ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener...

8
ALT FUSSEN Jahrbuch des Historischen Vereins »Alt Füssen« 1992 Herausgeber: Historischer Verein „Alt Füssen“ e.V., Schriftleitung: Reinhold Böhm, Füssen

Transcript of ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener...

Page 1: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

ALT FUSSENJahrbuch des Historischen Vereins »Alt Füssen«

1992

Herausgeber: Historischer Verein „Alt Füssen“ e.V., Schriftleitung: Reinhold Böhm, Füssen

Page 2: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

ISSN 0939-2467Copyright 1993 Historischer Verein Alt Füssen e.V.Alle Rechte VorbehaltenGesamtherstellung: Allgäuer Zeitungsverlag G m bH, Kempten

Page 3: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

Libri sancti MagniDie Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter

Von Dr. G ünter Hägele, Augsburg

V ortrag anläßlich der E röffnung der A usstellung „K lösterliche B uchm alerei: Von der H an d sch rif t zum Faksim ile“ im M useum d e r S tadt Füssen am 8. A p ril 1992. D ie V ortragsform w urde bei­behalten , auf A nm erkungen verz ich tet

1. Klösterliche Gem einschaft und Bibliothek

Claustrum sine arm ario quasi castrum sine armamenta- rio — ein K loster ohne Bibliothek ist wie eine Burg ohne Waffenkammer, so lautet ein vielzitierter Satz eines Mönchs aus dem 11. Jahrhundert. In der Tat finden wir im Mittelalter zum indest seit dem 8. Jahrhundert kein noch so kleines Kloster, in dem nicht wenigstens ein G rundbe­stand an Büchern vorhanden gewesen wäre. N icht um­sonst wird das Christentum eine Religion des Wortes genannt und dam it auch eine Religion des Buches.

Einen klösterlichen Grundbestand an Büchern setzten seit der Spätantike alle Mönchsregeln als selbstverständ­lich voraus, gehörte doch das Buch zu den Grundlagen der mönchischen Lebensordnung. D as Beten und Lesen in und aus Büchern bestimmte weitgehend den Tagesablauf im Kloster. Die zu Beginn des sechsten Jahrhunderts nieder­geschriebene Regel des heiligen Benedikt von N ursia, des Begründers des abendländischen Mönchstum s, kennt die gottesdienstliche Schriftlesung, die gemeinsame Lesung der Brüder bei Tisch und die private Lesung des einzelnen Mönches. Zur privaten Lesung etwa heißt es in der Bene­diktsregel ganz lapidar:

„Vom v ierzehn ten Sep tem ber bis zum Beginn der Fastenzeit sollen die B rüder sich bis zum Ende d e r zw eiten Stunde m it der Lesung beschäftigen . . . N ach T isch so llen sie sich m it Lesungen und Psalm en beschäftigen . . . ln den Tagen d e r Fastenzeit sollen sich die B rüder vom frühen M orgen bis zum E nde der d ritten Stunde m it Lesungen beschäftigen. F ü r diese Tage der Fastenzeit e rhalte jeder aus der B iblio thek e in B uch, das e r von A nfang bis Ende ganz lesen so ll.“

Bücherlesen ist hier lectio divina, Lesung des göttlichen Wortes, eine fromme Pflicht, die der Erbauung und dem H eil der Seele dient, und bei Benedikt ursprünglich nicht mit wissenschaftlichem Studium gleichzusetzen. Die für Erbauung und Meditation nötigen Bücher setzt die Regel stillschweigend voraus, ohne ein Wort über ihre H erstel­lung oder gar über eine Schreibtätigkeit der Mönche zu verlieren. Trotzdem hat man natürlich schon in der Früh­zeit des benediktinischen M önchstum s die für Lesung und Liturgie nötigen Bücher selbst geschrieben; dazu waren die Mönche schon infolge des Zusammenbruchs des hochste­henden spätantiken Buchwesens gezwungen. U ber diese Grundversorgung hinaus aber lag der Benediktsregel der Gedanke fern, aus dem M önchsstand einen schreibenden und studierenden Gelehrtenstand zu machen. D as über­rascht uns heute vielleicht auf den ersten Blick, die wir doch die herausragenden Leistungen der mittelalterlichen Benediktinerklöster und ihrer Schreibstuben kennen und in der Füssener Ausstellung in Auswahl auch bewundern dürfen. D ie eigentlichen Wurzeln des klösterlichen Buch­wesens liegen jedoch ursprünglich nicht bei den Benedik­tinern, sondern bei anderen Vertretern des frühen abend­ländischen M önchtums, etwa bei M artin von Tours, bei

Caesarius von Arles oder bei Cassiodor, dem Kanzler des Gotenkönigs Theoderich. Cassiodor, der Mitte des sech­sten Jahrhunderts nach dem Rückzug von seinen Staats­ämtern in Unteritalien das Kloster Vivarium gegründet hatte, bejahte ausdrücklich den indirekten religiösen Wert von Studium und Wissenschaft; er setzte an die Stelle der im Kloster üblichen Handarbeiten das Abschreiben und Übersetzen und schrieb für die Mönche seines Klosters ausdrücklich das Studium theologischer u n d profaner Autoren vor. Cassiodors Überzeugung, daß das Studium der antiken profanen Wissenschaften die unentbehrliche Grundlage für das Verständnis der heiligen Schrift bilde, setzte sich im achten Jahrhundert auch in den Benedikti­nerklöstern durch. Das aber war gerade zu der Zeit, als sich das Benediktinertum als d ie Form des Mönchslebens in Europa schlechthin durchsetzte und die frühmittelalter­liche Klosterkultur zum Grundpfeiler der sogenannten „karolingischen Renaissance“ wurde. Erst jetzt wurden die Klosterbibliotheken für Jahrhunderte zur wichtigsten Bibliotheksform in Europa überhaupt, neben denen ei­gentlich nur noch den Kathedralbibliotheken eine gewisse Bedeutung zukam. Schreiben galt jetzt auch bei den Bene-

