Analysis38 1.2. Ringe,Algebren,˙-Algebren Beispiel. WirbetrachtendieFolge A n= ˆ x2R2 jkxk 1 + 1 n...

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Universität Bielefeld Analysis 3 * Das vorliegende Skript basiert auf einer Mitschrift von Robin Beier. Es handelt sich hierbei um eine durchgesehene Version, die bislang stel- lenweise korrigiert wurde. Verbesserungsvorschläge, Anmerkungen und Kommentare jeder Art rich- ten Sie bitte mit dem Betreff Skript an moritz.kassmann[at]uni-bielefeld.de In Zukunft werden von Zeit zu Zeit neuere Versionen zum Download be- reitgestellt. Vorlesungskript aus dem Wintersemester 2010/2011 Prof. Dr. Moritz Kaßmann Version 2.1 vom 28.02.2011 * Skript erstellt von Robin Beier

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Universität Bielefeld

Analysis 3∗

Das vorliegende Skript basiert auf einer Mitschrift von Robin Beier.

Es handelt sich hierbei um eine durchgesehene Version, die bislang stel-lenweise korrigiert wurde.

Verbesserungsvorschläge, Anmerkungen und Kommentare jeder Art rich-ten Sie bitte mit dem Betreff Skript an

moritz.kassmann[at]uni-bielefeld.de

In Zukunft werden von Zeit zu Zeit neuere Versionen zum Download be-reitgestellt.

Vorlesungskript aus dem Wintersemester 2010/2011

Prof. Dr. Moritz Kaßmann

Version 2.1 vom 28.02.2011

∗Skript erstellt von Robin Beier

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Inhaltsverzeichnis

I. Maß- und Integrationstheorie 4

1. Maßtheorie 51.1. Motivation, das Maßproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2. Ringe, Algebren, σ-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.3. Eigenschaften von Maßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151.5. Lebesgue-Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2. Integrationstheorie 242.1. Messbare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.2. Das Lebesgue-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262.3. Konvergenzsätze der Integrationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.4. Die Lp-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.5. Produktmaße, Sätze von Tonelli & Fubini . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422.6. Der Transformationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

II. Elemente der Vektoranalysis 53

3. Differentialformen 543.1. 1-Formen und Kurvenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543.2. Alternierende Differentialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583.3. Integration von p-Formen über p-Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

4. Integralsätze der Vektoranalysis 704.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704.2. Die Sätze von Gauß und Stokes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Literaturverzeichnis 83

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Teil I.

Maß- und Integrationstheorie

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1. Maßtheorie

1.1. Motivation, das Maßproblem

Sei zunächst A ⊂ Rd. Wennm (A) das Maß einer beliebigen Teilmenge des Rd bezeichnet,so wollen wir folgende Eigenschaften sichergestellt wissen:

A,B ⊂ Rd, A ∩B = ∅ ⇒ m (A ∪B) = m (A) +m (B) , (1)m (A) = m (ϕ (A)) für jedes A und jede Bewegung ϕ (Definition siehe unten), (2)

m([0, 1]× . . .× [0, 1]︸ ︷︷ ︸d-mal

) = 1 und m (∅) = 0. (3)

Definition. Sei (X, d) ein metrischer Raum. ϕ : X → X heißt Bewegung ⇐⇒ d (x, y) =d (ϕ (x) , ϕ (y)) für alle x, y.

Satz (Hausdorff 1914). Es gibt im Fall d ≥ 3 keine auf der Menge aller Teilmengen desRd erklärte Funktion m mit nichtnegativen Werten, welche (1), (2) und (3) erfüllt.

Der folgende Satz wurde 1923 von Banach bewiesen:

Satz. Im Fall d ∈ 1, 2 gibt es eine solche Funktion, aber sie ist nicht eindeutig (es gibtviele verschiedene).

Evtl. muss man mehr fordern, um die Eindeutigkeit herzustellen. Wir ersetzen (1) durchfolgendes

Sei (An) eine Folge von Teilmengen des Rd mit Ai ∩Aj = ∅, falls i 6= j.

Dann gilt m

( ∞⋃n=1

An

)=

∞∑n=1

m (An)(1’)

Dazu gibt es folgendes Resultat

Satz (Vitali 1925). Es gibt kein m mit (1’), (2) und (3) (d beliebig).

Ein sehr interessantes Resultat ist der folgende Satz von Banach & Tarski aus demJahr 1924:

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6 1.2. Ringe, Algebren, σ-Algebren

Satz. Sei d ≥ 3. Seien A,B ⊂ Rd beschränkt mit nichtleerem Inneren. Dann gibt esMengen M1, . . . ,Mn ⊂ Rd und Bewegungen ϕ1, . . . , ϕn mit

(i) A =n⋃i=1

Mi und Mi ∩Mj = ∅ für i6=j,

(ii) B =n⋃i=1

ϕi (Mi) und ϕi (Mi) ∩ ϕj (Mj) = ∅ für i 6= j.

1.2. Ringe, Algebren, σ-Algebren

Definition 1.1. Sei Ω eine nichtleere Menge. Eine Menge R von Teilmengen von Ω heißtRing, falls gilt

(i) ∅ ∈ R,

(ii) A,B ∈ R ⇒ A \B ∈ R,

(iii) A,B ∈ R ⇒ A ∪B ∈ R.

Eine weitere Definition:

Definition 1.2. Sei Ω eine nichtleere Menge. Eine Menge A von Teilmengen von Ω heißtAlgebra, falls gilt

(i) Ω ∈ A,

(ii) A ∈ A ⇒ Ac ∈ A,

(iii) A,B ∈ A ⇒ A ∪B ∈ A.

Bemerkung. Jede Algebra ist ein Ring, denn mit A,B ∈ A gilt

A \B = A ∩Bc = (Ac ∪B)c ∈ A.

Wenn R ein Ring auf Ω und Ω ∈ R, so ist R bereits eine Algebra, denn

Ac = Ω \A ∈ R.

Beispiel. (Ω irgendeine nichtleere Menge)

– Für A ⊂ Ω ist A, ∅ ein Ring.

– Für A ⊂ Ω ist A, ∅ eine Algebra genau dann, wenn A = Ω.

– Die Potenzmenge P (Ω) = A | A ⊂ Ω ist eine Algebra auf Ω.

– Die Menge aller beschränkten Teilmengen von R ist ein Ring, aber keine Algebra.

– Die Menge aller offenen Teilmengen von R bildet keinen Ring auf R.

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1.2. Ringe, Algebren, σ-Algebren 7

Definition 1.3. Sei Ω eine nichtleere Menge. Eine Menge R von Teilmengen von Ω heißtσ-Ring, falls gilt

(i) ∅ ∈ R,

(ii) A,B ∈ R ⇒ A \B ∈ R,

(iii) (An) ∈ RN ⇒⋃∞i=1Ai ∈ R.

Die analoge Definition für eine σ-Algebra:

Definition 1.4. Sei Ω eine nichtleere Menge. Eine Menge A von Teilmengen von Ω heißtσ-Algebra, falls gilt

(i) Ω ∈ A,

(ii) A ∈ A ⇒ Ac ∈ A,

(iii) (An) ∈ AN ⇒⋃∞i=1Ai ∈ A.

Satz 1.5. Seien A eine σ-Algebra auf Ω und (An) eine Folge in A. Dann

(i)∞⋂i=1

Ai ∈ A,

(ii)

limn→∞

An := lim supn→∞

An :=

∞⋂n=1

∞⋃k=n

Ak ∈ A,

(iii)

limn→∞

An := lim infn→∞

An :=∞⋃n=1

∞⋂k=n

Ak ∈ A.

Beweis. Zu (i):∞⋂i=1

Ai = Ω \

( ∞⋃i=1

(Ω \Ai)

)∈ A

Aus (i) folgen (ii) und (iii).

Definition 1.6. Die Folge (An) heißt konvergent, falls

lim infn→∞

An = lim supn→∞

An.

In diesem Fall definiert man den Grenzwert der Folge (An) über

limn→∞

An = lim infn→∞

An

(= lim sup

n→∞An

).

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8 1.2. Ringe, Algebren, σ-Algebren

Beispiel. Wir betrachten die Folge

An =

x ∈ R2 | ‖x‖ ≤ 1 +

1

n

.

Dannlimn→∞

An = B1 (0) ⊂ R2.

Ein weiteres Beispiel: Sei q1, q2, . . . ein abzählbare Folge von Q ∩ [0, 1]. Wir definieren

An =

n⋃i=1

(qi −

1

3

1

2i, qi +

1

3

1

2i

)∩ [0, 1].

Die Folge (An) konvergiert, denn sie wächst monoton.

Allgemein gilt folgendes Lemma

Lemma 1.7. Sei (An) eine monotone Folge. Dann ist (An) konvergent, und es gilt

(i) limn→∞An =⋃∞n=1An, falls (An) monoton wächst,

(ii) limn→∞An =⋂∞n=1An, falls (An) monoton fällt.

Beweis. Übung.

Lemma 1.8. Eine Algebra ist genau dann eine σ-Algebra, wenn für jede konvergenteFolge von Mengen aus A der Grenzwert wieder ein Element von A ist.

Beispiel. (i) Jede endliche Algebra ist eine σ-Algebra,

(ii) P (Ω) ist eine σ-Algebra,

(iii) Ω = 1, 2, 3, 4, 5, 6, A1 = 1, 2, 3 , 4, 5, 6 ,Ω, ∅,A2 = 1 , 2, 3, 4, 5, 6 ,Ω, ∅.

Definition 1.9. Ein Tupel (Ω,A) heißt Messraum, falls Ω nichtleere Menge und A σ-Algebra auf Ω.

Sei (Ai)i∈I eine Familie von σ-Algebren auf einer gegebenen Menge Ω, wobei I einebeliebige (!) Indexmenge ist. Dann ist die Menge⋂

i∈IAi = A | ∀i ∈ I : A ∈ Ai

wieder eine σ-Algebra.

Definition 1.10. Sei E ⊂ P (Ω) eine Menge von Teilmengen von Ω. Dann definiert

σ (E) =⋂A⊃E

A σ-Alg. auf Ω

A

die von E erzeugte σ-Algebra auf Ω. σ (E) ist die kleinste Algebra, welche E enthält.

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1.2. Ringe, Algebren, σ-Algebren 9

Bemerkung. Da P (Ω) eine σ-Algebra auf Ω ist, die E enthält, gilt stets σ (E) 6= ∅.

Beispiel. Sei Ω = 1, 2, 3, 4, 5, 6. Dann

E = 2, 4, 6 ⊂ P (Ω)⇒ σ (E) = ∅,Ω, 2, 4, 6 , 1, 3, 5 .

Definition 1.11. Sei Ω eine nichtleere Menge. Eine Topologie auf Ω ist eine Menge Tvon Teilmengen von Ω mit den folgenden Eigenschaften:

(i) ∅,Ω ∈ T ,

(ii) O1,O2 ∈ T ⇒ O1 ∩ O2 ∈ T ,

(iii) Für eine bel. Indexmenge I gilt

∀i ∈ I : Oi ∈ T ⇒⋃i∈IOi ∈ T .

Man nennt (Ω, T ) in diesem Fall einen topologischen Raum.

Sei (X, T ) ein topologischer Raum und Y ⊂ X. Dann ist O ∩ Y | O ∈ T eine Topologieauf Y , die sog. Teilraumtopologie.

Beispiel. Sei (X, d) metrischer Raum.

O ⊂ X offen ⇐⇒ ∀x ∈ O ∃ε > 0 : Bε (x) ⊂ O.

Sei T = O ⊂ X, O offen in diesem Sinne. Dann ist (X, T ) ein topologischer Raum.

Definition 1.12. Sei (Ω, T ) ein topologischer Raum. Dann bezeichnet

B (Ω) := σ (T )

die sog. Borel-σ-Algebra auf Ω.

Beispiel.B (R) = σ ((a, b) ⊂ R | a < b) .

Analog erhält man

B(Rd)

= σ

(d∏i=1

(ai, bi) ⊂ Rd | ai < bi∀i

),

wobei∏di=1 (ai, bi) = (a1, b1)× . . .× (ad, bd).

Bemerkung. Die Borel-σ-Algebra B(Rd)enthält neben allen offenen Mengen auch alle

abgeschlossenen Teilmengen von Rd, insbesondere also Mengen x mit x ∈ Rd. Dennochist B

(Rd)echt kleiner als P

(Rd).

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10 1.2. Ringe, Algebren, σ-Algebren

Definition 1.13. Sei Rd wie üblich der d-dimensionale euklidische Raum, d.h. die MengeRd zusammen mit der euklidischen Metrik d (x, y) = ‖x− y‖2. Sei T die von d erzeugteTopologie auf Rd. Dann heißt B

(Rd)

= σ (T ) die Borel -σ-Algebra auf Rd.

Satz 1.14. Seien O,A,K die Mengen aller offenen, abgeschlossenen bzw. kompaktenTeilmengen des Rd. Dann gilt:

B(Rd)

= σ (O) = σ (A) = σ (K) .

Beweis. σ (K) ⊂ σ (A) offensichtlich, weil jede im Rd kompakte Menge auch abgeschlos-sen ist und somit K ⊂ A, also auch σ (K) ⊂ σ (A). Wir zeigen nun σ (A) ⊂ σ (K). FürA ∈ A und k ∈ N definieren wir

Ak = A ∩Bk (0).

Dann Ak ∈ K undA =

⋃k∈N

Ak,

also A ⊂ σ (K) und σ (A) ⊂ σ (K) . Die Identität σ (O) = σ (A) gilt aufgrund vonKomplementbildung.

Es ist eine spannende Frage/Aufgabe, die kleinste (d.h. gröbste) bzw. einfachste FamilieE ⊂ P

(Rd)zu suchen und explizit anzugeben, für welche σ (E) = B

(Rd)gilt. Seien

Eo = (a1, b1)× . . .× (ad, bd) | ai, bi ∈ R

Er = (a1, b1]× . . .× (ad, bd] | ai, bi ∈ R

E l = [a1, b1)× . . .× [ad, bd) | ai, bi ∈ R

E i = [a1, b1]× . . .× [ad, bd] | ai, bi ∈ R

und Eo,Q, Er,Q, E l,Q, E i,Q die Familien, bei welchen nur rationale Endpunkte der Intervallebetrachtet werden. Wir verwenden die Konvention

(a, b) = [a, b) = ∅ ⇐⇒ b ≤ a

I1 × . . .× Ik−1 × ∅ × Ik+1 × . . .× Id = ∅ für bel. Intervalle Ij .

Satz 1.15. Für jedes E wie oben gilt

σ (E) = B(Rd)

Beweis. WegenEo,Q ⊂ Eo ⊂ O

giltσ(Eo,Q

)⊂ σ (Eo) ⊂ σ (O)

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1.3. Eigenschaften von Maßen 11

Zum Beweis der umgekehrten Inklusion betrachtet man eine bel. offene Menge O ∈ O.Man zeigt dann

O =⋃

I ∈ Eo,Q | I ⊂ O

In der Vereinigung kommen nur abzählbar viele I’s vor, also gilt O ∈ σ(Eo,Q

)und somit

auchσ (O) ⊂ σ

(Eo,Q

).

1.3. Eigenschaften von Maßen

Definition 1.16. Seien R ein Ring und µ : R → [0,∞] mit µ (∅) = 0.

(i) µ heißt additiv (oder endlich additiv), falls für endich viele paarweise disjunkteMengen A1, . . . , An ∈ R gilt

µ

n⋃j=1

Aj

=n∑j=1

µ (Aj) .

(ii) µ heißt σ-additiv und wird Prämaß genannt, falls für abzählbar viele paarweisedisjunkte Mengen A1, A2, . . . ∈ R mit der Eigenschaft

⋃∞j=1Aj ∈ R gilt

µ

∞⋃j=1

Aj

=∞∑j=1

µ (Aj)

(iii) Ist R eine σ-Algebra und µ ein Prämaß, so nennen wir µ ein Maß.

Bevor wir verstehen können, was es mit ∞ in der Definition des Maßes auf sich hat,brauchen wir noch eine weitere Definition.

Definition 1.17. Sind Ω eine nichtleere Menge, A eine σ-Algebra auf Ω und µ : A →[0,∞] ein Maß, so nennt man das Tripel (Ω,A, µ) Maßraum.

Gilt zusätzlich µ (Ω) = 1, so heißt µ Wahrscheinlichkeitsmaß und (Ω,A, µ) Wahrschein-lichkeitsraum.

Bemerkung.

– Falls (Ω,A, µ) Wahrscheinlichkeitsraum, so heißen Mengen A ∈ A Ereignisse. µ (A)bezeichnet dann die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Ereignisses A.

Sei beispielsweise Ω = 1, 2, 3, 4, 5, 6,A = P (Ω). Wir definieren ein Wahrschein-lichkeitsmaß µ wie folgt

µ (A) =1

6#A.

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12 1.3. Eigenschaften von Maßen

– Die Menge [0,∞] wird über [0,∞] = [0,∞)∪∞ definiert, wobei die Ordnungsre-lationen und Verknüpfungen in offensichtlicher Weise fortgesetzt werden, also z.B.

∀a ∈ [0,∞) : a <∞, ∀a ∈ (0,∞] : a · ∞ =∞.

– Beachte: Falls R bereits σ-Algebra, so ist in Definition 1.16(ii) die Forderung⋃∞i=1Ai ∈ R obsolet (hinfällig).

– Bei einem Maßraum (Ω,A, µ) sagt man oft vereinfacht „µ ist Maß auf Ω“, obwohles korrekterweise lauten muss „µ ist Maß auf A“.

Beispiel. Sei Ω eine nichtleere Menge.

(i) Sei µ : P (Ω)→ [0,∞] definiert definiert durch µ (∅) = 0 und µ (A) = 1, falls A 6= ∅.Falls #Ω > 1, so ist µ nicht additiv, also kein Maß.

(ii) µ : P (Ω)→ [0,∞] sei definiert durch µ (∅) = 0 und µ (A) =∞ für A 6= ∅. Dann istµ ein Maß.

(iii) Sei A eine σ-Algebra und µ : A → [0,∞] definiert durch

µ (A) = δx (A) =

1, x ∈ A0, x /∈ A

µ bzw. δx heißt Dirac-Maß im Punkt x.

(iv) Das Zählmaß µ (A) = # (A) = #A, welches über

µ (A) =

Anzahl der Elemente von A ,falls diese endlich∞ sonst

definiert ist, ist auf jeder σ-Algebra (auf jeder Menge) ein Maß.

Satz 1.18. Seien R ein Ring und µ : R → [0,∞] additiv.

(i) Falls A,B ∈ R mit A ⊂ B so folgt µ (A) ≤ µ (B) .

(ii) Falls A1, A2, . . . ∈ R paarweise disjunkt und⋃∞j=1Aj ∈ R, so folgt

µ

∞⋃j=1

Aj

≥ ∞∑j=1

µ (Aj) .

(iii) Falls A1, A2, . . . ∈ R und⋃∞j=1Aj ∈ R, so folgt, falls µ σ-additiv,

µ

∞⋃j=1

Aj

≤ ∞∑j=1

µ (Aj) .

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1.3. Eigenschaften von Maßen 13

Bemerkung. Seien (Ω,A, µ) ein Maßraum und (An) eine Folge paarweise disjunkterMengen aus A. Dann folgt aus obigem Satz

µ

∞⋃j=1

Aj

=

∞∑j=1

µ (Aj) ,

was für ein Maß bereits per Definition gilt.

Beweis. Zu (i): B = A ∪ (B\A)⇒ µ (B) = µ (A) + µ (B\A) ≥ µ (A).

Zu (ii): Sei n ∈ N beliebig. Dann∞⋃j=1

Aj ⊃n⋃j=1

Aj .

Mit (i) folgt

µ

∞⋃j=1

Aj

≥ µ n⋃j=1

Aj

=

n∑j=1

µ (Aj) .

Da n ∈ N beliebig folgt (b) (evtl. ∞ ≥∞).

Zu (iii): Setze B1 = A1, B2 = A2\A1, B3 = A3\ (A1 ∪A2) usw. Dann

∞⋃j=1

Aj =∞⋃j=1

Bj

mit Bj alle disjunkt und Bj ∈ R, Bj ⊂ Aj . Es folgt

µ

∞⋃j=1

Aj

=

∞∑j=1

µ (Bj)wg. (i)≤

∞∑j=1

µ (Aj) .

Satz 1.19. Seien R ein Ring und µ : R → [0,∞] additiv. Für folgende Eigenschaften

(i) µ ist σ-additiv.

(ii) Für jede Folge (An) in R mit Ai ⊂ Ai+1 und A =⋃∞j=1Aj ∈ R gilt

µ (A) = limj→∞

µ (Aj) .

(iii) Für jede Folge (An) in R mit Ai ⊃ Ai+1 und A =⋂∞i=1Ai ∈ R gilt

µ (A) = limj→∞

µ (Aj) .

(iii*) wie (iii) mit zus. Vorausetzung µ (A1) <∞.

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14 1.3. Eigenschaften von Maßen

(iv) Für jede Folge (An) in R mit Ai ⊃ Ai+1 und⋂∞j=1Aj = ∅ gilt

limj→∞

µ (Aj) = 0.

gelten die folgenden Implikationen:

(i) ks +3 (ii)

&EE

EEEE

EE

EEEE

EEEEks (iii) ks +3

(iv)

(iii∗)

Man sollte sich insbesondere (iv)⇒ (i) merken!

