Alle Argumente abgewogen? · gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des s owie v m Kat h oli...

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informationen 158 | 2016-4 Sehr geehrter Herr Minister Gabriel, herzlichen Dank für Ihren persönlichen Antwort- brief vom 9. August 2016 an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Postkartenaktion »Rüs- tungsexporte nach Saudi-Arabien. ICH SAGE NEIN!«. Ich sehe es als Ausdruck Ihrer Wertschätzung an, dass Sie unser »Engagement gut nachvollziehen« können. Denn wie Sie zu Recht anerkennen: »Saudi- Arabien befindet sich in einer Region mit zahl- reichen Konflikten, die teilweise gewaltsam ausge- tragen werden«. Leider gehen Sie auf unser Argument »Saudi-Arabien verletzt die Menschenrechte im eigenen Land und ist Kriegspartei im Jemen« nur indirekt ein. Und die Frage, »dürfen wir an dieses Land weiter Waffen liefern?«, beantworten Sie gar nicht. Foto: dpa Ihr Antwortbrief ist eher ein allgemeines Statement zur Genehmigungspraxis. So versichern Sie, »dass es sich die Bundesregierung bei Entscheidungen nicht leicht« mache. In jedem Einzelfall würde gründlich geprüft, ob Ausfuhren genehmigt werden. Doch wie erklären Sie es sich dann, dass Deutschland weiter- hin einer der weltweit führenden Rüstungsexpor- teure ist? Und sich die Genehmigungswerte für die Einzelausfuhren von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern im Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2014 fast verdoppelt haben? Im schwierigen Spannungsfeld zwischen außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen würden alle Aspekte berücksichtigt, gewichtet und abge- wogen. Dazu gehöre beispielsweise auch die Frage, wie Menschenrechte beachtet werden: »Auch bei Entscheidungen über Exporte nach Saudi-Arabien | 4 Kleinwaffenexporte und die Folgen | 10 Lebenslaute-Sommerkonzert vor dem AFRICOM | 11 Gedenken an Niels Hueck Alle Argumente abgewogen?

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informationen158 | 2016-4

Sehr geehrter Herr Minister Gabriel,

herzlichen Dank für Ihren persönlichen Antwort-brief vom 9. August 2016 an die Teilnehmerinnenund Teilnehmer unserer Postkartenaktion »Rüs-tungsexporte nach Saudi-Arabien. ICH SAGE NEIN!«.Ich sehe es als Ausdruck Ihrer Wertschätzung an,dass Sie unser »Engagement gut nachvollziehen«können. Denn wie Sie zu Recht anerkennen: »Saudi-Arabien befindet sich in einer Region mit zahl -reichen Konflikten, die teilweise gewaltsam ausge-tragen werden«.

Leider gehen Sie auf unser Argument »Saudi-Arabienverletzt die Menschenrechte im eigenen Land undist Kriegspartei im Jemen« nur indirekt ein. Und die Frage, »dürfen wir an dieses Land weiter Waffenliefern?«, beantworten Sie gar nicht.

Foto: dpaIhr Antwortbrief ist eher ein allgemeines Statementzur Genehmigungspraxis. So versichern Sie, »dass essich die Bundesregierung bei Entscheidungen nichtleicht« mache. In jedem Einzelfall würde gründlichgeprüft, ob Ausfuhren genehmigt werden. Doch wieerklären Sie es sich dann, dass Deutschland weiter-hin einer der weltweit führenden Rüstungsexpor-teure ist? Und sich die Genehmigungswerte für dieEinzelausfuhren von Kriegswaffen und sonstigenRüstungsgütern im Jahr 2015 gegenüber dem Jahr2014 fast verdoppelt haben?

Im schwierigen Spannungsfeld zwischen außen-und sicherheitspolitischen Erwägungen würden alle Aspekte berücksichtigt, gewichtet und abge -wogen. Dazu gehöre beispielsweise auch die Frage, wie Menschenrechte beachtet werden: »Auch beiEntscheidungen über Exporte nach Saudi-Arabien

| 4 Kleinwaffenexporte und die Folgen | 10 Lebenslaute-Sommerkonzert vor dem AFRICOM | 11 Gedenken an Niels Hueck

Alle Argumenteabgewogen?

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l 2 Aktion Info 158 l 2016-4 l

werden all diese Aspekte abgewogen.« Entscheidun-gen, Herr Minister, die noch zu oft zugunsten einerExportgenehmigung an die kriegführenden undmenschenrechtsverletzenden Machthaber in Riadausfallen. Allein im Jahr 2015 genehmigten Sie Rüs-tungsexporte im Wert von 270 Millionen Euro. Darun-ter fällt unter anderem der Export von 100 Klein-drohnen, Munition für Panzer und Pistolen, Technikfür Boden-Luft-Raketen sowie Teilen für Kampfflug-zeuge und Panzer.

»Es liegt nicht im außen- und sicherheitspolitischenInteresse Deutschlands, die internationalen Be-mühungen um eine Entspannung der Beziehungenzwischen dem Westen und dem Iran … durch eineweitere Aufrüstung Saudi-Arabiens zu konterkarie - ren«, ist eines der Argumente der »Fachgruppe Rüstungsexporte« der beiden großen deutschen Kirchen für einen Stopp aller Rüstungsexporte nachSaudi-Arabien. Und wie Sie wissen, sprach sich dasEU-Parlament im März 2016 unter dem Eindruck derkatastrophalen Lage im Jemen und der Massen hin -

richtungen in Saudi-Arabien für ein Rüstungs export - embargo aus. Dennoch gab die Bundes regierungMitte des Jahres grünes Licht für die Aus lie ferungdes ersten von 48 bestellten Patrouillenbooten.