£ 6 N I Y

I3 E6 0o J U a S v »

XIM8 *

t o t ciipif rT UTf ipÜrirr iU m m tf CUttefJ nr ci \nxfm clU -ttic uearW xritim am noinq;cunctJ Jo an ru ''b ic onio Ju n n u fW ip caftimmj um . Hoc boicditniffunrivurtirtftt (kcniuoUwncn. riiifty m jm luirr tu>c ftnund.i JlumrjifilmplKiv qd'öm nliif jrpi nimtftmj; mupftn LlirnfVpuf ppaqjiiitr in omC u r tm m mcrccf*lurvcf; trux> ncr itinrmum.1n j c p i n o m in r inciprt

T lo q T ifrc t jv V C/flTlU bcat»

' . i ' y c * ' '

h :.

e f i JL i ; p s &C--Q rtJ5T

Ttuv.S'jm m onm onc p i lpumCübm vor cKipc .«'cfTk.icrtrr fomptr-iir -uleum gobf-

/i ilieriiif Lilvrt rnierf-ujuii [tmobplicnnfmtfrajf.Kikcav/> nuwWftrmodirujiturquif qmf oUrmuntijnfpprilftwluptHH»;. Jno xvo um> rrapm ü taa tm f'r ttfd itT m f ftirfiftlmj Jäf: pcLua j m u iit «jiiietfiiiJ j g mail in«*Huf bunii-Jtwo {JfVt infkintlfliiru «tanon t Jrpeftuf-üt ifu ino fiam mfUioe-Jupurtiffrt-

* i

Cod. I. 2. 2 ° 9, 40r Kapiteloffiziumsbuch aus St. Mang, Be­ginn der Benediktsregel. Süddeutschland (Füssen f), Mitte12. Jahrhundert.

Page 4: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

diktinern als ein officium divinum, als Gottes-Dienst, der Verkündigung des Wortes Gottes ebenbürtig, gemäß dem Wort des hl. Hieronymus: Bücher zu schreiben heißt mit der Hände Arbeit der Seele Nahrung zu bereiten. Zu schrei­ben hieß gute Werke tun, wie das Beispiel eines sehr leicht­sinnigen und sündhaften Klosterbruders zeigt. Von ihm erzählt die Legende, er habe einmal aus freien Stücken ei­nen ganz enormen Folianten geistlichen Inhalts geschrie­ben. A ls der Mönch starb, forderte der Teufel seinen Tri­but, die Engel aber brachten dieses große Buch, von dem jeder Buchstabe eine Sünde aufwiegen konnte. Und siehe da: Es war zum Schluß ein Buchstabe übrig und der Bru­der damit vor der ewigen Verderbnis gerettet.

2. Die frühe Bibliotheksgeschichte des Klosters St. Mang

Bereits Ende des 9. Jahrhunderts bestanden allein in Mitteleuropa mehr als 150 Benediktinerklöster, die alle­samt Bibliotheken besessen haben. Ganz besondere Be­deutung kam diesen Klosterbibliotheken verständlicher­weise in den neubekehrten Ländern zu: Hier mußten die Mönche nicht nur für ihre eigenen Bücher sorgen, sondern auch dafür, daß die Klosterschüler überhaupt erst einmal lesen, schreiben und das Lateinische lernten.

In ein solches Gebiet, das noch stark mit Resten des Heidentums durchsetzt war, kamen um die Mitte des 8. Jahrhunderts zwei Mönche aus dem Kloster St. Gallen. Theodor und Magnus sollten die Christianisierung in die­sem Raum vorantreiben, der erst wenige Jahre vorher dem fränkischen Reichsverband eingegliedert worden war. Die St. Galler Mönche folgten damit einer Bitte des Bischofs Wikpert von Augsburg, der seinen Bischofssitz unweit von Füssen in Epfach am Lech hatte. Vorrangiges Ziel des Bi­schofs in der von Kriegen und Kriegsfolgen heimgesuchten Gegend war der Aufbau einer kirchlichen Organisation. In seinem Bistum gab es nämlich noch kein Kloster wie im benachbarten Bistum mit St. Gallen oder mit dem Insel­kloster auf der Reichenau, geschweige denn Pfarreien oder Seelsorgestellen. Um dieses im frühen 8. Jahrhundert noch mit heidnischen Resten durchsetzte Christentum zu festi­gen, bedurfte es der Errichtung von Kirchen und Kapellen, des Aufbaus einer Pfarrorganisation, der Glaubensunter­weisung der Bevölkerung sowie der Erziehung und Ausbil­dung geistlichen Nachwuchses.