Beweis. (i)⇒ (ii): Sei (An) eine Folge in R mit Ai ⊂ Ai+1 ∀i und A =⋃∞j=1Aj ∈ R.

Setze B1 = A1, B2 = A2\A1, B3 = A3\ (A1 ∪A2) . . .. Dann A =⋃∞j=1Bj , An =⋃n

j=1Bj Bi ∩Bj = ∅ (i 6= j) .

µ (A) =

∞∑j=1

µ (Bj) = limn→∞

n∑j=1

µ (Bj) = limn→∞

µ (An)

(ii)⇒ (i): Sei (Bn)n eines disjunkte Folge in R mit⋃∞j=1Bj ∈ R. Definiere An =

B1 ∪ . . . ∪ Bn. Dann gilt An ⊂ An+1 und A =⋃∞j=1Bj ∈ R. Mit der Vorgabe von

(ii)

µ

∞⋃j=1

Bj

= limj→∞

µ (Aj) = limj→∞

µ

(j⋃i=1

Bi

)additiv

= limj→∞

j∑i=1

µ (Bi) =

∞∑i=1

µ (Bi) .

(iii)⇒ (iv): Klar.

(iv)⇒ (iii): Seien A1, A2, . . . mit Ai ⊃ Ai+1 und A =⋂∞i=1Ai ∈ R wie in (iii), auf die

Folge An\A ist dann (iv) anwendbar, so dass

µ (Aj) = µ (Aj\A) + µ (A)j→∞−→ µ (A)

(iv)⇒ (i) : Sei (An)n eine disjunkte Folge in R mit A =⋃∞j=1Aj ∈ R, auf die Folge

Bn =⋃∞j=nAj ist dann (iv) anwendbar, so dass

µ (A) = µ

∞⋃j=1

Aj

= µ (A1 ∪ . . . ∪An−1 ∪Bn) =n−1∑j=1

µ (Aj) + µ (Bn)

→∞∑j=1

µ (Aj)

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1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze 15

(ii)⇒ (iii∗): Setze Bn = A1\An, so dass B1

Ai⊃Ai+1

⊂ B2 ⊂ . . . und⋃∞j=1Bj = A1\A,.

Aus (ii) folgt daher

µ (A1\A) = µ

∞⋃j=1

Bj

(ii)= lim

j→∞µ (Bj) = lim

j→∞µ (A1\Aj)

Da alle µ (Aj) als endlich vorausgesetzt sind, gilt

µ (A1)− µ (A) = µ (A1)− limj→∞

µ (Aj) ⇐⇒ µ (A) = limj→∞

µ (Aj) .

Bemerkung. (ii) lässt sich wie folgt darstellen:

An A⇒ µ (An) µ (A)

In dieser Schreibweise wird klar, dass die σ-Additivität des Maßes eine Stetigkeitseigen-schaft ist.

1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze

Wir wollen nun den Weg zum Lebesgue-Maß auf dem Rd einschlagen.

Seien a, b ∈ Rd. Dann ist

((a, b]] = (a1, b1]× . . .× (ad, bd]

ein links offenes Hyperintervall (Quader). Unter einer Figur verstehen wir die endlicheVereinigung von Hyperintervallen. Sei

Fd =

n⋃j=1

((aj , bj ]] : n ∈ N, aj , bj ∈ Rd

die Menge aller Figuren.

Lemma 1.20.

(i) Jede Figur in Fd kann als endliche Vereinigung disjunkter Quader dargestellt wer-den.

(ii) Fd ist ein Ring.

Auf dem Ring Fd definieren wir eine Funktion λ, welche später zum Lebesgue-Maß fort-gesetzt wird.

Definition 1.21. Für A ∈ Fd, A =⋃nj=1((aj , bj ]], ((aj , bj ]] paarweise disjunkt, definieren

wir

λ (A) =

n∑j=1

d∏k=1

(bjk − a

jk

).

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16 1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze

Bemerkung. Man mache sich klar, dass λ (A) wohldefiniert ist für A ∈ Fd, d.h. λ (A)ist unabhängig von der Darstellung durch die Quader, z.B. gilt

(0, 2] = (0, 1] ∪ (1, 2] =(

0,3

2

]∪(3

2, 2].

Lemma 1.22. λ : Fd → [0,∞) ist σ-additiv, λ ist also ein Prämaß.

Der Clou ist nun, dass man das Prämaß λ vom Ring der Figuren auf P(Rd)zu ei-

nem äußeren Maß fortsetzen kann. Dieses äußere Maß ist kein richtiges Maß. Wennman es aber auf die Menge der Lebesgue-messbaren Mengen oder stärker auf die Borel-messbaren Mengen einschränkt (welche beide eine σ-Algebra bilden), so ist dieses äußereMaß tatsächlich wieder σ-additiv, also ein Maß.

Wir führen dieses auf Caratheodory zurück gehende Verfahren im abstrakten Rahmendurch.

Definition 1.23. Eine Funktion µ∗ : P (Ω)→ [0,∞] mit µ∗ (∅) = 0 heißt äußeres Maß,wenn

(i) A ⊂ B ⇒ µ∗ (A) ≤ µ∗ (B)

(ii) (An) ∈ ΩN ⇒ µ∗

∞⋃j=1

Aj

≤ ∞∑j=1

µ∗ (Aj)

Bevor wir lange nach Beispielen suchen (jedes Maß wäre natürlich eins), konstruieren wirein äußeres Maß.

Satz 1.24. Seien Ω eine Menge, R ein Ring und µ : R → [0,∞] additiv. Definiere fürA ∈ P (Ω)

µ∗ (A) = inf

∞∑i=1

µ (Ei) : (En) ∈ RN, A ⊂∞⋃i=1

Ei

.

Dann ist µ∗ : P (Ω)→ [0,∞] ein äußeres Maß.

Beweis. µ∗ (∅) = 0: klar. A ⊂ B ⇒ µ∗ (A) ≤ µ∗ (B): klar. Zum Nachweis von (ii):Nehmen wir an µ∗ (Aj) < ∞, sonst sowieso alles ok. Zu jedem j ∈ N, ε > 0 existierenMengen Eij ∈ R mit Aj ⊂

⋃∞i=1E

ij und µ∗ (Aj) ≥

∑∞i=1 µ

(Eij

)− 2−jε (wir ziehen von

dem möglichen Infimum noch 2−jε ab). Es folgt⋃∞j=1Aj ⊂

⋃∞i,j=1E

ij und deswegen

µ∗

∞⋃j=1

Aj

≤ ∞∑i,j=1

µ(Eij)≤∞∑j=1

(µ∗ (Aj) + 2−jε

)

=

∞∑j=1

µ∗ (Aj)

+ ε

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1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze 17

Wir haben benutzt, dass∑∞

j=1 2−j = 1. Mit dem Grenzübergang ε → 0 folgt die ge-wünschte Aussage.

Wie bereits angedeutet ist ein äußeres Maß im Allgemeinen kein Maß. Auf einer geeig-neten Teilmenge von P (Ω) sind die Maßeigenschaften aber erfüllt.

Definition 1.25. Sei µ∗ : P (Ω) → [0,∞] ein äußeres Maß. Dann heißt A ∈ P (Ω) µ∗-messbar, wenn gilt

∀Q ⊂ Ω: µ∗ (Q) = µ∗ (Q ∩A) + µ∗ (Q ∩Ac) (1.1)

Die Menge aller µ∗-messbaren Mengen bezeichnen wir mit Mµ∗ .

Bemerkung. Für Ω = Rd und λ : Fd → [0,∞) wie oben ist Mλ∗ die Menge derLebesgue-messbaren Teilmengen des Rd.

Satz 1.26. Sei ν : P (Ω) → [0,∞] ein äußeres Maß. Dann sind Mν eine σ-Algebra undν ein Maß auf Mν .

Beweis. Beachte, dass in (1.1) immer “≤” gilt.

Schritt 1: Ziel ist zu zeigen, dass Mν ein Ring ist. “A,B ∈Mν ⇒ A ∪B ∈Mν”, d.h. wirhaben zu zeigen

∀Q ⊂ Ω ν (Q) ≥ ν (Q ∩ (A ∪B)) + ν (Q ∩ (A ∪B)c)

Es gilt

ν (Q ∩ (A ∪B)) + ν (Q ∩ (A ∪B)c)

≤ ν (Q ∩A) + ν (Q ∩ (Ac ∩B)) + ν (Q ∩ (A ∪B)c)

= ν (Q ∩A) + ν ((Q ∩Ac) ∩B) + ν ((Q ∩Ac) ∩Bc)

B∈Mν= ν (Q ∩A) + ν (Q ∩Ac)A∈Mν= ν (Q) ,

wobei die Ungleichung gilt, da ν ein äußeres Maß ist und

Q ∩ (A ∪B) = (Q ∩A) ∪ (Q ∩Ac ∩B) .

Also folgtA ∪B ∈Mν .

Da mit M ∈Mν auch M c ∈Mν , gilt mit A,B ∈Mν auch

B \A = B ∩Ac = (Bc ∪A)c ∈Mν .

Somit ist Mν ein Ring.

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18 1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze

Schritt 2: Seien A1, A2, . . . , An ∈Mν paarweise disjunkt. Dann gilt für Q ⊂ Ω

ν

Q ∩ n⋃j=1

Aj

=

n∑j=1

ν (Q ∩Ai) (1.2)

Wir zeigen (1.2) für n = 2. Seien A,B ∈Mν mit A ∩B = ∅. Dann

ν(Q ∩ (A ∪B)︸ ︷︷ ︸Q′

) = ν(Q ∩ (A ∪B)︸ ︷︷ ︸Q′

∩A) + ν(Q ∩ (A ∪B)︸ ︷︷ ︸Q′

∩Ac)

= ν((Q ∩A ∩A︸ ︷︷ ︸Q∩A

) ∪ (Q ∩B ∩A︸ ︷︷ ︸∅

))

+ ν((Q ∩A ∩Ac︸ ︷︷ ︸∅

) ∪ (Q ∩B ∩Ac︸ ︷︷ ︸B

)

= ν (Q ∩A) + ν (Q ∩B)

Damit ist (1.2) gezeigt für n = 2 und nach Induktion für jedes n.

Schritt 3: Wir zeigen, dass ν σ-additiv aufMν ist. Seien An ∈Mν und An alle paarweisedisjunkt. Wir zeigen zunächst

∞⋃j=1

Aj ∈Mν .

Es gilt wegen (1.2) und⋃nj=1Aj ∈Mν für Q ∈Mν und n ∈ N

ν (Q) = ν

Q ∩ n⋃j=1

Aj

+ ν

Q ∩ n⋃j=1

Aj

c≥

n∑j=1

ν (Q ∩Aj) + ν

Q ∩ ∞⋃j=1

Aj

cDa n ∈ N beliebig war, folgt

ν (Q) ≥ ν

Q ∩ ∞⋃j=1

Aj

+ ν

Q ∩ ∞⋃j=1

Aj

calso

⋃∞j=1Aj ∈Mν (das “≤” gilt sowieso). Damit gilt hier “=” und somit, wenn

man Q =⋃∞j=1Aj wählt,

ν

∞⋃j=1

Aj

=∞∑j=1

ν

( ∞⋃k=1

Ak ∩Aj

)=∞∑j=1

ν (Aj) .

ν ist damit σ-additiv.

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1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze 19

Schritt 4: (Mν in der Tat σ-Algebra) Sei (Bn) ∈MNν . Setze A1 = B1, A2 = B2\B1, A3 =

B3\ (B1 ∪B2) usw. Damit (An) paarweise disjunkt und

∞⋃j=1

Bj =

∞⋃j=1

Aj ∈Mν (Schritt 3).

Der Beweis ist vollständig.

Satz 1.27 (Fortsetzungssatz von Caratheodory). Seien R ⊂ P (Ω) ein Ring, µ : R →[0,∞] ein Prämaß und µ∗ : P (Ω) → [0,∞] das zugehörige äußere Maß. Dann gilt R ⊂Mµ∗ und

∀A ∈ R : µ∗ (A) = µ (A) (1.3)

Das Prämaß µ kann also zu einem Maß auf σ (R) bzw. zu einem Maß auf Mµ∗ ⊃ σ (R)fortgesetzt werden.

Beweis. Zunächst zeigen wir (1.3). Es gilt “≤” in (1.3), da die Folge A, ∅, ∅, . . . einezulässige Überdeckung von A ist. O.B.d.A. µ∗ (A) <∞, sonst Aussage ok. Sei (An) ∈ RN

mit A ⊂⋃∞j=1Aj . Dann

A =

∞⋃j=1

(Aj ∩A)

und mit Satz 1.18

µ (A) ≤∞∑j=1

µ (A ∩Aj) ≤∞∑j=1

µ (Aj) ,

da µ σ-additiv. Nach Definition von µ∗ (A) folgt µ (A) ≤ µ∗ (A).

Wir zeigen nun R ⊂Mµ∗ . Seien A ∈ R, Q ⊂ Ω. Zu zeigen:

µ∗ (Q) ≥ µ∗ (Q ∩A) + µ∗ (Q ∩Ac) .

Wieder o.B.d.A µ∗ (Q) <∞ angenommen. Sei (An) ∈ RN mit Q ⊂⋃∞j=1Aj , dann gilt

Q ∩A ⊂∞⋃j=1

(Aj ∩A) , (1.4)

Q ∩Ac ⊂∞⋃j=1

(Aj ∩Ac) =∞⋃j=1

(Aj\A) . (1.5)

Damit folgt nun

∞∑j=1

µ (Aj) =∞∑j=1

µ (Aj ∩A) +∞∑j=1

µ (Aj ∩Ac) ≥ µ∗ (Q ∩A) + µ∗ (Q ∩Ac) .

Nach Definition von µ∗ (Q) als Infinium nun auch µ∗ (Q) ≥ µ∗ (Q ∩A)+µ∗ (Q ∩Ac).

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20 1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze

Satz 1.28. Seien µ und ν Maße auf einer σ-Algebra A auf Ω, welche auf einem durch-schnittsstabilen Erzeuger E ⊂ P (Ω) übereinstimmen. µ und ν seien auf E σ-endlich.Dann gilt

µ = ν

Definition 1.29. Ein Mengensystem E ⊂ P (Ω) heißt durchschnittsstabil, wenn gilt

A,B ∈ E ⇒ A ∩B ∈ E .

Definition 1.30. Seien E ⊂ P (Ω) ein Mengensystem und µ : E → [0,∞]. Dann heißt µσ-endlich, wenn es eine Folge (An) ∈ EN gibt mit

∀i : (µ (Ai) <∞ , Ai ⊂ Ai+1) , Ω =

∞⋃i=1

Ai.

Beispiel.

– Jedes endliche Maß ist σ-endlich (wähle Ai = Ω)

– # ist σ-endlich auf P (Q), da Q abzählbar. # bezeichnet das Zählmaß

– F1 ∩ Q ist ein Erzeuger von P (Q), aber # ist nicht σ-endlich auf F1 ∩ Q. Da# (A) =∞ für A ∈ F1 ∩Q

Beispiele für Nicht-Eindeutigkeit:

– Sei R ⊂ P (R) der Ring aller Teilmengen von R mit endlichen vielen Elemen-ten (Punkten). σ (R) ist die σ-Algebra derjenigen Mengen, welche höchstens ab-zählbar sind oder deren Komplemente höchstens abzählbar sind. Seien µ : R →[0,∞], µ (A) = 0 ∀A ∈ R und für r ∈ [0,∞] beliebig setze

µr : σ (R)→ [0,∞], µr (A) =

0, falls A höchstens abzählbar,r, falls A überabzählbar.

Dann ist jedes µr ein Maß und eine Fortsetzung von µ auf σ (R). µr ist nicht σ-endlich auf R, denn R kann nicht als Vereinigung von Mengen mit endlichen vielenElementen dargestellt werden.

– # und 2# sind beides Maße auf P (Q), aber sie stimmen auf dem Erzeuger F1 ∩Qüberein (dort unendlich).

Definition 1.31. Ein Mengensystem E ⊂ P (Ω) mit den Eigenschaften

(i) ∅ ∈ E ,

(ii) A ∈ E ⇒ Ac ∈ E ,

(iii) (An) ∈ EN mit Ai ∩Aj = ∅ für alle i 6= j ⇒∞⋃j=1

Aj ∈ E .

heißt Dynkin-System.

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1.4. Existenz- und Eindeutigkeitssätze 21

Bemerkung. Jede σ-Algebra ist ein Dynkin-System. Zu einem gegebenen E ⊂ P (Ω)bezeichnet

D (E) =⋂A | A ⊃ E , A Dynkin-System

das kleinste Dynkin-System, welches E umfasst.

Lemma 1.32. Sei D ein Dynkin-System. Dann gelten

(i) (D1, D2 ∈ D, D1 ⊂ D2)⇒ D2\D1 ∈ D,

(ii) D durchschnittsstabil ⇒ D bereits σ-Algebra.

Beweis. Einfach.

Lemma 1.33. Sei E ⊂ P (Ω) durchschnittsstabil. Dann gelten

(i) D (E) ist ebenfalls durchschnittsstabil,

(ii) σ (E) = D (E).

Die zweite Aussage ist besonders wichtig!!!

Beweis. σ (E) ⊃ D (E) gilt nach Definition von D (E) (es gibt mehr Dynkin-Systeme).Die Inklusion σ (E) ⊂ D (E) folgt aus (i) und 1.32(ii) und σ (E) kleinste σ-Algebra.

Wir haben noch (i) zu zeigen. Wir zeigen

D (E) ⊂ DD = Q ∈ D (E) | Q ∩D ∈ D(E) für jedes D ∈ D(E).

Die umgekehrte Inklusion „⊃“ gilt bereits nach Definition.

Sei nun D ∈ D (E) beliebig. DD ist ein Dynkin-System (kein Problem). Um D (E) ⊂ DDzu zeigen, ist es also ausreichend, E ⊂ DD zu zeigen. Definiere

D = D ∈ D (E) | E ⊂ DD .

Es genügt nun zu zeigen D (E) ⊂ D. D selbst ist ein Dynkin-System und D ⊃ E , da Edurchschnittsstabil. Es gilt also D (E) ⊂ D und damit ist (i) bewiesen.

Korollar 1.34. Sei E ⊂ P (Ω) durchschnittsstabiler Erzeuger der σ-Algebra A ⊂ P (Ω).Seien µ und ν endliche Maße, welche auf E ∪ Ω übereinstimmen. Dann ist µ ≡ ν aufA.

Beweis. SetzeD = A ∈ A | µ (A) = ν (A) .

Wir wissen E ⊂ D. D ist Dynkin-System (beachte die Endlichkeit von µ und ν); es giltalso D(E) ⊂ D. Mit Hilfe von Lemma 1.33(ii) erhalten wir

A = σ(E) = D(E) ⊂ D ⊂ A, also D = A,

woraus sich nun die Behauptung ergibt.

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22 1.5. Lebesgue-Maß

Kommen wir nun zum Beweis des Eindeutigkeitssatzes:

Beweis von Satz 1.28. Sei (En) ∈ EN mit Ei ⊂ Ei+1, µ (Ei) < ∞ für jedes i und⋃∞j=1Ej = Ω. Es gilt µ (Ei) = ν (Ei) für alle i (Vorgabe). Für A ∈ A setze

µn (A) = µ (A ∩ En) νn (A) = ν (A ∩ En)

µn und νn sind endliche Maße, also µn = νn für alle n. Außerdem

µ (A) = limn→∞

µ (A ∩ En) = limn→∞

ν (A ∩ En) = ν (A) .

1.5. Lebesgue-Maß

Mit Hilfe der Existenz- und Eindeutigkeitsätze über Forsetzungen können wir nun dasLebesgue-Maß definieren:

Definition 1.35. Das Lebesgue-Maß λd : B(Rd)→ [0,∞] ist dasjenige eindeutige Maß,

welches man als Fortsetzung des Prämaßes λ : Fd → [0,∞) (siehe Definition 1.21) erhält.Es gilt also für A ∈ B

(Rd)

λd (A) = inf

∞∑j=1

λ (Ij) : Ij = ((aj , bj ]] : aj , bj ∈ Rd, A ⊂∞⋃j=1

Ij

Bemerkung. Oft spricht man auch bei λd : B

(Rd)→ [0,∞] vom Lebesgue-Borel-Maß

und bezeichnet als Lebesgue-Maß dasjenige eindeutige Maß λd : Mλ∗(Rd)→ [0,∞], wel-

ches man ebenfalls als Fortsetzung erhält. In diesem Sinne ist das Lebesgue-Borel-Maßeine Einschränkung des Lebesgue-Maßes.

Es giltB(Rd)$Mλ∗

(Rd)$ P

(Rd),

wobei der Nachweis der “ 6=”-Relationen – insbesondere der zweiten – jeweils recht kniffligist.

Ein Maßraum (Ω,A, µ) heißt vollständig, falls jede Teilmenge einer Menge A ∈ A mitµ (A) = 0 (“Nullmenge”) selbst Element von A ist.