Sehr geehrter Herr Minister, ich freue mich, dass dieBundesregierung seit 2014 keine Bauteile mehr für die Produktion von G 36-Gewehren nach Saudi-Arabien liefert. Eine Entscheidung zugunsten desFriedens und der Menschenrechte. Denn die Bewah-rung des Friedens und die Einhaltung der Menschen-rechte in und um Saudi-Arabien sind hohe Güter.Diese können bei der Abwägung aller Argumenteüber eine Entscheidung für oder gegen Waffenex-porte nicht hoch genug gewichtet werden. Daherfordere ich Sie auf: Stoppen Sie jetzt auch alle ande-ren deutschen Waffenexporte nach Saudi-Arabien!

Ihr Paul Russmann

Den Brief von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowie eine kritische Abwägung seiner Argumente finden Sie unterwww.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten.

Nach Abwägung aller Argumente bleiben wir dabei:Deutschland darf keine Kriegswaffen und sonsti-gen Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien exportieren. Die Bewahrung des Friedens und die Einhaltung derMenschenrechte in und um Saudi-Arabien müssenmit einem größeren Gewicht in die Entscheidungenüber deutsche Rüstungsexporte einfließen.

Unterstützen Sie unsere neue Postkartenaktion und fordern Sie von Minister Gabriel:

Geben Sie den Menschenrechten und dem Friedenmehr Gewicht. Stoppen Sie alle deutschen Waffen-lieferungen nach Saudi-Arabien!

Aktionspostkarten an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erhalten Sie kostenlos bei Ohne Rüstung Leben, Arndtstraße 31, 70197 Stuttgart,Tel. 0711 608396, [email protected].

Diese Aktion finden Sie auch unter www.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen.

Waffenexporte nach Saudi-ArabienNeue Aktionspostkarte an Minister Sigmar Gabriel

Viele von Ihnen haben den Antwortbrief von Bun-deswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erhalten,den dieser am 9. August 2016 an die Teilnehmerin-nen und Teilnehmer unserer Postkartenaktion »Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. ICH SAGENEIN!« verschicken ließ. Doch die Darlegungen des Ministers können nicht überzeugen.

WAFFENEXPORTENACH SAUDI-ARABIENALLE ARGUMENTE ABGEWOGEN?

JA NEIN

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Das Motto der 37. Ökumenischen FriedensDekadelautet »Kriegsspuren«. Vom 6. bis 16. November2016 wird in Gottesdiensten, Friedensgebeten undweiteren Veranstaltungen auf die besondere Ver-antwortung von Christinnen und Christen für denFrieden hingewiesen. Im Folgenden dokumentierenwir Auszüge aus dem Grußwort der TheatergruppeBerliner Compagnie.

Kriegsspuren … sind nicht nur das, was ein Krieghinterlässt; Kriegsspuren sind auch die abschüssi-gen Bahnen, die zu ihm führen, wie Waffenlieferun-gen und Aufrüstung. Und vor den Schüssen kommendie Worte. Dem Kriegsausbruch gehen die Drohun-gen voraus, die Ultimaten, die Bilder vom Feind.

»Abschüssige Bahnen, die zu Kriegführen«Ökumenische FriedensDekade 2016

l Info 158 l 2016-4 3 Aktuell l

Ökumenische FriedensDekade6. bis 16. November 2016www.friedensdekade.de

Wir halten es für ungemein wichtig, dass es kriti-sche friedenspolitische Stimmen gibt, die sich fürein an Frieden und Gerechtigkeit ausgerichtetes gewaltfreies Denken einsetzen. Dass die Friedens-Dekade nicht nur auf die schrecklichen Folgen gewalttätiger Konflikte aufmerksam machen will,sondern zugleich aufzeigt, wie Spuren des Kriegesbereits vor der konkreten Gewaltanwendung ge-legt werden, unterstützen wir ganz besonders.

Viele Medien spielen dabei oftmals eine unkritischeRolle. Auch in unserem aktuellen Theaterstück DasBild vom Feind machen wir am Beispiel des Ukraine-Konfliktes auf die »Bilderproduktion« in unseremLand aufmerksam, verdeutlichen wir, wie Vorurteilegeschürt und häufig einseitige Lösungsvorschlägegemacht wurden. Umso wichtiger ist es, wie esauch die FriedensDekade einfordert, alle Seiteneines Konfliktes ernsthaft wahrzunehmen und zuversuchen, die Sichtweise der anderen Seite zu verstehen. Nur auf einer solchen Basis ist Friedenlangfristig zu gestalten, davon sind wir überzeugt.

www.friedensdekade.de

Unterschriftensammlung: Export von Kleinwaffenund Munition stoppen!

Die FriedensDekade 2016 unterstützt die »AktionAufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« bei der Unterschriftensammlung gegen den Export vonKleinwaffen und Munition. Wir haben entspre-chende Unterschriftenlisten bereits seit Oktober2015 in Umlauf gebracht. Bitte denken Sie daran, die bei Ihnen noch vorhandenen Listen – egal obganz oder nur teilweise gefüllt – bis spätestens 30. November 2016 an die Geschäftsstelle von Ohne Rüstung Leben zu rückzuschicken.

Vielen Dank!

Die Aktion finden Sie auch unter www.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen.

