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Allgemeines Schuldrecht und vertragliche Schuldverhältnisse Prof. Dr. Florian Jacoby Hausarbeit - 1 - Sachverhalt Teil 1: D ist stolzer Eigentümer eines Autos vom Typ „Fiat Multipla 1.6 BiPower“. Sein „Ferrari in außergewöhnlicher Tarnung“ hat ihm viele Jahre gute Dienste geleistet. Anfang Dezember 2017 entschließt er sich jedoch dazu, sich ein neues Auto zuzulegen. Er interessiert sich für das Modell „Citroën C4 Cactus PureTech 130“, das an den Seiten mit sogenannten „Ai r- bumps“ versehen ist. Durch diese Konstruktion werden Lackschäden durch seitliche Rempler etwa mit einem Einkaufswagen verhindert. Aus diesem Grund begibt D sich am 09.01.2018 zum Autohaus von Jörg Krusche (J), um sich einen Citroën C4 anzusehen und eine Probefahrt zu machen. Nachdem er seinen Fiat Multipla vorschriftsgemäß auf den Kundenparkplätzen des Autohauses abgestellt hat, betritt er die Ausstellungshalle und besichtigt das Modell seines Interesses. D zeigt sich schnell begeistert von dem im Eigentum des J stehenden Citroën C4, weshalb er mit J zu einer Probefahrt auf- bricht. Als die beiden zurück auf dem Kundenparkplatz sind, will J den Wagen zunächst zu- rück in die Ausstellungshalle fahren. Dabei tuschiert er allerdings den Fiat Multipla des D. Dieser weist nach der Berührung eine Schramme an der Fahrertür auf. D nunmehr den Trä- nen nahe verlässt das Autohaus unverzüglich mit den Worten, das Geschäft könne J verges- sen. Er nutzt den Fiat Multipla in der Folge weiter, ohne den Lackschaden zu beseitigen. Am 12.07.2018 trennt er sich schweren Herzens von dem Fahrzeug, indem er es beim Kauf seines neuen „Audi R8 V10 plus 5.2 FSI Spyder“ in Zahlung gibt. Einen Abschlag auf den Zeitwert wegen der Schramme an der Fahrertür muss er dabei nicht hinnehmen. Dennoch will er den J nicht davon kommen lassen, ohne für das, was er dem Fiat angetan hat, zu bezahlen. Er verlangt von ihm daher am 14.08.2018 Ersatz i.H.v. 500 €, die er nach Abzug der Umsatz- steuer für die notwendige Neulackierung der Tür hätte aufwenden müssen. J entgegnet, dass D doch überhaupt keinen Schaden habe, da er zu keinem Zeitpunkt eine Reparatur habe durchführen lassen. Außerdem könne es doch nicht angehen, dass er das Fahrzeug ohne Ab- schlag für den Kratzer verkaufe und „obendrauf“ noch die Kosten einer unterlassenen Repara- tur ersetzt verlange. Hat D gegen J einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten 500 €? Bearbeitervermerk: Es ist auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen ggf. hilfs- gutachterlich einzugehen. Deliktische Ansprüche sind nicht zu prüfen!

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Allgemeines Schuldrecht und vertragliche Schuldverhältnisse Prof. Dr. Florian Jacoby

Hausarbeit

- 1 -

Sachverhalt

Teil 1:

D ist stolzer Eigentümer eines Autos vom Typ „Fiat Multipla 1.6 BiPower“. Sein „Ferrari in

außergewöhnlicher Tarnung“ hat ihm viele Jahre gute Dienste geleistet. Anfang Dezember

2017 entschließt er sich jedoch dazu, sich ein neues Auto zuzulegen. Er interessiert sich für

das Modell „Citroën C4 Cactus PureTech 130“, das an den Seiten mit sogenannten „Air-

bumps“ versehen ist. Durch diese Konstruktion werden Lackschäden durch seitliche Rempler

– etwa mit einem Einkaufswagen – verhindert.

Aus diesem Grund begibt D sich am 09.01.2018 zum Autohaus von Jörg Krusche (J), um sich

einen Citroën C4 anzusehen und eine Probefahrt zu machen. Nachdem er seinen Fiat Multipla

vorschriftsgemäß auf den Kundenparkplätzen des Autohauses abgestellt hat, betritt er die

Ausstellungshalle und besichtigt das Modell seines Interesses. D zeigt sich schnell begeistert

von dem im Eigentum des J stehenden Citroën C4, weshalb er mit J zu einer Probefahrt auf-

bricht. Als die beiden zurück auf dem Kundenparkplatz sind, will J den Wagen zunächst zu-

rück in die Ausstellungshalle fahren. Dabei tuschiert er allerdings den Fiat Multipla des D.

Dieser weist nach der Berührung eine Schramme an der Fahrertür auf. D – nunmehr den Trä-

nen nahe – verlässt das Autohaus unverzüglich mit den Worten, das Geschäft könne J verges-

sen. Er nutzt den Fiat Multipla in der Folge weiter, ohne den Lackschaden zu beseitigen.

Am 12.07.2018 trennt er sich schweren Herzens von dem Fahrzeug, indem er es beim Kauf

seines neuen „Audi R8 V10 plus 5.2 FSI Spyder“ in Zahlung gibt. Einen Abschlag auf den

Zeitwert wegen der Schramme an der Fahrertür muss er dabei nicht hinnehmen. Dennoch will

er den J nicht davon kommen lassen, ohne für das, was er dem Fiat angetan hat, zu bezahlen.

Er verlangt von ihm daher am 14.08.2018 Ersatz i.H.v. 500 €, die er nach Abzug der Umsatz-

steuer für die notwendige Neulackierung der Tür hätte aufwenden müssen. J entgegnet, dass

D doch überhaupt keinen Schaden habe, da er zu keinem Zeitpunkt eine Reparatur habe

durchführen lassen. Außerdem könne es doch nicht angehen, dass er das Fahrzeug ohne Ab-

schlag für den Kratzer verkaufe und „obendrauf“ noch die Kosten einer unterlassenen Repara-

tur ersetzt verlange.

Hat D gegen J einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten 500 €?

Bearbeitervermerk: Es ist auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen – ggf. hilfs-

gutachterlich – einzugehen. Deliktische Ansprüche sind nicht zu prüfen!

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Teil 2:

Die verantwortungsbewusste Voltigiererin Veronika (V) benötigt ein neues Auto, um mit ih-

rem Pferd Zorro zu Hobby-Voltigier-Turnieren zu fahren. Als Pferdeliebhaberin gefallen ihr

besonders die Autos der Marke Porsche, da diese Marke ein Pferd in ihrem Emblem führt.

Um den Pferdeanhänger ziehen zu können, interessiert sich die V für ein SUV (Sport Utility

Vehicle) vom Typ „Porsche Cayenne Turbo“. Ein solches Fahrzeug steht im gebrauchten Zu-

stand beim Kneipier Klothar (K), der das Fahrzeug ausschließlich privat nutzte, jedoch regel-

mäßig selbst sein bester Kunde ist und auf unabsehbare Zeit kein Kfz mehr benötigt.

Nach einer Besichtigung mit anschließender Probefahrt, bei der V den 550 Pferdestärken or-

dentlich die Sporen gibt, wird sie sich schnell mit K – ausnahmsweise nüchtern – einig, das

Fahrzeug zum Preis von 80.000 € zu erwerben. Während der Verhandlungen weist V den K

ausdrücklich darauf hin, dass sie das Auto zum Ziehen ihres Pferdeanhängers benötigt. Es

müsse daher unbedingt eine Anhängerkupplung vorhanden sein. Anderenfalls werden sie kei-

nen Vertrag unterschreiben. Da K sich nicht weiter mit der Ausstattung des Fahrzeugs be-

schäftigt hatte, bejaht er dies in der Annahme, das Fahrzeug verfüge tatsächlich über eine ein-

klappbare Anhängerkupplung. Für V bestand danach kein Anlass mehr, dies weiter zu über-

prüfen. Zudem hat auch K eine Bedingung. Er möchte unter keinen Umständen noch etwas

mit dem Fahrzeug zu tun haben. Daher bittet er V, einen Haftungsausschluss in den Vertrag

mit aufzunehmen. Die beiden verständigen sich individualvertraglich darauf, dass V keinerlei

Rechte aus irgendwelchen Mängeln des Fahrzeugs herleiten können soll. Die beiden vereinba-

ren, dass V dem K das Geld überweisen und das Fahrzeug „nach Erledigung des Papier-

krams“ in zwei Wochen abholen solle.

Als V zur Abholung erscheint, vergisst sie aufgrund ihrer Vorfreude, das Vorhandensein der

Anhängerkupplung zu überprüfen, und nimmt das Fahrzeug mit. Erst als sie zwei Tage später

zum ersten Mal mit dem Pferdeanhänger zu einem Voltigierturnier aufbrechen will, stellt sie

zu ihrem Entsetzen fest, dass die Anhängerkupplung fehlt. Sie ruft daher unverzüglich bei K

an und fordert ihn auf, die Nachrüstung innerhalb der nächsten zwei Wochen vorzunehmen.

K, der erst jetzt auf sein Missgeschick aufmerksam wird, sagt dies zu. Allerdings wird er am

nächsten Tag aufgrund einer Leberzirrhose (eine Lebererkrankung infolge jahrelangen Alko-

holkonsums) ins Krankenhaus eingeliefert, aus dem er erst drei Wochen später entlassen wird.

V, die in der Zwischenzeit Gefallen an ausgiebigen Spritztouren mit ihrem neuen Gefährt

gefunden hat und deswegen nicht weiter am Voltigieren interessiert ist und daher auch das

Interesse an einer Anhängerkupplung verloren hat, verlangt von K nunmehr Ersatz von

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1.500 €, die sie nach Abzug der Umsatzsteuer für die Nachrüstung einer Anhängerkupplung

hätte aufwenden müssen. K entgegnet, dass V doch gar keinen Schaden habe, solange sie die

Umrüstung nicht tatsächlich vornehmen lasse. Zudem weist er die V auf den Haftungsaus-

schluss hin. Falls auch das nicht helfe, könne es doch nicht sein, dass V ihn auf Schadenser-

satz in Anspruch nehme, obwohl er im Krankenhaus gelegen habe und sich um nichts küm-

mern konnte.

Hat V gegen K einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. geltend gemachten 1.500 €?

Bearbeitervermerk: Es ist auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen – ggf. hilfs-

gutachterlich – einzugehen.

Teil 3:

B ist Eigentümer eines Grundstücks mit Einfamilienhaus in Bielefeld. Im Frühjahr 2018 will

er die dazugehörigen Außenanlagen (Garten, Einfahrt) neu gestalten lassen. Sein Ziel ist es,

eine mediterrane Gartenlandschaft mit neuen Pflanzen, Grünflächen und Wegen zu erschaf-

fen. Mit der Planung seines Vorhabens beauftragt er zeitgleich den Architekten A und den

Garten- und Landschaftsbaumeister U. Auf Vorschlag des A soll auf sämtlichen Wegen im

Außenbereich römischer Travertin (Kalksandstein) in der Farbe „Crema Romana“ und der

Ausführungsvariante Dodo 69 verlegt werden. Für die Durchführung der Umgestaltungsarbei-

ten, etwa für die Bestellung und das Verlegen des Travertins, ist der U verantwortlich.

Nach Abschluss sämtlicher Arbeiten inspiziert B am 15.06.2018 den neu gestalteten Außen-

bereich gemeinsam mit A und U. Im Anschluss an diese Begehung zeigt er sich hocherfreut

über die Neugestaltung seines Gartens durch U.

Allerdings währt die Freude des B über die Arbeiten nicht lang. Bereits im Juli 2018 weist der

Travertin an mehreren Stellen deutliche Risse, Kalk- und Salzausspülungen sowie Farbverän-

derungen auf. Diese Mängel sind auf die fehlende Eignung der gewählten Variante Dodo 69

für die Verwendung im Außenbereich zurück zu führen, was sowohl dem A als auch dem U

hätte bekannt sein müssen. Sie lassen sich nur durch einen vollständigen Austausch des Tra-

vertins beheben. B wendet sich daraufhin unverzüglich an den U und fordert ihn – unter Set-

zung einer angemessenen Frist – zum Austausch der Platten auf. U wendet daraufhin ein, dass

er gar nicht daran denke, einen vollständigen Austausch der Platten vorzunehmen. Immerhin

seien die Platten auf Vorschlag des A verlegt worden.

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Nach all diesem Ärger hat B keine Lust mehr, „sich weiter mit irgendwelchen Handwerkern

herumzuschlagen“, und beschließt, den Zustand seines Gartens so hinzunehmen, wie er ist.

Allerdings will er den U nicht ohne weiteres davonkommen lassen. U soll ihm die Kosten

ersetzen, die B für den Austausch des Travertins hätte aufwenden müssen. Diese belaufen sich

ohne Umsatzsteuer auf 60.000 €. B fordert U noch vor Ablauf der gesetzten Frist auf, ihm

seinen Schaden zu ersetzen.

U entgegnet, dass der B überhaupt keinen Schaden habe, wenn er die Reparatur nicht durch-

führen lasse. Er habe daher allenfalls einen Anspruch auf Ersatz des Minderwerts im Ver-

gleich zum mangelfreien Zustand i.H.v. 50.000 €. Zudem treffe ihn selbst nicht die ganze

Schuld, sondern der „von B angeschleppte A“ habe den Mangel mit zu verantworten. Er sehe

es nicht ein, für den Fehler dieses „besseren Zeichners“ einzustehen.

Hat B gegen U einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. geltend gemachten 60.000 €?

Kann er alternativ zumindest die Wertminderung i.H.v. 50.000 € von U ersetzt verlan-

gen?

Bearbeitervermerk: Es ist auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen – ggf. hilfs-

gutachterlich – einzugehen. Weiterhin ist zu unterstellen, dass den Architekten A tatsächlich

ein Mitverschuldensanteil von 25 % trifft.