(Rd,B

(Rd), λd)ist nicht vollständig,

wohl aber(Rd,Mλ∗

(Rd), λd). Außerdem:

– Mächtigkeit(B(Rd))=Mächtigkeit(Rd)

– Mächtigkeit(Mλ∗(Rd))=Mächtigkeit(P

(Rd))

Was ist nun λ ([a, b])? Für I = [a, b] setzen wir In =(a− 1

n , b]und erhalten mit den

bekannten Sätzen

λ (I) = λ

( ∞⋂n=1

In

)= lim

n→∞λ (In) = lim

n→∞

(b−

(a− 1

n

))= b− a.

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1.5. Lebesgue-Maß 23

Satz 1.36. Das Lebesgue-Maß kann wie folgt charakterisiert werden:

(i) Für x ∈ Rd und A ∈ B(Rd)gilt

λd (x+A) = λ (A) . (Translationsinvarianz)

(ii) Sei µ : B(Rd)→ [0,∞] ein Maß mit µ

((0, 1]d

)<∞ und Eigenschaft (i). Dann gilt

mit m = µ((0, 1]d

)∀A ∈ B(Rd) : µ (A) = mλd

((0, 1]d

).

Bemerkung.x+A =

y ∈ Rd | ∃a ∈ A : y = x+ a

Beweis. zu (i): µ : B

(Rd)→ [0,∞]; A 7→ µ (A) = λd (x+A)

∀A ∈ Fd : µ (A) = λd (x+A) = λd (A) .

Die Eindeutigkeit der Fortsetzung liefert die Behauptung von (i).

zu (ii): Man zeigt, dass für Quader der Form ((a, b]] mit

a, b ∈x ∈ Rd|∀i ∈ 1, . . . , d ∃k, n ∈ Z : xi = k2n

µ und mλd übereinstimmen und dass diese B

(Rd)erzeugen.

Ein weiterer Satz

Satz 1.37. Für jedes A ∈ B(Rd)gilt

λd (A) = infλd (O) |A ⊂ O,O ⊂ Rd offen

= sup

λd (M) |M ⊂ A,M ⊂ Rd kompakt

.

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2. Integrationstheorie

2.1. Messbare Abbildungen

Vorbemerkung: Wir definieren die Menge R = [−∞,∞] über R = R ∪ −∞,∞. DasMengensystem

A ∈ P(R)|∃B ∈ B (R) ∃E ⊂ −∞,∞ : A = B ∪ E

ist eine σ-Algebra auf R und wird Borelsche σ-Algebra genannt. Diese wird z.B. erzeugtdurch Mengen der Form

[−∞, a] oder [−∞, a) für a ∈ R.

Zunächst legen wir fest, welche Funktionen wir überhaupt integrieren wollen:

Definition 2.1. Seien (Ω,A) , (Ω′,A′) Messräume. Dann heißt f : Ω→ Ω′ messbar, fallsgilt

∀A′ ∈ A′ : f−1(A′)

=x ∈ Ω|f (x) ∈ A′

∈ A

Bemerkung. Eigentlich müsste man ein solches f A-A′ messbar nennen, d.h. die betei-ligten σ-Algebren mit notieren.

Bemerkung.

(i) Für A = P (Ω) ist jede Funktion f : Ω→ Ω′ messbar

(ii) Wenn f : (Ω,A)→ (Ω′,A′) messbar und g : (Ω′,A′)→ (Ω′′,A′′) messbar, so folgt,dass (g f) : (Ω,A)→ (Ω′′,A′′) messbar.

(iii) Sei E Erzeuger von A′ und es gelte: ∀A′ ∈ E : f−1 (A′) ∈ A. Dann ist f bereits A -A′ messbar. Denn

A′ ∈ A′ : f−1(A′)∈ A

ist eine σ-Algebra (vgl. Übungsaufgabe I.1.d) und enthält E .

(iv) Seien (Ω, T ) und (Ω′, T ′) topologische Räume und f : Ω → Ω′ stetig. Dann ist fσ (T )-σ (T ′) messbar.

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2.1. Messbare Abbildungen 25

Lemma 2.2. Die folgenden Aussagen sind für f : (Ω,A)→ R äquivalent

(i) ∀a ∈ R : x ∈ Ω | f (x) > a ∈ A

(ii) ∀a ∈ R : x ∈ Ω | f (x) ≥ a ∈ A

(iii) ∀a ∈ R : x ∈ Ω | f (x) < a ∈ A

(iv) ∀a ∈ R : x ∈ Ω | f (x) ≤ a ∈ A

Beweis. vgl. Übungsaufgabe IV.2.

Folgende Eigenschaften sind häufig sehr hilfreich:

Lemma 2.3.

(i) Sei f : (Ω,A)→ R messbar. Dann sind auch −f, |f | : (Ω,A)→ R messbar.

(ii) Sei (fn) eine Folge messbarer Funktionen fn : (Ω,A) → R. Dann sind auch diedurch

a) g1 (x) = infn∈N fn (x)

b) g2 (x) = supn∈N fn (x)

c) g3 (x) = lim infn→∞ fn (x)

d) g4 (x) = lim supn→∞ fn (x)

definierten Funktionen gi : (Ω,A)→ R messbar.

(iii) Seien f, g : (Ω,A)→ R messbar. Dann sind auch

min f, g , max f, g , f + g, fg

messbar, insbesondere auch f+ = max f, 0 und f− = −min f, 0

Beweis. zu (i)x ∈ Ω | − f(x) > a = x ∈ Ω | f(x) < −a ∈ A

wegen Lemma 2.2

x ∈ Ω | |f(x)| < a = x ∈ Ω | f(x) < a ∩ x ∈ Ω | f(x) > −a ∈ A

wegen Lemma 2.2 und A σ-Algebra

zu (ii) Übung

zu (iii) Zunächst zeigen wir, dass f2 messbar.x ∈ Ω | f2(x) < a

=x ∈ Ω | f(x) <

√a∩x ∈ Ω | f(x) > −

√a

also f2 messbar (nach Lemma 2.2). Betrachten wir nun die Menge

x ∈ Ω | f (x) + g (x) < a =⋃r∈Q

(x| f(x) < r ∩ x| g(x) < a− r)

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26 2.2. Das Lebesgue-Integral

also f + g messbar. Die Funktion fg ist messbar, denn

(fg) (x) =1

4

((f (x) + g (x))2 − (f (x)− g (x))2

)und dies ist eine Verkettung von messbaren Funktionen.

Beachte

max (f (x) , g (x)) = f (x) ∨ g (x) =1

2(f (x) + g (x)) + |f (x)− g (x) |)

undmin (f (x) , g (x)) = f (x) ∧ g (x) =

1

2(f (x) + g (x)− |f (x)− g (x) |) .

Als Verkettung messbarer Funktion sind diese wieder messbar.

2.2. Das Lebesgue-Integral

Definition 2.4. Eine Funktion s : (Ω,A, µ) → R heißt Treppenfunktion (Elementar-funktion), falls sie endlich viele Werte annimmt. Jede solche Funktion lässt sich schreibenin der Form

s (x) =

n∑i=1

ci 1Ai (x)

wobei ci ∈ R und Ai ⊂ Ω (zumeist Ai ∈ A) mit Ai ∩Aj = ∅ für i 6= j. Man spricht dannvon einer Darstellung in Normalform.1

Hierbei bezeichet wie üblich 1A die durch

1A (x) =

1, x ∈ A,0, x /∈ A

definierte Indikatorfunktion.

Bemerkung. Die Darstellung von s ist natürlich nicht eindeutig. s ist genau dann mess-bar, wenn Ai ∈ A für jedes i.

Beispiel.

s : R→ R; s (x) = −21(−2,0)∪(0,1) (x) + 310 (x) + 1[1,∞) (x)

Satz 2.5. Sei f : (Ω,A, µ) → R. Dann existiert eine Folge (sn) von Treppenfunktionenmit

∀x ∈ Ω : sn (x)→ f (x) , n→∞

Wenn f messbar, dann können die sn als messbar gewählt werden. Wenn f ≥ 0, dannkann (sn) als wachsende Folge gewählt werden.

1In der Vorlesung wurde der Begriff „Normalform“ unpräzise verwendet.

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2.2. Das Lebesgue-Integral 27

Beweis. Sei f ≥ 0. Für n ∈ N und i ∈ 1, 2, 3, ..., n2n und setze

An,i =

x ∈ Ω | i− 1

2n≤ f (x) <

i

2n

, Fn = x ∈ Ω | f (x) ≥ n

und

sn (x) =

(n2n∑i=1

i− 1

2n1An,i (x)

)+ n1Fn (x)

⇒ sn (x)→ f (x) , sn (x) ≤ sn+1 (x)

Falls nicht f ≥ 0, setze f = f+ − f− und wende Verfahren auf f+, f− an.

Definition 2.6. Sei f : (Ω,A, µ) → R messbar und nichtnegativ, und A ∈ A. Danndefinieren wir

ˆAf (x) dµ (x) = sup IA (s) | s Treppenfunktion und 0 ≤ s ≤ f in A ,

wobei

IA (s) =n∑i=1

ciµ (A ∩Ai)

und ci, Ai wie in Definition 2.4. Das so definierte Integral kann den Wert unendlichannehmen. Wir nennen ˆ

Af (x) dµ (x)

das Integral von f auf der Menge A bzgl. des Maßes µ. Schreibweise oft auchˆAf dµ .

Zuletzt noch die Erweiterung für Funktionen, welche auch negative Werte annimmt.

Lemma 2.7. Sei s : Ω → [0,∞) eine messbare nichtnegative Treppenfunktion mit denbeiden Darstellungen in Normalform

s (x) =

m∑j=1

bj 1Bj (x) =

n∑i=1

ci1Ai(x).

Dann gilt

IΩ (s) =

m∑j=1

bjµ (Bj) =

n∑i=1

ciµ (Ai) .

„Der Wert des Integrals einer Treppenfunktion ist unabhängig von der Darstellung der-selben.“

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28 2.2. Das Lebesgue-Integral

Beweis. Sei A0 = Ω\⋃ni=1Ai, B0 = Ω\

⋃mj=1Bj . Dann ist

Ω =n⋃i=0

Ai =m⋃j=0

Bj .

Es folgt für jedes i und j

Ai =m⋃j=0

(Ai ∩Bj) , Bj =n⋃i=0

(Bj ∩Ai)

mit

(Ai ∩Bj) ∩ (Ai ∩Bl) = ∅ j 6= l,

(Bj ∩Ai) ∩ (Bj ∩Ak) = ∅ i 6= k.

Da µ additiv

µ (Ai) =m∑j=0

µ (Ai ∩Bj) , (2.1)

µ (Bj) =

n∑i=0

µ (Bj ∩Ai) . (2.2)

für alle i, j. Mit c0 = b0 = 0 und (falls nötig) 0 · ∞ = 0.n∑i=0

ciµ (Ai)(2.1)=

n∑i=0

ci

m∑j=0

µ (Ai ∩Bj) =n∑i=0

m∑j=0

ciµ (Ai ∩Bj)

m∑j=0

biµ (Bj)(2.2)=

m∑j=0

bj

n∑i=0

µ (Bj ∩Ai) =n∑i=0

m∑j=0

bjµ (Ai ∩Bj)

Für jeden der (n+ 1) (m+ 1) Summanden beachtet man:

– falls µ (Ai ∩Bj) = 0, dann kein Beitrag,

– falls µ (Ai ∩Bj) > 0, dann ci = bj , da s Ai∩Bj= ci = bj , wegen Wohldefiniertheitvon s. Die Indizes i = j = 0 können weggelassen werden.

Definition 2.8. Seien (Ω,A, µ) ein Maßraum, A ∈ A, f : Ω→ R messbar. Man nennt fintegrabel (im Sinne von Lebesgue) über A, falls die beiden Ausdrücke

ˆAf+dµ,

ˆAf−dµ

endlich sind und definiert ˆAfdµ =

ˆAf+dµ−

ˆAf−dµ.

Die Menge aller integrablen Funktionen über A bezeichnet man mit L1 (A).

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2.2. Das Lebesgue-Integral 29

Bemerkung.

(i) Später sehen wir, dass die Menge L1 (A) mit einer Norm versehen zu einem Banach-Raum gemacht werden kann.

(ii) L1(Rd)bezeichnet die Menge (den Banach-Raum, siehe (i)) aller B

(Rd)−B

(R)-

messbaren Funktionen, für welcheˆRdf+dλd,

ˆRdf−dλd

endlich sind.

Mögliche Notation für Ω ⊂ Rd :ˆ

Ωfdλd,

ˆΩf(x)dλd (x) ,

ˆΩfdλ,

ˆΩf (x) dλ (x) ,

ˆΩf(x)dx

Lemma 2.9. Seien (Ω,A, µ) ein Maßraum, A ∈ A.

(i) f : A→ R messbar, supx |f (x) | <∞, µ (A) <∞⇒ f ∈ L1 (A)

(ii) µ (A) <∞, ∀x ∈ A : a ≤ f (x) ≤ b⇒ aµ (A) ≤´A fµ ≤ bµ (A)

(iii) f ∈ L1 (A) , c ∈ R⇒ cf ∈ L1 (A) und´A cfdµ = c

´A fdµ

(iv) f, g ∈ L1 (A) , ∀x ∈ A : f (x) ≤ g (x)⇒´A fdµ ≤

´A gdµ

(v) f ∈ L1 (A) , A 3 A′ ⊂ A⇒ f ∈ L1 (A′)

(vi) µ (A) = 0, f ∈ L1 (A)⇒´A fdµ = 0

Beweis. Man beweist (i)-(vi), indem man die Aussagen für Treppenfunktionen beweist(Übungsaufgabe) und dann für allgemeine Funktionen f und g durch Approximation.(z.B. in einer mündlichen Prüfung).

Bemerkung. Noch nicht bewiesen ist:

f, g ∈ L1 (A)⇒ˆA

(f + g) dµ =

ˆAfdµ+

ˆAgdµ

Satz 2.10. Seien (Ω,A, µ) ein Maßraum und f : Ω → [0,∞] messbar und nichtnegativ.Dann ist die Abbildung

ν : A → [0,∞]; ν (A) =

ˆAfdµ

ein Maß.

Beweis. Sei (An) ∈ AN und die An seien paarweise disjunkt. Zu zeigen ist nur noch (allesandere klar) mit A =

⋃∞n=1An die Eigenschaft

ν (A) =∞∑n=1

ν (An) .

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30 2.3. Konvergenzsätze der Integrationstheorie

Zunächst gilt die Behauptung für Funktionen f des Typs f = 1E mit einer MengeE ∈ A. Dann ist

ν (B) =

ˆB1Edµ = µ (E ∩B)

Die Abbildung A → [0,∞]; B 7→ µ (E ∩B) ist ein Maß, da µ Maß und insbesondere µσ-additiv.

Sei nun f eine allgemeine Funktion, messbar und nichtnegativ.

2.3. Konvergenzsätze der IntegrationstheorieDie Vorlesungvom 17.11. fehlt Satz 2.11 (Satz von Beppo Levi).

Satz 2.12 (Lemma von Fatou).

Wir können nun (endlich) die Linearität des Lebesgue-Integrals beweisen.

Satz 2.13. Sei (Ω,A, µ) ein Maßraum. Dann giltˆΩ

(f + g) dµ =

ˆΩfdµ+

ˆΩgdµ

Beweis. Die Aussage ist bereits bewiesen für Treppenfunktionen. Zunächst gelte f, g ≥ 0.Seien (sfn) und (sgn) Folgen von approximierenden Treppenfunktionen wie in Satz 2.5, d.h.insbesondere wachsend. Setze nun sn = sfn + sgn. Da (sn) ebenfalls wachsendˆ

Ωsndµ =

ˆΩsfndµ+

ˆΩsgndµ

mit dem Satz von Beppo Levi folgtˆΩ

(f + g) dµ =

ˆΩfdµ+

ˆΩgdµ

Sei nun f ≥ 0, g ≤ 0. Setze

A = x ∈ Ω | (f + g) (x) ≥ 0 und B = x ∈ Ω | (f + g) (x) ≤ 0 .

Dann (da Integration linear für nichtnegative Funktionen wie eben gezeigt)ˆAf dµ =

ˆA

(f + g) dµ+

ˆA

(−g) dµ

ˆB

(−g) dµ =

ˆB− (f + g) dµ+

ˆBf dµ

⇒ˆAf dµ+

ˆBf dµ =

ˆA

(f + g) dµ+

ˆB

(f + g) dµ−ˆAg dµ−

ˆBg dµ

ˆΩf dµ =

ˆΩ

(f + g) dµ−ˆ

Ωg dµ

Die übrigen Fälle beweist man analog.

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2.3. Konvergenzsätze der Integrationstheorie 31

Definition 2.14. Sei (Ω,A, µ) ein Maßraum und f, fn messbare Funktionen Ω → R.Man sagt

(i) fn konvergiert µ-fast überall in Ω gegen f , wenn es eine Nullmenge N ∈ A, µ (N) =0 gibt derart, dass

∀x ∈ Ω \N : fn (x)→ f (x) für n→∞.

(ii) fn konvergiert µ-fast gleichmäßig in Ω gegen f, wenn es zu jedem ε > 0 eine MengeE ∈ A gibt mit den beiden Eigenschaften

µ (Ω \ E) < ε und supx∈E|fn(x)− f(x)| → 0 für n→∞.

(Gleichmäßige Konvergenz auf E)

Bemerkung.

– Für Ω ⊂ Rd sagt man anstelle von „λd-fast überall“ einfach „fast überall“.

– Es kann vorkommen, dass die Menge x ∈ Ω | fn (x) konvergiert nicht gegen f(x)nicht messbar ist, obwohl fn → f µ-fast überall. Sie ist dann in einer Nullmengeenthalten.

– fn → f µ-fast gleichmäßig impliziert fn → f µ-fast überall.

Satz 2.15 (Satz v. Lebesgue, Satz über die majorisierte Konvergenz). Seien (Ω,A, µ)ein Maßraum, (fn) eine Folge messbarer Funktionen mit |fn| ≤ g µ-fast überall für eineFunktion g ∈ L1(Ω). Weiterhin existiere eine messbare Funktion f mit f(x) = lim

n→∞fn(x)

für µ-fast alle x ∈ Ω. Dann giltˆΩfn dµ→

ˆΩf dµ für n→∞ (2.3)

und ˆΩ|fn − f | dµ→ 0 für n→∞. (2.4)

Beweis. Wegen |fn| ≤ g gilt fn, f ∈ L1 (Ω). Es gilt fn+g ≥ 0. (g ≥ 0 wegen der Vorgabe),also mit dem Lemma von Fatouˆ

Ω(f + g) dµ ≤ lim inf

n→∞

ˆΩ

(fn + g) dµ

⇒ˆ

Ωfdµ ≤ lim inf

n→∞

ˆΩfndµ.

Da aber auch gilt g − fn ≥ 0, folgt analogˆΩ

(−f) dµ ≤ lim infn→∞

ˆΩ

(−fn) dµ

⇒ˆ

Ωfdµ ≥ lim sup

n→∞

ˆΩfndµ.

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32 2.3. Konvergenzsätze der Integrationstheorie

Damit ist (2.3) bewiesen.

Zum Nachweis von (2.4) setzt man hn = |fn − f | und wendet (2.3) auf (hn) an. Beachtehierzu hn → 0 µ-fast überall und hn = |fn − f | ≤ |fn|+ |f | ≤ |g|+ |f | ∈ L1(Ω).

Beispiel.

(i) Wie eben fn = n21[0,1/n]. Dann für x 6= 0 limn→∞ fn (x) = 0 = f (x), aberˆ

fndλ = n→∞ 6= 0.

(ii) Seien fn : [a, b] → R messbar mit |fn(x)| ≤ K für jedes x und jedes n. Wennzusätzlich gilt ∀x : fn (x)→ f (x) , dann

ˆ[a,b]

fndλ→ˆ

[a,b]fdλ.

Hierbei kann die Folge (fn) recht wild aussehen.

Warnung: Wenn fn : R → R mit |fn (x) | ≤ K für jedes n und x, so gibt es imAllgemeinen keine Majorante g mit |fn| ≤ g und g ∈ L1 (R).

Satz 2.16 (Egorov). Sei (Ω,A, µ) ein Maßraum mit µ (Ω) <∞. Dann gilt

(fn → f µ-fast überall)⇒ (fn → f µ-fast gleichmäßig) .

Beweis. O.B.d.A. nehmen wir an, dass bereits für jedes x ∈ Ω:

f (x) = limn→∞

fn (x) .

Für k,m ∈ N setze

Bkm =

⋂n>m

x ∈ Ω | |fn (x)− f (x) | < 1

k

.

Für jedes k gilt dannBk

1 ⊂ Bk2 ⊂ . . .

und ⋃m∈N

Bkm = Ω.

Seien nun ε > 0 und k ∈ N fest gewählt. Wähle mk derart, dass

µ(

Ω \Bkmk

)<

ε

2k;

dies ist wegen µ(Ω) <∞ möglich. Setze nun

E =

∞⋂k=1

Bkmk

=

∞⋂k=1

⋂n>mk

x ∈ Ω | |fn (x)− f (x) | < 1

k

.

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2.3. Konvergenzsätze der Integrationstheorie 33

Dann gilt

µ (Ω \ E) = µ

( ∞⋃k=1

(Ω \Bk

mk

))≤∞∑k=1

µ(

Ω \Bkmk

)≤∞∑k=1

ε

2k≤ ε.