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l 4 Aktuell Info 158 l 2016-4 l

Rund 1,5 Milliarden Menschenleben weltweit in fragilen undvon Konflikten und Gewalt ge-prägten Ländern. Kleinwaffenspielen in diesem Kontext eineherausragende Rolle. Denn essind Kleinwaffen, die Konflikteverschärfen und dazu beitragen,dass Gewalt eskaliert, wieder-kehrt und manchmal jahrzehnte-lang andauert.

Im April und Juni 2016 führtenKerstin Deibert und Paul Russ-mann für Ohne Rüstung Leben in Stuttgart, Freiburg und Heidel-berg Workshops zu Kleinwaffen-exporten durch. Als Begleitmate-rial ver öffentlichen wir nun dieReihe »Auf einen Blick«. Anschau-lich und kompakt beleuchten die Hintergrundpapiere anhandkonkreter Fallbeispiele die Folgender Verbreitung, der Verfügbar-keit und des Einsatzes von Klein-waffen für die Menschen in den Ländern des Globalen Südens.

Frieden und EntwicklungDie massenhafte Verbreitung vonKleinwaffen stellt eine der größ-ten Herausforderungen für nach -

haltige Entwicklung dar. Denndort, wo bewaffnete Konflikte einLand beherrschen, fallen viele Bemühungen zur Armutsbekämp-fung auf unfruchtbaren Boden.Und das,was bereits an Fortschrit-ten erreicht wurde, wird durch bewaffnete Gewalt und gewalt-same Konflikte häufig rückgängiggemacht.

Weltweit sind Kleinwaffen fürmehr Tote und Verletzte verant-wortlich als jede andere Waffen-art. Neben diesen direkten Folgen,sind es insbesondere die sozio-ökonomischen, kulturellen undpsychischen Folgen, welche die Lebensqualität der Menschen inden Empfänger ländern tiefgrei-fend beeinträch tigen. Beispiele da für sind eine höhere Kindersterb -lichkeit, höhe re Sterberaten auf-grund von Infektionskrank hei ten,verminderter Zugang zu Nahrungs -mitteln, Unterernäh rung und ge-ringere Einschulungs quoten.

»Auf einen Blick«Mit unseren vier Fallstudiengehen wir dem Zusammenhangvon Frieden und Entwicklung

Kleinwaffenexporte und die Folgen

Das Projekt »Kleinwaffen: Ein großesHindernis auf dem Weg zu nachhal -tiger Entwicklung« wird finanziell gefördert von ENGAGEMENT GLOBALim Auftrag des

sowie vom Katho lischen Fonds.

nach. Die Ausgabe zu Kindersol-daten untersucht, wie die hoheVerfügbarkeit von Kleinwaffenmit der zunehmenden Rekrutie-rung von Kindersoldaten in denvergangenen 50 Jahren zusam-menhängt. In einer Länderstudiezu Honduras beleuchten wir dieHintergründe der eskalierten Gewalt im Kontext von organi-sierter Kriminalität und Drogen-handel.

In den weiteren Ausgaben thema-tisieren wir bewaff nete Gewaltund gewaltsame Konflikte alsFluchtursachen und beschäf tigenuns mit illegalen Waffen liefe run -gen nach Mexiko.

Kerstin Deibert

Die Reihe »Aufeinen Blick« findenSie zum Downloadunter www.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen

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l Info 158 l 2016-4 5 Hintergrund l

Auf einen Blick

Fluchtbewegungen weltweit

Ende 2015 waren laut dem Flüchtlingshilfswerk derVereinten Nationen 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Das bedeutet, dass im Durchschnitt injeder Minute des vergangenen Jahres 24 Männer,Frauen und Kinder aus ihrer Heimat vertrieben wur-den. Sie flohen vor gewaltsamen Konflikten, eska -lierender Gewalt, politischer, ethnischer oder religiö-ser Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen.Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheitwaren so viele Menschen gezwungen, ihr Zuhausezu verlassen. Fast zwei Drittel aller Vertriebenen weltweit sindBinnenflüchtlinge, also Personen, die innerhalb ihres Landes auf der Flucht sind. Etwa 20 Millionenflüchteten über Landesgrenzen hinweg. Die Hälftedieser Flüchtlinge ist unter 18 Jahre alt.In Deutschland bewegt die »Flüchtlingsfrage« Medien und Gemüter seit Mitte 2015, als die Zahlder Personen, die Zuflucht in Europa suchten, starkanstieg. Dabei kommt nur ein kleiner Teil aller weltweit Fliehenden in Europa an. Fast 90 Prozentwerden von Ländern außerhalb westlicher Indus-triestaaten aufgenommen – allen voran von der Türkei, Pakistan, vom Libanon, vom Iran, Äthiopienund Jordanien. Global betrachtet ist Flucht alsokeine europäische Herausforderung, sondern vorallem eine Herausforderung des Globalen Südens.

