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11.12.2009 Prof. Dr. Oliver Niebuhr 1 Allgemeine & Vergleichende Sprachwissenschaft Professur für Analyse gesprochener Sprache Christian-Albrechts-Universität zu Phonetic details“ in Vokal-Frikativ-Sequenzen – Untersuchungen zum Deutschen, Französischen (und Englischen) Gastvortrag am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena vocal n o i s e

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Allgemeine & Vergleichende Sprachwissenschaft

Professur für Analyse gesprochener SpracheChristian-Albrechts-Universität zu Kiel

„Phonetic details“ in Vokal-Frikativ-Sequenzen– Untersuchungen zum Deutschen, Französischen

(und Englischen)

Gastvortrag amInstitut für Germanistische Sprachwissenschaft

der Friedrich-Schiller-Universität Jena

voca

lnoise

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„Phonetic detail“ und Intonation

• F0-Verlauf ist in die Kodierung auf der segmentellen Ebene eingebunden• F0-Anstieg und Abfall am Anfang und am Ende von Vokalen ist cue für fortis-lenis Unterschied (Kohler 1979)• F0 relativ zu Formanten bestimmt Vokalqualität (Traunmüller 1985)• Position von F0-Wendepunkten unterstützt perzeptorische Segmentierung (D‘Imperio 2000, Petrone 2008)• Lokale Einbuchtungen im F0-Verlauf können Repräsentant von /t/ sein• (...)

Lexeme, Phoneme, PhoneIntonation

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• F0-Verlauf ist in die Kodierung auf der segmentellen Ebene eingebunden• F0-Anstieg und Abfall am Anfang und am Ende von Vokalen ist cue für fortis-lenis Unterschied (XXX XXX, Kohler XXX)• F0 relativ zu Formanten bestimmt Vokalqualität (Traunmüller XXX)• Position von F0-Wendepunkten unterstützt perzeptorische Segmentierung (D‘Imperio XXX, Petrone 2008)• Lokale Einbuchtungen im F0-Verlauf können Repräsentant von /t/ sein• (...)

• Umgekehrt wird die segmentelle Ebene eher als „Störenfried“ der Intonation gesehen• Intonationskontur wird von Mikroperturbationen überlagert, d.h. Artikulation führt zu supraglottalen Druckschwankungen, Zungenbewegungen beeinflussen vertikale und horizontale Stimmlippenspannung (Fowler und Brown 1997)• Formantpositionen beeinflussen Tonhöhenwahrnehmung (intrinsic pitch, Stoll 1984; Niebuhr 2004)• Stimmlose Segmente unterbrechen den F0-Verlauf• (...)

Lexeme, Phoneme, PhoneIntonation

!

Die segmentelle Ebeneleistet vermutlich einenwesentlichen Beitragzur Signalisierung vonIntonationskategorien

„Phonetic detail“ und Intonation

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„Phonetic detail“ und Intonation„Okay!“

Früher Gipfel / H+L*= „Hab verstanden, wird erledigt, Gespräch beendet“

Später Gipfel / H+L*= „Wird erledigt, trotz Überraschung oder Entrüstung“

z.B. „Sie schickt“

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„Phonetic detail“ und Intonation„Okay!“

• Im Gegensatz zum Englischen werden im Deutschen die äußerungsfinal fallenden F0-Verläufe abgeschnitten. (vgl. „compression“ vs. „truncation“ von Grabe 1998)

• Bekommen wir also eine final steigende Intonation ? „Okay??“

z.B. „Sie schickt“

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„Phonetic detail“ und Intonation• Nein! In der Regel bleibt ein Residuum als final fallenden F0. Fragen und Aussagen unterscheiden sich nicht nur in

der Richtung des finalen F0-Verlaufs, sondern in ihrer Dauerstruktur, Stimmqualität, Niveau und Form des F0-Verlaufs, etc.

• Oft wird der abgeschnittene F0-Abfall trotzdem wahrgenommen! Der Hörer ergänzt das fehlende Stück.Stockholm ICPh - S

spät spät

!

