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Produktplanung Prof. Dr. Heike Kehlbeck Lehrgebiete Technische Betriebswirtschaft, insbeson- dere Innovationsmanagement, Produktplanung, Pro- jektmanagement, Unternehmens- und Personalfüh- rung Kontaktdaten: Herner Straße 45 44787 Bochum Unterlagen zum Download auf: Professor-Kehlbeck.jimdo.com Mobile 0171 47 599 48 Telefon (0234) 9 68-3421 Telefax (0234) 9 68-34 02 [email protected] Oder [email protected] Dieses Skriptum dient als Arbeitsunterlage für Studierende des Masterstudien- gangs Integrierte Produktentwicklung SS 2010 Prof. Dr. Heike Kehlbeck Technische Fachhochschule Georg Agricola zu Bochum

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Produktplanung

Prof. Dr. Heike Kehlbeck Lehrgebiete Technische Betriebswirtschaft, insbeson-dere Innovationsmanagement, Produktplanung, Pro-jektmanagement, Unternehmens- und Personalfüh-rung Kontaktdaten: Herner Straße 45 44787 Bochum

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Dieses Skriptum dient als Arbeitsunterlage für Studierende des Masterstudien-gangs Integrierte Produktentwicklung

SS 2010

Prof. Dr. Heike Kehlbeck Technische Fachhochschule Georg Agricola zu Bochum

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Produktplanung

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

Allgemeines zum Modul ..................................................................................................................... 6

Literaturempfehlungen ......................................................................................................................... 9

1 Produktplanung – Einführung .................................................................................... 11

1.1 Definition des Begriffs Produktplanung ............................................................................. 11

1.2 Vorgehensmodelle ......................................................................................................... 15

1.3 Aufgaben und Tätigkeiten in der Produktplanung .............................................................. 18

2 Phasen der Produktplanung ....................................................................................... 19

2.1 Chancenfilter: Potenzialfindung und Bestimmung von Suchfeldern ..................................... 20 2.1.1 Methoden der Früherkennung ......................................................................................... 20 2.1.2 Portfolio-Ansätze ............................................................................................................ 30 2.1.3 Das S-Kurven-Modell ...................................................................................................... 33 2.1.4 Bestimmung von Suchfeldern .......................................................................................... 35

2.2 Überblick über die Produktfindung ................................................................................... 41

2.3 Ideenmanagement (Ideenfilter) ....................................................................................... 42 2.3.1 Ideenfindung ................................................................................................................. 43 2.3.2 Ideenbewertung ............................................................................................................. 46

2.4 Produktkonzeption (Projektfilter) ..................................................................................... 47

2.5 Produktplanung in späten Phasen der Produktinnovation .................................................. 48 2.5.1 Produktrealisierungsverfolgung ....................................................................................... 48 2.5.2 Produktüberwachung ..................................................................................................... 49

3 Ausgewählte Instrumente der Produktplanung .................................................. 50

3.1 Quality Function Deployment (QFD) ................................................................................. 50

3.2 Wertanalyse .................................................................................................................. 57 3.2.1 Funktionenorientiertes Denken .................................................................................... 59 3.2.2 Welche Funktion kostet welches Geld? ....................................................................... 59 3.2.3 Anwendung und Ziele der Wertanalyse ............................................................................ 60 3.2.4 Systemelemente der Wertanalyse ............................................................................... 60 3.2.5 Beurteilung der Wertanalyse ........................................................................................... 61 3.2.6 Probleme der Wertanalyse .............................................................................................. 61

3.3 FMEA (nicht klausurrelevant) ........................................................................................... 61

4 Exkurse .................................................................................................................... 65

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Produktplanung

5 0BProduktplanung – Einführung

4.1 TRIZ ............................................................................................................................... 65

4.2 Kundenintegration und Lead UserKonzepte ....................................................................... 66 4.2.1 Kundennutzen ................................................................................................................ 68 4.2.2 Kano-Modell ................................................................................................................... 69 4.2.3 Lead User und Lead User Konzepte ................................................................................... 70

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Produktplanung

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Allgemeines zum Modul

Fach Produktplanung, Prof. Dr. Heike Kehlbeck Master Integrierte Produktentwicklung, FH SWF FB Maschinenbau, Iserlohn, 2. Semester

„Wer sein Ziel nicht kennt, dem weht kein Wind günstig!“

SENECA

Produktinnovationen sind unverzichtbar, um die Zukunft von Unternehmen zu sichern. Dafür lassen sich folgende Gründe anführen (vgl. Witt 1996, S. 1): – Produktinnovationen ersetzen alte Produkte. Der Lebenszyklus eines Verkaufsprogramms

kann dadurch verlängert werden. – Produktinnovationen schaffen neue zusätzliche Marktnachfrage. Diese Zusatzumsätze,

resultieren nicht aus einem Verdrängungswettbewerb und sind daher tendenziell stabiler. Besonders auf stagnierenden Märkten ist diese „Nachfrageproduktion statt Nachfragever-lagerung“ wichtig.

– Produktinnovationen schaffen temporäre Alleinstellung auf einem Markt und erlauben damit zumindest zeitlich befristet höhere Margen.

– Produktinnovationen geben dem Unternehmen ein innovatives Image. – Produktinnovationen sind oft gut geeignet, Marktnischen zu erschließen und Marktanteile

aufzubauen. – Produktinnovationen fördern die Dynamik im Betriebsgeschehen und beleben häufig die

Arbeitsmotivation der beteiligten Mitarbeiter. Generell sind sowohl die Zahl der Produktinnovationen pro Jahr und auch der Umsatzanteil mit neu eingeführten Produkten bei vielen Unternehmen und dem Unternehmensdurchschnitt in den letzten Jahren enorm gestiegen. Allerdings handelt es sich nicht immer um völlig neue Produkte. Grundsätzlich kann bei Produktinnovationen je nach Innovationsstärke unterschie-den werden zwischen – originären Produktinnovationen (echte Produktinnovationen) für die es keine Vorgänger

gibt und bei denen der Markt erst aufgebaut werden muss; – abgeleiteten Produktinnovationen (Produktmodifikationen), die eine wesentliche Weiter-

entwicklung eines bereits vorhandenen Produktes darstellen und – Imitationen, wenn ein Konkurrenzprodukt ohne oder mit geringfügigen Änderungen über-

nommen wird. Es ist klar, dass originäre Innovationen nicht besonders häufig sind und besonders hohe kreati-ve Leistungen, Kosten und Risiken bedeuten. Besonders interessant sind auch – die kreative Imitation und – die innovative Nachfolge.

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Produktplanung

7 0BProduktplanung – Einführung

Kreative Imitation meint eine Weiterentwicklung eines vorhandenen Produktes, die besser als das vorhandene Produkt auf die Kundenwünsche eingeht oder die einen Marktdurchbruch bei einem Produkt schafft, dessen bisheriges Produktkonzept nicht marktgerecht war. Im Mittel-punkt steht die schöpferische Leistung des kreativen Imitators auf Basis seiner Fähigkeit, aus einer vorhandenen technischen Idee einen Markterfolg zu machen. Der innovative Nachfolger greift auf eine Imitation der originären Produktinnovation zurück, überflügelt den Erstinnovator jedoch durch wesentliche technische oder konzeptionelle Ver-besserung. Der innovative Nachfolger profitiert von den technischen und absatzpolitischen Vorleistungen des Vorgängers bzw. Pioniers. Einzelne Produktinnovationen können unterschiedliche Bedeutung und Auswirkungen auf das innovierende Unternehmen haben: – Marktschaffende Produktinnovationen adressieren einen noch nicht vorhandenen Markt

(Weltneuheit). Das Unternehmen benötigt neben technischen Kompetenzen vor allem auch Marketingkompetenzen und ausreichende Finanzkraft.

– Programm begründende Produktinnovationen lassen ein neues Unternehmen entstehen. Der Markt kann neu sein oder bereits bestehen.

– Programm ergänzende Produktinnovationen sind solche, die eine vorhandene Produkt-gruppe vervollständigen (Produktvariation).

– Programm sichernde Produktinnovationen ersetzen ein veraltetes Produkt durch eine Aktualisierung des ursprünglichen Produktes.

– Programm verbessernde Produktinnovationen verfügen über eine größere Leistungsfähig-keit als das alte Produkt oder sind durch wesentlich geringere Kosten gekennzeichnet, so-dass auch zu einem niedrigeren Preis angeboten werden kann.

– Programm erweiternde Produktinnovationen ergänzen das Verkaufsprogramm um eine neue Produktgruppe für einen - aus Sicht des Unternehmens - neuen Markt. Diese Pro-grammpolitik wird auch als Diversifikation bezeichnet. Ziel ist es, ein „zweites Standbein“ zu schaffen und so das Wachstum des Unternehmens zu sichern und Marktrisiken besser zu streuen.

Schlecht integrierte Produktentwicklung in der Praxis:

In vielen Unternehmen läuft die Entwicklung von Produktinnovationen wie folgt ab: In der FuE-Abteilung oder in einem technischen Labor ist man auf eine interessante Produktidee gestoßen. Man erarbeitet dafür ein erstes Produktkonzept. Die Konstruktionsabteilung er-stellt nach dieser Unterlage einen Entwurf. Die Fertigung produziert auf Basis des Entwurfs das Produkt und der Vertrieb erhält die Aufgabe, das neue Produkt zu vermarkten.

Mit hohem Aufwand wurde ein Produkt entwickelt, das sich womöglich nicht verkaufen läßt. Misserfolg ist fast vorprogrammiert. Folge sind schlechte Stimmung und gegenseitige Schuldzuweisungen: Der Vertrieb macht die Technik für das Scheitern verantwortlich „Das >Produkt sei am Markt vorbei entwickelt worden“. Die Technik erklärt den Verkauf für un-fähig: Die Vertriebler seien nicht in der Lage ein gutes Produkt überzeugend zu präsentie-ren“. Die Fertigung macht den Vertrieb dafür verantwortlich, dass sie ständig veränderte Planungsdaten für die Produktion erhalten usw.

Das Verfahren offenbart mindestens zwei wesentliche Schwächen:

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Produktplanung

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Erstens, das Produkt wird einseitig produktorientiert entwickelt. Tatsächliche Anforderun-gen der Kunden werden wenig oder gar nicht berücksichtigt.

Zweitens, der Innovationsprozess ist sequenziell und nicht simultan. Die nächste Abteilung wird immer erst dann involviert, wenn der vorherige Schritt abgeschlossen ist. Kenntnisse und Erfahrungen andere, insbesondere nachfolgender Abteilungen werden nicht frühzeitig einbezogen. Wissen und Kompetenz im Unternehmen werden nur unzureichend genutzt. Das sequenzielle Verfahren für zu Zeitverlust, der sich insbesondere in schnelllebigen Märkten nachteilig auswirkt. Es kommt zu Verzögerungen, da der nachfolgende Prozess-schritt immer erst begonnen wird, wenn der vorhergehende abgeschlossen ist. Insbeson-dere vorbereitende Tätigkeiten können aber zum Teil schon vorher stattfinden. Wenn sich beim nachfolgenden Schritt herausstellt, dass das Ergebnis der Vorstufe korrigiert werden muss (wenn beispielsweise die Fertigung feststellt, dass die Zeichnungen in den Konstruk-tionsplänen verbesserungswürdig sind), wird eine Prozessschleife durchlaufen (das Vorha-ben wird zurück an die Konstruktionsabteilung gegeben und der Prozess wird noch einmal durchlaufen). Oft führt die fehlende oder mangelhafte Zusammenarbeit zu Missverständ-nissen und Fehlern. Dieses wiederum bewirkt Frustration und innerbetriebliche Konflikte.

Gefordert ist daher heute eine marketingorientierte, funktionsübergreifende und teambe-zogene Produktentwicklung (integrierte Produktentwicklung). Der Produktplanung kommt eine größere Bedeutung zu als früher.

Es gibt diverse Schnittstellen zu anderen Fächern im Studiengang Integrierte Produktentwick-lung, so dass die einzelnen Fächer des Studiengangs nicht immer überschneidungsfrei sein werden. Dies lässt sich einerseits nicht vermeiden, da der Studiengang noch neu ist und dem-entsprechend noch im Detail ausdifferenziert werden muss; andererseits ist gerade dieses gewollt, um Verbindung zwischen den einzelnen Fächern zu zeigen, die Schnittstellen zu ver-deutlichen und Schnittstellen-übergreifende Prozesse zu ermöglichen. Teilweise unterscheiden sich die Inhalte der verschiedenen Fächer durch eine unterschiedliche Aggregationsebene und Detaillierungstiefe oder unterschiedliche Sichtweisen auf das gleiche Grundthema, z. B. be-triebswirtschaftlich versus technisch. Schnittstellen und/oder Überschneidungen resultieren einerseits daraus, dass es bei der Pro-duktplanung um planende Aktivitäten geht (ebenso wie bei der Geschäftsplanung, der reinen Kostenplanung oder Produktionsplanungen), andererseits daraus, dass Produktplanung ein Teil des Produktentwicklungsprozesses ist und damit dem übergeordneten Innovationsprozess (Innovationsmanagement) zuzuordnen ist und anderen Teilprozesses der Produktentwicklung wie der technischen Entwicklung und Konstruktion und den Testverfahren vorgelagert ist.

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Produktplanung

9 0BProduktplanung – Einführung

Literaturempfehlungen

1. Albers, S./A. Herrmann (Hrsg.) (2002), Handbuch Produktmanagement. Strate-

gieentwicklung – Produktplanung – Organisation - Kontrolle, 2., überarbeitete und erweiterte Aufl., Wiesbaden, Gabler Verlag, ISBN 3-409-21595-6 (insbe-sondere ZweiterTeil, Kapitel 2: Gestaltungsalternativen: Zanger, C.: Leistungs-kern, S. 101-121 und Dritter Teil, Kapitel 1: verschiedene Beiträge zur Marktsegmentiertung, Potentialanalyse, Gestaltung von Produktideen, Mana-gement der Neuproduktentwicklung, Produktpositionierung, Auswahl von Pro-dukteigenschaften, Prüfung von Produktideen)

2. Bronner, A. (2001), Industrielle Planungstechniken. Unternehmens-, Produkt- und Investitionsplanung, Kostenrechnung und Terminplanung, Berlin u.a., Ver-lag Springer, ISBN 3-540-41275-1 (Insbesondere Kapitel 2: Techniken der Pro-duktplanung, S. 89-148, teils auch Kapitel 1: Techniken der Unternehmenspla-nung, S. 1-88)

3. Gausemeier, J./P. Ebbesmeyer/F. Kallmeyer (2001), Produktinnovation. Strate-gische Planung und Entwicklung der Produkte von morgen, München/Wien, Hansen, ISBN 3-446-21631-6 (insbesondere Kapitel 3).

4. Herstatt, C./B. Verworn (2002), Management der frühen Innovationsphasen. Grundlagen – Methoden – Neue Ansätze, 2. Auflage, Wiesbaden, Gabler Verlag, ISBN 978-8349-0375-4 (Insbesondere Herstatt u.a.: Fortschrittliche Kunden zu Breakthrough-Innovationen stimulieren, Verworn/Herstatt: Strukturierung und Gestaltung der frühen Phasen des Innovatonsprozesses, Verworn: Die Rolle und Bedeutung von Planungsaktivitäten während der frühen Phasen)

5. o.V. (1984), Arbeitshilfen zur systematischen Produktplanung, broschiert, Düs-seldorf, Verlag: VDI) ISBN-10: 3184030792

6. Seidel, M. (2005), Methodische Produktplanung. Grundlagen, Systematik und Anwendung im Produktentstehungsprozess, Band 1, Universitätsverlag Karlsru-he (print on demand), ISBN 3-937300-51-1

7. Strebel, H. (Hrsg.) (2003), Innovations- und Technologiemanagement, Wien, WUV Universitätsverlag, ISBN 3-8252-2455-4 (insbesondere Kapitel 6: Instru-mente in der Produkt- und Prozessentwicklung, S. 326-345

8. Vahs, D. /R. Burmester (2002), Innovationsmanagement, Von der Produktidee zur erfolgreichen Vermarktung, 2. Auflage, Stuttgart, Verlag: Schäffer Poeschel, ISBN 3-7910-2008-0 (Kapitel 4: Produktinnovationsprozess, S. 130-292)

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Weitere verwendete Publikationen und Quellen sowie themenspezifische Empfehlun-gen zur Vertiefung werden in einem Literaturverzeichnis am Ende des Skriptes gege-ben.

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Produktplanung

11 0BProduktplanung – Einführung

1 Produktplanung – Einführung

Zur Einstimmung auf das Thema sollten Sie die folgenden zwei Aufgaben bearbeiten: Aufgabe 1: Bitte zählen Sie doch einmal auf, welche Pläne (Planungen) Sie in den letzten 2 Wo-chen für sich selbst oder für berufliche/betriebliche Zwecke aufgestellt oder verän-dert haben. Versuchen Sie anschließend zu definieren, was Planung bedeutet? Welche Art von Tätigkeiten führen Sie im Rahmen von Planungen aus? Aufgabe 2: Was sind eigentlich Produkte? Welche unterschiedlichen Arten von Produkten ken-nen Sie und wie lassen sich Produkte beschreiben?

1.1 Definition des Begriffs Produktplanung

Spricht man von Produktplanung, so sind die Vorstellungen darüber, was unter dem Begriff zu verstehen ist, oft sehr unterschiedlich. Von einigen Autoren wird Produkt-planung lediglich auf die Planung neuer Produkte begrenzt. In einer weiter gefassten Abgrenzung bezieht sich die Produktplanung auf alle Phasen des Produktlebens, von der Suche und Auswahl neuer Produkte über die Pflege bereits eingeführter Produkte und eventueller Produktveränderungen bis hin zu dem Punkt, an dem ein Produkt vom Markt genommen wird – also eingestellt wird. Diese sehr weite Fassung der Produkt-planung ist annähernd deckungsgleich mit der Produktpolitik. Im Rahmen der Veranstaltung werden wir Produktplanung begrenzen auf Planungsak-tivitäten. Diese Planungen dienen der Fundierung produktpolitischer Entscheidungen und unterstützen die Produktrealisierung. Bezüglich des Betrachtungszeitraums wer-den wir die Produktplanung auf die Zeit vor und nach der Markteinführung zulassen, wobei der Fokus eindeutig auf die frühen Phasen der Produktentstehung bis zur Über-gabe eines Produktkonzeptes oder Lastenheftes an die Entwicklung gelegt wird. Im Zeitablauf durchläuft die Produktplanung bestimmte Phasen, die hier zunächst grob in die Teilphasen vor und nach der Markteinführung eingeteilt werden können (vgl. Ab-bildung 1). Produktplanung wird also nur als ein Teilbereich der Produktpolitik – resp. den planenden Teil der Produktpolitik – verstanden. Und konzentriert sich auf Aktivitä-ten, die vor der Entwicklung eines konkreten Produktes stattfinden.