Formalia

Die Seiten sind maschinenschriftlich, Schriftgröße 12, mit Zeilenabstand 1,5 und nur einseitig

zu beschreiben. Fußnoten erhalten die Schriftgröße 10, Zeilenabstand 1. In der Ausarbeitung

muss das linke Drittel der Seite als Korrekturrand frei bleiben (7,5 cm), rechts verbleibt 1 cm

Rand. Die Vorseiten erhalten links 3,5 cm Rand und rechts 1,5 cm. Zusätzlich wird auf das

„Skript zu den Formalien häuslicher Arbeiten“ auf der Homepage des Lehrstuhls von Prof.

Dr. Jacoby unter dem Reiter „Lehre und Begleitmaterial“ hingewiesen.

Die Hausarbeit sollte den Umfang von 30 Seiten nicht überschreiten.

Bearbeitungszeit: Der Bearbeitungszeitraum geht vom 23.07.2018 bis zum 24.09.2018.

Hinweis zur Abgabe: Die Hausarbeiten können während des Bearbeitungszeitraums von

Mo.-Do. zwischen 9 und 12 Uhr, spätestens jedoch am 24.09.2018 um 12 Uhr, im Sekretariat

von Prof. Dr. Jacoby (H0-16) eingereicht werden. Ferner können die Arbeiten auch durch

Aufgabe bei der Post (Poststempel genügt zur Fristwahrung) eingereicht werden.

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Lösungsskizze

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Teil 1:

Schadensersatzanspruch des D gegen J i.H.v. 500 € aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2,

241 Abs. 2 BGB

D könnte gegen J einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 500 € gem. §§ 280 Abs. 1, 311

Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung einer Schutzpflicht aus einem vorver-

traglichen Schuldverhältnis haben.

I. Schuldverhältnis

Zunächst müsste dazu ein Schuldverhältnis zwischen D und J bestehen. Schuldverhältnis

i.S.d. Norm sind alle privatrechtlichen Schuldverhältnisse.1

Ein Kaufvertrag nach § 433 BGB ist zwischen D und J noch nicht zustande gekommen.

Vielmehr hat D den Citroën bislang nur besichtigt und eine Probefahrt unternommen. Eine

Einigung i.S.d. §§ 145 ff. BGB ist darin nicht zu sehen.

Allerdings könnten D und J Vertragsverhandlungen geführt haben, sodass sich aus § 311

Abs. 2 Nr. 1 BGB ein vorvertragliches Schuldverhältnis ergibt. Maßgeblich für solche Ver-

tragsverhandlungen ist ein kommunikativer Austausch zwischen den Parteien über die Ver-

tragsbedingungen.2 D hat bislang nur sein Interesse an dem Fahrzeug bekundet. Eine Kom-

munikation über Einzelheiten des Vertrags hat mit J hingegen noch nicht stattgefunden. Ein

vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.v. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestand damit nicht.

Jedoch könnte sich ein solches aufgrund einer Vertragsanbahnung ergeben, bei welcher D und

J dem jeweils anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf ihre Rechte, Rechtsgüter und

Interessen gewährt haben, § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB. J hat dem D den Citroën C4 für eine Pro-

befahrt zur Verfügung gestellt. Er hat ihm damit ermöglicht, auf sein Eigentum einzuwirken.

Die Probefahrt stellt damit eine Vertragsanbahnung i.S.v. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB dar.3

1 BeckOGK-BGB/Riehm, Stand: 01.03.2018, § 280 Rn. 36.

2 MüKo-BGB/Emmerich, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 43; Weiler, SchuldR AT, 4. Aufl. 2017, § 4 Rn. 8.

3 Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 311 Rn. 23; HK-BGB/Schulze, 9. Aufl. 2016, § 311 Rn. 29.

Anmerkung für die Korrektur: Mit guter Argumentation dürfte auch die Annahme von

Vertragsverhandlungen nach der Nr. 1 vertretbar sein.

Allerdings ist es verfehlt, das Schuldverhältnis in einem Kaufvertrag zu sehen. Der Sach-

verhalt gibt für die Annahme eines Vertragsschlusses keinerlei Anhaltspunkte.

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Lösungsskizze

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II. Pflichtverletzung

Weiter müsste eine Pflicht verletzt worden sein. Im Rahmen vorvertraglicher Schuldverhält-

nisse bestehen dabei nur Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB. J müsste also gegen seine

Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter oder Interessen des D verstoßen ha-

ben.

Möglicherweise hat J das von § 241 Abs. 2 BGB geschützte Eigentum4 des D verletzt. Hier

hat er mit seinem Ausstellungsfahrzeug den im Eigentum des D stehenden Fiat Multipla tu-

schiert. Dadurch entstand eine Schramme in der Fahrertür des Fiats, sodass das Eigentum des

D verletzt worden ist. Damit hat J seine Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB

verletzt.

III. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB

Diese Pflichtverletzung müsste J auch zu vertreten haben. Nach dem Wortlaut von § 280

Abs. 1 S. 2 BGB trifft dabei den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die

Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Regelung stellt eine Beweislastumkehr zugunsten

des Anspruchstellers dar.5 Maßstab für diese Widerlegung ist § 276 Abs. 1 BGB. Soweit

nichts anderes bestimmt ist, muss der Schuldner nachweisen, weder vorsätzlich noch fahrläs-

sig gehandelt zu haben.6 Aus dem Sachverhalt sind keine Gründe ersichtlich, die den J entlas-

ten könnten. Er kann die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB damit nicht widerlegen und

hat die Pflichtverletzung zu vertreten.

IV. Schaden

Weiterhin müsste dem D ein Schaden entstanden sein. Ein Schaden ist jede unfreiwillige Ein-

buße an einer rechtlich geschützten Position.7 Dieser muss kausal auf die Pflichtverletzung

4 Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 29; BeckOK/Sutschet, Stand: 01.11.2017, § 311 Rn. 42.

5 Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 40; MüKo-BGB/Ernst, § 280 Rn. 34; Weiler, SchuldR AT, § 23 Rn. 7; Loo-

schelders, SchuldR AT, 15. Aufl. 2017, Rn. 520. 6 Brox/Walker, SchuldR AT, 42. Aufl. 2018, § 24 Rn. 12.

7 Weiler, SchuldR AT, § 44 Rn. 1; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 960; Brox/Walker, SchuldR AT, § 29

Rn. 1.

Anmerkung für die Korrektur: Die Bearbeiter sollten erkennen, dass der Sachverhalt an

dieser Stelle keine Angaben macht. Es genügt damit, sich auf die Vermutung des § 280

Abs. 1 S. 2 BGB zu berufen. Wer hier versucht, Gründe für oder gegen ein Vertretenmüs-

sen zu konstruieren, setzt falsche Schwerpunkte.

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Lösungsskizze

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zurückgehen.8 Durch das Verhalten des J wurde das Eigentum des D beschädigt. Darin liegt

ein kausal auf die Pflichtverletzung zurückzuführender Schaden.

V. Rechtsfolge: Schadensersatz

Gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB schuldet der Schuldner dem Gläubiger Ersatz des entstanden

Schadens. Wie sich der zu ersetzende Schaden bemisst, ergibt sich aus §§ 249 ff. BGB. Da-

nach beschreibt § 249 Abs. 1 BGB den das Schadensrecht prägenden Grundsatz der Natural-

restitution.9 Der Schuldner hat den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis

bestanden hätte. Bei Verletzung einer Person oder Beschädigung einer Sache ist der Gläubiger

zudem gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB berechtigt, den zur Herstellung dieses Zustands erforder-

lichen Geldbetrag zu verlangen. Der zur Herstellung des ursprünglichen Zustands notwendige

Geldbetrag beläuft sich auf 500 €. Diesen verlangt D von J ersetzt.

Problematisch könnte allerdings sein, dass D die Reparatur tatsächlich nicht hat durchführen

lassen. Nach der zur Ermittlung eines Vermögensschadens maßgeblichen Differenzhypothese

ist die tatsächliche Vermögenslage des Geschädigten mit der Vermögenslage, die ohne das

schädigende Ereignis bestanden hätte, zu vergleichen. Die Höhe der negativen Abweichung

beziffert den Vermögensschaden des Geschädigten.10

Auch wenn der D seinen Fiat zu keinem

Zeitpunkt hat reparieren lassen, wies sein Eigentum eine Beschädigung auf, deren Beseitigung

500 € gekostet hätte. In dieser Höhe weicht das tatsächliche Vermögen des D vom hypotheti-

schen Vermögen ohne den Zusammenstoß ab. Bereits aus diesem Grund sind die hier geltend

gemachten fiktiven Reparaturkosten11

ersatzfähig. Weiterhin kann der Geschädigte die Dispo-

sitionsfreiheit für sich in Anspruch nehmen. Er ist frei darin, wie er mit dem zur Naturalresti-

tution benötigten Geldbetrag umgeht. Das ergibt sich insbesondere aus § 249 Abs. 2 S. 2

BGB.12

Nach dieser Regelung kann der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung allerdings nicht

die Umsatzsteuer ersetzt verlangen. Die vom D verlangten 500 € stellen allerdings bereits den

Nettopreis dar.

8 Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 24; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 527.

9 Palandt/Grüneberg, § 249 Rn. 1; Weiler, SchuldR AT, § 44 Rn. 1.

10 Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 10; MüKo-BGB/Oetker, § 249 Rn. 18 ff.; BeckOK-BGB/Flume, § 249

Rn. 37; Staudinger/Schiemann [2017], § 249 Rn. 4 ff.; Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, StuKo-BGB, 16.

Aufl. 2018, Vor §§ 249-253 Rn. 3; Weiler, SchuldR AT, § 44 Rn. 4; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, 21.

Aufl. 2015 Rn. 678; Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 2 ff. 11

Vgl. zum Begriff etwa MüKo-BGB/Oetker, § 249 Rn. 367 ff.; Jauernig/Teichmann, 16. Aufl. 2015, § 249

Rn. 10; Weiler, SchuldR AT, § 46 Rn. 5. 12

MüKo-BGB/Oetker, § 249 Rn. 367 ff.; Palandt/Grüneberg, § 249 Rn. 26; Staudinger/Schiemann [2017],

§ 249 Rn. 223 ff.; Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, § 249 Rn. 4; Weiler, SchuldR AT, § 46 Rn. 5.

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Lösungsskizze

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Fraglich ist allerdings, wie sich der Umstand auswirkt, dass D den Fiat in der Zwischenzeit

weiterveräußert hat. Es ließe sich annehmen, dass der Geschädigte im Falle einer Weiter-

veräußerung auf den Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands beschränkt ist, da er durch die

Weiterveräußerung den Restwert des Fahrzeugs realisiert und sein Integritätsinteresse (an der

Reparatur und dem Behalt der Sache) aufgibt.13

Unter dem Wiederbeschaffungsaufwand ist

die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des beschädigten

PKW zu verstehen.14

Der Sachverhalt gibt keine Anhaltspunkte über die Höhe von Wiederbe-

schaffungswert und Restwert des Fiats. Daher kann der Wiederbeschaffungsaufwand nicht

berechnet werden, weshalb nicht von einer Beschränkung hieraus ausgegangen werden kann.

Überdies könnte hiervon eine Ausnahme zu machen sein, wenn der Geschädigte ein ernsthaf-

tes Interesse an der Weiternutzung seines PKW zum Ausdruck bringt. Dann muss ihm die

Möglichkeit zur Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten trotz der Veräußerung seines

PKW gegeben werden. Von einem derartigen ernsthaften Interesse an der Weiternutzung wird

man regelmäßig bei einer Weiterbenutzung über einen Zeitraum von sechs Monaten ausgehen

können. Ein längerer Zeitraum würde den Schädiger und seine Versicherung begünstigen und

wäre für den Geschädigten unangemessen.15

D hat den Fiat von der Beschädigung am

09.01.2018 bis zur Weiterveräußerung am 12.07.2018 und damit über einen Zeitraum von

etwas mehr als sechs Monaten weitergenutzt. Er hat sein ernsthaftes Weiterbenutzungsinteres-

se damit hinreichend zum Ausdruck gebracht, sodass er sich nicht auf den Wiederbeschaf-

fungsaufwand verweisen lassen muss.

Der D hat damit einen Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten gegen den J.

13

BGH NJW 2005, 2541 (2542); NJW 2006, 2179 Rn. 10. – Kritisch dazu Staudinger/Schiemann [2017],

§ 249 Rn. 223 ff. 14

BGH NJW 2007, 67 Rn. 9 ff. 15

BGH NJW 2006, 2179 Rn. 11; NJW 2007, 67 Rn. 11; NJW 2008, 1941 Rn. 9; NJW 2011, 667 Rn. 7 f.;

MüKo-BGB/Oetker, § 249 Rn. 374; Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, § 249 Rn. 4.

Anmerkung für die Korrektur: Bearbeiter, die an dieser Stelle von einer Beschränkung auf

den Wiederbeschaffungsaufwand ausgehen, sollten erkennen, dass der BGH eine Aus-

nahme von diesem Grundsatz zulässt (s. sogleich). Damit dürfte das Ergebnis nicht von

dem hier vorgeschlagenen abweichen.

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Lösungsskizze

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VI. Ergebnis

D hat gegen J einen Anspruch auf Ersatz der 500 € aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241

Abs. 2 BGB.

Weitere Ansprüche sind nicht ersichtlich.

Teil 2:

Anspruch von V gegen K auf Schadensersatz i.H.v. 1.500 € aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281

Abs. 1 Alt. 2, 437 Nr. 3 BGB

V könnte gegen K einen Anspruch i.H.d. geltend gemachten 1.500 € aus §§ 280 Abs. 1 und 3,

281 Abs. 1 Alt. 2, 437 Nr. 3 BGB haben.

I. Kaufvertrag

Eine Einigung auf den Kauf des Autos zum Preis von 80.000 € ist erfolgt. Ein Kaufvertrag

liegt damit vor. Insbesondere scheitert die Wirksamkeit des Vertragsschlusses nicht an § 105

Abs. 2 BGB.

Anmerkung für die Korrektur: Sicherlich kann von Bearbeitern im zweiten Semester keine

Kenntnis der gesamten Rechtsprechung zum Ersatz von Kfz-Schäden erwartet werden.

Dennoch enthält der Sachverhalt hinreichend Hinweise auf die Problematik um die Ersatz-

fähigkeit fiktiver Reparaturkosten. Eine ausreichende Leistung sollte diese Problematik

aufgreifen und mit vertretbaren Argumenten lösen.