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„Phonetic detail“ und Intonation• Wahrnehmung heißt immer konstruieren. Auf der Basis

der eingehenden Reize „reimen wir uns etwas zusammen“.

• Gibt es – außer den zuvor genannten - phonetische Details im Signal, die diesen Prozess unterstützen?• Nicht nur F0, auch Rauschen kann Tonhöheninformation tragen, über Variation in der spektralen Energieverteilung.

„sibilant pitch“, „spectral pitch“Stockholm ICPh - S

spät spät

!

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„Phonetic detail“ und Intonation• Wahrnehmung heißt immer konstruieren. Auf der Basis

der eingehenden Reize „reimen wir uns etwas zusammen“.

• Gibt es – außer den zuvor genannten - phonetische Details im Signal, die diesen Prozess unterstützen?• Nicht nur F0, auch Rauschen kann Tonhöheninformation tragen, über Variation in der spektralen Energieverteilung.

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• Vor diesem Hintergrund:• Akustische Analyse eines lesesprachl. Korpus, der

von K.J. Kohler & R. Gartenberg Anfang der 80er aufgenommen wurde

• (Eigentlicher Sinn: Untersuchung von Mikroprosodie und segmentellen Effekten auf die phonetische Realisierung der Intonationskategorien)

• Forschungsgegenstand: Äußerungsfinale /t/ Aspiration

• Zielwörter: auf “___ickt” ([kt]) endende Wörter, denen Personalpronomen “Sie” vorausgeht und die mit frühen und späten Gipfeln realisiert worden sind.

– “Sie schickt”, “Sie strickt”, “Sie schrickt”, “Sie tickt”, etc.

„Phonetic detail“ und Intonation

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„Phonetic detail“ und Intonation

Spektrale Energiemaxima vom Anfang zum Ende des [tsh]

Der Tonhöheneindruck des Frikativs fällt, insb. in demFall, wo der fast den ganzen F0-Abstieg abschneidet !!

• Ergebnis 1:• Es gibt Unterschiede im “phonetic detail” zwischen den

äußerungsfinalen /t/ Aspirationen aus den “__ickt” Wörtern mit frühem und spätem Gipfel.

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• Ergebnis 2a:• Es gibt Unterschiede im “phonetic detail” zwischen den

äußerungsfinalen /t/ Aspirationen aus den “__ickt” Wörtern mit frühem und spätem Gipfel.

• Nach ‘spät’ ist die Aspiration

– ...länger– ...höher (>E-Max im Spektrum)– ...und leiser (< Intensitätsmaximum)

• als nach ‘früh’

früh

spät

„Phonetic detail“ und Intonation

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„Phonetic detail“ und Intonation

“Sie schickt“‘früh‘ ,‘spät‘

Gartenberg und Panzlaff-Reuter (1991):‚spät‘ wird oft von längerer Dauer desAkzentvokals begleitet

Dombrowski et al. (2006):‚spät‘ geht oft mit energieärmerer, behauchterStimme im Akzentvokal einher

Niebuhr (2007):‚spät‘ betont hohe und ‚früh‘ tiefe Tonhöhe

Sind die Aspirationsgeräusche auch an Kodierung von ‚früh‘ und ‚spät‘ beteiligt?

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• Perzeptionsexperiment anhand des semantischen Differentials

• Ausgehend von der Äußerung “Sie tickt”• Systematische Manipulation des finalen

Aspirationsgeräusches– 2 Grundbedingungen:– “Lang”(p) und “Leise”(ce)– “Kurz”(p) und “Laut”(ce)– Jeweils kombiniert mit “Hoch” und “Tief”(o)– → 4 Bedingungen

• Konstante, flache, leicht abfallende F0-Kontur in allen Stimuli

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Was sind die Bedeutungen von H+L* und L*+H bzw. worin unterscheiden sie sich?