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Produkt-planung

Produktplanung von der Markteinführung(Neuproduktplanung)

Initialisierung neuer Produktideen

Bewertung und Auswahl von Produktideen

ProduktkonzeptionProdukt-

planungs-verfolgung

Produktplanung nach der Markteinführung

Produktüberwachung

Produktanpassungs-planung

Produkteliminierungs-planung

Abbildung 1: Teilphasen der Produktplanung vor und nach der Markteinführung

Im Produktplanungsprozess werden die Aufgaben definiert, denen sich die Produkt-entwicklung in der Folge zu stellen hat. Die Produktplanung ist die systematische Suche und Auswahl zukunftsträchtiger Produktideen als Basis zur Produktinnovation und de-ren Verfolgung über den Produktlebenszyklus. Dementsprechend werden in zahlrei-chen Unternehmen dem Bereich der Produktplanung organisatorisch noch die Pro-duktverfolgung (Weiterbeobachtung und Bewertung bei der Produktrealisierung) und die Produktüberwachung (Erfassung des Kosten- und Erfolgsverhaltens auf dem Markt sowie Einleitung geeigneter Steuerungsmaßnahmen) übertragen. Im Skript wird Pro-duktplanung weitgehend im Sinne des Vorlaufs zur Produktentwicklung verstanden werden. Lediglich der Abschnitt 2.5 geht auf Planungsaktivitäten in späten Phasen der Produktinnovation ein. Beispielhaft wird im Folgenden das Phasenmodell von Pah dargestellt, um die wesent-lichen Schritte und zu erarbeitenden Arbeitsergebnisse des Produktplanungsprozesses kurz zu skizzieren.

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Produktplanung

13 0BProduktplanung – Einführung

Abbildung 2: Prozessmodell der Produktplanung nach Pah 1997

Produktplanung wird durch Impulse aus dem Markt, aus dem Umfeld, d. h. der wirt-schaftlichen und technischen Entwicklung und/oder aus dem eigenen Unternehmen ausgelöst. Dabei handelt es sich um ganz unterschiedliche Faktoren oder Aspekte, die

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den Innovations- resp. Produktplanungsprozess anstoßen können. Im Folgenden habe ich beispielhaft einige Faktoren benannt. Marktimpulse:

• technische und wirtschaftliche Stellung des eigenen Produkts am Markt, insbe-sondere erkennbare Veränderungen (erhöhter Bedarf, Umsatzrückgang, Ent-wicklung des Marktanteils)

• Änderung der Marktwünsche, z.B. neue Funktionen, andere Formgebung • Anregungen und Kritik der Kunden • technische und wirtschaftliche Vorteile der Produkte von Wettbewerbern

Umfeldimpulse: • Eintreten wirtschaftspolitischer Ereignisse (z. B.: Erdölverteuerungen,

Resourcenverknappung, Transporteinschränkung) • Substitutionen durch neue Technologien und Forschungsergebnisse (z. B.:

mikroelektronische für bisher mechanische Lösungen, Tasten statt Wählscheibe beim Telefon, Laserschneiden statt Brennschneiden)

• Umweltauflagen und Recycling bei bestehenden Produkten bzw. Verfahren

Impulse aus dem eigenen Unternehmen: • Nutzung von Ideen und Eigenforschungsergebnissen in Entwicklung und Ferti-

gung • neue Funktionen zur Erweiterung oder Befriedigung des Absatzgebietes • Einführung neuer Fertigungsverfahren • Rationalisierungsmaßnahmen in der Produktpalette und der Fertigungsstruktur • Nutzung von Beteiligungsmöglichkeiten • höherer Diversifikationsgrad, d. h. genügend breite Abstützung auf mehrere

Produkte, die sich im Lebenszyklus sinnvoll überlappen Diese Impulse lösen fünf Hauptarbeitsschritte des Produktplanungsprozesses aus:

1. Analyse der Situation • Unternehmenssituation • Situation der Produkte • Marterkenntnisse • Erkenntnisse aus Umfeld Die Ergebnisse dieser Analyseschritte werden in einer Situationsanalyse zusammengefasst.

2. Aufstellen von Suchstrategien • Berücksichtigung der Ziele, Fähigkeiten und Potentiale des Unternehmens • Berücksichtigung von Marktlücken, Bedarf und Bedürfnisse Als Ergebnis werden am Ende der Phase ein oder mehrere Suchfelder festgelegt.

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15 0BProduktplanung – Einführung

3. Finden von Produktideen • Innerhalb des Suchfeldes werden neue Funktionen, Wirkprinzipien oder Gestal-

tungen im bestehenden oder erweiterten Energie-, Stoff- und Signalumsatz der Produkte ermittelt.

Am Ende dieses Teilprozesses stehen als Ergebnis mehrere Produktideen.

4. Auswählen von Produktideen Das Auswahlverfahren berücksichtigt Unternehmensziele, -stärken und Um-

feld. Ergebnis ist eine Liste mit bewerteten Produktideen.

5. Definieren von Produkten • Aus ausgewählten Produktideen werden Produkte durch Aufstellung einer vor-

läufigen Anforderungsliste, die die Produkte näher präzisiert und bewertet. • Auswahl einer aussichtsreichen Lösungsvariante Ergebnis dieser Phase ist ein Produktvorschlag.

6. Klären und Präzisieren • Die im Produktvorschlag enthaltenen Anforderungen werden überprüft, er-

gänzt und strukturiert. Das Ergebnis ist eine präzisierte Anforderungsliste.

1.2 Vorgehensmodelle

Im Phasenmodell des Innovationsprozesses von Geschka ist der Detaillierungs- und Komplexitätsgrad sehr gering gehalten um den Innovationsprozess möglichst kurz (bzw. übersichtlich) und flexibel zu gestalten.

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Abbildung 3:Phasenmodell des Innovationsprozesses von Geschka (Quelle: vgl. Vahs/Burmester, 2005, S. 85)

Abbildung 4: Innovationsprozess nach Herstatt (Quelle: Herstatt 1999, S. 73)

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17 0BProduktplanung – Einführung

Abbildung 5: Stage-Gate-Modell nach Cooper

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1.3 Aufgaben und Tätigkeiten in der Produktplanung

Von der Idee eines neuen Produktes über die Entwicklung der Lösung bis zur erfolgen Markteinführung vollzieht sich ein oft langwieriger und schwieriger Prozess des Su-chens, Sammelns, Systematisierens, Bewertens, Kalkulierens, Planens (d. h. der ge-danklichen Vorwegnahme von Aktivitäten) und des Entscheidens. Typische Aufgaben im Rahmen des sog. Neuprodukt-Managements sind nach Witt (1996, S. 16):

- Entdecken von Marktlücken/-problemen

- Erstellen von Bedarfsanalysen für bestimmte Zielgruppen

- Auswahl von Produktideen und Erarbeiten und Erarbeitung von Produkt- und

Marketingkonzeptionen

- Schätzung von Marktpotenzialen

- Einleitung von Laborversuchen

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Produktplanung

19 1BPhasen der Produktplanung

2 Phasen der Produktplanung

Unter Berücksichtigung der verschiedenen Phasenmodelle und vor allem in Anlehnung an die praxisorientierte Strukturierung der Frühphase nach Sandmeier/Jamali (…) orientiert sich die weitere Gliederung des Skriptes an der Darstellung in Abbildung 6. Der Produktfindung - als Hauptphase der Produktplanung - geht die Analyse der Ausgangsbedingungen im Hinblick auf Potenziale (vgl. Abschnitte 2.1.1) und der Suchfeldbestimmung (vgl. Abschnitt 2.1.4) voraus. Die Produktplanung baut auf Vorgaben aus den Unternehmenszielen auf und muss sowohl die externen Gegebenheiten und Entwicklungen (Markt, Technologie und Umwelt) als auch die internen (Potenziale, Kompetenzprofile, Strategien, Unternehmensgesamtplanungen und Ge-schäftsfeldplanungen) bezüglich der Vorgaben für die Produktplanung analysieren bzw. bewer-ten. Ziel ist es dabei, Opportunitäten bzw. Chancen für Produktinnovationen zu erkennen und Anforderungen an die Bewertung von Ideen zu generieren.

Realisierung,Marktein-führung,

Marktzyklus

Ideen-manage-ment:Ideen finden, bewerten, selektieren

Chancen-filter

Produkt-konzeption: Definition technischer u. marktlicher Funktionen u. Anforderungen

Ideen-filter

Projekt-vor-

schlag

Markt – Technologie – Ziele – Strategien - Potenziale

ProduktfindungProduktrealisierungsverfolgung

Produktüberwachung

Feedback

Abbildung 6: Gliederung der Produktplanung im Skript

Die folgenden Schritte der Produktfindung sind vor allem durch Filterprozesse und pa-rallel dazu verlaufender Informationsgewinnung und Ideenkonkretisierung geprägt. In einem ersten Schritt wird dabei die Suche auf aussichtsreiche Suchfelder beschränkt. Ergebnis dieser „Vorphase“ sind dann Analysen und Suchfelder, die als erster Filter (Chancenfilter) für den Input in den Ideenfindungsprozess fungieren. Auf dieser Basis werden anschließend kreative und analytisch-systematische Ideengewinnungsprozesse aufgesetzt. Ziel der nächsten Filterstufe (Ideenfilter) ist es, möglichst viele Ideen zu identifizieren. Diese sind dann verschiedenen Bewertungsstufen zu unterziehen (Grobbewertung: i.d.R. technische Machbarkeit und Marktattraktivität), Feinbewer-tung: Prüfung einer Vielzahl von Detailkriterien). Am Schluss dieser Ideenmanage-mentphase ist dann eine Auswahl (Selektion) weiterzuverfolgender Ideen zu treffen. Nur solche Ideen, die diesen Ideenfilter durchlaufen, werden danach einer tieferen Analyse und Konkretisierung unterzogen. Ziel dieses dritten Filters (Projektfilter) ist es,

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sowohl technologische als auch marktbezogene Anforderungen der Produktidee zu erarbeiten, um diese dann als weitere Basis in der Produktrealisierung, der Marktein-führung und letztlich im Marktzyklus des Produktes nutzen zu können. Sowohl die Pha-se der Produktrealisierung als auch des eigentlichen Produktlebenszyklus - beginnend mit der Markteinführung (Marktzyklus) - werden im Hinblick auf die Produktplanung verfolgt bzw. überwacht, um die Einhaltung der Anforderungen aus der Produktfin-dung sicherzustellen und Rückschlüsse für weitere Planungsaktivitäten zu ermöglichen.

2.1 Chancenfilter: Potenzialfindung und Bestimmung von Suchfeldern

Bevor mit dem Finden von Produktideen begonnen werden kann, muss die Ausgangssi-tuation erfasst und bewertet werden. Dieser Teilschritt wird in vielen Publikationen zur Produktplanung als Potenzialfindung oder -analyse bezeichnet. Ziel ist das Aufdecken von Chancen und die sinnvolle Eingrenzung der Ideensuche. Das Ergebnis dieser „Vorphase“ sind Suchfelder und/oder Situations- und Potenzialanalysen. Teilweise wird diese Phase auch als Strategische Produktplanung (vgl. Gausemeier u.a., 2001) bezeichnet. Im Rahmen der Suche nach Chancenpotenzialen können viele verschiedene strategi-sche Analysemethoden und – techniken (allgemeine Umfeldanalyse, Markt- und Tech-nologieportfolien, SWOT-Analysen usw.) eingesetzt werden. Im Folgenden wurden – mit Blick auf den Studiengang, in den das Fach Produktplanung integriert ist - vor allem solche ausgewählt, die einen technologischen Bezug haben. Um mit Produktinnovatio-nen einen Wettbewerbsvorteil erzielen zu können, ist es wichtig, möglichst frühzeitig Trends und Entwicklungen zu erkennen, um daraus Geschäfts- und Produktfelder zu entwickeln, die noch nicht von Wettbewerbern besetzt sind. In Abschnitt 2.1.1 werden daher zunächst Methoden der Früherkennung von marktbezogenen und technologi-schen Trends und Entwicklungen vorgestellt (Szenario-Technik, Delphi-Methoden, Technologieroadmapping). In Abschnitt 2.1.2 wird die Portfolio-Methode und verschiedene Portfolioansätze vor-gestellt, da diese wohl die am häufigsten verwendete Methode zur Bewertung von z. B. Produkten und Technologien im Hinblick auf deren Positionierung im Wettbewerb darstellt. Ziel der Anwendung der Methode im Rahmen der Produktplanung ist es vor allem, Schlussfolgerungen für die Neuproduktgenerierung oder die Weiterentwicklung von bestehenden Produkten zu ziehen. Auch aus dem S-Kurven-Modell, das in Ab-schnitt 2.1.3 vorgestellt wird, können Hinweise für das Neuproduktpotential gewonnen werden. Abschnitt 2.1.4 widmet sich dann der Generierung von Suchfeldern. Suchfel-der dienen dazu, die Phase der Ideensuche mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit dieser Phase einzugrenzen.

2.1.1 Methoden der Früherkennung

Um Chancen und Risiken von wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen im Hinblick auf die Produktinnovation wahrnehmen zu können, bedarf es der „Vorhersage“ und Bewertung dieser Entwicklungen im relevanten Anwendungsfeld.

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Produktplanung

21 1BPhasen der Produktplanung

Die Darstellungen in diesem Skript beschränken sich auf die Erkennung von technologischen Entwicklungen. Die Früherkennung von allgemeinen ökonomischen und sozio-kulturellen Entwicklungen, wie sie z.B. im Rahmen der Trendforschung erfolgt, wird also an dieser Stelle ausgeklammert. Prognosen und Analysen der technologischen Entwicklungen sollten möglichst frühzeitig in Produktplanungen und Produktentwicklungen einfließen, um Wettbewerbsvorteile erzielen zu können oder absichern zu können. Die Problematik dieser Früherkennung wird in der Fachliteratur häufig als Erkennen und Interpretieren von „schwachen Signalen“ bezeichnet. Es gibt verschiedene Verfahren und Instrumente, um Technologieprognosen aufzustellen. Bei Langfristprognosen wird oft die Delphi-Methode und das Technology-Roadmapping angewendet.

2.1.1.1 Szenariotechnik

Die Szenariotechnik unterscheidet sich im Anspruch deutlich von den traditionellen Methoden der strategischen (Produkt-)Planung, insbesondere durch folgende drei As-pekte:

1. Multiple Zukunft

2. Vernetztes Denken

3. Keine Lösungen, sondern in der Regel Grundlage für weitere Entscheidungen

Erstens, die Szenariotechnik zielt nicht auf die Prognose einer bestimmten Zukunft ab, sondern einer multiple Zukunft. Es sollen bewusst mehrere alternative Zu-kunftssituationen (Szenarien) erkannt werden. Erst etwa ab Ende der 1960er Jahre schwand mit dem Beginn der Massenarbeitslosigkeit, wichtigen technologischen Entwicklungen (insbesondere in der Informationstechnologie), dem Ablösen von Verkäufermarkten durch Käufermärkte aufgrund der Sättigung in einigen Märkten die Vorstellung über eine prognostizierbare Zukunft. Unsicherheit und Komplexität in den Märkten nahmen zu, die Begrenztheit der traditionellen, stark quantitativ-deterministischen Planungen wurde durch die vielen Fehlprognosen offensichtlich. Die Zukunft lässt sich immer weniger genau vorhersagen und dennoch muss immer mehr geplant werden. Ein Zitat des Zukunftsforschers Flechtheim macht deutlich, wo die Bedeutung von Planung heute liegt: „Die Zukunft wird uns immer überra-schen – aber sie sollte uns nicht überrumpeln.“ Zweitens, Szenarien sind nicht Lösungen oder Produkte, sondern dienen zunächst einmal als Grundlage für die weitere Entscheidungsfindung. Erst beim Szenario-Transfer erfolgt die Ableitung von z. B. Strategien. Durch Kombination von Produkt- und Marktszenarien können (sog. Gestaltungsfeld-) Szenarien z. B. auch Basis für Produktkonzepte sein (vgl. Gausemeier u. a. 2001, S. 115). Drittens, die Szenariotechnik beschreibt die Zukunft in komplexen Bildern, indem es die Vernetzung einer Vielzahl von Einflussfaktoren berücksichtigt. Inzwischen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass ein Unternehmen nicht getrennt

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von den Entwicklungen im Umfeld gesehen werden kann, sondern Regionen, Um-welt, Technik, Gesellschaft und Unternehmen nur Untersysteme eines einzigen Ge-samtsystems sind. Das Verhalten von Systemen kann aber nur dann verstanden werden, wenn es als Teil eines umfassenden Systems gesehen wird.1 Mit der Zu-nahme an Vielfalt in Bezug auf Einflüsse und Verbindungen sowie einer zunehmen-den Dynamik durch immer neues Wissen, immer schnellere Innovationszyklen und schnellere Wissensentwertung verlieren herkömmliche Planungs- und Manage-mentansätze an Bedeutung.2

Gausemeier u.a. (2001, S. 79) definiert ein Szenario wie folgt: „Ein Szenario ist eine allgemein verständliche Beschreibung einer möglichen Situation in der Zukunft, die auf einem komplexen Netz von Einflussfaktoren beruht. Ein Szenario kann darüber hinaus die Darstellung einer Entwicklung enthalten, die aus der Gegenwart zu dieser Situation führt.“ Der Blick in die Zukunft führt zu mehreren Szenarien und wird häufig mithilfe eines Zylinders symbolisiert (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7: Grundmuster der Szenariodarstellung

Die Szenariotechnik kann als Basis für unterschiedliche Entscheidungen angewendet werden. Worauf sich die zu treffenden Entscheidungen beziehen, wird als sog. Gestal-tungsfeld bezeichnet. Das Gestaltungsfeld kann z. B. ein bestimmtes Produkt sein. Die Frage lautet dann, wie soll sich das Produkt X gestalten?. Ziel ist dann die konsistente Erstellung eines Produktkonzeptes. Die Anwendung der Szenariotechnik erfolgt in der Regel in 5 Schritten, wobei die Schritte 2, 3 und 4 der eigentlichen Erstellung der Szenarien dienen und Schritt 5 die Anwendung der Szenarien im Rahmen der Produktplanung darstellt:

