„Meisterbrief erhalten und verteidigt“ werden soll ......Betriebe in den Handwerken der Anlage...

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Stellungnahme zu der öffentlichen Anhörung zu den Antragsvorlagen der Fraktion der AfD, der Fraktion der FDP, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausgangspunkt: Im Zuge der Novellierung des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) ist zum 1. Januar 2004 in 53 Handwerksberufen die Meisterpflicht als Zulassungsvoraussetzung aufgehoben worden. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 nunmehr festgehalten, dass der „Meisterbrief erhalten und verteidigt“ werden soll. Zugleich ist ein Prüfauftrag formuliert, der untersuchen soll, wie der Meisterbrief „für einzelne Berufsbilder“ im Einklang mit dem höherrangigen Recht eingeführt werden könnte. Im Falle der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht wäre die Rückführung von bis zu 53 zulassungsfreien Handwerksberufen aus der Anlage B1 wieder zurück in die Anlage A der Handwerksordnung die Folge. Mit dem vorgenannt zitierten Passus kommt die Bundesregierung einer Forderung des Handwerks nach. Das Handwerk und insbesondere die Handwerksorganisationen fordern unter Beachtung eines Bestandsschutzes die Wiedereinführung der Meisterpflicht bei den zulassungsfreien Handwerksberufen. Auch der Bundesrat fordert inzwischen die Wiedereinführung der Meisterpflicht in den zulassungsfreien Gewerken (Beschluss vom 15. Februar 2019, BR-Drs. 464/18). Die Beurteilung eines derartigen Gesetzesvorhabens ist letztlich anhand von verfassungs- und europarechtlichen Erwägungen vorzunehmen, da die Wiedereinführung der Meisterpflicht mit einem Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit verbunden wäre. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen sollten neben der Gefahrgeneigtheit der konkreten handwerklichen Tätigkeit und der Ausbildungsleistung auch Aspekte des Verbraucherschutzes, der Altersvorsorge sowie Gründe des Kulturgüterschutzes in die Gesamtbeurteilung einbeziehen.

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Stellungnahme zu der öffentlichen Anhörung zu den Antragsvorlagen der Fraktion der AfD, der Fraktion der FDP, der Fraktion DIE LINKE und der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausgangspunkt:

Im Zuge der Novellierung des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) ist zum 1. Januar 2004 in 53 Handwerksberufen die Meisterpflicht als Zulassungsvoraussetzung aufgehoben worden. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 nunmehr festgehalten, dass der „Meisterbrief erhalten und verteidigt“ werden soll. Zugleich ist ein Prüfauftrag formuliert, der untersuchen soll, wie der Meisterbrief „für einzelne Berufsbilder“ im Einklang mit dem höherrangigen Recht eingeführt werden könnte. Im Falle der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht wäre die Rückführung von bis zu 53 zulassungsfreien Handwerksberufen aus der Anlage B1 wieder zurück in die Anlage A der Handwerksordnung die Folge.

Mit dem vorgenannt zitierten Passus kommt die Bundesregierung einer Forderung des Handwerks nach. Das Handwerk und insbesondere die Handwerksorganisationen fordern unter Beachtung eines Bestandsschutzes die Wiedereinführung der Meisterpflicht bei den zulassungsfreien Handwerksberufen. Auch der Bundesrat fordert inzwischen die Wiedereinführung der Meisterpflicht in den zulassungsfreien Gewerken (Beschluss vom 15. Februar 2019, BR-Drs. 464/18).

Die Beurteilung eines derartigen Gesetzesvorhabens ist letztlich anhand von verfassungs- und europarechtlichen Erwägungen vorzunehmen, da die Wiedereinführung der Meisterpflicht mit einem Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit verbunden wäre.

Die verfassungsrechtlichen Erwägungen sollten neben der Gefahrgeneigtheit der konkreten handwerklichen Tätigkeit und der Ausbildungsleistung auch Aspekte des Verbraucherschutzes, der Altersvorsorge sowie Gründe des Kulturgüterschutzes in die Gesamtbeurteilung einbeziehen.