• Dombrowski (2003) und Kohler (2005) haben hierzu Wahr-nehmungsexperimente mit dem semantischen Differential durchgeführt

• Ihre Ergebnisse zeigen einen signifikanten Bedeutungs-unterschied zwischen ‘früh’ und ‘spät’ auf 6 Skalen

• Die gleichen 6 Skalen wurden auch für die “Sie tickt” Stimuli beurteilt

• Insgesamt haben 25 deutsche Muttersprachler am Experiment teilgenommen

frühspät

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Ergebnis 2b:• Die

Bedeutungsprofile bzw. –unterschiede der Aspirationsgeräusche aus den ‘früh’ und ‘spät’ Kontexten decken sich mit denen, die auf F0-Basis erzeugt werden.

• Intonationskategorien (“pitch accents”) sind nicht nur durch F0, sondern auch durch

„Phonetic detail“ und Intonation

„prototypisch“ segmentelle Eigenschaften kodiert.

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• Ausgehend von Ergebnissen zur Aspiration ist anzunehmen, dass sich auch andere Lautartikulationen in Abhängigkeit von den koinzidierenden Intonations-kategorien systematisch unterscheiden

• Im Fokus: der grundlegende Unterschied zwischen phrasenfinal fallenden und steigenden Konturen → L-% und H-%

• Welche Laute sind diesbezüglich besonders vielversprechend?

– // kann ebenso wie /t/ Aspiration “sibilant pitch” erzeugen. Zudem: wird // im Deutschen als [] realisiert. Diese Rundung kennzeichnet häufig bereits den vorangehenden Vokal → z.B. “Tisch” = [t].

• Ist // in Verbindung mit finalem H-% heller als mit finalem L-%? Ist die Rundung hierin involviert? Wenn ja, dann kann bei steigenden Konturen bereits der vorangehende Vokal (ent-)rundet/heller sein.

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Ausgehend von Ergebnissen zur Aspiration ist anzunehmen, dass sich auch andere Lautartikulationen in Abhängigkeit von den koinzidierenden Intonations-kategorien systematisch unterscheiden

• Im Fokus: der grundlegende Unterschied zwischen phrasenfinal fallenden und steigenden Konturen → L-% und H-%

• Welche Laute sind diesbezüglich besonders vielversprechend?

– Auch /x/ kann durch die Beschaffenheit des Rauschens tonale Information transportieren. Zudem: Da /x/ nach hinteren, gerundeten Vokalen /u/ auftritt, ist der Frikativ oft selbst gerundet, d.h. [x].

• Ist /x/ in Verbindung mit H-% heller als mit final L-%? Ist die Rundung hierin involviert? Wenn ja, dann kann bei steigenden Konturen bereits der vorangehende Vokal (ent-)rundet/heller sein.

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Ausgehend von Ergebnissen zur Aspiration ist anzunehmen, dass sich auch andere Lautartikulationen in Abhängigkeit von den koinzidierenden Intonations-kategorien systematisch unterscheiden

• Im Fokus: der grundlegende Unterschied zwischen phrasenfinal fallenden und steigenden Konturen → L-% und H-%

• Welche Laute sind diesbezüglich besonders vielversprechend?

– Im Deutschen kann <-er> als vokoides [] realisiert werden. Dieser Laut kann (u.a. dialektabhängig) qualitativ stark variieren, [] bis []

• Ist vokoide Realisierrung von <-er> in Verbindung mit H-% heller – weiter vorne und ggf. offener - als mit L-%?

– Auch Schwa (//) ist in seiner phonetischen Qualität kontextabhängig sehr variabel und könnte daher anfällig / zugänglich für die Kovariation mit L-% und H-% sein.

• Ist // bei H-% heller – weiter vorne und ggf. offener – als bei L-%

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Akustische Untersuchung von frikativen und vokoiden Lauten im Kontext final fallender und steigender Konturen

• Paare von Zielwörtern:– “Tisch”, “Fisch” → // und vorheriges //– “Buch”, “Tuch” → /x/ und vorheriges /u/– “lecker”, “Bäcker” → als [] realisiertes <-er>– “Tage”, “Schramme” → //– In den vokalischen Lauten wurde (mit LPC-Analyse) F2

gemessen, jeweils an 3 Messpunkten: Anfang+20ms, Mitte, Ende-20ms

– In den frikativen Lauten wurde alle 7ms das Centre of Gravity (CoG) berechnet und dann für den Gesamtlaut dessen Spannweite und Mittelwert bestimmt