- Schritt 1: Szenario-Vorbereitung

- Schritt 2: Szenariofeld-Analyse

- Schritt 3: Szenario-Prognostik 1 Ein System kann allgemein definiert werden als ein ganzheitlicher Zusammenhang von Elementen, deren

Beziehungen untereinander quantitativ und/oder qualitativ intensiver sind als ihre Beziehung zu anderen Elementen (vgl. Frischknecht, Schmied 2002)

2 Das Zusammentreffen von Vielfalt und Dynamik wird als Komplexität bezeichnet.

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23 1BPhasen der Produktplanung

- Schritt 4: Szenario-Bildung

- Schritt 5: Szenario-Transfer

S

Szenario-Transfer

Szenario-BildungProjektionsbündelungRohszenario-Bildung

Mapping und Beschreibung

Szenariofeld-Prognostik

Aufbereitung der SchlüsselfaktorenBildung von Zukunftsprojektionen

Szenariofeld-Analyse

Bildung von EinflussbereichenBildung von Einflussfaktoren

Erstellung von Schlüsselfaktoren

Szenario-VorbereitungSzenarioerstellung

Abbildung 8: Grundmuster des Szenariomanagements

In der Szenario-Vorbereitung werden die Ziele der Szenario-Analyse festgelegt. Was soll mit der Erstellung und Anwendung der Szenarien erreicht werden? Es ist zu klären, auf welches Szenariofeld (Betrachtungsfeld oder Gestaltungsfeld, wie z.B. eine Techno-logie, ein Unternehmen, Strategisches Geschäftsfeld (SGE), Produkt, Markt, Umfeld) sich die Analyse beziehen soll und dieses Feld ist in seiner aktuellen Ausgangslage zu charakterisieren. Ein Technologieszenario dient z. B. der Lösung technologischer Prob-leme im Rahmen der Produktentwicklung. Im Rahmen der Produktplanung wird die Szenariotechnik vor allem als Markt- und Umfeldszenario im Rahmen der Potenzialana-lyse oder als Gestaltungsfeldszenario für neue Produktkonzepte eingesetzt. Das Szenariofeld ist also der spezielle Betrachtungsbereich. Zur Charakterisierung des Szenariofeldes (Ist-Analyse) werden oft Portfoliomodelle und Analysen der Wettbe-werbssituation und der Erfolgsfaktoren oder verwendet oder es werden Fragenlisten in Bezug auf das Szenariofeld aufgestellt. Mit der Szenariofeld-Analyse beginnt die eigentliche Erstellung von Szenarien. Zu-nächst werden Einflussbereiche auf das Szenariofeld (Betrachtungsfeld) identifiziert und die Einflüsse jeweils mittels mehrerer Einflussfaktoren charakterisiert. Die Einfluss-faktoren sollten sowohl mit Kurzbezeichnungen tituliert als auch prägnant und mög-lichst allgemein verständlich beschrieben werden.

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Da man meist eine große Zahl von Einflussfaktoren erhält, müssen hieraus die beson-ders relevanten Faktoren (Schlüsselfaktoren) herauskristallisiert werden. Dies ge-schieht mithilfe der sogenannten Einflussanalyse, die im Wesentlichen auf einer Ein-flussmatrix basiert. Zunächst werden die direkten Beziehungen zwischen den Einfluss-faktoren ermittelt (Q1), dann die indirekten durch Erfassung der Wirkung jedes Ein-flussfaktors auf relevante Umfeldgrößen, die dann wieder auf andere Einflussfaktoren und andere Umfeldfaktoren wirken. Für die einzelnen Einflussfaktoren werden u.a. Aktiv- und Passivsummen errechnet. Die Aktivsumme eines Faktors gibt an, wie stark dieser Faktor die anderen Einflussfaktoren beeinflusst. Die Passivsumme gibt an, wie stark ein Faktor durch andere Einflussfaktoren beeinflusst wird. Da die Analyse der indirekten Beeinflussungen recht komplex sein kann, wird hierzu meist geeignete Software (z. B. mit dem Excel Szenario-Manager odermit Szeno Plan (Sinus GmbH), ScenarioManager (ScMI AG), Szenario.Plus (ConPlus), Think Tools Suite 3.0 (Think Tools AG)) eingesetzt. Die Ergebnisse werden meist in Diagrammform (sog. System-Grids: Aktivsummen-Passivsummen-Grids) visualisiert.

Abbildung 9: von Der Einflussmatrix zums System-Grid

Am Schluss der Szenariofeld-Analyse wird mit Hilfe der ermittelten Kenngrößen und Visualisierungen, diejenigen Einflussfaktoren als Schlüsselfaktoren ausgewählt, die für die Zukunft des Gestaltungsfeldes am wichtigsten erscheinen.

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25 1BPhasen der Produktplanung

Aktivachse

Passivachse

Aktiv

(Schalthebel)

Puffernd

(Stabilisator)

Passiv

(Indikator für Änderungen)

Kritisch

(Katalysator)

Abbildung 10: Die Felder des System-Grids

Mit dem nächsten Schritt, der Szenario-Prognostik, beginnt der eigentliche „Blick in die Zukunft“. Dieser Schritt ist zusammen mit dem nächsten (Szenario-Bildung) der Kern der Szenariotechnik. (Gausemeier u.a. 2001, S. 91). Für jeden Schlüsselfaktor werden mehrere mögliche Entwicklungen ermittelt, wobei meist ein Zeithorizont von 10 Jahren zugrunde gelegt wird. In sehr dynamischen Geschäftsfeldern ist auch ein deutlich längere Zeitraum denkbar. Es ist sinnvoll sowohl aus heutiger Sicht sinnvolle bzw. wahrscheinliche Entwicklungen als auch extreme - d.h. unwahrscheinliche, aber grundsätzlich mögliche – Entwicklungen in Betracht zu ziehen. Die erhöht die Kreativität und setzt innovative Gedankenspiele in Kraft. Bei der Ermittlung dieser Zukunftsprojektionen können sowohl kreative als auch analytische Verfahren helfen, Gausemeier u.a. (2001, S. 92f.) schlagen folgende allgemeine Herangehensweisen vor, die bei den Projektionen helfen können:

- Fortschreiben und simulieren der Entwicklung

- Entwicklungen und Merkmale überzeichnen

- Entwicklungen bewußt beschleunigen

- Bewusst weitere Umfeldparameter einbeziehen

- Laufende Prozesse (Wahlausgänge, wichtige Rechtsprechungen und Gesetzes-initiativen, …) und damit verbundene Weichenstellungen einbeziehen.

Aus den möglichen Zukunftsprojektionen je Schlüsselfaktor sind dann zwei oder drei auszuwählen. Diese sind nun in allgemein verständlicher Art zu beschreiben und mit einer prägnanten Kurzbeschreibung zu versehen. Abbildung 11 fasst die bisherigen Schritte der Szenario-Technik zusammen.

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Abbildung 11: Die ersten drei Schritte der Szenariotechnik (vgl. Gausemeier 2001)

Beim Schritt Szenario-Bildung wird aus den gewonnenen Zukunftsprojektionen eine handhabbare Anzahl schlüssiger Szenarien erarbeitet. Ein Szenario ist im Prinzip eine Kombination (oder Puzzlebild) von Zukunftsprojektionen (einzelne Puzzlestücke), die gut zusammenpassen. Bei der Szenario-Bildung muss also die Verträglichkeit der be-schriebenen alternativen Zukunftsprojektionen bewertet werden, um widerspruchs-freie Kombinationen herauszuarbeiten. Beispielsweise werden sich drastisch steigende Benzinpreise und ein starker Anstieg der individuellen Mobilität bei der Szenariobildung meist ausschließen. Es werden Zukunftsbilder gesucht, die in sich schlüssig sind. Dies erfolgt in zwei Teilschritten: 1) paarweise Konsistenzbewertung je Projektionspaar mithilfe einer Konsistenzmatrix durch das Projekt- bzw. Produktpla-nungsteam und 2. Bildung von konsistenten Projektionsbündeln mithilfe von Soft-wareprogrammen. Ein Projektionsbündel ist eine Kette von Projektionen, wobei pro Schlüsselfaktor eine Projektion ausgewählt wird. In Abhängigkeit von der Zahl der Schlüsselfaktoren und der Anzahl der gewonnenen Projektionen pro Schlüsselfaktor steigt die Zahl der Kombinationen, die auf Verträglichkeit geprüft werden müssen, schnell ins Unermessliche, sodass hierfür unbedingt eine Softwareunterstützung erfor-derlich ist.

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27 1BPhasen der Produktplanung

Abbildung 12: Von den Projektionen zu Projektionsbündeln und den Szenarien (vgl. Gausemeier 2001)

Die verschiedenen Projektionsbündel werden meist mit unterschiedlichen Mapping-Techniken visualisiert und anschließend in textlicher Form beschrieben. Basis für diese „Prosa-Fassung“ sind die Ausprägungslisten, in denen die jeweils relevanten Projektio-nen pro Szenario zusammengefasst sind. Oft werden schon im Laufe der Bildung von Projektionen Textteile (Textbausteine) formuliert, die dann verknüpft und je nach Aus-prägung betont werden. Bei den Ausprägungen kann man unterscheiden zwischen

- eindeutigen Ausprägungen, die in mindestens dreiviertel aller Projektionsbün-dels eines (Roh-)Szenarios vorkommen;

- dominanten Ausprägungen, die in keinem anderen (Roh-)szenario vorkommen oder weil sie eine offensichtliche Unterscheidung zwischen zwei Projektionen eines Schlüsselfaktors erlauben;

- alternativen Ausprägungen, die dann vorliegen, wenn mehrere Zukunftsprojek-tionen eines Schlüsselfaktors in einem (Roh-)Szenario auftritt.

Der Umfang der textlichen Szenariobeschreibung kann unterschiedlich sein (siehe als Beispiel „Herausforderung für die deutsche Verpackungsmaschinenindustrie und Zu-kunft der deutschen Maschinenbauindustrie“ in Gausemeier 2001). Die Anwendung der Szenariotechnik im Rahmen der Produktplanung endet mit dem Szenario-Transfer. Hierbei werden die Auswirkungen der Szenarien auf das Betrach-tungs- bzw. Gestaltungsfeld (Produktkonzept) untersucht. Dies beginnt mit der Analyse der Szenarien. Im Rahmen der Potenzialfindung im Vorfeld der Produktfindung werden meist Markt- und Umfeldszenarien erstellt. Dabei werden vor allem Einflussfaktoren,

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die aus Sicht des Unternehmens von außen gegeben und nicht direkt beeinflussbar sind, berücksichtigt. Setzt man die Szenariotechnik dagegen in der Phase der Produkt-konzeption ein, geht es eher darum Szenarien mit lenkbaren (Gestaltungsszenarien) oder mindestens mit sowohl lenkbaren als auch nicht lenkbaren (Systemszenarien) zu entwickeln.

2.1.1.2 Delphi-Studien

Die Delphi-Methode - auch Delphi-Studie oder Delphi-Befragung genannt - ist ein qualitatives Instrument der Technologievorschau, bei dem systematisch und mehrstufig Gruppen von Experten befragt werden. Dem Verfahren liegt die Annahme zu Grunde, dass durch die Integration und Mittelung einer Masse an Expertenmeinungen eine zuverlässigere Zukunftsvorhersage ermöglicht wird, als auf Basis einzelner Personen (sog. Delphi-Effekt) zu erreichen wäre. Falsche Extrempositionen werden durch Überzeugung eliminiert, und bisher nicht beachtete Erkenntnisse anderer Disziplinen werden ins Blickfeld der Experten gerückt. Dazu müssen die ausgewählten Experten aus unterschiedlichen Wissens- bzw. Interessensbereichen kommen. In der ersten Runde der Befragung geben die Experten ihre persönlichen Meinungen zu den Fragen ab. Die angegebenen Antworten, die auch Schätzungen sein können, werden statistisch ausgewertet (Median, Quartile, Häufigkeiten) und bilden das „unabhängige Gruppenurteil“, das anschließend den Experten wieder vorgelegt wird. diese haben nun die Möglichkeit ihre Antworten aus der ersten Runde zu verfeinern, zu korrigieren und geben diese an die Organisatoren zurück. Hierdurch entsteht ein "abhängiges Gruppenurteil". Eine Verbesserung der Ergebnisse wird von Runde zu Runde erzielt, wobei eine dritte Runde i.a. nur geringe Veränderungen aufzeigt.

2.1.1.3 Technologieroadmapping

Das Technologieroadmapping (vgl. insbesondere Möhrle/Isenmann, 2005) ist ein Analyseverfahren, das die Analogie zur Straßenkarte nutzt, um Entwicklungspfade von Produkten, Dienstleistungen und Technologien in die Zukunft hinein prognostiziert und visualisiert werden. Ähnlich wie bei der Delphi-Methode wird das zunächst unstrukturiert vorhandene Expertenwissen systematisch erfasst und gebündelt. Im folgenden Abstimmungsprozess wird bewußt versucht die Intuition und Kreativität der Experten anzuregen, um dann als Ergebnis eine Zukunftsprognose für einen bestimmten Suchraum zu generieren und zu visualisieren. Das Roadmapping besteht einerseits aus der Roadmap – als Visualisierung der Ergebnisse und andererseits aus dem Prozess der Roadmapgenerierung. Es werden u.a. folgende Fragen beantwortet:

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• Welche Technologie sind relevant? • Wie sieht die Vernetzung zwischen diesen aus? • Wie mächtig sind die Technologien? • Welche davon sind benachbart, welche weiter von einander entfernt? • Gibt es eine direkte Verbindung zwischen den Technologien?

Die Roadmap als Visualisierungsinstrument stellt Entwicklungslinien und Ereignisse im Zeitverlauf dar. Die Entwicklung technologischer Leistungs- und Verbreitungskennzahlen, wie und wann Einzeltechnologien aufeinander aufbauen oder sich ablösen und auch welche Prozesstechnologien erforderlich sind und wann Einzeltechnologien zur Verfügung stehen. Eine Roadmap (vgl. Abbildung 13) entspricht dem Bild eines zweidimensionalen Suchraums mit einer Objektebene, meist auf der horizontalen Achse, und einer Zeitebene, meist auf der vertikalen Achse. Ausgehend vom Ist-Zustand der aktuellen Objekte (beispielsweise Produkten, Projekten, Diestleistungen usw.) sowie verwandter oder konkurrierender Objekte (auch Suchraum genannt) werden neue Objekte oder Objekterweiterungen mit erwartetem Realisierungszeitpunkt in der Roadmap verzeichnet. Auf der Zeitachse wird je nach Zweck eine unterschiedliche Skalierung (heute-morgen-übermorgen bei Entwicklungstendenzen, 1-10 Jahre um frühzeitig die Weichen zu stellen oder eine Skalierung in Jahren, wenn konkrete Maßnahmen abgeleitet werden sollen) gewählt. Der in der Roadmap dargestellte Suchraum und dessen Determinanten sind nur vage oder unvollständig gekannt, er ist schlecht strukturiert und abgrenzbar, die korrekte Größe des Suchraums ist nicht bekannt.

Abbildung 13: Beispiel einer Roadmap für verschiedende Projekte eines Unternehmens der Luftfahrtindustrie

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Ein einfaches Roadmapping erfolgt in fünf Schritten: Am Anfang werden die Betrachtungsobjekte des Roadmapping definiert. Aufgabenstellung und Ziel der Roadmaperstellung müssen dazu bekannt sein. Je nach Zieldefinition kann auch schon ein Zeithorizont festgelegt werden. Schritt zwei und drei sind die Bedarfs- sowie Potentialanalyse und –prognose. Diese laufen in der Regel parallel und werden mit der Hilfe der Szenariotechnik erörtert. Wenn diese Daten der Gegenwart und der Zukunft zusammengetragen sind, erstellt man im vierten Schritt die Roadmap. In verschiedenen Workshops oder Einzelgesprächen mit Experten werden die Entwicklungspfade der Betrachtungsobjekte innerhalb des Suchraums prognostiziert. Im fünften Schritt werden Vollständigkeit (d. h., ob alle Entwicklungspfade im Suchraum berücksichtigt sind) und Konsistenz (d. h., (Altschuller, 1998) ob alle Entwicklungspfade der Betrachtungsobjekte inhaltlich und in der zeitlichen Zuordnung plausibel sind) der Roadmap überprüft.

Entwicklungsgesetz technischer Systeme nach Altschuller

Die Erkenntnisse von Altschuller (1998) werden oft als wichtige Grundlage für die Entwicklung des Roadmappings bezeichnet. Altschuller beschreibt den Entwicklungsverlauf von Innovationen, wobei er vor allem Analysen verwendet, die auf Patentauswertungen basieren. Nach einer statischen und kinematischen Weiterentwicklung technischer Systeme entstehen zunehmend Interdependenzen mit anderen Systemen (dynamische Entwicklung), bis diese schließlich in einem Evolutionsprozess in neuartige Systeme übergehen. Die zunehmende Konvergenz von Festnetz, Mobilfunk und Datenübertragung wird als ein Beispiel aus der Telekommunikationsbranche für dieses Entwicklungsgesetz angeführt. Folge ist letztendlich die vollständige Verschmelzung der Systeme. Mit Hilfe des Roadmappings können derartige Konvergenzen prognostiziert werden.

Roadmapping erhöht die Transparenz über technologische Entwicklungen, ermöglicht damit die Abstimmung oder einen Konsens zwischen verschiedenen Organisationen oder Organisationseinheiten über zukünftige Marschrichtungen und dient somit der Steuerbarkeit von Innovationsaktivitäten. Aufbauend auf Technologieroadmaps werden in der Regel Produktroadmaps gewonnen, mit Hilfe deren die Unternehmen Entwicklungspfade und Ressourcenzuordnungen für Produkte planen können.