Auf E gilt aber nach Konstruktion, dass fn gleichmäßig gegen f konvergiert.

Definition 2.17. Sei (Ω,A, µ) ein Maßraum und f, fn : Ω → R messbare Funktionen.Man sagt dann

(fn) konvergiert auf Ω im Maß µ gegen f , bzw.(fn) konvergiert auf Ω gegen f dem Maß µ nach, bzw.(fn) konvergiert auf Ω gegen f im Maßsinne,wenn für jedes ε > 0 gilt

µ (x ∈ Ω | |fn (x)− f (x) | > ε)→ 0 für n→∞.

Satz 2.18. Seien (Ω,A, µ) ein Maßraum und f, fn : Ω→ R messbare Funktionen. Danngilt

(i) Wenn fn → f dem Maß µ nach, dann existiert eine Teilfolge (fnk)k mit fnkk→∞−→ f

µ-fast überall.

(ii) Wenn µ (Ω) <∞ und fn → f µ-fast überall, so folgt fn → f dem Maß µ nach.

Beweis. zu (i): Sei (nk)k eine Folge derart, dass für

Ek =

x ∈ Ω | |fnk (x)− f (x) | > 1

k

gilt µ (Ek) ≤ 1

k2. Dann gilt

µ

⋃k≥m

Ek

≤ ∞∑k=m

1

k2

und die Menge E =⋂m

⋃k≥mEk erfüllt µ (E) = 0

⇒ Ω \ E =⋃m

⋂k≥m

x ∈ Ω | |fnk (x)− f (x) | ≤ 1

k

also f (x) = limk→∞ fnk (x) für jedes x ∈ Ω \ E.

zu (ii): Sei δ > 0. Nach dem Satz von Egorov existiert ein E ∈ A mit µ (Ω \ E) ≤ δund supx∈E |fn (x)− f (x) | → 0 für n→∞.

x ∈ Ω | |fn(x)− f(x)| > ε= x ∈ E | |fn (x)− f (x) | > ε ∪ x ∈ Ω \ E | |fn (x)− f (x) | > ε

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34 2.3. Konvergenzsätze der Integrationstheorie

in der ersten Menge der rechten Seiten haben wir gleichmäßige Konvergenz. Diezweite Menge ist klein nach der Wahl von E. Also

µ (x ∈ Ω | |fn (x)− f (x) | > ε) ≤ 0 + δ

für n ≥ n0 (ε).

Zwei wichtige Anwendungen

Satz 2.19. Sei f : [a, b] → R messbar. Ist f im klassischen Sinne integrabel (f Regel-funktion oder f Riemann-integrabel), so gilt f ∈ L1 ([a, b]) und

ˆ b

af (x) dx =

ˆ[a,b]

fdλ

Beweis. f ist beschränkt, also f ∈ L1 ([a, b]) . Seien (s+n ) eine fallende und (s−n ) eine

wachsende Folge von Treppenfunktionen mit

∀x : s−n (x) ≤ s+n (x) ,

ˆ b

as+n (x) dx

ˆ b

af (x) dx,

ˆ b

as−n (x) dx

ˆ b

af (x) dx

Mitgn (x) := s+

n (x)− s−n (x) , g (x) = limn→∞

gn (x)

mit dem Lemma von Fatou folgt

0 ≤ˆ

[a,b]gdλ ≤ lim

n→∞

ˆ[a,b]

(s+n − s−n

)dλ = 0

Also ist g = 0 fast überall in [a, b] und wegen s−n ≤ f ≤ s+n fast überall folgt

s−n → f ← s+n f.ü.

Die Aussage folgt nun mit Hilfe von Satz 2.15.

Achtung: Es gibt Funktionen, welche im klassischen Sinne uneigentlich integrabel sind,aber nicht Lebesgue-integrabel.

Beispiel.

f : R→ R; f (x) =

sinxx , x 6= 0

1 , x = 0

Es existiertlimn→∞

ˆ n

0

sinx

xdx

aber nicht

limn→∞

ˆ n

−n

(sinx

x

)+

dx

(kein “Wegheben” von positiven und negativen Anteilen bei f+ und f− )

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2.3. Konvergenzsätze der Integrationstheorie 35

Satz 2.20. Sei f : R→ [0,∞) messbar und es existiere das klassische Integral

ˆ b

af (x) dx

für jedes Intervall [a, b] ⊂ R. Dann sind äquivalent

(i) f ∈ L1 (R),

(ii) limn→∞

ˆ n

−nf (x) dx existiert.

In diesem Fall gilt

limn→∞

ˆ n

−nf (x) dx =

ˆRf dλ

Frage: Wann gilt

d

dt

ˆRf (t, x) dx︸ ︷︷ ︸

=It(f)para. abh. Integral

=

ˆR

∂tf (t, x)︸ ︷︷ ︸

part. Abl. von fnach t

dx

Satz 2.21. Sei f : R×Rd → R stetig differenzierbar. Sei t0 ∈ R. Es gebe eine UmgebungU ⊂ R von t0 und eine Funktion g ∈ L1

(Rd)derart, dass

(i) ∀t ∈ U : (x 7→ f (t, x)) ∈ L1(Rd)

(ii) ∀t ∈ U,∀x ∈ Rd :

∂f∂t (t, x)

≤ g (x)

Dann giltd

dt

ˆRdf (t0, x) dx =

ˆRd

∂f

∂t(t0, x) dx.

Beweis. Sei (tn) Folge in U mit tn → t0 . Dann´Rd f (tn, x) dx−

´Rd f (t0, x) dx

tn − t0=

ˆRd

f (tn, x)− f (t0, x)

tn − t0dx→

ˆRd

∂f

∂t(t0, x) dx.

Für das erste Gleichheitszeichen haben wir lediglich die Linearität des Integrals ausge-nutzt. Die Konvergenz folgt aus dem Satz von Lebesgue über die majorisitere Konvergenz.Die punktweise Konvergenz folgt aus der Differenzierbarkeit und die Majorante erhältman aus der Voraussetzung (ii) und der Identität∣∣∣∣f (tn, x)− f (t0, x)

tn − t0

∣∣∣∣ =

∣∣∣∣∂f∂t (τ, x)

∣∣∣∣ für ein τ ∈ U.

Bemerkung. Es ist ausreichend zu fordern, dass f stetig partiell differenzierbar nachder ersten Variablen (hier t) ist.

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36 2.4. Die Lp-Räume

2.4. Die Lp-Räume

Wir definieren für einen Maßraum (Ω,A, µ) und p ≥ 1

Lp (Ω) =

f : Ω→ R | f messbar und

ˆΩ|f |pdµ <∞

und

L∞ (Ω) =

f : Ω→ R | f messbar und inf

N∈A,µ(N)=0sup

x∈Ω\N|f (x) | <∞

.

Notation2

ess-supΩ|f | = inf

sup

x∈Ω\N|f (x) | : N ∈ A, µ (N) = 0

ess-infΩ|f | = sup

inf

x∈Ω\N|f (x) | : N ∈ A, µ (N) = 0

Beispiel. f : (0,∞)→ R; f (x) =

x , x ∈ N2 , sonst

supx∈R|f (x) | =∞, ess-sup

x∈R|f (x) | = 2

Lemma 2.22. Für p ∈ [1,∞] ist Lp (Ω) ein Vektorraum.

Beweis. Zu zeigen nur f ∈ Lp (Ω) , g ∈ Lp (Ω)⇒ (f + g) ∈ Lp (Ω). Für p = 1 und p =∞klar nach der Dreiecksungleichung. Für p ∈ (1,∞) verwende die Abschätzung

∀a, b ≥ 0 : (a+ b)p ≤ 2p−1 (ap + bp) .

Wir wollen die Vektorräume Lp (Ω) mit einer Norm versehen und später zeigen, dass siedann Banachräume sind. Als Norm auf Lp (Ω) bietet sich an:

‖f‖p =

Ω|f |pdµ

) 1p

, p ≥ 1

ess-supΩ |f |, p =∞.

Offensichtlich ist ‖ · ‖p keine Norm, denn ‖f‖p = 0 impliziert nicht unbedingt f ≡ 0, d.h.f (x) = 0 für jedes x ∈ Ω.

Sei z.B. f (x) =

7 , x ∈ N0 , x ∈ Ω \N,

wobei µ (N) = 0. Dann gilt ‖f‖p = 0 für p ∈ [1,∞].

2lies: „essentielles Supremum“ bzw. „essentielles Infimum“:

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2.4. Die Lp-Räume 37

Da für diese f aber gilt

∃N : x ∈ Ω | f(x) 6= 0 ⊂ N ∧ µ(N) = 0,

bietet es sich an, diejenigen Funktionen mittels Äquivalenzklassen zu identifizieren, welchesich nur auf Nullmengen (oder kleineren Mengen) unterscheiden. Sei

Np = f ∈ Lp (Ω) | ‖f‖p = 0 .

Setze nun Lp (Ω) = Lp (Ω) /Np, also

[f ] = [g] ⇐⇒ f − g ∈ Np.

Wir werden sehen, dass Lp (Ω) mittels ‖ ·‖p zu einem vollständig normierten Vektorraum(Banach-Raum) wird, wobei

‖[f ]‖p = ‖f‖pVereinbarung: Wir schreiben ab sofort Lp (Ω) anstelle von Lp (Ω), d.h. wir verwendendie Bezeichnung Lp (Ω) auch für den Vektorraum der Äquivalenzklassen von Funktionenaus Lp (Ω).

Satz 2.23 (Satz über die majorisierte Konvergenz, Lp-Version). Seien (Ω,A, µ) ein Maß-raum, p ∈ [1,∞) und (fn) eine Folge messbarer Funktionen mit |fn| ≤ g für eine Funk-tion g ∈ Lp (Ω). Weiterhin existiere eine messbare Funktion f mit f(x) = lim

n→∞fn(x) für

µ-fast alle x ∈ Ω. Dann giltˆΩ|fn − f |pdµ→ 0 (‖fn − f‖p → 0) .

Beweis. Es gilt |fn − f |p ≤ 2p−1 (|fn|p + |f |p) ≤ 2pg fast überall. Mit Satz 2.15 folgtdann für ein Ω′ ⊂ Ω mit µ (Ω′) = µ (Ω)

ˆΩ′|fn − f |pdµ→ 0.

Bemerkung. Beachte, dass ‖fn − f‖p → 0 stets auch ‖fn‖p → ‖f‖p impliziert.

Lemma 2.24 (Wichtige Ungleichungen).

(i) Seien p, q ∈ (1,∞) mit 1p + 1

q = 1. Dann gilt

∀a, b ≥ 0 ab ≤ 1

pap +

1

qbq. (Youngsche Ungl.)

Beweis. Konkavität des Logarithmus, anwenden auf die Punkte x = ap, y = bq

liefert

ln

(1

pap +

1

qbq)≥ 1

pln ap +

1

qln bq =

p

pln a+

q

qln b = ln a+ ln b.

Jetzt exp anwenden.

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38 2.4. Die Lp-Räume

(ii) Für p ≥ 1 und a, b ≥ 0 gilt

(a+ b)p ≤ 2p−1 (ap + bp) .

Bemerkung. Wir nennen zwei Exponenten p, q ∈ [1,∞] zueinander konjugiert, falls1

p+

1

q= 1.

Analog1

p=q − 1

q,

1

q=p− 1

p.

Zugelassen: 11 + 1

∞ = 1

Satz 2.25 (Hölder-Ungleichung). Es gelte 1p + 1

q = 1. Seien f ∈ Lp (Ω) , g ∈ Lq (Ω).Dann gilt

(fg) ∈ L1 (Ω)

und‖fg‖1 ≤ ‖f‖p‖g‖q .

Beweis. Für p = 1, q =∞ (bzw. p =∞, q = 1) Aussage klar, wegenˆ|fg|dµ ≤ ess-sup |g|

ˆ|f |dµ = ‖g‖∞‖f‖1

Es gelte also p, q ∈ (1,∞). Für µ-fast alle Punkte x ∈ Ω gilt dann wegen der YoungschenUngleichung ∣∣∣∣f (x)

‖f‖pg (x)

‖g‖q

∣∣∣∣ ≤ 1

p

|f (x) |p

‖f‖pp+

1

q

|g (x) |q

‖g‖qqNach Integration

1

‖f‖p‖g‖q

ˆ|f (x) g (x) |dµ ≤ 1

p

1

‖f‖pp

(ˆ|f |pdµ

)︸ ︷︷ ︸

‖f‖pp

+1

q

1

‖g‖qq

(ˆ|g|qdµ

)︸ ︷︷ ︸

‖g‖qq

=1

p+

1

q= 1

Satz 2.26. Für 1 ≤ p ≤ ∞ ist Lp (Ω) mit ‖ · ‖p ein normierter Vektorraum.

Beweis. Die Vektorraum-Struktur wurde bereits nachgewiesen. Zur Erinnerung: f, g ∈Lp ⇒ f + g ∈ Lp wegen |f (x) + g (x) |p ≤ 2p−1 (|f (x) |p + |g (x) |p). Von den Norm-Eigenschaften bleibt nur noch die Dreiecksungleichung zu zeigen. Sei p ∈ (1,∞)

‖f + g‖pp =

ˆ|f + g|p−1|f + g|dµ

≤ˆ|f + g|p−1|f |dµ+

ˆ|f + g|p−1|g|dµ

Hölder: ≤ ‖|f + g|p−1‖ pp−1‖f‖p + ‖|f + g|p−1‖ p

p−1‖g‖p

= ‖f + g‖p−1p (‖f‖p + ‖g‖p)

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2.4. Die Lp-Räume 39

⇐⇒ ‖f + g‖p ≤ ‖f‖p + ‖g‖p (Minkowski-Ungleichung)

Für p = 1:

‖f + g‖1 =

ˆ|f + g|dµ ≤

ˆ|f |dµ+

ˆ|g|dµ = ‖f‖1 + ‖g‖1

Für p =∞:

‖f + g‖∞ = ess-sup |f + g| ≤ ess-sup |f |+ ess-sup |g| = ‖f‖∞ + ‖g‖∞

Beispiel.

(i) f : (1, 2)→ R, f /∈ L1 (1, 2)

f (x) =c

(x− a)p, a ∈ [1, 2], p ≥ 1, c ∈ R \ 0

(ii) f : (1,∞)→ R, f /∈ L1 (1,∞)

f (x) =1

x, f (x) = 7

(iii) f : (1,∞)→ R, f /∈ L1 (1,∞) , f ∈ L2 (1,∞)

f (x) =1

x

Satz 2.27 (Fischer-Riesz). Für 1 ≤ p ≤ ∞ ist (Lp (Ω) , ‖ · ‖p) ein Banach-Raum.

Beweis. Für p =∞: Sei (fn) eine Cauchy-Folge in L∞ (Ω), d.h.

∀k ≥ 1 ∃Nk ∀m,n ≥ Nk : ‖fm − fn‖∞ ≤1

k.

Also existiert zu jedem k ∈ N eine Nullmenge Ek mit

∀x ∈ Ω \ Ek∀m,n ≥ Nk : |fm (x)− fn (x) | ≤ 1

k.

Sei E :=⋃∞k=1Ek ⇒ E messbar und µ (E) = 0. Damit ist für jedes x ∈ Ω \ E die

(fn (x))n∈N eine Cauchy-Folge in R. Den Grenzwert (R ist vollständig!!!) nennen wirf (x). Nach Grenzübergang m→∞ erhalten wir

∀n ≥ Nk∀x ∈ Ω \ E : |f (x)− fn (x) | ≤ 1

k.

D.h. (fn) konvergiert gleichmäßig auf Ω \ E gegen f . Also ‖fn − f‖∞ → 0.

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40 2.4. Die Lp-Räume

Für 1 ≤ p <∞: Sei (fn) Cauchy-Folge in Lp (Ω). Da (fn) Cauchy-Folge, existiert maximalein Häufungspunkt. Daher genügt es zu zeigen, dass es eine Teilfolge (fnk)k und einf ∈ Lp (Ω) gibt mit ‖fnk − f‖p → 0. Wähle eine Teilfolge (nk) von (n)n derart, dass

∀m,n ≥ n1 : ‖fm − fn‖p ≤1

2

∀m,n ≥ n2 > n1 : ‖fm − fn‖p ≤1

22

...

∀m,n ≥ nk > nk−1 : ‖fm − fn‖p ≤1

2k

Wir schreiben nun fk anstelle von fnk , also:

∀k ≥ 1 : ‖fk+1 − fk‖p ≤1

2k. (2.5)

Setze:

gn (x) =n∑k=1

|fk+1 (x)− fk (x) |

Dann: 0 ≤ gn (x) ≤ gn+1 (x) ≤ . . .. Wegen (2.5) ‖gn‖p ≤ 1. Für m ≥ n ≥ 2 gilt

|fm (x)− fn (x)| ≤ |fm (x)− fm−1 (x)|+ |fm−1(x)− fm−2(x)|+ . . .+ |fn+1 (x)− fn (x)|≤ gm−1 (x)− gn−1 (x) ≤ gm−1(x).

Seien nun f, g die punktweise definierten Grenzwerte der Folgen (fn) bzw. (gn). Fürm→∞ mit n fest folgt

|f (x)− fn (x) | ≤ g (x) ∈ Lp(Ω).

Mit dem Satz von Lebesgue erhalten wir nun

‖fn − f‖p → 0

und insbesondere f ∈ Lp(Ω).

Beim mathematischen Arbeiten wird sehr häufig folgendes Resultat verwendet:

Satz 2.28. Sei f ∈ Lp (Ω) und (fn) eine Folge in Lp (Ω) mit ‖fn − f‖p → 0. Dannexistieren eine Teilfolge (fnk)k und ein Element h ∈ Lp (Ω) mit

(i) fnk (x)→ f (x), für k →∞ µ-fast überall

(ii) ∀k |fnk (x) | ≤ h (x) µ-fast überall

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2.4. Die Lp-Räume 41

Beweis. Fall p =∞ klar.

Sei 1 ≤ p <∞. Wie im Beweis von Satz 2.27 definiere (fnk)k und setze fk = fnk , also

∀k : ‖fk+1 − fk‖ ≤1

2k

Es existiert dann f∗ ∈ Lp (Ω) mit

fk (x)→ f∗ (x) , fast überall

Es bleibt zu zeigen:f = f∗, fast überall

Weiterhin wisen wir

∀k : |f∗ (x)− fk (x) | ≤ g (x) , fast überall

mit g wie im Beweis von Satz 2.27. Nach dem Satz von Lebesgue folgt

‖fk − f∗‖p → 0, fast überall

Ebenso gilt|fk (x) | ≤ |f∗ (x) |+ g (x)

und daher auch (ii).

Satz 2.29. Sei f ∈ L1(Rd). Dann existiert zu jedem ε > 0 eine Funktion fε ∈ Cc

(Rd)

mit ‖f − fε‖1 ≤ ε.Bemerkung.

(i)

Cc

(Rd)

=g ∈ C

(Rd)

: supp g = x : g (x) 6= 0 kompakt

=g ∈ C

(Rd)

: ∃K (|x| > K ⇒ g (x) = 0)

(ii) Satz auch wahr für f ∈ Lp(Rd), 1 ≤ p < ∞. (Beweis über Faltung eventuell

später.)

Beweis von Satz 2.29. O.B.d.A gelte f ≥ 0. Dann existiert nach Satz 2.5 eine Folge (sn)von Treppenfunktionen mit sk+1 (x) ≥ sk (x) , sk (x) f (x) und damit nach dem Satzvon Beppo Levi ‖f−sn‖ → 0. Daher ist es ausreichend, den Fall f = 1A für eine messbareMenge A zu betrachten. Zu A existieren eine offene Menge G und eine abgeschlosseneMenge F (Reg. des Lebesgue-Maß) mit F ⊂ A ⊂ G, µ (G \ F ) < ε. Nach dem Lemmavon Urysohn (nicht behandelt) existiert eine stetige Funktion g mit 0 ≤ g (x) ≤ 1

g (x) =

1 , x ∈ F0 , x /∈ G

also dann‖f − g‖1 ≤

ˆ1G\Fdµ ≤ µ (G \ F ) ≤ ε.

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42 2.5. Produktmaße, Sätze von Tonelli & Fubini

2.5. Produktmaße, Sätze von Tonelli & Fubini

Es geht hier z.B. um die Frage, wie manˆ

Ωf dλ2 für Ω ⊂ R2, f ∈ L1 (Ω), berechnet und

wann ˆR

(ˆRf (x, y) dy

)dx =

ˆR

(ˆRf (x, y) dx

)dy.

Zunächst müssen wir auf R2 bzw. auf allgemeinen endlichen Produkträumen ein Maß,das so genannte Produktmaß, einführen.

Definition 2.30. Seien (Ω1,A1) , (Ω2,A2) Messräume. Die von den Mengen A1×A2 mitAi ∈ Ai erzeugte σ-Algebra heißt Produkt-σ-Algebra auf Ω1 ×Ω2 und wird mit A1 ⊗A2

bezeichnet.

Notation: Mit πj : Ω1 × Ω2 → Ωj bezeichnen wir die kanonische Projektion auf die j-teKomponente, d.h. π1 (x, y) = x, π2 (x, y) = y.

