werden darf, viel zu spät. Dies wird entweder durch Familienmitglieder eingeleitet oder in Form einer Fremdbeschreibung. Ich denke, dass das Wort Vorurteil hier zu recht gebraucht werden kann. Vorwürfen wie „Ihr betet nicht in der Moschee“ oder „Ihr fastet nicht während des Fastenmonats Ramadan“ entgegnen jun­ge Aleviten häufig mit einem Kopfnicken. Sie bestätigen diese negativen Beschreibungen, nehmen sie an und ver­innerlichen sie. Dies geschieht unter anderem, da Religion nicht als wesentliches bedeutungstragendes Merkmal für die Identitätsbildung gesehen wird. Das Elternhaus spielt hinsichtlich der Identitätsbildung eine besondere Rolle. Abgesehen von einem eher unbewussten Vorleben von alevitischen Gebräuchen, blieben Eltern nicht selten zu­rückhaltend was die direkte religiöse Aufklärung anging. Durch die Siedlung in größere Städte begann eine Los­lösung von der traditionellen alevitischen Glaubensauf­fassung und es fand zunächst eine Umorientierung statt, um sich in die neue Gesellschaft einfügen zu können. Ihre neuen Freiheiten in Deutschland machten sie zunächst politisch und gesellschaftlich aktiv statt den alevitischen Glauben im Vordergrund zu sehen. Auch heute stellen zahlreiche Eltern ihre alltäglichen migrantentypischen Pro­

Identitätsbildung von alevitischen jungen Erwachsenen

Identitä[email protected]

�� A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie

bleme über die Ausübung ihres Glaubens und die Weiter­gabe seiner Lehre. Wie wir wissen, hat die Arbeit im Ale­vitentum einen sehr hohen Stellenwert. Der Mensch soll sich entfalten und dem Allgemeinwohl der Gesellschaft dienen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ausübung religiöser Handlungen seine Wichtigkeit verliert. Eine ge­sunde Mischung, die jede Alevitin und jeder Alevit für sich selbst zu entscheiden hat, prägt die individuelle Identität. Ein besonders häufig auftretendes Phänomen ist, dass eine zunehmende Individualisierung und der Zugewinn an Freiheit in Konflikt mit der eigenen alevitischen Glau­bensgemeinschaft gesehen werden. Die Identität wird entweder über die Religion oder über eine individuelle neumoderne Lebensweise definiert. Sie wird als eine Ein­heit gesehen, welche beides nicht zu vereinbaren scheint. Wie kann ich mich auf der einen Seite mit meinem Glau­ben auseinandersetzen und diesen praktizieren und auf der anderen Seite als Teil einer Gesellschaft im Studium oder Beruf fungieren? Widerspricht eine kritisch hinterfra­gende Persönlichkeit einem religiösen Menschen?

Wichtig ist doch die Einsicht, dass wir niemals ein Prototyp einer Gesellschaft sein werden. In allen Lebensbe­reichen, in denen wir auf unterschiedliche Gemeinschaften stoßen, wird unsere Identität differenziert stark geprägt werden.

Unsere alevitischen Gemeinden, Jugendprojekte wie die Zukunftswerkstatt der alevitischen Akademie aber auch Cem­Zeremonien tragen oft zur Identitätsbildung der Jugendlichen bei. Der Begriff der Identitätsbildung ist dynamisch. Das bedeutet, dass sie sich stetig verändert und entwickelt. Unsere Aufgabe sollte es daher sein, unserer eigenen Identität eine bestmögliche Entfaltung zu gewährleisten. Dies kann nur geschehen, wenn wir auch im Alevitentum nach Identifikationsmöglichkeiten suchen und das kollektive Identitätsgefühl stärken bzw. ein kollektives Gedächtnis entwickeln. Denn erst durch ein solides WIR kann ein ICH entstehen, das sowohl individuelle Faktoren als auch für die alevitische Glaubens­gemeinschaft bedeutsame Merkmale vereint.