2.1.2 Portfolio-Ansätze

Mithilfe der Portfoliotechnik lassen sich sowohl aktuelle Ausgangssituationen als auch erwartete bzw. gewünschte Zustände in Bezug auf die Markt- als auch Technologieori-entierung in der Produktplanung visualisieren. Da vorausgesetzt wird, dass die Portfoliotechnik im Allgemeinen und in Form von Marktportfoliomodellen bekannt ist, konzentriert sich die folgende Darstellung auf Technologie- und kombinierte Markt-Technologie-Portfolien. Technologieportfolios beziehen sich auf Technologien (angewandte oder noch zu ent-wickelnde) statt auf Produkte. Zusätzlich zum typischen Marktzyklus wird daher der Entstehungs- oder Entwicklungszyklus mit einbezogen. Es gibt eine große Zahl von sehr

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31 1BPhasen der Produktplanung

unterschiedlichen Technologie-Portfolio-Ansätzen, die oft eine große Zahl von Einzel-kriterien in die Bewertung von Technologien einbeziehen und daher eine hohe Kom-plexität aufweisen (vgl. Pleschak/Sabisch 1996, S. 106). Ebenso wie die Marktportfolios werden meist zwei Dimensionen verwendet, von denen eine durch das Unternehmen gestaltbar ist (unternehmensintern) und die andere durch externe Determinanten festgelegt wird (unternehmensextern). Je nach betrachteten Dimensionen spricht man z. B. von

- Technologieattraktivitäts-Ressourcenstärke-Portfolio (vgl. Pfeiffer et al. 1991) oder vom

- Technologieposition-Technologielebenszyklus-Portfolio (vgl. Arthur D. Little 1991).

Im Folgenden wird beispielhaft der Technologieportfolioansatz von Pfeiffer u. a. aus-führlich beschrieben. Variationen anderer Fachautoren werden dann anschließend nur kurz angesprochen. Pfeiffer, Metze, Schneider und Amler (1991) verwenden als unternehmensinternen Faktor die (relative) Ressourcenstärke, mit der die technische und wirtschaftliche Be-herrschung bzw. Beherrschbarkeit einer Technologie durch das Unternehmen im Ver-gleich zu den Wettbewerbern eingefangen wird. Gemessen wird diese Dimension durch typische FuE-Inputfaktoren wie z. B. Höhe der FuE-Ausgaben, Umfang der per-sonellen und sachlichen Ausstattungen, Know-how und ´intellectual property´. Unter-nehmensexterne Dimension ist bei Pfeiffer die Technologieattraktivität als Verkörpe-rung der Vorteile, die im Zuge der Weiterentwicklung einer Technologie zu erwarten sind. Hiermit werden also Entwicklungsfähigkeit und Ausschöpfungspotenzial einer Technologie (Anwendungsbreite und –tiefe, Akzeptanz, Kompatibilität) eingefangen.

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Abbildung 14: Technologieportfolio von Pfeiffer u. a.(1991)

Nachdem die Ausgangsbasis, d. h. die derzeitige Technologiestruktur des Unterneh-mens oder des Geschäftsfeldes und mögliche zukünftige Technologiepositionen ermit-telt wurden, können Entscheidungen über die Ressourcenverteilung bzw. Investitions-planung auf Basis der von Pfeiffer u.a. (1991) angebotenen Normstrategien bestimmt werden. Die Normstrategien beziehen sich vor allem auf den Ressourceneinsatz im Bereich FuE bzw. in einzelnen FuE-Projekten und auf Investitionen in Produktionsanla-gen. Ebenso wie bei den Marktportfolioansätzen wird meist zwischen Investieren, Se-lektieren und Desinvestieren unterschieden. Investitionsstrategien werden für Technologien mittlerer bis hoher Technologieattrak-tivität und Ressourcenstärke empfohlen. Meist geht es dabei um neue Technologiefel-der, die hohe Wachstumsraten erwarten lassen (z. B. neue Technologiefelder in der Entstehungs- und Wachstumsphase), aber auch einen hohen Ressourceneinsatz ver-langen. Aufgrund des hohen Ausschöpfungspotenzials und der eigenen Ressourcen-stärke können mit Investitionen in diese Produktinnovationen dauerhafte Erfolge er-zielt werden. Desinvestitionsstrategien empfehlen sich bei Technologien mit mittlerer bis geringer Attraktivität und Ressourcenstärke. Weder die zukünftige Ausschöpfbarkeit der mit der Technologie verbundenen Erfolgspotenziale noch die Handhabbarkeit im eigenen Un-ternehmen ist gewährleistet. Daher sollte man sich aus diesen Innovationsaktivitäten zurückziehen. Die Innovationsprojekte sollten eingestellt werden. Selektions- oder Differenzierungsstrategie bedeutet, dass keine allgemeingültige Hand-lungsanweisung, sondern eine strategische Einzelfallentscheidung empfehlenswert ist. In Abhängigkeit von der Technologieattraktivität ist genau zu prüfen, welche Ressour-ceneinsatz für die einzelnen Innovationsprojekte erforderlich und wirtschaftlich sinn-voll ist. Bei hoher Technologieattraktivität und geringer Ressourcenstärke ist zu ent-scheiden, ob der Rückstand zu Wettbewerbern in absehbarer Zeit aufgeholt werden kann. Wenn ja, lohnen sich Investitionen, die eine hohe Ressourcenstärke anstreben.

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Bei geringer Technologieattraktivität und hoher Ressourcenstärke ist es dagegen emp-fehlenswert, nur geringe Investitionen evtl. zur Verteidigung des vorhandenen Know-how-Vorsprungs zu tätigen oder stufenweise zu desinvestieren. Die in Abbildung 14 genannten Sub-Kritierien der verwendeten Dimensionen stellen eine Auswahl dar, sodass der Pfeiffersche Ansatz durch Variation individuell auf Unter-nehmen und deren Technologiefelder angepasst werden kann. Problem ist allerdings, dass die erforderlichen detaillierten Betrachtungen abhängig von der Verfügbarkeit detaillierter Daten sind und für die Informationsbeschaffung und –aufbereitung relativ hohe Kosten entstehen. Anwendungsgrenzen dieses Portfolios liegen darin begründet, dass ausschließlich technologische Aspekte und keine Marktfaktoren in die Analyse einfließen. Aussagen zur Marktfähigkeit von Technologien und Produkten auf dieser Basis zumindest nicht direkt gemacht werden. Im Folgenden werden weitere Technologieportfolios sehr knapp vorgestellt: Arthur D. Little (1991, S. 102f) hat einen Portfolioansatz entwickelt, in dem die Techno-logieposition und die Lebenszyklusphase eines Innovations- oder FuE-Projektes gegen-übergestellt werden. Mit diesem Modell können Risikoprofil und Finanzbedarf eines Technologieportfolios visualisiert werden. Unternehmen mit vielen Projekten in frühen Lebensphasen sind mit einem hohen Risiko konfrontiert und haben einen besonders hohen Ressourcenbedarf. Der Portfolioansatz von Specht und Michel (1988) verbindet die Markt- und Technolo-giebetrachtung zu sogenannten Innovationsfeldern. Relevante Innovationsfelder zeichnen sich dadurch aus, dass die Zielkunden, der Kundennutzen oder die verwende-ten Technologien für das Unternehmen neu sind. Als Dimensionen werden die Innova-tionsfeldattraktivität und die Innovationsfeldstärke verwendet, wo bei hinter beiden Dimensionen eine Vielzahl von Subkriterien zu technologischen und marktseitigen As-pekten steht. Dementsprechend aufwendig ist die Erstellung eines Portfolios nach die-sem Ansatz. Das Beratungsunternehmen McKinsey (vgl. Wolfrum 1995) hat ebenfalls einen Portfolioansatz entwickelt, in dem Markt- und Technologiebetrachtung kombiniert werden. Es werden zunächst zwei getrennte Portfolios entwickelt, die dann zu einem Marktprioritäten-Technologieprioritäten-Portfolio integriert werden.

2.1.3 Das S-Kurven-Modell

Modelle zur Beschreibung des Lebenszyklus von Technologien können dabei helfen, technologische Entwicklungen zu antizipieren und bieten daher für die Produktplanung wichtige Hintergrundinformaitonen. Das S-Kurven-Modell stellt eine Weiterentwicklung des allgemeinen Konzeptes der Technologielebenszyklen dar und dient vor allem dazu, den optimalen Übergangszeitpunkt auf eine neue Technologie zu bestimmen. Diese Kenntnis könnte wesentlich dazu beitragen, Produktinnovationspotenzial zu erkennen. „Unternehmen,

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die rechtzeitig und konzentriert Ressourcen für eine neue S-Kurve einsetzen, bewußt eine Diskontinuität in der Produkt- oder Verfahrensevolution am Markt erzeugen, können sich einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil durch technologische Führerschaft schaffen.“ (Krubasik, 1982, S. 29) Im Mittelpunkt des Modells steht die Entwicklung der Leistungsfähigkeit (Kosten-Nutzen-Verhältnis, technische Niveau anhand von Leistungsparameter/Leistunsdaten gemessen) von Technologien. Es basiert auf empirischen Beobachtungen, die vielfach gezeigt haben, dass Leistungsdaten von Technologien sowohl über die Zeit als auch über den kummulierten FuE-Aufwand betrachtet einen typischen Verlauf zeigen, der als S-förmig zu beschreiben ist. Allerdings sind die Verläufe unterschiedlicher Technologien nicht identisch (vgl.Abbildung 15).

Abbildung 15: Beispiele empirischer S-Kurven

Einer geringen Zunahme der Leistungsfähigkeit am Beginn der Entwicklung folgt generell eine Phase starker Fortschritte, die am Ende des sog. Lebenszyklus durch eine Phase nur mehr inkrekmentaler Verbesserungen abgelöst wird, d.h. die FuE-Effizienz - verstanden als Leistungssteigerung pro zusätzlichem FuE-Aufwand - nimmt zum Ende des Lebenszylus kontinuierlich ab. Da im S-Kurven-Modell die FuE-Effizienz als Indikator für den Wechsel von einer alten Technologie zu einer neuen Technologie verwendet wird, sollte ein Unternehmen bei nachlassender Effizienz auf die nächste Technologie umsteigen, um dort frühzeitig Position zu beziehen und eine Führerrolle einnehmen zu können. Begründet wird der typische Verlauf der Leistungsdaten ( vgl. Abbildung 16) wie folgt: Zu Beginn besteht ein geringes Wissen über die Nutzungsmöglichkeiten (bzw. Leistungspotenziale) und über technische Probleme sowie Wechselwirkungen mit anderen Technologien und anderen Faktoren. Dies bedingt hohe Grenzaufwendungen, um die Technologien weiterzuentwickeln. Fehlentwicklungen müssen behoben, umfangreiche technische Tests durchgeführt, besondere Inputfaktoren gesucht oder entwickelt, externes Spezialwissen aufgebaut werden. Es kommt oft zu Mehrfachentwicklungen.

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Produktplanung

35 1BPhasen der Produktplanung

Nach einiger Zeit findet eine zunehmende Dynamisierung in der Leistungsfähigkeit der Technologie statt. Eine wachsende Anzahl an Nutzern greift die Technologie auf, passt sie an die jeweilige Problemsituation an und entwickelt sie weiter. Dies bewirkt ein progressives Ansteigen der Leistungsfähigkeit. Mit zunehmender Annäherung an die physikalischen Grenzen (z. B. in Bezug auf die eingesetzten Materialien) der Technologie zeigen die Leistungsdaten einen degressiven Verlauf. Das Modell ist mit verschiedenen Problemen beziehungsweise Nachteilen behaftet: Ein Nachteil besteht darin, dass lediglich das Entwicklungspotential als erfolgsrelevant angesehen wird. Umstellungskosten bei den Anwendern, Zusatznutzen für die Anwender, soziale Einflusse usw. bleiben unberücksichtig. Außerdem ist die praktische Anwendbarkeit eingeschränkt, da sich der kumulierte FuE-Aufwand als Input-Größe schlecht messen läßt und daher oft nur die Zeit als Ersatzindikator verwendet wird. Meßprobleme gibt es auch auf der Outputseite, denn Technologien lassen sich in der Regel durch mehrere Leistungsparameter beschreiben. Wichtige Leistunsparameter des Autos sind z. B. Höchstgeschwindigkeit, Durchschnittliche Lebenszeit, Geräuschentwicklung, Verbrauch, Motorleistung in KWh.

Abbildung 16: Idealtypischer S-Kurven-Verlauf

2.1.4 Bestimmung von Suchfeldern3

Suchfelder sind definiert als der Produktfindung vorzugebende Aktionsbereiche, inner-halb derer nach neuen Produktideen gesucht werden soll. Sie lassen sich durch be-stimmte Parameter (z. B. Funktionen, Abnehmerbereiche oder Trends und beliebige Kombinationen dieser Parameter) beschreiben. Beim Ermitteln von Suchfeldern ist es zweckmäßig Suchfeldhierarchien aufzubauen, die aus Suchfeldern unterschiedlichen

3 Das Kapitel 2.1.2 lehnt sich sehr stark an die Darstellung vom VDI (vgl. o.V. 1984) an.

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Produktplanung

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Konkretisierungsgrades bestehen. Je kurzfristiger neue Produkte gefunden werden sollen, desto mehr sind die vorzugebenden Suchfelder einzuengen. Die festgelegten Suchfelder sind dann Eingangsgrößen für die Produktfindung. Inner-halb der Produktfindung kann die Aufgabe der Definition von Erfolg versprechenden Produkten nur erfüllt werden, wenn vorher auch in hohem Maße aussichtsreiche Such-felder definiert wurden. Aussichtsreich sind Suchfelder dann, wenn

- das Absatzpotenzial groß bzw. ergiebig genug ist, - das Produkt ein positives Entwicklungspotenzial hat bzw. zukunftsträchtig ist, - sowohl das Produkt als auch die Absatzgenerierung durch das Unternehmen

realisierbar sind und - das Produkt in Übereinstimmung mit den Werten und der Zielsetzung des Un-

ternehmens ist.

Wesentliche Herausforderungen der Suchfeld-Methode liegen in der Findung geeigne-ter Parametern zur Beschreibung von Suchfeldern und in der Strukturierung der Such-felder. Im Folgenden werden daher vor allem mögliche Beschreibungsparameter und mögliche Vorgehensweisen bei der Erstellung von Suchfeldern vorgestellt und an Bei-spielen erläutert. Suchfelder lassen sich z. B. mithilfe folgender Parameter beschreiben:

- Funktion, - Arbeitsprinzip, - Stoff, - Verfahren, - Abnehmerbereich, - Trend, - Design.

Ein Suchfeld, das durch eine Funktion wie z. B. Transportieren charakterisiert ist, um-fasst alle möglichen Lösungen, die diese Aufgabe des Transportierens (egal z. B. ob von Strom, Gasen, Flüssigkeiten, Personen usw., egal in welcher Menge, Größe usw.) grundsätzlich erfüllen kann. Die Suche nach Produkten mit gleichen Funktionen kann helfen, festzustellen, in welchem Bereich ein Produktprogramm noch Lücken aufweist. Der Parameter Arbeitsprinzip beschreibt die Wirkungsweise von Produkten. Das Such-feld elektrisch beispielsweise umfasst alle Lösungen, die egal ob in der Konsumgüter- oder der Investitionsgüterindustrie, egal ob in der Lebensmittelbranche oder der Raumfahrttechnik mit elektronischen Bauteilen ausgerüstet sind. Bei dem Parameter Stoff ist zunächst festzulegen, ob sich dieser Parameter auf den Stoff bezieht, aus dem ein Produkt hergestellt ist oder auf den Stoff, der sich mithilfe des Produktes bearbei-ten oder verwenden lässt.

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37 1BPhasen der Produktplanung

Beispielhafte Suchfelder für ausgewählte Parameter: Fu

nktio

n • Transportieren• Messen• Regeln• Formen• Halten• Schützen• Verpacken• Lagern• Verteilen• Informationen

erzeugen, speichern, übertragen, wandeln

• Energie erzeugen, speichern, übertragen, wandeln

• …

Arbe

itspr

inzip • Mechanisch

• Hydraulisch• Optisch• Akustisch• Thermisch• Chemisch• Magnetisch• Elektronisch• Elektrisch• Elektro-

magnetisch• Elektro-

chemisch• Piezo-

elektrisch• …

Stof

f

• Metall• Holz • Glas• Luft • Wasser• Erdöl• Kunststoff• Fasern• Nahrungs-

mittel• Kohle• Gestein• Chemikalien• …

Verf

ahre

n • Giessen• Sintern• Walzen• Schmieden• Pressen• Trennen• Schneiden• Kleben• Mischen• Beschichten• Härten• …

Abbildung 17: Beispiele für Suchfelder bei ausgewählten Parametern

Ein wichtiger Parameter zur Eingrenzung der Produktsuche innerhalb der Investitions-güterindustrie ist das Verfahren. Gerade durch Variationen in diesem Bereich haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr viele aussichtsreiche Innovationen ergeben. Auch der Abnehmerbereich von Produkten ist ein wichtiger Parameter zur Beschrei-bung von Suchfeldern. Bei der Anwendung dieses Parameters ist es sinnvoll, zunächst weiter nach Merkmalen (z. B. Branchen, Großabnehmern, Bevölkerungsgruppen, Be-darfsfeldern, Vertriebswegen usw.) zu untergliedern/strukturieren und dann Suchfel-der aufzulisten, die diesen Parametermerkmalen entsprechen. Ebenso könnte bei Trends nach technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends untergliedert werden. Da die Trennung aber nicht überschneidungsfrei vorgenommen werden kann, sollte besser auf diese Vorstrukturierung beim Parameter Trend (Miniaturisierung, Globalisierung, demografische Trends, Umweltorientierung usw.) verzichtet werden. Der Parameter Design bezieht sich auf die Handhabung bzw. Bedienbarkeit und das Erscheinungsbild von Produkten. Umso gleichartiger die Produkte hinsichtlich der technischen Qualitäten werden, umso mehr nimmt die Bedeutung des Parameters Design zur Produktdifferenzierung zu. Oft reichen die Parameter zur Beschreibung von Suchfeldern allein nicht aus, so dass sie zur sinnvollen Eingrenzung eine Konkretisierung mittels beschreibender Eigenschaf-ten benötigen (z. B. schnell transportieren – langsam transportieren, feste – flüssige –gasförmige Stoffe oder allgemein: groß – klein, teuer – günstig, laut – leise, langlebig – kurzlebig, warm – kalt, intern – extern, stetig - diskret usw.). In der Regel werden Such-felder mittels Kombination mehrerer Parameter (z. B. Kunststoff thermisch trennen) beschrieben.