Zudem wird durch die Aussage des J auf die Problematik um eine etwaige Weiterbenut-

zung zur Betätigung des Integritätsinteresses hingewiesen. Eine Leistung im oberen Punk-

tebereich sollte sich daher mit dieser Frage nicht nur beschäftigen, sondern sie mit vertret-

baren Argumenten beantworten.

Anmerkung für die Korrektur: Die Fallfrage schließt laut Bearbeitervermerk deliktische

Ansprüche aus. Ausführung zu §§ 823 ff. BGB oder sogar zu §§ 7, 18 StVG sind damit

nicht bloß überflüssig, sondern verfehlt.

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Lösungsskizze

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II. Mangel bei Gefahrübergang

Weiterhin müsste das Fahrzeug bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sein. Das ergibt sich

aus § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.16

1. Mangel

Zunächst müsste überhaupt ein Mangel vorliegen. Das Gesetzt definiert in §§ 434 f. BGB,

wann die Kaufsache mangelhaft ist.

Hier könnte sich ein Mangel des Fahrzeugs aufgrund der Abweichung von der vereinbarten

Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Eine solche Beschaffenheitsvereinba-

rung liegt dann vor, wenn die Parteien vertraglich vereinbart haben, dass die Kaufsache in

einem bestimmten Zustand zu übergeben und übereignen ist.17

V hat deutlich gemacht, dass

das Vorhandensein einer Anhängerkupplung für ihre Kaufentscheidung wesentlich ist und K

danach gefragt. K wiederum hat deren Vorhandensein fälschlicherweise bestätigt. Darin liegt

die Vereinbarung der Beschaffenheit „Porsche mit Anhängerkupplung“ i.S.v. § 434 Abs. 1

S. 1 BGB. Von dieser Beschaffenheitsvereinbarung wird negativ abgewichen, indem das

Fahrzeug tatsächlich nicht über eine Anhängerkupplung verfügt, sodass darin ein Sachmangel

liegt.

2. Bei Gefahrübergang

Der Mangel müsste auch bei Gefahrübergang vorgelegen haben, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Der

Gefahrübergang im Kaufrecht findet gem. § 446 S. 1 BGB grundsätzlich im Zeitpunkt der

Übergabe statt. Darunter ist die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes i.S.v. § 854 Abs. 1

16

Palandt/Weidenkaff, § 434 Rn. 8; Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, § 434 Rn. 5. 17

BGH NJW 2008, 1517 Rn. 13; Palandt/Weidenkaff, § 434 Rn. 15; Hk-BGB/Saenger, § 434 Rn. 8.

Anmerkung für die Korrektur: Dass V und K sich auf einen Kaufvertrag geeinigt haben,

ist nach dem Sachverhalt völlig unproblematisch. Bearbeiter, die an dieser Stelle weitere

Ausführungen vornehmen, verschenken nicht nur unnötig Platz, sondern zeigen auch deut-

liche Schwächen in der Schwerpunktsetzung.

Anmerkung für die Korrektur: Der Sachverhalt ist an dieser Stelle eindeutig auf die An-

nahme einer Beschaffenheitsvereinbarung ausgelegt. Eine abweichende Lösung dürfte nur

mit guten Argumenten zu vertreten sein. In diesem Fall wird man aber aufgrund der Wich-

tigkeit der Anhängerkupplung für die V vom Fehlen einer vertraglichen vorausgesetzten

Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB ausgehen müssen.

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Lösungsskizze

- 11 -

BGB zu verstehen.18

Dies geschieht in dem Zeitpunkt, in dem V bei K erscheint und das

Fahrzeug mitnimmt. Das Fahrzeug hat von Anfang an nicht über eine Anhängerkupplung ver-

fügt, sodass der Mangel auch im nach § 446 S. 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahr-

übergangs bestand.

III. Kein Ausschluss der Mängelrechte

Die kaufvertraglichen Mängelrechte dürften weiter nicht ausgeschlossen sein. Hier kommt

einerseits ein Ausschluss nach § 442 Abs. 1 BGB als auch ein Ausschluss aufgrund des um-

fassenden Haftungsausschlusses zwischen V und K in Betracht.

1. Ausschluss nach § 442 Abs. 1 BGB

Möglicherweise kann sich die V gem. § 442 Abs. 1 BGB nicht auf die Mängelrechte berufen.

Das ist nach S. 1 dann der Fall, wenn sie den Mangel bei Vertragsschluss gekannt hat. Kennt-

nis i.S.v. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB bedeutet positives Wissen auf Seiten des Käufers.19

Im Zeit-

punkt des Vertragsschlusses zwei Wochen vor der Abholung des Fahrzeugs ging sie wie K

davon aus, dass Fahrzeug verfüge über eine Anhängerkupplung. Sie hat damit keine positive

Kenntnis vom Mangel.

Allerdings könnte sich der Ausschluss ihrer Mängelrechte aufgrund einer grob fahrlässigen

Unkenntnis der V aus § 442 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben. Grob fahrlässig handelt jemand, der

die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße missachtet, indem er schon

einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht einstellt, obwohl dies jedem einleuchten

musste.20

Im Fall von § 442 Abs. 1 S. 2 BGB bedeutet das, dass der Käufer das Mindestmaß

an Information und Aufmerksamkeit in besonders schwerem Maße verletzt hat.21

V hat bei

der Abholung des Fahrzeugs lediglich aufgrund ihrer Vorfreude vergessen, das Vorhanden-

sein der Anhängerkupplung zu überprüfen. Darin liegt bereits keine besonders schwere Miss-

achtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Zwar kann sich die grob fahrlässige Un-

kenntnis auch aus der Missachtung einer den Käufer treffenden Untersuchungspflicht erge-

ben,22

für eine solche bestehen hier allerdings keine Anhaltspunkte. Die Unkenntnis der V

vom Mangel beruhte damit bereits nicht auf grober Fahrlässigkeit.

Überdies stellt sich die Frage, in welchem Zeitpunkt die grob fahrlässige Unkenntnis bei

§ 442 Abs. 1 S. 2 BGB bestehen muss. Das Gesetz macht dazu – anders als in S. 1 – keine

18

MüKo-BGB/Westermann, § 446 Rn. 7; Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, § 446 Rn. 2. 19

Palandt/Weidenkaff, § 442 Rn. 7. 20

Palandt/Grüneberg, § 277 Rn. 5; BeckOK-BGB/Faust, § 442 Rn. 19. 21

Palandt/Weidenkaff, § 442 Rn. 11; MüKo-BGB/Westermann, § 442 Rn. 8. 22

BeckOK-BGB/Faust, § 442 Rn. 20.

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Lösungsskizze

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Angaben. Aufgrund seiner systematischen Stellung kann der für S. 2 relevante Zeitpunkt al-

lerdings nur an S. 1 anknüpfen, sodass auch hier der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeb-

lich ist.23

In diesem Zeitpunkt hat sie dem K vertraut und bestand kein Anhaltspunkt, der sie

zu einer Überprüfung der behaupteten Tatsache hätte veranlassen sollen, sodass keine grobe

Fahrlässigkeit der V in diesem Zeitpunkt zu erkennen ist.

Ein Ausschluss nach § 442 Abs. 1 BGB kommt damit nicht in Betracht.

2. Umfassender Gewährleistungsausschluss

Allerdings könnte der zwischen K und V vereinbarte umfassende Gewährleistungsausschluss

dafür sorgen, dass V sich nicht auf ihre kaufvertraglichen Mängelrechte berufen kann. Vo-

raussetzung dafür ist, dass der Haftungsausschluss wirksam vereinbart worden ist.

Möglicherweise scheitert die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses an den §§ 305 ff. BGB.

Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass es sich überhaupt um AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1

BGB handelt. Es müsste demnach um vorformulierte Vertragsbedingungen gehen. Aus dem

Sachverhalt geht allerdings hervor, dass der Haftungsausschluss von V und K individualver-

traglich vereinbart worden ist. Es handelt sich damit bereits nicht um AGB, vgl. § 305 Abs. 1

S. 3 BGB.24

Allerdings könnte sich die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses aus § 476 Abs. 1 BGB

ergeben. Dazu müsste es sich bei dem Vertrag allerdings um ein Verbrauchsgüterkauf i.S.v.

§ 474 Abs. 1 BGB handeln. Nach dessen S. 1 liegt ein Verbrauchgüterkauf vor, wenn ein

23

Palandt/Weidenkaff, § 442 Rn. 12; MüKo-BGB/Westermann, § 442 Rn. 8. 24

BeckOGK-BGB/Lehmann-Richter, § 305 Rn. 148.

Anmerkung für die Korrektur: Diese Prüfung kann von den Bearbeitern durchaus abge-

kürzt werden.

Der Sachverhalt ist nicht darauf ausgelegt, den Anspruch der V an dieser Stelle scheitern

zu lassen. Das zeigt sich bereits an den gewählten Formulierungen. V hat bei Vertrags-

schluss weder positive Kenntnis noch (nach den Angaben im Sachverhalt) grob fahrlässige

Unkenntnis vom Bestehen des Mangels gehabt.

Bearbeiter, die bei Übergabe die grobe Fahrlässigkeit (vertretbar) bejahen, indem sie auf

eine Untersuchungspflicht der V bei Übergabe abstellen, sollten erkennen, dass die Über-

gabe nicht der für § 442 Abs. 1 S. 2 BGB maßgebliche Zeitpunkt ist. Ihnen wird quasi ein

zweiter Ausweg zur Verneinung von § 442 BGB geboten.

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Lösungsskizze

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Verbraucher eine bewegliche Sache von einem Unternehmer kauft. Zwar handelt es sich bei

dem „Porsche Cayenne Turbo“ um eine bewegliche Sache und V kauft diese Sache zu Frei-

zeitzwecken und damit als Verbraucherin i.S.v. § 13 BGB. Allerdings müsste K als Verkäufer

das Fahrzeug als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB, also in Ausübung seiner gewerblichen

oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit verkaufen. Die Tätigkeit ist dann „in Ausübung“,

wenn sie ihrem objektiven Erscheinungsbild nach gewerblichen oder beruflichen Zwecken

zuzuordnen ist.25

Zwar ist K Inhaber einer Kneipe. Der Verkauf von Autos dient jedoch nicht

grundsätzlich diesem Gewerbe. Zudem hat er den Porsche ausschließlich zu privaten Zwe-

cken genutzt. Er handelte damit nicht als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB, sodass kein

Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 1 BGB vorliegt. Der Haftungsausschluss ist damit nicht

gem. § 476 Abs. 1 BGB unwirksam.

Möglicherweise ergibt sich die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses jedoch aus § 444

BGB. Danach kann sich der Verkäufer nicht auf einen solchen Ausschluss berufen, soweit er

den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit übernommen

hat. Der Begriff der Arglist entspricht dabei dem des § 438 Abs. 3 BGB.26

Danach handelt der

Verkäufer arglistig, der den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält bzw. mit ihm

rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel übersieht und den Vertrag

in Kenntnis des Mangels nicht abgeschlossen hätte.27

K ist allerdings selbst vom Vorhanden-

sein einer Anhängerkupplung ausgegangen. Er hat den Mangel damit bereits nicht für möglich

gehalten, sodass ihm keine Arglist vorzuwerfen ist.

Allerdings könnte der Umstand, dass K eine Garantie für das Vorhandensein einer Anhänger-

kupplung übernommen hat, seinem Berufen auf den Haftungsausschluss entgegenstehen. Da-

zu müsste seine Zusicherung über das Vorhandensein der Anhängerkupplung eine Beschaf-

fenheitsgarantie i.S.v. § 443 Abs. 1 BGB darstellen.28

Eine Beschaffenheitsgarantie liegt vor,

wenn durch sie einzelne Beschaffenheitsmerkmale zu einem bestimmten Zeitpunkt verbind-

25

MüKo-BGB/Micklitz/Purnhagen, 7. Aufl. 2015, § 14 Rn. 18. 26

BeckOK-BGB/Faust, § 444 Rn. 14; MüKo-BGB/Westermann, § 444 Rn. 11. 27

BGH NJW 2006, 2839 Rn. 13; MüKo-BGB/Westermann, § 438 Rn. 29. 28

Palandt/Weidenkaff, § 444 Rn. 12.

Anmerkung für die Korrektur: Es ist von den Bearbeitern nicht zu erwarten, dass sie über-

haupt und wenn doch, dann nicht in dieser Ausführlichkeit auf dieses beiden Punkte ein-

gehen. Insofern sollte bereits honoriert werden, wenn diese Punkte gesehen und mit knap-

per Argumentation gelöst werden.

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Lösungsskizze

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lich zugesagt werden.29

Das könnte hier im Zeitpunkt der Nachfrage der V und der Zusage

des K geschehen sein. Allerdings liegt darin bereits die Vereinbarung einer bestimmten Be-

schaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Es stellt sich damit die Frage, ob K dadurch zeit-

gleich eine Garantie abgegeben hat. Voraussetzung einer Garantie in Abgrenzung zur Be-

schaffenheitsvereinbarung ist, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Ge-

währ für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt und

damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit

einzustehen.30

So darf der Käufer eines Autos eine besondere Sachkunde des gewerblichen

Händlers annehmen, aus der ein besonderes Vertrauen erwächst, wonach der Händler für das

Fehlen zugesicherter Eigenschaften einzustehen hat. Bei einem Privatverkauf hingegen wird

dieses Argument regelmäßig entfallen. Der Verkäufer wird hier kaum für mehr einstehen wol-

len, als er selbst nach seiner laienhaften Beurteilung nachzuprüfen vermag.31

Auch K handelte

hier als privater Verkäufer. Er macht über seine Bestätigung, das Fahrzeug verfüge über eine

Anhängerkupplung auch nicht weiter deutlich, dass er für das Fehlen der Anhängerkupplung

in jedem Fall einstehen wolle. K hat damit auch keine Garantie abgegeben, wegen der er sich

nach § 444 BGB nicht auf den Haftungsausschluss berufen könnte.

Allerdings stellt sich die Frage nach der Reichweite des Haftungsausschlusses. Auf der einen

Seite sollte dieser umfänglich gelten („irgendwelche Mängel“). Auf der anderen Seite steht

jedoch die Beschaffenheitsvereinbarung über das Vorhandensein einer Anhängerkupplung.