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Deutscher Bundestag 19. Wahlperiode Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschussdrucksache 19(9)328 20. Juni 2019
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Position der Handwerkskammer Dresden:

Die Handwerkskammer Dresden als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die Interessenvertretung von rund 22.200 Mitgliedsunternehmen im Kammerbezirk Dresden. Verbunden ist damit die Interessenvertretung von 125.000 Beschäftigten und 5.200 Lehrlingen im ostsächsischen Handwerk.

Parteipolitisch vollkommen neutral begrüßt die Handwerkskammer Dresden alle politischen Initiativen und Anträge, die dazu dienen können, die Entscheidung der Regierungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Novellierung der Meisterpflicht zu korrigieren.

Die Gremien der Handwerkskammer Dresden haben sich eindeutig zur Korrektur der damaligen politischen Entscheidung und zur Wiedereinführung der Meisterpflicht bekannt.

Zugleich unterstützt die Handwerkskammer Dresden aber auch den Vorschlag, für einen Bestandsschutz von bereits bestehenden Betrieben der Anlage B1 der Handwerksordnung Sorge zu tragen und diesen gesetzlich zu gewährleisten.

a) Novellierung der Handwerksordnung 2004

Im Zuge der Novellierung der Handwerksordnung wurde in 53 zulassungspflichtigen Handwerksberufen die bis dahin geltende Meisterpflicht abgeschafft. Des Weiteren wurde in diesem Zuge auch das sogenannte Inhaberprinzip – und zwar nicht nur für die zulassungsfreien, sondern auch für den überwiegenden Teil der weiterhin zulassungspflichtigen Handwerke – aufgehoben. Seitdem ist es nicht mehr notwendig, dass der Inhaber eines handwerklichen Betriebes selbst den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zur Führung des Betriebs nachweisen muss. Ausreichend ist, dass ein angestellter Betriebsleiter über die entsprechende Befähigung verfügt. Außerdem wurde im Rahmen der Novellierung die sogenannte Altgesellenregelung eingeführt. Diese Regelung erlaubt eine Betriebsgründung und -führung nicht nur Meistern, sondern auch qualifizierten Gesellen mit einer Berufserfahrung von mindestens sechs Jahren (vier davon in leitender Position) in einem von ihnen erlernten und ausgeübten zulassungspflichtigen Handwerk.

Die im Rahmen der Novellierung der Handwerksordnung zum 1. Januar 2004 vorgenommene Deregulierung der zuvor bestehenden Bestimmungen hatte verschiedene Ziele.

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Im Vordergrund stand zunächst der erleichterte Marktzugang für bestimmte Handwerksbereiche. Dieser sollte durch eine Liberalisierung des Berufszugangs aufgrund der Abschaffung der Meisterpflicht (dem sogenannten „großen Befähigungsnachweis“) bei einer Vielzahl von Gewerken ermöglicht werden. Durch die Abschaffung der Meisterpflicht in den zulassungsfreien Handwerken sollten die seinerzeit hohen Arbeitslosenzahlen bekämpft werden.

b) Aktuelle Einschätzung

Der Meistertitel ist ohne jeden Zweifel nach wie vor das Qualitätsmerkmal für Führungskräfte im Handwerk. Diejenige bzw. derjenige, die im Handwerk Führungsverantwortung übernehmen möchten, brauchen in der ganz überwiegenden Mehrheit die Meisterqualifikation.