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Des

DesignTrend

AbnehmerbereichVerfahren

StoffArbeitsprinzip

Funktion

Verbinden

Tragen Lagern

Fügen

Halten

PositionierenSichernFixieren

Aufbewahren

BevorratenOrdnen

Führen

Leiten

Abbildung 18: Suchfeldhierarchie am Beispiel des Suchfeldparameters Funktion

Auch wenn das Hauptziel der Suchfeldbestimmung die Eingrenzung der Suche auf möglichst aussichtsreiche Produktideen ist, muss dennoch darauf geachtet werden, dass die Suche nicht so stark eingeengt wird, dass Erfolg versprechende Produktideen von vorneherein ausgeschlossen werden. Daher sollten Suchfelder nicht von vornehe-rein ausgeschlossen werden, sondern für die einzelnen Parameter sind Suchfeldhierar-chien, die aus Suchfeldern unterschiedlicher Konkretisierungsgrade bestehen, zu bil-den. Eine Suchfeldhierarchie reicht von einem sogenannten Haupt-Suchfeld bis hin zu mehrfach abgeleiteten, nachgeordneten Suchfeldern (vgl. Abbildung 18). Die folgende Abbildung zeigt eine Suchfeldhierarchie, die nach dem Parameter Funktion aufgebaut ist. Hier wurde z. B. das Suchfeld Nr. X in Bezug auf den Suchparameter Funktion durch die Suchfeldhierarchie Verbinden+Lagern+Fügen+Halten+Sichern eingegrenzt. Durch andere Kombinationen lassen sich verschiedene andere Suchfelder beschreiben. Oft ist es nicht einfach, Suchfelder eindeutig zu beschreiben. Insbesondere bei der Be-schreibung langfristiger Suchfelder kommen daher neben den Trendforschungsmetho-den verschiedene intuitive Kreativitätsmethoden zum Einsatz (Brainstorming, usw.). Bei mittel- und kurzfristigen Suchfeldern können unterstützende Informationen vor allem auf der internen Potenzialanalyse gewonnen werden und mittels analytischer Systematisierung ausgewählter Suchfeldparameter. Ein Unternehmen, das Gießereiprodukte mit verschiedenen Verfahren herstellt, könn-te beispielsweise die Parameter Verfahren, Stoff oder Abnehmerkreise wählen und dann zu diesen Parametern durch Brainstorming oder durch systematisches Unterglie-dern Unterbegriffe finden. Anschließend könnte es prüfen, welche der Unterbegriffe je Parameter sich sinnvoll miteinander verbinden lassen. Diese Kombinationen sollten dann einen höheren Konkretisierungsgrad der Suchfelder leisten.

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39 1BPhasen der Produktplanung

Die Qualität der festzulegenden Suchfelder hängt wesentlich von der Verfügbarkeit und der Nutzung geeigneter Informationen ab. Mit diesen Informationen können An-forderungen an die zu bestimmenden Suchfelder gewichtet werden. Es lassen sich drei Anforderungsgruppen unterscheiden:

1. Übereinstimmung mit der Unternehmenszielsetzung (z. B. Wachstumsziele, Konsolidierungsziele, Diversifizierungsziele usw.),

2. Zukunftsträchtigkeit, z. B. Branchenwachstum, Übereinstimmung mit allgemei-nen oder technologischen Trends, … ),

3. Übereinstimmung mit den Unternehmenspotenzialen und Kompetenzen (z. B. Fit zum bisherigen Produktprogramm bzgl. der Ressourcen Entwicklung, Be-schaffung, Produktion, Vertrieb, Logistik usw. und zu den Kernkompetenzen).

Sobald mögliche Suchfelder mit unterschiedlichen Konkretisierungsgraden ermittelt sind, müssen diese bewertet und die für das Unternehmen Aussichtsreichsten ausge-wählt werden. Als Bewertungskriterien hierzu bieten sich ebenfalls die oben genann-ten Anforderungen an. Diese Bewertungskriterien sind zu gewichten und je nach Ge-wichtung weiter zu detaillieren. Häufig wird eine Nutzwert-Analyse im Rahmen der Selektion eingesetzt. Manchmal muss erst eine Vielzahl von Parameterkombinationen aufgestellt werden, um anschließend in mühsamer Kleinarbeit aussichtsreiche Kombinationen herauszufil-tern. Insgesamt bleibt aber festzustellen, dass es bei der praktischen Bestimmung von Suchfeldern keinen immer geltenden Standardweg gibt, sondern oft Kreativität erfor-derlich ist. Der VDI bezeichnet diesen Schritt sogar als den schwierigsten bei der ge-samten Produktfindung, da er einem Puzzlespiel gleiche, dessen Einzelteile nicht nur unvollständig seien, sondern bei dem auch das zusammenzusetzende Bild unbekannt sei. Je nach konkreter Zielsetzung in der Produktfindung können sehr unterschiedliche Formen von Suchfeldern als Ergebnis aus dem Prozess entstehen (vgl. Beispielen in den Übungen). Für die Ermittlung aussichtsreicher Suchfelder empfiehlt der VDI folgendes Vorgehen:

- Erfassen und Analysieren der erforderlichen Informationen (interne und exter-ne Informationen insbesondere zum Unternehmenspotenzial (Starken und Schwächen), zu den Unternehmenszielen, Produkt- und Marktstrategien und zur Marktentwicklung sowie den allgemeinen und technologischen Trends),

- Gewichten der Anforderungen an Suchfelder,

- Aufstellen möglicher Suchfelder und

- Bewerten und Auswählen aussichtsreicher Suchfelder (Selektion)

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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Suchfelder das Bindeglied zwischen dem Anstoß des Produktentwicklungsprozesses (market pull oder technology push) und der Produktfindung sind. Die Bestimmung von Suchfeldern soll die Suche nach Produktideen kanalisieren, um sicherzustellen, dass sich die Suche und die gefundenen Lösungen auf problemrelevante Sachverhalte konzentriert werden und so eine Fehl-allokation von Ressourcen im Produktplanungsprozess vermieden wird.

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41 1BPhasen der Produktplanung

2.2 Überblick über die Produktfindung

In Abschnitt 2.1 haben wir uns mit der Analyse und Bewertung langfristiger Entwick-lungen des Marktes und insbesondere der Technologie befasste, um daraus zunächst möglichst umfassend (Business) Opportunitäten zu identifizieren und anschließend den Suchraum für Produktideen durch Bestimmung von relevanten Suchfeldern einzu-schränken. Nach dieser sog. strategischen Produktplanung beginnt nun die eigentliche Produktfindung mit Abschnitt 2.2. In den Abschnitten 2.3 (Ideenmanagement) und 2.4 (Produktkonzeption) wird diese dann vertieft. Ziel der Produktfindung ist es, innerhalb der vorgegebenen Suchfelder innovative Pro-duktideen zur Erschließung von Nutzenpotenzialen und zur Erfüllung der Kundenbe-dürfnisse zu gewinnen. Der Input für die Produktfindung lässt sich also durch die iden-tifizierten Opportunitäten/Potenziale beschreiben und der Output wird durch Produkt-ideen in Form von Produktbeschreibungen und Produktkonzepten gebildet. Produktfindung geht somit von den in Abschnitt 2.1 erkannten Opportunitäten bzw. Potenzialen aus und liefert Ideen für Produkte, mit denen die Opportunitäten wahrge-nommen werden können bzw. die Potenziale ausgeschöpft werden können. Zunächst müssen gute Produktideen gefunden werden. Dies ist vor allem eine schöpferische Arbeit, bei der die Kreativität eine besonders wichtige Rolle spielt. Aber auch analy-tisch-systematische Methoden (wie z. B. der Morphologische Kasten) werden bei der Ideengenerierung eingesetzt. Einige Autoren (Malorny u.a. 1997) sprechen diesbezüg-lich von den beiden Schritten Inkubation und Erleuchtung. Bei der Inkubation wird das Problem im Unterbewusstsein des Problemlösers unbewusst analysiert und es entste-hen vage Vorstellungen, wie das Problem gelöst werden kann. Sobald dem Problemlö-ser die Lösungsideen bewusst werden, ist man bei der Erleuchtung angekommen und es geht darum, diese vagen Ideen zu erkennen und weiterzuverfolgen. Die Erfahrung zeigt, dass sehr viele (je nach Studie zwischen ca. 30 und 90%) der am Markt eingeführten Produkte zu Flops degenerieren. Dies zeigt die hohe Bedeutung des zweiten Teilschrittes der Produktfindung, der Ideenbewertung und Selektion. Nur durch systematisches, mehrstufiges Bewerten und Filtern, können Ressourcenver-schwendung in der Produktrealisierung und kostspielige Produktfehlschläge vermieden werden. Die Herausforderung besteht darin, einerseits den monetären und zeitlichen Aufwand dieser Teilphase auf akzeptablem Niveau zu halten und andererseits einen möglichst wirksamen Filterprozess zu erhalten. Kriterien bei der Bewertung und Aus-wahl von zu realisierenden Ideen sind z.B. die Funktionalität und Nutzenversprechen der Produkte, die technische Machbarkeit, die zur Realisierung erforderlichen Ressour-cen und Kosten, die Wahrscheinlichkeit des kommerziellen Erfolgs und das Potenzial des Produktes zur Begründung von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen (Differenzie-rungsstärke).

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Die Produktfindung schließt mit der Beschreibung und Definition der Produktidee ab. Input-Größe dieser Teilphase sind die vorselektierten Ideen aus dem Ideenmanage-mentprozess und Outputgröße sind Produktvorschläge, die durch Spezifikationen an die Produktgestaltung in Form von Produktkonzepten, durch Anforderungslisten, Las-tenhefte, Wirtschaftlichkeitsrechnungen und/oder Termin- und Kostenziele (-planungen) ergänzt sein können. In der Fachliteratur werden häufig folgende zwei Aspekte als besonders erfolgskritisch für die Phase der Produktfindung betont:

- Erstens, die Fähigkeit das Kreativitätspotenzial zur Ideenfindung zu mobilisie-ren, um überhaupt besonders attraktive Produktideen, d. h. solche mit hohem Erfolgspotenzial, zu finden.

- Zweitens, die Integration der Kunden in den Prozess der Produktfindung, denn diese entscheiden letztendlich über die spätere Marktakzeptanz der Produkte, was zwar nicht den späteren wirtschaftlichen Erfolg garantiert, aber eine Grundvoraussetzung hierfür ist.

2.3 Ideenmanagement (Ideenfilter)

Abschnitt 2.3 befasst sich damit Produktideen zu finden, zu bewerten und letztendlich die weiterzuverfolgenden Produktideen zu selektieren. Hauptaktivitäten in dieser Pha-se sind also das Sammeln, Generieren und Bewerten von Produktideen. Die Phase der Ideenfindung wird oft in die zwei oder drei Teilphasen untergliedert:

- Ideenfindung (Teilphase 1) und

- Ideenbewertung und Selektion (Teilphase 2 oder Teilphase 2 und 3).

In dieser Phase der Produktplanung geht es darum, Ideen unter Einbeziehung von Kunden-, Kosten- und Technologieaspekten zu generieren und mit Blick auf die Attrak-tivität und die Risiken der Ideen zu bewerten, um letztendlich Erfolg versprechende Produktideen auszuwählen (Ideenfilter). Die Herausforderung besteht darin, die Ideen übersichtlich und nachhaltig zugänglich zu machen (z. B. in Ideendatenbanken), rele-vante Anforderungen abzuklären und die viel versprechendsten Ideen unter mittels Checklisten und unterschiedlichen formalen Bewertungsmethoden und –kriterien zu evaluieren, zu selektieren und anschließend in die Produktrealisierung zu überführen. Es gibt keine Methode, deren Anwendung das Hervorbringen von erfolgreichen Pro-duktideen garantieren kann, aber eine Vielzahl an Hilfsmitteln, Methoden und unter-schiedlichen Vorgehensweisen bei der Ideenfindung. Letztlich hängt der Erfolg des Ideenmanagements zu einem großen Teil von der Motivation der Beteiligten und da-mit von der Unternehmenskultur bzw. Innovationskultur ab. Die konkrete Wahl der eingesetzten Mittel und Methoden sollte auf jeden Fall deren Akzeptanz und Wirk-samkeit im konkreten Fall berücksichtigen. In einem Unternehmen kann das Ausfüllen von Ideen akzeptiert und sinnvoll sein, in anderen vielleicht nicht, da es eine zu große

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43 1BPhasen der Produktplanung

bürokratische Hürde darstellen würde. Alternative könnte dann eine einfache E-Mail-Adresse ([email protected]) sein. Beispiel eines Ideenmanagements: (Quelle: Sandmeier/Jamali 2002, S. 349) „Das Unternehmen IVF Hartmann AG in Neuhausen, Schweiz ist als mittelständisches Unternehmen ein führender Anbieter von Medical-Produkten. Die Firma arbeitet seit rund 2 Jahren mit einem sehr ausgereiften und erfolgreichen Ideenmanagementpro-zess: Haben Mitarbeiter eine Idee, die sie als wertvoll erachten, füllen sie eine dafür vorgesehene Ideenkarte – genannt Idea-Record – aus. Darauf vermerkt wird ein Ar-beitstitel für ein mögliches Produkt, der Ursprung der Idee (kann firmenintern oder von einem Kunden sein), eine Beschreibung und Zielsetzung sowie mögliche Produkt-spezifikationen. Die ausgefüllten Ideenkarten werden dem F&E- und Marketing-Leiter (in einer Doppelfunktion) übergeben. Wöchentlich trifft sich das sogenannte Vision-Team, welches aus den Leitern Finanz, F&E und Marketing, Vertrieb, Produktion sowie dem CEO besteht. In diesen Meetings werden die Ideen ´gescreent´ und evaluiert und über weitere Abklärung entschieden. Das gebündelte Wissen dieses Teams ermöglicht fundierte Entscheide. Die Regelmäßigkeit der Evaluierung garantiert Zeitnähe und ho-he Entscheidungsqualität sowie eine überschaubare Quantität. Die Ideenlieferanten erhalten im Anschluss an die Sitzung sofort ein Feedback und werden möglichst in den Prozess weiterer Abklärungen integriert. Wird eine Umsetzungs- und Investitionsent-scheidung aufgrund eines detaillierten Idea-Record getroffen, ist der Ideengeber er-neut, wenn möglich, mit dabei: Als Belohnung für erfolgversprechende Ideen winkt nicht etwa eine Geldprämie, sondern der Ideengeber wird in das Entwicklungsprojekt integriert. Dies wirkt sich langfristig positiv auf die Innovationskultur aus.

2.3.1 Ideenfindung

Die Qualität der Ideenfindung hängt wesentlich von der Stimulierung der Kreativität im Rahmen der Prozesse ab. Da wesentliche Kreativitätsmethoden bereits in der Veran-staltung Innovationsmanagement behandelt wurden, beschränkt sich die Darstellung hier auf eine zusammenfassende Bewertung. Ideenfindung kann grundsätzlich auf zwei Arten geschehen: Intuitiv-kreativ (intuitives Denken) oder Systematisch-analytisch (diskursives Denken). Beim intuitiven Denken läuft die Suche nach neuen Ideen beim Problemlöser im Un-terbewusstsein ab. Während der Phase der Inkubation werden vorhandene Informati-onen bewertet, miteinander verglichen, in Beziehung zueinander gesetzt. Erkenntnisse entstehen dann durch z. B. Ereignisse, Assoziationen, Analogiebildung, Strukturierung und Stimulation. Denkvorgänge werden nicht bewusst wahrgenommen. Die gefundene Idee tritt dann als plötzlicher Einfall auf – Erleuchtung.

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Das diskursive Denken dagegen entspricht einem bewussten Vorgehen. Das Problem wird in verschiedenen Denkschritten gelöst. Dazu wird das Gesamtproblem meist in Teilprobleme unterteilt, die zunächst jeweils für sich gelöst werden. Informationen zum Gesamtproblem und zu den Teilproblemen werden bewusst gesammelt, analy-siert, verändert, neu kombiniert, geprüft, verworfen usw. Auf diese Weise sollen Denkblockaden überwunden werden. In der folgenden Abbildung wurden verschiedene Kreativitätsmethoden den beiden Denkarten zugeordnet.

Abbildung: Kreativitätstechniken (Quelle: Gausemeier et.al. (2001), S. 123) Da einige Kreativitätsmethoden bereits in der Veranstaltung Innovationsmanagement behandelt wurden, werden diese hier nicht ausführlich behandelt. Eine Kurzcharakteri-sierung der wichtigsten Kreativitätsmethoden findet sich aber in den folgenden beiden Übersichten aus Gausemeier et.al. (2001, S. 124-125):

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2.3.2 Ideenbewertung

(noch nicht fertig)

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47 1BPhasen der Produktplanung

2.4 Produktkonzeption (Projektfilter)

(noch nicht fertig)4

4 Beispiele schlechter Produktdesign http://www.baddesigns.com/books.html

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2.5 Produktplanung in späten Phasen der Produktinnovation

2.5.1 Produktrealisierungsverfolgung

Da sich die an die Erstellung der Produktkonzepte anschließende Realisierungsphase über einen längeren Zeitraum hinziehen kann, kommt es häufig zu Änderungen der vorher angenommenen Voraussetzungen/Annahmen. Eine parallel zur Realisierung laufende Produktrealisierungsverfolgung mit Blick darauf, ob die Zukunftsträchtigkeit des Produktes noch gegeben ist, ist daher sinnvoll. Ziel der Produktrealisierungsverfol-gung ist es also markt-, unternehmens- und produktseitigen Abweichungen gegenüber der ursprünglichen Planung, die sich im Laufe der Produktrealisierung ergeben, zu er-mitteln und –falls erforderlich – entsprechende Anpassungsvorschläge auszuarbeiten. Im Rahmen der Produktrealisierungsverfolgung sind folgende Teilaufgaben zu erledi-gen:

- Aufbau eines geeigneten Produktverfolgungsplans für jedes zu überwachende Produkt,

- Periodische Ist-Feststellungen und Vergleiche mit dem Soll der im Entwick-lungsauftrag enthaltenen Anforderungen,

- Analyse auftretender Soll-Ist-Abweichungen,

- Entscheidungen über die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen und

- Erstellung von Anpassungsvorschlägen.

Es soll also ein systematisches Überwachungssystem aufgebaut werden. Der Produkt-verfolgungsplan wird häufig in Form eines Meilensteinplans aufgestellt. In diesem sind die wichtigsten Plandaten bezüglich der Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen festzu-legen. Insbesondere sind dies folgende Plandaten:

- Kosten der Entwicklung, Fertigung, Montage und des Vertriebs,

- Ecktermine, Qualitätsberichte, geplanter Markteinführungstermin,

- Absatzplanungen mit Mengengerüst, Zielpreisen und Wettbewerberinformati-onen,

- Amortisationskennzahlen.