Diese beiden Vereinbarungen schließen sich gegenseitig aus. Aus Sicht des Käufers stehen sie

jedoch gleichrangig nebeneinander, weshalb der Haftungsausschluss nicht zur Unverbindlich-

keit der Beschaffenheitsvereinbarung führen kann.32

Es wäre in dieser Situation befremdlich,

29

Palandt/Weidenkaff, § 443 Rn. 9. 30

BGH NJW 2007, 1346 Rn. 20. 31

BGH NJW 2007, 1346 Rn. 23 ff. 32

BGH NJW 2007, 1346 Rn. 31. – A.A. hingegen Emmert, NJW 2006, 1765 (1768), da es Wesen des Haf-

tungsausschlusses sei, einzelne oder sämtliche vertragliche Verpflichtungen bis zur Grenze der Arglistigkeit

oder Garantie zu beschränken.

Anmerkung für die Korrektur: Eine andere Auffassung dürfte an dieser Stelle mit geeigne-

ter Argumentation ebenso zu vertreten sein. Der folgende Punkt wäre dann hilfsgutachter-

lich zu bearbeiten.

Die Bearbeiter, die oben bereits das Bestehen einer Beschaffenheitsvereinbarung verneint

haben, müssen an dieser Stelle konsequent das Bestehen einer Garantie verneinen, da diese

ein Plus gegenüber der Beschaffenheitsvereinbarung darstellt.

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Lösungsskizze

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wenn der K als Verkäufer einerseits eine Beschaffenheit zusichert, sich im Falle ihres Fehlens

dann aber auf den Haftungsausschluss berufen könnte. Die Regelungen sind daher auszule-

gen, um den Interessen beider Parteien zu hinreichender Wirkung zu verhelfen. Der Haf-

tungsausschluss ist daher so zu verstehen, dass er lediglich die Haftung für das Fehlen der

vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) bzw. für die feh-

lende vertraglich vorausgesetzte Eignung und Beschaffenheit, die bei Sachen gleich Art üb-

lich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

BGB) erfassen soll. Hingegen kann dadurch nicht die Haftung für das Fehlen einer vereinbar-

ten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) ausgeschlossen werden.33

Der zwischen V und K

vereinbarte Haftungsausschluss entfaltet danach keine Wirkung für das Fehlen der zugesagten

Anhängerkupplung.

3. Zwischenergebnis

Die Mängelrechte der V wegen der fehlenden Anhängerkupplung sind weder nach § 442

Abs. 1 BGB noch durch den Haftungsausschluss ausgeschlossen.

IV. Pflichtverletzung

Die Pflichtverletzung liegt in der Übereignung der mangelhaften Kaufsache. Dabei handelt es

sich um eine Schlechtleistung i.S.v. § 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.34

V. Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Nachfrist, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB

Weiter müsste V dem K eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben, die dieser

erfolglos hat verstreichen lassen.

33

BGH NJW 2007, 1346 Rn. 31; NJW 2013, 1074 Rn. 19; Looschelders, SchuldR BT, 13. Aufl. 2018,

Rn. 150. 34

Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 19.

Anmerkung für die Korrektur: Es ist vertretbar, an dieser Stelle mit der Gegenauffassung

von Emmert anzunehmen, dass der Haftungsausschluss auch Beschaffenheitsvereinbarun-

gen erfasst. Dann wären die Mängelrechte der V ausgeschlossen und es müsste hilfsgut-

achterlich fortgefahren werden.

Bearbeiter, die eine Beschaffenheitsvereinbarung zwischen V und K verneint haben (s.o.),

haben an dieser Stelle kein Problem und müssen mit der Rechtsprechung des BGH einen

Ausschluss der Mängelrechte annehmen und die weitere Prüfung im Hilfsgutachten fort-

setzen.

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Lösungsskizze

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Eine Frist ist dann angemessen i.S.v. § 281 Abs. 1 BGB, wenn sie so bemessen ist, dass der

Schuldner die bereits begonnene Leistung fertigstellen kann. Wann dies der Fall ist, hängt

grundsätzlich von den Umständen im Einzelfall ab.35

V hat K hier zwei Wochen Zeit gege-

ben, für die Nachrüstung de Anhängerkupplung zu sorgen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese

Frist für die Nachrüstung unangemessen kurz ist.

Diese Frist müsste auch erfolglos verstrichen sein. K hat selbst nach drei Wochen noch nicht

nacherfüllt, sodass dies der Fall ist.

VI. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB

K müsste diese Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Maßstab für das Vertretenmüssen

ist § 276 Abs. 1 BGB. Der Schuldner hat demnach Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten,

soweit keine andere Haftung bestimmt ist. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB enthält dabei eine Vermu-

tung für ein Vertretenmüssen des Schuldners. Es liegt an ihm, die Vermutung zu widerle-

gen.36

Es ist allerdings unklar, worauf sich das Vertretenmüssen beim Schadensersatz nach §§ 280

Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB beziehen muss. Teilweise wird auf das Vertretenmüssen des

Schuldners im Zeitpunkt des Ablaufs der Nachfrist bzw. bei Entbehrlichkeit der Nachfrist im

nach § 281 Abs. 2 BGB relevanten Zeitpunkt abgestellt. Das ergebe sich daraus, dass erst in

diesem Zeitpunkt alle für den Schadensersatzanspruch notwendigen Tatbestandsvorausset-

zungen erfüllt sind.37

Kurz nach Setzung bis zum Ablauf der Nachfrist lag K aufgrund einer

Leberzirrhose im Krankenhaus. Er konnte sich daher nicht um die Nachrüstung der Anhän-

gerkupplung kümmern. Dass dies auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des K zurückzuführen ist,

35

BGH NJW 1982, 1279 (1280); 1985, 320 (323); NJW 1985, 855 (857); Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB,

§ 281 Rn. 8; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 589; Weiler, SchuldR AT, § 25 Rn. 13. 36

Etwa Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 40; MüKo-BGB/Ernst, § 280 Rn. 34; Looschelders, SchuldR AT,

Rn. 520; Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, § 280 Rn. 6. 37

BeckOK-BGB/Unberath, § 281 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, § 281 Rn. 16; Medicus/Lorenz, SchuldR II BT,

Rn. 175; Brox/Walker, SchuldR AT, § 24 Rn. 12; Lorenz, NJW 2002, 2497 (2503).

Anmerkung für die Korrektur: Der Sachverhalt gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine Un-

angemessenheit der Frist. Sehen Bearbeiter diese Frist dennoch als unangemessen kurz an,

ist die Fristsetzung dadurch nicht unwirksam, sondern es wird eine angemessene Frist in

Gang gesetzt (BGH NJW 1996, 1814). Da K aufgrund seines Krankenhausaufenthalts

selbst nach drei Wochen noch nicht nacherfüllt hat, müsste man schließlich auch danach

zum erfolglosen Ablauf einer angemessenen Nachfrist gelangen.

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ist nicht ersichtlich. K könnte demnach die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB widerle-

gen.

Andere wiederum wollen allein auf das Vertretenmüssen bei Fälligkeit der Leistung abstel-

len.38

Laut Sachverhalt bejahte K das Vorhandensein einer Anhängerkupplung in der Annah-

me, es sei tatsächlich eine vorhanden. Als Verkäufer eines PKW erwartet die Verkehrsauffas-

sung von ihm allerdings, sich mit der Ausstattung des zu verkaufenden Fahrzeugs auszuken-

nen, bevor diese zugesichert wird. K handelte damit fahrlässig i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB und

könnte die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht widerlegen.

Weiter wird vertreten, dass der Schuldner sich sowohl hinsichtlich der ursprünglichen

Schlechtleistung als auch hinsichtlich der Nichtleistung trotz angemessener Nachfrist exkul-

pieren muss. Es genügt damit, wenn ihn in einem der beiden Zeitpunkt ein Vertretenmüssen

trifft. Das ergebe sich daraus, dass die Möglichkeit zur Nacherfüllung lediglich eine zweite

Chance für den Schuldner darstellen soll. Damit entfalle allerdings nicht seine erste Pflicht-

verletzung in Form der Schlechtleistung.39

Zwar kann sich K für die Nichtleistung bei Fristab-

lauf exkulpieren (s.o.), nicht jedoch für die ursprüngliche Schlechtleistung (s. vorheriger Ab-

satz). Damit kann er auch nach dieser Auffassung die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 nicht

widerlegen.

K könnte sich nur nach der ersten Auffassung von der Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB

exkulpieren. Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass nicht ersichtlich ist, wieso ein

Verkäufer, der bereits eine Pflicht (mangelfreie Leistung bei Fälligkeit) schuldhaft – u.U. so-

gar vorsätzlich – verletzt hat, von der Haftung zu befreien sein soll, wenn er die Nacherfül-

lung rechtzeitig erbringt. Solche Schuldner sind bereits aufgrund der ersten Pflichtverletzung

nicht schutzwürdig. Die Nacherfüllung aus § 439 Abs. 1 BGB stellt insofern nur eine zweite

Chance dar, mangelfrei zu erfüllen.40

Zudem beruht der geschuldete Ausgleich des Erfül-

38

Etwa Huber, Jura 2003, 289. 39

MüKo-BGB/Ernst, § 281 Rn. 48 f.; Staudinger/Schwarze [2014], § 280 Rn. D 12; Looschelders, SchuldR

AT, Rn. 595; Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, § 281 Rn. 13; Weiler, SchuldR AT, § 25 Rn. 21 f.; Lu-

des/Lube, ZGS 2009, 259. 40

Etwa Jacoby/v. Hinden, StuKo-BGB, § 281 Rn. 13.

Anmerkung für die Korrektur: Die Annahme eines Vertretenmüssens seitens K aufgrund

des jahrelangen Alkoholkonsums, der die Leberzirrhose herbeigeführt hat ist abwegig.

Darin kann keine Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt hinsichtlich des erfolglosen

Fristablaufs gesehen werden.

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lungsinteresses nicht auf dem Auslassen dieser zweiten Chance, sondern bereits auf der ur-

sprünglichen Schlechtleistung.41

Die erste Auffassung ist damit abzulehnen, sodass K sich

nicht von der Vermutung für sein Vertretenmüssen aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB exkulpieren

kann.

VII. Schaden

Der Schaden der V besteht im endgültigen Nichterhalt des mangelfreien „Porsche Cayenne

Turbo S“, indem wegen der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung

ihr Leistungsanspruch gegen V endgültig erlischt, § 281 Abs. 4 BGB.42

VIII. Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung

V hat einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen K. Sie kann von ihm das

positive Interesse (= Erfüllungsinteresse) verlangen und ist so zu stellen, wie sie bei ord-

nungsgemäßer Vertragserfüllung durch K gestanden hätte.43

Dabei ist der Anspruch auf Scha-

densersatz statt der Leistung nicht auf Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB, sondern auf

die Zahlung einer Geldleistung gerichtet. Das folgt daraus, dass die Herstellung des mangel-

freien Zustands mit Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung ausgeschlossen

ist. In diesem Zeitpunkt erlischt der Nacherfüllungsanspruch gem. § 281 Abs. 4 BGB.44

Die

Höhe des Anspruchs bemisst sich daher nach § 251 Abs. 1 BGB.

Auf die Erheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 281 Abs. 1 S. 3 BGB kommt es an dieser

Stelle nicht an. K hat sich dazu entschlossen, den Porsche ohne Nachrüstung einer Anhänger-

kupplung zu behalten. Sie macht gerade nicht den „großen“ Schadensersatz statt der (ganzen)

Leistung, sondern lediglich den „kleinen“ Schadensersatz geltend.45

Fraglich ist allerdings, ob V die fiktiven Mängelbeseitigungskosten (zum Begriff der fiktiven

Reparaturkosten s. bereits oben Teil 1 V. Rechtsfolge) überhaupt ersetzt verlangen kann oder

dies nur möglich ist, wenn sie die Anhängerkupplung tatsächlich nachrüsten lässt. Es geht um

die Frage, ob die fiktiven Mängelbeseitigungskosten einen ersatzfähigen Schadensposten dar-

41

Etwa Weiler, SchuldR AT, § 25 Rn. 22. 42

Weiler, SchuldR AT, § 25 Rn. 23. 43

Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 16; MüKo-BGB/Emmerich, Vor § 281 Rn. 3. 44

BGH NJW 2010, 3085 Rn. 10. 45

Vgl. zur Abgrenzung etwa Palandt/Grüneberg, § 281 Rn. 45 f.

Anmerkung für die Korrektur: Es ist absolut vertretbar, der ersten Auffassung zu folgen

und ein Vertretenmüssen des K zu verneinen. Dann müsste hilfsgutachterlich weiterge-

prüft werden.

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stellen. Das Vermögen des Käufers ist bereits durch den Erhalt der mangelhaften Kaufsache

beschädigt.46

Sinn und Zweck des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung sei es nach dem

für das Werkvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenat, dem Käufer die Nachteile auszuglei-

chen, die ihm durch den Erhalt der mangelhaften Leistung entstünden, und trete an die Stelle

des vertraglichen Leistungsanspruchs. Wie der Leistungsanspruch sei er auf die Herstellung

des werkvertraglichen Erfolgs gerichtet. Dieser Zweck werde unterlaufen, wenn der Verkäu-

fer als Ausgleich lediglich den Ersatz des mangelbedingten Minderwertes verlangen könne.47

Dieser Rechtsprechung hat sich der für das Kaufrecht zuständige V. Zivilsenat nach der

Schuldrechtsreform aufgrund der Parallelität von kauf- und werkvertraglichem Gewährleis-

tungsrecht angeschlossen.48

Demnach kann der Käufer die fiktiven Mängelbeseitigungskosten

bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit aus § 251 Abs. 2 S. 1 BGB gelten machen.49

Aller-

dings kann er bei Abrechnung nach den fiktiven Kosten nicht die Umsatzsteuer ersetzt ver-

langen. Dabei handelt es sich um Kosten, die er nur aufwenden muss, wenn er die Mängelbe-

seitigung tatsächlich durchführen lässt.50

Zwar ist die Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB

hier mangels Beschädigung einer Sache i.S.v. § 249 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar anwend-

bar, dennoch lässt sich der Regelung die Wertung entnehmen, dass der Gläubiger nur dann

Ersatz der Umsatzsteuer verlangen können soll, wenn diese auch tatsächlich anfällt.51

Die von V hier geltend gemachten 1.500 €, die sie für die Nachrüstung der Anhängerkupp-

lung hätte aufwenden müssen, stellen bereits den Nettobetrag dar. Zudem stellen sie sich im

Vergleich zum Kaufpreis von 80.000 € nicht als unangemessen hoch i.S.v. § 251 Abs. 2 S. 1

BGB dar. Es handelt sich damit um einen ersatzfähigen Schadensposten.