P›nar BozkurtStudentin aus Wuppertal

Identität

Fotos: Tanzgruppe der Alevitischen Gemeinde Bochum auf dem Stadtteilfest 2012

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Undenkbar ist es für viele Glaubensgemeinschaften wie Christen, Juden oder Sunniten dass in ihren Glau­bensstätten keine regelmäßigen Angebote für die Kinder gäben. Es gehört zu den Selbstverständlichkeiten, Kinder von klein

an mit pädagogischen Konzepten dem jeweiligen Glauben

näher zu bringen. In den heiligen Feiertagen der Christen

sind die Jugendherbergen in Deutschland von Kirchengrup­

pen nahezu ausgebucht. Professionell wird Kindern spiele­

risch der eigene Glaube auf Feriencamps über mehrere Tage

beigebracht. Die Kinder haben Spaß, lernen neue Freunde

kennen und nebenbei nehmen Sie wichtige Identifikations­

merkmale mit nach Hause. Andere Glaubensgemeinschaften

haben erkannt, dass die Kinder bereits sehr früh damit

konfrontiert werden müssen und investieren bereits jetzt in

ihre Zukunft.

Doch wie sieht es bei uns Aleviten aus? Haben wir in unseren

Gemeinden regelmäßige Angebote für unsere Kinder? Bie­

ten wir Feriencamps für Kinder an, wo unseren Kindern mit

pädagogischen Konzepten, beispielsweise H›z›r, mit einem

simplen Spiel beigebracht wird? Oder ein Kindercem (zum

Lernen) im Rahmen eines Kindercamps? Haben wir für un­

sere Kinder Märchenbücher über Hz. Ali, Haci Bektafl, fiah

‹smail oder Pir Sultan Abdal? Viele Leser werden diese Fragen

sicherlich mit Nein beantworten und zugleich die Notwen­

digkeit dieses Handlungsfeldes erkennen. In diesem Artikel

wollen wir die Leser, die Gemeinden, die Ortsjungenden,

unsere Dachverbände und den Eltern dieses wichtige Hand­

lungsfeld näher bringen und zum Handeln motivieren.

In unserer Kultur spielt die Familie eine sehr große Rolle für

das Kind. Die Eltern vor allem die Mutter ist fast immer die

Bezugsperson. Sie sind für die geistige und körperliche Ent­

wicklung, aber auch für die Wertevermittlung der Kinder

Schlüsselfiguren. Aber auch die Eltern können eben nur das

weitergeben, was sie an Wissen besitzen. Wenn die Eltern

selbst nicht wissen, wer Hz. Ali war, was für eine Rolle der

Prophet Muhammed im Alevitentum spielt, welches Gottes­

und Menschenbild die Aleviten haben, was sich in Kerbela

ereignet hat oder was die 4 Tore und die 40 Stufen sind,

können wir selbstverständlich nicht erwarten, dass grundle­

gende Werte die das Alevitentum ausmachen ausreichend

an die Kinder herangetragen werden. Seien wir ehrlich und

fragen wir uns selbst. Wer als Kind nicht das Glück hatte aus

einer geistlichen Familie zu stammen (Was für die überwäl­

tigende Mehrheit der alevitischen Kinder der Fall ist), konn­

te von den Eltern nicht genug an Wissen über den eigenen

Glauben vermittelt bekommen. Man wusste zwar, dass man

Alevite ist, dass wir Hz. Ali lieben und die Ehli­Beyt vereh­

ren, am Muharrem fasten und anders als die anderen Tür­

ken sind, doch unsere oft einfachen Fragen überforderten

manchmal auch unsere Eltern.

Genau hier sollten alevitische Gemeinden Verantwortung

übernehmen und Kinder alevitischen Glaubens bereits früh­

zeitig mit dem alevitischen Glauben vertraut machen und

wichtige Identifikationsmerkmale bereits frühzeitig den Kin­

dern vermitteln. An Kindern mangelt es den Gemeinden

nicht. Die üblichen Kurse wie Folklore oder Saz aber auch

Veranstaltungen der Gemeinden werden reichlich von Kin­

dern besucht. Auch gibt es mittlerweile gut ausgebildete

alevitische Pädagogen die entsprechend kinderfreundliche

Konzepte entwickeln könnten.

Oben wurde bereits erwähnt, dass unsere Gemeinden kaum

etwas für unsere Kinder bieten, wobei andere Glaubens­

gemeinschaften genau hier sehr weit voraus sind und die

Wichtigkeit dieses Handlungsfeldes erkannt haben. Auch

bei uns sollte sich zugunsten unserer Kinder einiges ändern.