Wichtig ist es nicht nur bereits eingetretenen Abweichungen, sondern auch frühzeitig sich abzeichnende Veränderungen zu erkennen.

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49 1BPhasen der Produktplanung

2.5.2 Produktüberwachung

Die Produktüberwachung beginnt zum Zeitpunkt der Markteinführung. Im Rahmen der Produktüberwachung sind folgende Teilaufgaben zu erledigen:

- Die zuvor aufgestellten Lebenskurven der Produkte sind zu beobachten.

- Abweichungen von den geplanten und erwarteten Umsatz- und Kostenentwick-lungskurven sind zu erfassen und auszuwerten. Eine solche Kontrolle wird sich allerdings auf wesentliche Kennzahlen beschränken.

Sollte es zu relevanten Planabweichungen im zu überwachenden Produktprogramm kommen, ist eine Abweichungsanalyse zur Ermittlung der Ursachen durchzuführen und ggfs. müssen Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet werden. Es kann dabei auch zur Empfehlung der Produkteinstellung kommen. Wichtig ist es, für diesen Fall auch die Auswirkungen auf andere Produkte und Produktprogramme und andere erwartete Marktreaktionen in die Bewertung mit einzubeziehen. Einen guten Überblick über diese Phase und zum Beispiel der Aspekt Kennzahlen-Überwachung und Schwachstellen-Analyse findet sich beim VDI (Quelle: 0.V. 1984)

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3 Ausgewählte Instrumente der Produktplanung

3.1 Quality Function Deployment (QFD)

Ursache für lange Entwicklungszeiten und Produkte, die am Markt nicht akzeptiert werden, ist oft die fehlende oder nicht ausreichende Kommunikation von Marke-ting/Vertrieb/Entwicklung und/oder Produktion.

Nach Kamiske u.a. (1994, S. 182 f.) wird QFD daher häufig als Verfahren definiert zur „Übersetzung der Stimme des Kunden in die Sprache der Techniker bzw. Ingenieure“.

QFD setzt genau hier an, indem es versucht, Markt- bzw. Marketingwissen und Ent-wicklungswissen systematisch zusammen zu führen. Marketingmitarbeiter haben kein ausreichendes Wissen über die technischen Möglichkeiten der Produktinnovation und Entwickler haben kein ausreichendes Wissen über Märkte, Kundenpräferenzen und Kaufgewohnheiten. Quality Function Deployment ist im Prinzip eine - die gesamte Produktentstehung be-gleitende - Methode (Qualitätsentwicklungsmethode), die auf präventives Qualitäts-management setzt, indem es sicherstellt, dass die Festlegung der Produktmerkmale und die darauf folgenden Entwicklungs- und Herstellungsprozesse konsequent an den Anforderungen der späteren Kunden ausgerichtet werden. QFD ist seit Beginn der 70er Jahre unter dieser Bezeichnung bekannt und geht zurück auf ein 1966 gemachtes Kon-zept vom Japaner Yoji Akao, das erstmals 1972 in einer Schiffswerft angewendet wur-de.

Abbildung 19: Historie des QFD (Quelle: Saatweber, J., 1997, S. )

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Produktplanung

51 2BAusgewählte Instrumente der Produktplanung

Abbildung 20: Begriffsherkunft QFD (Quelle: Bors, E.M., 2000, S. )

QFD kann überall dort eingesetzt werden, wo interne oder externe Kundenanforde-rungen in die Entwicklung, Produktion oder Logistik, d. h. den gesamten Prozess der Produktentstehung zu integrieren sind. QFD wird daher häufig als Integrationsrahmen für den gesamten Produkt- und Prozessentwicklungsprozess verwendet, in den andere Instrumente wie z. B. FMEA oder Wertanalyse eingebunden werden. Der QFD-Prozess besteht aus 4 Phasen: der Qualitätsplanung, der Teileplanung, der Prozessplanung und der Fertigungsplanung. Die QFD-Methode ist nicht auf die technische Entwicklung von Sachgütern geschränkt, sondern kann auch bei Dienstleistungen angewendet werden (z. B. Gogoll 1996). Es ist anwendungsneutral, d. h. es kann auf jegliche Art von Leistungsangeboten angewen-det werden. Zielsetzung ist es immer, die Funktionalität, Ausführungsqualität und die Kosten in Übereinstimmung mit den Kundenwünschen zu bringen, und zwar gemäß dem Motto: „Der Kunde will nicht den Bohrer, sondern das Loch und zukünftig das ganze Werkstück“. Der Erfolg von QFD basiert im Wesentlichen auf der strikten Trennung der Kundenan-forderungen (Was?) von den technischen Lösungsmerkmalen (Wie?). Dies verhindert, dass ohne die Kundenanforderungen detailliert zu erfassen, sofort Produktmerkmale definiert werden. Mittels QFD werden schrittweise die Forderungen, die ein Kunde an ein Produkt hat, in

• technische Merkmale, • erforderliche Baugruppen, • Einzelteile und • durchzuführende Prozesse übersetzt.

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Abbildung 21: Wesentliche Verfahrensschritte bei QFD

Im Rahmen dieses Skriptes wird die Darstellung der QFD-Methode allerdings beschränkt auf ihren Einsatz in der Produktplanung als der ersten Phase des QFD-Prozesses (und vornehmlich auf die Neuproduktplanung von Sachgütern). QFD wird im Rahmen der Produktplanung als proaktives Qualitätssicherungswerkzeug zur Produktdefiniton eingesetzt. Ziel von QFD in der Produktplanung ist es, dass in die Produktdefinition nicht alle tech-nisch möglichen, sondern die vom Kunden gewünschten Merkmale eingehen (Fitness for use). Es geht also um eine marktorientierte Produktgestaltung (Neuentwicklung bzw. Produktverbesserung), bei der nur die Funktionen in das Produkt eingehen, die dem Kunden wirklich Nutzen stiften und auch von ihm bezahlt werden.5

Unnötige Funktionen und damit unnötige Kosten entstehen sehr oft, da die Kundenanforderun-gen nicht bekannt sind oder falsch verstanden werden und daher technikdominierte Entscheidungen getroffen werden.

Kamiske et.al. (1994, S. 182f.) beschreiben die Kernaufgabe von QFD daher als „Über-setzung der Sprache des Kunden in die der Technik bzw. der Ingenieure“. Sinngemäß kann QFD als „Instrument zur Planung und Entwicklung von Qualitätsfunktionen ent-sprechend der vom Kunden geforderten Qualitätseigenschaften“ definiert werden. Die einzelnen Buchstaben stehen für:

• Q (Quality) steht für Instrument zur kundengerechten Planung und Entwicklung von Qualitätsmerkmalen;

5 Bei bestehenden Produkten ist es wichtig z. B. Funktionen, die keinen Nutzen stiften oder auf die der Kunde

keinen Wert legt, zu eliminieren.

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• F (Function) steht für Sicherung der Qualitätsmerkmale durch interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Unternehmensbereiche und –funktionen;

• D (Deployment) steht für Aufgliederung der geforderten Qualität in Zielvorga-ben für einzelne Unternehmensbereiche, um die Qualitätsziele auf allen Ebe-nen zu erreichen.

Im Zentrum der Anwendung der QFD-Methode steht meist das „House of Quality“ als Instrument zur Dokumentation und Kommunikation. Ein HoQ kann man sich vorstellen als Kombination aus unterschiedlichen Matrizen, Listen und Tabellen. Je nachdem, in welcher Phase des QFD-Prozesses man sich befindet, werden die grundlegenden Mat-rizen und Tabellen um Qualitätstabellen, Benchmarking-Informationen und Listen mit Zielkosten-Restriktionen erweitert. Das HoQ besteht in der Basis

• aus einer Beziehungsmatrix, die den Einfluss der Lösungen auf die Anforderun-gen abbildet,

• aus einer Korrelationsmatrix, die die gegenseitige Beeinflussung der Lösung darstellt und

• aus zahlreichen anderen Tabellen und Diagrammen zur Integration weiterer re-levanter Informationen (z. B. zum Wettbewerb).

Abbildung 22: Darstellung des Grundaufbaus des House of Quality mit Hilfe von Räumen (in Anlehnung an Saatweber 1997, S. 10)

• Raum 1: Er enthält die „Stimme des Kunden“ („Voice of the Customer“), d. h. die Dokumentation der Kundenanforderungen ( Was ? ) und eine Gewichtung dieser. Kundenanforderungen werden mittels Interviews, schriftlicher Befra-gungen, Telefonumfragen oder mit Hilfe anderer Marktforschungsmethoden wie z. B. der Kano-Methode ermittelt.

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• Raum 2: Hier werden die (Qualitäts-)Merkmale aufgelistet, die nötig sind, um die Kundenanforderungen zu erfüllen ( Wie ?). Hinter jeder Kundenanforderung gilt es, das Qualitäts- oder Produktmerkmal zu erkennen und dieses in eine technische Spezifikation zu tranformieren. Die Bedeutung einer Transformation ergibt sich aus dem Kundengewicht und dem Grad der Abdeckung.

• Raum 3: In der Beziehungsmatrix werden die Verknüpfungen der Beziehungen zwischen Bedürfnissen und Design-Charakteristika visualisiert.

• Raum 4: Der Benchmarking-Raum enthält die Einschätzung der Kunden bzw. die Einschätzung, inwieweit die Mitbewerber die Kundenbedürfnisse erfüllen. Die Einstufung der Konkurrenzfähigkeit erfolgt unter Einbeziehung der Kunden. Ziel ist es, das Produktansehen zu ermitteln. Dazu wird das eigene Produkt im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten anhand der Kundenanforderung einge-schätzt und das Leistungspotenzial visualisiert.

• Raum 5: Er stellt das Gegenstück zu Raum 4 dar. Hier evaluiert das Design-Team die Designqualität des Konkurrenten.

• Raum 6: Das Dach des Hauses macht die Korrelationen zwischen den einzelnen Design-Charakteristika sichtbar, um positive und negative Trade-offs identifizie-ren zu können.

• Raum 7: Die Bedeutung der einzelnen Forderungen wird errechnet, indem die Wichtigkeit der Bedürfnsse (Raum 1) und die Beziehungen (Raum 3) miteinan-der multipliziert werden. Das Ergebnis stellt heraus, welche Bedürfnisse im Rahmen des Designs oberste Priorität einnehmen sollten.

• Raum 8: Im letzten Raum des Hauses werden die Standards, an denen die Leis-tungserbringung gemessen werden soll, aufgeführt.

Ein integrierter Produktentstehungsprozess von der Planung der Produktanforderun-gen bis zum Beginn der Produktion und zur Markteinführung kann somit als Abfolge von mit einander verzahnten „Qualitätshäusern“ beschrieben werden.

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Abbildung 23: Vier Phasen der QFD-Methode nach dem American Supplier Institut

Beispiel:

Abbildung 24: Beispiel eines House-of-Quality

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Eine systematische Vorgehensweise wird erreicht, indem das HoQ fest definierte Be-reiche aufweist. Es dient der Unterstützung der einzelnen Transformationsschritte in-nerhalb des QFD-Prozesses. Bei der Durchführung ist das HoQ eines der gängisten Hilfsmittel. Durch gewichtete Relationen wird eine Verknüpfung der Inhalte der unter-schiedlichen Matrizen und Tabellen erzielt, die die Umsetzung der Kundenforderungen in Qualitätsmerkmale sicherstellt und bewertet. Dieses Vorgehen lässt sich grob in die Schritte

• Kundenanforderungen ermitteln, • Qualitätsmerkmale ableiten, • Zielgrößen festlegen, • auf Wechselwirkungen prüfen und • Produkt bewerten (Benchmarking)

aufgliedern.

Ähnlich wie bei der FMEA, wird zur Ermittlung der Anforderungen und Lösungen ein interdisziplinäres und abteilungsübergreifendes Team empfohlen. Meistens wird ein neutraler QFD-Moderator eingesetzt, der auf die Einhaltung der QFD-Regeln achtet. Anwendung findet

Der QFD-Ansatz zeigt die Wechselbeziehungen zwischen Kundenanforderungen und Konstruktionsmerkmalen auf. Er bezieht seine Effektivität daraus, dass er eine gemein-same Sprache und einen gemeinsamen Rahmen bereitstellt, innerhalb dessen die Ent-wickler und Marketing- und Vertriebsleute zusammenarbeiten können. Damit werden die Produktplanungsphase und die Definition der Kundenanforderungen zu einem ent-scheidenden Hebel für ein proaktives Kostenmanagement, da die Kundenanforderun-gen das größte Potential zur Kostenbeeinflussung bilden. Das Optimierungspotential ist um so größer, je früher die im Produktentwicklungsprozess vorliegenden Daten sys-tematisch bearbeiten werden.

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3.2 Wertanalyse

Nach dem Begründer der Wertanalyse, Lawrence Miles (1969) besteht das Ziel dieser Methode darin, unnötige Kosten in der Phase der Produktentwicklung oder bei der Fertigung von bestehenden Produkten systematisch festzustellen. Als unnötige Kosten werden dabei jene Kosten angesehen, die eliminiert werden können, ohne den vollen Nutzen des Produktes und die besonders durch den Kunden geschätzten Eigenschaften des Produktes einzuschränken. Wert wird dementsprechend als Beziehung zwischen dem Beitrag des Wertanalyse-Objektes (Produkt) zur Bedürfnisbefriedigung und den Kosten des Objektes definiert. Diese Definition gewährleistet, dass als Wertsteigerung sowohl die Senkung der Kosten als auch die Erhöhung des Nutzes begriffen wird. In verschiedenen Normen wurden Definitionen und Verfahren der Wertanalyse festge-legt. Die europäische Norm 1325-1 (EN 1325-1, 1996, 3) definiert die Wertanalyse als „organisierter und kreativer Ansatz, der einen funktionenorientierten und wirtschaftli-chen Gestaltungsprozess mit dem Ziel der Wertsteigerung eines Wertanalyse-Objektes zur Anwendung bringt.“ DIN 69910 definiert die Wertanalyse als Verfahren der Funkti-onswertsteigerung von Produkten, Prozessen und Systemen durch Erhöhen des Nut-zens von Funktionen und/oder Senkung der Kosten, die bei der Realisierung der Funk-tionen anfallen. Im Rahmen der Produktentwicklung wird die Wertanalyse eingesetzt, um von vornehe-rein das Entstehen überflüssiger Kosten durch Verzicht auf überflüssige Funktionen zu vermeiden. Die Funktionen von Produktinnovationen können nach unterschiedlichen Gesichtspunkten gegliedert werden:

Kriterium Ausprägungen Beschreibung/Beispiel

Hierarchie/Bedeutung

Hauptfunktionen (Grundfunktion)

Sie dienen dem eigentlichen Verwendungszweck.

Nebenfunktionen Bedingt notwendig, um die Hauptfunktion zu erfüllen.

Hilfsfunktionen Lösungsbedingt, d.h. sie sind Folge der gewählten Problemnutzung.

Vermeidbar: Tragen nicht zum Nutzen des Objekts bei. Können variiert oder weggelassen werden, ohne die technische Qualität zu beeinflussen (Schönheitsfunktion). Sie können aber der Verkäuflichkeit dienen.

Wirkung Gebrauchsfunktion Objektiv zur Nutzung des Objekts erforderlich und in der Regel quantifizierbar mithilfe physikalischer und/oder wirtschaftlicher Daten und/oder Standards.

Geltungsfunktion Bewirken subjektiv wahrnehmbare, personenbezogene Wirkungen und sind i. d. R. mit Methoden der Meinungsforschung bewertbar ( Aussehen, Komfort, Sozialmaßnahmen, Prestige).

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Funktionen, die weder zur Sicherheit, zur Qualität, zum Funktionieren oder zur Ver-käuflichkeit positiv beitragen (sog. technische Spielereien, Übererfüllung von Funktio-nen), sind unnötig und auf sie sollte verzichtet werden. Sie sind möglichst frühzeitig zu eliminieren, um möglichst viele Kosten zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Die Wertanalyse kann in allen Stadien des Produktes (Entwicklung, Konstruktion, Pro-duktion) eingesetzt werden. Im Folgenden wird vornehmlich der Einsatz in der Pro-duktentwicklung betrachtet. Klassisches Wertanalyseobjekt ist das Produkt. Das Ver-fahren kann aber auch auf Abläufe und Verfahren angewendet werden (Instandhal-tung, Reparatur, Verkaufsplanung, Marktforschung, …). Die funktionale Betrachtung fördert das laterale Denken, das insbesondere bei der Konzipierung von Neuprodukten und für radikale Neuerungen entscheidend ist. DIN 69910 gliedert eine systematische Wertanalyse in sechs Arbeitsschritte, deren Inhalte und Reihenfolge wie folgt zwingend festgelegt sind. 1. Vorbereitende Maßnahmen:

1.1 Auswählen des Analyseobjektes und Stellen der Aufgabe 1.2 Festlegen des quantifizierten Ziels 1.3 Bilden von Arbeitsgruppen 1.4 Planen des Ablaufs

2 Ermitteln des Ist-Zustandes - Informationsbeschaffung und Beschreibung des Analyseobjektes - Beschreiben der Funktion - Ermitteln der Funktionskosten

3 Prüfen des Ist-Zustandes 3.1 Prüfen der Funktionserfüllung 3.2 Prüfen der Kosten

4 Ermitteln der Lösungen 4.1 Suche nach allen denkbaren Lösungen

5 Prüfen der Lösungen 5.1 Prüfen der sachlichen Durchführbarkeit 5.2 Prüfen der Wirtschaftlichkeit

6 Vorschlag und Verwirklichung 6.1 Auswahl der Lösung (en) der Lösungen 6.2 Empfehlen der Lösung 6.3 Verwirklichung der Lösung

Da die Wertanalyse im Rahmen der Produktentwicklung vor der Markteinführung der Produkte stattfindet, spricht man auch von ex ante Wertanalyse. Es wird zunächst eine Analytische Phase und anschließend eine gestalterische Phase durchlaufen. Die Anforderungen der Kunden werden in der Wertanalyse in Funktionen (Wirkungen des Produkts) ausgedrückt. Larry D. Miles, der die Wertanalyse (Value Analysis) 1947 entwickelte, hat folgende einprägsame Definition zur Wertanalyse aufgestellt: Die Wertanalyse ist nach Miles eine organisierte Anstrengung, die notwendigen Funktio-nen eines Produktes für die niedrigsten Kosten zu erstellen, ohne dass die erforderli-che Qualität, Zuverlässigkeit und Marktfähigkeit des Produktes negativ beeinflusst

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werden. “Niedrigste Kosten" heißt, alle Kosten zu minimieren, die während der Le-bensdauer eines Produktes oder einer Dienstleistung entstehen. Für Produkte bedeu-tet dies, dass auch Kosten der Entwicklungsphase, der Fertigung, des Vertriebs, den Gebrauch und der Entsorgung berücksichtigt werden müssen. "Funktionieren" bedeu-tet hier, dass die Kundenanforderungen vollständig berücksichtigt und als funktionale Anforderungen ausgedrückt werden.