Lemma 2.31. Seien (Ω1,A1) , (Ω2,A2) , (Ω,A) Messräume und T : Ω→ Ω1×Ω2 beliebig.T ist A−A1 ⊗A2 messbar genau dann, wenn πj T A−Aj messbar für j ∈ 1, 2.

Beweis. Sei T messbar. Wir zeigen Messbarkeit von π1 T . Sei dazu A1 ∈ A1. Dannπ−1

1 (A1) = A1 × Ω2 ∈ A1 ⊗A2. Da T messbar, alles gut.

π1, π2 sind messbar. Seien A1 ∈ A1, A2 ∈ A2. Daraus folgt A1×A2 = π−11 (A1)∩π−1

2 (A2).Damit erhalten wir

T−1 (A1 ×A2) = (π1 T )−1 (A1) ∩ (π2 T ) (A2) ∈ A.

Anwendung / Bemerkung

– ∀k∀m B(Rk)⊗ B (Rm) = B

(Rk+m

), insbesondere B (R)⊗ B (R) = B

(R2).

– P (N)⊗ P (N) = P (N× N)

– Im Allgemeinen ist P (Ω)⊗ P (Ω) 6= P (Ω× Ω).

Notation: Für E ⊂ Ω1×Ω2 und f : Ω1×Ω2 → R schreiben wir wie üblich f (x, ·) : Ω2 →R; f (x, y) = f (x, y) und f (·, y) entsprechend und

E (x, ·) = y ∈ Ω2 : (x, y) ∈ E E (·, y) = x ∈ Ω1 : (x, y) ∈ E

Ziel ist es, für gegebene Maße µ1 : A1 → [0,∞], µ2 : A2 → [0,∞] ein Maß µ auf A1⊗A2

zu finden mit∀Aj ∈ Aj : µ (A1 ×A2) = µ1 (A1) · µ2 (A2)

Lemma 2.32. Seien (Ω1,A1, µ1) , (Ω2,A2, µ2) σ-endliche Maßräume. Dann sind fürE ⊂ Ω1 × Ω2 die beiden Funktionen x 7→ µ2 (E (x, ·)) ; y 7→ µ1 (E (·, y)) A1- bzw. A2-messbar.

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2.5. Produktmaße, Sätze von Tonelli & Fubini 43

Beweis. (Ausreichend ist es, eine Funktion zu studieren.) Idee des Beweises: Zeige, dassD = E ⊂ A1 ⊗A2 : x 7→ µ2 (E (x, ·)) A1-messbar ein Dynkin-System ist und alleMengen der Form A1 × A2 mit Ai ∈ Ai enthält. Nachweis davon als Übung. (Hinweis:zunächst für endliche Maßräume.)

Satz 2.33. Seien (Ω1,A1, µ1) , (Ω2,A2, µ2) σ-endliche Maßräume. Dann existiert genauein Maß µ1 ⊗ µ2 auf A1 ⊗A2 mit

∀Ai ∈ Ai : (µ1 ⊗ µ2) (A1 ×A2) = µ1 (A1)µ2 (A2) . (2.6)

Beweis. Eindeutigkeit gilt, da das Maß bereits auf dem durchschnittsstabilen Erzeuger(Mengen der Form A1 ×A2) festgelegt ist. Für E ∈ A1 ⊗A2 setze

ν1 (E) =

ˆΩ1

µ2 (E (x, ·)) dµ1 (x) .

Da x 7→ µ2 (E (x, ·)) messbar und nichtnegativ, ist ν1 ein Maß nach Satz 2.10 und erfüllt(2.6). Genauso könnten wir x und y vertauschen. Eindeutigkeit liefert also

ˆΩ1

µ2 (E (x, ·)) dµ1 (x) =

ˆΩ2

µ1 (E (·, y)) dµ2 (y) .

Satz 2.34 (Tonelli). Seien (Ω1,A1, µ1) , (Ω2,A2, µ2) σ-endliche Maßräume.Sei f : Ω1×Ω2 → [0,∞] (f insbesondere nichtnegativ) und messbar bzgl. A1⊗A2. Dann

(i) x 7→ˆ

Ω2

f (x, y) dµ2 (y) ist A1-messbar,

(ii) y 7→ˆ

Ω1

f (x, y) dµ1 (x) ist A2-messbar,

(iii)ˆ

Ω1

(ˆΩ2

f (x, y) dµ2 (x)

)dµ1 (x) =

ˆΩ2

(ˆΩ1

f (x, y) dµ1 (x)

)dµ2 (x)

=

ˆΩ1×Ω2

fd (µ1 ⊗ µ2) .

Bemerkung. Eventuell steht hier ∞ = ∞ = ∞, denn keiner der Ausdrücke ist imAllgemeinen endlich. Wenn einer endlich ist, so sind es dann auch die beiden anderen.

Beweis. Für f = 1E mit E ∈ A1 ⊗A2 gilt z.B.ˆ

Ω2

1E (x, y) dµ2 (y) = µ2 (E (x, ·)) .

Die Abbildungx 7→ µ2 (E (x, ·))

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44 2.5. Produktmaße, Sätze von Tonelli & Fubini

ist aber bereits als messbar bekannt. Aussage (i) gilt also für Indikatorfunktion und, dadas Integral ein linearer Operator ist (

´(f + g) =

´f+´g), auch für Treppenfunktionen.

Eine beliebige messbare nichtnegative Funktion f kann man nun durch Treppenfunktio-nen von unten approximieren und erhält so (i). Aussage (ii) folgt aus Symmetriegründen.(iii) ist wahr, falls f = 1E , E ∈ A1 ⊗A2, dann auch falls f Treppenfunktion aufgrundvon Linearität und im Allgemeinen nach Anwendung des Satzes von Beppo Levi.

Korollar 2.35 (Fubini). Seien (Ω1,A1, µ1) , (Ω2,A2, µ2) σ-endliche Maßräume. Seif : Ω1 × Ω2 → R A1 ⊗ A2 -messbar. Es sei mindestens einer der drei folgenden Aus-drücke endlich:

ˆΩ1×Ω2

|f |d (µ1 ⊗ µ2) ,

ˆΩ1

(ˆΩ2

|f (x, y) |dµ2 (y)

)dµ1 (x) ,

ˆΩ2

(ˆΩ1

|f (x, y) |dµ1 (x)

)dµ2 (y) .

Dann gilt:

(i) [x 7→ f (x, y)] ∈ L1 (Ω1) für µ2-fast alle y.

(ii) [y 7→ f (x, y)] ∈ L1 (Ω2) für µ1-fast alle x.

(iii)[x 7→

ˆΩ2

f (x, y) dµ2 (y)

]∈ L1 (Ω1).

(iv)[y 7→

ˆΩ1

f (x, y) dµ1 (x)

]∈ L1 (Ω2).

Außerdem gilt die Aussage von Satz 2.34, Teil (iii), wobei alle auftretenden Ausdrückeendlich sind.

Beweis. Anwendung des Satzes von Tonelli, Aufspaltung f = f+ − f− und f+ ≤|f |, f− ≤ |f |.

Anwendung: Frage ˆ ∞−∞

exp(−x2

)dx =?

(ˆ ∞0

exp(−x2

)dx

)2

=

(ˆ ∞0

exp(−x2

)dx

)(ˆ ∞0

exp(−y2

)dy

)=

ˆ ∞0

ˆ ∞0

exp(−(x2 + y2

))dx dy

=

ˆ ∞0

ˆ ∞0

x exp(−(x2 + x2s2

))ds dx

=

ˆ ∞0

ˆ ∞0

x exp(−x2

(1 + s2

))ds dx

Analysis 3 durchgesehene Version 2.1 vom 28.02.2011

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2.6. Der Transformationssatz 45

Fubini =

ˆ ∞0

ˆ ∞0

x exp(−(x2 + x2s2

))dx ds

=1

2

ˆ ∞0

−1

1 + s2

[exp

(−x2

(1 + s2

))]∞0ds

=1

2

ˆ ∞0

1

1 + s2ds

=1

2[arctan s]∞0

4

⇒ˆ ∞

0exp

(−x2

)dx =

√π

2⇒ˆ ∞−∞

exp(−x2

)dx =

√π

2.6. Der Transformationssatz

Satz 2.36 (Transformationssatz). Seien U, V ⊂ Rd offen und φ : U → V ein Diffeomor-phismus (d.h. φ bijektiv und φ, φ−1 ∈ C1). Sei f : V → R messbar. Dann ist f ∈ L1 (V )genau dann, wenn

(f φ) |det (Dφ) (·) | ∈ L1 (U) .

In diesem Fall giltˆVf (y) dy =

ˆUf (φ (x)) |det (Dφ) (x) |dx. (2.7)

Beweis. Der Beweis teilt sich in sieben Schritte auf.

(i) “Es ist ausreichend, den Satz für f = 1φ(A) mit A ∈ B(Rd), A ⊂ U , zu beweisen,

d.h. zu zeigen

λd (φ (A)) =

ˆA| det Jφ (x) |dx, ∀A ∈ B (U) ” (2.8)

Falls (2.8) gilt, so gilt (2.7) für Treppenfunktionen und mit dem Satz von BeppoLevi auch für allgemeine nichtnegative messbare Funktionen f . Mit f = f+ − f−gilt dann (2.7) auch für allgemeine messbare Funktionen f .

(ii) “(2.8) gilt im Fall d = 1”

(2.8) gilt für A = [a, b] ⊂ U aufgrund der Substitutionsregel. Beachte, dass sowohl

(A 7→ λ (φ (A))) als auch

A 7→ ´A |det Jφ|︸ ︷︷ ︸|φ′(x)|

σ-endliche Maße sind. Da diese

auf kompakten Intervallen übereinstimmen, folgt die Aussage.

(iii) “(2.8) gilt, falls φ eine Koordinatenvertauschung”

durchgesehene Version 2.1 vom 28.02.2011 Analysis 3

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46 2.6. Der Transformationssatz

(iv) “Wenn (2.8) und damit auch (2.7) für Diffeomorphismen ψ : U → V, θ : V → Wbewiesen, so gelten beide Aussagen auch für den Diffeomorphismus Φ = θ ψ.”

ˆWf (z) dz =

ˆVf (θ (y)) | det Jθ (y) |dy

=

ˆUf (θ (ψ (x))) | det Jψ (x) ||det Jθ (y) |dx

=

ˆUf (Φ (x)) | det JΦ (x) |dx

(v) “Wenn (2.8) gilt für Dimension d−1, dann gilt (2.8) in Dimension d für Diffeomor-phismen des Typs

φ (t, x) = (t, φt (x)) ,

wobei t ∈ R, x ∈ Rd−1 und

Ut =x ∈ Rd−1 | (t, x) ∈ U

und φt : Ut → Vt.”Bemerkung. Falls Satz für Dimension d − 1 bewiesen, so gilt die Aussage fürdiejenigen Diffeomorphismen in d Dimensionen, welche eine Komponente (o.B.d.Adie erste) fest lassen.

λd (φ (A)) =

ˆRλd−1 (φ (A)t) dt =

ˆRλd−1 (φt (At)) dt

(2.8) wahr für d-1=

ˆR

(ˆAt

| det Jφt (x) |dx)dt

Jφ (t, x) =

1 0 . . . 0?... Jφt (x)?

Also

λd (φ (A)) =

ˆR

(ˆRd−1

1At (x) | det Jφ (t, x) |dx)dt

Fubini/Tonelli =

ˆRd

1A (t, x) |det Jφ (t, x) |dλd (t, x)

=

ˆA| det Jφ|dλd

Analysis 3 durchgesehene Version 2.1 vom 28.02.2011

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2.6. Der Transformationssatz 47

(vi) “Wenn es zu jedem p ∈ U eine Umgebung U (p) gibt und φ|U(p) (2.8) erfüllt, so gilt(2.8) bereits für φ. “

Man kann U durch abzählbar viele disjunkte Mengen der Form U (p) überdecken,also

U =

∞⋃j=1

U (pj) .

Da (2.8) eine Gleichung für σ-endliche Maße ist, folgt damit die Aussage.

(vii) “Sei p ∈ U, φ : U → V ein C1-Diffeomorphismus derart, dass

∂φ1

∂x1(p) 6= 0.

Dann gilt (2.8)”Bemerkung. Gilt ∂φ1

∂x1(p) 6= 0, so kann man ∂φ1

∂x16= 0 durch Koordinatenvertau-

schung erreichen.

ψ (x1, . . . , xd) = (φ1 (x) , x2, . . . , xd)

und

Jψ (x) =

∂φ1∂x1

? . . . ?

0 1 0...

. . .0 0 1

ψ kann in einer Umgebung U (p) invertiert werden.

θ : ψ (U (p))→ φ (U (p)) , θ = φ ψ−1

⇒ θ (y1, . . . , yd) = (y1, θ2 (y) , . . . , θd (y)) , ψ und θ lassen also eine Koordinatenfest. Wenn (2.8) für ψ und θ gilt, so auch nach 4. für φ|U(p) = θ ψ|U(p).

Der Satz ist nun mittels vollständiger Induktion nach d bewiesen.

Bemerkung.

– Dφ (x) = Dφ (x) Jacobi-Matrix von φ : U → V

– Der Transformationssatz ist nichts anderes als die mehrdimensionale Substitutions-regel.

Korollar 2.37 (lineare Substitution). Sei f ∈ L1(Rd), φ : Rd → Rd bijektiv und linear.

Dann gilt für A ∈ B(Rd)ˆφ(A)

f (y) dy = | detφ|ˆAf (φ (x)) dx

durchgesehene Version 2.1 vom 28.02.2011 Analysis 3

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48 2.6. Der Transformationssatz

Bemerkung. Für A ∈ B(Rd)folgt dann

λd (φ (A)) = |detφ|λd (A)

z.B. gilt für BR (0) =x ∈ Rd : ‖x‖ ≤ R

λd (BR (0)) = Rdλd (B1 (0))

In vielen Fällen ist Korollar 2.37 ausreichend, im Allgemeinen benötigt man Satz 2.36.

Anwendung des Transformationssatzes für lineare φ (Korollar): Jeder Punkt p =(x, y, z) ∈ R3 besitzt eine (eindeutige) Darstellung der Form

x = r sin θ cosϕ

y = r sin θ sinϕ

z = r cos θ

wobei r > 0 der Radius, θ ∈ [0, π) Winkel für “geografische Breite” und ϕ ∈ [0, 2π)Winkel für “geografische Länge”.

Φ: (r, θ, ϕ)→ (x, y, z)

U = (0,∞)× (0, π)× (0, 2π)

Φ: U → Φ (U)

ist C1-Diffeomorphismusdet JΦ (r, θ, ϕ) = r2 sin θ

Also

ˆR3

f (x, y, z) dλ3 (x, y, z)TS+Fubini

=

ˆ ∞0

ˆ π

0

ˆ 2π

0f (Φ (r, θ, φ)) r2 sin θ dϕdθdr

Im Fall d = 2:

ˆR2

f (x, y) dλ2 (x, y) =

ˆ ∞0

ˆ 2π

0f (r cosϕ, r sinϕ) rdϕdr

Damit können wir folgern:

λ2 (B1 (0)) =

ˆB1(0)

1dλ2 =

ˆ 1

0

ˆ 2π

01rdϕdr = 2π

ˆ 1

0rdr = π

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2.6. Der Transformationssatz 49

Anwendungen: Berechnungen von Volumina und gewissen Integralen im Rd Wissen:Falls K ⊂ Rd kompakt, so gilt nach Konstrukton

Vol (K) = |K| = λd (K) =

ˆ1Kdλ

d

Falls K = K1 ×K2 und K ⊂ Rd−k,K2 ⊂ Rk kompakt, so ist

|K| = |K1|︸︷︷︸λd−k(K1)

|K2|︸︷︷︸λk(K2)

(i) Insbesondere gilt für Quader

Q = [a1, b1]× . . .× [ad, bd]⇒ |Q| =d∏j=1

(bj − aj)

(ii) Sei K ⊂ Rd eine Zylindermenge, d.h. K = B × [0, h] mit B ⊂ Rd−1, h > 0. Danngilt

|K| = |B|h

Mit Hilfe linearer Transformationen (Korollar 2.37) kann man viele weitere Volu-mina berechnen

(iii) Seien a1, . . . , ad ∈ Rd. Dann beschreibt die Menge

P =

d∑i=1

λiai | 0 ≤ λi ≤ 1 für i ∈ 1, . . . , d

ein Parallelotop. Seien Q = [0, 1]d ⊂ Rd, A : Rd → Rd lineare Abbildung gegebendurch

A = (a1, . . . , ad)⇒ P = AQ

Also |P | =´P 1 = | detA|

´Q 1 = |detA||Q| = | detA|.

(iv) Für r > 0, K ⊂ Rd kompakt, wissen wir bereits

|rK| = rd|K|,

weil

det

r 0. . .

0 r

= rd

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50 2.6. Der Transformationssatz

(v) Die Sätze von Tonelli/Fubini haben folgende anschauliche Konsequenz, welche manals Cavalierisches Prinzip bezeichnet: Seien K ⊂ Rd kompakt und für t ∈ R

Kt =x ∈ Rd−1 | (x1, . . . , xd−1, t) ∈ K

⇒ |K| =

ˆR|Kt|dt

d.h. λd (K) =

ˆRλd−1 (Kt) dt

(vi) Volumen eines Kegels: Seien B ⊂ Rd−1 kompakt, h > 0. Sei K (B, h) der Kegelüber B mit Höhe h, d.h.

K (B, h) =x ∈ Rd | xd ∈ [0, h], (x1, . . . , xd−1) ∈

(1− xd

h

)B

= ((1− λ) x, λh) | x ∈ B, 0 ≤ λ ≤ 1

Offensichtlich

K (B, h)t =

0, (t < 0) ∨ (t > h)(1− t

h

)d−1 |B|, sonst

Also nach dem Cavalierischem Prinzip

|K (B, h) | =ˆ h

0

(1− t

h

)d−1

|B|dt = |B|−hd

[(1− t

h

)d]h0

= |B|hd

(vii) Volumen eines Simplex: Seien a0, . . . , ad ∈ Rd. Sei

S (a0, a1, . . . , ad) =

d∑i=0

λiai | λi ≥ 0,d∑i=1

λi = 1

der von a0, . . . , ad aufgespannte Simplex. Dann gilt

|S| = 1

d!det (a1 − a0, . . . , ad − a0)

Beweis. O.B.d.A a0 = 0 (Transformation). Zunächst beweist man für Sd =S (0, e1, . . . , ed)

|Sd| =1

d!

per Induktion nach d. Fall d = 2: ok. Es gelte |Sj | = 1j! für j ≤ d− 1.

Sd = K (Sd−1, 1)⇒ |Sd| =1

d|Sd−1| =

1

d

1

(d− 1)!=

1

d!

Im allgemeinen Fall giltS (0, a1, . . . , ad) = ASd

mit A = (a1, . . . , ad). Damit folgt die Behauptung für a0 = 0.

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2.6. Der Transformationssatz 51

(viii) Volumen der d-dimensionalen Einheitskugel: Sei Bd =x ∈ Rd | ‖x‖ < 1

und

Kd = Bd. Wissen: Wenn Bd (r) =x ∈ Rd | ‖x‖ < r

und Kd (r) = Bd (r), dann

|Kd (r) | = |Bd (r) | = rd|Bd| = rd|Kd|.

Wir berechnun nun ωd := |Kd|. ω1 = 2, ω2 = π. Seien ω1, . . . , ωd−1 bekannt. Fürt ∈ R

(Kd)t =

0, |t| > 1

Kd−1

√1− t2, |t| ≤ 1

Also nach Cavalierischem Prinzip

ωd = ωd−1

ˆ 1

−1

(1− t2

) d−12 dt

cd :=

ˆ 1

−1

(1− t2

) d−12 dt

t=cosx=

ˆ π

0(sin (x))d dx

nach P.I. = 2

ˆ π/2

0(sin (x))d dx

c2k = πk∏

m=1

2m− 1

2m, c2k+1 = 2

k∏m=1

2m

2m+ 1

Also

cdcd−1d=2k+1

= 2π

k∏m=1

2m− 1

2m+ 1=

2k + 1=

d

Auchcdcd−1 =

d, d = 2k

⇒ ωd = ωd−1cd = ωd−12π

dcd−1= ωd−2

2πd . Damit

ω2k =1

k!πk, ω2k+1 =

2k+1

1 · 3 · . . . · (2k + 1)πk

Mit Hilfe der Gamma-Funktion folgt

ωd =πd/2

Γ(d2 + 1

) , d ∈ N

Bemerkung. limd→∞

ωd = 0 (lustig)

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52 2.6. Der Transformationssatz

(ix) Volumen eines Ellipsoids: Für (α1, . . . , αd) ist

E (α) =

x ∈ Rd |

d∑i=1

(xiαi

)2

≤ 1

E (α) = A ·Bd (1) mit A = diag (α1, . . . , αd). Dann gilt

|E (α) | = |α1 . . . αd|ωd

(x) Integration rotationssymmetrischen Funktionen:Satz 2.38. Seien 0 ≤ ρ ≤ R und f : [ρ,R]→ R. Dann gilt

ˆBR(0)\Bρ(0)

f (‖x‖) dx = dωd

ˆ R

ρf (r) rd−1dr

Beispiel. Sei α ∈ R, α 6= 0.ˆBR(0)\Bρ(0)

‖x‖−d+αdx = dωd

ˆ R

ρr−d+αrd−1dr

= dωd

ˆ R

ρrα−1dr

= dωd

[1

αrα]Rρ

=dωdα

[Rα − ρα]

Für α > 0 existiertˆBR(0)

‖x‖−d+αdx, aber nichtˆRd\Bρ(0)

‖x‖−d+α

dx.