Die Rede ist jedoch nicht von einmaligen Angeboten son­

dern von nachhaltigen Angeboten die beispielsweise über

ein ganzes Kalenderjahr dauern und entsprechend von Fach­

männern / Frauen entwickelt wurden.

Es gibt eine Menge an Alternativen was man für Kinder

anbieten könnte. Ob das Wochenendprogramme, Ferien­

camps, Tagesveranstaltungen, Filmabende oder Dokumen­

tationen über Alevitentum sind aber auch einmal im Monat

mit dem geistlichen der Gemeinde Religionsunterricht für

Kinder, Kindercem‘s, oder spielerisch das Alevitentum kenn­

nenzulernen etc.. Wichtig ist nur, dass die Gemeinden hier

aktiv werden und in unsere Zukunft investieren.

Ein türkisches Sprichwort sagt: „A¤aç yafl iken e¤ilir“ (dt.:

Der Baum biegt sich in jungen Jahren). Wir hoffen, dass die

Botschaft, die dieser Artikel versucht hat zu vermitteln auch

angekommen ist und ein bisschen auf die angesprochenen

Defizite aufmerksam gemacht hat. Denn wir sollten nicht

vergessen UNSERE KINDER SIND UNSERE ZUKUNFT.

Redaktion A.L.E.V.I

Unsere Kinder sind unsere Zukunft

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Bei uns Aleviten hat die Musik einen ganz besonderen Stellenwert. Sie stellt für uns eine Verbindung zu Allah her, besonders in unseren Cem­Zeremonien, wo viele Ge­bete mit der Ba¤lama begleitet werden und viele heilige Lieder ein fester Bestandteil der Zeremonie sind.Ohne die Lieder bzw. Gedichte beispielsweise von fiah ‹smail Hatayi, Pir Sultan Abdal oder Ozane aus der uns näheren Zeit, von Afl›k Veysel oder Afl›k Daimi würde ein fester Bestandteil unserer Religion bzw. Identifikation fehlen.Obwohl manche Lieder Jahunderte alt sind, werden sie immer noch gesungen. Warum sollte eine musikalische Annäherung an unsere Religion nicht fortgeführt wer­den? Es hat sich doch bis heute bewährt.

Für unsere Kinder, die bald unsere Rollen einnehmen werden, haben wir uns überlegt Kinderlieder zu schrei­ben. Kinderlieder, die den Kindern als erste Annäherung zu dem Glauben dienen sollen, damit sie eine erste kleine Basis besitzen, auf die sie mit der Zeit aufbauen können. Eine Verbindung, die selbst im jungen Alter sehr wich­tig ist. Schließlich ist das Schöne an der Musik, dass man sich dadurch Dinge besser merken kann. Denn der „tro­ckene“ Stoff wird mit einem süßen, melodischen Mantel bekleidet.

Diese Methode wird bis heute erfolgreich von evange­lischen und katholischen Kindergärten angewendet. Das bestärkte uns in unserem Vorhaben, durch musikalische Identifikation Kindern den Glauben näherzubringen. Es gab nur zwei wichtige Aspekte zu berücksichtigen. Kind­gerecht und in deutscher Sprache sollten die Texte sein. Denn die deutsche Sprache ist für viele Kinder ein wich­tiger Bestandteil im Leben und gleichwertig mit der Mut­tersprache zu betrachten. Viele beherrschen die türkische Sprache nicht mehr richtig. Was aber nicht heißen soll, dass in Zukunft keine türkischen Lieder geschrieben wer­den. Gleichzeitig versuchen wir, die Lieder so zu schrei­ben, dass gewisse Bewegungen damit in Verbindung ge­bracht werden können. Bekanntermaßen führt dies dazu, dass die Kinder sich den Inhalt der Lieder besser merken können. Es gibt auch erste Ergebnisse, die wir euch Le­sern nicht vorenthalten und bald präsentieren wollen.