IX. Ergebnis

V hat gegen K einen Anspruch auf Ersatz der fiktiven Kosten für die Nachrüstung der Anhän-

gerkupplung i.H.v. 1.500 € aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 Alt. 1, 437 Nr. 3 BGB.

46

Palandt/Weidenkaff, § 437 Rn. 34. 47

Etwa BGH NJW 1999, 1705; NJW-RR 2005, 1039; NJW 2013, 370 Rn. 10. 48

Etwa BGH NJW 2012, 2793 Rn. 31; NJW 2015, 468 Rn. 33; NJW 2015, 2244 Rn. 12. 49

BGH NJW 2013, 370 Rn. 11. 50

BGH NJOZ 2016, 1793 Rn. 26. 51

BGH NJW 2010, 3085 Rn. 12 ff.; NJW 2015, 1875 Rn. 4 ff.

Anmerkung für die Korrektur: Mit geeigneter Begründung ist auch die Gegenansicht ver-

tretbar.

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Hausarbeit Schuldrecht Prof. Dr. Florian Jacoby

Lösungsskizze

- 20 -

Teil 3:

Schadensersatzanspruch des B gegen U i.H.v. 60.000 € aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281

Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 634 Nr. 4, 631, 650a BGB

B könnte gegen U einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 Abs. 1

und 3, 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 634 Nr. 4, 631, 650a BGB auf Ersatz der geltend gemachten

60.000 € haben.

I. Bauvertrag

Dazu müsste zwischen den Parteien ein Bauvertrag nach §§ 631, 650a BGB bestehen. Ein

Bauvertrag ist nach § 650a Abs. 1 S. 1 BGB ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederher-

stellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines

Teils davon. Vertragsgegenstand ist die Neugestaltung der Außenanlagen auf dem Grundstück

des B samt Neubepflanzung und Erstellung neuer Wege, sodass es um eine Außenanlage

i.S.v. § 650a Abs. 1 S. 1 BGB handelt.52

Durch die Neugestaltung samt Neubepflanzung und

Anlegung neuer Wege wird in den Bestand der bisherigen Außenanlagen eingegriffen, sodass

es sich um einen Umbau handelt.53

Bei dem zwischen B und U geschlossenen Vertrag handelt

es sich damit um einen Bauvertag i.S.v. § 650a BGB.

Beim Bauvertrag handelt es sich einen besonderen Fall des Werkvertrags. Diese Einordnung

ergibt sich nach der Kodifizierung des Bauvertrags aus dem Wortlaut von § 650a Abs. 1 S. 2

BGB, wonach die Vorschriften des Bauvertragsrechts zusätzlich zu denen des Werkvertrags-

rechts anzuwenden sind.54

52

Zum Begriff der Außenanlage MüKo-BGB/Busche, 7. Aufl. 2018, § 650a Rn. 8; Palandt/Sprau, § 650a

Rn. 7; BeckOGK-BGB/Merkle, § 650a Rn. 58; Motzke, NZBau 2017, 515 (517). 53

Zum Begriff des Umbaus, MüKo-BGB/Busche, § 650a Rn. 8; Palandt/Sprau, § 650a Rn. 4; BeckOGK-

BGB/Merkle, § 650a Rn. 65. 54

MüKo-BGB/Busche, § 650a Rn. 5; Palandt/Sprau, § 650a Rn. 2.

Anmerkung für die Korrektur: Einige Verfasser könnten auf die Idee kommen, zunächst

einen Vorschussanspruch des B aus §§ 637 Abs. 3, 634 Nr. 2 BGB zu prüfen. Vorausset-

zung dafür ist allerdings, die Absicht des Bauherrn oder Bestellers, den Mangel tatsächlich

zu beseitigen (MüKo-BGB/Busche, § 637 Rn. 20; Palandt/Sprau, § 637 Rn. 8). Diese Ab-

sicht hat der B laut Sachverhalt gerade nicht. Daher sollte die Prüfung dieses Anspruchs

kurz gehalten werden, zumal die Fallfrage ausdrücklich nach einem Schadensersatzan-

spruch des B fragt.

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Lösungsskizze

- 21 -

II. Mangel bei Gefahrübergang

Weiterhin müsste das Bauwerk bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sein.

1. Werkmangel, § 633 BGB

Wann ein Bauwerk mangelhaft ist, bestimmt sich nach § 633 Abs. 2 und 3 BGB. Für einen

Rechtsmangel nach § 633 Abs. 3 BGB bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

a) Verfärbungen, Auswaschungen, Risse

Ein Mangel könnte in den auftretenden Verfärbungen, Auswaschungen und Rissen liegen.

Hinsichtlich der Farbe könnte der Mangel sich bereits nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB aufgrund

einer Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit des Travertins ergeben. Zur vereinbar-

ten Beschaffenheit gehören sämtliche Eigenschaften des Werkes, die den vertraglich geschul-

deten Erfolg herbeiführen sollen.55

U wurde von B ausdrücklich mit der Verlegung von Tra-

vertin in der Farbe „Crema Romana“ beauftragt. Dabei handelt es sich um eine Eigenschaft

des Werkes. Wenn die Steine nunmehr Verfärbungen aufweisen, weichen sie von dieser Ei-

genschaft und damit von der vereinbarten Beschaffenheit ab, sodass ein Mangel i.S.v. § 633

Abs. 2 S. 1 BGB vorliegt.

55

Stellvertretend für alle Palandt/Sprau, § 633 Rn. 6.

Anmerkung für die Korrektur: Eine solch detaillierte Befassung mit der Definition des

Bauvertrags ist nicht zu erwarten, zumal der Sachverhalt zu den einzelnen Merkmalen

eindeutig ist.

Auch die Einordnung des Vertrags allein als Werkvertrag soll zu keinen großen Punktab-

zügen führen, zumal dies für die spätere Lösung ohne Auswirkung ist. Vielmehr ist es po-

sitiv zu bewerten, wenn die Bearbeiter um die Existenz der §§ 650a ff. BGB wissen und

sich mit der Definition in § 650a Abs. 1 S. 1 BGB und dem Verhältnis von Bau- und

Werkvertrag auseinandersetzen.

Die Annahme eines Werklieferungsvertrags nach § 650 BGB scheidet bereits mangels

Erzeugung einer beweglichen Sache aus und ist insoweit verfehlt. Gleiches gilt für die

Annahme eines Kaufvertrags nach § 433 BGB, da die Lieferung des Travertins nur ein

kleiner Teil der Leistungen des U sind. Wesentliche Pflicht des U ist die Neugestaltung

der Außenanlage.

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Lösungsskizze

- 22 -

Bezüglich der Auswaschungen und Risse liegt hingegen keine Vereinbarung über die Be-

schaffenheit vor, § 633 Abs. 2 S. 1 BGB. Auch fehlen Anhaltspunkte für eine fehlende Eig-

nung zur vertraglichen Verwendung, § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB, da B und U keine subjek-

tiven Vorstellungen56

hinsichtlich der Beschaffenheit der Platten hatten. Allerdings könnte ein

Mangel nach § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn das Werk

sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder keine Beschaffenheit aufweist, die bei

Werken gleicher Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.

Typischerweise wird man annehmen dürfen, dass Steinplatten nicht bereits nach kurzer Zeit

Auswaschungen und Risse aufweisen, sodass darin eine Abweichung von der üblichen Be-

schaffenheit des Werkes liegt.

Die Farbveränderungen, Auswaschungen und Risse stellen damit insgesamt einen Mangel der

Steinplatten und damit des gesamten Bauwerks dar.

b) Fehlende Eignung zur Verwendung im Außenbereich

Zudem könnte der Umstand, dass der verwendete Travertin in der Variante Dodo 69 für die

Verwendung im Außenbereich ungeeignet ist und sich dadurch bereits nach kurzer Zeit Risse,

Ausspülungen und Verfärbungen zeigten, einen Sachmangel i.S.v. § 633 Abs. 2 BGB begrün-

den.

Ein Sachmangel liegt nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB dann vor, wenn das Werk nicht die verein-

barte Beschaffenheit aufweist. Dazu bedarf es allerdings einer Vereinbarung über die Be-

schaffenheit des Bauwerkes. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Eignung des Traver-

tins für den Außenbereich haben B und U hier nicht getroffen. Es wurde lediglich die Ver-

wendung von Travertin in der Ausführungsvariante Dodo 69 und der Farbe „Crema Romana“

vereinbart. Darin könnte jedoch die konkludente Vereinbarung liegen, dass sich das Material

überhaupt zur Verwendung im Außenbereich eignet.

Nach der überwiegenden Ansicht zählt zur vereinbarten Beschaffenheit des Werkes i.S.v.

§ 633 Abs. 2 S. 1 BGB auch die Funktionsfähigkeit des zu erbringenden Werkes, sog. funkti-

onaler Mangelbegriff. Danach liegt auch dann eine Abweichung von der vereinbarten Be-

schaffenheit vor, wenn das Werk die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funk-

56

Zum Begriff der vertraglich vorausgesetzten Verwendung MüKo-BGB/Busche, § 633 Rn. 28; Pa-

landt/Sprau, § 633 Rn. 9.

Anmerkung für die Korrektur: Es dürfte ebenso vertretbar sein, auch die Farbveränderun-

gen als Abweichung von der üblichen Beschaffenheit nach S. 2 Nr. 2 einzustufen.

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Lösungsskizze

- 23 -

tion nicht erfüllt.57

Das gelte selbst dann, wenn die Parteien eine bestimmte Ausführungsart

vereinbart haben.58

Zwar haben B und U hier die Verwendung des Travertins Dodo 69 ver-

einbart. Dieser war jedoch nicht zur Verwendung im Außenbereich geeignet. Das zeigt sich

nicht zuletzt an den aufgetretenen Verfärbungen, Rissen und Auswaschungen. Die Funktions-

fähigkeit der Platten war demnach eingeschränkt, sodass nach dem funktionalen Mangelbe-

griff eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit i.S.v. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB vor-

liegt.

Es sprechen allerdings auch gute Argumente gegen den funktionalen Mangelbegriff im Werk-

vertragsrecht.59

Lehnt man damit den funktionalen Mangel ab, ist die Funktionsfähigkeit des

Werkes kein Bestandteil der vereinbarten Beschaffenheit. Die fehlende Eignung der verwen-

deten Platten führt dann nicht zu einem Sachmangel nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB.

Folgt man der Gegenauffassung und lehnt den funktionalen Mangelbegriff grundsätzlich ab,

stellt sich jedoch die Frage, ob die fehlende Eignung der Platten zur Verwendung im Außen-

bereich einen anderen Mangel nach § 633 Abs. 2 BGB begründen kann. So könnte es sich

dabei um eine fehlende Eignung zur vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit nach § 633

Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB handeln. Maßgeblich dafür sind die von den Vertragsparteien geäußer-

ten Absichten und gemeinsamen Vorstellungen über den zukünftigen Gebrauch des Werkes.60

Der U sollte die Außenanlagen auf dem Grundstück des B neu gestalten. Es ging also um die

Erbringung eines Werkes unter freiem Himmel. In einem solchen Fall ist es offensichtlich,

dass zur Erbringung des Werkes solche Materialien zu verwenden sind, die sich für die Ver-

wendung im Außenbereich eignen. Die hier verwendeten Materialien des Typs Dodo 69 sind

für den Außenbereich ungeeignet. Sie erfüllen damit nicht den von B und U vorausgesetzten

Zweck, sodass darin ein Mangel i.S.v. § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB liegt.

57

BGH NJW 2008, 511 Rn. 15; NJW 2011, 1444 Rn. 22; NJW 2011, 3780 Rn. 11; Messer-

schmidt/Voit/Drossart, 2. Aufl. 2012, § 633 BGB Rn. 16; Palandt/Sprau, § 633 Rn. 6; Looschelders,

SchuldR BT, Rn. 667. 58

BGH a.a.O. 59

So etwa kritisch zum funktionalen Mangel Staudinger/Peters/Jacoby [2014], § 633 Rn. 184a; Peters,

NZBau 2013, 129; Lederer, BauR 2017, 605. 60

MüKo-BGB/Busche, § 633 Rn. 28; Palandt/Sprau, § 633 Rn. 9.

Anmerkung für die Korrektur: Es ist nicht damit zu rechnen, dass den Bearbeitern die

Problematik um den funktionalen Mangelbegriff – zumindest in dieser Tiefe – bekannt ist.

Umso positiver sollte eine Befassung mit der Problematik bewertet werden.

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Lösungsskizze

- 24 -

2. Bei Gefahrübergang

Diese Mängel müssten im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Der Gefahr-

übergang erfolgt bei der Abnahme des Werkes gem. § 640 Abs. 1 BGB61

bzw. im Zeitpunkt

des Angebots der Leistung als abnahmereif durch den Werk- bzw. Bauunternehmer.62

Abnahme meint nach der h.M. die körperliche Entgegennahme des Werkes, soweit dies mög-

lich ist und die Anerkennung als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung.63

Teilweise wird

auf das Element der körperlichen Entgegennahme verzichtet, sodass nur auf die Anerkennung

als im Wesentlichen vertragsgemäß abzustellen ist.64

Eine körperliche Entgegennahme i.S.e.

Besitzverschaffung65

ist bei Werk- bzw. Bauarbeiten an Grundstücken oder Gebäuden nicht

möglich, sodass in diesen Fällen die Anerkennung des Werkes als im Wesentlichen vertrags-

gemäß genügt.66

Eine Stellungnahme ist damit an dieser Stelle entbehrlich.

B müsste das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß hingenommen haben. Bei der Bege-

hung des Außenbereichs am 15.06.2018 zeigte er sich hocherfreut über die Neugestaltung des

Außenbereichs auf seinem Grundstück. Dieses Verhalten gegenüber U ist als Anerkennung

der Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß zu verstehen. Das Werk wurde damit gem.