Fluchtursachen – warum Menschen fliehen

Flucht kann als eine Reaktion darauf verstandenwerden, dass Menschen ihre psychische und physi-sche Integrität bedroht sehen. Diese Bedrohungkann durch Kriege, Gewalt, politische Repression,Terrorismus, Nahrungsmangel oder Naturkatastro-phen verursacht werden. In den kommenden Jah-

ren wird der Klimawandel mit seinen Auswirkungenauf Natur und Mensch als Fluchtursache an Bedeu-tung gewinnen.Große Fluchtbewegungen entstehen in vielen Fällendann, wenn mehrere dieser Gründe zusammenkom-men. Ein Beispiel hierfür war im Jahr 2011 die Mas-senflucht aus Somalia: damals wurde das ostafrika-nische Land von der schlimmsten Dürrekatastrophein 60 Jahren heimgesucht. Dies löste eine schwereHungersnot in der Region aus. Gleichzeitig war So-malia als Staat bereits von einem jahrzehntelangenKonflikt zwischen verschiedenen bewaffnetenGruppierungen stark geschwächt. Tausende flohentäglich in die Nachbarländer Kenia und Äthiopien.Im September 2011 war ein Drittel der somalischenBevölkerung auf der Flucht vor Dürre, Hunger undGewalt. Die Vereinten Nationen berichteten, dassviele Flüchtlinge bis zum letzten Moment ausharr-ten und Gewalt, Ernteausfälle und steigende Le-bensmittelpreise so lange hinnahmen, bis sie keineÜberlebenschance mehr für sich sahen.

Kriege, Gewalt und Kleinwaffen: Wenn Menschen fliehen müssen

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Hintergrundinformationen zu dem Projekt »Kleinwaffen: Ein großes Hindernis auf dem Weg zu nachhal tiger Entwicklung«

Foto: gemeinfrei

Die Reihe »Auf einen Blick« finden Sie unter www.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen

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l 6 Hintergrund Info 158 l 2016-4 l

Die Reihe »Auf einen Blick« finden Sie unter www.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen

l Kriege, Gewalt und Kleinwaffen: Wenn Menschen fliehen müssen Auf einen Blick 03 l August 2016 l

Bewaffnete Konflikte und die aktuelle Flüchtlingskrise

Die Zahl der Vertriebenen nimmt in den meisten Re-gionen dieser Welt seit den 90er-Jahren zu. In denvergangenen 5 Jahren jedoch stieg ihre Anzahl über-durchschnittlich stark an. Das Flüchtlingshilfswerkder Vereinten Nationen sieht hinter dieser Entwick-lung drei Gründe: ∂ Situationen, die große Fluchtbewegungen verur-

sachen, halten länger an (z. B. die bewaffnetenKonflikte in Afghanistan und Somalia).

∂ Es treten häufig neue oder wiederaufflammende,dramatische Konfliktsituationen auf (z. B. Syrien,Südsudan und Jemen).

∂ Es werden immer weniger Lösungsansätze ge-funden, um Vertriebene zu unterstützen.

Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit kamen2015 aus gerade einmal drei Ländern: Syrien, Afgha-nistan und Somalia. Alle drei Länder sind von be waff -ne ter Gewalt und jahrelangen gewaltsamen Konflik-ten geprägt. Dies gilt auch für alle weiteren Länder,die jeweils mehr als zwei Millionen Vertriebene auf-wiesen: die Demokratische Republik Kongo, der Irak,Jemen, Kolumbien, Nigeria, Sudan und Südsudan.Die Vereinten Nationen benennen außerdem eineweitere zugespitzte Situation, die 2015 deutlichwurde: Die Zahl der Vertriebenen in den mittelame-rikanischen Ländern El Salvador, Guatemala undHonduras verfünffachte sich in den letzten drei Jah-ren aufgrund eskalierender Gewalt.

Kleinwaffenexporte als Fluchtursache?

Die aktuellen Entwicklungen der Fluchtbewegun-gen weisen darauf hin, dass gewaltsame Konflikteund bewaffnete Gewalt in den meisten Fällen aus-schlaggebende Faktoren sind. Kleinwaffen spielenin diesem Kontext eine entscheidende Rolle. Sie ermöglichen die Bewaffnung staatlicher wie nicht-staatlicher Akteure und fordern weltweit die meistenzivilen Opfer im Rahmen von bewaffneter Gewaltund gewaltsamen Konflikten.Ein bedrückendes Beispiel hierfür ist Afghanistan,das seit mehr als drei Jahrzehnten eine ununterbro-chene Folge von Kriegen und Bürgerkriegen erlebt.Seit 1979 wird das Land mit Kleinwaffen, die auf legalen und illegalen Wegen in das Land gelangen,überflutet. In den Jahren 2014 und 2015 war lautAmnesty International die Zahl der getöteten Zivi-listen so hoch wie noch nie. Ein Großteil dieser Menschen wurde Opfer der Angriffe von Milizen der

Taliban oder anderer bewaffneter Gruppen. Mit79.442 Asylanträgen von Januar bis Juli 2016 sindMenschen aus Afghanistan heute die zweitgrößteGruppe von Geflüchteten, die Deutschland erreichen. Dieses Muster lässt sich auf andere Beispiele über-tragen: So hat Deutschland seit 2010 Kleinwaffen-exporte in Millionenhöhe in nahezu alle Länder genehmigt, die als die Hauptherkunftsländer vonFlüchtlingen gelten, die 2015 in Deutschland Asylbeantragt haben. Die Ursachen für Flucht auf Kleinwaffenexporte zureduzieren, würde der Komple xität unserer globa -lisierten Welt nicht gerecht. Doch ohne den Nach-schub von Kleinwaffen und der dazugehörigen Munition wäre die blutige Gewalt, die so viele Men-schen zur Flucht zwingt und sie daran hindert, wie-der in ihre Heimat zurückzukehren, kaum möglich.