Wir wünschen euch noch viel Spaß beim weiteren Lesen der Zeitschrift und hoffen, dass euch die Lieder gefallen

Aflk ile Team Alevitentum

Emre Tahtali und Burcu Avsan

Lieder für Kinder„Musik verbindet“ so lautet ein berühmtes

Sprichwort, dass jeder von uns mal gehört

hat. Sie verbindet aber nicht nur Menschen

miteinander, sondern verbindet uns mit

allen gegenwärtigen Dingen, die es auf der

Welt gibt.

Selbstfindung im Glauben durch alevitische Projekte, Zusammentreff von Gleichgesinnten

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So wie wir Menschen auch

Die Wale singen, so wie wir Menschen auch, Allah, du bist der, der vom Himmel zu uns schaut. Nichts ist größer und nichts ist breiter, als deine Liebe, die jeder von uns braucht.

Die Fische schwimmen, so wie wir Menschen auch, Allah du bist der, der vom Himmel zu uns schaut. Nichts ist tiefer und nichts ist schöner, als deine Liebe, die jeder von uns braucht.

Die Vögel fliegen, so wie wir Menschen auch, Allah, du bist der, der vom Himmel zu uns schaut. Nichts ist größer und nichts ist breiter als deine Liebe, die jeder von uns braucht.

Alle Tiere beten, so wie wir Menschen auch, Allah, du bist der, der vom Himmel zu uns schaut, nichts ist tiefer und nichts ist schöner, als deine Liebe, die jedes Leben braucht.

Wichtig ist

Was du suchst, das such in dir, Haci Bektas sagte das. Imam Hüseyin ist mit dir, wie sein Bruder Celal Abbas.

Pir Sultan schrieb viele Lieder, um die Liebe uns zu zeigen, und er zeigte immer wieder, Schlechtes ständig zu vermeiden.

Jesus liebte jedes Wesen, wollte, dass wir von ihm lernen. Wichtig ist das Schreiben, Lesen. sodass wir Wissen kennenlernen.

Vergesse den Propheten nicht, der für uns hat viel getan, Muhammed zeigte uns das Licht, weil er mit Allahs Botschaft kam.

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LESENSWERTE BÜCHER

Rezension IIn dem Buch „Alevilik & K›z›lbafll›k Tarihi“ von Dr. Ali Yaman, welches im Oktober des Jahres 2011 veröffentlicht wurde, geht es um die islamische Glaubensrich­tung des Alevitentums. Im Buch werden nicht nur die historischen Grundlagen und die Entwicklungen der Aleviten be­

schrieben, sondern auch allgemeine Glaubensinhalte ver­deutlicht. Insgesamt besteht das Buch aus vier Kapiteln:

1. Zusammensetzung und Verbreitung des Alevitentums

­ Gruppierungen (türkische Aleviten, kurdische Aleviten, Bektafli, K›z›lbafl, Rafizi und Caferi) ­ Bevölkerungsstärke und regionale Verbreitung

2. Historische Entwicklung ­ Ursprung des Alevitentums ­ Entstehung des Alevitentums ­ Unterdrückung des Alevitentums

3. Glaubensinhalte ­ Hz. Ali / Ehlibeyt/ 12 Imame ­ Cem ­ die vier Tore/ vierzig Pforten ­ Musahiplik ­ eline­beline­diline sahip olmak

4. Literatur, Musik und Kunst im Alevitentum ­ Yunus Emre ­ Fuzuli ­ Semah ­ Afl›k Veysel

Ein zentrales Thema, welches im Buch angesprochen wird, ist dass sich das Alevitentum und das Haci Bektaschitum unter­scheiden, diese aber durch die Ursprungsgeschichte und Ent­stehungsgeschichte miteinander verbunden sind. Der Begriff ,,Alevilik‘‘ wird vom Autor neu erläutert worden, da seiner Meinung nach in der Türkei eine Begriffsverwirrung existiert, was zu einer falschen Interpretation des Alevitentums führt.Hinzu kommt die Unwissenheit, dass sich das Wort ,,Alevi‘‘ aus zwei Wörtern zusammensetzt; ,,Ali‘‘ und ,,Evi‘‘. Erst im Laufe der Zeit bildete sich die Begrifflichkeit ,,Alevi‘‘. Auch wird die Liebe zu Gott, Hz. Mohammed und Hz. Ali dem Leser verdeutlicht, was ein weiterer wichtiger Aspekt zum Verständnis des Alevitentums führt. Ein weiteres Element des Buches ist, dass sich der Autor nicht nur mit den geschicht­lichen Faktoren, sondern auch mit den gegenwärtigen Pro­blemen, die mit dem Alevitentum in Verbindung stehen, auseinandersetzt. Darunter zählen unter anderem die Ver­folgung durch anderen ethnischen Gruppierungen und die eingeschränkte Ausübung des Glaubens. Persönlich kann ich das Buch nur weiterempfehlen, da es die Grundbausteine des Alevitentums vermittelt. Für Einsteiger in diese Thematik ist das Buch ideal, weil es sämtliche Aspekte des Alevitentum dem Leser vereinfacht vermittelt.