3.2.1 Funktionenorientiertes Denken

Um diese Aufgabenstellung erfolgreich anzugehen, wird in der Wertanalyse das funkti-onenorientierte Denken und Strukturieren eingesetzt. Es wird eine Funktionenanalyse des Produktes und seiner Komponenten erstellt, die eine gezielte Untersuchung er-möglicht, welche Funktionen notwendig sind oder nicht. Anschließend werden die Funktionenmerkmale und deren Niveau (Quantifizierung) den einzelnen Funktionen zugeordnet und deren Veränderbarkeit untersucht. Dies geschieht durch die Ermitt-lung der funktionenorientierten Kostentreiber in einer Kostentreiberanalyse. Grundla-ge bildet dabei die Funktionenkostenanalyse, die ermittelt, welche Funktionen welches Geld kosten; bei Neuentwicklungen wird ermittelt, welche Funktion welches Geld kos-ten darf, damit noch ein Deckungsbeitrag am Markt erzielt werden kann. Da der Kunde grundsätzlich Funktionen kauft, können jetzt folgende wichtige Fragen gestellt und beantwortet werden

3.2.2 Welche Funktion kostet welches Geld?

Wie verhalten sich die Kosten verschiedener Funktionen zueinander (Kostenstruktur)? Wie wichtig ist dem Kunden die einzelne Funktion? Wo besteht ein Missverhältnis zwischen Bedeutung und den entstandenen Kosten (z. B. geringe Bedeutung - hohe Kosten)? In welchem Verhältnis stehen die Funktionenkosten zu denen der Wettbewerber? Im Rahmen einer Kreativitätsphase werden zu den identifizierten Schwachstellen und Erkenntnissen Ideen und Verbesserungsvorschlage entwickelt. Dies geschieht durch den systematischen Einsatz von Kreativitätsmethoden. Der Einsatz der Wertanalyse geschieht immer im Rahmen eines definierten Projektes. Ein geschulter Wertanalytiker moderiert in Zusammenarbeit mit dem Fachverantwort-lichen im Unternehmen das Projekt. Die Durchführung geschieht in bereichsübergrei-fender Teamarbeit. Dies ist notwendig, da die Kundenanforderungen, die Kosten, die Herstellbarkeit und Montierfähigkeit, etc. in den unterschiedlichsten Bereichen und Abteilungen festgelegt und beeinflusst werden. Nur durch das Zusammenbringen aller kosten- und funktionenbeeinflussenden Bereichen wird der Erfolg sichergestellt.

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3.2.3 Anwendung und Ziele der Wertanalyse

Die Wertanalyse beschäftigt sich mit den Wirkungen eines Produkts oder eines Ablau-fes, die in Funktionen formuliert werden. Es wird überprüft: welche Wirkungen das Produkt oder der untersuchte Prozess überhaupt entwi-

ckeln soll und ob alle Wirkungen, die ein Objekt entfaltet, gewünscht oder notwendig sind, ob sie sich mit anderen Lösungen kostengünstiger und besser realisieren las-

sen, welchen Preis ein Kunde bereit ist für die Wirkung zu bezahlen.

Die Wertanalyse wird nicht nur bei bestehenden Produkten zur Wertverbesserung und/oder Kostensenkung eingesetzt, sondern auch bei Produkten, die sich erst in der Entwicklung befinden (Wertgestaltung).Inzwischen hat sich die Wertanalyse mit Unter-stützung der Europäischen Union zum Value Management weiterentwickelt. Während die Wertanalyse nach VDI 2800 bzw. EN 12973 vor allem Produkte und Konzepte ge-staltet/optimiert strebt die u.a. von der Unternehmensberatung McKinsey propagier-ten Gemeinkosten-Wertanalyse (Overhead Value Analysis) hauptsächlich Personalkos-tensenkungen an. Mit der Methodik der Wertanalyse werden Ziele erreicht, wie z. B.: – Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Prozessen – Zeitersparnis durch planmäßiges und zielgerichtetes Bearbeiten der Problemstel-

lung – Motivationssteigerung bei Mitarbeitern durch Einbeziehen der Betroffenen in die

Problemlösung – Stimulation von Kreativität durch den Einsatz entsprechender Methoden (Brain-

storming, usw.) – Aufbau von Mitarbeiter-Netzwerken im Unternehmen – reibungslosere, weil verständnisvollere Zusammenarbeit in der Folge der Projekte – Know-How-Steigerungen bei allen Teammitgliedern – Teamorientiertes Arbeiten nach den Regeln des Konsensprinzips – Qualitätssteigerungen und Kosteneinsparungen von mindestens 10 %, in der Regel

aber deutlich darüber (30 bis 50 %).

3.2.4 Systemelemente der Wertanalyse

Die Wertanalyse enthält folgende vier Systemelemente:

1. Methoden und Werkzeuge Der Arbeitsplan ist nach VDI-Richtlinie 2800 (früher DIN Norm 69910) vorgegeben. Zielvorgaben bezüglich des Termins, der Qualität und der Kosten sind notwendig. Au-ßerdem wird bereichsübergreifend im Team gearbeitet. Ein erfahrener Moderator mit einer VDI Ausbildung zum Wertanalytiker übernimmt die Moderation und Leitung.

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2. Menschliche Verhaltensweisen der Projektmitglieder

Die Teammitglieder, nicht mehr als 6 bis 8 Personen, sollten einen direkten Bezug zum herzustellenden Erzeugnis haben. Für Sachverhalte, für die das Team keine Kompeten-zen hat, werden externe Experten herangezogen. Zusätzlich wird von Anfang an eine Schulung zur Methodik der Wertanalyse durchge-führt. Ganzheitliches, systemorientiertes Denken ist ein Erfolgkriterium.

3. Managementstil Das Management legt die Projektziele (Muss-Ziele) fest. Außerdem schafft es den Mit-arbeitern günstige Arbeitsvoraussetzungen und sorgt für die Bereitstellung der Res-sourcen. Das Management trifft die entsprechenden Entscheidungen und nimmt eine Vorbildfunktion ein.

4. Umfeldfaktoren Das Umfeld, in dem eine Organisation existiert, muss bei jeder einzelnen Manage-mentaktivität berücksichtigt werden. Das Zusammenwirken dieser Systemelemente sowie deren gleichzeitige gegenseitige Beeinflussung bestimmen, inwieweit das Ziel einer Optimierung des Ergebnisses er-reicht werden kann.

3.2.5 Beurteilung der Wertanalyse

Durch die Wertanalyse lassen sich Kostensenkungen und Leistungsverbesserungen von bis zu 50% erreichen. Die Wertanalyse hat sich über Jahrzehnte (seit 1947) in der Pra-xis bewährt. Das Ersparnispotenzial ist zumeist hoch, da überflüssige Funktionen (bzw. Funktionserfüllung) eines Produkts korrigiert, neue Lösungen gefunden und somit "un-nötige Kosten" eliminiert werden.

3.2.6 Probleme der Wertanalyse

Bei der Funktionenanalyse ist es wichtig, einen dem Untersuchungsobjekt und den Zielen angepassten Abstraktionsgrad zu erzielen. Ein zu geringer Grad verfehlt eventu-elle Innovationsmöglichkeiten. Ein zu hoher Grad bringt keine oder schwierig zu reali-sierende Ideen hervor, und ist zudem sehr kosten- und zeitintensiv. Die Teilnehmer für ein interdisziplinäres Team für einige Tage zusammenzubringen ist schwierig.

3.3 FMEA (nicht klausurrelevant)

Die FMEA [engl.: Failure Mode and Effects Analysis] ist eine Methode zur Analyse von Risikoabsicherung und Fehlerverhütung vor der Produktentstehung schon während der

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Konstruktions- und Produktionsphase. Im deutschsprachigem Raum ist sie auch unter den Bezeichnungen "Ausfalleffekt-Analyse" und "Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse" bekannt. Mit Hilfe der FMEA werden Ausfallarten aller Komponenten eines Systems und deren Auswirkungen auf das System untersucht. Ihre größte Verbreitung findet die FMEA in der Automobil- und Automobilzuliefer-Industrie, wird aber auch zunehmend in anderen Branchen angewandt. Inzwischen gehört die FMEA zu den am meisten eingesetzten und wirksamsten Methoden des Qualitätsmanagements. Wie ist es bei Ihnen im Unternehmen? Feststellung von Fehlfunktionen am Ende des Produk-tionsprozesses ["Leichenschau"] und teure Entsorgung von frisch produzierter Aus-schussware oder alles tip-top?

Fehler vermeiden statt beseitigen!

Das ständig steigende Sicherheitsbewusstsein der Kunden und die Verantwortung des Herstellers fordern im höchsten Maße abgesicherte Produkte. Um diesen Kundenbe-dürfnissen Rechnung zu tragen, sind Hersteller darauf angewiesen, ihren Prozess zur Risikoabsicherung ständig zu optimieren.

Mit der Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (auch Failure Mode and Effect Analy-sis, kurz FMEA genannt) ist ein Werkzeug vorhanden, das hilft, durch präventive Über-legungen Fehler in frühen Phasen der Produktentwicklung und Prozessplanung zu identifizieren und durch rechtzeitige Gegenmaßnahmen zu vermeiden. Die FMEA ist eine Methode, welche zuerst systematisch und kreativ nach möglichen Fehlern sucht, diese dann bezüglich der Auswirkungen bewertet und durch die Beschreibung von Ab-stellmaßnahmen verhindern hilft. Entwickelt wurde die FMEA bereits in den 60er Jah-ren von der NASA im Rahmen des Apollo-Projektes. Andere Industriezweige, wie z.B. die Atomwirtschaft und die Automobilindustrie, haben die FMEA aufgegriffen. Daher findet die FMEA mittlerweile eine breite Anwendung. In der QS 9000 sowie der VDA 6.1 wird die Anwendung der FMEA explizit von Lieferanten im Bereich der Automobil-industrie als vorbeugende Maßnahme gefordert.

Bei einem FMEA-Projekt, welches in fünf Stufen durchlaufen wird, werden alle kriti-schen Elemente innerhalb eines interdisziplinären, abteilungsübergreifenden Teams einer Analyse unterzogen. Damit ist sichergestellt, dass alle für eine fehlerfreie Pro-dukterstellung relevanten Aspekte berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck wird ein Strukturbaum mit Systemelementen erstellt, dem Funktionen und alle möglichen Fehl-funktionen bzw. Fehlerursachen zugewiesen werden. Anschließend werden diese Da-ten in ein Formblatt übertragen und einer Risikoanalyse unterzogen. Aufgrund der strukturierten Vorgehensweise der FMEA wird ein hoher Entdeckungsgrad von Fehlern und Risiken gewährleistet. Identifizierte Fehler und Risiken werden systematisch auf deren Ursachen und Auswirkungen hin analysiert und entsprechend definierter FMEA Kriterien mit einer RPZ-Kennzahl (Risikoprioritätszahl) bewertet. Die FMEA Bewer-tungskriterien und die RPZ-Kennzahlen ermöglichen es, die erkannten Fehler durch gezielte Vermeidungs- und Entdeckungsmaßnahmen zu minimieren und abzustellen. Somit werden aufgezeigte Fehler und Risiken beherrschbar gemacht, die Qualität von Produkten und Prozessen gesteigert und die Herstellkosten systematisch reduziert.

Je nach Aufgabenstellung lassen sich zwei FMEA-Arten unterscheiden:

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- System-FMEA Produkt und - System-FMEA Prozess.

Die System-FMEA Produkt entstand aus einem Zusammenschluss der Konstruktions- und der System-FMEA, um einen besseren Überblick über das Gesamtsystem zu ge-währleisten. Die System-FMEA Produkt beginnt in der Entwicklungsphase eines Pro-duktes und begleitet die Produktentwicklung bis hin zur Produktionsphase. Innerhalb ihres Einsatzgebietes beinhaltet die System-FMEA Produkt das Aufspüren von potenzi-ellen Fehlfunktionen mit ihren zugehörigen Ursachen und Folgen im Hinblick auf das Gesamtprodukt.

Aus der „alten" Prozess-FMEA entstand die System-FMEA Prozess, die im Wesentlichen die gleiche inhaltliche Vorgehensweise wie die System-FMEA Produkt aufweist. Der Schwerpunkt liegt hierbei in der weiterführenden Analyse der System-FMEA Produkt, um mögliche ungeplante Störfaktoren in der Herstellungskette offenzulegen. Dabei wird eine logische Struktur der Fehlerbetrachtung, beginnend mit der System-FMEA Produkt aufgebaut. Die Gliederung wird stufenweise von dem Produktionssystem über einzelne Prozessschritte bis in die Auslegungsdaten von Fertigungseinrichtungen auf-geschlüsselt, und alle denkbaren Ursachen für eine Fehlfunktion zu identifizieren.

Das Einsatzspektrum der FMEA erstreckt sich von der Entwicklung über den Produkti-onsbeginn bis in die Produktion. um objektive und subjektive Kundenqualität mit mög-lichst wenigen Fehlern zu erreichen. Weiterhin kann die FMEA

• zur Erhöhung Funktionssicherheit und Zuverlässigkeit, • zur Reduzierung von Fehlerkosten (Nacharbeit. Garantie. Kulanz), • zur Steigerung der Produktqualität und Prozesssicherheit, • zur Verbesserung der Termintreue, • zur Erhöhung der Rechtssicherheit in Produkthaftungsfällen und • zur Förderung des Kommunikationsflussen in der Team und Projekt arbeit so-

wie den erforderlichen Wissenstransfer im Unternehmen

herangezogen werden.

Target Costing ist ein aus Japan stammendes Kostenmanagementkonzept, das 1956 von Unternehmen wie NEC, Sony, Nissan und Toyota entwickelt wurde. Es findet sei-nen Einsatz in der frühen Phase der Produkt- und Prozessgestaltung und ermittelt auf Basis eines wettbewerbfähigen Marktpreises und der angestrebten Gewinnspanne die maximal zulässigen Kosten, die ein Produkt verursachen darf. In die Kostenbetrachtung fließen nicht nur die Entwicklungskosten, sondern auch die Produktion- und Service-kosten mit ein, um die Kostenstruktur frühzeitig im Hinblick auf die Markt- und Kun-denanforderungen beeinflussen zu können. Daher wendet das Target Costing im Ge-gensatz zu herkömmlichen Methoden ein Top-Down Verfahren zur Kostenermittlung an. Allerdings kann die Zielkostenrechnung innerhalb des Innovationscontrollings nur begrenzt angewendet werden, da weder vergleichbare Produkte und Technologien noch Aussagen potentieller Kunden existieren (vgl. Vahs/Burmester 2005, S. 287 f.).

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Ausgangspunkt beim Target Costing ist nicht die Frage „Was wird ein Produkt kosten?" sondern „Was darf

Das System des Target Costing ist kein einzelnes Instrument sondern ein Bündel von Methoden und Tools zur Zielkostenbestimmung, -spaltung und -erreichung. Es zielt auf eine Kostengestaltung schon in den frühen Entwicklungsphasen eines neuen Produk-tes. Dabei werden alle am Produktentstehungsprozess beteiligten Bereiche mit einge-bunden. Die Durchführung kann wie folgt geschehen:

ein Produkt kosten?". In anderen Worten: Die zulässigen Kosten für ein bestimmtes Produkt werden aus dem Markt heraus abgeleitet, indem man von dem Preis ausgeht, den ein Kunde für dieses Produkt zu zahlen bereit ist (Target Price). Nach Abzug einer Zielrendite (Target Profit) gelangt man zu den vom Markt erlaubten Kosten (Target Costs). Die Kostenplanung läuft ex ante parallel zur Produktplanung und setzt auf dem von der Marktforschung ermittelten Preis bzw. auf einem Benchmarkpreis auf (Als-ob-Einkaufspreis). Haben Sie Ihre Kosten im Griff? Wie kalku-lieren Sie? Wissen Sie erst bei Erscheinen des Produkts, was es kosten muß oder haben Sie im Vorfeld eruiert, was es kosten darf?

1. Marktanalyse Mit Hilfe einer Marktanalyse wird festgelegt: Welcher Preis kann mit dem Produkt, der Dienstleistung am Markt erzielt werden? Welche Produktmerkmale sind für den Kun-den wichtig, begeistern ihn oder unterscheiden unser Produkt vom Mitbewerb? 2. Bestimmung der Zielkosten: Aus den Erkenntnissen der Marktanalyse werden die Zielkosten bestimmt: Wie hoch sind der Zielpreis, die Gewinnspanne und die daraus resultierenden zulässigen Kosten? Dabei legen die Zielkosten minus der angestrebten Gewinnspanne die zulässigen Kos-ten des Produktes fest. Zielkosten und Gewinnspanne sind unveränderbare Faktoren beim Target Costing. Veränderbar in der Produktentwicklung sind nur die zulässigen Kosten. 3. Verteilung der zulässigen Kosten Durch die Ermittlung der heutigen Prozentanteile der Bauteile, kann rein rechnerisch der Anteil und die Summe der neuen Prozentanteile ermittelt werden. Diese Betrach-tung wird durch den Kundenfokus ergänzt. Das Ziel ist die Einteilung der Bauteile in 3 Gruppen: • Gruppe a: Bauteile, die wichtig für den Kunden sind und die den Kunden begeis-

tern. • Gruppe b: Bauteile, die zu einer Differenzierung zum Mitbewerb beitragen. • Gruppe c: Bauteile, die von den Kunden nicht beachtet werden.