Leider liegt diese frühe Phase der Füssener Klosterge­schichte fast völlig im Dunkeln; nur mühsam läßt sich aus der legendenhaft ausgeschmückten Vita sancti Magni ein historischer Kern herausschälen. Demnach blieb Theodor, der Begleiter des Magnus, in Kempten zurück, um dort ein Kloster zu errichten, Magnus selbst aber gründete um die Mitte des 8. Jahrhunderts in Füssen eine Zelle, die wahr­scheinlich alsbald nach seinem Tod zerstört wurde. Erst etwa 100 Jahre später ging aus der wiederbelebten Zelle die Abtei St. Mang hervor. Noch mehr im Dunkeln liegt die frühe Bibliotheksgeschichte St. Mangs, denn in die Zeit des hl. Magnus reicht mit Sicherheit kein Handschriften­rest zurück. Erst im 9. Jahrhundert, also nach der Wieder­errichtung der Zelle, beginnen die schriftlichen Quellen zu fließen. Ältester und ehrwürdigster erhaltener Zeuge der Füssener Klosterbibliothek ist eine Benediktsregel aus der Zeit um 800; sie gehörte sicher zur Grundausstattung des Klosters und ist eine der ältesten Handschriften mit dem Regeltext überhaupt. Geschrieben wurde diese Hand­schrift freilich nicht im Magnus-Kloster, sondern im nahegelegenen Benediktbeuern. Da es im Frühmittelalter eine häufig geübte Praxis war, daß Mönche bei der Beset­zung eines neugegründeten Klosters aus ihrem Mutterklo-

Cod. I. 2. 2 ° 13, l v Honorius Augustodunensis, Opera ex egetica. Süddeutschland, 12.113. Jahrhundert.

ster Handschriften mitbrachten, können wir vermuten, daß Benediktbeurer Mönche bei der Neubesetzung von St. Mang beteiligt waren. Zum Mutterkloster in St. G al­len, von wo der hl. Magnus ausgezogen war, scheinen die Beziehungen nie ganz abgerissen zu sein; einen Beweis für fortdauernde Beziehungen kann man in der sanktgalli- schen Schrift eines Codex mit den Moralia Papst Gregors des Großen sehen, einem Kompendium der Morallehre, das durch das ganze Mittelalter hindurch immer wieder abgeschrieben wurde. Auch von St. Gallen, wo die Erinne­rung an Magnus nicht abgebrochen war, mögen also bei der Neubesetzung Mönche gekommen sein. Im Falle Kemptens, wo die Theodorsche Gründung ebenfalls ur­sprünglich keinen langen Bestand hatte, berichtet uns Ver­gleichbares Hermann der Lahme von der Reichenau. Wei­tere Texte hat man sich in der Frühzeit aus dem Kloster Tegernsee verschafft, das ein besonders leistungsfähiges Skriptorium besaß. Den Text einer solchen Tegernseer Handschrift hat man in Füssen im 12. Jahrhundert abge­schabt und das Pergament mit einem neuen Text beschrie­ben, um Material zu sparen. Pergament war ein sehr kost­spieliger Beschreibstoff, für eine großformatige Pracht­handschrift wurden im Einzelfall mehrere hundert Schafhäute benötigt. Glücklicherweise lassen sich solche getilgten Texte mit modernen photographischen Metho­den entziffern; die Kenntnis etlicher Klassiker, etwa Texte Ciceros und Livius, verdanken wir solchen andernorts ab­geschabten und wiederbeschriebenen Handschriften.

Selbst geschrieben haben die Füssener Mönche in dieser Frühzeit wohl nur wenig, und wenn, dann hat man sicher nur abgeschrieben, wie sich ja überhaupt die Tätigkeit der Skriptorien im Mittelalter zumeist in der Erneuerung überlieferter Texte und weniger in der Niederschrift neuer Schriftwerke vollzog. Im Früh- und Hochmittelalter han­delt es sich in erster Linie um Weitergabe und Zusammen­fassung, nicht um Vermehrung des Wissens, und zurecht

Page 5: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

hat man von daher das Mittelalter als ein V e r mittelalter bezeichnet.

U m das Jahr 995 treffen wir in Füssen den gelehrten Tegernseer Mönch Froum und an, der dort wahrscheinlich bei der Einrichtung einer Schule und beim Aufbau der Bibliothek geholfen hat. In solcher Mission war Frou­mund vorher auch schon in Feuchtwangen tätig gewesen. Seine Erwähnung im alten N ekrolog von St. Mang zeigt, daß die Füssener Mönche sein Andenken in hohen Ehren gehalten haben. Ein Reflex des Schulbetriebs seit dieser Zeit sind sicher die zahlreichen althochdeutschen Glossen, die vom Ringen der Lernenden mit der lateinischen Spra­che zeugen. In einem knappen Dutzend Füssener H and­schriften finden w ir Hunderte von althochdeutschen Wör­tern, sogenannte G lossen, die am Rand oder zwischen den Zeilen lateinischen Begriffen als Ü bersetzung beigefügt wurden. G anz nebenbei besitzen w ir dadurch auch sehr wertvolle Belege für den Lautstand des Althochdeutschen im bayerischen und ostschwäbischen Raum in dieser frü­hen Zeit. Daß in Füssen seit dieser Zeit eine Klosterschule existiert hat, belegt der älteste Füssener Bibliothekskata­log. D ieser K atalog ist Teil eines Schatzverzeichnisses, das neben den wertvollen liturgischen Geräten und Gewän­dern auch die Handschriften des Klosters, fast hundert an der Zahl, aufzählt. D as ist eine ganz beachtliche Anzahl, wenn m an bedenkt, daß selbst die ganz großen Reichsklö­ster, wie etwa Lorsch, um diese Zeit nur selten mehr als 300 bis 400 Bände besaßen. D ie Aufnahme der Bücher in das Schatzverzeichnis hat zwei Gründe: Zum einen waren in dieser frühen Zeit die Bücher zumeist in oder über der Sakristei, also ganz in der N ähe der liturgischen Geräte untergebracht; zum anderen zeigt diese Verzeichnung na­türlich auch, welchen rein materiellen Wert die H and­schriften darstellten. Neben den für den Gottesdienst und für die erbauliche Lesung unverzichtbaren liturgischen und theologischen Texten finden wir in diesem Verzeich­nis auch Handschriften für den Schulbetrieb, die bereits über den Bedarf des Elementarunterrichtes hinausgehen. Werke der antiken Gram m atiker und klassische lateini­sche Texte, etwa Vergil und C ato , stehen neben Traktaten zu M usik und Astronom ie, d.h . man lehrte und studierte in Füssen die klassischen septem artes liberales, das G rundstudium des M ittelalters, das sich aus den soge­nannten „redenden“ Fächern Gram m atik Rhetorik, D ia­lektik und aus den „rechnenden“ Fächern Arithmetik, Geom etrie, M usik und Astronom ie zusammensetzte. Im N ekrolog begegnen entsprechend jetzt auch magistri und scolares, also gelehrte Lehrer und Schüler.

