Am Rande eines Millionen-Festes -...

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LAM/BANGLADESH. „Can we go there“ „Na. Amar jai...“ ein Mischmasch aus Bangla und Englisch prasselt auf die junge Fotografin aus Lam ein. Es geht um die Fahrt nach Biswa Jitema, nahe Dhaka, so viel versteht Evi Lemberger noch. Vor drei Jahren haben wir die Fotografin das letzte Mal getroffen – damals im heimischen Lam, gerade zurück aus Moskau. Jetzt schreibt die junge Frau aus Bangladesh, vom Biswa Jitema, einem islamischem Festival – dem größten islamischen Zusammentreffen nach Hajj in Mecca. Ihr Kollege ist Saikat, beide wollen das Spektakel fotografie- ren. In diesem Land ist es das erste größere Shooting außerhalb Dhakas, für die Fotoagentur, bei der sie seit drei Tagen arbeitet. „Was heißt arbei- ten“, schreibt sie, „ein Praktikum“ – aber auch eine Chance. Aufgabe: Probleme dokumentieren Die Fotoagentur Dirk liegt in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh. Es ist die erste Fotoagentur in Südasien, die sich um schwerwiegende Probleme kümmert, und die Fotografen anstellt, die versuchen, diese künstlerisch und zu dokumentieren. „Und jetzt, einige Monate später, bin ich in Dhaka, als Intern, oder Praktikant – für zwei Monate – im Fotodepartment, mit vier weiteren Fotografen“, schreibt Lemberger. Ad- nam, Sumon and Saikat, Moni, dem Teamleader Habibay und Shahidul Alam und seiner Assistentin Sadia. Anweisung gibt es nicht, die Struktur bleibt der Fotografin überlassen. Da- zwischen Fragen nach dem Befinden oder Unterstützungsmöglichkeiten – und nach Meinungen und Ideen. Sie erzählt von Erfahrungen mit europäi- schen Magazinen, der westlichen Le- sekultur. Erfahrung und Wissen wer- den ausgetauscht. „Das Telefon klingt sowieso stän- dig, aber es nervt gerade“. Moni berei- tet das Studio vor. Ein Shooting, Lich- ter werden aufgebaut. Viel Platz ist es nicht. Ganz hinten ein langes Regal mit Büchern, CD- Ständern. Harddri- ves und kleine Utensilien. Nur Doku geht nicht immer Drik hat neben seinem Dokumentar- bereich noch ein Studio für kommer- zielle Fotografie. Portrait und Wer- bung, Klientel: Dhaka und Bangla- desh. Saikat ist einer der Fotografen, der neben den Bereichen „Dokumen- tar“ und „News“ auch kommerziell arbeitet. „Ich muss das machen. Das bringt das Geld ein, nicht der Journa- lismus“, sagt er. Natürlich würde er am liebsten nur Dokumentarfotogra- fie machen, „aber alleine funktioniert das nicht.“ Das Herzstück der Agentur Dirk ist Dokumentar- und Fotojour- nalismus, und der Idealismus, der da- hintersteckt gegründet von Shahidul Alam, einem in Bangladesh sehr bekannten Fotografen. Fotogra- fen zusammenbringen und Verbin- dungen mit anderen Organisationen herstellen, um soziale Veränderung herzustellen, und profitabel zu arbei- ten, das war die Idee. In Dhaka scheint es, als sei jeder zweite Fotograf oder Journalist. Das Ansehen der Berufe ist hoch. Ein gu- tes Zeichen, meint Evi Lemberger, in einem Land, dem Korruption im Me- dienbereich und eingeschränkte Be- richterstattung nachgesagt wird. „Ich denke das ganz und gar nicht. Ich ha- be nicht erlebt, dass ich bei der Publi- kation eingeschränkt wurde“, sagt Adnan Wahid, Fotograf bei Drik. „Es gibt so viele. Und das in einem klei- nen Land.“ Saikat dreht sich um. „Let’s go!“ „Ich schau ihn verwundert an“, schreibt die Fotografin aus Lam: „Yes!“ Sein Gesicht hat einen ernsten Aus- druck. Seine Augenbrauen zur Mitte gezogen. „Ich hab’ doch noch keine Kamera? Und bist du sicher, ich kann als Frau mit?“ „We will see. Let’s go.“ Er weiß, was er tut, dann ist ja alles ok. Am Rande eines Millionen-Festes ERFAHRUNG Fotografin Evi Lemberger aus Lam berich- tet von ihrem Eindruck vom zweitgrößten Fest des Islam in Bangladesh. VON EVI LEMBERGER UND STEFAN WEBER Das, von Millionen Muslimen besuchte, Festivalgelände in Biswa Ijtema bei Nacht. Fotos: Evi Lemberger/dirk Blick auf die Straße: Ein Eindruck von der modernen Gesellschaft in Bangladesh. Eine Gruppe junger Männer nutz eine Baustelle gegen- über dem Festivalgelände als Aussichtpunkt. Die Silhouette der Altstadt von Dhaka. Die Menschen auf den Dächern lassen zum hinduistischen Drachenfest – als einen Willkommengruß an den nahenden Frühling – ihre Drachen steigen. Auf den Dächern der Stadt Drik Galerie mit Blick nach draußen Evi Lemberger ist rund um die Welt mit Fotoap- parat unterwegs. Foto: Saikat Moju- mder/drik DIE FOTOGRAFIN Evi Lemberger stammt gebürtig aus Lam. Nach abgebrochenem Studium der Politikwissenschaft, Ethnologie und Psychologie in München ging sie zum Studium „Conceptual Photography“ nach London ans London College of Communication, arbeite freischaffend in Moskau, der Ukraine, Deutschland und England und hatte ein DAAD Sti- pendium am International Center of Photography in New York. Neben Publikationen in Zeitonline, jetzt.de, Süddeutsche und Guardian nimmt sie an Ausstellungen teil und ar- beitet mit Kindern in England. Momentan ist sie in Dhaka, Bangladesch.

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Page 1: Am Rande eines Millionen-Festes - evilemberger.deevilemberger.de/wp-content/uploads/2017/02/Evi-Lemberger.pdf · Studium „Conceptual Photography“ nach London ans London College

LAM/BANGLADESH. „Can we go there“„Na. Amar jai...“ ein Mischmasch ausBangla und Englisch prasselt auf diejunge Fotografin aus Lam ein. Es gehtum die Fahrt nach Biswa Jitema, naheDhaka, so viel versteht Evi Lembergernoch. Vor drei Jahren haben wir dieFotografin das letzte Mal getroffen –damals im heimischen Lam, geradezurück aus Moskau.

Jetzt schreibt die junge Frau ausBangladesh, vom Biswa Jitema, einemislamischem Festival – dem größtenislamischen Zusammentreffen nachHajj in Mecca. Ihr Kollege ist Saikat,beide wollen das Spektakel fotografie-ren. In diesem Land ist es das erstegrößere Shooting außerhalb Dhakas,für die Fotoagentur, bei der sie seitdrei Tagen arbeitet. „Was heißt arbei-ten“, schreibt sie, „ein Praktikum“ –aber auch eine Chance.

Aufgabe: Probleme dokumentieren

Die Fotoagentur Dirk liegt in Dhaka,der Hauptstadt von Bangladesh. Es istdie erste Fotoagentur in Südasien, diesich um schwerwiegende Problemekümmert, und die Fotografen anstellt,die versuchen, diese künstlerisch undzu dokumentieren.

„Und jetzt, einige Monate später,bin ich in Dhaka, als Intern, oderPraktikant – für zwei Monate – imFotodepartment, mit vier weiterenFotografen“, schreibt Lemberger. Ad-nam, Sumon and Saikat, Moni, demTeamleader Habibay und ShahidulAlam und seiner Assistentin Sadia.Anweisung gibt es nicht, die Strukturbleibt der Fotografin überlassen. Da-zwischen Fragen nach dem Befindenoder Unterstützungsmöglichkeiten –und nach Meinungen und Ideen. Sieerzählt von Erfahrungen mit europäi-schen Magazinen, der westlichen Le-sekultur. Erfahrung und Wissen wer-den ausgetauscht.

„Das Telefon klingt sowieso stän-dig, aber es nervt gerade“. Moni berei-tet das Studio vor. Ein Shooting, Lich-ter werden aufgebaut. Viel Platz ist esnicht. Ganz hinten ein langes Regalmit Büchern, CD- Ständern. Harddri-ves und kleine Utensilien.

Nur Doku geht nicht immer

Drik hat neben seinem Dokumentar-bereich noch ein Studio für kommer-zielle Fotografie. Portrait und Wer-bung, Klientel: Dhaka und Bangla-desh. Saikat ist einer der Fotografen,der neben den Bereichen „Dokumen-tar“ und „News“ auch kommerziellarbeitet. „Ich muss das machen. Dasbringt das Geld ein, nicht der Journa-lismus“, sagt er. Natürlich würde eram liebsten nur Dokumentarfotogra-fie machen, „aber alleine funktioniertdas nicht.“ Das Herzstück der AgenturDirk ist Dokumentar- und Fotojour-nalismus, und der Idealismus, der da-hintersteckt – gegründet vonShahidul Alam, einem in Bangladeshsehr bekannten Fotografen. Fotogra-fen zusammenbringen und Verbin-dungen mit anderen Organisationenherstellen, um soziale Veränderungherzustellen, und profitabel zu arbei-ten, das war die Idee.

In Dhaka scheint es, als sei jederzweite Fotograf oder Journalist. DasAnsehen der Berufe ist hoch. Ein gu-tes Zeichen, meint Evi Lemberger, ineinem Land, dem Korruption im Me-dienbereich und eingeschränkte Be-

richterstattung nachgesagt wird. „Ichdenke das ganz und gar nicht. Ich ha-be nicht erlebt, dass ich bei der Publi-kation eingeschränkt wurde“, sagtAdnan Wahid, Fotograf bei Drik. „Esgibt so viele. Und das in einem klei-nen Land.“

Saikat dreht sich um. „Let’s go!“„Ich schau ihn verwundert an“,schreibt die Fotografin aus Lam: „Yes!“Sein Gesicht hat einen ernsten Aus-druck. Seine Augenbrauen zur Mittegezogen. „Ich hab’ doch noch keine

Kamera? Und bist du sicher,ich kann als Frau mit?“„We will see. Let’s go.“Er weiß, was er tut,dann ist ja alles ok.

Am Rande eines Millionen-FestesERFAHRUNG Fotografin EviLemberger aus Lam berich-tet von ihrem Eindruckvom zweitgrößten Fest desIslam in Bangladesh.� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

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VON EVI LEMBERGERUND STEFAN WEBER

Das, von Millionen Muslimen besuchte, Festivalgelände in Biswa Ijtema bei Nacht. Fotos: Evi Lemberger/dirk

Blick auf die Straße: Ein Eindruck von der modernenGesellschaft in Bangladesh.

Eine Gruppe junger Männer nutz eine Baustelle gegen-über dem Festivalgelände als Aussichtpunkt.

Die Silhouette der Altstadt von Dhaka. Die Menschen auf den Dächern lassen zum hinduistischen Drachenfest –als einen Willkommengruß an den nahenden Frühling – ihre Drachen steigen.

Auf den Dächern der Stadt Drik Galerie mit Blick nach draußen

Evi Lembergerist rund um dieWelt mit Fotoap-parat unterwegs.

Foto: Saikat Moju-mder/drik

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DIE FOTOGRAFIN

� Evi Lemberger stammt gebürtig ausLam.� Nach abgebrochenem Studium derPolitikwissenschaft, Ethnologie undPsychologie in München ging sie zumStudium „Conceptual Photography“

nach London ans London College ofCommunication, arbeite freischaffendin Moskau, der Ukraine, Deutschlandund England und hatte ein DAAD Sti-pendium am International Center ofPhotography in New York.

� Neben Publikationen in Zeitonline,jetzt.de, Süddeutsche und Guardiannimmt sie an Ausstellungen teil und ar-beitet mit Kindern in England.

Momentan ist sie in Dhaka,Bangladesch.