– Für alle Laute wurde die Dauer gemessen

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Es wurde ein Korpus von quasi-spontaner, umgangssprachlich klingender Lesesprache aufgenommen (verbesserte Methode aus Kohler und Niebuhr 2007)

• D.h.,• Dialogtexte mit informellem, alltäglichen Inhalt sind vorgegeben• Die Zielwörter sind eingebaut, aber nicht kenntlich gemacht. Die

fallenden und steigenden Konturen sowie die vorangehenden pitch-accent Kategorien werden allein über den semantisch-pragmatischen Kontext elizitiert

• Und werden von befreundeten Versuchspersonen gelesen• Bis auf die Zielwörter dürfen Wörter ausgetauscht und Formulierungen

geändert, also der persönlichen Ausdrucksweise angepasst werden• Einer der beiden Gesprächspartner ist der Experimentator (on); er

versucht, durch sein Verhalten und seine Sprechweise die Versuchsperson “mitzureißen”

• Jeder Dialog wird 4x nacheinander produziert; die letzten beiden Produktionen werden für die Analyse herangezogen.

• Bislang 5 Sprecher (→ n=20), 10 sind geplant.

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Ergebnisse “Tisch” und “Fisch”• Der Sibilant // ist in Verbindung mit H-% z.T erheblich heller als in

Verbindung mit L-%. Dies spiegelt sich auch in signifikant unterschiedlichen CoG Mittelwerten wider. D.h., nach H-% ist der CoG Mittelwert höher.

• Die Frikativdauern unterscheiden sich nicht signifikant

• Auch die Realisierungen von // unterscheiden sich in Abhängigkeit von H-% und L-%. Nach H-% ist F2 (mitte) signifikant höher. Perzeption legt nahe: Auch durch Entrundung bedingt.

L-% H-%

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Ergebnisse “Buch” und “Tuch”• Der Frikativ /x/ ist in Verbindung mit H-% heller als in Verbindung mit

L-%. Dies spiegelt sich auch in signifikant unterschiedlichen CoG Mittelwerten wider. D.h., nach H-% ist der CoG Mittelwert höher.

• Die Frikativdauern unterscheiden sich nicht signifikant

• Auch die Realisierungen von /u/ unterscheiden sich geringfügig in Abhängigkeit von H-% und L-%. Nach H-% ist F2 (mitte) tendenziell (=p<0.1) höher. Perzeption legt nahe: Auch durch Entrundung bedingt.

L-% H-%

L-%

H-%

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Ergebnisse “lecker” und “Bäcker”• Die vokoide Realisierung von <-er> ist in Verbindung mit H-% nicht

durchgängig heller als in Verbindung mit L-%. Nur am letzten Messpunkt kurz vor dem Ende von <-er> ist F2 tendenziell (=p<0.1) heller für H-%.

• → In Verbindung mit H-% ist <-er> leicht diphthongiert realisiert ([]) und außerdem tendenziell länger (=p<0.1)

650 1650700 1300

L-% H-%

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Ergebnisse “Tage” und “Schramme”• Die Realisierung von // ist in Verbindung mit H-% heller als in

Verbindung mit L-%. Dies gilt in der Tendenz (=p<0.1) für den ersten und signifikant für den mittleren und letzten Messpunkt.

• Die Dauern unterscheiden sich nicht signifikant zwischen H-% und L-%

600 1200 650 1750

L-% H-%

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Die segmentelle Ebene ist nicht nur ein “Störenfried” für die Wahrnehmung intonatorischer Einheiten. Vielmehr finden sich systematische segmentelle Variationen im “phonetic detail”, die einen eigenständigen Beitrag zur Signalisierung leisten (sowohl für “pitch accents” als auch für äuß.-finale Konturen L-%, H-%)

• Dieser Beitrag kann prinzipiell von zweierlei Art sein:– Direkt: (a) über Veränderungen der spektralen Energieverteilung

wird tonale Information transportiert (vowel/intrinsic pitch, sibilant pitch, etc.)