Weiterführenden Unterricht erhielt man, dem Brauch der Zeit folgend, in anderen Klöstern bei berühmten Leh­rern; für Füssen ist dies bezeugt im Fall des Mönches Adelhalm , der M itte des 11. Jahrhunderts bei Otloh von St. Em meram in Regensburg weilte. Otloh, der bekannt­lich die V ita des hl. Magnus bearbeitet hat, unterhielt sei­nerseits enge Beziehungen zu den Klöstern in Freising, Tegernsee, H ersfeld, W ürzburg, Fulda und Montecassino, die er auch persönlich besuchte. Ü ber solch enge persön­liche Kontakte tauschte man im Früh- und Hochm ittelal­ter dann auch von K loster zu K loster Handschriften oder erbat sich Handschriften m it seltenen Texten zur Ab­schrift. Adelhalm wurde später übrigens Abt des Klosters St. U lrich und A fra in Augsburg, zu dem die Füssener enge Beziehungen unterhielten.

Geistige Interessen sind verbunden mit Schriftlichkeit, und so stellt sich die Frage nach einem Füssener Skripto­rium in dieser Zeit. Von den im alten Bibliothekskatalog verzeichneten Handschriften sind leider nur wenig mehr

als ein Dutzend erhalten. Darunter ist keine, in der ein Schreiber durch einen namentlichen Vermerk sich zu er­kennen gäbe. Auch paläographische Untersuchungen ha­ben bisher, bedingt durch die schmale Arbeitsgrundlage, zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt.

3. Das 13. und 14. Jahrhundert - eine Zeit der Stagnation

Besser wird die Überlieferungslage erst im 13. und14. Jahrhundert; aus dieser Zeit sind immerhin knapp 50 Handschriften erhalten, in denen sich teilweise entwe­der Füssener Schreiber selbst nennen oder aber ein Ver­gleich der beteiligten Schreiberhände auf Entstehung in Füssen schließen läßt. In dieser Zeit treffen wir nun auch auf die zeitgenössischen theologischen Autoren, etwa auf Thomas von Aquin und Albertus Magnus, auf Predigt­sammlungen franziskanischer und dominikanischer Predi­ger sowie auf Breviere und liturgische Handschriften, die man in Füssen selbst geschrieben hat. Man darf jedoch nicht übersehen, daß im 13. Jahrhundert in den alten Klö­stern insgesamt eine Zeit der Stagnation, ja sogar des Nie­dergangs begann. Richard de Bury, der berühmte englische Bibliophile, klagte, die alten Mönchsorden beschäftigten sich lieber mit Bechern als mit Büchern. Die Benediktiner schieden damals sozusagen aus dem religiösen, geistigen und kulturellen Leben der Zeit aus. Die wissenschaftliche Führung war seit dem 13. Jahrhundert eindeutig auf die neuen Predigerorden übergegangen. Die aufblühenden Universitäten beseitigten das bisherige Bildungsmonopol der Klöster und entwickelten neue Formen der Buchher­stellung und des Buchvertriebs. D as Buchgewerbe ging, auch bedingt durch größere Nachfrage, in zunehmendem Maße in bürgerliche Hände über. Weltgeistliche, Notare, Kanzleibeamte und laikale Lohnschreiber übernahmen die Buchproduktion.

4. Die Klosterreform en des 15. Jahrhunderts

Auch in Füssen ist man vielfach zum Kauf übergegan­gen, besonders im 15. Jahrhundert, als die Bibliothek des Klosters St. Mang nach der Zeit der Stagnation ihre Blüte­zeit erlebte. Diese Blütezeit ist eng im Zusammenhang mit der benediktinischen Reformbewegung zu sehen, die im15. Jahrhundert das geistliche Leben und die Disziplin in den Klöstern wieder zu heben versuchte. In Süddeutsch­land nahm diese Reformbewegung um 1500 in zwei Wellen von Kastl in der Oberpfalz und von Melk in Niederöster­reich ihren Ausgang. Sie erhielt zusätzlichen Auftrieb durch das Konstanzer Konzil, das sich am Vorabend der Reformation die Sache der Reformen zu eigen machen wollte. Auch ein Füssener Abt hat übrigens an den Sitzun­gen in Konstanz teilgenommen.