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4.1 TRIZ

Ingenieure können das! Den Spruch kennen Sie - aber nicht alle verfügen von Geburt an über die Fähigkeiten eines William Edward Boeing, Alexandre Gustave Eiffel, Charles Nelson Goodyear, Gottlieb Daimler, Karlheinz Brandenburg, Robert Bosch oder gar Leonardo da Vinci. Innovationen fallen nicht vom Himmel, geschweige denn sind sie ausschließlich das Resultat eines zufälligen Geistesblitzes. Erfinderisches Denken und erfolgreiches Problemlösen kann man lernen und Unternehmer sollten diese Ressour-cen entwickeln! TRIZ hilft Wer bisher glaubte, dass man entweder als „Genie“ geboren wird oder dass man sich damit abfinden muss, eben nicht zu den wenigen genialen Erfindern und Problemlösern zu gehören, der wird nachfolgend leider enttäuscht werden! Konzerne wie Samsung, Boeing, Siemens, DaimlerChrysler, Motorola, Intel oder der „Pampers“-Hersteller Procter & Gamble haben es schon längst erkannt: Innovationen fallen nicht vom Himmel, geschweige denn sind sie ausschließlich das Resultat eines zufälligen Geistesblitzes. Erfinderisches Denken und erfolgreiches Problemlösen kann man ler-nen! Vor 50 Jahren erkannte ein russischer Patentingenieur, dass Technik sich nicht einfach zufällig weiterentwickelt, sondern dass zur Überwindung von scheinbar unlösbaren Problemen immer wieder die gleichen, teilweise sehr einfachen Prinzipien und Verfah-ren angewendet werden. Was die genialen Tüftler unbewusst machen, steht in Form der TRIZ-Methodik [TRIZ ist das russische Akronym für теория решения изобретательских задач = Teoria reshenija izobretatjelskich zadacz], der „Theorie des erfinderischen Problemlösens“, heute jedem zur Verfügung, der seine Fähigkeit zum erfinderischen Denken schulen, ausbilden und verfeinern will. Oben genannte Konzer-ne beschäftigen sich daher schon lange damit, wie sie ihre Mitarbeiter zu besseren Innovatoren machen können, doch auch kleine Betriebe erkennen zunehmend das Potential, das sich hinter den TRIZ-Werkzeugen verbirgt. Die Wurzeln von TRIZ liegen in einer umfassenden und über Jahre hinweg durchge-führten Analyse von tausenden von Patentschriften. Ausgehend von der Frage „Wie gehen erfolgreiche Erfinder vor?“ haben der russische Patentingenieur Genrich S. Altshuller und seine Kollegen hochwertige Erfindungen in Form von Patentschriften untersucht und dabei festgestellt, dass sowohl Problemstellungen als auch Lösungsver-fahren über Branchengrenzen hinweg immer wieder in ähnlicher Form auftreten. Eine Art von immer wieder auftretenden schwierigen Problemstellungen bilden dabei die sogenannten Widersprüche: Wie kann beispielsweise ein Fahrzeug schneller gemacht werden, ohne dass dabei automatisch auch der Spritverbrauch steigt? Eine solche Auf-gabenstellung basiert auf allgemeinen Eigenschaften, die bei vielen technischen Sys-temen immer wieder zu Konfliktsituationen führen: Die Geschwindigkeit soll verbes-sert werden, ohne dass dadurch der nergieverbrauch schlechter wird. Eine solche ver-allgemeinerte Problemstellung wird laut TRIZ immer wieder mit Hilfe der gleichen all-gemeinen Lösungsprinzipien gelöst. Eines der anwendbaren Lösungsprinzipien lautet

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beispielsweise das Prinzip der „Gegenmasse“, das dazu anregt, Auftriebseffekte durch Wechselwirkung mit einem umgebenden Medium zu nutzen. Ein Verfahren, das bei Wasserfahrzeugen beispielsweise zur Entwicklung von Tragflächenbooten geführt hat, die trotz höherer Geschwindigkeiten weniger Treibstoff verbrauchen. Weitere Werkzeuge von TRIZ basieren auf der Erkenntnis, dass sich technische Syste-me in Richtung zunehmender Idealität entwickeln. In diesem Sinne sollten also Verfah-ren zur Anwendung kommen, die die nützlichen Eigenschaften und Funktionen eines Produktes verstärken bzw. die schädlichen „Nebenwirkungen“ vermindern oder elimi-nieren. Die Arbeitsweise, die bei TRIZ zur Anwendung kommt, verkörpert eine effektive Ver-knüpfung von Systematik und Kreativität. An die analytische Betrachtung der Aufgabe unter Berücksichtigung der Randbedingungen und Anforderungen schließt sich die Identifikation und Abstraktion der in der Aufgabe enthaltenen Problemstellungen an. Die Ideenfindung folgt anschließend den Regeln eines klassischen Brainstormings, wo-bei allerdings das best-practice-Wissen von TRIZ in den Ideenfindungsprozess einge-bracht wird. Dieses „geführte“ oder „gerichtete“ Brainstorming hat den Vorteil, dass man nicht allein auf die Geistesblitze und Erfahrungen der Teilnehmer angewiesen ist. Mit TRIZ nutzt man das umfangreiche Wissen von tausenden von genialen Erfindungen und Problemlösungen, die das Denken und die Kreativität anregen und in die „richtige“ Richtung lenken. Obwohl die Grundlage von TRIZ im technischen Bereich liegt, ließ sich die Anwendbar-keit der Methode auch auf vielen nicht-technischen Sektoren nachweisen. TRIZ wurde zum Beispiel auf organisatorische Prozesse, in der Werbung, im künstlerischen Bereich und sogar bei politischen Kampagnen mit großem Erfolg angewendet. Damit zeigt sich, dass die Erkenntnisse der TRIZ-Methodik so grundlegend formuliert sind, dass sie gleichsam als Grundmuster für erfinderisches Denken angesehen werden können. Die-se Denkstrukturen helfen nicht nur im technischen Bereich, sondern lassen sich überall dort anwenden, wo Probleme gelöst und neue Wege beschritten werden müssen. Anwendung findet TRIZ vor allem dann, wenn keine offensichtlichen Lösungen erkenn-bar sind oder eine Lösung ohne Kompromisse erwünscht ist. Zum Einsatz der TRIZ Werkzeuge ist allerdings die Offenheit für neue Denk- und Vorgehensweisen zwingend erforderlich. Durch die Abstraktion der Aufgabenstellung und die Anwendung von standardisierten Lösungsverfahren sind neue innovative Lösungen auf systematischem Wege erzielbar. Dazu ist jedoch eine gewisse Erfahrung im Umgang mit den einzelnen TRIZWerkzeugen, die Kenntnis ihrer Stärken und Schwächen sowie ihrer In- und Out-puts notwendig. Eine geschickte Verbindung der einzelnen Werkzeuge zu einer effekti-ven Problemlösungsstrategie eröffnet einen Lösungsraum, innerhalb dessen Innovati-onen mit wesentlich höherer Treffergenauigkeit erzeugt werden können.

4.2 Kundenintegration und Lead UserKonzepte

Viele gescheiterte Innovationen sind auf sog. „Overengineering“ zurückzuführen. Es wird ein Produkt entwickelt, das eine höhere Funktionalität und Qualität aufweist, für

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die die Kunden aber nicht bereit sind, zu zahlen. Andererseits ist auch die Begrenztheit der Kundensicht insbesondere mit Blick auf radikale Innovationen zu sehen. Henry Ford soll einmal gesagt haben: Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wollen, wäre bestenfalls ein schnelleres Pferd herausgekommen.“ Produktplanungsprozesse basieren auf Unsicherheiten. Wer hätte z. B. vor 20 Jahren gedacht, dass das Zusammenfügen von Elektronik und Fotokamera zum Boomprodukt Digitale Fotographie bzw. Digitalkamera führt. Polaroid hat dies jedenfalls offenkundig völlig verkannt. Ebenso waren wenig vorhersehbar waren die Entwicklungen des Com-puters im Allgemeinen oder der Mobiltelefone oder z. B. der inzwischen für viele nicht mehr wegzudenkenden Mobilfunk-Anwendung sms. Unsicherheiten machen Produkt-innovationen schwer einschätzbar und schlecht planbar. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Produktentwicklung ist die Erkenntnis, dass sich wissensbasierte Systeme - und um ein solches handelt es sich bei Innovationen - nur entwickeln können, wenn sie offen sind. Nur in offenen Systemen können innovative Produkte entstehen. Die Er-gebnisse von Innovationsprozessen haben eine systemische Wirkung, denn jede Ver-änderung in der Wissensbasis bewirkt eine Veränderung des Systems. Innovationen sind- wie auch schon Schumpeter dies erkannte – eine ruhe loses System der schöpfe-rischen Zerstörung. Alles ist in Bewegung („alles fließt“ – wie Sokrates es sagte) und ein Gleichgewicht der Ruhe oder des Stillstands kann es in einer wissensbasierten Wirt-schaft und Gesellschaft nicht geben. Der Produktentwicklungsprozess - und damit auch die Produktplanung - sollten als interaktive Prozesse verstanden werden, die aus dem Austausch und der Interpretati-on von Wissen zwischen Individuen bzw. der Organisationen, in denen diese handeln, bestehen. Produktinnovationen sollten in erster Linie als kommunikative Prozesse - und nicht als technische - verstanden werden. In der Produktinnovation geht es ums Experimentieren und Entdecken mit unsicherem Ausgang. Es gibt eigentlich nur zwei Wege, wie Unternehmen auf diese Herausforderung antworten können und die Unsi-cherheit reduzieren können: erstens, nichts tun – dies reduziert zwar die Unsicherheit, bedeutet meistens aber die sichere Krise für das Unternehmen oder zweitens sich auf Innovationen einlassen und die kommunikativen und interactiven Prozesse reflektieren und gestalten. Begreift man Produktinnovation als offenes System, erkennt man, dass vor allem ers-tens die Kunden und zweitens die Marktprozesse, in die das Unternehmen eingebun-den ist, in den Innovationsprozess und insbesondere in die Planung zu integrieren sind. Nur die Kunden und Nutzer entscheiden über die Marktakzeptanz und den realisierten Absatz der Produkte. Aber auch die Marktprozesse sind entscheidend dafür, ob sich eine Produktinnovation im Nachhinein als profitabel oder unwirtschaftlich herausstellt. Es gibt eine Vielzahl an Methoden, die im Rahmen der Kundenintegration eingesetzt werden können: z. B. Remote Testing, Participatory Design, Out of the Box Tests, User Experience Tests und Unsability Labs, Communities of Practice, Rapid Prototyping, Tie-feninterviews, die Kano-Methode oder das bereits in Abschnitt 3.1 vorgestellte QFD oder die in Abschnitt 3.4 behandelte Conjoint Methode – um nur einige Beispiel zu nennen. Neben den Methoden, systematischen Prozessen und Strukturen als ´Hardfacts´ in der Produktplanung sollte in offenen Produktinnovationssystemen auch

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die weiche Seite der Organisation, d. h. die Werte und die Innovationskultur, als men-tales System Berücksichtigung finden. Allerdings wird immer ein Rest an Zufall und Unsicherheit bei Produktinnovationen bestehen bleiben. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Produktinnovation als offenes System zu begreifen ist und daher die Kommunikation und Interaktion sowohl im eigenen System als auch mit anderen Sys-temen für den Erfolg wichtig ist. Viele Flops, wie die Trennung von Primärkunden (Deutsche Bank Kunden) und Sekundärkunden (Bank 24) bei der Deutschen Bank, oder die Einführung von neuen Ticketstrukturen analog zu Flugtickets bei der Deutschen Bahn AG, die letzt endlich zurückgenommen werden mussten und insbesondere aus eine mangelhaften externen Kommunikation entstanden, zeugen von der Wichtigkeit der Kommunikation und Interaktion im Rahmen des Produktinnovationsprozesses. Während Großunternehmen diese Flops meist noch unter Hinnahme schlechter wirt-schaftlicher Ergebnisse hinnehmen können, führen sie bei KMU oft zum ökonomischen Aus. Bei der Suche nach Kundenbedürfnissen bedienen sich Unternehmen oft naheliegen-der Quellen, wie der Mitarbeiterideen z. B. aus dem betrieblichen Vorschlagswesen oder aus internen Workshops, aus Reklamationsstatistiken oder aus Kundenzufrieden-heitsbefragungen. Das Unternehmen schafft sich ein Bild von den Kunden, von den gewünschten Leistungen und vom Kundennutzen. Allerdings muss der tatsächlich wahrgenommene Kundennutzen nicht mit der Sicht der Akteure im Unternehmen übereinstimmen. Begeistert eine blinkende Frequenzanzeige an der Musikanlage oder bunte, animierte Webseiten die Kunden z. B. tatsächlich oder nur die Entwickler und Webdesigner. Nutzenbewertungen direkt durch die Kunden geben zuverlässiger Aus-kunft über die Zukunftsfähigkeit von Produktinnovationen und sollten daher einen wesentlichen Bestandteil der Produktplanung ausmachen.

4.2.1 Kundennutzen

Kundennutzen können hinsichtlich des Gebrauchsnutzens und des Markennutzens unterschieden werden. Markennutzen orientiert sich an der Wirkung eines Produkts durch dessen Image, Herkunft, Name, Design usw. und wird durch die Leitmotive menschlichen Handelns geprägt. Gebrauchsnutzen dagegen hängt mit der physischen Brauchbarkeit eines Produktes zusammen. Markennutzen erweitert, stabilisiert und ergänzt den Gebrauchsnutzen eines Produktes. Eine Marke bildet sich in der Interakti-on mit Kunden. Es kann nur mit von Kunden zugesprochener und jeweils bestätigter Produktqualität geschaffen und aufrechterhalten werden. Es ist quasi ein Qualitätsver-sprechen an Kunden und bürgt auch bei der Produktneueinführung für die Einhaltung bestimmter Nutzenbedürfnisse. Markennutzen kann nur auf der Grundlage von Gebrauchsnutzen entstehen und Ge-brauchsnutzen und Markennutzen korrelieren miteinander. Einem Produkt individuell zugesprochener Gebrauchsnutzen kann z.B. in Kundenworkshops, in denen die Funkti-onalität des Produktes für bestimmte Menschen in bestimmten Situationen getestet werden, ermittelt werden. Je bedeutender die technischen Funktionen für die gesamte Wertigkeit eines Produktes sind, um so wichtiger ist in der Regel die Funktionalität. Während bei einem Parfüm die Marke wichtiger als die Funktionalität z.B. des Ver-

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schlusses ist, wird bei einem Feuerlöscher oder einem Videorecorder in der Regel die Funktionalität dominieren. Bei einem Auto hingegen sind Marke und Funktionalität in etwa gleichgewichtig. Mit verschiedenen Methoden der Kunden- und Nutzerintegration werden tatsächliche und potenzielle Kunden und Nutzer in den Prozess der Produktinnovation integriert. Ziel ist es, kunden- und nutzenfreundliche Produkte und Lösungen zu generieren sowie die Akzeptanz der Produktinnovation sicherzustellen. Implizite Annahme dieser Me-thoden ist, dass die wichtigen Informationen nicht (allein) auf analytischen Wege oder durch Befragung der Kunden und Nutzer gewonnen werden können, da das konkrete Kaufverhalten und die Produktbewertung durch die Kunden im Wesentlichen unbe-wusst abläuft. Die Methoden konzentrieren sich daher auf Beobachtung konkreten Verhaltens und versuchen daraus Nachfragemuster zu entwickeln.

4.2.2 Kano-Modell

Die Kano-Analyse leistet für das Verständnis und Steigerung der Kundenzufriedenheit wertvol-le Dienste. Der nach dem Japaner Noritaki Kano benannten Qualitätstechnik liegt die Annahme zugrunde, das Ausmaß der Kundenzufriedenheit zu erklären. Die Forderungen der Kunden an die Leistung werden nach Grund-, Leistungs- und Begeisterungsforderungen unterschieden (s. Abbildung):

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5. Grundforderungen (Must be): Grundforderungen verkörpern Kriterien, die ein Produkt unbedingt erfüllen muss. Entspricht die angebotene Leistung nicht diesen Ansprüchen, ist der Kunde unzufrieden. Sieht der Empfänger der Leistung seine Erwartungen hinge-gen als erfüllt an, bekundet er keine Zufriedenheit, er ist lediglich mit dem erworbenen Produkt nicht unzufrieden.

6. Leistungsforderungen (One-dimensional): Bei Leistungsforderungen verhält sich die Zufriedenheit proportional zum Erfüllungsgrad. Je höher der Erfüllungsgrad, umso hö-her die Zufriedenheit und umgekehrt. Leistungsforderungen werden in der Regel vom Kunden ausdrücklich verlangt.

7. Begeisterungsforderungen (Attractive): Begeisterungsforderungen sind jene Produkt-kriterien, welche den höchsten Einfluss auf die Zufriedenheit mit einem Produkt ha-ben. Sie werden vom Kunden nicht explizit formuliert und auch nicht erwartet. Eine Er-füllung dieser Forderungen führt zu überproportionaler Kundenzufriedenheit. Werden diese Forderungen nicht erfüllt, entsteht aber auch kein Gefühl der Unzufriedenheit.

Das Ausmaß der Kundenzufriedenheit hängt nicht linear mit dem Erfüllungsgrad zusammen, sondern ist von den genannten drei Faktoren ab. Was Kunden als Grund-, Leistungs-, oder Be-geisterungsforderungen betrachten, hängt wesentlich von ihren jeweiligen persönlichen Präfe-renzen ab und unterscheidet sich daher häufig von Kunde zu Kunde. Der Zusammenhang zwi-schen der Erfüllung der Kundenforderungen und der Kundenzufriedenheit wird auch als be-wegliches Ziel verstanden: Geht es darum, die selbstverständlichen Erwartungen (Grundforde-rungen) oder explizit geäußerten Wünsche (Leistungsforderungen) oder außer-gewöhnlichen - oftmals gar nicht bekannten - Wünsche (Begeisterungseigenschaften) als Qualitätsforderung wirksam werden zu lassen, so sind jeweils andere oder zusätzliche Qualitätsmerkmale auszu-wählen und zu kombinieren, um die je spezifischen Kundenerwartungen zu treffen. Die Vorteile der Klassifizierung von Kundenforderungen entsprechend dem Kano-Modell liegen auf der Hand: Besseres Verständnis der Produktforderungen; aus der Klassifizierung der Pro-duktforderungen in Grund-, Leistungs- und Begeisterungsforderungen können Prioritäten für die Produktentwicklung abgeleitet werden. Durch Verwendung des Kano-Modells wird insbe-sondere die Wichtigkeit einzelner Qualitätsmerkmale für die Zufriedenheit des Kunden ermit-telt und ist deshalb eine optimale Voraussetzung für die Gestaltung von kundenorientierten Prozessen.

4.2.3 Lead User und Lead User Konzepte (wird in diesem Script nicht weiter ausgeführt, da ausreichende Texte zu diesen Aspek-ten aus Herstatt u.a. während der Veranstaltung vorgestellt wurden)