§ 640 Abs. 1 BGB abgenommen.

Die festgestellten Mängel an den Travertinplatten müssten damit am 15.06.2018 vorgelegen

haben, um die Mängelrechte aus § 634 BGB auszulösen. Allerdings wiesen sie die Verfär-

bungen, Auswaschungen und Risse erst im Juli 2018 und damit nach dem Gefahrübergang

auf. Die Mängelrechte lassen sich damit nicht auf diesen Mangel stützen. Die fehlende Eig-

nung der Platten zur Verwendung im Außenbereich ist hingegen eine Eigenschaft, die ihnen

von vornherein angehaftet hat. Dieser Mangel bestand damit bereits im Zeitpunkt der Abnah-

me am 15.06.2018.

61

Palandt/Sprau, § 640 Rn. 18; MüKo-BGB/Busche, § 640 Rn. 51; Looschelders, SchuldR BT Rn. 672;

Brox/Walker, SchuldR BT, 42. Aufl. 2018, Rn. 11. 62

Medicus/Lorenz, SchuldR II BT, 17. Auflage 2014, Rn. 753. 63

Palandt/Sprau, § 640 Rn. 3; MüKo-BGB/Busche, § 640 Rn. 2; Looschelders, SchuldR BT Rn. 648. 64

Staudinger/Peters/Jacoby [2014], § 640 Rn. 7 ff.; BeckOK-BGB/Voit, Stand: 01.02.2017; § 640 Rn. 18. 65

Vgl. zur Definition Palandt/Sprau, § 640 Rn. 3. 66

Palandt/Sprau, § 640 Rn. 3; Looschelders, SchuldR BT, Rn. 648.

Anmerkung für die Korrektur: Da hier die Abnahme der Leistung und der Zeitpunkt des

Angebots als abnahmereif zusammenfallen, kann eine Unterscheidung an dieser Stelle

dahinstehen.

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Lösungsskizze

- 25 -

III. Kein Ausschluss der Mängelrechte

Für eine positive Kenntnis des B und einen damit verbundenen Ausschluss der Mängelrechte

nach § 640 Abs. 3 BGB ist nichts ersichtlich.

IV. Pflichtverletzung

1. Nichtleistung oder Schlechtleistung

Der U müsste zudem eine Pflicht nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB verletzt haben. Das von ihm

erbrachte Bauwerk war mangelhaft (s.o.), sodass er die von ihm geschuldete Leistung – Ver-

schaffung eines mangelfreien Werkes, §§ 650a, 631 Abs. 1, 633 Abs. 1 BGB – nicht wie ge-

schuldet i.S.v. § 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB erbracht hat.

Für die Unwirksamkeit oder Undurchsetzbarkeit des Anspruchs des B ist nichts ersichtlich.

Auch bestehen keine Anhaltspunkte für einen von § 271 Abs. 1 BGB abweichenden Fällig-

keitszeitpunkt.

2. Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Nachfrist

Weiterhin müsste B dem U eine angemessene Nachfrist zur Nacherfüllung gesetzt haben und

diese Frist müsste erfolglos verstrichen sein. Die Frist, die der B gesetzt hat, war laut Sach-

verhalt angemessen.

Allerdings müsste diese Frist auch erfolglos abgelaufen sein. B verlangt laut Sachverhalt be-

reits vor Ablauf der Frist Schadensersatz von U. Er hat den Ablauf der von ihm gesetzten Frist

damit nicht abgewartet. Allerdings hat wiederum U erklärt, gar nicht daran zu denken, die

Platten auszutauschen. Darin könnte eine endgültige Erfüllungsverweigerung des U liegen,

die den B gem. § 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB zur sofortigen Geltendmachung seines Schadenser-

satzanspruchs berechtigt. Eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung i.S.d. Norm

liegt vor, wenn der Schuldner durch seine Erklärungen und sein Verhalten zum Ausdruck

bringt, er werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, und es damit ausgeschlossen

erscheint, dass er sich durch eine Aufforderung zur Leistung umstimmen lässt. Sie muss das

letzte Wort des Schuldners sein.67

Die Aussage des U, gar nicht an einen Austausch der Plat-

67

BGH NJW 2009, 1813 Rn. 29; NJW 2013, 1431 Rn. 36.

Anmerkung für die Korrektur: Die Bearbeiter sollten an dieser Stelle erkennen, dass nur

einer der festgestellten Mängel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat. An dieser Stel-

le ist also eine Differenzierung notwendig.

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Lösungsskizze

- 26 -

ten zu denken, bringt zum Ausdruck, dass er endgültig nicht an einer Nacherfüllung interes-

siert ist, sodass der B berechtigt war, sofort Schadensersatz zu verlangen.

V. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB

U müsste seine Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Maßstab für das Vertretenmüssen

ist § 276 Abs. 1 BGB. Der Schuldner hat demnach Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten,

soweit keine andere Haftung bestimmt ist. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB enthält dabei eine Vermu-

tung für ein Vertretenmüssen des Schuldners. Es liegt an ihm, die Vermutung zu widerle-

gen.68

Zwar ist unklar, worauf sich das Vertretenmüssen beim Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 3,

281 Abs. 1 BGB beziehen muss (s. dazu oben Teil 2 V. Vertretenmüssen). Es hätte dem B

bekannt sein müssen, dass die gewählte Ausführungsvariante Dodo 69 nicht zur Verwendung

im Außenbereich geeignet ist, sodass er bei Fälligkeit der ursprünglichen Leistung fahrlässig

i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB handelte. Zudem hat er die Nacherfüllung aus § 635 Abs. 1 BGB

bewusst verweigert. Er handelte damit in dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des

§ 281 Abs. 2 vorlagen, vorsätzlich. B kann sich damit für keinen der beiden Zeitpunkte von

der Vermutung in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB exkulpieren, sodass er die Pflichtverletzung nach

allen drei Ansichten zu vertreten hat.

VI. Schaden

Der Schaden des B liegt im Erhalt eines nach § 633 Abs. 2 BGB mangelhaften Bauwerks. Der

Anspruch des B ist durch die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung

gem. § 281 Abs. 4 BGB erloschen (s. bereits oben zu Teil 2).

68

Etwa Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 40; MüKo-BGB/Ernst, § 280 Rn. 34; Looschelders, SchuldR AT,

Rn. 520; Jacoby/v. Hinden, § 280 Rn. 6.

Anmerkung für die Korrektur: An dieser Stelle auf die Problematik des „antizipierten Ver-

tragsbruchs“ einzugehen, ist verfehlt, da es dort um die Frage geht, wie der Gläubiger vor-

gehen kann, wenn der Schuldner die Leistung bereits vor Fälligkeit verweigert.

Anmerkung für die Korrektur: Auf eine ausführliche Darstellung des Streitstandes kann an

dieser Stelle verzichtet werden, soweit dies bereits im zweiten Teil der Lösung geschehen

ist. Die Bearbeiter sollten sich dann mit einem Verweis nach oben begnügen. Zudem

kommen an dieser Stelle ohnehin alle Ansichten zum selben Ergebnis.

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Lösungsskizze

- 27 -

VII. Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung

B hat einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen U. Er kann vom U das po-

sitive Interesse (= Erfüllungsinteresse) verlangen. Er ist damit so zu stellen, wie er bei ord-

nungsgemäßer Vertragserfüllung durch U gestanden hätte.69

Die Höhe des Anspruchs bemisst

sich daher nach § 251 Abs. 1 BGB (s. dazu bereits oben Teil 2 VII. Schaden).

Auf die Erheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 281 Abs. 1 S. 3 BGB kommt es an dieser

Stelle nicht an. B hat sich dazu entschlossen, den Zustand seines Gartens hinzunehmen und

das mangelhafte Bauwerk zu behalten. Er macht gerade nicht den „großen“ Schadensersatz

statt der (ganzen) Leistung, sondern lediglich den „kleinen“ Schadensersatz geltend.70

1. Ersatzfähiger Schaden

Voraussetzung für einen Anspruch auf Schadensersatz ist stets das Bestehen eines Vermö-

gensschadens auf Gläubigerseite.71

B verlangt hier 60.000 €, die er für die Beseitigung des

Mangels hätte aufwenden müssen. Es geht ihm also gerade nicht um tatsächlich angefallene

Kosten, sondern um den Ersatz fiktiver Reparaturkosten.72

Es stellt sich die Frage, ob und

inwieweit diese Kosten überhaupt ein ersatzfähiger Schaden statt der Leistung im Werkver-

tragsrecht sind. Anders als der mangelbedingte Minderwert, der – soweit sich der Besteller

entscheidet, das mangelhafte Werk zu behalten – ohne Zweifel als ersatzfähiger Schaden ein-

zustufen ist,73

wirken sich die fiktiven Mängelbeseitigungskosten gerade nicht negativ auf das

Vermögen des B aus, da er sie tatsächlich nicht aufgewandt hat.

Ob dies der Fall ist, hängt von der Frage ab, auf welche Weise der Schadensersatz statt der

Leistung zu bemessen ist, wenn der Besteller sich zum Behalten des mangelhaften Werkes

entscheidet.

a) Wahlrecht zwischen mangelbedingtem Minderwert und fiktiven Mängelbeseiti-

gungskosten

Eine Möglichkeit zur Ermittlung des Schadens könnte ein Wahlrecht des Gläubigers sein. Es

steht ihm danach frei, im Rahmen des kleinen Schadensersatzes statt der Leistung entweder

den mangelbedingten Minderwert oder die fiktiven Mängelbeseitigungskosten ersetzt zu ver-

69

Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 16; MüKo-BGB/Emmerich, Vor § 281 Rn. 3. 70

Vgl. zur Abgrenzung etwa Palandt/Grüneberg, § 281 Rn. 45 f. 71

Etwa BGH NJW 2018, 1463 Rn. 24. 72

Vgl. zum Begriff etwa MüKo-BGB/Oetker, § 249 Rn. 367 ff.; Jauernig/Teichmann, 16. Aufl. 2015, § 249

Rn. 10; Weiler, SchuldR AT, § 46 Rn. 5. 73

BGH NJW 2018, 1463 Rn. 24.

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Lösungsskizze

- 28 -

langen.74

Die Zubilligung der fiktiven Mängelbeseitigungskosten stelle dabei eine vereinfach-

te Möglichkeit zur Bezifferung des mangelbedingten Wertunterschiedes dar. Solange die

Grenze der Unverhältnismäßigkeit aus § 251 Abs. 2 S. 1 BGB nicht überschritten sei, könne

der Bauherr (Besteller) die fiktiven Mängelbeseitigungskosten auch dann verlangen, wenn sie

den tatsächlichen mangelbedingten Minderwert übersteigt.75

Das ergebe sich daraus, dass der

Mangel des (Bau)Werks bereits der Schaden sei (s. VI.), der durch die fiktiven Mängelbesei-

tigungskosten beziffert werde.76

Die Umsatzsteuer sei bei Geltendmachung der Mängelbeseitigungskosten allerdings nur dann

ein ersatzfähiger Posten, wenn sie tatsächlich anfällt, die Mängelbeseitigung also auch tat-

sächlich durchgeführt wird. Das ergebe sich aus der Wertung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, der

mangels Möglichkeit der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB (s.o.) bzw. Beschädigung

einer Sache hier nicht unmittelbar anwendbar ist.77

Der U macht laut Sachverhalt ohnehin nur

den Betrag abzüglich der Umsatzsteuer geltend.

Folgt man dieser Auffassung, steht es dem B frei, wahlweise den mangelbedingten Minder-

wert oder die fiktiven Mängelbeseitigungskosten von U ersetzt zu verlangen. Hier verlangt er

primär den Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigungskosten i.H.v. 60.000 €. Er hätte damit einen

Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 634 Nr. 4 BGB in dieser Höhe.

b) Lediglich Ersatz des mangelbedingten Minderwerts möglich

Allerdings ließe sich auch vertreten, dass der Anspruch des Bauherrn bzw. Bestellers auf den

kleinen Schadensersatz statt der Leistung nicht die fiktiven Mängelbeseitigungskosten um-

fasst.78

Der Besteller sei nur dann in Höhe der Mängelbeseitigungskosten geschädigt, wenn er

den Mangel tatsächlich beseitigen lässt. Eine fiktive Minderung seines Vermögens sei nicht

74

So die bisherige ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGH NJW 1973, 138 (139); NJW-RR 1991, 1429;

NJW 2004, 2156; NJW-RR 2005, 1039; NJW 2008, 436 Rn. 11 f.; NJW 2010, 3085 Rn. 11; NJW 2013,

370 Rn. 10. – Zudem MüKo-BGB/Busche, § 634 Rn. 45; Messerschmidt/Voit/Drossart, § 634 BGB Rn. 86;

Staudinger/Peters/Jacoby [2014], § 634 Rn. 149 ff.; BeckOGK/Kober, § 636 Rn. 259; Schwenker, MDR

2018, 640 (643 ff.); Thode, jurisPR-PrivBauR 6/2018 Anm. 1; Weyer; NZBau 2013, 269 ff. 75

BGH NJW 2008, 436 Rn. 12. 76

BGH NJW-RR 2003, 878 (879); NJW-RR 2005, 1039 f.; NJW 2007, 2697 Rn. 12 f. 77

BGH NJW 2010, 3085 Rn. 12 ff.; NJW 2015, 1875 Rn. 4 ff.; MüKo-BGB/Busche, § 634 Rn. 45; Messer-

schmidt/Voit/Drossart, § 634 BGB Rn. 88; Staudinger/Peters/Jacoby [2014], § 634 Rn. 150; Er-

man/Schwenker/Rodemann, 15. Aufl. 2017, § 634 Rn. 11a. 78

So die neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Werkver-

tragsrecht in BGH NJW 2018, 1463, Rn. 31 ff.; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2016,

6. Teil Rn. 253; Knütel, BauR 2004, 591 ff.; Halfmeier, BauR 2013, 320 ff.

Anmerkung für die Korrektur: Die Ausführungen zur Umsatzsteuer entsprechen denen in

Teil 2 VIII. Rechtsfolge und können somit entsprechend kurz gehalten werden.