Rezension IIDr. Ömer Ulucay zeigt in seinem Buch „ARAP ALEVILIGI – Nusayrilik“ die isla­mische Religionsgemeinschaft der „Nu­sairier“. In seinem Buch welches er im Jahre 1996 veröffentlichte, werden nicht nur die geschichtlichen Aspekte der Nu­sairier beschrieben, sondern auch die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwi­

schen den Aleviten und den Nusairier erklärt. Der Name der Nusairier leitet sich von Mohammed Ibn Nusayr­Al Namiri, der als Gründer für diese Religionsgemeinschaft gilt. Sie be­ten 5mal täglich in einer Moschee oder in einer ihrer Gebets­häuser (ähneln dem ,,Cemevi‘‘), wobei die Frauen komplett ausgeschlossen werden, jedoch darf nicht jeder in diesen Gebetshäuser beten, da man erst eine gewisse Reife erlan­gen muss. Sie galuben daran, dass das Alevitentum eine Ab­spaltung ihrer Gemeinschaft sei, und erkennen wichtige Per­sönlichkeiten (z.B. Hac› Bektafl Veli, Yunus Emre, Pir Sultan Abdal etc.) nicht als ihre Autoritäten an. Es existieren jedoch auch viele Parallelen zum Alevitentum. Man kann in beiden ethnischen Gruppen nur hineingeboren werden und die Heranwachsenden werden von den Mitgliedern in die Glau­bensinhalte und Grundlagen unterwiesen. Beide ethnischen Minderheiten wurden/werden unterdrückt, vor allem im Os­manischen Reich wurden beide Gruppen verfolgt. Die Suche nach einem tieferen Sinn der Existenz, des Handels etc. und die Betonung der inneren Werte, sind wichtige Aspekte bei­der Glaubensrichtungen. Weitere sehr wichtige Gemeinsam­keiten sind, dass sie Hz. Ali als rechtmäßigen Nachfolger des Propheten anerkennen, an die 12 Imame und der Familie des Propheten (Ehlibeyt) glauben. Die Nusairier „Arap Alevileri“ mussten sich, bedingt durch die Umsiedlungspolitik des Osmanischen Reiches, in der Tür­kei niederlassen. In der heutigen Türkei leben sie in Antakya (Hatay), Mersin und Adana. Ihre Muttersprache ist arabisch. Zweck des Buches ist es, die Nusairier näherzubringen und die Vorurteile gegen diese Religionsgemeinschaft zu beseiti­gen. Der Autor ist Alevite, daher weiß er genau, wie schwer es für ethnische Minderheiten sein kann, ihre eigene Religion auszuleben.Im Grunde ist das Buch sehr vielfältig und enthält eine Men­ge aufklärende Informationen. Man erkennt, dass sich viele Inhalte des Alevitentum und der Nusairier überschneiden. Ich fand das Buch sehr interessant, da ich vorher über „Nu­sairier“ nichts wusste. Um das Buch verstehen zu können, sind Vorkenntnisse über das Alevitentum förderlich, ansons­ten kann man schnell die Lust am Buch verlieren. Sprachlich gesehen ist es anspruchsvoll, daher sind mindestens gute

türkisch Kenntnisse vonnöten. Abschlie­ßend kann ich das Buch für all diejeni­gen empfehlen, die Spaß an einer an­spruchsvollen Literatur haben.

Gözde Özdo¤an Team Presse

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