Durch die Meisterausbildung konnten Meisterinnen und Meister in der Ausbildung und in Meisterprüfungslehrgängen einen Vorsprung an Wissen und Können erlangen. Der Meisterbrief ist die wichtigste Fortbildung im Handwerk und dokumentiert eine einzigartige Qualität im Handwerk. In der Meisterprüfung sind verschiedene Befähigungen festzustellen. Die Befähigung, ein zulassungspflichtiges Handwerk meisterhaft auszuüben. Darüber hinaus die Befähigung, den Handwerksbetrieb selbstständig zu führen und letztlich die Befähigung, Lehrlinge auszubilden. Die Meisterprüfung besteht aus vier selbstständigen Teilen, Fachpraxis (Teil I), Fachtheorie (Teil II), Betriebswirtschaft und Recht (Teil III) und Berufs- und Arbeitspädagogik (Teil IV). Die Ausbilderqualifikation erwerben die Handwerksmeister/-innen im Rahmen der Vorbereitungslehrgänge für Teil IV der Meisterprüfung.

Die praktische Interessenvertretung in der Beratungspraxis der Handwerkskammer verdeutlicht immer wieder, dass vordergründig Handwerksmeisterinnen und –meister ganz erfolgreich Handwerksbetriebe führen. Für sie besteht gegenüber unqualifizierten Betriebsgründern bereits bei der Betriebsgründung die Chance, in Verhandlungen mit Kreditinstituten notwendige Bankkredite für den Geschäftsaufbau und –betrieb als Unterstützung zu erhalten. Darüber hinaus zeigt die Erfahrung, dass diese Betriebe in der Folge auch wirtschaftlich bestandsfester sind.

Die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen von Meisterbetrieben ist seltener. Meisterbetriebe weisen eine erheblich höhere Bestandsfestigkeit auf. Sie sind flexibel und innovativ. Natürlich schützt dies letztlich auch vor Beschäftigungslosigkeit.

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Ganz entscheidend bewähren sich das erworbene Meisterwissen und die meisterlichen Fähigkeiten und Kenntnisse am Wirtschaftsmarkt und im vertraglichen Kontakt mit den Geschäftskunden und insbesondere den Verbrauchern. Besonders im Verhältnis zu Verbrauchern ist das Vertrauen in den Meisterbrief spürbar. Gesetzliche Aufgabe einer Handwerkskammer ist u. a. gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 11 Handwerksordnung Vermittlungsstellen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Inhabern eines Handwerksbetriebs und ihren Auftraggebern einzurichten. Im Rahmen dieser gesetzlichen Aufgaben erhalten die Handwerkskammern im Durchschnitt mehrere hundert Anfragen bzw. Anträge im Jahr. Bei der Prüfung der Einleitung eines solchen Vermittlungsverfahrens bzw. dem Vermittlungsverfahren stellt sich heraus, dass der ganz überwiegende Teil der Anträge und Beschwerden von Verbrauchern sich auf Vertragsbeziehungen mit Betrieben der zulassungsfreien Handwerke bezieht, die über keinen Meisterabschluss verfügen. In diesen Verfahren wird deutlich, dass die Auftraggeber besondere Wertschätzung gerade gegenüber einem Meisterabschluss zum Ausdruck bringen. Dementsprechend sind aber auch das Vertrauen und die Erwartungshaltung in die Arbeit eines Meisterbetriebs sehr groß.

Ein weiterer Aspekt zeigt die Bedeutung des Meisterbetriebs gerade im Hinblick auf die zukünftige Fachkräftegewinnung und die Ausbildungsleistung. Der Meisterbetrieb kann Lehrlinge ausbilden und damit einen leistungsfähigen und motivierten Nachwuchs heranbilden.

Durch den Meisterbrief wird einerseits die Qualität der handwerklichen Arbeiten gesichert und andererseits eben auch der Verbraucherschutz garantiert. Der Meisterbrief und das bewährte System der dualen Ausbildung in Deutschland sind Vorbild in Europa. Wirtschaftsstärke, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit basieren auf der fachlichen Qualifikation der Betriebsinhaber.

Die Abschaffung der Meisterpflicht für 53 der 94 Handwerksberufe durch die HwO-Novelle 2004 hat auf lange Sicht spürbare Folgen bei den Handwerksbetrieben in Form des Rückgangs von Fachkräften, weniger Ausbildungsleistung und von Beschwerden der Vertragspartner wegen Qualitätseinbußen bei den Handwerksleistungen nach sich gezogen.