Die endgültige Einführung der Klosterreform in Füssen um die Mitte des 15. Jahrhunderts ist mit den Äbten Jo ­hannes Fischer und Johannes Heß verbunden. Beide waren in ihren Mutterklöstern in Donauwörth und Nürnberg bereits mit den Reformen in Berührung gekommen, beide konnten deswegen auch Brüder aus ihren bereits refor­mierten Klöstern nach Füssen mitbringen, die bei der Durchsetzung der Reformen halfen. A ls Folge der Erneue­rungsbewegung kehrte im Füssener Kloster nicht nur wie­der eine strengere monastische Zucht und ein verinnerlich­tes religiöses Gefühl ein, man besann sich auch wieder auf die wissenschaftliche Tradition des Benediktinerordens. Die Durchführung der Reformen in St. Mang läßt sich schon rein zahlenmäßig sehr gut an den Beständen der Bibliothek ablesen: Aus dem 15. Jahrhundert sind etwa

Page 6: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

Cod. I. 2. 2 ° 14, 156’ Petrus Lombardus, Glossae continuae in Psalmos 1—100. Süddeutschland, 12.113. Jahrhundert.

. . . *M y *' ****** 4&—8Sm * **■ cxt^v^MTi fa

•T*f yr*ti&e .\fr\*j CDkli' fS&cQ +n**ny /?u*$ £lU«r » « TVSf'VjnOT.C A .faJn Jß n tm aau*-

f»»Hl ijnrA^r t\um£lS » »»mAVir

; c £ "vV3 w j t«V»W t c j

v”Vtr l»W7V< 72--U / 3 , 4 . .<$J %vS2) f f > p # . ju « ci3 / » / H * ' r ,tu-' * iiXtKtl u -<

iVt hwThw/cwV5/ ( jJw tA iß ihilNA^' ' 7 " '5<W '0?W ii=i.T

CW. /. 2. 2° 24, 9 /" Speculum humanae sal- vationis. Nürnberg, 1456.

i m U m ig n rm f t r r n u m tp id o i n t v ln iw

TurtiMh dlpn^ui^im.urfPi*n^m>Qu#i> ft n ftrntrrr tmiporr- mle <pwS

m epiirrrrrttcirrrr^H r tfuo^arc.lti nMurÄno ixTttrf-ap.tT.inuidinpmrr -c\m Tndloftm^ncm/trmä. (Jr/anSif prrdam omf c*jMtnrfinnqunarrnidf

d nuxtzat- dnu.(tifoatm ctalp-in.H ^ mm s.ß nfp««m ur rp trm puferm r. fitrm p^ir m dim fcj»dbturau‘.frrr finr^ ps inet» n ii ceptr. (Ij lurn « ' «ult «um ctmvxbpnbx düc.liv uiltv ■me­nte qiu piudrr H ftrrm.7u» ftc l*r firur Tupia d iv tr ? rftlnm am tinp inftf o.p.T.i. p ludriuin omfinalti f i n -rtrftaidnf cta i rrdifp d crrrn . i.iudr

A tr d tfpdm dof omfag tm m unrr’ f V rl dlncr f* d l« inp uifh flltcndf I»

trr tu pAj*f innoccrmo. f^utmwffirm ge mAlo^uidufAdfc naiCTlufaddir q iu^ üi^r(\xpnfC(ianc'nü.cittox‘ de ftw « p u k r.Q i^ tm irn n u lo f bo mm cf' uoau i f,? uuw tlrrUruiu rp mtrummno.i. m inttio tfri cp crcpufcuU trm ptatum u ujci piarrr d ipattrcam nliaebam orö n t rirtnraci nc cfc»nr omCp. t. i . dmicmeftiuj omne ernne fno uirc m u rr, ha u tt tr f tr bum u rd if .pderem o.ujj. m im arf.i.om f uim if fu»ncf u r l fub rmflitmefdiAboli d t au tra tc d rilfiu ita fd f ctVanum axjh «ndc dmbpl’difpcrc^ttur.« £ £ . ? . ?. y . e t

/ .B .V u o ÄiWHflimo 'ifii.Ö. irs^.utrr fdtaflnnufo.

reiraomr »nfaunb'mwuiü* .frafoi -wmtni» &uV'Uam lucctfTuie niicu .Tr */ r«aJrj>3«‘tf i|rduun'4F<i««' »H immifmiwif ituncalfü tuptifnühanonib-o uurOt- 4Ä i&vMX/ iaUV a nmo.Si.v enrr’ifed" e i-e^ fb u T ry fin nu in u u t f jjcnu pcvAwtr.if<i inomu» <nrhoUc»Mi iiwl'iriiix-nonir.nTUjtr Tctrholiwn -f Oi^itü^! u & ü i !}it2ö cxcaX- Xyctor luictrui-ti q rn iif.n tm ii utr^m ni-ittvlo

<Vw!t.f;wJnr-tpfJfi .liKu^rqSä-taU|‘JrilU

w u v n w r IwvtUii l*re{iAtö(u)ntm.