– Indirekt: (a) als “artikulatorische Methapher” intonatorischer Bedeutungen (z.B. Bedeutung von ‘früh’ spiegelt sich in kurzen, “harten” Artikulationen wider, Bedeutung von ‘spät’ (‘Erstauenen’) in Längungen), (b) als Manifestation tonaler Strukturen (z.B. Diphthongdynamik und Sequenz aus pitch-accent + finaler Kontur, etc.)

„Phonetic detail“ und Intonation

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• Niebuhr et al. (2008) haben erstmals in einer systematisch-phonetischen Analyse gezeigt, dass im Französischen Assimila-tion des Artikulationsortes vorkommt.

• Am Beispiel ‘alveolar’-zu-’postalveolar’ im Bereich der Sibilanten

• Im Deutschen wie im Englischen findet sich hier regressive Assimilation.

• Im Französischen ist die Zielqualität ‘postalveolar’ der bestimmende Faktor. D.h., die Assimilation kommt in regressiver und in progressiver Richtung vor (letztere kann jedoch schwächer sein).

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

zurück(velar)

zurück(postalveolar, //)

„Have you seen Barbara‘s shoes ?“m sh

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• Niebuhr et al. (2008) haben erstmals in einer systematisch-phonetischen Analyse gezeigt, dass im Französischen Assimila-tion des Artikulationsortes vorkommt.

• Am Beispiel ‘alveolar’-zu-’postalveolar’ im Bereich der Sibilanten

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

Aber auch: „...l‘avantage c‘est...“„je passe chez lui...“

s

s

(„ich komm‘ bei ihm vorbei...“) („...der Vorteil ist“)

Auch stimmaft: „…quinze jours“ /z/+// [:]

(„…15 Tage“)

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• Auf Basis der akustischen Messungen (CoG) kann die Sibilantenassimilation in beiden Richtungen vollständig sein.

• Somit bergen französische Sibilantensequenzen – im Prinzip – ein hohes Maß am Ambiguität

– Z.B. [:] → /s/ , /s/ , /z/ , /s/ , und //

• Aber ist das tatsächlich der Fall?• Es ist ein Axiom, dass Wortfolgen nicht Sequenzen

diskreter Einzelsegmente sind.• Vielmehr drückt jedes Segment seinem Umfeld seinen

Stempel auf (= Koartikulation)• Hinterlassen die (vollständig) assimilierten alveolaren

Sibilanten “Spuren” in den umliegenden Vokalen?

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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• Beispiele für solche “assimilations-resistenten” Spuren, die dann auch als “cues” für den Hörer fungieren, gibt es bereits.

– Nolan’s (1992) EPG-Studie über alveolar-zu-velar Assimilation in Plosiven (/dg/ → [gg] wie in “bad girl” vs. “bag girl”).

– Selbst wenn die Assimilation aufgrund der EPG-Kontaktmuster als “vollständig” beschrieben werden kann, stellt Nolan fest, dass“auditorily, it seems that the vowel allophone before the lexical velar is slightly closer than before the lexical alveolar” (Nolan 1992:272)

– Seine Hörer, die in der Lagen waren, die laut messphonetischen Kennzahlen ambigen Fälle zu als z.B. /dg/ und /gg/ zu erkennen, weisen auf die perzeptive Relevanz dieser Beobachtung hin.

– Nolan’s impressionistische Bemerkung wurde später durch akustische Analysen seiner Daten durch Local (2003:329) bestätigt.

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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• Beispiele für solche “assimilations-resistenten” Spuren, die dann auch als “cues” für den Hörer fungieren, gibt es bereits.

– Nolan’s (1992) EPG-Studie über alveolar-zu-velar Assimilation in Plosiven (/dg/ → [gg] wie in “bad girl” vs. “bag girl”).

– Selbst wenn die Assimilation aufgrund der EPG-Kontaktmuster als “vollständig” beschrieben werden kann, stellt Nolan fest, dass“auditorily, it seems that the vowel allophone before the lexical velar is slightly closer than before the lexical alveolar” (Nolan 1992:272)

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

Für „lead“ vs. „leg“

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• Beispiele für solche “assimilations-resistenten” Spuren, die dann auch als “cues” für den Hörer fungieren, gibt es bereits.