QuellenUNHCR, Global Trends. Forced Displacement in 2015, The UN RefugeeAgency, 20. Juni 2016, http://www.unhcr.org/

UNHCR, Fact Sheet: Global forced displacement, August 2016

UNHCR, Crisis in Horn of Africa. A worsening humanitarian situation

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Was kann Entwicklungs-politik zur Bekämpfung von Fluchtursachen beitragen?, Analysen undStellungnahmen, 14/2015, http://www.die-gdi.de

Schmidt, Dorothea, Die deutsche Rüstungsexportpolitik. Wer Waffenliefert, heizt Kriege an und treibt Menschen in die Flucht, PROKLA, 46(183), 2016

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftsstatistik fürden Monat Juli 2016, http://www.bamf.de

ImpressumHerausgeber Ohne Rüstung LebenArndtstraße 31 70197 StuttgartTelefon 0711 608396Telefax 0711 608357E-Mail [email protected]

Verantwortliche RedakteurinKerstin Deibert

GestaltungAtelier Sternstein | manufactur m

Bezugwww.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen

Für den Inhalt dieser Publikation ist allein Ohne Rüstung Leben verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht denStandpunkt von Engagement Global gGmbH und dem Bundes -ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung wieder.

Das Projekt »Kleinwaffen: Ein großes Hindernis aufdem Weg zu nachhal tiger Entwicklung« wird finanziell gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des

sowie vom Katho lischen Fonds.

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Das Landgericht Stuttgart hat im Mai 2016 die An-klage gegen mehrere, teils ehemalige Mit arbei te -rin nen und Mitarbeiter des Rüstungs produzentenHeckler & Koch zugelassen. Ihnen wird vorgeworfen,dafür verantwortlich zu sein, dass Heckler & Koch in den Jahren 2005 bis 2009 Sturmgewehre in diemexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Chihuahua,Jalisco und Guerrero geliefert hat. Für diese Bundes-staaten gab und gibt es keine Exportgenehmigung!Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine Straf -anzeige von Holger Rothbauer, Rechtsanwalt undseit 2004Mitglied im Initiativkreis von Ohne RüstungLeben. Im Interview sprachen wir mit ihm überseine Sicht auf das Verfahren.

Lieber Holger, du hast vor über sechs Jahren Anzeigegegen Mitarbeiter von Heckler & Koch und späterauch gegen Beamte der Genehmigungsbehörden er-stattet. Wie kam es dazu?

l Info 158 l 2016-4 7 Hintergrund l

Anfang 2010 haben sich ehemalige Mitarbeiter derFirma Heckler & Koch bei Jürgen Grässlin und mirgemeldet und auf merkwürdig erscheinende Dealsmit dem G 36-Sturmgewehr in Mexiko hingewie-sen. Die Vorgänge wurden mir detailliert geschil-dert und Dokumente übergeben. Um die Whistle-blower zu schützen, war es geboten, Strafanzeige zu stellen. Ende April 2010 wurde dann die Staats-anwaltschaft Stuttgart für den Fall zuständig. Die Ermittlungen begannen sehr schleppend – das änderte sich erst, als der Spiegel und die ARD-Sendung Report Mainz ausführlich berichteten.Im Laufe des Ermittlungsverfahrens wurde mirmehr und mehr klar, dass Heckler & Koch den Waf-fendeal nicht alleine ausgeführt haben konnte, sondern Hilfe durch Ministerien erhalten habenmuss. Daher habe ich im November 2012 die Straf-anzeige erweitert: wegen des Verdachts der Bei-hilfe zum Verstoß gegen das Kriegswaffenkontroll-gesetz und das Außenwirtschaftsgesetz durch

»Die gesamte Rüstungsexportpolitikauf den Prüfstand gestellt«Interview mit Rechtsanwalt Holger Rothbauer

Protest vor derStaatsanwalt-schaft Stuttgart im April 2015 Foto: Jens Volle

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Sollte es zu einer Verurteilung kommen, welche Reak-tion erwartest du von der Bundesregierung?

Offiziell wird die Bundesregierung diesen Fall als einbeliebiges Strafverfahren herunterspielen und kei-nen Kommentar dazu abgeben. Inoffiziell ist schonjetzt bekannt, dass es durch die Anklageerhebungund die ARD-Dokumentation Tödliche Exporte – Wiedas G 36 nach Mexiko kam zum Spielfilm Meister des Todes im September 2015 zu erheblichen Irrita-tionen im Auswärtigen Amt und im Bundesministe-rium der Wirtschaft gekommen ist. Auch die jetztvon Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an-gedachte »Kommission zur Zukunft der Rüstungs -exportkontrolle« mit dem möglichen Ergebnis einesvöllig neuen Rüstungsexportgesetzes ist letztlicheine Folge davon, dass wir diesen Mexiko-G 36-Dealaufgedeckt haben – und der massiven öffentlichenAktivitäten der »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«.

Die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«hat fast 100.000 Unterschriften für ein generelles Rüstungsexportverbot gesammelt. Was haben dieseUnterschriften bewirkt?

Diese große Zahl von Unterschriften hat dazu ge-führt, dass im parlamentarischen und politischenBereich eine enorme Aufmerksamkeit auf dasThema »Rüstungsexporte aus Deutschland« ge-legt wurde. Sie sorgte dafür, dass im März 2015 der Petitionsausschuss erstmalig unter Vorladung des zuständigen Ressortministers Sigmar Gabrieleine öffentliche Beratung im Bundestag durch-führte. Aufgrund der Intensität des Themas habendie Abgeordneten des Petitionsausschusses bisheute noch keine Entscheidung über die Petition getroffen. Das ist ein Riesenerfolg für die »AktionAufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«.

Herzlichen Dank für diese Einblicke und weiterhin so viel Erfolg!

Die Fragen stellten Charlotte Kehne und Simon Bödecker.