Da es möglich ist, sich ohne Qualifikationsnachweis selbstständig zu machen, sind beispielsweise im Baugewerbe verheerende Folgen für die Bauqualität mit einem deutlichen Anstieg der Schadensfälle zu verzeichnen. Laut Aussage des Zentralverbandes des Baugewerbes stieg die durchschnittliche Schadenssumme aufgrund mangelnder Qualifikation seit 2004 auf fast das Doppelte. Dieser Aspekt könne auch für Bauherren (zusammen mit den Kosten für mögliche Rechtsstreitigkeiten) existenzbedrohend sein.

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Untersuchungen verdeutlichten zwei weitere Faktoren, die besorgniserregend sind. Einerseits ist gerade im zulassungsfreien Bereich eine zunehmende Atomisierung der Betriebe zu konstatieren. Von der Atomisierung der Betriebe wird gesprochen, wenn diese nur noch über eine ganz geringe Anzahl von Mitarbeitern verfügen. Vielfach liegt die durchschnittliche Größe unter 6 Mitarbeiter/-innen inklusive Betriebsinhaber. Zugleich ist gerade im Bereich der Klein- und Kleinstunternehmen im zulassungsfreien Handwerk sogar die Grenze zur sogenannten Selbstausbeutung erreicht.

Ein anderer Hintergrund der Novellierung 2004 wurde definitiv nicht erreicht. Die Ausbildung im Handwerk sollte im Zuge der Novelle 2004 gestärkt werden. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse in den zulassungsfreien Handwerken nach Anlage B1 zur Handwerksordnung ist stark rückläufig. Trotz des Umstandes, dass sich die Anzahl der Betriebe in den Handwerken der Anlage B1 stark erhöht hat, bilden laut der Veröffentlichung des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk nur noch 3,7 % der B1- Betriebe aus. Im Jahre 2005 waren es demnach noch 9,4 %. In den Handwerken der Anlage A bildeten im Jahre 2016 dagegen noch 24,5 % der Betriebe aus.

Fehleinschätzung bei der Novellierung der Handwerksordnung war auch die damalige Annahme, durch die Abschaffung der Meisterpflicht könne eine bessere Altersvorsorge für Gründer gewährleistet werden. Letztlich ist das Gegenteil eingetreten. Im zulassungsfreien Handwerksbereich gründeten sich extrem viele Klein- und Kleinstbetriebe. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation ist es für die Klein- und Kleinstbetriebe praktisch ausgeschlossen, wirtschaftlich eine Altersvorsorge aufzubauen. Die Altersvorsorge ist bei diesen Betrieben sehr prekär. Der Arbeitskreis Rente der Handwerkskammer Dresden hat bereits seit einigen Jahren das Thema aufgegriffen und Vorschläge unterbreitet. Bei Wiedereinführung der Meisterpflicht wären zukünftig viele Handwerker in den jetzt zulassungsfreien Gewerken in der Regel angestellt und im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert.

Der Zugang zum zulassungsfreien Handwerk ist daher anzupassen und der Kreis der zulassungspflichtigen Handwerksberufe auszuweiten. Dazu sind die bestehenden Schutzzielbestimmungen (Gefahrgeneigtheit, Schutz von Leben und Gesundheit, Ausbildungsleistung) um weitere Aspekte wie etwa der Fachkräftesicherung und Bewahrung von Kulturschutzgütern zu ergänzen.

c) Wissenschaftliche Untermauerung

Die notwendige Wiedereinführung der Meisterpflicht aus ökonomischen Aspekten und die dazu erforderliche verfassungs- und europarechtliche Vereinbarkeit sind durch zwei aktuelle Gutachten bekräftigt worden.

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aa) Gutachterliche Stellungnahme zu ökonomischen Aspekten

Nach dem Gutachten von Prof. Dr. Alexander Haucap und Prof. Dr. Alexander Rasch vom Düsseldorfer Institute for Competition Economics (DICE) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sprechen volkswirtschaftliche Gründe für die Ausweitung der Meisterpflicht.