– Hawkins & Smith (2001:10) → obwohl die /z/-Sequenz in “who’s sharpened” spektral annähernd mit der //-Referenz in “who sharpened” übereinstimmt, sind die vorausgehenden /u/ - besonders in puncto F2 und F3 klar verschieden.

• Auch in unsere Fran- zösischen Daten weisen erste Beobachtungen auf assimilations-resistente prävokalische Details hin.

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

160ms

160ms

43ms

65ms21dB vs. 17dB

/s/

/s/

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11.12.2009 Prof. Dr. Oliver Niebuhr 33

Allgemeine & Vergleichende Sprachwissenschaft

Professur für Analyse gesprochener SpracheChristian-Albrechts-Universität zu Kiel

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

170ms

150ms

49ms

57ms18dB vs. 16dB

/s/

/s/

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• Ausgangspunkt für eine initiale systematische akustisch-phonetische Analyse anhand von stark kontrolliertem Sprachmaterial, um Einflüsse der prosodisch/ syntaktisch/syllabischen Struktur, Worthäufigkeit, etc.)

• → Pseudo-Namen mit CVC für Vor- und Nachnamen• → Erzeugt eine C(i)VC.CVC Struktur, in der C.C =

– (a) /s/ , /s/ (Assimilations-Bedingungen)– (b) /sm/ , /m/ (Referenzbedingungen für ‘alveolar’ und

‘postalveolar’)

• Eingebettet in 3 symmetrische Vokalkontexte: /a__a/, /i__i/, /u__u/• C(i) war ein stimmhafter Labial (/bvm/), um Koartikulation zu

minimieren.

• → Ergab in summa 12 Pseudo-Namen wie “Bas Chafe”• Implementiert und elizitiert in konstantem “J’ai vu ___ hier.” Trägersatz• 6 französische Muttersprachlerinnen haben die 12 Sätze in 4

unterschiedlich randomisierten Reihenfolgen mit einem schnellen, informellen Sprechstil produziert. Sie waren alle Studierende (Master, Doktoranden) der Phonetik oder Linguistik in

• Aix-en-Provence (LPL, 3 Sprecherinnen) and Paris (LPP, 3 Sprecherinnen)

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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• Während die /sm/ und /m/ Referenzbedingungen klare Unterschiede in den CoG-Messungen ergeben haben, überlappen die Punktwolken für die beiden Sibilantensequenzen nahezu perfekt…

• …und zwar in dem Wertebereich der /m/ Referenzbedingung. Die allermeisten regressiven und progressiven Ortsassimilationen können als “akustisch” vollständig gelten.

• Jede Punktwolke ist intern nach vokalischem Kontext untergliederbar

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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• Vokaldauern– Die Vokale waren signifikant länger (im Durchschnitt 15-20ms, aber

bis zu 60ms), wenn der nachfolgende Sibilant ein postalveolares // war.

– Gilt für Referenz- und für (assimilierte/neutralisierte) Sequenzbedingungen.

– Für Sequenzen sogar scheinbar stärker.– Zudem: Sibilanten(-sequenzen) mit initialem Postalveolar waren

gleichzeitig tendenziell kürzer.// and /s/

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

a i u

Dura

tion (m

s)

..

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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• Vokalintensitäten (in Vokalmitte nahe I-max mit Praat)– Die Vokale, die Postalveolaren // vorausgingen, waren signifikant

“leiser” (=energieärmer). Der Intensitätsunterschied beläuft sich im Durchschnitt auf 2-3dB, kann aber bis 5dB betrage.

– Gilt für Referenz- und für (assimilierte/neutralisierte) Sequenzbedingungen.

– Für Sequenzen sogar stärker.

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

-18

-16

-14

-12

-10

-8

-6

-4

-2

0

Ave

rage

RM

S (dB

) ..

a i ua i u

/s/ and /s/ // and /s/-18

-16

-14

-12

-10

-8

-6

-4

-2

0

Ave

rage

RM

S (dB

) ..

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• Stimmqualiät (Grad der Behauchung des Vokals):– Die Vokale waren signifikant behauchter (>H1-H2 Differenz) vor //.– Gilt für Referenz- und für (assimilierte/neutralisierte)

Sequenzbedingungen– Dafür fand sich vor /s/ oft kurze [h]-Phase (vgl. Präaspiration)

//

and

/s/

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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• Vokalqualität (in Form von F1 and F2):– Kleiner, aber insgesamt konsistener Effekt des nachfolgenden

Sibilanten– Unabhängig von der Assimilation hat der Vokal vor // ein F2, der

dem entsprechenden Kardinalvokal näher kommt (/i,a/ > F2, /u/ < F2)

– Aber: die F2-Unterschiede werden zum Sibilanten hin zunehmend egalisiert!

//

and

/s/

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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• Für das Englische haben wir (Niebuhr, Gaskell, Clayards, Ogden, Hawkins) ebenfalls Pseudo-Namen von 7 Sprecherinnen ausgewertet.

• Die Namen wurden allerdings in einem etwas elaborierteren Dialog-Szenario produziert (ähnlich wie die äußerungsfinalen Frikativ-Daten zur Intonation im Deutschen)

• 2 Referenzbedingungen: /ss/, //• 1 Assimilationsbedingung: /s/• Wir sind zu gleichen Ergebnissen gelangt, wie im

Französischen• Vokale vor Sequenzen, die mit postalveolarem //

beginnen, waren länger, behauchter und leiser (F2-Effekte waren nur in der Tendenz vorhanden), unabhängig davon, inwieweit die Sequenzen mit initialem /s/ eine regressive /s/ [] Assimilation aufwiesen.

„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

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„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation

122ms, 72.8dB

90ms, 78.9dB

Werist hier denn nun der echte

„Voss Shombdon“?

Die Sibilantensequenzen/s/ und // haben ähnlicheCoG-Werte (5.2kHz, 1kHz)

und Dauern (155ms)

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„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation • Assimilations-resistente Spuren in benachbarten

Lautsegmenten können dazu beitragen, den Prozess der Assimilation in einem segmentübergreifenden Licht neu zu konzipieren und weitere Zweifel an der Existenz “vollständiger Assimilation” zu sähen.

• “Moreover, they have important implications for psycholinguistic theory, where debate continues about the processes underlying the perception of assimilated speech; all models focus on the consonants involved in assimilation. Clearly, if preceding vowels contain disambiguating cues then there is the potential to advance this theoretical debate.” (Gaskell 2009:3)

• Perzeptionsexperimente mit ersten, ermutigenden Befunden laufen derzeit in beiden Sprachen.

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„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation • Erster, vorläufiger Erklärungsansatz:

• Stimmlose Sibilanten involvieren zwei Gesten• eine supraglottale (artikulatorische) Bildung der Friktionsenge• eine glottale (phonatorische) Abduktion der Stimmlippen zur Herstellung der Stimmlosigkeit

• Die artikulatorische Geste verursacht die Formantunterschiede• Die phonatorische verursacht die übrigen Unterschiede

• langsamere Abduktion vor // schafft Behauchung mit kleinerer Energie als Nebenprodukt und nahtlosen Übergang vom Vokal in den Sibilanten (ohne Präaspiration), wodurch der Vokal zudem länger wird.

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„Phonetic detail“ und /s/ [] Assimilation • Erster, vorläufiger Erklärungsansatz:

• Ggf. erfordern die unterschiedlichen aerodynamischen Be-dingungen von /s/ und // das abweichende artikulatorische-phonatorische Timing

• Bei der (regressiven) Assimilation /s/ [] wird nur die artikulatorische Geste angeglichen, die phonatorische bleibt.

• Erklärt auch, warum die F2-Effekte insb. gegen Vokalende weniger robust waren als die der Dauer, Intensität und Behauchung

• Die präsentierten Untersuchungen sind Beispiele dafür, dass „der Teufel (feinem phonetischen) Detail liegen kann Dieses Sprichwort muss ein Leitfaden phonetischer Forschung sein.