Für α < 0 existiertˆRd\Bρ(0)

‖x‖−d+αdx, aber nichtˆBR(0)

‖x‖−d+αdx.

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Teil II.

Elemente der Vektoranalysis

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3. Differentialformen

Mit den bisherigen Konzepten können “Gebietsintegrale” von Funktionen auf Maßräumenund deren Teilmengen berechnet werden. Nun wollen wir auch “Flächenintegrale” oder“Kurvenintegrale” definieren und berechnen.

Beispiel. “Probekörper wird bewegt, dabei herrscht Kraft F ”

Definition 3.1. U bezeichne eine offene, zusammenhängende Teilmenge des Rn. Einealternierende Differentialform p-ter Stufe (kurz: p-Form) ist eine stetige Abbildung

ω : U × Rn × . . .× Rn︸ ︷︷ ︸p-fach

→ R;(x, h1, . . . , hp

)7→ ω

(x, h1, . . . , hp

)die bzgl. der Argumente h1, . . . , hp linear und alternierend ist, d.h. bei Vertauschung vonhi und hj gilt

ω(x, . . . , hi, . . . , hj , . . . , hp

)= −ω

(x, . . . , hj , . . . , hi, . . . , hp

)3.1. 1-Formen und Kurvenintegrale

Eine 1-Form (auch Pfaffsche Form) ist per Definition eine stetige Abbildung ω : U ×Rn → R, die im 2. Argument linear ist. Wir haben eine 1-1-Entsprechung von stetigenVektorfeldern v : U → Rn und Pfaffschen Formen auf U :

– Sei v : U → Rn stetiges Vektorfeld. Dann definiert

ωv (x, h) = 〈v (x) , h〉

eine Pfaffsche Form, wobei 〈. , .〉 das Skalarprodukt im Rn ist.

– Sei ω eine Pfaffsche Form, also ist h 7→ ω (x, h) für x ∈ U Linearform ⇒ ∃!vω (x)mit ω (x, h) = 〈vω (x) , h〉. Durch x 7→ vω (x) ist dann ein stetiges Vektorfeld erklärt.

Wir können ω auf der Standardbasis e1, . . . , en auswerten: ai (·) = ω (·, ei) ist stetigeAbbildung von U → R. Weiterhin sei (ξ1, . . . , ξm) 7→ ξi, bezeichnet als xi, die Koordina-tenabbildung. Das Differential (xi)

′ = dxi ist durch dxi (ξ)h = hi gegeben.

ω (x, h) = ω

(x,

n∑i=1

hiei

)

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3.1. 1-Formen und Kurvenintegrale 55

= a1 (x)h1 + . . .+ an (x)hn = a1 (x) dx1 (x)h+ . . .+ an (x) dxn (x)h

Dafür schreiben wir kurzω = a1dx1 + . . .+ andxn (3.1)

Zwei Standardfälle:

(i) ω ist Differential einer Funktion f : U → Rn, also ω = f ′ = df . Dann ist

ai (x) = f ′ (x) ei = ∂if (x)

und damit lautet (3.1)

f ′ = df =∂f

∂x1dx1 + . . .+

∂f

∂xndxn

(ii) ω “gehört” zu einem Vektorfeld v. Hier gilt ai (x) = 〈v (x) , ei〉 = vi (x) . Also lautet(3.1)

ωv = v1dx1 + . . .+ vndxn

Definition 3.2. Sei ω Pfaffsche Form in U und γ : [a, b] → U eine stückweise stetigdifferenzierbare Abbildung. Dann heißt

ˆγω =

ˆ b

aω(γ (t) , γ′ (t)

)dt

Integral von ω längs γ.

Diese Definition hängt nicht von der speziellen Parametrisierung des Weges ab:

Beweis. Sei γ2 = γ1 ϕ mit (ohne Einschränkung streng) monoton wachsendem ϕ.

ˆγ1

ω =

ˆ b1

a1

ω(γ1 (t) , γ′ (t)

)dt

Sub.=

ˆ ϕ−1(b1)

ϕ−1(a1)ω(γ1 (ϕ (t)) , γ′1 (ϕ (t))

)ϕ′ (t) dt

=

ˆ b2

a2

ω((γ1 ϕ) (t) , (γ1 ϕ)′ (t)

)dt =

ˆγ2

ω

Beispiel. Die so genannte “Windungsform” ist auf U = R2 \ (0, 0) gegeben durch

ω =−x2

x21 + x2

2

dx1 +x1

x21 + x2

2

dx2.

(i) γ : [0, π]→ U definiert durch γ (t) = (cos t, sin t).ˆγω =

ˆ π

0sin2 t+ cos2 t dt = π

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56 3.1. 1-Formen und Kurvenintegrale

(ii) γ : [0, 2]→ U definiert durch

γ (t) =

(1− t,−t) , falls t ∈ [0, 1],

(1− t, t− 2) , falls t ∈ (1, 2].

ˆγω = −

ˆ 1

0

dt

(1− t)2 + t2−ˆ 2

1

dt

(1− t)2 + (t− 2)2 = −2

ˆ 1

−1

ds

s2 + 1= −π

Hier nutzten wir die Subsitutionen s = 2t− 1 bzw. s = 2t− 3.

Wenn ω Ableitung von f ist, gilt wegen (f γ)′ (t) = f ′ (γ (t)) γ′ (t) auchˆγω =

ˆ b

af ′ (γ (t)) γ′ (t) dt = f (γ (b))− f (γ (a))

d.h. ω ist webunabhängig integrierbar.

Definition 3.3. ω heißt exakt, falls eine stetig differenzierbare Funktion f : U → Rexistiert mit

ω (x, h) = f ′ (x)h.

f heißt dann Stammfunktion (oder Potential).

Satz 3.4. ω exakt ⇐⇒´γ1ω =

´γ2ω für je zwei Wege γ1, γ2 mit gleichem Anfangs-

und Endpunkt.

Beweis. Exakt ⇒´γ1ω =´γ2ω schon gesehen.

Umkehrung: f (x) :=´ xa ω definiert eine Stammfunktion von ω. Sei x ∈ U beliebig.

Wähle dann h ∈ U mit x+ th | t ∈ [0, 1] ⊂ U (klappt, U offen). Dann gilt

f (x+ h)− f (x) =

ˆ x+h

xω =

ˆ 1

0ω (x+ th, h) dt

Laut Mittelwertsatz der Integralrechnung:

∃τ ∈ (0, 1) :

ˆ 1

0ω (x+ th, h) dt = ω (x+ τh, h)

Also gilt wegen Linearität und Stetigkeit von ω

ω (x+ τh, h)− ω (x, h) = r (h) ‖h‖

mit limh→0 r (h) = 0. Daraus folgt

f (x+ h)− f (x) = ω (x, h) + r (h) ‖h‖

Also ist f differenzierbar und ω = df , also ist f stetig differenzierbar (da ω stetig).

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3.1. 1-Formen und Kurvenintegrale 57

Satz 3.5. Erfüllt die stetig differenzierbare Pfaffsche Form ω =∑n

i=1 aidxi das so ge-nannte Integrabilitätskriterium

∂iaj = ∂jai i, j ∈ 1, . . . , n

in einer sternförmigen Mengen U , so ist ω exakt in U .

Definition. U heißt sternförmig :⇐⇒ ∃p ∈ U : ∀x ∈ U :

tp+ (1− t)x | t ∈ [0, 1] ⊂ U

Beweis. Wir können ohne Einschränkung annehmen, dass U sternförmig bzgl. 0 ist. Wirwollen eine Stammfunktion f direkt angeben, indem wir ω entlang der geradlinigen Wegevon 0 zu x integrieren:

f(x) =

ˆ 1

0ω(tx, x)dt =

ˆ 1

0

(n∑i=1

xiai(tx)

)dt.

Hier geht die Voraussetzung der Sternförmigkeit von U ein, denn für die Definition derFunktion f wie oben müssen alle Strecken tx, t ∈ [0, 1], in U liegen.

Wir beweisen im Folgenden, dass in der Tat f eine Stammfunktion von ω ist, dass also∂if = ai für i = 1, . . . , n.

Da jede Funktion ai laut Voraussetzung stetig differenzierbar ist, ist die Vertauschungvon Integration und Differentiation gerechtfertigt und wir erhalten

∂if(x) =

ˆ 1

0

(n∑k=1

∂i (ak(tx)xk)

)dt =

ˆ 1

0

(n∑k=1

∂iak(tx)txk + ai(tx)

)dt. (3.2)

Mit Hilfe der Ketten- und Produktregel erhalten wir die beiden Identitäten

d

dtai(tx) =

n∑k=1

∂kai(tx)xk, (3.3)

d

dt(tai(tx)) = ai(tx) + t

d

dtai(tx) (3.4)

Wegen der Integrabilitätsbedingungen können wir in (3.2) ∂iak = ∂kai ausnutzen unddann die Gleichungen (3.3) und (3.4) verwenden:

∂if(x) =

ˆ 1

0

(tn∑k=1

∂kai(tx)xk + ai(tx)

)dt =

ˆ 1

0

d

dt(tai(tx)) dt = ai(x).

Damit ist die Behauptung bewiesen.

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58 3.2. Alternierende Differentialformen

3.2. Alternierende Differentialformen

Wir erinnern uns an Definition 3.1. Ein p-Form ist eine Abbildung ω : U×Rn×. . .×Rn →R;(x, h1, . . . , hp

)7→ ω

(x, h1, . . . , hp

), welche in h1, . . . , hp linear und alternierend ist.

2-Formen:

Schreiben aij (·) = ω (·, ei, ej). Dann ist

ω (x, h, k) = ω

x, n∑i=1

hiei,

n∑j=1

kjej

=1

2

n∑i=1

n∑j=1

ω (x, ei, ej) (hikj − hjki)

=∑i<j

aij (x)

∣∣∣∣ hi kihj kj

∣∣∣∣ , i, j ∈ 1, . . . , n .Wir bezeichnen die spezielle 2-From

(h, k) 7→∣∣∣∣ hi kihj kj

∣∣∣∣mit dxi ∧ dxj (“Basis-Formen”). Mit diesen Bezeichnungen gilt dxi ∧ dxi = 0 und dxj ∧dxi = −dxi ∧ dxj . Für die speziellen p-Formen

(h1, . . . , hp

)7→

∣∣∣∣∣∣∣h1i1

. . . hpi1...

...h1ip

. . . hpip

∣∣∣∣∣∣∣schreiben wir dxi1 ∧ . . . ∧ dxip . Es genügt zudem, die Anordnung i1 < . . . < ip zubetrachten (Vertauschen ändert nur das Vorzeichen). Daraus folgt: Zu jedem p existieren(np

)Basis-Formen dxi1 ∧ . . . ∧ dxip . Insbesondere also für p > n keine Formen außer der

Nullform. Schreibenai1...ip (·) = ω

(·, ei1 , . . . , eip

)dann können wir eine beliebe p-Form schreiben als

ω =∑

i1<...<ip

ai1...ip (x) dxi1 ∧ . . . ∧ dxip

Addieren von p-Formen bzw. Multiplikation mit reellwertigen Funktionen: klar. Multi-plikation einer Basis-p-Form bzw. Basis-q-Form

ω1 = dxi1 ∧ . . . ∧ dxip , ω2 = dxj1 ∧ . . . ∧ dxjq

durchω1 ∧ ω2 := dxi1 ∧ . . . ∧ dxip ∧ dxj1 ∧ . . . ∧ dxjq .

Produkte von beliebigen Formen werden so erklärt, dass die üblichen Rechenregeln erfülltsind (außer Kommutativität).

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3.2. Alternierende Differentialformen 59

Beispiel.ω1 = xdx+ eydy, ω2 = 2dy ∧ dz + y2dx ∧ dz

Dann istω1 ∧ ω2 = 2xdx ∧ (dy ∧ dz) + eyy2dy ∧ (dx ∧ dz)

=(2x− eyy2

)(dx ∧ dy ∧ dz)

Lemma 3.6. Seien ω1, ω1 p-Formen, ω2, ω2 q-Formen sowie ω3 eine r-Form und a eine0-Form, also a : U → R stetig.

(i) (ω1 + ω1) ∧ ω2 = ω1 ∧ ω2 + ω1 ∧ ω2

(ii) ω1 ∧ (ω2 + ω2) = ω1 ∧ ω2 + ω1 ∧ ω2

(iii) ω1 ∧ (ω2 ∧ ω3) = (ω1 ∧ ω2) ∧ ω3

(iv) ω1 ∧ ω2 = (−1)pq ω2 ∧ ω1

(v) a (ω1 ∧ ω2) = (aω1) ∧ ω2 = ω1 ∧ (aω2)

Die äußere Ableitung einer p-Form

Die Ableitung einer stetig differenzierbaren 0−Form a : U → R ist eine 1-Form.

Definition 3.7. Sei ω =∑

i1<...<ipai1...ip (x) dx1 ∧ . . . ∧ dxip eine stetig differenzierbare

p-Form. Die äußere Ableitung von ω ist definiert durch

dω =∑

i1<...<ip

dai1...ip ∧ dxi1 ∧ . . . ∧ dxip

wobei

dai1...ip =n∑j=1

∂jai1...ipdxj ,∂

∂xj= ∂j .

Beispiel. (Darstellung von Gradient, Rotation und Divergenz im Differentialformenkal-kül des R3)

– Gradient: Sei a : U → R eine stetig differenzierbare 0-Form. Dann gilt

da = ∂1adx1 + ∂2adx2 + ∂3adx3

Der 1-Form ist das Vektorfeld grad a = (∂1a, ∂2a, ∂3a) zugeordnet.

– Rotation: Die Rotation eines Vektorfeldes ν : U → R3 ist definiert durch

∇× ν = rot ν = (∂2ν3 − ∂3ν2, ∂3ν1 − ∂1ν3, ∂1ν2 − ∂2ν1) .

Wir schreiben nun eine 2-Form in U ⊂ R3 als

ω = b1dx2 ∧ dx3 + b2dx3 ∧ dx1 + b3dx1 ∧ dx2

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60 3.2. Alternierende Differentialformen

und nennen das Vektorfeld b = (b1, b2, b3) zugehörig zu ω. Berechne jetzt die äußereAbleitung einer 1-Form

d (a1dx1 + a2dx2 + a3dx3) = da1 ∧ dx1 + da2 ∧ dx2 + da3 ∧ dx3

Wir nutzen hierfür

da1 = ∂1a1dx1 + ∂2a1dx2 + ∂3a1dx3

undda1 ∧ dx1 = ∂3a1dx3 ∧ dx1 − ∂2a1dx1 ∧ dx2

d (a1dx1 + a2dx2 + a3dx3) = (∂1a2 − ∂2a1)︸ ︷︷ ︸b3

dx1 ∧ dx2

+ (∂1a3 − ∂3a1)︸ ︷︷ ︸−b2

dx1 ∧ dx3

+ (∂2a3 − ∂3a2)︸ ︷︷ ︸b1

dx2 ∧ dx3

Wenn zur 1-Form ω das Vektorfeld a gehört, dann zur 2 Form dω das Vektorfeldrot a.

– Divergenz: Ist eine 2-Form ω einem Vektorfeld b = (b1, b2, b3) gemäß

ω = b1dx2 ∧ dx3 + b2dx3 ∧ dx1 + b3dx1 ∧ dx2

zugeordnet, so gilt für die äußere Ableitung

dω = (∂1b1 + ∂2b2 + ∂3b3) dx1 ∧ dx2 ∧ dx3 = (div b) dx1 ∧ dx2 ∧ dx3,

denn

dω = (∂1b1dx1 + ∂2b1dx2 + ∂3b1dx3) ∧ dx2 ∧ dx3

+ (∂1b2dx1 + ∂2b2dx2 + ∂3b2dx3) ∧ dx3 ∧ dx1

+ (∂1b3dx1 + ∂2b3dx3 + ∂3b3dx3) ∧ dx1 ∧ dx2

= ∂1b1 (dx1 ∧ dx2 ∧ dx3) + ∂2b2dx2 ∧ dx3 ∧ dx1

+ ∂3b3dx3 ∧ dx1 ∧ dx2

= (∂1b1 + ∂2b2 + ∂3b3) (dx1 ∧ dx2 ∧ dx3)

Satz 3.8. Seien ω1, ω1 stetig differenzierbare p-Formen, f eine stetig differenzierbare0-Form (Funktion), ω2 eine stetig differenzierbare q-Form und ω eine zweimal stetigdifferenzierbare p-Form auf einer offenen Menge U ⊂ Rn. Dann gilt:

(i) d (ω1 + ω1) = dω1 + dω1

(ii) d (fω1) = fdω1 + df ∧ ω1

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3.2. Alternierende Differentialformen 61

(iii) d (ω1 ∧ ω2) = dω1 ∧ ω2 + (−1)p ω1 ∧ dω2

(iv) d (dω) = 0

Bemerkung. 1. Die hinreichende Bedingung

∂iaj = ∂jai

(dafür dass die 1-Form ω =∑aidxi auf einer sternförmigen Menge U exakt ist) lässt

sich kürzer alsdω = 0

schreiben, denn

dω =n∑i=1

n∑j=1

∂jaidxj ∧ dxi =∑i<j

(∂iaj − ∂jai) dxi ∧ dxj

2. Für f ∈ C2(R3)und a ∈ C2

(R3;R3

)gelten nach (4)

rot (∇f) = 0 ∈ R3

unddiv (rot a) = 0 ∈ R

Beweis des Satzes. (i) ist klar. Wegen (i) reicht es aus, (ii)-(iv) für Monome nachzuweisen.

zu (ii): Falls p = 0, d.h. ω1 = a gilt (ii) wegen d (fa) = adf + fda. Sei nun ω1 =adx1 ∧ dx2 ∧ . . . ∧ dxp.

⇒ d (fω1) = d (fa) ∧ dx1 ∧ . . . ∧ dxp= df ∧ (adx1 ∧ . . . ∧ dxp)

+ f (da ∧ dx1 ∧ . . . ∧ dxp)= df ∧ ω1 + fdω1

zu (iii): Seien ω1 = adx1 ∧ dx2 ∧ . . .∧ dxp und ω2 = bdxp+1 ∧ dxp+2 ∧ . . .∧ dxp+q. Dann

ω1 ∧ ω2 = (ab)︸︷︷︸f

(dx1 ∧ . . . ∧ dxp+q)︸ ︷︷ ︸ω′1

Mit (ii) folgt

d(ω1 ∧ ω2) = (b da+ a db) ∧ dx1 ∧ . . . ∧ dxp+q= da ∧ dx1 . . . ∧ dxp ∧ ω2

+ (−1)p ω1 ∧ dω2

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62 3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen

zu (iv): Sei ω eine 0-Form, d.h. ω = a. Damit ist da =∑n

i=1 ∂iadxi.

d (da)(1)=

n∑i=1

n∑j=1

∂j∂iadxj ∧ dxi = 0

weil ∂i∂ja = ∂j∂ia und dxi ∧ dxj = −dxj ∧ dxi. Sei nun ω = adx1 ∧ . . . ∧ dxp.Dann wegen (iii)

d (dω) = d( da︸︷︷︸ω1

∧ dx1 ∧ . . . ∧ dxp︸ ︷︷ ︸ω2

)

= d (da) ∧ (dx1 ∧ . . . ∧ dxp)+ (−1)da ∧ d (dx1 ∧ . . . ∧ dxp)

= 0− 0 = 0

Korollar. ω stetig differenzierbare exakte p-Form, dann dω = 0.

Beweis. ∃π : ω = dπ ⇒ dω = d (dπ) = 0.

Nachdem wir nun Differentialformen ableiten können, stellt sich die Frage, ob bzw. unterwelchen Voraussetzungen es zu einer p-Form ω eine (p− 1)-Form π mit dπ = ω gibt.Wenn ω stetig differenzierbar ist, so würde nach Satz 3.8 (iv) folgen 0 = d (dπ) = dω.Den Wert von dω = 0 haben wir im Spezialfall einer 1-Form auf einer sternförmigenMenge U bereits kennengelernt.

Definition 3.9. Falls ω in U ⊂ Rn differenzierbar mit dω = 0 so heißt ω geschlossen.Falls ω stetige p-Form in U und π stetig differenzierbare (p− 1)-Form in U mit dπ = ω,so heißen ω exakt und π Stammform von ω.

Satz 3.10 (Lemma von Poincaré). Seien U sternförmig, ω stetig differenzierbare ge-schlossene Differentialform. Dann ist ω exakt.

Für einen Beweis sei etwa auf [1, Kapitel 17.3] verwiesen.

3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen

Definition 3.11. Sei U ⊂ Rp offen, 1 ≤ p ≤ n− 1. Die Abbildung γ : U → Rn sei stetigdifferenzierbar und die Ableitung habe in jedem Punkt u ∈ U den Rang p. Dann heißt γParameterdarstellung einer p-dimensionalen Fläche.