Über alle aktuellen Entwicklungen zum Thema berichten wir auch zukünftig unter www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten.

l 8 Hintergrund Info 158 l 2016-4 l

Holger RothbauerFoto: privat

Handlungen von Beamten in den Ministerien undbeim Bundesausfuhramt.

In der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 star-ben in Iguala im mexikanischen Bundesstaat Guer-rero sechs Menschen, als Lehramtsstudenten von Poli-zeikräften und weiteren bewaffneten Gruppenangegriffen wurden. 43 Studenten fielen in dieserNacht der Praxis des »Verschwindenlassens« zumOpfer. Vor Ort fand man G 36-Gewehre. Tragen Heckler & Koch und deutsche Genehmigungsbehör-den eine Mitverantwortung an diesen Verbrechen?

Ja, auf jeden Fall! In moralischer Hinsicht ist daskeine Frage, da sie genau wussten, wie die Situationin Mexiko ist und was mit deutschen Waffen dortalles passiert. Im juristischen Jargon muss man diesals »Dolus Eventualis« bezeichnen, da sowohl dieBundesregierung als auch Heckler & Koch zumin-dest billigend in Kauf genommen haben, dass beiLieferungen nach Mexiko die Studenten wie auchtausende andere Menschen getötet werden könn-ten. Deshalb erwägen die Opfervertreter der Hinter-bliebenen der getöteten Studenten nun, nach derZulassung der Anklage durch das Landgericht Stutt-gart, eine Nebenklage bei diesem Strafverfahren.Damit würde neben der moralischen Mitverantwor-tung auch die juristische geklärt.

Mit einem Beginn des Prozesses ist frühestens 2017 zurechnen, gegen die Genehmigungsbehörden wurdegar nicht erst Anklage erhoben. Wie beurteilst du denaktuellen Ablauf des Verfahrens?

Ich bin nach dieser sehr langen Ermittlungsdauernatürlich hocherfreut, dass Anklage erhoben wurdeund vor allem, dass das Landgericht Stuttgart dieseAnklage zugelassen hat. Das ist ein riesiger Erfolg!Aus meiner Sicht ist dieser Fall einmalig in der deut-schen Rechtsgeschichte. Trotz der nicht nachvoll-ziehbaren Einstellung des Ermittlungsverfahrensgegen die Verantwortlichen in den Ministerien undbeim Bundesausfuhramt sitzen diese quasi unsicht-bar mit auf der Anklagebank: Die Öffentlichkeitwird das Strafverfahren verfolgen und darin wirdnun – egal wie es endet – die gesamte Rüstungs -exportpolitik der vergangenen Bundesregierungenauf den Prüfstand gestellt.

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l Info 158 l 2016-4 9 Aktuell l

Regierungen eingesetzt werden.Sie sind eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass es heute 60 Millionen Flüchtlinge in derWelt gibt«.

Kein Widerspruch der Kirchen

Dierlamm beklagt, dass die Kir-chen bis heute keinen Wider-spruch erheben, »wenn Christin -nen und Christen freiwillig oderauf Anordnung des Staates imKrieg Mitmenschen töten«.An der »Ausübung des Terrors«beteilige sich die Kirche, seit-dem das Christentum im Römi-schen Reich zur Staatsreligionwurde. Sie habe »das Recht in Anspruch genommen, zahl-lose Menschen, Frauen undMänner, mit schreckenerregen-den Me thoden hinzurichten. Die Kirche hat Kreuzzüge be-fohlen, Kriege gerecht fertigt

und ihre Ausführung durch ge-taufte Glieder gutgeheißen.« In beiden Weltkriegen »wurde fürden Sieg der deutschen Waffen ge betet«.

Zum Segen für die Völker werden

Schließlich führt uns das »Memo-randum 2017« zur Frage der Ver-söhnung. Gott habe sich mit derWelt durch Jesus Christus versöhnt.»Gott will eine Kirche, die für dieVölker da ist, die verkündet, dassGott sie befreien wird vom Jochdes Kriegsdienstes, von den militä-rischen Institutionen, die sich aufkriegerische Einsätze vorbereiten.«Eine Kirche, die »zum Segen werdefür die Völker der Erde«.

Paul Russmann

Den vollständigen Text des »Memoran dum2017« finden Sie unter http://ultimara.blogspot.de/2016/08/memorandum-2017.html.

Am 31. Oktober 2017 jährt sichzum 500. Mal die Veröffentlichungder 95 Thesen, die Martin Lutherder Überlieferung nach an die Türder Schlosskirche in Wittenbergschlug. »Viele Menschen erwartenvom Gedenken an den Beginn derReformation vor 500 Jahren keinegroßen Jubiläumsfeiern, sondernwegweisende Anstöße für die Zu-kunft der Kir chen«, meint unserGründungs mitglied Pfarrer WernerDierlamm. Anstöße wie »die An -erkennung des Versagens im Ver-hältnis zu den Juden, den Einsatzfür die Flüchtlinge und Fortschrit -te im Ökumenischen Prozess fürGerechtigkeit, Frieden und die Be-wahrung der Schöpfung«.