Zusammenfassend trägt das Meisterbrieferfordernis als qualifikationsbedingte Reglementierung wesentlich zur Bestandsfestigkeit der Betriebe bei und minimiert Marktineffizienzen gerade in dem untersuchten Bereich der Erfahrungs- und Vertrauensgüter. Danach hilft das Meisterbrieferfordernis, Informationsprobleme zum Vorteil für Verbraucher abzubauen.

Die gutachterliche Stellungnahme gibt genau die praktischen Wahrnehmungen der Handwerkskammer wieder. Zutreffend ist, dass bei den Handwerksbetrieben nach Anlage B1 der Handwerksordnung im Vergleich zu den A-Handwerksbetrieben eine Verringerung der Bestandsfestigkeit festzustellen ist. Das Erfordernis eines Befähigungsnachweises trägt als Sicherung einer Mindestqualität zur Überwindung der Informationsprobleme bei. Im Falle von Qualitätsmängeln ist die Bestandsfestigkeit gerade für Gewährleistung des Verbrauchers bedeutsam.

bb) Gutachterliche Stellungnahmen zu rechtlichen Handlungsspielräumen

Gemäß dem juristischen Gutachten von Prof. Dr. Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München stehen dem Gesetzgeber zur Umsetzung entsprechende Handlungsspielräume zu Verfügung. Insgesamt hindern weder nationale noch europäische Regelungen den Gesetzgeber daran, derzeit noch zulassungsfreie Handwerke wieder zulassungspflichtig zu machen.

Eine etwaige Rückführung der B1-Handwerke in die Anlage A zur Handwerksordnung könnte durch verschiedene – vorstehend bereits genannte – öffentliche Zwecke gerechtfertigt werden. Neben der „Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit wären die öffentlichen Zwecke des Verbraucherschutzes (teilweise auch des Umwelt- und Kulturgüterschutzes) und die Sicherung der Ausbildungsleistung für die Gesamtwirtschaft, darüber hinaus aber auch die politischen Zwecke der handwerksbezogenen Mittelstandsförderung und der Verbesserung der Markteffizienz tragfähig“. Auch die Stärkung der beruflichen Bildung und Altersvorsorge in kleinbetrieblichen Strukturen sind zu beachten. Den Anforderungen an die Geeignetheit und Erforderlichkeit des mit der Wiedereinführung des Meisterbrieferfordernisses verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz könnte entsprochen werden. Natürlich ist eine detaillierte handwerksspezifische Einzelbetrachtung erforderlich.

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Das Gutachten enthält auch eine ausführliche europarechtliche Beurteilung. An dieser Stelle wäre nochmals zu zitieren, dass die EU-Verhältnismäßigkeitsrichtlinie die Entscheidungskompetenz der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die etwaige Rückführung von B1-Handwerken in die Anlage A zur Handwerksordnung in materiell-rechtlicher Hinsicht weder beeinträchtigen noch reduzieren oder verändern könnte.

Zusammenfassung:

Die Handwerkskammer Dresden unterstützt die Anträge auf Wiedereinführung der Meisterpflicht. Der Bestandsschutz der derzeitigen zulassungsfreien Handwerksbetriebe muss gewährleistet werden.

Die im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD genannte Rückführung der seit der Handwerksnovelle 2004 in der Anlage B1 zur Handwerksordnung enthaltenen Handwerke in die Anlage A und damit eine Ausweitung des (grundsätzlichen) Meisterbrieferfordernisses, könnte im Hinblick auf eine Reihe von Handwerken im Einklang mit dem höherrangigen Recht erfolgen. Neben der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit sind bei der Einzelbetrachtung der Verbraucherschutz, die Ausbildungsleistungen, die Altersvorsorge der Betriebsinhaber und der Schutz bzw. die Bewahrung der handwerklichen Kulturgüter zu untersuchen.