Beispiel. – Rotationsfläche im R3.... (Abbildungen fehlen).

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3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen 63

Definition 3.12. Sei γ Parameterdarstellung einer p-Fläche, u ∈ U . Sei τ : Rp →Rn, τ (h) = γ (u) + γ′ (u)h. Dann ist die Bildmenge der linearen Abbildung τ ein af-finer Unterraum des Rn, der sogenannte Tangentialraum der durch γ parametrisiertenp-Fläche im Punkt γ (u).

Beispiel. “stereographische Projektion”γ : R2 → R3

γ1 (u1, u2) =2u1

1 + u21 + u2

2

, γ2 (u1, u2) =2u2

1 + u21 + u2

2

, γ3 (u1, u2) =1−

(u2

1 + u22

)1 + u2

1 + u22

Es giltγ2

1 + γ22 + γ2

3 = 1.

Denn

(2u1)2 + (2u2)2 + 1 +(u1

1 + u22

)2 − 2(u2

1 + u22

)= 1 +

(u2

1 + u22

)2+ 2

(u2

1 + u22

)=(1 + u2

1 + u22

)2.

Es gilt

γ′ (u1, u2) =2(

1 + u21 + u2

2

)2 1− u2

1 + u22 −2u1u2

−2u1u2 1 + u21 − u2

2

−2u1 −2u2

Überprüfe: Rang γ′ ≡ 2.

Ein weiteres Beispiel:

Beispiel. Seien f1, . . . , fn−p ∈ C1 (U). Für u ∈ U :

γ1 (u) = u1, γ2 (u) = u2, . . . , γp (u) = up

γp+1 (u) = f1 (u) , γp+2 (u) = f2 (u) , . . . , γn (u) = fn−p (u)

⇒ γ′ (u) =

1 0 . . . 00 1 . . . 0

. . .1

∂1f1 (u) . . . ∂pf1 (u)...

...∂1fn−p (u) . . . ∂pfn−p (u)

Rang γ′ ≡ p, γ injektiv. Also beschreibt γ eine p-Fläche im Rn.

Definition 3.13. Die Parametrisierung γ : V → Rn einer p-Fläche heißt äquivalent zurParametrisierung γ : U → Rn einer p-Fläche, wenn es einen Diffeomorphismus Φ: V → Ugibt mit γ = γ Φ.

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64 3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen

Satz 3.14. Seien U ⊂ Rp offen, γ : U → Rn Parametriserung einer p-Fläche. Sei u0 ∈ Umit ∣∣∣∣∣∣∣

∂1γ1 (u0) . . . ∂pγ1 (u0)...

...∂1γp (u0) . . . ∂pγp (u0)

∣∣∣∣∣∣∣ 6= 0 (3.5)

Dann gibt es eine Umgebung W von u0 derart, dass γ|W äquivalent ist zur Parametrise-rung γ : V → Rn, V ⊂ Rp offen, gegeben durch

γ1 (v) = v1, . . . ,γp (v) = vp (3.6)γp+1 (v) = f1 (v) , . . . ,γn (v) = fn−p (v)

mit geeigneten Funktionen f1, . . . , fn−p ∈ C1 (V ) . Insbesondere ist γ|W injektiv.

Beweis. (unmittelbare Konsequenz aus dem Satz über lokale Umkehrbarkeit)

Betrachte

U → Rp; u 7→

γ1 (u)...

γp (u)

=

u1...up

Wegen (3.5) existieren eine UmgebungW von u0 und eine offene Menge V derart, dass dieEinschränkung von obiger Abbildung auf W ein Diffeomorphismus ist. Sei nun Φ: V →W die Umkehrabbildung und setze γ = γ Φ.

Beispiel. Anwendung auf die stereographische Projektion. Bedingung (3.5) hier:

0 6=∣∣∣∣ ∂1γ1 ∂2γ1

∂1γ2 ∂2γ2

∣∣∣∣ = c(1−

(u2

1 + u22

))2Also ist der Satz anwendbar für alle u, welche nicht u2

1 + u22 = 1 erfüllen. Für W =

(u1, u2) |u21 + u2

2 < 1ergibt sich

γ1 (v1, v2) = v1

γ2 (v1, v2) = v2

γ3 (v1, v2) =√

1−(v2

1 + v22

)Da äquivalente p-Flächen-Parametrisierungen dieselbe Bildmenge haben, können wir nunsolche Mengen lokal beschreiben durch Gleichungen wie folgt:

Setze xi = vi für 1 ≤ i ≤ p und xp+j = fj (v) für 1 ≤ j ≤ n−p. Dann ist (3.6) äquivalentzu

xp+1 − f1 (x1, . . . , xp) = 0 g1 (x) = 0

xp+2 − f2 (x1, . . . , xp) = 0 g2 (x) = 0

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3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen 65

... ⇐⇒...

xn − fn−p (x1, . . . , xp) = 0 gn−p (x) = 0

wobei x = (x1, . . . , xn) und gi (x) = xp+i − fi (x1, . . . , xp) für 1 ≤ i ≤ n − p. Das heißt,dass die durch die Parametrisierung γ gegeben p-Fläche lokal beschreiben werden kannals Nullstellenmenge

M = x ∈ Rn | g (x) = 0

wobei g = (g1, . . . , gn−p) : Rn → Rn−p stetig differenzierbar ist mit Rang(Jg) = n − p(lokal).

Bemerkung.

– Diese Darstellung ist erstens lokal und zweitens nicht eindeutig.

– Die gesamte Nullstellenmenge M = x| g (x) = 0 lässt sich im Allgemeinen nichtdurch eine Parametriserung alleine beschreiben.

Beispiel.

(x, y, z) ∈ R3 | x2 + y2 + z2 = 1.

Definition 3.15. Sei M ⊂ Rn,M 6= 0. Sei g : Rn → Rn−p stetig differenzierbar mitRang

(Jg|M

)= n− p. Dann heißt M gleichungsdefinierte p-dimensionale Untermannigfal-

tigkeit des Rn falls M = x ∈ Rn | g (x) = 0.

Beispiel.

– g (x) = Ax + b mit Rang(A) = n − p. Dann entspricht M einem p-dimensionalenaffinen Unterraum des Rn (z.B. eine Linie im R2 , eine Ebene im R3).

– A = (aij)i=1,...,n,j=1,...,n mit detA 6= 0.

M =

x ∈ Rn |

n∑i=1

n∑j=1

aijxixj

− 1 = 0

Dann entspricht M einem n− 1 dimensionalen Paraboloid.

Bemerkung. Eine gleichungsdefinierte p-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn be-sitzt in jedem Punkt x ∈ M = x | g (x) = 0 einen p-dimensionalen Tangentialraum.Dieser besteht aus allen y ∈ Rn mit 〈∇gi (x) , y − x〉 = 0 für i = 1, . . . , n− p.

Wir wissen nun, was p-Flächen im Rn sind. Wir wollen im Folgenden p-Formen auf ihnenintegrieren und somit die bekannten Kurvenintegrale verallgemeinern.

Seien T ⊂ Rp offen und konvex (neue zusätzliche Bedingung) und γ : T → Rn stetigdifferenzierbar mit Rang(Jγ (t)) = p für jedes t = (t1, . . . , tp) ∈ T . Damit ist γ dieParametriserung eines p-dimensionalen glatten orientieren Flächenstücks (Der Begriffder Orientierung wird später genauer diskutiert).

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66 3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen

Seien U ⊂ Rn offen mit γ (T ) ⊂ U . Sei ω eine stetig differenzierbare p-Form auf U , d.h.ω : U × Rn × . . .× Rn︸ ︷︷ ︸

p

→ R. Unser Ziel ist es, die Definition des Kurvenintegrals

ˆγω =

ˆTω(γ (t) , γ′ (t)

)dt

auf den allgemeinen Fall zu erweitern:ˆγω =

ˆTω (γ (t) , ∂1γ (t) , . . . , ∂pγ (t)) dλp (t)

und die Wohldefiniertheit dieser Definition zu zeigen (Unabhängigkeit von der Parame-trisierung für äquivalente Parametrisierungen).

Seien also γ1 : T → Rn, γ2 : S → Rn (T ⊂ Rp, S ⊂ Rp offen, konvex) äquivalenteParametrisierungen, d.h. γ2 = γ1 Φ, wobei Φ: S → T ein Diffeomorphismus, d.h.

γ2 (s1, . . . , sp) = γ1 (Φ1 (s1, . . . , sp) , . . . ,Φp (s1, . . . , sp)) .

Außerdem gelte det Φ′ > 0. Unter Verwendung der Kettenregel erhalten wir

∂1γ2 =

p∑i=1

∂iγ1∂1Φi, . . . , ∂pγ2 =

p∑i=1

∂iγ1∂pΦi

Also ˆγ2

ω =

ˆSω (γ2 (s) , ∂1γ2 (s) , . . . , ∂pγ2 (s)) dλp (s)

Aufg.2 Zettel XII =

ˆSω (γ1 (Φ (s)) , ∂1γ1 (Φ (s)) , . . . , ∂pγ1 (Φ (s))) det Φ′ (s) dλp (s)

Transformationssatz =

ˆTω (γ1 (t) , ∂1γ1 (t) , . . . , ∂pγ1 (t)) dλp (t)

=

ˆγ1

ω

Definition 3.16. Seien U ⊂ Rn offfen, T ⊂ Rp offen und konvex, γ : T → U Parame-trisierung eines glatten orientierten p-Flächenstücks. Dann ist das Integral einer stetigenp-Form ω auf U definiert über

ˆγω =

ˆTω (γ (t) , ∂1γ (t) , . . . , ∂pγ (t)) dλp (t)

und unabhängig von der Wahl der Parametrisierung γ innerhalb einer Äquivalenzklasse.

Beispiel. ω = x1 dx2 ∧ dx3 + x2 dx3 ∧ dx1 + x3 dx1 ∧ dx2 und

γ (t1, t2) =

(t1, t2,

√1− t21 − t22

)

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3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen 67

für t21 + t22 < 1. Berechneˆγω.

∂1γ (t1, t2) =

(1, 0,

−t1√1− t21 − t22

)

∂2γ (t1, t2) =

(0, 1,

−t2√1− t21 − t22

)Beide Vektoren sind linear unabhängig, γ beschreibt also wirklich ein orientiertes glattes2-Flächenstück. Wichtig ist zu verstehen:

dx1 = dt1

dx2 = dt2

dx3 =−1√

1− t21 − t22(t1dt1 + t2dt2)

Also

dx2 ∧ dx3 =t1√

1− t21 − t22dt1 ∧ dt2

dx3 ∧ dx1 =t2√

1− t21 − t22dt1 ∧ dt2

dx1 ∧ dx2 = dt1 ∧ dt2

und somit

ω =t21 + t22 + 1− t21 − t22√

1− t21 − t22ˆγω = ... = 2π

Variablensubstitution bei Differentialformen

Im obigen Beispiel haben wir die 2-Form ω mit Hilfe einer Parametrisierung γ : T → R3

mit T ⊂ R2 berechnet. Die Anzahl der “Parameter” t1, t2 war hier gleich p, der “Stufe”der p-Form ω.

Seien ω eine p-Form in U ⊂ Rn und ϕ : V → U mit V ⊂ Rm und m beliebig. Setzex = ϕ (y), d.h. xi = ϕi (y) für i = 1, . . . , n.

⇒ dxi =

m∑j=1

∂jϕi (y) dyj , i = 1, . . . , n (3.7)

Aus der p-Formω =

∑i1<...<ip

ai1...ip (x) dxi1 ∧ . . . ∧ dxip

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68 3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen

in U ⊂ Rn erhält man durch Ersetzen von dxik gemäß 3.7 eine neue p-Form ϕ∗ω auf V .

Vϕ−→ U

A (V )ϕ∗←− A (U)

Beispiel. (i) ω = f (Nullform)⇒ ϕ∗ω = f ϕ

(ii) ω =∑n

i=1 ai (x) dxi. Dann

ϕ∗ω =n∑i=1

ai (ϕ (y))m∑j=1

∂jϕi (y) dyj

d.h.

ϕ∗ω =m∑j=1

bj (y) dyj

mit

bj (y) =

n∑i=1

∂jϕi (y) ai (ϕ (y)) .

Bemerkung. m < p⇒ ϕ∗ω ist Nullform

Lemma 3.17. Es gelten folgende Rechenregeln

(i) ϕ∗ (ω1 + ω2) = ϕ∗ (ω1) + ϕ∗ (ω2)

(ii) ϕ∗ (fω) = ϕ∗f · ϕ∗ω

(iii) ϕ∗ (ω1 ∧ ω2) = ϕ∗ω1 ∧ ϕ∗ω2

Beweis. (i),(ii) aus Definition ablesbar. (iii) überprüft man zunächst für Monome derForm

ω1 = dxi1 ∧ . . . ∧ dxip ω2 = dxj1 ∧ . . . ∧ dxjqund folgert dann mittels (i) die gewünschte Aussage.

Satz 3.18. Seien ϕ : V → U zweimal stetig differenzierbar und ω eine einmal stetigdifferenzierbare p-Form in U . Dann gilt

d (ϕ∗ω) = ϕ∗ (dω)

Beweis. (i) Sei ω eine Nullform, d.h. ω = f , also df =∑n

i=1 ∂if (x) dxi.

ϕ∗ (dω) =

n∑i=1

∂if (ϕ (y))

m∑i=1

∂jϕi (y) dyi

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3.3. Integration von p-Formen über p-Flächen 69

=m∑j=1

(n∑i=1

∂if (ϕ (y)) ∂jϕi (y)

)dyj

Kettenregel =m∑j=1

∂j (f ϕ) (y) dyj

Bsp.1 = d (ϕ∗f)

(ii) Sei nun ω = dxi ⇒ dω = 0⇒ ϕ∗ (dω) = 0

In diesem Fall

d (ϕ∗ω) =m∑j=1

m∑j=1

∂k∂jϕi (y) dyk

∧ dyj=∑j<k

(∂j∂kϕi (y)− ∂k∂jϕi (y))︸ ︷︷ ︸=0,Satz von Schwarz

dyj ∧ dyk = 0

(iii) Sei ω = dx1 ∧ . . .∧ dxp ⇒ dω = 0 wieder als ϕ∗ (dω) = 0. Mittels Lemma 3.17 (iii)

⇒ ϕ∗ω = ϕ∗ (dx1) ∧ . . . ∧ ϕ∗ (dxp)

⇒ d (ϕ∗ω) =

p∑i=1

(−1)i−1 ϕ∗ (dx1) ∧ . . . d (ϕ∗ (dxi))︸ ︷︷ ︸=0,wg 2.

∧ . . . ∧ ϕ∗ (dxp)

(iv) “Falls Aussage bewiesen für ω, so auch für fω”

Folgt aus

d (ϕ∗ (fω)) = d (ϕ∗f · ϕ∗ω)

Satz 3.8 = d (ϕ∗f) ∧ ϕ∗ω + ϕ∗f · d (ϕ∗ω)

Annahme = ϕ∗ (df) ∧ ϕ∗ω + ϕ∗f · ϕ∗ (dω)

Lemma 3.17 (ii)&(iii) = ϕ∗ (df ∧ ω) + ϕ∗ (fdω)

= ϕ∗ (df ∧ ω + fdω)

= ϕ∗ (d (fω))

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4. Integralsätze der Vektoranalysis

4.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten

Erinnerung

Definition (Parameterdarstellung). Es sei T ⊂ Rp (1 ≤ p ≤ n) offen. Die Abbildungγ : T → Rn sei stetig differenzierbar und die Ableitung

γ′ : T → Lin(Rp,Rn)

habe für alle t ∈ T den Rang p. Dann heißt γ Parameterdarstellung oder Immersion.

Zwei Parameterdarstellungen

γ : T → Rn und γ : T → Rn, T, T ⊂ Rp,

heißen äquivalent, falls ein Diffeomorphismus Φ: T → T derart existiert, dass

γ = γ Φ.

Äquivalente Parameterdarstellungen haben das gleiche Bild, deshalb nennen wir sowohlÄquivalenzklassen von Parametrisierungen als auch deren Bilder p-dimensionale Flächen-stücke, kurz p-Flächen.

Definition (Integration einer p-Form über eine p-Fläche). Es sei ω eine p-Form undU ⊂ Rn ein orientiertes p-Flächenstück vermöge γ : T → U , T ⊂ Rp.

ˆγω :=

ˆTω(γ(t), ∂1γ(t), . . . , ∂pγ(t)) dλp(t) (4.1)

Für γ1 = γ Φ, wobei Φ Diffeomorphismus mit det Φ′ > 0, giltˆγω =

ˆγ1

ω.

Orientierung

Was hat es nun mit der Orientierung auf sich?

Unter einer Orientierung verstehen wir die Auswahl einer durchnummerierten(!) Basis(v1, . . . , vp) eines Untervektorraums V des Rn. Sei nun (w1, . . . , wp) eine weitere Basis

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4.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten 71

von V mit Basiswechsel φ. (w1, . . . , wp) heißt dann positiv orientiert, falls detφ > 0, undandernfalls negativ orientiert.

Da für Basiswechsel φ stets detφ 6= 0 gilt, tritt stets einer der beiden Fälle ein undfolglich gibt es genau zwei Orientierungen auf V .

Die durch Auswahl der Standardbasis (e1, . . . , en) des Rn festgelegte Orientierung be-zeichnet man als Standardorientierung.

Bei genauerer Betrachtung erkennt man nun, dass die Festlegung (4.1) die Fixierungeiner Basis des Rp zugrunde legt, nämlich der Einheitsbasis (e1, . . . , ep); es ist ja gerade

∂iγ(s)︸ ︷︷ ︸∈Rn×1

= γ′(s)︸ ︷︷ ︸∈Rn×p

ei︸︷︷︸∈Rp×1

für i = 1, . . . , p.

In diesem Sinne wird also die Standardorientierung des Rp durch γ auf die p-Flächeübertragen. (Streng genommen wird für x = γ(a) der Tangentialraum TxU , ein p-dimensionaler Unterraum von Rn, in jedem Punkte x ∈ U durch Auswahl der Basis(∂1γ(a), . . . , ∂pγ(a)) orientiert.)

Zusammengefasst: Ein p-Flächenstück besitzt in natürlicher Weise eine Orientierung.

Wir werden auf den Begriff der Orientierung noch zurückkommen.

Untermannigfaltigkeiten des Rn

Bisher haben wir auch folgende, in einem gewissen Sinne unangenehmen, Mengen als p-Flächen zugelassen: Einerseits Mengen mit Selbstüberschneidungen und anderseits Men-gen des Typs [Bild fehlt ]

Wir benötigen eine Verschärfung:

Definition 4.1. Ein durch γ : T → Rn dargestelltes p-Flächenstück heißt einfach, fallsgilt:

(i) γ ist injektiv.

(ii) γ−1 ist stetig.

Bemerkung. 1. Die Bedingung Rang γ′ = p steckt schon in der Voraussetzung.

2. Da γ als stetig differenzierbar vorausgesetzt wird, fordert Bedingung (ii), dass γ einHomöomorphismus ist.

3. Durch eine Verkleinerung des Definitionsbereichs einer Paramterdarstellung γ kannman stets die Bedingungen (i) und (ii) „erzwingen“

Definition 4.2. Eine Teilmenge M ⊂ Rn heißt p-dimensionale Untermannigfaltigkeit,wenn es zu jedem Punkt x ∈ M eine n-dimensionale Umgebung U von x derart gibt,dass U ∩M ein einfaches p-Flächenstück ist.

Beispiel. 1. Die offenen Teilmengen des Rn, dies sind sogar einfache n-Flächenstücke.

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72 4.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten

2. Die Kugeloberfläche im R3 ist eine 2-dim. UMF, jedoch kein einfaches 2-Flächenstück.

3. Das Möbiusband (ohne Rand) im R3 ist eine 2-dim. UMF, jedoch kein einfaches 2-Flächenstück.

Satz 4.3. Sei M ⊂ Rn eine p-dimensionale Untermannigfaltigkeit und γ : T → M,,γ : S → M mit S, T ⊂ Rp zwei Parameterdarstellungen von p-Flächenstücken. FallsD = γ (T ) ∩ γ (S) 6= ∅, so ist der Kartenwechsel

Φ := γ−1 γ : γ−1 (D)→ γ−1 (D)

ein Diffeomorphismus.

Beweis. Der Beweis teilt sich auf in 3 Schritte:

(i) Jede Parameterdarstellung ist äquivalent zu einer “Koordinatendarstellung”.

Wir wissen, dass jede p-dimensionale Untermannigfaltigkeit lokal so dargestelltwerden kann, dass p geeignete Komponenten von x, etwa x1, . . . , xp als Parameterverwendet werden, d.h. x ∈M ⇐⇒

xp+1 = f1 (x1, . . . , xp)

...xn = fn−p (x1, . . . , xp) ,

(x1, . . . , xp) ∈ V, fi ∈ C1 und V ⊂ Rp geeignet. Diese Darstellung nennen wir “Ko-ordinatendarstellung”. Andererseits haben wir eine Parameterdarstellung γ : T →Rn

x1 = γ1 (t1, . . . , tp)

...xp = γp (t1, . . . , tp)

xp+1 = γp+1 (t1, . . . , tp) (t1, . . . , tp) ∈ T...

xn = γn (t1, . . . , tp)

Die ersten p Gleichungen (*) definieren eine bijektive Abbildung Ψ: T → V . We-gen den Vorraussetzungen an γ ist Ψ stetig diff’bar und Ψ−1 stetig, also ein Ho-möomorphismus. Ψ ist sogar ein Diffeomorphismus! Dafür genügt es zu zeigen:∀t ∈ T : det Ψ′ (t) 6= 0.