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Lösungsskizze

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möglich. Das ergebe sich – abweichend von der soeben geschilderten Ansicht – daraus, dass

allein der Mangel des Werkes kein Vermögensschaden des Bestellers, sondern bloß ein Leis-

tungsdefizit sei, indem das fertiggestellte Werk hinter der geschuldeten Leistung zurückblei-

be.79

Folgt man dieser Auffassung, könnte der B hier nur Ersatz des mangelbedingten Minderwerts

verlangen. Die Geltendmachung der fiktiven Mängelbeseitigungskosten wäre dann nicht mög-

lich, sodass er lediglich einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 634

Nr. 4 BGB i.H.v. 50.000 € gegen U hätte.

c) Stellungnahme

Da die Anspruchshöhe nach den beiden Ansichten unterschiedlich ausfällt, bedarf es einer

Stellungnahme, welcher Ansicht zu folgen ist.

An der zweiten Ansicht ließe sich bereits bemängeln, dass der Bauherr bzw. Besteller sehr

wohl bereits mit dem Erhalt des mangelhaften Werks und nicht erst nach tatsächlicher Auf-

wendung von Mängelbeseitigungskosten in seinem Vermögen geschädigt ist. Dies entspräche

dem Willen des Gesetzes. Denn die Gesetzesbegründung zur Schuldrechtsreform geht im Fal-

le des § 437 Nr. 3 BGB, der parallel zu § 634 Nr. 4 BGB ausgestaltet ist, vom Mangel selbst

als Schaden aus.80

Zudem entsteht der Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 634

Nr. 4 BGB bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Unternehmer trotz Fristsetzung nicht nacher-

füllt hat. Da eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung das Bestehen eines Schadens ist, die

Mängelbeseitigungskosten typischerweise aber erst nach Entstehen dieses Anspruchs entste-

hen, müsse der Mangel selbst den Schaden begründen.81

Überhaupt war es vielmehr die Intention des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform, die Recht-

sprechung zur Ersatzfähigkeit der fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht

auch für das Kaufrecht fruchtbar zu machen und eine Harmonisierung in dieser Frage zu er-

zielen. Aus diesem Grund wurden die Mängelrechte „inhaltsgleich“82

ausgestaltet und der für

das Kaufrecht zuständige V. Zivilsenat sich der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats ange-

schlossen.83

Mit der Schuldrechtsreform war hingegen keine Änderung der Rechtslage im

Werkvertragsrecht beabsichtigt.84

79

BGH NJW 2018, 1463 Rn. 32 f.; Knütel, BauR 2004, 591 (593). 80

BT-Drucks 14/6040 S. 224 Nr. 3 Abs. 2, S. 225 Abs. 2. 81

Weyer, NZBau 2013, 269 (271). 82

BGH NJW 2012, 2793 Rn. 31. 83

Vgl. BGH NJW 2015, 468 Rn. 32. 84

Deppenkemper, Juris Monatszeitschrift 2018, 222 (227 f.); Weyer, NZBau 2013, 269 (272).

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Lösungsskizze

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Gegen die Ersatzfähigkeit der fiktiven Mängelbeseitigungskosten ließe sich wiederum das

Risiko einer Überkompensation beim Besteller vorbringen. Der fiktive Aufwand der Mängel-

beseitigung hängt von diversen Umständen ab, die in ihrer Gesamtheit bei einer fiktiven Be-

rechnung der Anspruchshöhe überhaupt nicht zu erfassen sind, sondern sich erst nach Durch-

führung der Arbeiten hinreichend präzise beziffern lassen.85

Dagegen wird teilweise bereits

angeführt, dass es sich bei dem Begriff der Überkompensation aufgrund der Rechtsprechung

zur Berücksichtigung der Umsatzsteuer lediglich um ein bloßes Schlagwort handele.86

Teil-

weise wird angenommen, dass die Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten dann

nur in Fällen, in denen erhebliche Differenzen zum mangelbedingten Minderwert bestehen,

ausgeschlossen sein müsse.87

Als weiteres Argument für ein Wahlrecht des Bestellers und damit für die Ersatzfähigkeit

fiktiver Mängelbeseitigungskosten wird zudem die schadensrechtliche Dispositionsfreiheit

angeführt. Der Geschädigte sei frei in seiner Entscheidung, ob er die Sache reparieren bzw.

den Mangel beseitigen lasse oder ob er lediglich die dafür erforderlichen Kosten ersetzt ver-

lange. Das ergebe sich nicht zuletzt aus der Wertung von § 249 Abs. 2 BGB.88

Zunächst wird

gegen dieses Argument vorgebracht, dass die Dispositionsfreiheit des Bestellers weniger

schutzwürdig sei als bei anderen Vertragstypen. Denn das Werkvertragsrecht gebe ihm bereits

die Möglichkeit, nach § 637 BGB den Mangel selbst zu beseitigen bzw. durch Dritte beseiti-

gen zu lassen. § 637 Abs. 3 BGB enthalte zudem einen Vorschussanspruch, sodass sein Leis-

tungsinteresse insgesamt durch § 637 BGB ausreichend geschützt sei.89

Zudem sei die Situa-

tion des Bauherrn oder Bestellers, der ein mangelhaftes Werk erhalten hat, nicht mit der Si-

tuation desjenigen, dessen Eigentum beschädigt wurde, vergleichbar. Denn der Geschädigte

sehe sich erstmals mit der Frage konfrontiert, wie er mit der beschädigten Sache weiter ver-

fahren solle, während der Werkbesteller sein Interesse bereits im Werkvertrag klar definiert

hat. Danach sei er darauf aus, tatsächlich ein mangelfreies Werk zu erhalten.90

Diesem Argu-

ment ließe sich wiederum entgegenhalten, dass auch der Werkbesteller erstmals mit der Fra-

ge, wie er mit der mangelhaften Sache weiter verfahren will, konfrontiert wird, da seine bishe-

85

BGH NJW 2018, 1463 Rn. 34 ff.; Knütel, BauR 2004, 591 (594); Halfmeier, BauR 2013, 320 (323); Kniff-

ka/Koeble, Baurecht, 6. Teil, Rn. 253. 86

So Schwenker, MDR 2018, 640 (644). 87

Rodemann, ZfBR 2018, 320 (321). 88

Staudinger/Peters/Jacoby [2014], § 634 Rn. 151; Weyer, NZBau 2013, 269 (272 f.); Schwenker, MDR

2018, 640 (644 f.). 89

BGH NJW 2018, 1463 Rn. 72; Kniffka/Koeble, Baurecht, 6. Teil, Rn. 253. 90

BGH, NJW 2018, 1463 Rn. 73; Halfmeier, BauR 2013, 320 (324).

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rige Vorstellung sich darauf gerichtet hat, ein vertragsgemäßes, also mangelfreies, Werk zu

erhalten. Damit wäre die Situation des Bestellers mit der des Geschädigten vergleichbar.91

Gegen die Ersatzfähigkeit der fiktiven Mängelbeseitigungskosten werden weiter die „Beson-

derheiten des Werkvertragsrechts“ angeführt. Neben dem besonderen Risiko einer Überkom-

pensation (s.o.) werde im Werkvertragsrecht – anders als im Kaufrecht – nur selten die Gren-

ze der Unverhältnismäßigkeit aus § 635 Abs. 3 BGB, die den Unternehmer zur Verweigerung

der Nacherfüllung berechtigt, erreicht.92

Dieses Argument übersieht allerdings, dass die Frage

nach der Höhe eines Schadensersatzanspruchs (= nach der Ersatzfähigkeit bestimmter Posten)

keine Frage des jeweils einschlägigen Regimes im besonderen Schuldrecht, sondern eine Fra-

ge des Schadensrechts – also des allgemeinen Schuldrechts – ist. Allein das spreche gegen die

Berücksichtigung werkvertraglicher Besonderheiten.93

Weiter lassen sich praktische Erwägungen für die Ersatzfähigkeit der fiktiven Mängelbeseiti-

gungskosten vorbringen. Wenn argumentiert wird, dass die Mängelbeseitigungskosten fiktiv

nur schwer zu ermitteln seien (s.o.), fände nur eine Verlagerung des Problems statt, da diese

Kosten bei der Ermittlung der Minderungsquote ebenfalls von Relevanz sind. Denn auch dort

orientiere sich der mangelbedingte Minderwert an den fiktiven Mängelbeseitigungskosten.94

Das lässt sich jedoch dadurch verhindern, dass man auch an dieser Stelle auf die fiktiven

Mängelbeseitigungskosten verzichtet und den mangelbedingten Minderwert auf andere Wei-

se, etwa durch Rückgriff auf die zugehörigen Vergütungsanteile schätzt.95

Für die Berücksichtigung fiktiver Mängelbeseitigungskosten spreche zudem, dass der Bestel-

ler ansonsten das Insolvenzrisiko des Unternehmers zu tragen hätte. So könne er zunächst die

fiktiven Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz ersetzt verlangen und sich anschlie-

ßend überlegen, ob er den Mangel tatsächlich beheben lässt (Dispositionsfreiheit, s.o.). Kann

er diesen Posten nun hingegen nicht mehr ersetzt verlangen, bliebe ihm nur die Möglichkeit,

nach §§ 637 Abs. 3, 634 Nr. 4 BGB einen Vorschuss zu verlangen. Über diesen hat er aller-

dings abzurechnen, sodass er den Vorschuss, wenn er den Mangel nicht innerhalb eines an-

gemessenen Zeitraums beheben lässt, an den Unternehmer zurückzahlen muss.96

Entscheidet

er sich nach Rückzahlung für die Beseitigung des Mangels, müsste er den dazu erforderlichen

91

Weyer, NZBau 2013, 269 (272 f.); Schwenker, MDR 2018, 640 (644 f.). 92

BGH NJW 2018, 1463 Rn. 70 f. 93

Schwenker, MDR 2018, 640 (645); Thode, jurisPR-PrivBauR 6/2018 Anm. 1. 94

Weyer, NZBau 2013, 269 f. 95

BGH NJW 2018, 1463 Rn. 42. 96

Vgl. MüKo-BGB/Busche, § 637 Rn. 23.

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Lösungsskizze

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Betrag erneut vom Unternehmer ersetzt verlangen und trägt dessen Insolvenzrisiko.97

Teilwei-

se wird dagegen vorgebracht, dass sich dieses Problem durch eine Form der Naturalrestitution

im Wege des Schadensersatzes lösen lasse.98

Je nachdem welcher Ansicht man folgt, hat der B gegen den U aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281

Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 634 Nr. 4 BGB einen Anspruch auf Ersatz der fiktiven Mängelbeseiti-

gungskosten i.H.v. 60.000 € bzw. auf Ersatz des mangelbedingten Minderwerts des Grund-

stücks i.H.v. 50.000 €.

2. Mitverschulden, § 254 Abs. 1 BGB

Fraglich ist allerdings, ob der Anspruch des B aufgrund eines Mitverschuldens bei der Scha-

densentstehung gem. § 254 Abs. 1 zu kürzen ist. Die Regelung des § 254 BGB gilt dabei für

sämtliche Schadensersatzansprüche, soweit keine Sondervorschrift besteht.99

Die Regelung in § 254 Abs. 1 BGB erfasst ihrem Wortlaut nach allerdings nur Verhaltenswei-

sen des Geschädigten, die für die Schadensentstehung ursächlich geworden sind.100

Sein Sorg-

faltspflichtverstoß müsste zudem vorsätzlich oder fahrlässig gewesen sein.101

Vorliegend hat

der B überhaupt nicht an der Schadensverursachung mitgewirkt. Vielmehr geht der Mangel zu

97

Weyer, NZBau 2013, 269 (270). 98

So Halfmeier, BauR 2013, 320 (324); Kniffka/Koeble, Baurecht, 6. Teil, Rn. 253. 99

Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 2; MüKo-BGB/Oetker, § 254 Rn. 7. 100

Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 8 101

Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 9; MüKo-BGB/Oetker, § 254 Rn. 31.

Anmerkung für die Korrektur: An dieser Stelle sind beide Ansichten gut vertretbar.

Zwar ist eine derart ausführliche Darstellung des Streitstandes kaum zu erwarten. Die Be-

arbeiter sollten aber dennoch erkennen, dass an dieser Stelle ein wesentliches Problem des

Falls angelegt ist. Für eine ausreichende Leistung genügt es daher nicht, das Problem zu

erkennen. Vielmehr sollen sich die Bearbeiter mit der Problematik intensiver auseinander-

setzen.

Zwar finden sich die einzelnen Aufsätze in für das zweite Fachsemester eher unbekannten

Zeitschriften, doch erwähnt die Entscheidung BGH NJW 2018, 1463 sowohl die Aufsätze

von Knübel, BauR 2004, 591 als auch von Halfmeier, BauR 2013, 320 ausdrücklich in den

Entscheidungsgründen. Weitere Quellen lassen sich zudem über eine Recherche des Ur-

teils in den einschlägigen Datenbanken finden.

Eine Leistung im oberen Notenbereich sollte sich daher zumindest mit einigen der dort

ausgetauschten Argumente auseinandersetzen.

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Lösungsskizze

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25 % auf die Planung des von ihm beauftragten Architekten A zurück. Dafür, dass ihm bei

dessen Auswahl ein Auswahlverschulden zukommt, enthält der Sachverhalt allerdings keine

Hinweise.