»Die Gewalt mörderischer Waffen«

Werner Dierlamm will mit seinem»Memorandum 2017« nicht nur»das Versagen der Kirchen in derFrage von Krieg und Frieden be-wusst machen, sondern auch zumAusdruck bringen, worauf wir ineiner fast hoffnungslos scheinen-den Situation hoffen und wofürwir uns einsetzen wollen«. JedeAnwendung von »Waffen, die nurzum Töten von Menschen geeig-net sind«, bezeichnet er als »Ter-ror, der dann wieder mit Terror vergolten wird«. Weiter heißt esim Memorandum: »Das Unrecht in der Welt, der wachsende Unter-schied zwischen Reich und Arm,die Verwüstung der Schöpfungdurch große Konzerne wird er-möglicht und verteidigt durch dieGewalt mörderischer Waffen, obsie nun von Terroristen oder von

Segen für die Völker der Erde»Memorandum 2017« von Pfarrer Werner Dierlamm

Martin Luther-Denkmal auf demMarktplatz vonWittenbergFoto: dpa

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l 10 Aktion Info 158 l 2016-4 l

Die Lebenslaute sind ein Ensembleaus musikalischen Laien und Pro-fis, die mindestens einmal im Jahrmit ihren Instrumenten und Stim-men klassische Musik an Ortebringen, an denen man dies nichterwarten würde. Sie spielen aufMilitärübungsplätzen undAb schie - beflughäfen, vor Atom anla genund Raketendepots.

Am 29. August 2016 spielten rund80 Musikerinnen und Musiker der Lebenslaute vor der US-Kom-mandozentrale AFRICOM in Stutt-gart-Möhringen auf. Vier Stundeneher als geplant und angekündigttrafen sie sich am frühen Mon-tagmorgen und begannen, miteindrucksvollen Konzerten unterfrei em Himmel gegen US-Droh-neneinsätze zu protestieren.

Eine friedliche musikalische Protestaktion»In Stuttgart befinden sich mitdem AFRICOM und dem EUCOMzwei der sechs US-Kom mando -zentralen, in denen weltweit alleEinsätze der US-Armee koordiniertwerden. Im AFRICOM werden die

Todeslisten für den Einsatz von US-amerika nischen Kampfdrohnen erstellt. Die illegalen und völker -rechtswid rigen Tötungen mitKampf drohnen geschehen mitstill schweigender Duldung vonOber bürgermeister Fritz Kuhn und der Bundesregierung.« So begründete Paul Russmann vonOhne Rüstung Leben vorab sei-nen Aufruf zur Teilnahme an der Lebenslaute-Konzertaktion»Schluss akkord dem Drohnen-mord«.

Edith Gmeiner, Sprecherin der Lebenslaute, sagte im Gesprächmit dem SWR, es handele sich umeine friedliche musikalische Pro-testaktion. »Aber es geht ebenauch darum, durch die Aktionsartmehr Aufmerksamkeit zu kriegen;und wir wollen einen politischenDiskurs anregen.« Die Musikerin-nen und Musiker blockierten mitihren Konzerten von 6 Uhr an dieZufahrten des AFRICOM und tra-fen sich anschließend zum gemein-samen Sommerkonzert vor demHaupttor.

»Die Herzen der Menschen erreicht«Das Echo in den regionalen undüberregionalen Medien war groß: ausführlich und meist wohl -wol lend wurde von der Aktion be richtet. Unter dem Titel »Mit Mozart gegen Kampfdrohnen«sendete das SWR-Fernsehen einenumfangreichen Beitrag über dasKonzert und die Hintergründe.Die US-Kommandozentrale undihre Rolle im Drohnenkrieg, sonstverborgen hinter hohen Zäunenim Wald am Stadtrand von Stutt-gart, standen einen Tag lang imhellen Licht der Aufmerksamkeit.

»Ich freue mich sehr darüber,dass Musikerinnen und Musikeraus ganz Deutschland in ihrerFreizeit mit klassischen Klängenein lautstarkes Lebenszeichengegen den Drohnentod aus Stutt-gart gesetzt haben«, zog PaulRussmann ein erstes Fazit. »Mitihrer professionellen Musikhaben die Lebenslaute versucht,nicht nur den Verstand, sondernauch die Herzen der Men schen zu erreichen. Viele positive Reak-tionen, auch von Polizistinnenund Polizisten, Anliegern, Unter-stützerinnen und Unterstützernsowie von Seiten der Presse zei-gen mir, dass das Sommer konzertgegen die US-Drohneneinsätzeein großer Erfolg war.«

Simon Bödecker

Mehr Informationen, Bilder und Presse -berichte zum Lebenslaute-Konzert finden Sie unter www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten.

Lebenslaute-Sommerkonzert vor dem AFRICOM

Foto: Lebenslaute

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l Info 158 l 2016-4 11 Aktion l

Die Bundesregierung plant, den Rüstungsetat vonderzeit 34 Milliarden Euro weiter zu erhöhen. Begründet wird dies von Bundeskanzlerin AngelaMerkel mit »asymmetrischen Bedrohungen wie denterroristischen Gefahren«. Ohne Rüstung Leben be-zweifelt, dass mehr Geld für neue Waffensystemewirklich eine adäquate Antwort auf »asymmetrischeBedrohungen« sein kann.

Mit unserer Aktion »Keinen Cent mehr fürs Militär«haben wir in der letzten Ausgabe unserer Zeitungum Ihre Unterstützung gebeten. Anfang Septemberkonnten wir 6.715 Unterschriften an Frau Dr. GesineLötzsch, die Vorsitzende des Haushaltsausschussesim Bundestag, schicken. Gleichzeitig informiertenwir mit einem Brief alle Bundestagsabgeordnetenüber unser Anliegen.

Aus allen Bundestagsfraktionen erhielten wir Ant-worten. Im Folgenden dokumentieren wir einige derbei uns eingegangenen Stellungnahmen.