γ′ (t) =

∂1γ1 (t) . . . ∂pγ1 (t)...

∂1γp (t) . . . ∂pγp (t)∂1γp+1 (t) . . . ∂pγp+1 (t)

...∂1γn (t) . . . ∂pγn (t)

∈ Rn×p

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4.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten 73

und hat den Rang p nach den Vorgaben. Weiterhin gilt

γp+1 (t) = f1(γ1 (t) , . . . , γp (t)︸ ︷︷ ︸Ψ(t)

)

...γn (t) = fn−p (γ1 (t) , . . . , γp (t))

Unter Zuhilfenahme der Kettenregel

γp+1 (t) = f1 Ψ⇒ γ′p+1 (t) = f1 (Ψ (t)) Ψ′ (t)

(∂1γp+1, . . . , ∂pγp+1) = (∂1f1, . . . , ∂pf1)

∂1Ψ1 . . . ∂pΨ1...

∂1Ψp . . . ∂pΨp

⇒ ∂iγp+1 (t) =

p∑k=1

∂kf1 (Ψ (t)) ∂iγk (t)

...

∂iγn (t) =

p∑k=1

∂kfn−p (Ψ (t)) ∂iγk (t)

für i = 1, . . . , p. Hierbei wurde auf die Definition von Ψ durch γ genutzt. Wirhaben also Zeile (p+ 1) bis n von γ′ (t) als Linearkombination der ersten p Zeilendargestellt. Deshalb sind die ersten p Zeilen linear unabhängig (wegen Rang p),d.h.

det Ψ′ (t) 6= 0.

Es gilt also γ = γ0 Ψ, Ψ Diffeomorphismus und γ0 : V → M (nur lokal!) dieKoordinatendarstellung.

(ii) Das Urbild γ−1 (D) wird bijektiv auf γ−1 (D) abgebildet

⇒ Φ = γ−1 γ

ist Homömorphismus.

(iii) Φ Diffeomorphismus! Es gibt Diffeomorphismen Ψ, Ψ laut Teil 1 mit

γ = γ0 Ψ

γ = γ0 Ψ

mit γ0 die Koordinatendarstellung. Dann ist

Φ = γ−1 γ = Ψ−1 γ−11 γ0 Ψ = Ψ−1 Ψ

ein Diffeomorphismus.

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74 4.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten

Bemerkung.

– “Karten” sind Umkehrabbildung von Parametrisierungen.

– Die Eigenschaft, dass Kartenwechsel Diffeomorphismen sind, wird bei der Definitionvon Mannigfaltigkeiten im Allgemeinen gefordert. Hier, d.h. bei Untermannigfal-tigkeiten des Rn, folgt diese Eigenschaft.

Definition 4.4. Eine Untermannigfaltigkeit des Rn heißt orientierbar, wenn eine Fami-le gleichorientierter Parametrisierungen existiert, welche die Untermannigfaltigkeit dar-stellt. Hierbei bedeutet gleichorientiert, dass sämtliche Kartenwechsel Φ orientierungs-treu, d.h. det Φ′ > 0, sind.

Beispiel. 1. Die Kugeloberfläche S2 =x ∈ R3 | ‖x‖ = 1

ist eine 2-dim. orientier-

bare Untermannigfaltigkeit des R3.

γ (t1, t2) =

(2t1

1 + t21 + t22,

2t21 + t21 + t22

,1−

(t21 + t22

)1 + t21 + t22

)

γ (0, 0) = (0, 0, 1)

γ (t1, t2)→ (0, 0,−1) , t21 + t22 →∞

γ (s1, s2) =

(2s1

1 + s21 + s2

2

,−2s2

1 + s21 + s2

2

,s2

1 + s22 − 1

1 + s21 + s2

2

)

γ (0, 0) = (0, 0,−1)

γ (s1, s2)→ (0, 0, 1) , s21 + s2

2 →∞

D = γ(R2)∩ γ

(R2)

= S2\ ((0, 0, 1) , (0, 0,−1)). Der Kartenwechsel

Φ: R2\ (0, 0)→ R2\ (0, 0)

Φ1 (t1, t2) =t1

t21 + t22, Φ2 (t1, t2) =

−t2t21 + t22

.

Testen! Es muss gelten:Φ = γ−1 γ,

d.h.γ (Φ (t1, t2)) = γ (t1, t2)

γ1 (Φ (t1, t2)) = γ1

(t1

t21 + t22,−t2t21 + t22

)

=

2t1t21+t22

1 +(

t1t21+t22

)2+(−t2t21+t22

)2

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4.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten 75

=2t1

(t21+t22)2+t21+t22

t21+t22

!=

2t11 + t21 + t22

Ebenso für γi (Φ (t1, t2)) = γi (t1, t2) für i = 2, 3. Es ergibt sich

det Φ′ (t1, t2) =1(

t21 + t22)2 ∣∣∣∣ t22 − t21 −2t1t2

2t1t2 t22 − t21

∣∣∣∣=

1(t21 + t22

)2 > 0,

d.h. γ und γ sind gleichorientiert. Also ist S2 orientierbar!

2. Das Möbiusband. Die Teilmenge M des R3, die durch die Gleichungen

x1 = cos t

(1 + s cos

t

2

)x2 = sin t

(1 + s cos

t

2

)x3 = s sin

t

2

für 0 ≤ t ≤ 2π und −12 < s < 1

2 beschrieben wird, ist ein Möbiussches Band. ZurBeschreibung von M sind zwei Parameterdarstellungen erforderlich; man kann etwa

γ (t1, t2) =

(cos t

(1 + s cos

t

2

), sin t

(1 + s cos

t

2

), s sin

t

2

)für T =

(t1, t2) | − 1

2 < t1 <12 , 0 < t2 < 2π

und

γ (u, v) =(

cos v(

1 + u cosv

2

), sin v

(1 + u cos

u

2

), u sin

v

2

)in V =

(u, v) | − 1

2 < u < 12 , −π < v < π

. Man findet für Φ die explizite Darstellung

u = Φ1 (s, t) = s

v = Φ2 (s, t) = t

falls 0 < t < π bzw.

u = Φ1 (s, t) = s

v = Φ2 (s, t) = π − t

falls π < t < 2π. Aufgrund des „–“ in der zweiten Transformation sind die beidenParametriserungen nicht gleichorientiert.

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76 4.1. Integration über Untermannigfaltigkeiten

Lemma 4.5. Das Möbiusband M ist nicht orientierbar.

Beweis. Sei (γi) eine Familie von Parametrisierungen γi : Ti → M, die alle gleichori-entiert mit γ sind. Die durch t = 0 beschriebene Linie hat einen Schnitt mit einemp-Flächenstück, sei dies o.B.d.A. durch γ1 gegeben. Sei T1 ⊂ T1 derart, dass

γ1

(T1

)⊂ γ (V ) .

Es gilt dann:

det(γ−1 γ

)′︸ ︷︷ ︸wechsel Vorz.

= det(γ−1 γ1

)′︸ ︷︷ ︸wechselt nicht Vorz.

det(γ−1

1 γ)′︸ ︷︷ ︸

>0(Ann.)

Widerspruch!

Zerlegung der Eins

Definition 4.6. Sei Ω ⊂ Rn nichtleer. Eine Familie (ηα)α∈I von Funktionen ηα ∈C∞c (Rn) heißt Zerlegung der Eins auf Ω, falls gilt

(i) 0 ≤ ηα ≤ 1 für jedes α ∈ I,

(ii) Sei K ⊂ Rn kompakt. Dann gilt die Aussage ∃x ∈ K : ηα (x) 6= 0 für höchstensendlich viele α ∈ I,

(iii)∑

α∈I ηα (x) = 1 ∀x ∈ Ω.

Lemma 4.7. Auf Ω = Rn existiert eine Zerlegung der Eins.

Beweis. Sei r : Rn → (0,∞) eine beliebige Funktion und

B (x) = y ∈ Rn | |y − x| < r (x)

Dann istU = (B (x))x∈Rn

eine offene Überdeckung des Rn. Seien Ki (i ∈ N) abgeschlossene Kugeln im Rn mit

K1 ⊂ K2 ⊂ . . .

und∞⋃j=1

Kj = Rn.

Für jede MengeKj+1\Kj (abgeschlossener Annulus) existieren endlich viele Kugeln Bα ∈U, welche Kj+1\

Kj überdecken. Für j = 1, 2, . . . ergibt sich eine abzählbare Überdeckung

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4.2. Die Sätze von Gauß und Stokes 77

des Rn mit Kugeln Bα ∈ U . Gegeben Bα , setze rα = r (xα), wobei xα Mittelpunkt vonBα. Setze

ξα =

exp

(1

|x−xα|−rα

), |x− xα| < rα

0 , |x− xα| ≥ rα.

Für jedes Kompaktum K ⊂ R gilt ξα 6= 0 nur für endlich viele α. Also existiert

x 7→∑α∈I

ξα (x) = ξ (x) > 0.

Setzeηα (x) =

ξα (x)

ξ (x).

4.2. Die Sätze von Gauß und Stokes

Um die Sätze von Gauß und Stokes formulieren zu können, müssen wir noch zwei Be-griffe (Rand einer Untermannigfaltigkeit und Kompaktheit einer Untermannigfaltigkeit)erläutern.

Definition 4.8. Seien T ⊂ Rp offen und konvex, γ : T → Rn Parametrierung eineseinfachen p-Flächenstücks. Sei H ⊂ Rp ein abgeschlossener Halbraum mit T ∩ H 6=∅. Dann beschreibt γ|T∩H ein einfaches p-Flächenstück mit Rand. Die Punkte des p-Flächenstücks γ

(T ∩ H

)heißen innere Punkte, die Punkte des (p− 1)-Flächenstücks

γ (T ∩ ∂H) heißen Randpunkte.

Bemerkung. Ein abgeschlossener Halbraum des Rn ist eine durch a ∈ Rn, b ∈ R und

H = x ∈ Rn | 〈a, x〉 ≤ b

gegebene Teilmenge des Rn. Es gilt ∂H = x ∈ Rn | 〈a, x〉 = b und a‖a‖ ist äußere Nor-

male zu H. ∂H ist eine orientierbare (n− 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn,welche durch

γ (t1, . . . , tn−1) = ba

‖a‖2︸ ︷︷ ︸a

+t1a1 + . . .+ tn−1a

n−1

parametrisiert wird, wobei ∀i : 〈a, ai〉 = 0 und ∀i, j : (i 6= j) ⇒ 〈ai, aj〉 = 0. Man sagt,dass ∂H positiv orientiert ist, falls

det(a, a1, . . . , an−1

)> 0

gilt.

Definition 4.9. Eine Teilmenge M ⊂ Rn heißt p-dimensionale berandete Untermannig-faltigkeit, wenn es zu jedem Punkt x ∈M eine (n− 1)-dimensionale Umgebung U von xgibt derart, dass U ∩M ein einfaches p-Flächenstück oder ein einfaches p-Flächenstückmit Rand ist.

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78 4.2. Die Sätze von Gauß und Stokes

Bemerkung.

– Jede p-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn ist demnach eine berandete Un-termannigfaltigkeit des Rn.

– Die Orientierung einer berandeten Untermannigfaltigkeit kann auf ihren Rand for-gesetzt werden.

Im Folgenden nehmen wir an, dass die berandeten p-dimensionalen orientierbaren Unter-mannigfaltigkeiten des Rn zusätzlich kompakt sind. Dies erlaubt es uns, die Integrations-sätze mittels einer Zerlegung der Eins lokal auf einfachen p-Flächenstücke durchzuführen.

Zu jedem Punkt x ∈M existiert nach Voraussetzung eine offene Kugel Ux ⊂ Rn derart,dass Ux ∩M ein einfaches p-Flächenstück ist (mit oder ohne Rand). Wenn M kompaktist, reichen endlich viele dieser offenen Kugeln aus, um M zu überdecken, z.B. m-StückU1, . . . , Um. Setze U =

⋃mi=1 Ui. Seien f1, . . . , fm ∈ C∞c (U) mit

(i) ∀i : (x ∈ Ui ⇒ fi (x) > 0),

(ii) ∀i : (x ∈ U\Ui ⇒ fi (x) = 0),

(iii) ∀x ∈ U :∑m

i=1 fi (x) = 1.

Dass solche Funktionen f1, . . . , fm existieren, ist nach den Betrachtungen von Seite 76ff.klar. Nun können wir das Integral

´M ω mittels der Zerlegung ω = f1ω + . . .+ fmω auf

Integrale über einfache p-Flächenstücke zurückführen. Beachte, dass der Träger von ωfiin einer Umbegung von M ∩ Ui enthalten ist. Ist ω eine p-Form mit einem Träger in

einem einfachen p-Flächenstück, so definiert man natürlichˆMω :=

ˆγω, wobei γ die

Parametrisierung des einfaches p-Flächenstücks ist und γ gleichorientiert zu M gewähltwird.

Definition 4.10. SeiM eine kompakte orientierte p-dimensionale Untermannigfaltigkeitdes Rn. Sei ω eine auf einer offenen Obermenge von M definierte stetige p-Form. Danndefiniert man das Integral von ω über M durch

ˆMω =

m∑i=1

ˆMfiω,

wobei fimi=1 eine geeignete Zerlegung des Eins wie oben.

Bemerkung. Diese Definition vonˆMω ist unabhängig von der Wahl einer Zerlegung

der Eins. Seien nämlich fimi=1 , gjkj=1 zwei Zerlegungen, so gilt

m∑i=1

ˆMfiω =

m∑i=1

k∑j=1

ˆMfigjω

=k∑j=1

m∑i=1

ˆMgjfiω

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4.2. Die Sätze von Gauß und Stokes 79

=k∑j=1

ˆMgjω.

Notation: Ein glatt berandetes Gebiet im Rn ist eine kompakte orientierte berandeten-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn.

Satz 4.11 (Gauß). Sei G ein glatt berandetes Gebiet im Rn. Sei ω eine (in einer offenenObermenge von G) definierte stetig diff’bare (n− 1)-Form. Dann gilt

ˆGdω =

ˆ∂Gω.

Außerdem gilt

Satz 4.12 (Stokes). Sei M eine kompakte orientierte p-dimensionale Untermannigfal-tigkeit des Rn mit Rand ∂M , dessen Orientierung durch diejenige von M induziert wird.Dann gilt für jede (in einer offenen Obermenge von M definierte) stetig diff’bare (p− 1)-Form ω ˆ

Mdω =

ˆ∂M

ω.

Beweis des Satzes von Gauß. (i) Sei ω eine (n− 1)-Form, deren Träger in einem ein-fachen n-Flächenstück ist. Folglich

ˆγdω = 0.

Denn: Sei γ : T → Rn. Dann giltˆγdω =

ˆTγ∗(dω) =

ˆTd(γ∗ω),

wobei die Definition von γ∗ (s. Seite 68) und Satz 3.18 verwendet wurden.

Wir nehmen nun an, dass die (n− 1)-Form γ∗ω gegeben ist durch

γ∗ω = w1dt2 ∧ . . . ∧ dtn− w2dt1 ∧ dt3 ∧ . . . ∧ dtn. . .

+ (−1)n−1wndt1 ∧ . . . ∧ dtn−1.

Damit giltdγ∗ω = (∂1w1 + . . .+ ∂nwn)︸ ︷︷ ︸

divw

dt1 ∧ . . . ∧ dtn.

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80 4.2. Die Sätze von Gauß und Stokes

Warum gilt nunˆT

divw dλn = 0? Z.B. gilt

ˆT∂1w1dλ

n =

ˆ ∞−∞

ˆ b2(t1)

a2(t1)

ˆ b3(t1,t2)

a3(t1,t2). . .

=

ˆT ′

ˆ b1(t2,...,tn)

a1(t2,...,tn)∂1w1dt1dλ

n−1(t2, . . . , tn) =

ˆT ′

0 = 0.

(ii) Es gelte nun, dass der Träger von ω in einem Flächenstück mit Rand liege. Danngilt ˆ

Gdω =

ˆ∂Gω

Denn: Mit demselben Ansatz erhalten wir nun Ausdrücke (Summanden) der FormˆT∩H

∂iwi(t)dλn(t), wobei H = t ∈ Rn | t1 ≤ 0.

Behauptung:ˆT∩H

∂iwidλn(t) = 0 für i = 2, . . . , n. Für i = 1 ergibt sich

ˆT∩H

∂1w1dλn(t) =

ˆT ′

ˆ 0

a1(t2,...,tn)∂1w1dt1dλ

n−1(t2, . . . , tn)

=

ˆT ′w1(0, t2, . . . , tn)dλn−1(t2, . . . , tn) =

ˆT∩∂H

γ∗ω

nach der Darstellung von γ∗ und der Annahme über die Form von H.Beispiel.

f(x) =

1 + x, falls1 ≤ x ≤ 3,

0, sonst.

Dann ˆGf ′ =

ˆ 7

−7f ′ =

ˆ 3

1f ′ = 2.

(iii) Zerlegung der Eins, dann fertig.

Anwendungen des Satzes von Gauß

– Geschlossene Formen in konvexen Gebieten sind exakt.

– Methode zur Volumenberechnung. Wähle ω derart, dass dω ≡ 1 bzw. dω konstant.Beachte:

´G 1 = |G|.

– Satz (Fixpunktsatz von Brouwer). SeienK ⊂ Rn kompakt und konvex und f : K →K stetig. Dann besitzt f mindestens einen Fixpunkt.

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4.2. Die Sätze von Gauß und Stokes 81

– Greensche Formeln

– Konsequenz des Satzes von Stokes:ˆ∂M

ω = 0, falls ω geschlossen.

Oberflächenmaße

Wie berechnet man den Flächeninhalt (das p-dimensionale Volumen) eines glatten p-dimensionalen Flächenstücks.

Definition 4.13. Sei γ : T → Rn Parametrisierung eines glatten p-dimensionalen Flä-chenstücks. Dann wird durch

A(γ) =

ˆT

√G(∂1γ(t), . . . , ∂pγ(t))dλp(t)

das Oberflächenmaß des p-Flächenstücks definiert. Hierbei ist

G(a1, . . . , ap) = det

〈a1, a1〉 . . . 〈a1, ap〉...

. . ....

〈ap, a1〉 . . . 〈ap, ap〉

.

die sogenannte Gramsche Determinante.

Man weist nach, dass durch A wirklich ein Maß beschrieben wird und dass A(γ1) = A(γ2),falls γ2 = Φ γ1, wobei Φ ein orientierungserhaltender Diffeomorphismus ist.

Schnell sieht man, dass für γ(t) = a+ t1b1 + . . .+ tpb

p mit t ∈ T und 〈bi, bj〉 = 0 für i 6= jgilt

A(γ) =

ˆTdλp = λp(T ).

Definiere nun auf T eine p-Form dA durch

dA =√

det(gij(t))dt1 ∧ . . . dtp.

Setze dV = dx1 ∧ . . . ∧ dxn (Standard-Volumenform).

Satz 4.14 (Physik-Variante des Satzes von Gauß). Seien G ein glatt berandetes Gebietim Rn und G′ ⊂ Rn offen mit G ⊂ G′. Sei v ∈ C1(G′,Rn). Dann giltˆ

Gdiv vdV =

ˆ∂G〈v, n〉dA,

wobei n(x) die äußere Normale an ∂G im Punkt x ist.

Satz 4.15 (Physik-Variante des Satzes von Stokes). Seien M eine kompakte orientierte2-dimensionale Untermannigfaltigkeit des R3 mit Rand ∂M . Seien M ′ ⊂ R3 offen mitM ⊂M ′ und v ∈ C1(M ′,R3). Dann giltˆ

M〈rot v, n〉dA =

ˆ∂M〈v, t〉ds,

wobei t(x) der Tangenteneinheitsvektor im Punkt x der (gemäß M) orientieren Randkurve∂M ist.

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Literaturverzeichnis

[1] Barner, M. & Flohr, F.: Analysis. II, de Gruyter Lehrbuch, 3. Auflage, Walterde Gruyter & Co., Berlin (1996)

[2] Bauer, H.: Maß– und Integrationstheorie, de Gruyter Lehrbuch, 2. Auflage, Walterde Gruyter & Co., Berlin (1992)

[3] Brezis, H.: Analisi funzionale, Liguori Editore, Napoli (2010)

[4] Elstrodt, J.: Maß– und Integrationstheorie, Springer-Lehrbuch, 4. Auflage,Springer-Verlag, Berlin (2005)

[5] Schilling, R.L.: Measures, integrals and martingales, Cambridge University Press,New York (2005)

[6] Spivak, M.: Calculus on manifolds, W. A. Benjamin, New York-Amsterdam (1965)

[7] Werner, D.: Einführung in die höhere Analysis, Springer-Lehrbuch, Springer-Verlag, Berlin (2009)