&fÄai*l«w VMC«|»irP wpr 4rt*« jnia 7f*o* a^vMiwrtr. ma

utgcfcrr. cü u InW ir tiliünü«4Ä1pUw

«:«- ut fcrrlt i-m au u C*Ü 7 fvnrr pAuSbi •vluVwUic5r ?n m iU i m m p n rr ^ 4

fuiui mtrrlrrr. 4* «» «ötau '•WiS 3nü. jrtnVp M wnifCT rTmM.Hr juhk^ policin Antven’iw»*H,örtT>4ic<» vmn.rtr—'T 7 *tblnc u f q ;m m n i« t n b tW 'H n t r r w r '» fMrurof.7'"*Vcn»w Ivmuüi maaal Wfn ■

Page 7: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

B g ^ ^ y -üMA pars •ffiU BK I HV1VS-

^ |w a i iu,f'liKI1'11tiuUÜSr pAflione niw<om «vprcffc fcujt.Sc&t x n » pors q iu hu ß q m cftrg u m f he prtfliowe f e a r m flii ji in « m>ibc to tn corincr ikUtfkm««x tm ü qur wir"lü> f*n «m . mmqrn (Älnaau Port- ptmllH «up w ir dm* vbiq» Uim? bKlfn*

nr» ftU-Anö. *n p t tä er hne» muczuifi <fcct«tc.\

s s s iw iS s sS it s^. im p li iu n r .tr n n ü « ä <x£h ta p b ib jp i m mc motut fiii ti« u> «rm b on aa« tvW n jodkn ä q

u bed»c nuöt^e q> p U n ttom m fite & b » ta w - € r q / »e * p » « w r

I f f V «m fU im tc t e lfic iur |«fcan « qtu p ^ U m j*« a rp r n u m f m «n*4ir " ia t* «nbU« j y t Cat6v*nt> f c mmvfc- O » cm ctfarta phibfpi ab b ü m tt

, Irtrc* pitkttmc iibi Cotneltw* u n m u t t f iHrfki )*$■ mjl« .CftcabAccIrtrca mnvopoltjcapJMKU

ö ca rn rj^anc m rchu - |n iftrt am t (H n n m f. t«Cmca pbiUun «r m a m h n ik a°U'mbrtr<^»t

L | n i ( j i f t . t t « V |W Jm iftin tt fu t i tK i irH r narot« I>k fud are v o lw r onbir*’q» fünSatrn

n i .uae m h N grutui (ir K«c «ni am rn * eit w ] fhnq$r<p4nt«5«m m er tim n ^ u tw abftpe^ k V tnon c ab qua tri b um ccn fu£ cni*tt£ bfewbiT , ^pquo lubcelärr A u jH A D Vm iiiii* o*t feeftpmT k >'i & n jn iü ^ f t i i r v t m U ro m qua ojdu I enbum folutr Ytv «*$» er t n * «b i$ rrtbuni I tttei ewiger qtf fölu irur he a ip ite J ie i t> m«v | ^ C r 01 e # falus QionS m m nm rvo< iutic trfn - * pulo* fiios nö q: butntmvr u rw piw ai«r er l _ urAtupu» bitter Uureo« lunncrn >nftrnet * M fxxerer er emue horm j» »ipnfiarvt btftipfbr

fl»m.n,in>r |m. iVretS Otcalijn« n.eimbt bier er no j tihtfi ctftii cmlclTuM m tibc löli&irat.lf nr R6e dtrnü pfwjMenw <^pk>£om « f.rm(tlo n i m qn« fbtous »ftmutner <tc biÄm «{4»m

( »r fftö u o ntcr f a H * m w i i« d f fU«m frifh » pulot: pu< u u iji (nläm » m jn r .4» j#irm<tciK | • M t m W c fui« d^>mion<s er errmeS aliatu I a tnenab« ayiu rcm «uc v o lm r w r l* uimtr L colinclius m tü :in rtct-SK ,hxh»yurt^süc'<her y . a n x fö d tn ie . i«r m eli 'p jilit tiitntc n lh v e R

%-ot<ri«5 ^ bns errotes c v p i i .u rc i« «pi»Uis P \ N üip li n o ev u n ty o^iimom1 J l i « W « ruciiiroe mtVojiMHt eofl fna^-'nuc I "* N tw r boieS i n u k uuUpuvä cefUm boiS 1Mtf l ib «qn^ iicn ir-^ tum eni^ Kr jj

ftUwS tre <*b| Ab| tarn« q»e« utmi^^ienttnt U prtretirr fjfäliiii vpiic H lm ithu r vm 4h«M S I qi no »1111 u i j»«urcm K iü r m m i (ic v » u m

er Immtzuu« f ia t . * m 4r vnii > *«tum w •MCelWnn.t (ipic K uiretii fe«tub<em ( jn f1 heJve uT^i fnfantr v n u i aIhi« hr » n ^ f jirfirt p jiotibs. € t f i t i x t t t t »mih'o t ira u S ha bin»eifn«« b tu «^ . S k **> » c hoble vartanr hoitS »n qrenitj (aUiw fu‘ btm iAini A ’nafqtqi «nt p m ir bnntbm « m e a e fi fctlupr erhof p

atU c-tpftriA uf-\#t Äbh^ntie to U tjfi p « cetif b th o rö e ir i «v»jir Abnhii»r^piut •&«& conJilSci« ä»tn>s v ^ « i t k « b |4 M M n ()>w ah sijm tb .i A m ei^ läp ti c^ittbihunert no fe m irtrtu» tM iti K l 4 «ft|S t« v m übt qm b« m ä qnirrny «tiiiiu a p ie inco n o raÄ a qtte tn« ee N im « ’o r b t t e r . f-i 4bi<irn*r o^nnu>« tätfrt l>r rn« Ya$mnö%tbtti$«n>ü < p t» m b uim fa i \ huftiS er mivAciA t«nra uiinftts 6 t tVpnbrr p eiM t^pim nbif’p fia y ./ü n a tfxomeK w » (fteb.mr er rtc (enncbrt'r Ö M <x (öwmr ilbr rn m m q"finw i txc prkeps e r ctpuritbotii fir o£ totuts cotu^ij ac p omibi eti< amibu« rn b ir qmomTbi pefü < .pborti ?tb m r-Cv e( fv»t*r_q pc« nic Ab i«etn fiKteJIote pt»n«r cetra fitrtcö > ubt mcom'Vt filr - «C M incntibtpetm Ä nörtpcnttb; fiopix: celcih «o< toffi film erhottm m tenS umtqt joU Ä i5« .u uirrtW >me<v. htume n «tt 1 v o n k«uh o ic m >n erföe ß ia o t t e »f ite r ft U n it v t wm» q7 b i « r w es x p c i lm tw Pm i j i v r K h i « ^ o le o r o t prc^>r«ctp«b< a u f e r Itc jfim tu -1 i im n m 3 “ m qurt tinfhtt; c »ie ocre

Cod. I. 2. 2° IV, 183r Ludolf von Sachsen, Vita Christi. Augsburg, Mitte 15. Jahrhundert. Schenkung des Augsburger Bischofs Kardinal Peter von Schaumberg (dessen Wappen in der Initiale).

- z ft v * i f t e v v , e , .

[Ul5 'fC,'i/p(W 43c5*pt6_ plh^p^ra^

« A « . ___ ______ T______

* Stator^ - _________

I . - r t u k ^ - J l S g ! l i . t »

Ä $ ä A m e ^ jb & r tF >{u £ rx ie mArp sü fm q i •

jb t n n i® t o t r h o lte t chm » n c ** ’ . i f ajR i k & f r t f - t’ h lc a r v o * ■ ? . t r

» U4V <71

3 Li>» <f tn a^ j^en Ji • _______V a t t t m ü . * * ^ 4 < d g t i v d i r t .p - T 'l j l t ( U r i t f fttß» J»luttr-tWUir4 Ap/iü>^£oitcd

«^mrpfiu»t«^--r*,vDr w ^ q b t e ß - V>!nb t t f ib ir i » m '«>i4Ä Otyiü liKs pmrtixr etttik J>pa liat? tjftoc Tug&w^rTK

tfrnal, . jMflegptto Iratn <Jj3li40jpßl»r*_ ? n 0 j c r m . . I t w t ß o o n S c u m • H S s p t r

l l t ’n u ' ' » » ? < u t n i p ? j j j r t fl#« J l w ^

Cod. II. 1 .2 ° 1, V Jakob von Lausanne, Sentenzenkommentar. Frankreich, Mitte 14. Jahrhundert.

Alle Fotos: Universitätsbibliothek Augsburg (ehemaliger Öttingen-Wallerstein’scher Bestand)

Page 8: ALT FUSSEN - opus.bibliothek.uni-augsburg.de · Libri sancti Magni Die Bibliothek des Füssener Benediktinerklosters im Mittelalter Von Dr. Günter Hägele, Augsburg Vortrag anläßlich

250 Handschriften erhalten. Inhaltlich nehmen entspre­chend die sogenannten Reformautoren breiten Platz ein; es sind dies vor allem die eng mit der Reform verbundenen Wiener Universitätslehrer, deren Bekanntester wohl N ikolaus von Dinkelsbühl ist. Dem Ziel der religiösen Erneuerung von Klerus und Volk entsprechend handelt es sich dabei in erster Linie nicht um spekulative, sondern um praktische Theologie, also um katechetische Literatur und um Predigtmaterial. Breiten Raum nimmt daneben die erbauliche, fromme Lektüre ein, vor allem Texte aus der Bewegung der devotio moderna, was nur etwas holprig mit „moderne Frömmigkeit“ übersetzt werden kann. Bekann­testes und auch in Füssen vorhandenes Werk ist die Imita- tio Christi, das Buch von der Betrachtung und Nachfolge des Leidens Christi, nach der Bibel übrigens das meistver- breitete Buch der Weltliteratur überhaupt. Selbst an scheinbaren Kleinigkeiten in den Handschriften läßt sich ablesen, daß man es mit der Befolgung der Benediktsregel wieder ernst genommen hat. Wir haben schon von der Vorschrift der Regel gehört, jeder Mönch solle in der Fa­stenzeit ein Buch lesen; entsprechend hat ein frater Johan­nes in eine Handschrift eingetragen; Cum diligentia anno millesimo quadringentesimo septuagesimo primo incepi legere paschali tempore hunc librum, also: Gewissenhaft habe ich zur Fastenzeit 1471 dies Buch zu lesen begonnen. Die Füssener Mönche schrieben nun auch vermehrt wie­der selbst Bücher, wobei sie auch von den aus Donauwörth und Nürnberg entsandten Brüdern unterstützt wurden. Zahlreicher sind allerdings die umfangreichen Handschrif­tenkäufe, vor allem in Augsburg und Nürnberg, wo die Herstellung handgeschriebener Bücher inzwischen schon zu einem eigenen Gewerbe geworden war. Auch umfang­reiche Schenkungen und Stiftungen vermehrten die Klo­sterbibliothek; die Namen der Stifter wurden dankbar in den Handschriften, zum Teil auch im Nekrolog des Klo­sters vermerkt. Mit gutem Beispiel als Förderer ging der Augsburger Bischof Kardinal Petrus von Schaumberg vor­an, der dem Kloster ein Dutzend zum Teil prächtig ausge­statteter Handschriften vermachte. Seinem Beispiel folg­ten Mitglieder des Domkapitels und zahlreiche Weltgeist­liche aus dem ostschwäbischen Raum. Für die Einrichtung eines Anniversars, einer Jahresmesse oder eines jährlichen Gebetsgedenkens vermachten sie dem Kloster ihre Hand­schriften und mehrten damit die Bestände.

Spätestens seit 1470 kaufte man in Füssen auch ge­druckte Bücher; allein aus den ersten 50 Jahren des Buch­drucks, aus der sogenannten Wiegendruckzeit, sind über 400 Inkunabeln erhalten. 1480 war die Bibliothek bereits so angewachsen, daß ein eigener Bibliotheksraum nötig wurde. Man ging daran, die Handschriften neu zu ordnen, neue Signaturschilder aufzukleben und die Bücher durch eine systematische Aufstellung besser benutzbar zu ma­chen. Defekte Teile wurden ergänzt, verlorene Blätter neu­geschrieben und eingebunden. Schließlich wurde jede Handschrift mit einem Inhaltsverzeichnis versehen und als Klosterbesitz gekennzeichnet: Liber sancti Magni kön­nen wir noch heute auf dem ersten Blatt jeder Handschrift am oberen Rand lesen.

Mit dem Aufkommen des gedruckten Buches endet die mittelalterliche Bibliotheksgeschichte von St. Mang. Zwar

hat man neben dem Kauf gedruckter Bücher bis ins begin­nende 16. Jahrhundert immer wieder Bücher auch noch mit der Hand geschrieben, doch überwiegt jetzt immer mehr das gedruckte Buch. Durch die gewaltige Expansion des Buchdruckergewerbes waren die anfangs sehr hohen Preise gegen Ende des 15. Jahrhunderts bereits beträchtlich gesunken. Man hat errechnet, daß für ein gedrucktes Buch um 1500 nur mehr ein Fünftel des Preises gezahlt werden mußte, den eine vergleichbare Handschrift kostete.

5. Die Füssener Klosterbibliothek seit dem späten M it­telalter

Glücklicherweise haben die Füssener Mönche ihre alten Handschriften, nachdem sie nach und nach durch die neu­en Druckerzeugnisse ersetzt worden waren, nicht in gro­ßem Stil verkauft oder zu Einbandmaterial verarbeitet, wie wir das aus anderen Klöstern durchaus kennen. N ach­dem die Füssener Bibliothek auch in der Folgezeit weder unter politischen Verhältnissen noch unter Katastrophen zu leiden hatte, konnten die Fürsten von Oettingen-Wal- lerstein in der Säkularisationszeit eine wohlerhaltene Bibliothek übernehmen. Der Füssener Klosterbesitz und damit auch die Bibliothek war ihnen zum Ausgleich für territoriale Verluste zugesprochen worden; lediglich 11 be­sonders wertvolle Handschriften hatte der letzte Abt, Amilian Hafner, 1803 gerade noch dem fürstlichen Zugriff entziehen können. 1822 übergab er sie dem Augsburger Bischof zur Verwahrung mit der Auflage, sie bei einem Wiederaufleben des Klosters St. Mang nach Füssen zu­rückzugeben. Nachdem sich diese Hoffnung des letzten Abts bisher nicht erfüllt hat, liegen diese 11 Handschriften bis heute im Augsburger Bistumsarchiv. Die Manuskripte und Drucke, die in den Besitz der Fürsten von Oettingen- Wallerstein übergegangen waren, sind 1980 von einer Zer­streuung in alle Winde bedroht gewesen, als die Sammlung einem großen englischen Auktionshaus angeboten wurde. Glücklicherweise hat die bayerische Staatsregierung diesen Verlust verhindern können, indem sie die fürstliche Sammlung kurzerhand geschlossen erworben hat. Ü berle­gungen, diese Sammlung zum einen in ihrer historischen Region zu belassen, sie andererseits aber auch der wissen­schaftlichen Erschließung zugänglich zu machen, führten dann zu dem Entschluß, der Sammlung in der Universi­tätsbibliothek Augsburg eine neue Heimat zu geben. Die gesamte Füssener Bibliothek ist damit heute bis auf ganz wenige Stücke wieder, unweit von Füssen, geschlossen an einem Ort versammelt.

Derart glücklich durch die Unbilden der Jahrhunderte gelangt, stellt die mittelalterliche Bibliothek von St. Mang heute einen für das Mittelalter repräsentativen und voll­ständigen Klosterfonds dar. In dieser wohlerhaltenen G e­schlossenheit muß die Bibliothek von St. Mang ohne Zweifel als ein Denkmal schwäbischer Kulturgeschichte von ganz besonderem Wert gelten.

Ich bin überzeugt, daß sie beim anschließenden Be­trachten der ausgewählten Exponate zu derselben Ein­schätzung kommen, und danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.