Es stellt sich damit die Frage, ob sich der B das schadensursächliche Verhalten des A auf ir-

gendeine Weise zurechnen lassen muss. Eine solche Zurechnungsmöglichkeit findet sich in

§ 254 Abs. 2 S. 2 BGB der auf die Zurechnung für das Verhalten von Verrichtungsgehilfen in

§ 278 BGB verweist. Allerdings gilt dieser Verweis nach der Systematik von § 254 BGB nur

für die Fälle des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB.102

Hier kommt jedoch nur ein Mitverschulden des A

bei der Schadensverursachung i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB in Betracht. Dennoch ist es allgemei-

ne Meinung, dass die Regelung entgegen ihrer systematischen Stellung auch für das Mitver-

schulden Dritter bei der Schadensentstehung nach Abs. 1 gelten soll. § 254 Abs. 2 S. 2 BGB

ist daher als Abs. 3 zu lesen.103

Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 BGB ist jeder, der nach den tatsächlichen Gegebenheiten mit

dem Willen des Schuldner bei der Erfüllung seiner ihm obliegenden Verbindlichkeiten tätig

wird.104

Das gilt spiegelbildlich auch für den Gläubiger, soweit es um die Zurechnung im

Rahmen von Obliegenheiten geht.105

B hat den Architekten A mit der Planung der Außenan-

lagen beauftragt. Dieser ist nach §§ 650p, 650q, 631, 633 Abs. 1 BGB zur Erstellung einer

mangelfreien Planung verpflichtet, sodass er ausführenden Unternehmern gegenüber als Er-

füllungsgehilfe des Bauherrn B tätig wird.106

Allerdings ist umstritten, wie der Verweis des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB auf § 278 BGB zu ver-

stehen ist. Überwiegend wird er als Rechtsgrundverweis verstanden. Der Gläubiger müsse

sich demnach nur dann das Fehlverhalten seiner Erfüllungsgehilfen oder gesetzlichen Vertre-

ter zurechnen lassen, wenn im Zeitpunkt des Fehlverhaltens bereits eine Sonderbeziehung

zum Schuldner bestanden habe. Anderenfalls komme nur eine Haftung nach § 831 BGB in

Betracht.107

Hier hat B den A und den U zeitgleich beauftragt, sodass zum Zeitpunkt des Pla-

102

Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 48; BeckOK-BGB/Lorenz, § 254 Rn. 40. 103

BGH NJW 1951, 477; NJW 2009, 582; Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 48; BeckOK-BGB/Lorenz, § 254

Rn. 40; MüKo-BGB/Oetker, § 254 Rn. 126; BeckOGK-BGB/Looschelders, § 254 Rn. 266; Jauer-

nig/Teichmann, § 254 Rn. 11; Staudinger/Schiemann [2017], § 254 Rn. 95; Erman/Ebert, § 254 Rn. 71;

Weiler, SchuldR AT, § 47 Rn. 12; Looschelders, SchludR AT, Rn. 1116; Brox/Walker, SchuldR AT, § 31

Rn. 46; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 754. 104

Palandt/Grüneberg, § 278 Rn. 7. 105

Palandt/Grüneberg, § 278 Rn. 24. 106

BGH NJW 2016, 3022 Rn. 16 f. 107

BGH NJW 1988, 2667 (2668); WM 2017, 280 Rn. 37; Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 48; MüKo-

BGB/Oetker, § 254 Rn. 129; BeckOK-BGB/Lorenz, § 254 Rn. 40; BeckOGK-BGB/Looschelders, § 254

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nungsfehlers des A bereits eine Sonderbeziehung zwischen B und U in Form des Bauvertrags

nach §§ 650a, 631 BGB bestand. Er muss sich das Fehlverhalten des A damit nach §§ 254

Abs. 2 S. 2, 278 BGB zurechnen lassen.

Teilweise wird der Verweis in § 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweis verstanden.

Danach muss sich der Gläubiger das Fehlverhalten Dritter nach §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB

auch dann zurechnen lassen, wenn zum Zeitpunkt ihres Fehlverhaltens noch keine Sonderbe-

ziehung zum Schuldner bestand.108

Danach muss sich der B in jedem Fall das Fehlverhalten

seines Erfüllungsgehilfen A zurechnen lassen.

Andere stellen wiederum auf die Frage ab, ob dem Dritten die Sorge für das beschädigte

Rechtsgut aufgetragen wurde. Ist dies der Fall, muss der Gläubiger sich das Fehlverhalten des

Dritten zurechnen lassen.109

Nach dem zwischen A und B geschlossenen Architektenvertrag

ist A für die mangelfreie Planung des Vorhabens verantwortlich, vgl. § 633 Abs. 1 BGB. Er

trägt damit die Sorge für die Mangelfreiheit, sodass B sich das Fehlverhalten zurechnen lassen

muss.

Alle Auffassungen kommen zu dem Ergebnis, dass der Anspruch des B gegen U gem. §§ 254

Abs. 2 S. 2, 278 BGB zu kürzen ist. Eine Stellungnahme ist damit entbehrlich. Der Verschul-

densanteil des A beträgt 25 %, sodass der Anspruch des B gegen U – je nachdem, welcher

Ansicht zuvor gefolgt wurde – nur noch in Höhe von 45.000 € (bei bejahter Ersatzfähigkeit

fiktiver Mängelbeseitigungskosten) bzw. 37.750 € (bei verneinter Ersatzfähigkeit fiktiver

Mängelbeseitigungskosten) besteht.

Rn. 269; Weiler, SchuldR AT, § 47 Rn. 13 f; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 756; Brox/Walker,

SchuldR AT, § 31 Rn. 47 f. 108

Jauernig/Teichmann, § 254 Rn. 11; Gernhuber, AcP 152, 82 f. 109

Etwa jurisPK-BGB/Rüssmann, § 254 Rn. 27 m.w.N.

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VIII. Ergebnis

B hat gegen U einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 634 Nr. 4

BGB– je nachdem welcher Auffassung gefolgt wird – i.H.v. 45.000 € oder 37.750 €.

Anmerkung für die Korrektur: Eine derart ausführliche Darstellung der verschiedenen

Meinungen ist von den Bearbeitern nicht zu erwarten.

Dennoch sollte auf die Frage nach der Kürzung des Anspruchs aufgrund eines Mitver-

schuldens des A eingegangen werden. Der Sachverhalt weist an mehreren Stellen und

nicht zuletzt durch den Bearbeitervermerk auf die Problematik hin. Sodann sollte von den

Bearbeitern zudem herausgearbeitet werden, dass § 254 Abs. 2 S. 2 BGB gemeinhin als

Abs. 3 zu verstehen ist.

Da es nach den Angaben im Sachverhalt ersichtlich um einen Planungsfehler des Archi-

tekten geht, sind Ausführungen zur gesamtschuldnerischen Haftung von Architekt und

Bauunternehmer nach § 650t BGB verfehlt, da die Norm nach ihrem Wortlaut ausdrück-

lich nur für die Haftung wegen Überwachungsfehlern gilt.

Anmerkung für die Korrektur: Es war ausdrücklich nur nach einem Anspruch gegen den U

gefragt. Ausführungen zu einem möglichen Schadensersatzanspruch gegen A sind daher

verfehlt.

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Lösungsskizze

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Erwartungshorizont

I. Allgemeines

Es handelt sich um eine Anfängerhausarbeit, die an Studierende des zweiten Fachsemesters

gerichtet ist. Dies ist bei der Korrektur zu berücksichtigen.

Gerade weil es sich um eine Anfängerhausarbeit handelt, sollten allerdings die Grundregeln

eingehalten werden. Bearbeitungen, die konsequent auf den Gutachtenstil verzichten, können

daher nicht als ausreichend bewertet werden. Einzelne Unsauberkeiten bei der Einhaltung des

Gutachtenstils sind hingegen zu verzeihen und sollten sich nicht wesentlich auf die Bewer-

tung auswirken.

Zudem sollten die Bearbeiter Problembewusstsein beweisen und auf eine angemessene

Schwerpunktsetzung achten. Die meisten der Probleme sind im Sachverhalt angelegt. Auch

das ist ein Grund, weshalb dieser mit 3 ½ Seiten recht lang geraten ist. Eine angemessene

Schwerpunktsetzung dürfte allein aufgrund des Umfangs der Arbeit schon notwendig sein.

Die Bearbeiter sollen zudem den Umgang mit juristischen Datenbanken und der juristischen

Literatur erlernen. Gelieferte Argumente und Definition sind mit entsprechenden Nachweisen

zu belegen. Arbeiten, die sich auf nur ein oder zwei Quellen beziehen oder in denen beinahe

oder gänzlich auf Nachweise verzichtet werden, können höchstens eine ausreichende Leistung

darstellen.

II. Inhaltliches

Die Hausarbeit hat einen nicht unerheblichen Umfang und ist für Bearbeiter im zweiten Fach-

semester als eher überdurchschnittlich bezüglich ihrer Schwierigkeit anzusehen. Auch das ist

bei der Korrektur zu berücksichtigen. Gerade aufgrund des Umfangs kann nicht erwartet wer-

den, dass jedes im Sachverhalt angelegte Problem in der hier dargestellten Ausführlichkeit

behandelt wird.

Das Hauptproblem aller drei Teile ist die Frage nach der Ersatzfähigkeit fiktiver Reparatur-

kosten. Darauf wird im Sachverhalt jedes Teils deutlich hingewiesen. Es ist damit nicht aus-

reichend, wenn von den Bearbeitern festgestellt wird, dass im Rahmen der Rechtsfolge des

Schadensersatzanspruchs ein Problem besteht. Vielmehr sollte eine geeignete und vertretbare

Lösung angeboten werden. Bearbeiter im höheren Punktebereich sollten ihre Lösung hinrei-

chend begründen. Dies gilt insbesondere für die Lösung des Problems in Teil 3. Ein bloßer

Verweis auf die kaufrechtliche Rechtsprechung genügt dazu nicht. Zumindest sollten die Ar-

gumente der neuen BGH-Entscheidung vom 22.02.2018 berücksichtigt werden.

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Lösungsskizze

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In Teil 1 der Arbeit bestehen neben diesem Hauptproblem keine weiteren Probleme. Auch

kann hier im Sinne einer effektiven Schwerpunktsetzung und aus Platzgründen die Frage nach

dem Schuldverhältnis kürzer als in dieser Lösung behandelt werden.

In Teil 2 bestehen neben dem Hauptproblem noch Probleme hinsichtlich des Ausschlusses der

Mängelrechte, wobei an dieser Stelle besonders auf den Haftungsausschluss zu achten ist. Ein

zusätzliches Eingehen auf den Ausschluss nach § 442 Abs. 1 BGB sollte dementsprechend

honoriert werden. Daneben stellt sich hier die Frage, worauf sich das Vertretenmüssen im

Rahmen des Anspruchs aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB beziehen muss. Dabei han-

delt es sich um ein aus Vorlesung und Tutorials bekanntes Standardproblem dieses An-

spruchs, das zudem hinreichend deutlich im Sachverhalt angelegt ist. Bearbeitungen, die diese

Problematik aussparen, weisen ein deutliches Defizit auf. Zudem ist zu erwarten, dass zumin-

dest auf die beiden gängigen Lösungsvorschläge (Vertretenmüssen bei Fristablauf bzw. Ent-

weder-Oder-Lösung) eingegangen wird. Darüber hinausgehende Ausführungen sind positiv

zu bewerten. Beim Hauptproblem sollen die Bearbeiter sich mit der bisherigen Rechtspre-

chung zu den fiktiven Mängelbeseitigungskosten auseinandersetzen. Positiv ist es, wenn er-

kannt wird, dass Ausgangspunkt der kaufrechtlichen Rechtsprechung des V. Zivilsenats die

werkvertragsrechtliche Rechtsprechung des VII. Zivilsenats gewesen ist.

In Teil 3 liegt sollte herausgearbeitet werden, dass sowohl die Veränderungen der Platten als

auch ihre fehlende Eignung für den Außenbereich einen Mangel darstellen, allerdings nur

einer dieser Mängel bereits bei Gefahrübergang bestand. Verfehlt wäre es, nur auf die Verän-

derungen der Platten abzustellen und das Vorliegen dieses Mangels im Zeitpunkt der Abnah-

me zu „konstruieren“. Positiv zu bewerten ist, wenn erkannt wird, dass der B den Ablauf der

Nachfrist aufgrund der endgültigen Weigerung des U gem. § 281 Abs. 2 BGB nicht mehr ab-

zuwarten hat. Beim Kernproblem um die Frage nach der Ersatzfähigkeit der fiktiven Mängel-

beseitigungskosten kann – vermutlich schon aus Platzgründen – keine derart detaillierte Dar-

stellung wie in dieser Lösung verlangt werden. Dennoch sollten die Bearbeiter durch die ers-

ten beiden Teile für dieses Problem sensibilisiert worden sein. Insbesondere die Auseinander-

setzung mit der kaufrechtlichen Rechtsprechung sollte dies getan haben. Durch eine Suche

des Begriffs „fiktive Mängelbeseitigungskosten“ in den einschlägigen Datenbanken sollten

die Bearbeiter auch direkt auf das Urteil BGH NJW 2018, 1463 vom 22.02.2018 stoßen. Eine

ausreichende Leistung sollte diese Rechtsprechungsänderung zumindest berücksichtigen. In

der Entscheidung wird wiederum auf zwei der hier genannten Aufsätze verwiesen. Auch die

hier dargestellten Gegenstimmen sind durch eine Suche des Urteils ohne großen Aufwand zu

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Lösungsskizze

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finden. Für eine Leistung im oberen Notenbereich sollten die Bearbeiter sich zumindest mit

einigen der dort ausgetauschten Argumente auseinandersetzen. Weiterhin sollten alle Bearbei-

ter auf die Problematik um ein Mitverschulden des Erfüllungsgehilfen bei der Schadensent-

stehung eingehen. Dabei handelt es sich um ein Standardproblem des Schadensrechts, auf das

sowohl der Sachverhalt als auch der Bearbeitervermerk zu Teil 3 hinweisen. Eine mehr als

stärkere Leistung sollte dabei zumindest die Frage, ob es sich bei § 254 Abs. 2 S. 2 BGB um

eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung handelt, erwähnen. Die genaue Punktzahl

ergibt sich dabei aus der Darstellung und Lösung der Problematik.

III. Formalia

Neben einer verständlichen Ausdrucksweise ist in formaler Hinsicht auf die Einhaltung der

genannten Anforderungen und die Einhaltung der genannten Seitenzahlbegrenzung (30 Sei-

ten) zu achten. Ein deutliches Überschreiten der Seitenzahlbegrenzung führt zu erheblichen

Punktabzügen.

Zudem ist auf eine geeignete und saubere Zitierweise zu achten. Das Literaturverzeichnis soll-

te übersichtlich sein.

Fußnoten müssen einheitlich gestaltet sein und enden mit einem Punkt.

Ergänzend wird im Bearbeitervermerk auf das „Skript zu den Formalien häuslicher Arbeiten“

auf der Homepage des Lehrstuhls von Prof. Dr. Jacoby unter dem Reiter „Lehre und Begleit-

material“ verwiesen.