∂ Dr. Stefan Kaufmann (CDU) will mehr Geld fürAusrüstung und Unterbringung der Bundeswehr -soldaten und hält »zur Bekämpfung des sogenann-ten IS auch militärische Mittel für notwendig«.

∂ Dr. Ute Finckh-Kramer gehört zu einer Minderheitin der SPD, die »die Erhöhung des Verteidigungs-etats, der wesentlich mit den Auslandseinsätzen begründet wird, für falsch« hält.

∂ Katja Keul teilt »im Kern« unser Anliegen undwird »den erhöhten Verteidigungshaushalt ge -meinsam mit meiner Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ablehnen«.

∂ Dr. Gregor Gysi und weitere Abgeordnete derLinks partei unter stützen auch unser weitergehen-des Anliegen nach einer drastischen Reduzierungdes Rüstungsetats.

Mehr zur Aktion und zu den Antworten weiterer Abgeord ne terfinden Sie unter www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten.

Keinen Cent mehr fürs Militär

Foto: Susanne Bödecker

Niels Hueck war einer der Mitbegründer von OhneRüstung Leben. Am 23. Februar 1928 in Nord-deutschland geboren und dort aufgewachsen,hatte er noch am eigenen Leib die Schrecken desKrieges erlebt. Danach wurde er erst einmal Land-wirt und bewirtschaftete einen großen Agrar -betrieb. Anschließend studierte er Theologie underhielt mit 45 Jahren seine erste und einzige Pfarrstelle in Widdern an der Jagst, die er bis zumRuhestand 1990 innehatte.

Angeregt durch das Antimilitarismusprogrammdes Ökumenischen Rates, traf er sich mit den an-deren Gründungsmitgliedern von Ohne RüstungLeben in einer Arbeitsgruppe, in der dann im Frühjahr 1978 die Selbstverpflichtung entstand:»Ich bin bereit ohne den Schutz militärischer Rüstung zu leben.«

Von Anfang an war ihm die prak tische Erprobungder Gewaltlosigkeit im nächsten Umfeld wichtig.Der »Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Friedenund die Bewahrung der Schöpfung« wurde von 1983an sein Schwerpunkt. Er war Mit begründer derStadt-Land-Partnerschaft in der Region Hohenloheund arbeitete bei »Kairos Europa« mit.

Zum 20-jährigen Jubiläum von Ohne Rüstung Lebennach der weiteren Entwicklung gefragt, sagte er: »Es wird auf eine Lebensstilveränderung ankommenund darin wird Ohne Rüstung Leben an Gewicht gewinnen«.

Wir sind sehr dankbar, dass wir Niels Hueck bei unshaben durften.

Reinhardt Seibert

Gedenken an Niels Hueck

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l 130 3 l2009 12 Hintergrund linformationen158 | 2016-4

Inhalt

1 | TitelAlle Argumente abgewogen?

2 | AktionWaffenexporte nach Saudi-Arabien

3 | AktuellÖkumenische FriedensDekade 2016

4 | AktuellKleinwaffenexporte und die Folgen

5 | HintergrundKriege, Gewalt und Kleinwaffen: Wenn Menschen fliehen müssen

7 | Hintergrund»Die gesamte Rüstungsexportpolitikauf den Prüfstand gestellt«

9 | AktuellSegen für die Völker der Erde»Memorandum 2017«

10 | AktionLebenslaute-Sommerkonzert vor dem AFRICOM

11 | AktionKeinen Cent mehr fürs Militär

11 | AktuellGedenken an Niels Hueck

Liebe Leserin, lieber Leser,

der katholische Priester John Dear,der in den USA unzählige Malwegen Zivilen Ungehorsams ver-haftet wurde, gibt auch OhneRüstung Leben folgende Wortemit auf den Weg: »Unsere Aufga -be ist es also, nicht aufzugeben,nicht zu weichen, nicht nachzu-geben, nicht den Mut zu verlie-ren, sondern weiterhin eine neueWelt von Frieden, Gerechtigkeitund Gewaltfreiheit anzustreben«.

Mit Ihrer Spende zum Jahresendewerden weitere Schritte zu diesergewaltfreien Welt möglich.

Impressum

HerausgeberOhne Rüstung LebenArndtstraße 31 70197 StuttgartTelefon 0711 608396Telefax 0711 608357E-Mail [email protected]

Verantwortlicher RedakteurPaul Russmann

Gestaltung, Satz und LektoratAtelier Sternstein | manufactur m

DruckUWS-Druck, Stuttgart

Auflage: 15.500

Ohne Rüstung Leben ist Träger desGöttinger Friedenspreises 2011.

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Infor ma tionen und Aktionen rundum die Bildungsmesse »didacta«.

∂ Im Kreuzfeuer der Kritischen Aktionäre: Produktion und Exportvon Mercedes-Benz Militärfahr-zeugen.

∂ »atomwaffenfrei.jetzt«: Ab zug statt Modernisierung der letzten Atomwaffen ausDeutschland.

Ihre Susanne Hellstern

Unsere Aktivitäten im Jahr 2017

∂ »Aktion Aufschrei – Stoppt denWaffenhandel!«: Übergabe derUnterschriften für ein Exportver-bot von Kleinwaffen und Muni-tion an den Bundestag.

∂ »Frieden entwickeln – Kon-flikte gewaltfrei austragen«: Hintergrundinformationen undWorkshops für Multiplikatorin-nen und Multiplikatoren.

∂ »Schulfrei für die Bundes-wehr – Lernen für den Frieden«: