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ANANKE UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE DES WORTGEBRAUCHS VON HEINZ SCHRECKENBERG C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG MÜNCHEN '964 l In ((.b 4 b . \ i, \
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ANANKE

UNTERSUCHUNGEN

ZUR GESCHICHTE DES WORTGEBRAUCHS

VON

HEINZ SCHRECKENBERG

C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG

MÜNCHEN '964

~ l In 11~t;T ((.b C:i<;~ 4 b

. \ i, \

Page 2: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

© C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1964 Druck der Buchdruckerei Georg Appl, Wemding

Printed in Germany

INHALT

Einführung . . . . . . . .

1. Joch, Fessel und Sklaverei

1. 3a:[Liiv(av&yx1l 2. &YEW &~aYX1l . 3. ~(jXEW av&:yx'll 4. Sprachliche und kulturgeschichtliche Parallelen. 5. Sklaverei . . . . . . .

H. Situationsgegebene Bindung

1. Herr und Untertan , . . 2. Die Zwangslage . , . . 3. Folter, Schmerz und Leid

III. Naturbindung

1. Liebeszwang . . . . . . 2. Natürliche Lebensbedürfnisse 3. Verwandtschaft und Freundschaft 4. Tod ............ .

IV, Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

1. Die Fessel des Schicksals 2. Weltbindung und Verkettung des Seins ..

a) Platon: Der Ananke-Mythos der Politeia b) Das Joch des Gesetzes . . . . . . . c) Pythagoras, Parmenides, Empedokles . d) Die Ananke der Atomisten e) Stoisches und Platonisches

3. Die ,.orphische" Ananke

V. Magie und Erlösung . . .

1. Ananke in der magischen Terminologie 2. Ananke als Zaubergottheit 3. Die Seele in der Fessel des Körpers. 4. Götterzwang . . . .'. . 5. Erlösung aus der Ananke

VI. Das semitische Etymon

Schlußbemerkung . . . .

Literaturverzeichnis

Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen .

Register

Tafeln .

VII

6 14 16 24

28

28

36

44

50

5° 61 65 66

72

72

8, 81

101

'°3 "4 122

'3 ' '35

'35 '39 145

'53 '57

165

'75

'77 18,

18 3 ,89

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EINFÜHRUNG

Es unterliegt nicht der Diskussion, daß Ananke ein Abstraktum ist: Zwang und Not in allen Spielarten, vom notvollen Zwang des Schicksals bis zum Zwang der Folterung. Die einzige zur Sache vorliegende Monographie (W. Gundel, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Begriffe Ananke und Heimarmene, Gießen 1914) geht denn auch auf semasiologische Fragen nicht ein. Sie beschränkt sich auf den historischen Gesichtspunkt, wobei das VOt­

und außerphilosophische V orkornmen des Wortes fast ganz aus dem Blickfeld bleibt. Hier einen Neuansatz zu wagen rechtfertigt der Rang, den Ananke als theologischer und philosophischer Begriff im griechischen Denken einnimmt; dies wird auch gefordert durch die Einsicht, daß Aussagen zu der zentralen Bedeutung von Ananke etwa bei Parmenides oder Platon oder bei den Ato­misten gar nicht möglich sind ohne genaue Kenntnis der sprachlichen V oraus­setzungen, die in der frühesten griechischen Dichtung angelegt sind. Die Unter­suchung selbst folgt dabei dem Grundsatz, daß etymologische Sachverhalte für die Bedeutung eines griechischen Wortes nur wenig oder nichts ergeben und allenfalls nachträglich zur Kenntnis genommen werden können, sowie Prin­zipien, wie sie für die neue semasiologische Forschung vor allem seit Bruno SneH gelten, "sich zu hüten, homerische Wörter vom klassischen Griechisch her zu interpretieren und sich, um die homerische Sprache zu verstehen, nicht vom Gebrauch der späteren Zeit beeinflussen zu lassen." Entsprechend dieser neuen Form von Etymologie kann es gelingen, von den griechischen Wörtern die Verkrustung und den Staub der Zeit zu entfernen und ihnen "die Leucht­kraft ihrer Schöpferstunde zurückzugeben" (Snell).

Das Thema dieser Untersuchung habe ich mir selbst gestellt, doch wäre sie nicht entstanden ohne das Interesse für Wortforschung, das mein Lehrer Richard Harder in mir geweckt hat. Methodisch verpflichtet bin ich neben Bruno Snell vor allem der Sprachbetrachtung, wie sie J ost Trier und J. L. Weisgerber vertreten. Ich· gehe von der überzeugung aus, daß das einzelne Wort integrierender Teil eines Sinnbezirkes ist und in seinem Inhalt vor allem von daher bestimmt und gegen andere Wörter abgegrenzt werden kann. Das Wesen eines solchen Sinnbezirkes, der, wie die Bedeutung des Einzelwortes, niemals starr bleibt, schließt eine Auffassung von Sprache als der bloßen Summe aller ihrer Wörter aus. Ist aber die Sprache wirklich das lebendige Korrelat des Denkens, so kann eine Wortuntersuchung nicht mehr nur Selbstzweck sein oder im Dienst der Lexikographie stehen, sondern muß neben

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VII! Einführung

kulturgeschichtlichen Sachverhalten auch Eigenarten der Denkweise erhel­

len. Diese Arbeit wurde geschrieben nehen meiner Tätigkeit als wissenschaft­

licher Mitarbeiter arn Institutum Judaicum Delitzschianum in Münster. Der Leiter dieses Institutes, Herr Professor D. Dr. h. c. K. H. Rengstorf D. D., hat ihr Entstehen mit wärmster Anteilnahme begleitet und unterstützt. Beson­deren Dank schulde ich Herrn Professor Dr. G. Müller, der das Manuskript durchsah und wertvolle Hinweise gab, sowie den Herausgebern der Zetemata, vor allem Herrn Professor Dr. H. Diller und Herrn Professor Dr. E. Burck, die meine Arbeit in diese Reihe aufnahmen und mich auf Verbesserungs­möglichkeiten aufmerksam machten.

Herrn Professor Burck, meinem Freunde Dr. Wolfgang E. Gerber und Herrn cand. theol. Eberhard Güting danke ich für ihre Hilfe bei der Korrektur.

r--

I. JOCH, FESSEL UND SKLAVEREI

1. oa(.Lä.v &V&IX YI

Beim Überblick über den homerischen Gebrauch von Ananke fällt auf, daß ein großer Teil der Belege auf drei Verwendungsweisen entfällt: oGt.:(.L&crav't'€t;

&vet1x"(l (Il. 18, 113; 19, 66), &IE~V &vet1x"(l (IL 9,429.692; Dd. 9, 98; 14.27.272; 17.441; 18, 76; 22, 353), tcrX€~V &Vet1x"(l (Dd. 4, 557f.; 5,14; 17. 143). Die Ver­mutung liegt nahe, daß gerade diese Formeln den ältesten und frühesten Sinn des Wortes bewahrt haben.

Achill will sich mit Agamemnon versöhnen und seinen Groll bezwingen

(Il. 18,11J; '9,66): l)uf'OV 3af!.&m"v~., &v&j'X~. Ahnlieh (Il. 20, 14J) vom be­siegten Gegner ~(.L€1'€PYl1; unb X€pcrtv &valXtlt'l')tpL Otl(.L€V"t'tl1; und h. Ap. 543 von den Priestern in Delphi, die ihre Unabhängigkeit verlieren und fremden Her­

ren untertan sein werden: 1'WV fm' &va1xa("(l oe:op.~cr€cr&' ~p.IX1'O:: netv1'IX. Die enge Verbindung von 3af'v&", und &v&yx'r) bezeugt auch Pindar (Fr. 94 a 16): ... wem nicht kinderlos bleibt und ganz und gar zerfiel sein Haus, bezwungen von der gewalttätigen Ananka (ßLIX(q:. OO::(.Le:~1; &Vet1xq::).

Nun heißt OIX(.L(V)&{)) im Epos ganz allgemein "besiegen, bezwingen, über­wältigenH

, doch ist - deutlicher als "Band" in "bändigen" - die Grundbedeu­tung ,,(ins Joch) binden" noch mit gegeben, wie sich vor allem aus Erklärun­gen etymologisch zu oo::p.v&w gehörender Adjektive ergibt; denn eine ßOU1;

&3f'~TI) wird (lI. 1O,29J und Od. J, J82) expliziert: ~v oll"", (mo ~uyov ~yay.v &v~p, und in den Septem des Aischylos entsprechen sich nOt,LV &Oet(.La1'OV (233) und nOALv ~€ÜIA'()cn oouA("(lm p.~no1'€ crXcl}e:rv (74f.) von Theben gesagt. t7t7t01;

&af'~~'r) (Il. 2J, 265 f.) ist eine Stute, die noch nicht unter dem Joch gegangen ist; ebel1so &O(.L~1; und &O(.L~1''I') von ~(.L(OVOL gesagt:

11. 23. 65 5 &o(.L~1''I')V, ~ 1" &AI~cr1''I') oO::(.Letcracrihv

Dd. 4, 63 7 &Of1.~1'e:1;· "!wv xev 1'W' €AIXcrcrOC(.LEV01; otlp.lX(Jcdp.'I')v. Von der Auffassung des yocf1.01; als Joch oder Fessel her versteht sich mx.p&€V01;

&af'~' (Od. 6, 109. 228). Davon wird gleich noch zu reden sein. Was heißt jetzt OIX(.LOCcrc(V1'E1; &voc1x"(l? Man hat hier &voclX'l') ganz abstrakt ver­

standen "mit Gewalt" (Voß), "notgedrungen" (Th. v. Scheffer), "die Not will's" (R.A. Schräder) und etwa gesagt, die Rache Achills für Patroklos sei "die &Vet1x'I'), vermöge welcher er seinen früheren Groll aufgibt" (Faesi). Doch diese Deutungen sind nicht im ausschließlichen Hinblick auf die homerischen Belege erfolgt. Eine unvoreingenommene Betrachtung von &U(.LbV ... oC((.L&.-

1 Schreckenberg

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r -- ------ -

2 Joch, Feucl und Sklaverei

O'ocv't"ec; av&yx:n führt vielmehr darauf, daß vom Thymos die Rede ist wie von

einem ungebärdigen Ross, das man kirre macht und bindet, d. h. ihm die

Jochfessel (~EuYA"') anlegt, die es ans Joch fesselt. Freilich ist die Bedeutung "Fessel" für &vayx"f) hier noch nicht zwingend, es könnte auch modales Ad­

verbium sein: gewaltsam (ins Joch) binden; doch liegen Bestätigungen der erste­

ren immerhin erwägenswerten Möglichkeit zur Hand. Bei Pindar (Pyth. 4, 234)

findet sich eine merkwürdige Parallele zu seinem obengenannten oC<[.J.ek &vayxq::

Jason bindet den Nacken der Stiere ins Joch: ßOEOU<;' o~(J(x<;, &vayxIX<;' E:V'T€(HV

IXuXivIX<;'. &vayxiX<;' e:v't"eIX bedeutet zweifellos das "Jochgeschirr". Es ist dieselbe

Situation gemeint, in der kurz vorher Aietes vorgeführt wurde (227 'T00<;'

&YrJ.ywv ~eOYACf nEAaaaev v-ouvo<;,) und die auchApollonios in seinen Argonautica

3, 1314ff. schildert: ... ~uya o[ m:06&ev Mcrav &v-qnßaAEcri)'a~. IXu't"ap 6 eu tVEo"f)cre

A6tpou<;,. Daß Ananke etwas mit dem Joch zu tun hat, weiß sogar noch Nonnos,

der 17, 121 ff., bezogen auf die Gefangennahme der Inder durch Bakchen und

Satyrn, die Antithese bildet 'TOI)<;' o~ ... OOOA~OV t<;' ~uy60ecrv-ov tA"f)(cra~Vto yuva'ix€<;, ... ot v-~v ~IX't"OpoWW tooUAN&"f)O'IXV &vayx7J. Es entsprechen sich

als verschiedene Ausdrücke für die gleiche Sache OOOAWV ~uy60ecrv-ov und toou­

Acil.thjcrav &vayx7J (der letztere Ausdruck auch 45,237), so daß also &vayx"fJ durch

~uy60eO'v-0<;, interpretiert wird. Die Annahme, daß Ananke in oav-acrIXv-re<;, &vayx7J

so etwas wie ,,(Joch)fessel" bedeuten müsse, wird auch von Sophokles be­

stätigt. Im Mittelpunkt der "Trachinierinnen" steht die List des Kentauren,

der Herakles zum Opfer fällt. Das mit dem Gift getränkte Kleid ist die Kev­'Taopou ... oo/\o7tmo<;, &vayxrJ. (831f.), die den Herakles unlösbar wie eine Fessel

umschließt und schließlich bezwingt (1057 &tppacr-rcp -rTIoe X€~P(i)&Et<;, neo7J).

Ersichtlich wird &vayxa durch Xe:~pW&Etc; 7teo7J wiederaufgenommen und erklärt.

X€tpw&e:t<;, nE07J ist geradezu eine Paraphrase des epischen oIXv-acrav't"€<;' &vayx7J.

Agathon in Platons Symposion (195 c) vertritt die Ansicht, die vielen Ge­

walttaten unter den Göttern, von denen Hesiod und I:!armenides erzählen,

seien unter der Herrschaft der Ananke, nicht aber des Eros geschehen. Was

bewog Platon zu solcher mythischen Deutung? Es muß hier auffallen, daß

das Wort Ananke bevorzugt dann auftritt, wenn davon die Rede ist, wie vor­

olympische Gottheiten gewaltsam unschädlich gemacht werden. Nur vor die­

sem Hintergrund, der jetzt aufzuhellen ist, läßt sich die Ananke des Symposion

begreifen. Nur dreimal begegnet &vayx"f) bei Hesiod: Theog. 517 "A'TArx<;, 0'

oupavov eupuv E:XEt Xpa'TEp-7j<;, un' &vayxlJ<;' / 7te(prJ.cr~v tv ya("f)C;. Der Ausdruck

XpIX't"Ep-/j<;" U7t' &vayx"f)C; ist isoliert gesehen unverständlich, es sei denn, man be­

gnügt sich mit dem Abstraktum "Zwang". Die Erwähnung des Atlas bei Aischylos führt weiter. Prom. 425 ... tv n6vOL<;' OrxfLEv't"' &oafLav't"ooe'To~<;,

T~'T~vlX MfLrJ.~<;' dO'~06V-lXv, 1tEOV ,/ A't"AIXV1t'. Atlas ist also in die Schmach stählerner

Soq.tCX\! &\!(xYXTI: Titanenfesselung J

Bande gezwängt und muß fronen. Auch Pindar kennt die Ananke des Atlas,

wenn er von der Pein spricht (Pyth. 4, 288) xaAa y~vwO'XOV'T' ocvayxCf ex't"o<;,

~xetv 7t60rx, d.h. "angebunden sein! Dies ist das Ärgste, das Schöne zu kennen,

doch ihm fern zu sein durch die Schranken der Not. Und dieser Atlas ringet

mit Himmelslast, geschieden von den Fluren der Väter und allem was sein.

Aber Zeus der Ewige löste (Auae 291) die Titanen" (Wolde). Von dem Ab­straktum "Not" ist hier freilich keine Rede; &vayxlX meint ganz konkret die

Fessel, die Atlas bindet und festhält. Das zeigt gerade auch der zweite der

drei Hesiodbelege, der ebenfalls von einem Titanen handelt, von Prometheus (Th. 614ff.):

ou;;;~ yap '!IX7tE'TWVLOIJ<;' &xaxlJ'TIX ITPO(J."f)&EO<;,

'T0'i6 y' U7tE~~AU~e ßIXPUV X6AOV, &)(A' un' &vayxlJ<;'

xat 7to'AOtOP~v &6v-ra (J.eylX<;' xIX't"a OE cr fL 0<;' tpoxe~.

Prometheus ist U7t' &vayx"f)<;', unter dem Joch, d.h. "gefesselt", wie der Vers 616

ausdrücklich expliziert. Die Vorstellung vom "gefesselten Prometheus H ist ja

weit verbreitet und das gleichnamige Stück des Aischylos bestätigt die ver­

mutete Identität von &vayxlJ und 0€crV-6<;,: Prometheus, von Hephaist gefesselt,

klagt (107ff.) &vlJ'To'i<;, yap yeprJ. nopwv &vayxrx~<;, 't"IX'icrO' &v€~euYfLa~ 'TaAa<;,'

... u7tCd1tpw<;, OE 0' fLO 'i<;, 7te:7tIXCmaAe:uV-EvO<;' ... 0p~'Te oecr (J.cil'T"lJv fLe OOO"7tO'TfLOV 1te:6v. Diese Fesseln werden im Laufe der Tragödie immer wieder genannt1. V. 507ff.

macht die Chorführerin Prometheus Hoffnungen, er werde bald von den

Fesseln frei sein (5°9 tx OEO'fL&v Au&eV'Ta), doch Prometheus meint resignie­

rend, er werde erst sehr spät und leidgebeugt erlöst sein (0e:0"V-c( tpuyyavw), denn

'rEXVIJ 0' &vayxlJ<;' ocO'&e:V€O"'TEPIX fLaxpiil. Der Satz geht ins Allgemeine, doch ist

der Anschluß von ocvayxlJ an oeO'fLa nicht zu übersehen: ocvayx"f) ist metaphorisch

der mit der Fesselung gegebene rohe physische Zwang, gegen den Geist und Witz versagen.

Wie die Titanen Atlas und Prometheus wird auch ein anderer Riese der V or­

zeit mit ·der Ananke gebändigt, Typhon. Pindar Fr. 93: &M' oIo<;, &7tAa'TOV

xepa·C~E &EWV Tu<pwvrJ. 7tEVT'fJXOV't"IXXEtpIXAOV &vayxC(. Zeu<;, 7trJ.'t"~p tv ) Ap(V-OLC; 7tO'TE.

Wolde hat hier den Sinn genau erfaßt: "hast du ... Typhon ... ins Joch ge­

zwungen". Wie man sich die Wirkung der Ananke auf Typhon dachte, zeigt

Pindar Fr. 92: xdvcp fL€V At't"va OEO'fLo<;, U7tEptpLaAo<;, OCfL<PLX€t-rrJ.~ und Pyth. 1, 27:

orov AhvrJ.<;' ev v-eAIXfL<pOAAO~<;' OEO€'Ta~ XOPU<pIX'i<;, xat7tEoep sowie Nonnos 2, 622:

&AAa ßIX&Uxp~(.J.vOLm 7tE p t cr <p (yyo U O'a xOAcilvca<;, ktXe:ÄLIJ 't"p~xaplJvo<;, l:)Äov Tutp&vIX

1 So V. 6 &SO:[LO:\!T[VWV 3ecr[L{;")'J tv &pp~x't'm<; 1te3o:~r;. Vgl. die Verse 15, 52, 58, 97, 141,148, 176, 525, 77°, 991, 1006 und schon Hesiod Th. 521:

31jm:: S' &Auwt'oTIe3TIGw IIp0J-L'l')~q.elX 1tO!.X~A6ßOUAOV 3eaJ-Lorr; &:pYIXAemm (.leaov s~oc X(OV' tAaaao:<;.

1*

Page 6: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

1 Joch, Fessel und Sklaverei

öex~crihu. Ananke ist also die lähmende Fessel, die den Feind unschädlich macht.2

Eine besondere Art der Titanenfesselung ist das Ö~(ja.VTOC xa:!o::!exPTocpOUV.

Kronos verfährt so mit den Hekatoncheiren und Kyklopen (Athenag. pro Christianis c. 18 p. 20, 12 Schw. = OF 57 Kern), Zeus so mit seinem Vater Kronos (ibid. c. 20 p. 22, 10 = OF 58)3, Diese Art Ananke meint wohl Pro­metheus bei Aischylos (10joff.): Mag er (Zeus) in den dunklen Tartaros mei­nen Leib werfen, mag er mich binden in die harten Ringe der Ananke (&v&.yxYJ~ (j't"zppocic;' a(v(X~c;'), er kann mich auf keinen Fall vernichten.

Die Antwort auf die oben gestellte Frage nach dem Sinn der Ananke des Symposion ist nun vielleicht gegeben. Agathon sagt, "daß jene alten Begeb­nisse bei den Göttern, von denen Hesiod und Parmenides erzählen unter der , Herrschaft der Ananke geschahen, nicht aber unter der des Eros, falls sie über­

haupt wahre Dinge berichten. Denn Verstümmelungen (sX't'o[J.cd) und Fesse­

lungen (3e:cr[J.of) und viele andere Gewalttaten wären nicht unterihnen O'esche-b

hen, wenn Eros schon bei ihnen gewesen wäre." Der 3e:cr[J.6c;', mit dem die Heka-

toncheiren, die Kyklopen, Typhon, Kronos, Atlas, Prometheus und die Ti­

tanen überhaupt unschädlich gemacht wurden, erschien der reineren Reli­

giosität einer späteren Zeit in seiner Verwerflichkeit so bemerkenswert, daß

er gleichsam den Titel und das kennzeichnende Merkmal der vorolympischen

Götterperiode abgeben konnte. Die spontane Mythographie Platons setzt je­

denfalls voraus, daß er noch die alte Bedeutung von &veXyx'Y) (Fessel) kannte,

ein Umstand, der sich noch verschiedentlich bestätigen wird. Gegen diese

Deutung der Partie des Symposion ließe sich einwenden, daß nicht nur 3e:cr[J.of,

2 Man vergleiche noch Nonnos 3°,78: Hephaist greift den Inder Morrheus mit Feuer an, das diesen umschlingt, &[.Lq;t 3$ 3e:!.p~v

Moppeo.;; au't'otA!.X't'O';; ~A~O"O"e:'t'O 1.-opO"O,;; ~xtq;pwv aUxEv!. fLL't'p6lO"a.;; 7t"Upt.&IXA7t"eo.;; 8pfLoV &vayx1)C;.

Ähnlich 36, 386 von dem Inder Deriades, den Dionysos mitsamt seinem Gespann durch rankende Weinreben gefesselt und kampfunfähig gemacht (cf. ~O"q;1)1;e:v 359, 7t"e:n"1')31)fLeVoV 360, YUL01'tt31)v 365, 3e:O"Wt) 369, ymo7t"E31)v 383), dann aber wieder befreit hatte:

. . . q;uywv 3pu6e:v't'a 't'avu7t"'t'6p.&o!.o xopofLßou 3e:O"fL OV &7t"Z!.A1)-rijpIX xat IXU't'OEA!.X't'OV &v&yx.1)V.

3 VgL Aisch. Eum. 640 7t"IX't'pOC; 7t"pOnfL~ Zell';; [.L6pov 't'4> 0"4> "A6YWj au't'o.;; 3' 1t31)0'e: 1Ca't'tp~ 7t"pEO"ß6Ti'Jv Kp6vov; Josephos c. Ap. 2, 240 von den Titanen ~v 't'4> 't'ap't'&pcp 3E3Ej.lE:\lOU';;. Vgl. Josephos c. Ap. 2, 247, Nonnos 2, 339f.; 13,31. Vielleicht gehört auch Pindar Fr. 161

o! fLsV xchw x&poc 3E:O"fLot:m M3e:nIXL in diesen Zusammenhang, eine Stelle, die man bislang auf Seelen bezog, die Höllen­strafen erleiden (Thomas, EIIEKEINA S. 114).

3o:[.L&v .:h&yx.n: Bakch. 11,96 J

sondern auch &x't'o(J.cd unter der Herrschaft der Ananke geschehen. Aber die

&x't'o(J.G<~ sind im Sinne einer Synekdoche zu verstehen, denn die Entmannung

des Uranos ist nur ein Einzelfall, während sonst der Desmos das übliche Mittel

war, unsterbliche Gottheiten, die nicht getötet werden konnten, unschädlich

zu machen. Ananke muß also a potiori verstanden werden. Daß hier Ananke

(neben Eros) als Göttin erscheint, der Fesselungen (und andere Gewalttaten)

zugeordnet sind, ist Teil einer Entwicklung, in deren Verlauf das Wort einer­

seits abstrakter wird, andererseits aber auch personalen Rang erhält. Darauf

wird bald zurückzukommen sein.

Im Wesen des 3eO'[L6c;' liegt es, daß damit Gewalt angetan und Widerstand

gebrochen wird. Daß dies auch für &v&yx'Y) gilt, ist weiter zu zeigen an Bak­

chylides 17, 92ff. Minos, auf der Fahrt nach Kreta mit den vierzehn Opfern

für den Minotaurus, wird von heftiger Begierde zu einem der Mädchen ge­

packt. Die sieben Mädchen und Jungen fürchten, daß ihr Begleiter Theseus sie nicht mehr beschützen kann, und weinen vor Angst ßG<P€'i:G<v ~m3E:Y[J.€vm &veXy­

x~v (96). Sie müssen befürchten, was V. 43 f. als Möglichkeit bereits ange­deutet ist: ... ~m:r .. tW' ~r1H;cuv cru 3G<[LoccrZtG<1;; azxov"C'G<, d. h. wenn du einem der

Mädchen Gewalt antust, dich an ihm vergreifst. 3G<[LocCU in dieser Verwendung

ist bekannt, man denke z. B. an &"AoXOt 3' &"A"AOtO't 3G<(J.e:'i:e:v Il. 3, 301. Der Grund­

bedeutung "einjochen" entspricht dabei die im Griechischen sehr verbreitete

Anwendung des Jochbildes auf die Verbindung von Mann und Frau. Damit ist auch &v&yx'Y) festgelegt: die Mädchen erwarten eine schwere Ananke, d. h.

Gewalttat, Vergewaltigung. Die Fessel, das Bild vom Joch, ist hier bereits

Metapher geworden4• An Hand weiterer Beispiele läßt sich diese Entwicklung

genau zurückverfolgen. So heißt es bei Pindar Pyth. 12, 15 bezüglich der von

Polydektes erzwungenen Verbindung mit Danae: 30u"AocrovG<v 't'6 "C" aVG<yxG<'i:ov

AZX0';;. Ein Zurückgreifen auf die Formel Hesiods läßt ein Kyprienfragment

beobachten, nach dem Helena aus der von Zeus erzwungenen Verbindung

mit Nemesis hervorging (Kinkel p. 24; fr. 7 Allen) 't'~v 7to't'e XG<"A"A~XO[J.OI;; NZ(J.€O'tl;; qnM't''Y)'t't [J.tye'i:crG<

Z'!iVt '&€Wv ßG<crt"A'!it 't'E:X€ xPCl"C'e:P'!i1;; U7t' aVeXyx'Y)l;;'

cpeuye yocp ou3' g,s,e"Aev [J.tXMj[J.ZVClt sv cpL"A6't''Y)'t'L ...

<1 Das ist im Deutschen kaum nachzuahmen. Die Deutung für rX\I&YKf] "the doom" of becoming victims to tbe Minotaur (Jebb) ist unzutreffend, zumal V. 24ff. aus­drücklich gesagt wird, daß die jungen Leute mit dem ihnen vom Minotaurus drohen­den Tod sicb bereits abgefunden h~ben. Hier geht es nut um die Gewalttätigkeit des Minos, die sie nicht hinnehmen wollen.

Fehl gehen auch Buchholz - Sitzler zu V. 96: "sie mußten sich in die harte Not­wendigkeit, von nun an ihres Beschützers Theseus beraubt zu sein, fügen."

I I

Page 7: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

6 Joch, Fessel und Sklr:tlJerei

aVIXyx.cdYj occppoaL'!I') sagt Nonnos 4, 326 von einer Vergewaltigung, ähnlich &vocyx.cd'Y] o&.!J.ap 2, 306 und &vocyx.,ii:m uf.J.,zva'i:m 20, 234. Ebenso 16, 213 fL~ !J.~V ' .. ' ""'1: ' I • I D d' !;;I\ÜlV ",zu""etev o::vocyxoc~o~.; up.evlX~m.;, aran, an as ßw;aoca%o::t Trap%evov, wie es

J üsephoB c. Ap. 2, 201 nennt, denkt Aphrodite, wenn sie h. Yen. 133 Anchises bittet, ihr kein Leid anZutun (&O!1;~'tYJv fL' &:yocyüw x-cd &7t'etp'~1'YJv cptM't'YJ't'o.;). Die Schilderung der Vergewaltigung der schlafenden Aure durch Dionysos bei Nonnos zeigt noch den Ausgangspunkt dieser metaphorIschen Ananke (48, 628):

xoc1 oecr[Loi.; &:Au't'mm n6oa.; crcpYjxwaIX't'o XOUp'I)<;,

xcd 7tOCAOC(.LlXtt; EAtKfJOOV €7te:crCPPi'Jy(uacet'o cr€tfY~V,

f.L1) fLtV &AljcrX.&.~e:te:v· (cf. 52.5 u7tvciloucrocv {l7to~e:u~a.; ufLe:va~O~e;)

Nach Fesselung der Füße und Hände ist das Mädchen gänzlich wehrlos und kann nicht mehr entfliehen.

Ein Abschnitt aus der" Tierkunde" des Aristoteles mag die Kennzeichnung dieser ganzen Verwendungsweise von Ananke abrunden (576 b 2off.): der Hengst bescbält zu jeder Jahreszeit und solange er lebt. Auch die Stute läßt die Paarung zu solange sie lebt, nicht aber zu jeder Jahreszeit; man muß sie also binden oder sonst irgendwiefesthalten (Ed.V f1.~ 'ne; ~EO'f1.0V ~ &AAYJV 't'tvlX 7tpoO'eveyx7J &vayxYJv). &vayxYJ ist jedes geeignete Mittel, das die Stute festhält und wehrlos macht, vor allem und in erster Linie also ~EaIJ-Oe;.

2. &ye:w ocvayx7J

Eine zweite, umfangreichere Gruppe der homerischen Belege von &v&yx'l) ist in der Verbindung lJ.ye~v (&v&ye:~v) &v&YX7J gegeben.

Od. 9, 98 Odysseus schleppt mit Gewalt die zu den Lotophagen ausgesand­ten Kundschafter zu den Schiffen zurück:

'Taue; (.L~V Eyffiv E7tt v~ae; &yov xAa(oV'Tae; &vayxYJ.

Gd. 14, 272; 17,441 Die siegreichen Ägypter entführen einen Teil der Ge­fährten des Odysseus als Gefangene: 't'ou,:;; 3' &'vayov ~(J)oue; arp(mv Epya~EO'&a~ &v&YX7J.

Il. 9, 429. 692 Achill möchte mit Phoinix heimfahren, freilich nicht gegen des­sen Willen:

&v&yx'{j ~' ou 'TL (.L~V IJ.~Ul (&.~e~).

Od. 22, 353 Phemios verteidigt sich vor Odysseus, er sei nicht freiwillig als Sänger zu den Freiern gekommen: '''1''1' "1\ "1

' \ 1 :s, • 1

1X/llla 7tOfl,1) 7t/IEOVe:e; XIX~ xpe:~O'O'ove:e; 'j y 0 V IX V IX yx 7J.

7

Od. 18, 76 Die Diener schleppen den angstschlotternden Iros gewaltsam zum Kampf mit Odysseus: &A/\OC XlXt @e; ~PYJa'T~pE:e; lJ.yov ~hlcrclV'TEe; &v&yx7J/3E:~~~6'T1X'

Gd. 14. 27 Einer der Hirten wird vom Eumaios zur Stadt geschickt, um den Freiern ein Schwein zu bringen: auv &yzIJ-E:V IJ-vYJa'T'ljpO'~v ö7tE:prp~aAO~atv &v&yx7J.

Zunächst zu Od. 14, 27' f. (~ '7, 44of): EV&' '~IJ-E(J)V 7tOAAOUe; (.L~V &7tEX'TIXVOV o~E'i XIX/\xÜ(, 'TOUe; ~' &.vlXYov ~0)QÜe;, arp[aw Epya~ea&ca &vayxYJ.

Entsprechend der üblichen Interpunktion des Verses 272 verstehen die Inter­preten im Sinne der Übersetzung von Voß: Und viele schleppten sie lebend hinweg zu harter sklavischer Arbeit. Doch ist &v&YX7J keineswegs zu E:pya~e:a­&a~ zu ziehen, sondern mit &.vayov ~woüe; zu verbinden. Die in Gd. 22, 353 sichtbare Verbindung ~yov &vayxYJ muß ebenso bei den übrigen Belegen ge­geben sein, in denen sich &ye:~v und ocv&yxYJ im gleichen Vers Enden. Gemein­sam ist ja auch (bis auf 11. 9,429.692) die Endstellung von OC'J&YxYJ im Verse. Eine andere Interpunktion ('TOUe; 0' &vayov ~woüe;, arp(mv Epya~e:a&IX~, &vay)(:n) führt zu einem neuen Textverständnis : "die übrigen schleppten sie lebend in Fesseln fort, damit sie ihnen Frondienst leisten." Und der Beweis dafür? Der geschlossene Block der &.ye:LV &v&yx7J-Belege bietet dem Verständnis kaum An­satzpunkte. Hier führt vorerst nur ein Umweg zum Ziel. Alle diese Belege handeln von einem gewaltsamen Abführen. Vergleicht man nun den entspre­chenden sonstigen Sprachgebrauch von &ye:LV bei Homer, so Enden sich zwei bemerkenswerte Parallelen:

11. 2, 229ff. Thersites in seiner Schlmpfrede zu Agamemnon: ~ g'T~ xat XpuO'ou emoe:uea~, ov XE 'TLe; OraE:~ TPhlUlV ~7t1tOaclP.(J)V e~ 'IAtou uroe; &.7tO~VIX,

OV xe'J eyffi a'~O'IXe; &yayw ~ &AAOe; 'Axa~wv;

11. 13; 5 71 ~a7ta~p' &~ lke ßoüe;, 'rov 'T' oupeaL ßOUXOAO~ &.vope:e; rAA&mv oux E:,&€AOna ßtYJ o~ao;v'Te:e; &youa~v'

Die aus dem Horner auch sonst bekannte Methode, Gefangene, die man leben läßt, gefesselt abzutransportieren (Il. 21, 26-31 ~UlOU':;; ... a'ljae: ... xa'T&ye~v XOtAae; E7tt v'ljae; cf. 11, 105 sowie 2i, 453f.) scheint aus dem bäuerlichen Be­reich übernommen:5 der Sklave wird behandelt wie ein Stück Vieh. Von einer persischen Truppenabteilung heißt es bei Herodot (9, 119) ot IJ-E:V oc7t€&avov, o~ a€ ~WV'Te:.:;; EAclIJ-tp&YJcmv. xcd auva~ao;v't'€~ O'rpeae; ot "EAAYJvee; ~yov de;~YJa'T6v.

5 Zu vergleichen ist auch oben S, 2 &Yll..YW'J ~e:O'(Aq: bei Pindar, das dem (')'f)Cfll..e; &'J&.yx.lI..e; ~\I't'eO'~v entspricht,

Page 8: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

r

8 Joch, Fessel und Sklaverei

Der Vorgang ist sachlich der gleiche wie Gd. 14, 271 f. Die überlebenden Feinde werden gefesselt abgeführt. Damit wären 3~crOCVT(x (cruvo~(j'(x:v't'o::) &ye~v

und ocyew &vaYX1J parallele Formulierungen, ein Ergebnis, das Zu der eingangs vermuteten semantischen Identität von &v&YX'f) und OEO'f.LOC; paßt.

Nun erhebt sich aber die Frage, ob sich Zu der konkreten Art der Fesselung Aussagen machen lassen. Eine Durchsicht frühgriechischen Bildmaterials, be­sonders der Vasenmalerei, ergibt nichts zur Sache. Da hier die Rede vorn ägyptischen Abenteuer des Odysseus ist, mag ein Blick in den Orient gestattet sein. Die überraschung ist nicht gering; zahllose Darstellungen aus dem alten Ägypten (Abb. 8-22 hier), aber auch aus dem babylonisch-assyrischen Raum und aus persischer Zeit (Abb. 1, 2, 4, 6) sind wie ein Kommentar zum home­rischen Ilyew avocyxY): gefangene Feinde werden nach siegreicher Schlacht rot­tenweise mit Halsschlingen oder Halsgabeln aneinander gefesselt als Sklaven abgeführt. Darauf wird weiter unten noch näher einzugehen sein.

Die an der Küste der Lotophagen von Odysseus ausgesandten Kundschaf­ter haben von der Zauberpflanze gegessen, und so muß Odysseus sie mit Ge­walt zu den Schiffen zurückbringen (Gd. 9, 98f.)

't'oue; fLE:V iywv het v-~<xe; &.yov XAocio\l'rocc; &vocyx"(),

V"l)uO't ö' ivt YAOCrpUPYiO'~v uno ~uyoc 3YjO'<x epuO'O'oce;'

"die nun brachte ich (aneinander) gefesselt trotz ihres Weinens zu den Schif­fen zurück". Gemeint ist offenbar, daß Odysseus mit seinen Leuten verfährt wie mit gefangenen Feinden, die durch Fesselung wehrlos und aktionsunfähig gemacht werden. Sie werden gleichsam ins Joch genommen, so daß die an­schließende Bindung an die Jochbalken des Schiffes (unb ~uyoc 3~0'<x) wie eine Fortsetzung dieses Vorganges erscheint. Fesselung ist schon in der Antike das gegebene Verfahren für Leute, die nicht bei Sinnen sind - die drei Lotosesser werden ja ganz im Zustand des Irreseins vorgeführt.6 Obwohl alle Interpreten &vocyxY) als Abstraktum verstehen, ist die Deutung der Stelle umstritten: gegen Voß (Aber ich zog mit Gewalt die Weinenden wieder ans Ufer) und R.A. Schröder (Ich aber zwang die Jammernden fort) stehen Faesi-Kaegi: "XA<X(OV­

't'<xe; konzessiv; der Grund ihrer Tränen liegt in &'vocyx"I)." Doch ist "sie weinten

6 V gl. Herodot 6,75 von dem Spartaner Kleomenes TIm€OVTOC ,se OCUTOV TOCÜTIX XlXt TIIXPlXrpPOV~crIXVTIX ~,s'~crIXV o~ TIPOO'~)(OVTe:<; elJ ~uÄ<p. Dieses ~UAOIJ, das man sich ähnlich wie die römische furca vorzustellen hat, hatte die gleiche Funktion wie die schweren hölzernen Halsgabein, mit denen in assyrischer Zeit gefangene Feinde als Sklaven ab­transportiert wurden (Abb. 1). Halsgabeln, "Menschenfänger" oder "Häschereisen" genannt, wurden im europäischen Mittelalter vor Gericht, in Zuchthäusern oder Irrenanstalten verwendet, um Tobende aktionsunfähig zu machen (Abb. 23; vgl. Feldhaus, Technik S. 284).

&ye:w &v&;yx'n: Odyssee 9,93j. 9

auf Grund des Zwanges" offensichtlich nicht möglich, denn &;v.xyx"(J ist aus­schließlich mit Ilye~v zu verbinden und bildet mit diesem eine feste Formel, was zahllose Beispiele aus nachhomerischer Zeit noch bestätigen werden. Das wird auch durch epucrcrlXt; gestützt, denn epu(t} als "gewaltsam mit sich fort­reißen" legt den Gedanken an die Fessel (als Angriffspunkt des Zerrens, vgl.

(ma) 10036, Gd. '7, 479f.; (~,va) XA",lv~, Il. 22,493) nahe.' Die konkrete Art der Fesselung läßt sich bildmäßig gut veranschaulichen (vgl. z. B. die Dreier­rotten von Abb. 8, ägyptische Fremdvälkerdarstellung des 12. Jahrhunderts): als einzelner kann Odysseus seinen drei Gefährten nur dadurch seinen Willen aufzwingen und sie zurückbringen, daß er sie aneinander fesselt und als Rotte oder Koppel abführt. Bei einer Einzelfesselung wäre er nur immer eines seiner Gefangenen sicher. Daß das Prinzip der Rottenfesselung (vgl. oben bei Hero­dot cruv3'~crocVTe:e; cr<p~<xe; .•. ~yov) mit gegeben ist, zeigt noch der Sprach­gebrauch_ der Septuaginta (Sap. '7, 16): die Ägypter werden mit einer Fin­sternis bestraft, die außer den Juden alle umfängt. Jeder, auch der Bauer auf dem Felde, der Hirte oder der Tagelöhner an seinem abgelegenen Arbeitsort,

't~v 3ucraAux'rov €[1.e:vev &'v'*YX"I)v, [1.~~ y~p &Aucre:~ crx6'roue; 7trX\lTEC; e3e%"I)crocv

(vgl. 17, 2 3tcrf1. ~o t O'x6'roue; xoct f1.IXXP;X.; 7te: 3"1)'roct vux't'6e;). Damit wird &vrXyxi'J

ausdrücklich erklärt (yap) als unentrinnbare große Fessel, die viele Menschen gleichzeitig fesselt - was nichts anderes ist als das Prinzip der Rottenfesselung. Einen dem Gefangenentransport des Odysseus bis ins letzte gleichenden Vor­gang bietet der Bericht über die Judenverfolguug des Ptolemaios in Alexan­drien Sept. Macc. 3, 4, 7ff. Die Juden werden mit Halsfesseln wie Tiere zu

den Schiffen geführt und dort an die Jochbalken gefesselt: 30"1'-'''' ... I'-0XP' 't"~e; d.; 'ro 7tAOt:OV EfLßOAYjC; EtAXOV'rO fLE'rcX ßLIXe;. ot 't'e 'rou't'(t}v cruv~uyde; ß p 6xo~c;

&'v't't O'Terpt(t}v 'roue; <xUx€voc.; 1t'Ep~ne1t'AeYfLevo~ ..•. x<X'r~X%i'JcrIXV 3e: %"I)p((t}v

't'p61t'ov, &;y6fLe:vo~ 0'~3i'Jp03ecr[1.o~e; &;vocyxoc~e;, ot tJ-E:V 't'ot:c; ~uyot:e; 't"WV 7tAO((t}V

np0O'"I)A(t}[1.eVo~ 't'oue; 'rPIXX~AOUC; XTA. (cf. 7, 5 3e:crtJ-(oue; xocTocy<xy6vne; eile; &'v3poc-1t'o31X). Hier wird nun sehr deutlich, was unter der knappen homerischen For­mel &yew &;vocyx'(j zu verstehen ist. Die völlige sprachliche und sachliche Par­allelität zur Odyssee zwingt dazu, an beiden Stellen &'vocyx"I) zu deuten als die Fessel um den Hals von Gefangenen, die abtransportiert werden. Noch Hygin (§ 125 Rose) interpretiert das IlYEW &'vocyx"(J des Odysseus richtig: quas vinctos ipse reduxit (sc. ad naves).

Aber die griechische Literatur bietet noch eine zweite Parallele zum Loto­phagenabenteuer des Odysseus, und auch sie bestätigt die bei Homer gewon-

7 Nonnos 34, 205 droht der König der Inder &A1)XTOTI~,s(XtC; oSt TIe:a~O'tt<;

,souAwv &<; ~uy6,se:0'[LoV &yw ßt6wO'ov &pu crcrw.

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IO Joch, Fem:lul1d Sklaverei

nene Deutung. Eur. eyel. 234ff. lügt der von Polyphem beim Verkauf von Lämmern und Käse an Odysseus ertappte Silen, er sei gezwungen worden,

auch hätten die Fremden die Absicht geäußert, den Kyklopen gewaltsam zu entführen und als Sklaven zu verkaufen, 3~crG{V't'B~ SE: crS: / XAtpC[l 't'pm~xe:~ ... x&nEt't'Gt.: O'uv3~O'av't"z.; e<; S-dOWAtOC I 't'~.; YfJö,:; €fJ-ßIXA6vTE<; &:rrooc0O"ew 'nvL Der übliche Platz von Gefangenen ist zwischen oder unter den Ruderbänken

(towAW;, ~uy&), offenbar, weil man sie dort arn leichtesten an die Balken fesseln konnte, was nötig war, um ihre Bewegungsfreiheit innerhalb des Schiffes Zu

verhindern. Zeitlich vorher geht das o~O'Cf.t XAepcr bzw. O'uvo-rjaat. Beide Wen­dungen mi.issen als Paraphrasen der homerischen &vocyx'tj gelten.

Eumaios schickt einen Hirten zur Stadt (Gd. 14, 27 f.)

crüv &Y~fLEV fLv'tjcr-r'ljPcr~v 67t'Ep~~aAmcr~v &vayx'(J,

ö~p' [EpEorrocvTE<; XpE~&V xopErroc(ocTo &UfL6v. Der Hirte wird sich bestimmt nicht der Gefahr ausgesetzt haben, daß ihm das Schwein davonrennt, er wird es am Strick geführt haben. Den Interpreten hat diese Stelle große Schwierigkeiten gemacht. Da "gewaltsames Abführen" nur auf Personen paßt und in der Anwendung auf den Transport eines Schweines sich lächerlich ausmacht, hat man sinngemäß verstanden: den Freiern ein Schwein bringen auf Grund von Zwang, da sie (die Freier) zwingen,s Doch liegt kein Anlaß vor, die Formel &.YE~V &vayxY) auseinander zu reißen, wenn man von der Bedeutung "Fessel" für &vayx1) ausgeht. Der Ausdruck versteht sich sinnvoll als eine - freilich eigenwillige - Übertragung von der Gefange­nenbehandlung her. Glücklicherweise gibt der Wortlaut eines kleines Ge­dichtes (s. u. S. 55) einen kaum widerlegbaren Beweis für die Möglichkeit dieser

Deutung: &.YE~V 1'ov Öv .•• a~rrav TE xoct 1t~aoccrav XW fLtv ßp6X4l xa&atJ;a<;

€'auPEV atXfLd:Acu1'ov X1'A. Das ist &.YE~V &vocyxY) in reinster Form. Daß man ein Schwein beim Transport an der Leine führt, ist auch sonst üblich. Man vergleiche etwa die Textillustration zum Märchen "Hans im Glück" der Brüder Grimm in der Ausgabe von 1819 = S. 423 der neuen Edition des Winkler-Verlages.

Einen breiten Umfang nimmt die metaphorische Verwendung des Wortes ein. So ist die Verteidigung des Phemios vor Odysseus gemeint (Od. 22, 35' ff.): w<; iyc0 Ol) T~ exc0v e<; aov 06fLoV ••. 1tCUAEUP.'tjV ••• &AAtt. 1tOAU 7tAe:OVE<; xat XPELcr­

crOVEC; ~ yov & vayx Y). Den schwachen Greis brauchten die Freier nicht zu fesseln. "gefesselt führen" ist eine bildkräftige Metapher für "gewaltsam führen". Phe­mios macht damit glaubhaft, daß ihm-wirldich kein Widerstand möglich war.

8 So bieten Ameis _ Hentze - Cauer: .,avaY(1) an den Schluß des Satzes gerückt, um in 28 die Absicht der Freier anzuschließen" und R. A. Schröder: "denn er sandte den vierten zur Stadt, den Eber zu bringen, welchen der trutzige Schwarm der freienden

Männer gefordert."

&ysw av&yx"{): Or!;'ssee IS,76

Achill will mit Phoinix Troja verlassen (11. 9, 429): ~v E-1HA'(Jmv' &vayxTI

ö' oLS T~ fL~v &.~<.U. "nur wenn er will, in Fesseln führe ich ihn bestimmt nicht fort." &vayx'tj ist wieder eine drastische Metapher für "unfreiwillig", der Ge­gensatz zu ~v e.&~ATImv. So ist das Wort auch gemeint Gd. 18, 76. lros will sich Gdysseus nicht zum Kampf stellen, aber die Diener gürten ihn und schlep­

pen ihn gewaltsam zum Kampfplatz: O:AA& XOCt 6)<; ap1)cr't'~pEC; &yov swO'ocv't'ZC;

&vayx"() / öE~a~6't'a (cf. 89 E<; fL~crcrov 0' &vocyoV).9

Schon bei Homer löst sich &vayx1) aus der straffen Verbindung mit &YZtv.

Das läßt sich Od. 10, 266ff. beobachten. Eurylochos hat Odysseus vom Schick­sal der Gefährten erzählt und weigert sich nun, mit Gdysseus wieder zu Kirke zurückzugehen (f1.~ fL' &yz xdrr' &~xoVTa .•. ot)'t'e: 't'~v' tiAAOV &~E~<;),

weshalb der sich selbst auf den Weg macht (273): WJ't'ocp EYc0V e:IfL~, xpoc't'e:p'~

oe p.m E:1tAe:T' &vayx'tj. Seit dem zweimaligen &YEW (266,268) liegt der Gedanke an &vayx'tj sozusagen in der Luft, und als das Wegbild noch ein drittes Mal auf­tritt, wird sie nachgeholt, und zwar in ganz bezeichnender Form. Der modale, ursprünglich instrumentale Dativ bei &YE~V ist für ~evo:.~ nicht gut anwendbar, weshalb &vayx1) - im Sinne von "moralischer Zwang" - nun beigeordnet wer­den und im Nominativ auftreten muß. Ähnlich muß h. Yen. 130 verstanden werden, wo Aphrodite dem Anchises erzählt, sie sei von Hermes aus dem Reigen der Artemis entführt und gegen ihre Willen zn ihm gebracht worden:

cdmxp EYW r;' Lx6fL1)v, xpaTEp~ a~ P.O~ E:7tAZT' &vayxYJ. Wiederum begreift sich av&yx1) vom Wegbild her, das in !x6fL'tjv noch vorliegt. Auch hier wirkt &v&:yx1)

wie nachgeholt und aus ihrer eigentlichen Verbindung herausgerissen. Dem EIp.~ dort entspricht hier lx6f1.1)v, und auch hier wird vorher ein gewaltsames Fortbringen genannt (&V~p1tc(~E 117, €'V&EV p.' ~P7t'OC~e: 121, ~Yc(YEV 122). Bei ~yocye:v wäre noch &vayxY) möglich gewesen, denn Aphrodite war leidendes Objekt des &rew. Vers '30 ist sie handelndes Subjekt ([x6fL~v), weshalb der Ausdruck umgestellt und voller werden muß. Auf die Bedeutung, welche Ananke hier hat, kann erst in einem anderen Zusammenhang (unten S. 60)

eingegangen werden.

9 "Aber es gürteten ihn mit Gewalt die Diener und führten ihn wie er zitterte fort(' (Voß) und "doch half 'es ihm nichts, die dienenden Männer ~ürteten ihn mi; Zwang, ihm schlotterten sämtliche Glieder" (R. A. Schröder) trifft nicht den Sinn des Griechischen, denn die Formel &yew lb&yx"{) wird zerrissen und av&yx'll unrichtig mit ~Ö>(jC(Vt"E~ verbunden. Besser wäre &.ye~v ~wcrc(vt"e~ als Einheit zu nehmen; dabei mag das Auftreten von &v&YX"f) dadurch motiviert sein, daß das Gürten der Sache nach dem Binden nahe steht und man so an das 8~crCl.vt"ct &yetv denken konnte. Dazu würde pas­sen, daß die zum Transport von Gefangenen benutzte Fessel grundsätzlich auch um die K6rpermitte liegen kann (H. Greßmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin 192i~ Abb. 39).

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12 Joch, Fessel und Sklaverei

Die am Hornet gewonnene Deutung des &.yetv &vocyx'n läßt sich durch den Sprachgebrauch späterer Zeit leicht bestätigen. Bei Sophokles (Phi!. 1025 ff.) sagt Philoktet entrüstet zu Odysseus: du bist mit List und Gewalt zum Kampf

nach Troja entführt worden (XAOn:TI 'TE: x&.v.xyxYJ ~uyeL;» was also willst du mich, der freiwlllig mitzog (e:x6'J't'CI: 1tA€ucrIXV'&' 1027), jetzt mit Gewalt nach Troja zurückschleppen Cd !J-' eire'!€:, -r( [1.' &n,xyecr&E; 1029)? Das Gedankenspiel lebt von einem Vergleich: &v&yx:n ~uyet~ E:7t'AeLC; (cf. E~ &v&yx:lJ<; 73) als Schick­sal des Odysseus wird der Situation des Philoktet gegenübergestellt: &ye:-rE,

&:n:ocyecrih:: (cf. E(J.' ... (Juva~(J(:t.c; voe:'i:c; &yetv 1016), wobei die Parallelität von avayx7) ~uye:tc; (~1tAe:tC;) IV O"uva~(j(XC; (&ye:tv)

klar erkennbar wird. Die ganze Ausdrucksweise des Sophokles setzt die Kennt­als der homerischen Formel &YE~\I ocv&yx:() voraus - und interpretiert sie zu­gleich. Vom &YEtV eines gefangenen Feindes berichtet auch ein Bote bei Euri­pides Heraclid. 886f.

(rt.u~ov) E:~EU~' ocv&yxn' xcd yap oux eßOUAE't'O ~&v e~ 0'0\1 eA&Et:v Ö!J.fLrt. Xrt.( 30uvIX~ 31XY)\I.

Was €~EU~' &v&yxn bedeutet, erklärt der Parallelbericht 861 f. 3EO'[L0t:~ 't'E 3~O'IX~ ... &ywv. Wenn eA&Et:v dem &ywv entspricht, muß andererseits &v&yxY) soviel wie 3EO'[L6~ sein, und es bestätigt sich wieder &YEtV &v&yxn als Abführen eines (vorher) gefesselten Gefangenen. Als &v&yXYl ~EU~rt.~ stellt sich die Gefangen­nahme auch dar in Platons Menexenos 240 a-c. Dareios befiehlt Datis, wenn ihm sein Leben lieb sei, mit den gefangenen Eretriern und Athenern heim­zukommen (~XEtV &yo\l~IX 'EpE'Tpta~ xrt.1 'A&Y)vrt.(ou~). Nachdem Datis die Ere­trier besiegt hat, durchkämmt er, damit keiner entkomme, das ganze Land, indem seine Soldaten in einer Kette, die von Küste zu Küste der Insel reicht, vorrücken. Dann landen sie bei Marathon, um genau so mit den Athenern zu verfahren: e\l 't'?j IXU't'?j 't'rt.u't'1l ocv&yxY) ~EU~rt.V'TE~ 'EPE'TP~EUO'~V ClYEt\l. Durch diese Umzingelung mit einer Kette von Soldaten werden die Feinde gleich­sam in einem Netz gefangen mitgeschleppt. Gegenüber dem knappen ClYEW OC\l&YxY) Homers ist &\I&YxY) ~EU~IXV't'E~ &YEt\l der vollere und verständlichere Aus­druck (vgl. auch oben O'u\l3~0'rt.v'Trt. ClYEt\I). Die wesensmäßige Zusammenge­hörigkeit von &YELV und &\locyxy) kennt noch Phiion (de virt. 118): es ist gut, sogar einem persönlichen Feind einen Gefallen zu tun (ihm ein entlaufenes U1t0~UYLOv wiederzubringen), denn ~1tE't'l%t 3e xIX't'a 't'o &vIXyxoct:ov W0'1tEP O'x~a (J'W[LIX~~ xIXl ~IXU~Y) (sc. 't'?j Xrt.AOXOCYIXiH~) 'T~~ €x'&pIX~ 3L&Aum~' I) 't'E yap EO 1tE1t0V­&ÜJ~ &xwv &YE"IXL 1tPO~ 'Ta E:\l0'1tov30v X,&pt"L 30UAW&e:(~. Es entsprechen sich

I ~ C\/" \\, ~D"{l \" ~\I &.ye:'t'I%~ OOUAW'tTe:t~ '" Em:'t'rt.~ XOC'Trt. 'TO OCVIXYX(J.LOV. as ETCEO'V'(J.~ XIX't'rt. 't'o IX\lrt.yXrt.w wird - aktivisch formuliert - aufgeschlüsselt als 30UAWt1IXV't'rt. &YEt\l. Das erinnert an 3~(J'rt.v't'rt. &yeLV, das als technischer Ausdruck für das Abführen in die Skla-

1]

verei bereits begegnete und weiter unten noch zu behandeln sein wird. Zwei­fellos ist das a\lrt.yx(J.LOV Philons von der Zwangsläufigkeit einer moralischen Verpflichtung gesagt; aber im Formalen der Verwendungsweise behauptet sich neben dem neuen semantischen Gehalt noch etwas von der alten Bedeu­tung des &vlXyx-Stammes. Schließlich läßt sich aus späterer Zeit noch Sept. Macc. 2, 6, 7 nennen, wo es von den Juden, die Antiochos zum Heidentum

zwingt, heißt: ~yov"o 3€ fLE'Td: mxpa~ ocv&yxY)~ (cf. 15, 2 xrt.'t'a &VOCYXY)\I O'UVE1tO­[Levw\I). Mit bitterer Gewalt wurden sie Zum Opferschmaus getrieben. Hier ist die Affinität zum ClYELV zwar noch sichtbar, &vocyxY) aber schon ganz ein Ab­straktum, worauf auch die Ablösung des instrumentalen Dativs &vocyX"() durch einen präpositionalen Ausdruck weist.

Der Erklärung harrt noch eine Partie aus dem sechsten Buch des Ilias, die

hier zum Abschluß der ganzen Verwendungswcise ClYEt\I &v&YX1l nachgetragen werden muß, weil sie erst jetzt verständlich werden kann. Hektar ahnt den Untergang Trojas und beklagt das Schicksal seiner Frau: Der Tag wird kom­men, an dem die heilige l1ios zugrunde geht und Priamos und sein speer­mächtiges Volk. Aber weder kümmert mich das Leid der Troer noch He­kabes noch des Priamos noch meiner Brüder so sehr

00'0'0\1 O'EU, l)'Te xe\l 't't~ , Ax,rt.twV X,rJ.AXOX,L't'WVWV

455 3rt.xpu6eO'O'rt.v &YY)'1'rt.~, ZAEU&EPO\l ~[1.rt.p &1touprt.~· xrt.( XEV ev "ApYEt eouO'oc 1tpÖ~ &AA'YJ~ [O''t'O\l u~rt.(Vot~, xrt.( XE\I ü3wp ~opeot~ MEO'O"tJ(3o~ ~ 'Y1tEpdY)~ 1t6AA' &Exrt.~o[1.evY), Xprt."EP~ (")' eTCtxdO'E't" avocyxY)' xrt.1. 1to"e 't't~ et1tYlO'LV t3ÜJv x(J;'t'a 3&xpu x,eouO'rt.v·

460 ;'Ex't'opo~ ~3E YU\l~, 8~ OCPLO''TEUEaXE [LOCXe:O'&rt.t Tpww\l [TCTC03oc!J.w\I, O't'e "IAwv &[1.~~!J.ocx,ov't'o.'

&~ 1to"t'E: 't'L~ zpeEL' 0'01. 3' oci) \leo\l E:O'O'E't'rt.t &AYO~ X,~'TEr: 't'otoü3' &v3po~ &!J.UVe~V 3ouA~o\l ~!J.rt.p. &AAOC [1.e 't'E&vY)W't'rt. x,u't"~ x(J.'t'a YIXt:(J; Xrt.AUTC't'ot,

465 TCp(V ye 'Tl a-Yj~ 't'e ßo~~ aou &' eAXY)&[1.0LO nu&ea&rt.L. Ananke wird hier gemeinhin als "Zwang" verstanden. E. Käsemann (S. 149 im Zusammenhang der Untersuchung des OC\locyxY) yocp !J.Ot zntxEt~IXt bei Paulus) glaubt sogar, es sei von "Schicksal" die Rede. Eine unbefangene Deutung muß jedoch von dem Beziehungssystem ausgehen, in das Ananke in der Ilias eingebettet ist. Zu der ganz konkreten Vorstellung, die mit emxE(O'E'T' gegeben ist, will der abstrakte "Zwang" nicht so recht passen. Die Verse 216f. des Demeterhymnus

&:AAa '&EW\I [1.€V 3&prt. xrt.l &X,VU[1.eVO( TIe:p &v&yxY) 't'e-r/\IX[LeV &v&pW1tot· €1tl yap ~uyö~ (J;uxeVt XEt't'rt.t

Page 11: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Joch, Fessel und Sklaverei

helfen da weiter. Was "aufliegtCC, ist also das Joch. Daneben ergibt der Wort­

laut, daß Ananke durch den Satz hd yap ~uya~ (J.ÖX~v~ XS!:T(J.~ erklärt wird.

Angesichts dieses Sachverhaltes muß die Ananke der lIias als - freilich meta­

phorisch gemeintes - Sklavenjoch gedeutet werden, das auf dem Nacken liegt.

Die spätere Behandlung des Andromache-Themas bei Euripides rechtfertigt

dieses Verständnis. Es heißt (Andr. 109f.) &y6v.(J.v €nl ,(fi:vtx .&tx/\acrO"Y)~, OOUAO­

cruvav crTuyspav &V.<P~ß(J.Aoucra xapq;10. Auf das Sklavenjoch führt ebenfalls der

betonte Gegensatz €Aeu&epov ~v.(J.P : OOUAWV ·~v.ap, wobei zu OOUAWV ~v.(J.P auch

das Gegenstück ~(-Lap &vtxyxa'i:ov (11. 16, 836) zu beachten ist. Der Abschnitt

454-465 faßt zwei Situationen ins Auge, den Moment des eAxYj&(-L6~ der An­

dromache und die Zeit ihres Sklavendienstes in Griechenland. Dabei wird der

Ausblick in die weitere Zukunft Andromaches (456-463) eingefaßt vom Blick auf das &yecr{)·(J.~ und den eAx·fJ.&(-L6~ (454[. 464f.). Ananke erwartet man zu­

nächst bei &YEcr.&tx~ (455), weniger innerhalb der zweiten Situation. Die wieder­

holte Beschreibung des Frauenraubes im Demeterhymnus

20 '~y' bAoqmp0(-LtvYjV' ~aXYjcre 0' &p' Öp&~(J. <pÜlV'ij

30 T~V S' &ex(J.~ov.tvYjv ~yev.

72f. AIXßWV &houcr(J.v &v&yx'{ll otxeT(J.~

124f. ß('{l S' &~xoua(J.v &vayx'{l ... &n~ytxyov

431f. <ptpÜlV ... nOAA' &ex(J.~ov.tvYJv, sß61Jcrtx 0' ()P.&~IX <pÜlV'ii

bestätigt an sich die Berechtigung dieser Erwartung. Aber offenbar ist in der

Ilias bereits eine Erweiterung der Vorstellung des Sklavenjoches vom &yew

auf die Situation des Sklaven überhaupt eingetretenll •

3. tcrxe~v &v&yx'()

Dreimal findet sich in den homerischen Epen die Formel &vayx'{l tcrxe~ (Od.

4, 55n 5, 14; 17, 143), stets von Kalypso, die Odysseus nicht fortläßt: ~ v.w

&vay)t'() taxe~' 60' 00 MVtxTa~ ~v 1t'aTp~o(J. y(J.!:o.v ~xtcr.&a~· Nun hat eine Fessel

10 Dazu bemerkt schon Gottfried Hermann treffend "Scholiastes : qui videtur de veste servili et tonsis crinibus cogitasse. Non ista respicere credo Euripidcm sed illgllm servitutü, cui caput submiserit captiva muHer". Des Vergleiches wert ist auch Eur. Troad. 677f., wo Andromache klagt xat vüv 5A(;)Aa~ ~€:v aü, VWJO"#Aoül.LaL 8' ty@ npo<; 'EAA&03' t<; 030UAO'J ~uy6'J.

11 Als Möglichkeit erwägenswert ist die Annahme einer Interpolation von 456-457. Unter Anlehnung an die Formulierung des Demeterhymnus ergäbe sich

03txxpu6EO"O"a'J &y"fJ't"O::L, l:AEU,i}EPOV ~fLtxP &rwüpo::<;, n6)..)..' &EXo::~ofLs'J'I)<'J>, XPO::'t"Ep'~ 03' smxdO"E't"' &'Jay..<'1)·

Damit wäre die sachliche Einheit von &yeO"-fhXL und &vayx'l) wiederhergestellt. Freilich

taXEL'J &vayxll: Kallill'lachos in De!um Jf IJ

vornehmlich zwei Funktionen, man kann jemanden damit abführen oder fest­

halten. Es hindert also nichts, hier eine metaphorische Anwendung der Grund­

bedeutung festzustellen. Dafür ergibt sich von vielen Seiten Bestätigung. Von

Prometheus heißt es (Hes. Th. 615 f.), er sei {m' &vayxYJ~, denn oecr(-Lo~ €puxe~,

von der Fesselung des Dionysos durch Piraten (h. Dion. 7, 13 f.) TaV 0' oux

tax ave oecrv.&, Auyo~12 0' &no TYjMcr' e:mn-rov. Festhalten und Hemmen wird im

frühen Griechisch überhaupt gern mit dem Bild der Fessel umschrieben, so

Od. 4, 469 5~ T(~ (-L' &'&(J.VeXTffiV neoa~ x(J.t e:SYJcre xeAeu.&ou oder Il. 23, 585

öv.vu&~ f1.:~ !l~v EXWV Ta E(-LOV MAC)) &pv.(J. ne07JG(J.L, denn "binding ... is the

mode par excellence of hindering action or motion" (Onians S. 330 Anm. 3).

Dem ~uyov &(-L<ptßtxAWV (J.uxtv~ n6vTou Aiseh. Pers. 72 entspricht 745 'EAA~cr-

7tOVTOV ... SOUAOV &~ OZG(-LwtL(J.cr~v ~Amcre crx~creLv ptoVT(J.. Am deutlichsten

wird das tcrxe~v &v&YX'{l in der Parallele O~crOCVT(I. x(J.Ttxe~v &crnzp SOUAOV Xenoph.

Memor. 2, 6, 9. O~crOCVT(J. x(J.Ttxe~v als Gegenstück zu S~crtxVTCl. &yew dürfte die

treffendste Umschreibung für 'CcrXSLV &vayx'{l sein. SOUAO~ und ~uy6v führen wie­

der zum Sklavenjoch. In diese llichtung weist auch der Umstand, daß X(J.&Z~Ül

bei Hesych und Photios Paraphrase für ~UYWcrÜl ist.

An die festhaltende Kraft der Ananke denkt noch Kallimaehos (in Delum j4ff,): Poseidon schuf die Inseln des Meeres

XIXt T<X.~ tL~v XtxT<x' ßucrcr6v, ~v' ~ndpow Aa&ÜlV't'Cl.~, '0 '[i" \ <," , !!'CI"l ,I, ' I npu(-Lvo'ITev ep? ...,Ülcre· crs 0 oux <:WJ\L't'ev txVtxyxYj,

&AA' &<peTOC; neA&yecrcrw €7tZnAeec;'

Man denkt an die Tat des Poseidon Od. 13, 168 IJJ (-Lm, T(~ o'~ v7Jtx -3'o~v

E:1CeS'f)cr' bt 7t6VTC)) I o%x(J.ö SAOCUVO(-LtvYjv; Wie das Phäakenschiff wird Delos

gleichsam an die Kette gelegt, ebenso wie ein Baum mit seinen Wurzeln an

müßte man sich die Worte 460-461 irgendwann auf dem Zuge der Gefangenen in ihre neue Heimat gesagt denken, wozu immerhin &~ÜVe:LV 0300AW'J '~[Ltxp (463) paßt. Der mehr der ,Andromaehe' des Euripides anstehende sentimentale Charakter der ganzen Partie würde im Übrigen wesentlich gemildert. Auch darf nicht übersehen werden, daß bei vergleichbaren Gedankengängen vom Iliasdichter ausschließlich der Punkt des ~AX"fJ~9-[L6<:; in den Blick gefaßt wird (&AOXOt S' &AAoLcr~ 03a[LEt:E'J Il. 3, 3°1; &)..6xou<:; ... &~OfLEV 11. 4, 238). Weiter darüber hinaus wird nicht gedacht. Das lehrt gerade auch die Rede Hektors 11. 16, 831-836, deren Inhalt und Wortwahl enge Parallelen zu 6, 454-465 aufweist: Tpw·GaStx<:; 03€: YU'Jat:xo::<; tAEÜ.&EpOV ~[L<XP &noüp<x<; &~E~'J ... 8 O"cpLV &[LUVW ~tLo::p &'J<xyxo::t:ov'

Schließlich ist das Sichsträuben, wie es der Demeterhymnus ja sehr deutlich zeigt, vor allem dem &YEO"{l<XL, nicht aber dem Sklavendienst selbst zugeordnet: der Typus des dickfelligen, widerspenstigen Sklaven wäre der Situation ganz unangemessen. Da­Zu sind die Erwägungen des Josephos Bell. 2, 355 f. zu vergleichen.

12 Die dem &ye:w von Gefangenen vorausgehende Fesselung wird 11. 11, 105 be­schrieben als 03m'l) ~6crXotcrL Myo~O"w.

4:;:

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Joch, Fessel und Sklaverei

den Boden gefesselt ist. Diese Funktion der Ananke kennt vor allem die Magie. Bei Nonnos 13, 465-96 bannt ein Priester des Zeus 'den Typhon:

I ,I I (l ~ 1'1' ~ - , \' O''t'~&~ 'TrJ.AOCV .•. rJ.ppOCYEOC:; p.uvmo cro~c.p O''TY)P~ ... E't'O oecrp.(p ... XrJ.~ a'Ta'TOV rJ.O"'tu-

~ZA~X't'OV EVEpp[~<.UcrEV &vrY.YXTI X't'A. Dabei erklären sich wechselseitig O''t'Y)pr~e:'TO öe:0'p.0 ,-...; eve:pp(~<.UO'ev &vrY.YX"(l.

Bei Aristoteles gehört die hemmende und hindernde l<raft zur Definition des &vayxrJ.~ov und der &vayxY) (Metaph. 1015 a 26ff.): 'TO n'rJ.poc r~v opp.~v xal

'T~V n'P0rJ.(pEcr~V ep.n'oö(~ov XOCt x<.UAu't'~x6v und evocv'TtOV yap 't'n xoc't'oc 'T~V 7tpO­oc[pe:mv X~V~O'E~ xrJ.t xrJ.'t'oc 't'ov Aoy~0'p.6v. Bemerkenswert ist auch 1015 a 31: xrJ.~ OOXE~ ~ &v&yx"f) &P.E't'r1.7tEtO"'t6v 'TL dvcu op&wC:;' eVrJ.v'!tOV yap 'TTI xoc't'a 't'~v 7tpooctpe­

O'LV XW~crEL xocl XOC'Ta 'TOV AOYLcrp.6v. Die n'POCdPEcrLC:; steht seitdem öfter im Gegen­satz zur Ananke. So stehen sich bei Josephos Bell. 6, 230 un" &vrY.YXI')C:; ~X&cr.L und EX n'poa~pzO'E<.UC:; n'apdvcu gegenüber. In den Antiquitates desselben Autors (6, 219) heißt es einmal xrJ.'T' &vrY.yXl')v, &AAa p.~ xa'!oc 7tpOCdpEO'W. Die Bestim­mung der Eudemischen Ethik 1224 b 11 ff. 't'~v yap e~<.U&Ev &px~v, 'T~V 7tlXpOC 't'~V Opp.~v ~ EP.7tOÖ(~oucrocv ~ x~VOUO'rJ.V, &vrY.yxl')v MYOtJ.EV entspricht noch genau der Gliederung der Grundbedeutung von &vrY.YX"f) in die Verwendungs gruppen

&YELV und ~O'XEW &vrY.yxn·

4. Sprachliche und kulturgeschichtliche Parallelen

Die bemerkenswerteste Anwendungsweise von Ananke im frühen Grie­chisch ist tJ.YELV &vrY.YXTI' Die Untersuchung des sprachlichen und kulturge­schichtlichen Untergrundes, in den dieser Ausdruck eingebettet liegt, 1st un­erläßlich zum Verständnis der späteren, vor allem der philosophischen Bedeu­tung des Wortes. Besonders interessiert, welche Umschreibungen für &vayxY)

in der Formel ClYELV &vayxn möglich sind. Eine Überprüfung der entsprechen­den technischen Bedeutung von &YE~V ergibt folgende Paraphrasen:

~"uy)"f &yow (ßoilv) Find. Pyth. 4, 22 J,

tAArY.O'LV ö~O'rJ.V't'occ; &YELV (ßoüv) 11. 13, 572 ,

auvohouc:; &yetV ('!aupouc;) Soph. Ai. 296, oeO'p.w't'w &YELV (n'OlP.VIXV) Soph. Ai. 234, o~crrJ.v't'a &yetv ('t'WrY.) 11.2,231, Eur. Heraclid. 861, Jos. Ant. 8, 375,

cruv3~crocvwl. &y"" (~",,) Aristoph. Equ. 10j3, Soph. PhiL 1016,

3<cr~toV &'(ow (~,,&) Soph. Phi!. 608, Plut. 30j d, Jas. Ant. '3, 203; .

18,191•

OEÖEP.ZVOV &yeLv ('TLwi) OEO'P.W't'Y)V( &v-, XrJ.'t'-)&YELV ('TLV&)

N. T. Acta 9, 2; 9, 21; 22, 5; Jos. Bell. 7,449,

Jas. Bell. 1, 357. '73; 2, 229· 457,

Sprachliche und kulturgeschichtliche Parallelen: Rottenfesselung 17

OOUA6.1O'rJ.V'T1X &YE~V ('t'LV6:) Soph. Ant. 202,

OOUAOV &YE:W ('T~VrY.) Eur. Troad. 140,

Elc; OOUAE~rJ.V &ye~v ('TLVrY.) Jos. c. Ap. 1, 76, dc; OOUA~XOV ~uyöv &7t"rY.YELV ('t'wrY.) Maspero, Pap. gr. d'epoque byz. I, 120, 11,

O::~X(-lh;A<.U'TOV &yew ('t'~vrY.) Jos. Ant. 9,201, AElrJ.V &YE~V ('T~v&:) Eur. Troad. 614,

E~rJ.vopa1toOtO'rY.fLEVOV rJ.yeLv ('t'LVrY.) Plat. Nomoi 698 c 6. Alle diese Wendungen und Formeln umspielen die Bedeutung von &v&YXTI

&.YEW. So ist z. B. die Gefangennahme und Versldavung der Eretrier und Athener in Platons Nomoi (698 c) als E~OCVapOC7tOöLcr&P.EVOV &YE~V, im Mene­xenos (240 c) als &wxyxll ~e:u~aV'Tocc:; &ye~v bezeichnet.

Die Übersicht bestätigt jedenfalls die schon aus der Homerinterpretation gewonnene Feststellung, daß &vrY.yxY) eine Grundbedeutung ,,Fessel", "Joch" oder "Jochfessel" hat, denn der ganze technische Vorgang des &YELV beruht ja darauf, daß der Gefangene wie ein Tier gefesselt und so abgeführt wird. Das wird in besonderer Weise im ,Aias' des Sophokles deutlich. Aias richtet, im Wahn, die Griechenführer vor sich zu haben, ein Blutbad unter einer Vieh­herde an. Den Rest treibt er zu seiner Behausung (62ff.).

't'o0c;' ~WV't'rJ.c;'13 cr.Ö OEO'P.O~O'L cruvO~O"IXC;; ßowv 7to(p.vrJ.c;' 'Te 7trY.crIXc;' Ec;' ö6p.ouc;' xO(.Lt~e:'t'rJ.~,

wt;' &vopocc;', OUX wt;' eÖxEp<.Uv &ypav ~X<.Uv. xal vüv xa'!' orxouc;' cruv öZ't'our;' a~x~~€'TrJ.t.

Dazu 234 OEO'f,LW't'LV &Y<.UV ~AU&e:, TCOtP.VOCV und 296f. e'lcrw 0' EmjA&e: O'uvoe't'ouc;' &Y<.Uv op.oü

'TIXUPOUc;', xUvrJ.t:;' ßo't'~prJ.c;', eüep6v -r' &yprJ.v. Dieses Prinzip der Rottenfesselung - die Tiere werden durch eine gemein­same Fessel zu einer Koppel zusammengebunden - macht ein Ausbrechen einzelner Tiere oder die Flucht von Gefangenen so gut wie unmöglich. Dieser Akt der Fesselung hatte wohl auch eine symbolische rechtliche Bedeutung,14 der Gefangene wurde dadurch auf die Stufe des Viehs herabgedrückt, er

lS Vgl. oben S. 7ff. 'tOUt; B' &wzyov ~wou<; ... &v&:yx:n und ~wou.; ... 8Yjcre: ... xc('r&:ye;~v sowie ~wv't"e:<; ... cr\J\la~O"(xV'rec; ... ·~yov. Das entspricht dem Ritus der Feindbehandlung in früher Zeit, wie sie auch für den gesamten alten Orient galt: Tod oder Sklaverei (fur die überlebenden, d.h. sehr oft nur die Frauen und Kinder) war die Alternative. Zu diesen Fragen vgl. auch K. H. Rengstorf, Die Stadt der Mörder, in: Festschrift für J. Jeremias, BerUn 1960 S. 106-12.9. sowie Micknat S. 33.

14 wie sie schon aus dem alten Orient bekannt ist. So heißt es in einer babyloni­schen Urkunde (bei Meissner, Aus dem altbab. Recht S. 27): "Wenn Ubar-Schamasch ... 'nicht bist du mein Vater' spricht, so sollen sie ihm Fesseln anlegen und ihn für Geld verkaufen."

2 Schreckenberg

, .

Page 13: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

I8 joch, Fesse! und Sklaverei

wurde zum x-rY)f1.(/.. Dahin weist auch die terminologische Verwendung des &:y~~v seit Hornet im gesamten griechischen Sprachbereich. Der Vorgang ist sich immer gleich. Eine Stadt wird erobert, und die Überlebenden, also vor allem Frauen und Kinder, unterliegen dem &yew:

Il. 1,367 Il. 6, 426

Il. 9, 593f.

'T'~\I 3€ 3~z1tp&%0!J.E:\I 't"Z xO'.t ~Y0f1.e\l z\I&&3e: ncl.VTO'.

-IT)v •.. ~YCf.Y' &tJ.' &AAmm X,-rZcl.:tzcrurv

1C6A~V 3i: 't'e nup &f1.oc%UVE:t, 't'EXVOC 3i: -r' &AAOt &youO't ßa%u~w\louc;' 't"z yuvoc'i:xet.c;'.

Od. 14, 264 EX a~ YU\lcäxlXc;' firov xo::t \I~mlX 't"EX\lCf. au"t"oOc;' '1" ~x:'t'e;t\lov.

Dieser Brauch geht bis tief in die hellenistische und römische Zeit hinab. Dergleichen findet sich z. B. immer wieder bei J osephos beschrieben. Ent­sprechend der kriegsrechtlichen Inbesitznahme von Menschen ist &YE~V - der vollständige Ausdruck ist auch &YE~V d~ 30UAE(o:.V - die übliche Bezeichnung für die Ausübung des Eigentumsrechtes an einer Person.15

Seinen Ursprung hat das &ye:~v &v&yxll im alten Orient, wenigstens ist es dort zuerst greifbar. Innerhalb des babylonischen Weltschöpfungsliedes (bei Meißner, Bab. u. Ass. II 18) heißt es von Qingu, dem bösen Anstifter eines Aufruhres, sie "banden ihn und brachten ihn vor Ea". Im gleichen ~ied (Meißner II 176) wird Ba vorgeführt, der im Kampf der jungen Götter gegen den alten Apsu und seinen Minister IvIummu den Mummu vergewaltigt, "ihn bindet und am Zügel führt". V on Ischtar, der Liebes- und Kriegsgöttin, wird im Kodex Hammurabi (Meißner II 27) gesagt, sie helfe im Kampf, gebe den gegnerischen Herrscher in die Hand seiner Feinde, "und führt ihn dann in sein Feindesland gefesselt fort".

Wenn auch in den homerischen Epen &v&yx'r) nirgends expressis verbis als Joch oder Jochfessel bezeichnet wird, so wurde doch in nachhomerischer Zeit Homer noch richtig verstanden, wie sich häufig zeigt, wenn vom Joch oder von der Jochfessel der Ananke gesprochen wird.16 Daß "Joch" und ,,(Joch) fessel" dabei nicht streng geschieden werden und - jedenfalls bei &v&yx'r) -

ineinander übergehen, wird deutlich bei der Betrachtung moderner arabischer

15 Morrow, Law of Slavery S. 111; Thalheim RE s.v. Micknat S. 4ff. vor allem zu Homer.

16 &v&.YX'fJ<;; ~uy6v (mit Casaubon) Aiseh. Ag. 1°71, Eur. Or. 1330, Eur. Fr. 475 N., Soph. Fr. 532 N., Barnabasbrief 2,6. &v&yxlX<;; A~1tlXaVOV Aiseh. Ag. 218. &v&yxa<;; ~e:üYlla'C'~ Eur. I. A. 443. cf. ~e:u~aO"' &.v&yxC? Bakch. 11,44. &.v&YX'f) ~uyd<;; Soph. Phil. 1025. &.v&yxcn<;; E:v~~euyJ.LlX~ Aiseh. Prom. 108. &.v&y:rf) ~S:U~IXVt's:<;; Plat. Menex. 240 C. 1)1t'

&'vlXyxa('fJ<;; xat'~~e:ux-ge Herodot 8, 22. Vgl. dVlXyxlX~'n E:v8tew Herodot 1,11. dVlXyxcdn E:v8e8ellevot Herodot 9, 16.

Sprachliche und kulturgeschichtliche Parallelen,' Joch/eue!

Jochgeschirre, die zeitlos von der Antike bis heute gleich geblieben sind (Abb. 5): die durch den langen Jochbalken gesteckten Jochstangen _ das Joch im engeren Sinne - bilden mit den unter dem Hals des Zugtieres herum­laufenden Jochbändern eine dingliche Einheit. Stangen und Bänder umschlie_ ßen den Nacken des Tieres von allen Seiten und klemmen ihn fest ein. Die Bänder (Gurt~, Riemen) verhindern ein Abschütteln des Joches. Von griechi­schen Vasenblldern - vor allem bei Pferdedarstellungen - ist auch eine J och­form bekannt, bei der keine Jochstangen, sondern nur Riemen (MnlX~vo:., ~8UY­Äo:.~, ~uy6a8a!J.0~) den Hals des Tieres ans Joch fesseln. Ein solches Geschirr hat noch mehr den. Charakter einer Fessel. Von der Fesselfunktion des Joches her verstehen sich Wendungen wie ~Ea!J.o~ 'TOU ~uyou (Sept. Lev. 26, 13) und ~uyw, 3ecrf'6, (Nonnos 2, 52).

Es ist jetzt dem konkreten Ursprung des Bildes vom "SklavenjochH und vom "J och der Sklaverei" nachzugehen, eine Metapher, die in der gesamten Antike sehr verbreitet ist. Vom "Joch Assurs", das "abgeworfen wird" sp.~icht ein~ Inschrift Sargons (bei Jelitto S. 40). "Die Macht der große~ ~otter, ~einer Herren, sah er und beugte sich meinem Joche" rühmt sich etn ~ssyrlscher H~rrscher angesichts seines besiegten Feindes (Jelitto S. 11). In einem Beschworungsgebet an Ischtar heißt sie die "Unterjocherin zürnen­der G~tter, die ergreift die Zügel der Könige" (Meißner, Bab. u. Ass. II 169;

vgl. ~mmern, Bab. Hymnen S. 20). Besonders in der jüdischen Tradition ist das Bdd vom Joch der Fremdherrschaft lebendig. Sept. Jer. 34, 2ff. geht es um dle Ankündigung des babylonischen Joches an Juda: "mache dir Stricke und Jochhölzer und lege sie um deinen Nacken", 1tobjaov aEa!J.ou~ xo:.t XAotOU~

'(,& \, I I

xo:.~ 7tE~ ou nEpl. 'TOV 'Tpo:.XfJAOV aou. V gl. 34, 6 ~~wxa. 'T'~V y'!)v 'Ti)) No:.ßouxo30vocrop

ß~a~AE~ < B~ßu~wvo~ ~ 0 U AE UE ~ V o:.t'ni)) und 34, 8 EtXV !J.~ E!J.ß&Ä/,wmv 'TOV 'C'paX'r)Aov o:.u'C'wv uno 'TOV ~uyov ßa.crtAEW~ Ba.ßUAwvo'- sowie 24 11 ~o' UCi Il'"

.. ,.J" I:A.fVO~, U Er::J.V E~cro:.-

y~y~ 'TO~. 'Tp&~'r)Ä:v whou . uno 'TOV ~ U Y 0 v ßa.crtMw~ Bc<ßuÄwvo~ xat E p Y a a"IJ 'T IX ~ o:.u't'cp. I-I1erbel wltd der tiefere Sinn der J ochanlegung besonders greifbar: es folgt das EPY&~Eaito:.~, 17 der Sklave front wie ein Tier unter dem Joch. V 1. vom Joch des Königs von Babel auvhp~~a. 'T~J\I ~tJy6v (J er. 35, 1), crUV'Tp(~w !v

~uy6v (35, 4) und 35, 10: xiXt ~ÄIXßEV 'AvlXvtc(~ ... 'ToÜ~ XÄotoÜ~ &no 'TOU 'Tp~x.+'Äou I I \ I ,I, , I "

EpE!J.WU xo:.t aUVE'Tp~'t'EV C<U'TOU~. Man vergleiche 35, 13: "J ochstangen von Holz (XAOWU~ ~uÄtvou~) hast du zerbrochen, aber ich werde an ihrer Stelle J och­stan~en von Eisen (XAOLOU~ crt3'r)poü~) machen" und 14 "ein Joch von Eisen

lch auf den Hals aller dieser daß

Page 14: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

20 Joch, Fessel und Sklaverei

von Babel dienstbar werden", Ez. 34, 2.7 spricht Jahwe: "und sie werden erkennen, daß ich J ahwe bin, wenn ich die Stangen ihres Joches zerbreche und sie aus der Gewalt derer errette, die sie knechteten." Joch und Fessel

werden mitunter sehr deutlich getrennt, so Jet. 37, 8 cruv-rpttYw 't'ov ~uyov &7tO -roi) 't'POCX~AOU au-rwv x,cd 't'ou~ aecrp.ot'H; au't'wv a~app~~(U und ibid. 5, 5 cruve­

't"pt~OC\l ~uy6v, a~EPP7J~IXV 3ecr!J.ouc;, sowie Ps. 2, 3 3~app~~wp,ev 'toue; 3zcrp.ouc; au-rffiv xat oc7topphj;wp.e:v .xcp' ~!L&\I 't'ov ~uyov au't'oov. Zugrunde liegt die Un­terscheidung von Joch (Jochstangen) und Jochriemen, wie sie etwa Aiseh. Prom. 462f. zeigt: x.&.~e:u~C( 7tp&'t'oc; EV ~uyo~(n xvw3aAoc ~e:6YAatCn O:ouAeuoV"t'oc.

Joch bzw. Jochstangen und ~euYA~' (- 3ecrf'ol) sind die beiden wesentlichen Teile des Geschirrs.

Im griechischen Bereich ist das Bild vom Sklavenjoch erst seit Aischylos

geläufig. 30UAtoV ~uy6v findet sich z.B. Ag. 953. 1226; Sept. 471. 793; Pers. jO

(~uyöv &f''I''ß~A€'V 30UAtoV 'EAM3,), bei Herodot (7, 8), Euripides (Andr. 301, Tro. 599), bei Plato in der Form 30UA€toV ~uy6v (Nomoi 770 e; Epist. VIII 354 d) und so bei Nonnos (27, '97; 34, 166). Dasselbe wird formuliert als

~€UYA~' 30UA'~' bei Aischylos (Sept. 75; cf. Ag. 529 Tpo[q< 71:€P'ß"AWV ~€UX"~­ptov), 30UAd",; ~uyoc bei Sophokles (Ai. 944), 30UAOO, ~uy63€crf'0, und 3oUAOcrUV~, t:uyov bei Nonnos (15, 152; 34, 205; 33, 253; 34, 264; 4°,155). Ähnlich steht' auch oe:o"11.6<;; vgl. Peek, Griech. Grabged. 17, 1 (1t&:TPrxV ... €1t' (f,UXEvt 3e::O'fLOV ~xoucr(J.v) und Papiri gred e latini V 452, 2.8 (öecrfLoc; -r~<; OOUAe::(rxC;). Den ganzen in Frage kommenden Wortkomplex füllt Nonnos in einen Vers (40, 269): OEO"(.LWV Cl.uXfwx 30UAOV U7tO~e:u~occrct AE7taovcp. Vermerkt sei, daß auch das Netz in diesem Zusammenhang begegnet, so Aiseh. Ag. 360 (fLeyet OOUAe:Le<C;; y&y­

Y"f'ov). Es ist keine Frage, daß dieses Bild vom Sklavenjoch einen konkreten Ur­

sprung hat. Im griechischen Bereich der homerischen Zeit sucht man freilich vergebens danach. Das Sklavenjoch als konkreter Gegenstand findet sich nur im alten Orient) wovon das bemerkenswerteste Beispiel die Darstellungen auf dem Bronzetor von Balawat (Imgur-Enlil) im Nordosten Ninives) bieten; diese Darstellungen aus dem 9. Jh. v. ehr. zeigen als interessante Va­riante des tlyew &v&.yx:n Rotten von gefesselten Gefangenen) deren Nacken in schwere hölzerne Stöcke eingeklemmt sind (Abb. 1 bietet einen kleinen Ausschnitt davon), eine Jochform, wie sie ähnlich noch heute von Arabern verwendet wird (Abb. 5). Auch berichten altorientalische Texte da­von. In einer Anekdotensammlung aus dem älteren Hattireich (circa 16. Jh.) 2 BoTO 12 A, H. Güterbock ZA NF X 1ooff.) findet sich ein Bericht über Untaten und Bestrafung ungetreuer Adeliger: "Sie brachten den Sar­massu und den Nunnu ins Gebirge TaI:-aja und spannten sie nach Rinderart

Sprachliche /.lud kulturgeschichtliche Paral!e!m: AS.f)lrisches 2I

(- wie Rindvieh) an." Zu vergleichen ist 2 BoTO 23 A § 26 (=A II 26 ff.) Straf­maßnahmen gegen Vornehme (sie bekommen das Joch)l8. Zu nennen ist hier auch ein Abschn~tt aus den Annalen des sogenannten Rassam-Cylinders (bei Streck, Assurbampal Ir 21): "Unter dem Beistande Assurs) Istars) der Götter, meiner Herren, machte er von den Stadtobersten der Gimmiräer) welche er gefangengenommen hatte, zwei Stadtobersten vermittels Klammern,19 eiserner Bande (und) eiserner Fesseln dingfest und ließ sie nebst seinem schweren Ge­schenk vor mich bringen." Die "hölzernen Klammern" sind sicher ähnlich den gabelförmigen Jochstöcken der Balawatbilder (Abb. " vgl. Abb. 5). Daß Menschen ins Geschirr gespannt werden, ist auch von Assurbanipal bekannt. Einmal ließ er vier gefangene Könige vor seinen Prunkwagen spannen, um sich von ihnen zum Tempel der Belit ziehen zu lassen.2o

Die kupfernen Beschläge des Balawattores geben tiefe Einblicke in die Kul­tur des neunten vorchristlichen Jahrhunderts. Das sieben Meter hohe Tor enthält eine Anzahl von je 1,75 m langen und 0,27 m hohen Schienen, die jeweils noch der Länge nach halbiert sind. Das beliebteste Thema dieser Dar­stellungen ist die Eroberung einer Stadt und der anschließende Abtransport der das Blutbad überlebenden Feinde (Abb. 1 und 2). Die Behandlung ist für Frauen und Männe! unterschiedlich. Frauen können frei gehen oder auf Karren fahren; sie werden nie gefesselt,21 müssen aber vor der rohen Soldateska das Kleid heben und ihre Reize zeigen.22 Dieser Bloßstellung und erzwungenen Selbstaufgabe äquivalent ist die Wehrlosmachung und Demütigung der gefangenen Krieger: sie sind rottenweise entweder mit Halsgabeln oder Halsfesseln gebunden." In jedem Fall sind auch die Arme

18 Die Belege aus den Boghazköitexten sind Herrn von Schuler (Berlin) zu dan­ken.

19 Im Text steht isu si-is-si, die Klammern sind also durch Determinativ als "hölzerr," bestimmt; so Prof. Schmidtke (Münster), der auch auf diese Stelle hin­

Dazu stellen sich die gabelförmigen ~1)Y&:, die nach Ausweis der Papyri zum Traospor., . von Sklaven und Deserteuren gebraucht wurden (H. J. Bell, Greek Papyri

Bntlsh Museum, Bd. IV 1910; 1435,39f., vgl. 1453,58.66). Es war dies "a kind or forked sticks", wj~ Bell richtig deutet.

Hunger, Heerwesen und Kriegführung der Assyrer S. 38. Der buchstäblich im gehende und fronende Mensch ist damit bewußt auf die Ebene des Viehs ge-

Also ebenso wie in der Ilias (vgl. Micknat, Studien zur Kriegsgefangenschaft

Sept. Nah. 3, 5 ist Aufdecken der Schleppe und Zeigen der Scham die Strafe für uu!rture Ninive. Noch bei Josephos bedeutet die Gefangennahme von Frauen für diese

'" "lcrxoVf)v Ity,crfuo (Bell. 7,382). Die Bilder von Balawat sind veröffentlicht von A. Billerbeck und Fr. Delitzsch

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22 Joch, Fessel und Sklaverei

gefesselt, und_ zwar in der Regel rückwärts, in der Art, daß die Fessel die hei­den Ellbogen zusammenfaßt und nach hinten zieht. 24 Dabei geht in der Rotte die Fessel von den nach hinten gezogenen Ellbogen des V orelermannes zum Hals (bzw. zu den Gabelenden bei den Rotten, die das Joch um den Hals tragen; cf. Billerbeck-Delitzsch Tafel IV Schiene M unten rechte Hälfte) des nachfolgenden Gefangenen. Es finden sich auch Darstellungen, bei denen die Hände der Gefangenen auf den Gabelenden liegen, vielleicht, um die Gabeln in ihrer Lage zu halten, falls sie nicht den Hals fest einklemmten. Zum Teil werden die Gefangenen von stockschwingenden Soldaten vorwärts getrieben,

was auch die Odyssee kennt (8, 528: X61tTOVTe:~ Boupe:am [LE-rc<tppEVOV ~o~ xO'.:t W[Lous). Das erinnert nun sehr an die römische Sklavenstrafe des agere sub

furca, bei der ebenfalls ein gabelartiges Holz von der Form eines "V" um den

Hals des Delinquenten lag, an dessen Enden seine Hände angebunden waren.

So gefesselt wurde er unter Hieben abgeführt. 25 Feldhaus (Die Technik der

Antike und des Mittelalters S. 284) vermutet mit Recht, daß der mittelalter­

liche Menschenfänger (Abb. 23 hier) mit der römischen furca verwandt ist:

"Vor Gericht, in Zuchthäusern oder Irrenanstalten stieß man denjenigen, die

zu toben begannen, eine solche Gabel um den Hals. Zwei federnde Hebel

verhinderten, daß der Tobende aus der Gabel herauskommen konnte. "26 Der­

furca entspricht bei den Griechen einmal xu<pwv, ein jochartiges Instrument

aus Holz, in das der Inhaftierte seinen Kopf zu stecken hatte,27 zum anderen

S. 1ff. Von den sehr reichhaltigen Darstellungen geben Abb. 1 und 2 (hiet) nur einen kleinen Ausschnitt.

24 So auch auf Abb. 1, obwohl das auf der Reproduktion nicht mehr sichtbar ist; vgl. Abb. 10: die gleiche Methode auf ägyptischen Bildern. Offenbar machte diese Fesselungsweise den Gefangenen besonders aktionsunfähig und wehrlos; sie ist auch den Griechen bekannt. Bei Herondas 5, 25 heißt es mit Bezug auf einen Sklaven, der zur Bestrafung abgefuhrt werden soll: crucr.:p~yy€ 't'oü~ &YXWVlX~ ~X7tp~crov 8~O"o:~. V gl. Luk. Tox. c. 48 : d~ 't'o{l7t~O"(O) 7tlxpayayfuv 't'fu X€tp€ &O"7te:p 01 ex 't'wv OCYX6)vCUV 8e:3e:[lfvm.

25 Zur furca H. Blümner, Die rörn. Privatalterstümer, München 1911 S. 293 und Rich, Wörterbuch der röm. Altertümer, s.v. Bei Rich auch eine der Trajanssäule ent­nommene Abbildung. Zu den Balawatbildern auch E. Unger, Zum Bronzetor von Balawat, Diss. Leipzig 1912, der leider auf die Jochgabeln mit keinem Wort eingeht.

Eine Variante des agere sub furca steht im 'Bellum' des Josephos: ßp6X4> 8e m;:p~­ßA'l'J,sd~ ... kcr6pe:'t'0 .•. cdx~~ofJ.fvlilV o:ut'ov &!-la 't'&V &;y6vt'wv (7,154).

26 Solche Gabeln werden heute noch bei der Dressur von Raubtieren und auf Schlangenfarmen verwendet. Aber auch die Form der Balawatgabeln und der rö-. mischen furca scheint sich bis ins zwanzigste Jahrhundert erhalten Zu haben; wie Herr von Schuler mitteilt,. wurden noch vor fünfzig Jahren in Kamerun gefangene Schwarze von arabischen Sklavenhändlern in Halsgabehl gesteckt und so abgeführt.

27 Kratinos Fr. 115 (Kock): e\l 't'i» xu.:pW\I~ 't'OV a6Xfv' Itxcuv. Aristoph. Plut. 476 und

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Sprachliche Ulld kulturgeschichtliche Parallelen: Herodot J,I4 2J

ein Gegenstand, der teils ~UAOV (Ar. Nub. ~92 ~UACP <p~(1.ouv 'rov IXUXZW~.), teils 06pv genannt wird; letzteres nur bei Anakreon (Fr. 82, 7), als er die niedrige

Vergangenheit eines Emporkömmlings enthüllt: TCOAAtJ. (1.tv &\1 ooup~ n&de; (oe::­,frEte; coni. Cobet) IXUXZWX, noAAtJ. 0' &\1 'rpoXCP' Der entehrende Charakter solcher

In der Regel nur auf Sklaven und Gefangene angewendeten Fesselungsmetho­

den beruht wohl auf dem Empfinden, daß der Mensch damit dem Tier gleich­gestellt wird. Darauf führt auch ein etwas anders geartetes Zeugnis des Hero­

dot (3, 14), das eine gute Erläuterung des homerischen &y€~V &v&yx7) ist. Nach

der Eroberung von Memphis läßt Kambyses den Sohn des Königs Psamme­

Ditos mitsamt zweitausend jungen Ägyptern zur Hinrichtung führen als Ver­

geltung für die einst in Memphis getötete Besatzung eines mytilenäischen

S h·oc • ' , I 1,,\ '" ~ I \ \ I • C lues .... 'raue; 'r€ IXUX€VIXe; XlX/l.cp O€o€/-J.€VOUe; XIX~ 'r1X cr'rOfLlX'rCl; zYXe:X('f.AW6:J-

fLe\loue;' ~yov'ro SE no~v"I)v 'rtcrov-t"ze; X'rA. Zur Stelle verweisen schon Creuzer­

Baehr auf altägyptische Darstellungen mit der bekannten Rottenfesselung.

Aus späterer Zeit ist hier zu nennen Polybios 20, 10, 7f. oUe; &Y61 S~crlXe; z~c;

'r~v &AucrtV &7t&~6:J 7tav'rCl;C;, ?lv 't"olh' &p.OL 06~?J' 't"CI;ihCl; Mywv cpepew &Aumv

6xt"Aeucre XCl;~ crxUAIXXCI; mSYJpoüv ex&crrcp 7tep~%z'ivCl;~ 7tept 't"~\1 'rp&XYJAOV. Es 1st eine

Rotte gemeint, die nach dem Prinzip der Koppel zusammengefesselt ist. Deut­

lich wird das, was hier interessiert, auch bei Lukian (Menippos c. 11): vor

den Richterstuhl des Minos 7tpocr~yov'ro 7tOAAO[ 't"~vzc; &cp€~~C; &A ucrs~ fLIXxP0

3sos(1.evot. Daß die Art solcher Fesselung im Grunde orientalisch ist, dar­

auf deutet auch die Umgebung der einzigen Stelle, an der sich bei Horner

expressis verbis Vergleichbares findet: Od. 22, 465 ff. Odysseus erhängt mit

einem einzigen langen Schiffstau (n€'i:crfLCI; \I€6~) die ungetreuen Mägde, und

zwar so, daß jede der Reihe nach den Hals in einer Schlinge hat (471): &C; IXl

y' E:~d1)C; xs<pIX/\ac; ~XOV, &fL<pL oe nacrlXtc; O€Wncrt ßp6Xm ~crIXV. Vorstellbar ist das nur nach dem p'rinzip der altorientalischen Rottenfesselung (Abb. 4, 6, 9 und

sonst), und was mit Melanthios geschieht (Vers 475 ff.), ist in solcher Scheuß­

lichkeit gerade und nur von den Assyrern bekannt. 28

606 sowie Aristot. Politika 1306 b 2: 8E:.f}1j\lO::~ ... e\l "CI) xu.:pcuv~. Eine Abbildung des xurpcuv bei Daremberg- Saglio s.v. Numellae.

28 Daß Gefangenen Arme und Beine, Nase und Ohren abgeschnitten werden und das zermetzelte Fleisch der derart Abgeschlachteten den Hunden Zum Fraß vorge­worfen wird, das ist echt assyrisch und gerade aus dem neunten Jahrhundert - der Zeit, in die auch die Balawatbilder führen - oft bezeugt; vgL Hunger, Heerwesen und Kriegführung der Assyrer S .. 35 ff. sowie Jelitto, Die peinlichen Strafen im Kriegs- und Rechtswesen der Babyionier und Assyrer S. 51. Wo solche Dinge bei Horner erwähnt werden, sind sie sicher orientalisch und auch deutlich als barbarisch gekennzeichnet, wie G. Micknat S. 37 Anm. 6 richtig bemerkt. Solche orientalia bei Horner können nicht verwundern, haben doch auch die Funde der neuesten Aus-

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Jot'h, Fessel und Sklaverei

Eine letzte hier zu nennende Version des &ye~v ist das Abführen einer Eil1-zelperson an einem Halsband (xAo,6,) wie es z. B. Abb. 18 (hier) zeigt. Sie wird genannt etwa von Eupolis Fr. 149 (Kock), Xenophon Hell. 3, 3, 11,

Polybios 32, 3, 6, Lukian Apologia c. 1.29 Eine aus dem Orient bekannte verschärfte Art dieser Version ist die, dem Gefangenen wie einem Stier oder Ochsen einen Ring durch die Nase oder Lippen zu ziehen und ihn mit einem Leitseil daran zu führen. Diese auch aus dem Alten Testament bekannte Met­

hode (Abb. 3 bier ist eine gute Erläuterung zu Reg. 2, '9, 28 und Jes. 37, 29) ist wie alle Formen des &YE~V aus der Viehbehandlung entlehnt. Sie bedingt

totale Freiheitsberaubung, da schon die geringste Bewegung gegen den Willen des &YÜJv äußerst schmerzhaft ist. 30

5. S klavet'ei

In der Ilias rühmt sich Hektor der gescheiterten Hoffnung des zu Tode ge­troffenen Patroklos, die Stadt zu zerstören und die Troerlnnen zu versklaven

(16,831 sAeu&epov ~!J-O::P &1mupo::~ / &~elV sv v'~eam), er, Hektor, werde den Tag der Versklavung (836 ~l-tc'P &vayx,",lov) verhindern. Ersichtlich ist ~fL'"'P -&vo::yxo:Xov dem sAeu,s,epov ~!J-O::P entgegengesetzt. Als parallele Ausdrücke bieten

sich sofort aOOACOV ~fL'"'P (H. 6,463; Od. '4, 340; '7,323) und ~fL,",P u"o Tp",ccrcr, OO::!J.~VO::L (11. 13,98) an. Damit ist die Bedeutung von &vo::yxo::ro~ festgelegt. Wie

grabungen in Olympia einen sehr großen assyrischen Einfluß auf die frühgriechische Kunst erwiesen.

29 Vgl. auch Starkie Zu Aristoph. Vesp. 897 nebst Scholion sowie Rich s. v. boiae und collare. Diesem Abführen am Halsband geht beim Tier das Einfangen und Bändigen voraus (vgl. Abb. 7 hier).

Der Wortlaut in LukiansApologia erinnert sehr an das &YELIJ &:v&yx:(): ~AxEO'-&a~ xat O'l)()eO'&IX~ xlX-&&:rrE() Drro xAmij.) 'tW~ xpuaij.) 'rov lXuXtlJO:: 8wtlJ'rlX.

30 Zur Sache auch Jelitto S. 57f, Erreicht wird durch alle Arten der Fesselung -wobei freilich das J oeh immer zentrale Bedeutung hat -, daß ein "Verhältnis schlecht­hinniger Abhängigkeit besteht" (K.H. Rengstorf s. v. ~uy6.; bei Kittel S. 901). Abb.11 zeigt, wie eine solche Abhängigkeit ins Bild gesetzt wird: der Gott Amon und seine Gemahlin führen Susak I (945-924) die Gefangenen der eroberten Städte zu, Der &.YCiJV hat mit den Enden der Seile die Verfägungsgewalt über die &:y6(levm, Die Menschen sind wie Tiere am Leitseil.

Von größtem Interesse ist in diesem Zusammenhang ein von Josephos Ant. 8, 385 berichteter altorientalischer Ritus: eine Gesandtschaft der geschlagenen Syrer kommt zum König der Hebräer cr&:XXOUt; &VBUcr&:(lEVGt xed crxohLa "lXrt; xEtpaAlXt.; rrE()L&~/LeIJOL, um Gnade zu erbitten und die Unterwerfung ihres Königs anzu­bieten (BOUAOV •.. yelJ'l)cr6/LelJolJ). Die crxO(VLIX sind das Symbol der Selbstaufgabe; die Verfügungsgewalt wird übertragen.

Sklaverei: Aisch)'los, Choe. 7 J 2J

es dazu kommt, darauf führt &.~z~v sv V~€crCH: das &y€~V ist neben der Fesselung das sichtbare Zeichen der Versklavung. Beide Begriffe gehören eng Zusam­men. So verbindet Xenophon Cyrop. 3, 1, 24 aOUAe(IXV xal aecrp.,ov <poßou­

p.,EIJOL, und Thukydides formuliert 8, 1.5, 2 'rooc; p.,ev aOUAOUt; , .. ~AZU1cr~pOO­

crav, 'rou~ a' eAzu.&~pOu~ xa're:a1)crocv. Das chiastische Spiel definiert den Be­griff des Sklaven von der Fesselung her. Allgemeiner ist dle Notiz des Eustat­hius zur Stelle: ~p.,ocp oe &.vo::yxo::rov 'Ta 'r~C; &Awaewc; xIXl 30UA6)crew~, sv ij) "n~ &vayx"l)v TCacrxeL.

Vom Streit der rivalisierenden Brüder Proitos und Akrisios erzählt Bakchy­lides ", 64ff. Das Volk leidet unter den Kämpfen sehr, und so (69ff.) A(crcroVTO

3€: TCar3ac; ,/ Aßocv'ToC; / yav TCOAUXpti}ov AIXx6v-r:ac; / T(puv.&IX 'Tav oTCM'Tepov / X'T(~z~v,

7tplv s~ &pyocMav TCEaerV avayxav. Jebb übersetzt "before they all fell into grievious straits" und kommentiert: ,,,grievious straits', the last extremities of famine and misery." Doch ist Ananke hier nicht von der drückenden Not und den Leiden des Volkes gesagt, sondern nur vom jüngeren der Brüder; sie sollen nicht bis zur Entscheidung kämpfen, sondern sich vorher gütlich einigen; der jüngere Bruder soll nachgeben, bevor er in die Knechtschaft gerät und vom anderen unterjocht wird. Angesichts einer vergleichbaren Si­tuation - Jakob ist Esau gegenüber benachteiligt und ihm untergeben - heißt es im Segen Jakobs (Sept. Gen. 27, 40; vgl. dazu bei Josephos Ant. 8,4 den Ausdruck 30UAdoc) xal sXAücretC; 'Tav ~uyov OCUTOÜ &TCa TOÜ 'TPO::X~AOU crou.

Eine vieldiskutierte Stelle ist Aisch. Choe. 75 ff. Im Einzugslied singt der Chor der kriegsgefangenen Frauen von seinem Schicksal, wie er in die Ver­sklavung geriet:

&vayxo::v yap &p.,<ph"""OA~V

&eolTCpoa~lJeyxav' ex yckp Otxoov

'ltoc'!'pcpwv aOUALOV (p.,') eaayocyov / IXicrC'.v.

Das Verständnis der dunklen &vayxa ist nur über &p.,cpt'lt'rOAL~ zu erreichen, worauf sich auch das Interesse der Kommentatoren konzentriert. Seit Gott­fried Hermann (duplids sedis necessitas) ist die Meinung des Scholiasten ('t'~v ex OLIXcp6pwv 7t6AeOOV &vayx1)v) vorherrschend, das Wort beziehe sich auf die dop­pelte Heimat der Sklavinnen, was Wllamowitz zur Stelle akzeptiert: Zwang, den jemand erduldet, weil er eine doppelte Stadt hat, d. h. als Sklave in eine fremde gebracht ist. Doch hat diese Lösung nie befriedigt, und auch die Kon­jekturen &p.,cpm6Aw'll (Schütz) oder &p.,<p(TCOAOV (Bamberger) bessern nichts. Ebenso ist der Vorschlag Willigers, &fLcpt'lt'rOAt~ Zu deuten als "meine Stadt betreffend" nicht diskutabel. Groeneboom zur Stelle verweist nach dem Vor­gang von Blomfield und Blaß auf Sept. 290 &fL'Pm,x~ AC"," (das die Stadt um­gebende Kriegsvolk) und versteht den Ausdruck im Sinne von 'ltpompe:p€tv

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r-~-

Joch, Fessel und Sklaverei

(1tpocr&y~~v) (.L·IJXc<.v&~ (gegen die belagerte Festung). Doch löst sich die ganze Aporie, wenn man den sprachlichen Verknüpfungsmöglichkeiten von &(J.rpt nachgeht. So bietet die Odyssee 3, 486 ot a~ 1toc\ll)f1.fp~ot cre:~OIJ ~uyov &[J.cpt~

1 1 6 \ t Y \ l "1;: ,\., (" ~xoV're::~. Vg. I. 13, 70 'tU) p.zv '!E: <..,uyov 00\1 e::u<..,oov Oq1.qJL<; EEpye::L LEfLE:VÜl

xa"t'oc fu)"XOC 't'O::fLe:~v x-rÄ. und &(.LcptAOCPOV ~uy6v Soph. Aut. 351. Vom Joch der Pferde und Pflugs tiere her wird &(.LCP( auch auf das Sklavenjoch übertragen:

Aisch. Pers. 50 ~uyov &1-''I''ß~Ae,v SOOAWV 'EAA&S, (vgl. 72 ~uyov &1-''I'tß~Ac:,V

WJxJ;\n 1t6v't'ou). Eur. Andr. 110 ist ~uy6v durch das entsprechende Abstraktum ersetzt: 30uAocroVC<:V ••• &fLl"fltßaAoücra x&pq;. Die Situation der feindum­schlossenen Stadt bietet Soph. Aut. 118f. &p.cprx.avwv xüxA0 'A6YXCl.v;,

En--rcbtUAOV cr-r6Wl. V gl. Aisch. Sept. 120f. ' ApYE:~m yap n-6A~crP.CI. K&(»(.LoU XUX,A013V-rCU' Neben Joch und X,ÜXAOs ist die Fessel wichtig. Od. 8,34°:

i'h:cr(.Lot p.~v -rp1s -r6crcrm a7tdpove::<; awpt.:; *,xo~e::v. Solon Fr. 4, 34 hat 'Tot:s a(»(x,o~<; &p.qn'n&E:vCl.~ 7tE:(»CI.<;. Vgl. Theogn. 837 ~e::üykl)v McrAoqmv a(.Lcp~­

'TW'e::~ und Semon. 7, 116 oe::cr(.LOV &p.cpe&1)xe::v 7tE:(»Y)<;. Die Beziehung zwischen Joch, Fessel, Kyklos und Sklaverei ist deutlich: wie das Joch unentrinnbar den Nacken des Zugtieres einschließt, so fesselt der XUXAOs der Feinde die belagerte Stadt. Diese Fesselung bedeutet für die Stadtbewohller aber nichts anderes als OOUAOO"OVY). Im folgenden Kapitel wird noch ausführlich von der­Affinität der Ananke zum XUXAOt; zu sprechen sein, hier ist vorerst deutlich, daß der Ausdruck &v&yxCI. ap.cp[n--roAts nicht konjekturbedürftig ist. Auch 7tpO­

a~ve::yxav fügt sich gut ein; ein Joch oder eine Fessel "anlegen", "umtun" ist ganz geläufig (vgl. auch oben S. 6 Z.7.V p.'~ n<; (»e::crp.ov ~ &AA1)V 'TtV.7. npocre::­

veyxn &vocpty)v). Man wird sagen müssen, daß &vocyxCl.v &p.cpCn'ToN.vnpocrcpepe::w nichts anderes ist als eine Umschreibung für &wxyxocv &p.cp~'!t&evoc~ und somit direkt parallel zu ~uyov (~e::OYAY)V, oe::crp.6v, oouAocrovOCV) ap.qn'Tt%evCl.t bzw. ap.qn­ß&AAe::LV ist. Die Festlegung von &vocyxCI. ap.cp[,t'TOAt<; auf "stadtumschließende Sklavenfessel (Sklavenlos)" wird zudem durch das explizierende y&p bestätigt: ZX ya.p otx(Uv mx-rp~(Uv OOOAtOV p.' zcr&YCl.Yov c<!crCl.v. Es läßt sich ja immer wie­der gerade bei den Tragikern beobachten, daß etwas gewagte und sprachlich kühne Wendungen im Kontext einführend vorbereitet oder anschließend er­klärt werden.

An die Situation der Andromache im sechsten Buch der Ilias erinnert ein Abschnitt in Euripides' Troerinnen (614 ff.)Andromache und Hekuba im La­ger der Griechen beklagen ihr Sklavenlos : Andr. &:y6 p.d)-CI. Ada crov 'Texvtp' -ro 3' e::uye::v~<;

z<; (»013AOV ~Xe::L, P.e::'!OCßOAa.<; 't'ocr&cr3' ~xov.

Hek. -rc '!~<; &:'.1 &yxY) s oe::tv6v' &p-rt xa7t' Z(.Lo13

ßeß1)x' &:7tocrnoccr%e::'i:croc KaO"Cl.vopoc ß(q:.

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Sklaverei: Euripides, Troad. 6I4ff. 2 7

Andr. (677) xal 'lUV bAt'OAW; fÜV o"u, vaucr{}Ao13[J-OCL 3'zyw

npc<; 'EAA&O' oc~xp.aAt'O'TOs z<; OOUAOV ~uy6v.

Euripides muß die Andromache-Episode der Ilias vor Augen gehabt haben. Hier wie dort findet sich &ye::w und avaYX'I). Die Deutung als "Sklavenjoch" oder "Sklavenlos" ist unumgänglich, wie OOUAOV ~uy6v zeigt. Ähnlich bangt Tekmessa vor den SouAda, ~uy& (Soph. Ai. 944). Aber immerhin tendiert Ananke in solchem Zusammenhang schon über "Sldavenlos" zum "Los" und "Schicksal" schlechthin. Das Jochmotiv taucht auch Troad. 669f. noch einmal auf: für die Frauen bedeutet das Joch der Knechtschaft zugleich auch das Joch neuer geschlechtlicher Verbindung (vgl. Il. 3, 30' &AOX,Ot S' &AAOWt S"l-'oOev),

weshalb Andromache klagt: aAA' OU38 rewAo<; ~'!t<; &'.1 OtCl.~uY'n 'T~<; O'uv't'poctpdcr1)<;) @Cfo[t'Os ~AXe::t ~uy6v. Auch in der Hekabe des Euripides (1295) erscheint Ananke als "Sklavenjoch" oder "Sklavenlos" (crTe::ppa yap &:v&yxY), und auch dort bezeichnet sie die Situation der kriegsgefangenen Troerinnen, die jetzt ihren neuen Herren ausgeliefert sind. Noch bei Josephos ist diese Bedeutung erhalten, wenn er von der "I<.nechtschaft" der Juden in Ägypten spricht (Ant. 2, 216 von Moses: -rc p.~v 'EßpaL(Uv YEVO<; 't'~s nap' A~yun-rtOt<; &:vayx"lj<; &:noMcre:~, cf. 6, 89)' Schließlich sind in diesem Zusammenhang noch von In­teresse die merkwürdigen Verbindungen aus römischer Zeit oouAayt'Oyet'O, 30u­Äocyt'Oytoc) 30uACl.y(Uy6<; (Belege bei Liddell-Scott), die als semantische Variante des &ye::~v avayx1] gelten können.

Damit ist die Untersuchung dieser Verwendungs weise abgeschlossen. Ananke als "Sklavenlos" oder "Sklaverei" steht der in den Formeln (»Cl.p.äv,

l1ye::w, LO"Xe::W (&v&.yxn) nachgewiesenen Grundbedeutung am nächsten, was sich von daher versteht, daß für den Begriff der Sldaverei Joch und Fessel geradezu konstitutiv sind. So wird nicht nur immer wieder das OOUAe::Oe::tV zu seinem Ausgangspunkt, zum Sklavenjoch hin, integriert, sondern gelegentlich auch umgekehrt die Arbeit des Tieres im Joch als OOUAe::Ue::W bezeichnet (Aisch. Prom. 462f.): x&~e::u~a npw't'os zv ~uyorO"t )<.v&oaAa/ ~e::UyACl.Lcr~ OOUAe::uov't'a X't'A.

Page 18: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

H. SITUATIONSGEGEBENE BINDUNG

1. Herr und Untertan

Soweit der homerische Sprachgebrauch von Ananke bisher in den Blick

gefaßt wurde, in den Formeln 3cq1.oclJ - t1YE~V - tcrXEW &v&yxn, ergab sich als formale Gemeinsamkeit, daß das Wort bei bevorzugter Endstellung im Vers stets dativisch auftrat. Eine weitere Gruppe von Belegen zeigt ebenfalls nut dativische Verwendung und dazu durchgehende Versendstellung. Der bloße

Dativ findet sich 11. 11, 150 n'e~ot f1.~v 7t'e:~ouc; 6),EXOV epEoyov'ra:c; &v&yxYJ,

11. 15, 345 E'v-&a xed E'vihx <P€ßO\J'!IX~, Mono oe: t'Et:XOC; &\layw(). Il. 16, 305 (TpwE:<;) VEWIJ 3' Ü7t6e:LXOV &v&YXfl.

Gd. i, 154; 2.2., 331 q)Tjf1.(!:), 8e; p' ~e:LÖe: 7tapa f1.v't)crt'~pmv &:v&:.yxYJ.

Die Formel xat &vayx1J bieten Il. 15, 199 of e.&e:v o't"pUIJov't'OC; rXx.oUcrOIJ't'C<.L xed &v&YXTI'

11.15,655 'Apyet:oL oE: ve:wv p.ev ExcGp"f)crav Xl%t &v&yx'(I I -rwv npt'U-ret'Uv, Od. 5, 154f. &A)..' ~ 'TO~ vux-ras (.LeV laue:crxe:v xal &vocyX]

EV crTcE:e:crcrL YAl%iflupo~m nap' oux E.&eAt'Uv E.&e:AOUcr]·

Od. 10,434 ot xtv 01. (.LtylX Ml(.La qmA&crcrm(.LEv xal &vocyxYJ. Od. 13, 307 X~ÖE' &vacrxeO'&aL' O'u öe -re:-r)..&(.LEVa~ xat &v&yxYJ,

Od. 22,451 -ral a' &Xcp6PEOV (sc. VEXUIXe;) xocl &v&YX1). Die Ve:rbindung (XI%L) ne:p &v&yxYJ zeigen Il. 12, 178f. 'Apye:~OL öe xlXl &XVUP.e:VOL ne:p &v&yxYJ I v"f)wv ~(.LuvoV'!o· 11. 14,12.8 öe:ih' tO(.Le:v noAe:(.L6vöe: xl%l ou-r&(.Le:VOL ne:p &v&YXYJ.

Il. 15. 133 &~ t(.Le:v OUAup.n6vöe: Xl%t &xvU(.Le:v6s nEp &v&YXYJ. Od. 14,298 'T'f) en6p:l)v Enl v"f)OC; o·c6!J.e:v6c; ne:p &v&YXYJ. h. Cer. 147f. p.1X~a, .&e:wv p.ev ö&pa XlXt &XVU!J.EVOL nEp &v&yxYJ

-reTAa(.Le:v &v&pt'UnoL' ö~ yap rrOAU iflep-re:pOt E~mv.

h. Cer. 2.16f. &'AAa .&EWV flev öwpoc xat &XVUP.EVOt nEp &v&yx'() -rh'AlXflEV &v&pt'Urrm' Errl yap ~uyoe; ocuXtVL Xe:~-rIXL.

Die ganze Verwendungsweise von &v&yx'l) erscheint zunächst wie ein geschlos­sener, das verstehende Eindringen abweisender Block. Doch sind Angriffs­punkte gegeben. Von Phemios wird Od. 1, 154 gesagt Be; p' ~e:LÖe: rrapa !J.V"f)cr­-r~pmv &v&yx'(). Von Phemios hieß es aber auch Od. 2.2, 353 &AAa nOAu rrMove:c; xl%l xpdcrcrove:c; ~yov &v&YX1). Was liegt näher, als auch die Ananke des ersten Gesanges in diesem Sinne zu verstehen? Die Ananke wäre dann nicht mehr

Herr und Untertan: Odyssee j,I!4 29

vom Weg, sondern von der Situation des Phemios überhaupt gesagt. Einen zweiten Angriffspunkt schließlich bietet der Wortlaut von h. Cer. 216f.

&A'Aa . .&e:wv flev ö&pa xal &XVU(.Le:VOt nEp &v&YX1}

-re1''Aa!J.Ev &v&pt'UrroL' Errt yap ~uyoC; IXUXSVL XE~-raL. Das ist eine Interpretation der homerischen Ananke, wie sie eindeutiger nicht sein könnte. Wieder ist der Fall zu registrieren, daß &v&yx'l) im Kotl,text durch ein folgendes y&p erklärt wird. Der Mensch - so will der Dichter des Demeter­hymnus sagen - ist gegenüber den Schickungen der Götter wie ein Sklave oder Tier im Joch, aus dem es kein Ausbrechen gibt.1 Freilich ist Ananke in dieser formelhaften dativischen Verwendung bereits mehr abstrakt als meta­phorisch oder gar konkret verstanden, aber immerhin bestätigt die bildhafte Explikation noch den alten Bedeutungskern.

Dem formelhaften und fast adverbiell erstarrten Dativ &v&yx'(I geht ver­schiedentlich ein xat oder xat rre:p voraus, so Od. 5, 154

&AA' ~ -rOL vux-rac; (.LeV laue:crxEv Xl%t &v&YX1) EV crnse:m y)..aq)Upo~O'L nap' oux Ei)·t'At'UV E'&e:AOUcr'W

oux E&eAt'Uv paraphrasiert offensichtlich den Dativ &v&YX1}. In der Verbindung xcd &v&YX1) kann xat - im Gegensatz zu xat ... rre:p - nicht konzessiv gemeint sein, wie allgemein verstanden wird, sondern es hat additiven Sinn ("und zwar"), der das modale &v&yx'(I einführt. Es entbehrt jeder Logik, ein be­stimmtes Tun (s. 0.: &:xouO'ov1'a, Exwp'l)O'l%v, iflu'A&crcroflEV usw.) zu verrichten, "obwohl" man dazu gezwungen ist; sinnvoll ist der konzessive Aspekt nur im Hinblick auf die psychische oder physische Disposition (&XVUfle:VOL, ou-r&­

fLEVO~) bei diesem Tun. Auch in dem Formelvers (Od. 2, 11.0; 19, 156; 24, 146), der von Penelope und ihrem Gewebe spricht:

&c; -ro fl€V E~e:-rs'Ae:O'aE xat oux E.&eAoucr' On' &v&YX'l)C; ist oux E:.&SAouO'~ - wie oben oux E.&SAt'UV im nachhinein - ein das folgende On' &vayx'I)C; im voraus erklärender Ausdruck: und zwar, obwohl sie nicht wollte, unter Zwang; "unter Zwang" ist freilich eine Verlegenheitsübersetzung. Was mit urr' &v&yx'l)e; primär gemeint ist, wird bei Hesiod deutlich, der, wie wieder­holt erwähnt, Ananke überhaupt nur dreimal, und zwar nur in diesem prä­

positionalen Ausdruck verwendet (Erg. 'j, Th. j '7' 6, j; s. oben S. 3): Pro­metheus bef1ndet sich Orr' &v&yx'I)C;, denn fLsyac; x.a-ra Öe:crfLoe; EpÜXEL. Herodot übernimmt die Formel un' &v&yx'I)e; z.B. 7, 172 8EO'cr<X'Aot öe orr:o &vayxat'l)e;

-ro rrpw-rov Efl~öLcrav und 7, 139 npoöo.&sv-re:e; ... 01tO -rClv crufL(.L&XcuV OUX ex6v-rt'Uv aA'A' un' &vayx<x~'I)C;, sowie 9, 17 OUX ex6v-rEC; &'A)'" on' &vayxab')e;. Die auch

1 Allen-Halliday-Sikes vergleichen zur Stelle gut Salon Fr. 1, 63f. Mo1:p« ae -rOL -&\I'I)-ro1:cn xO':xov <j.lepe:~ ~8e x«l &0"-&)'6'.1, 8 & pa 8' 11 <j.lux't'« -&e:&v Y(Y\le:'t"IX~ @«va't'wv.

w;

Page 19: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ja Situati011sgegebene Bindung

sonst beliebte Parallele OUX ex.wv entspricht dem bei Horner beobachteten oux e.fh'sAwv. In der Situation der Ananke handelt oder leidet der Mensch unfrei­willig und ist in seinem Tun ganz vom Fremdwillen abhängig. Daß nun dieses {m' &vtx:yxo::b-j<:; noch kein ganz abstrakter Ausdruck ist, sondern eine Metapher mit konkretem Untergrund, wird durch Wortverbil1dungen wie &vayxodn evoe­OE:fJ.EVO~ (9,.16) oder &vo~:yxcd'{) E:vof€~v (1, 11) bewiesen. Dabrd ist &vcx:yxoctf) EVÖ'E€:~v mit nachfolgendem Infinitiv soviel wie &vayx&~E~V (1, 11: btE'rEUE: fl'~ 0~v &vay­

xedYl EVOE:E~V, OtlXxp~va~ 't'o~aÜ'TYJ\I o:Xpeow).

Seltener ist das Auftreten von Ananke im Nominativ bei Homer. Hier sind

vorerst zu nennen Il. 5, 633 f. Tlepolemos vor seinem Zweikampf mit Sarpedon

~ihp7t~aOV, Aux(wv ßou/I1J<p6pE, 'de; 'Tm &v&yX'1J

7t'T~cme:~v ev&&3' E:6V't"~ p.&X'1Je; &31X~p.ov~ cpw'd; 11. 10, 418 f. Dolon zu Odysseus

ßcr(J'IX~ [1.€V Tp~wv 1t'UpOe; eax&plX~, ormv &v&yX'1J,

ot 3' eYP'1Jy6p.&WJ"L <pUAihCJCJep,EvlX( 'TE xfAoV'rih~ / &AA~AO~e;'

11. 20, 251 ff. Aeneas vor dem Zweikampf zu Achill

aAAa ,r('1) €pLalXe; XlXl Vr::tXEih vwtv &vayx'1J

VEtXELV &AA~AO~crW ZVihVT(OV, &e; 'TE YUVIXLXO:<;,

o:~ 'TE xoAwCJap.EVO:L €p130e; 1t'ip~ .&up.oß6pow

VEtXEÜcr' aAA~/'Ylm p.ecrY)v ee; &'rULihV tOUCJihL,

reoAA' he:a 'TE Xihl oux(· x6AOe; 3f 'TE XlXt 'Ta XEAE:U€L.

H. 24, 667 Priamos zu Aehill 'TTI 3~ 3uw3EX&'TYl1t'0/\Ep.~~0[J.ev, et reep &v&yx'l).

In jedem Fall scheint mit avayx'f) eine (bindende) Verpflichtung gemeint zu

sein, wie sie etwa dem Befehl zukommt, dem unausweichlich zu gehorchen ist. Im Bereich der Magie erlebt dieser Bedeutungszweig von Ananke seine

volle Entfaltung. Jedenfalls ist hier, in der lIias, bereits der Ansatz jener Be­

deutung gegeben, die später das häufige &v&yX'1J (ecrTtv) mit dem Infinitiv hat.2

2 Man vergleiche auch Soph. Fr. 464 N. Hirten reflektieren über ihren Dienst an den Herden

'Too'rm~ yo:p 6v't"s~ 8'scr1t'61'aL 8'oUAE:OO{lEV xa, 'TWv8" &vayx1) xat o"tcu1t'&v't"cuv XAOe:LV.

Die Affinität der Ananke - ursprünglich die Fessel der Sklaven - zum 8'ouAeuEw ist noch sichtbar. Wenn das Wort schließlich Notwendigkeit oder Zwang überhaupt bezeichnet, so geht das davon aus, daß die Fessel gewissermaßen Musterbild und Prototyp allen Zwanges schlechthin ist.

Gnians (331) vermutet zull. 9, 337f. ('T~ 8'~ 8'd 1t'OAe{l1~€{leVCü Tpwwcrwj'Apydous;), daß dieses im alten Epos singuläre 8'd nicht als "to need" sondern konkret zu ver­stehen sei (what binds them to fight ?). Wenn das richtig ist, wäre damit eine inter-

- -- -- -- --~~--

Herr und Untertan: Befehl ]I

lI. 10,418 bedeutet &v&YX'f) schon beinahe "Befehl": überall an den Feuer­stellen wachen diejenigen, die den Befehl dazu haben (orCJ~v &v&yxY)). Hier ist das Wort als - im Deutschen freilich schwer nachahmbare - J\lIetapher zur

Bezeichnung des Fremdwillens herangezogen. In die Richtung von "Befehl"

weist auch Il. 20, 255 die Paraphrase von &v&yxY) (s.o.): x6AOr; 3i 'TE xo:t 'Ta

xeAeue~ und die Art, wie in der Odyssee das Adjektiv aVlXyxlXroe; auftritt:

Od. '7, 398 Telemach tadelt Antinoos Be; 'TOV ~e:LVOV &.vwyct.r; areo [J.ey&pmo O~Ecr.&CI.~

p.ü.&ip &vO'.yxct.tip· p.~ 'TOÜ'TO %eoe; 'TeA€crw::v.

Od. 20, 343 Telemach scheut sich, die Mutter aus der Halle zu weisen

dMop.CI.~ 3' &fxoucrav &reo [J.Ey&pmo a(Ecr.t}O:L

[J.uihp &vlXyxO:(ip' fJ.~ 'TOÜ'TO %eos 'TEA€CJe:~EV.

Eine immer naheliegende Form, in der Fremdwille in Erscheinung tritt, ist

der Befehl, dem zu gehorchen ist. ll-ü.&os aVlXyxo:'i:or; ist ein "befehlendes Wort", Aber auch hier steht noch dahinter die Vorstellung vom "bindenden" Spruch. Das Wort als Befehl fesselt gleichsam das Objekt des Befehls - das wird sich vor allem bei der magischen Ananke zeigen - und zwingt es damit, dem Be­

fehlenden zu Willen zu sein. So findet sich Ananke immer gern dort, wo es um die Situation des Sklaven oder Untergebenen geht, der einem Herrn zu

gehorchen hat. Tyrtaios greift auf die epische Formel ure' &v&yxY)e; zurück und wendet sie auf die Situation der Messener an, die den Spartanern die Hälfte

ihrer Ernte abzuliefern hatten (fr. ),1 ff.) &crnep Ö')Q~ [J.Ey&AO~cr' &x.&em 'TE~p6[J.evm,

aeCJreoCJuvmm <p&poV't'€r; &vayxcd'1Jr; ureo AUYP~s

~[J.wu reocv ßcrCJwv xCl.preov &pOUplX <pfp€~.

Der Vergleich mit den Tieren weist auf die Herkunft der Ananke und erinnert

an die Definition des Demeterhymnus Z1tt yap suyor; Cl.uxev~ X€L'TIXL.

Zwingen zu etwas ist, wie sich zeigte, ursprünglich ein &vayxihtYl eVae€Lv.

Bei Pindar findet sich eine interessante Variante dieses Zwingens (01. 3, 28f.). Auf Geheiß des Eurystheus und gezwungen von seinem Vater Zeus muß

Herakles die goldgehörnte Hindin fangen. Das formuliert Pindar so: Eihi [J.~V

&yyeAtO:Lr; Eupucr.&for; ~V1'U~ &V&YXih 1tCl.'Tp6.D'EV Xpucr6x€pwv €ACl.CPOV ~AE~Cl.V &.~OV1"

X'TA. "als ihn Ananke ins Geschirr spannte", d. h. als er gezwungen war, das zu tun. Herakles ist seinem Vater Zeus und Eurystheus untertan und hat

zu tun, was ihm geboten wird. Man könnte &v&yxlX mit "Befehl" wiedergeben,

doch liegt die ganz konkrete Deutung noch näher. €V't'u' &v&yxCI. erinnert ja an

ressante Entsprechung zu "(s "o~ &v&yx:1) und 'TbJ ... &vayx1) (s.o.) gegeben. Zugleich stellte sich 'T( 8'~ 8'd 1tOAEt-L~~k{lEVa~ ...... 1tOAe:t-L(~0t-LEV e't 1tEp &vaYX'fJ als parallele Aus­drucksweise dar.

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J2 Situations gegebene Bindung

Pyth. 4, 234 ßotou.; ()~(JIXC; &vocyxa..; ~1)'!e(J~1) OCUXtw:t.c,. Damit muß E"VTU' &vayxCI. im Sinne von &vayxlXc, MV't'EOC (Jochgeschirr) gedeutet werden. Ananke als Joch oder Fessel, die das Tier an das Joch bindet, ist Sinnbild der Unterwerfung unter einen Befehl und sprachliches Zeichen fü.r eine Situation, in der wider­spruchsloser Gehorsam geboten ist.

In einer Partie der Perser des Aischylos (584-594) geht es - wie bei Tyr­taias - um das Thema des unterworfenen und tributpflichtigen Volkes. Der Abschnitt ist sprachlich so aufschlußreich, daß er in vollem Wortlaut gegeben werden muß. Der Chor sorgt sich um den Bestand des persischen Reiches:

'Tot 3' &VIX yFJ.v 'Acr[IXV I o'~v ouxht 1CEpcrovop.ouv't'ca,

QUO' E""n 3aO"ILocpopoumv / OEcr7tOcruVOLCJLV &V&.YX.Cl.LC"

ou3' E~ y'iiv 7tpoO'7thvov't'€~ / &~ov't'cx.~· ßcx.O'~Adcx. ytY.p 'O~6·AwAEV ~O'xu~. / ouo' e:'t'~ yAWO'O'cx. ßpo't'ot:O'~v ev q)UAcx.Xcx.'i:~· AfAU't'cx.~ yap / Acx.O~ eAEU,s,€pcx. ßcf;~E~V

6l~ eM&tJ ~uyov &AX&~. Das Stichwort O€O'7toO'uvmmv av&.yxcx.L~ wird dreifach aufgeschlüsselt: zunächst durch ßlXmAdcx. ~O'xuc;;, dann durch die Antithese ou'O' E:'t't •.. AfAu't'cx.~ und schließ­lich wieder durch die Parallele ~uyov &/,xC<.C;;. 'OEO'1toO'uvmO'~v &vayxIXLC;; meint den

bindenden Machtspruch des Herrschers", seinen Befehl. ßcx.mAdlX icrxu~ und ~uyov aAxC<.c;; umspielen im nachhinein paraphrasierend diese Bedeutung. Dabei wird durch ~uyov aAxC<.c;; die Ananke zu ihrem Ausgangspunkt hin integriert. Mit ou'O' e:'t'~ ... AfAU't'cx.~, der zweiten, entgegengesetzten Koordinate, ist die Bedeutung der 'O€0'1t6cruvm avayxcx.~ endgültig fixiert: die "Fessel" ist gelöst, die Menschen können frei sprechen.3

Das Thema der Unterwerfung wird breit ausgespielt im Agamemnon des Aischylos. Es geht um Kassandra und ihr Schicksal. Zunächst bittet Aga­memnon bei Klytaimestra um Milde für Kassandra (953)

EX~)V yap ou'Oe:t~ 'OoUA[0 Xp1j't'IXL ~uyij).

3 Was bindet, ist auch die Furcht vor dem Herrscher. Vgl. Jos. Ant. 11,47, wo die Machtfülle eines Königs gepriesen wird. Seine Befehle werden e~ rlvaYKI)C;; aus­geführt und gehören zu den &vayxatlX, den Dingen, die unbedingt getan werden müssen; die Befehlsempfänger sind ja "gleichsam gefesselt von Furcht" (wO'avd 3€3€V-~vot U7tO t:p6ßou). Vgl. Bell. 2, 157 e!l-7to3(~SO'.&IXL 't"ckc;; oP!l-ckC;; Ms~ und Xenoph. Anab. 7, 7, 29 o0XOUV eTdO''t"lXaaL !l-ev Ö't"L ot '.lUV O'OL urr~xoot ye:V6!l-SVOL 06 qn:Atq: 't"?j a?j errdO'.&1)aav {mo aot) &pxe:a,s'aL, &:A:A' &vayxl1, xal <Sn emX€Lp0'i:€V Clv rra:Aw E::A€Üite:POL yLyvsO'itaL, d!l-~ 't"tC;; aUTouc;; <jl6ßoc;; xlX't"exoL. In den Kommentaren zu Aischylos fin­det sich der Hinweis auf Callim. in Cererem 61: &VIXYXIX~q: yckp ~TCOVTO 3sO'rroTLXckv UTCO xe:i:pa gesagt von den Leuten des Erysichthon, die mit diesem in einem der Demeter heiligen Hain Bäume fällen, aber straflos ausgehen. Auf die Schuldfreiheit im Falle der Ananke wird noch' einzugehen sein.

Herr und Untertan: &VctyxcljC;; ~uy6v

Dann wendet sich Klytaimestra an Kassandra (1040ff.)

XlXt 1t'1X'i:'01X y&.p 't'm \'flcx.O'tv ' AAXP.~V'Y)<;; 1t'O't'~ 7tplX&fvTIX 't'A1jVcx.t, + 'OOUA(IX<;; p.a~·fJ~ ß(~.

d '0' &v&.YX'f) 't'1jO''O' emppe7tm 't'uX'Y)~, apXIXL07tAOU't'WV O€O'1t'O't'NV 1t'OAA~ xeXp~<;;.

JJ

Bei Herren, die schon lange im Reichtum sind, ist der Dienst besser als bei Neureichen. Auch der Hinweis auf den Sklavendienst des Herakles soll Kas­sandra trösten. 1062ff. spitzt sich die Situation zu. Klytaimestra wartet unge­duldig darauf, daß Kassandra Agamemnon ins Haus nachfolgt, doch diese zögert und wird vom Chor mit einem noch nicht gezähmten Tier verglichen (1063 't'p61t'O~ 'Oe &-f)POC;; 6l~ v€a~pe't'ou), was Klytaimestra aufgreift (1066 xaAwov ö' oux e7t(O''t'a't'O'.:~ qJep~~v). Schließlich fordert der Chor sie auf, sich doch in ihr Schicksal zu fügen, vom Wagen herabzusteigen und in den Palast zu gehen ('070f.)

t.&' (;) 't'eXAIXLVcx., 't'6vo' ep'f)!-,-Ncrcx.~ IJxov, exouO" &vayx'f)~ r~O''Oe XIX(VLO'OV ~uy6v.

&vayx'f)<;; 't'~O''O~ statt avayx'f)~ 't'~Lae: ist nach dem Vorschlag Casaubons zu lesen, dem auch Fraenkel (zur Stelle) zustimmt. Es liegt das bekannte Bild vom Sklavenjoch (&vayx'f)~ ~uy6v, oben S. 18 Anm. 16 vor, ein Bild, dessen Auf­treten bestens vorbereitet ist durch avayx'l) 't'1jcr'O' ... 't'UX'l)<;; ("dieses Sklaven­los") und excilv yap ouöel<;; 'OOUA[ep Xp1j't'IX~ ~uY0. Durch eXNv ist das 1°71 überlieferte EXOUO" - dle meisten Editoren ändern zu e:txouO" - zu stützen, und avayx'YJ<;; ~uy6v ist ersichtlich eine 'OOUA~OV ~uy6v wieder aufgreifende Paraphrase. Ananke ist in diesem Zusammenhang sprachliches Zeichen des Fremdwillens, der Nötigung, der Kassandra zu gehorchen hat. Sicher steht das Wort hier bereits in abstrakter Bedeutung, doch holt ~uy6v seinen Grundsinn wieder

heraus. Die Verbindung &v&yx~ ... ,6X~' (vgl. &v~yxa(a ,6X~ Soph. Ai. 485. 803) zeigt im übrigen, daß Ananke auf dem Wege zur Bedeutung "Schicksal" ist. Auch der wiederholte Vergleich der Kassandra mit einem jungen', noch ungebändigten Tier, das noch nicht an den Zügel gewöhnt ist, weist wieder auf den Ausgangsbereich, der Ananke und erinnert zugleich an die epische Formel '01X[J.eXO'O'.:vn<;; av&.yx71' Wenn Kassandra vom Chor zum 1t'e:(&€cr.&O'.:~ auf­gefordert wird (1054), also zur Haltung, die der Situation des Sklaven allein angemessen ist, so erinnert das an die Drohung des Aigisth gegen den Chor

(,639) ,ov Se IL~ 7t.,Mvopa / ~.6~", ßape(c", (sc. ~.6yAO"'): wer nicht gehorcht, den werde ich zum Gehorsam zwingen. Dieses Zwingen ist sprachlich gefaßt durch das Bild vom Einjochen.' An anderer Stelle (Prom. 670ff.) erscheint

4 Das ist ein geläufiges Bild der Unterwerfung:

3 Schreckenberg

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Situations gegebene Bindung

der Zügel in diesem Sinne. Zeus zwang los Vater, die Tochter aus dem Hause

zu jagen: &n"fjv&yxo:.~t v~v / ß10s XCl.A1VOS np Os ß(o:.v np&acrs1v 'r&oe:. XCl.A~v6s hat eine starke Affinität zur Fessel, und Prom. 562 (XCl.AWO~S &'.1 1ts'rp(vma~v) ist das Wort von der Fesselung des Prometheus gesagt, die sonst stets osap,os, ntolJ oder ähnlich genannt ist. Wie ~e:UYA0!:1 und Xo:.A~VOs wird schließlich auch xtv't'pov, der Ochsenstachel, bei Aischylos zur Methapher für Zwang und zwingen. EUffi. 425 ff. diskutiert Athene mit dem Chor über den Muttermord des Orest

Chor <povsus yocp dVCl.t p.1J't'pos ~~t6laO!:'ro.

Ath. aAA"~'~ &v&yX"l)s, ~ 't'tVOs 't'ptwv xo't'ov;

Chor nou yocp 'roaolhov xh'rp ov Ws tLlJ't'pox't'ove:'i:v;

xtv't'pov ist eine spielerische Fortführung der mit &v&yx"l) gegebenen V orstel­lung vom Tier, das im Joch geht. Aischylos bleibt damit im Bild. xtv't'pov

bildet ja mit ~EÜY)'IJ eine sachliche Einheit (s. oben 'rÜ1t'rE oE: xtv'rPCP o~t~, XCl.t

~EÜYAIJV ••. ap.<p1't'(&S1), und daß der Grieche, wenn er &vayxlJ hörte, vor allem an die Jochfessel dachte, zeigte sich schon oft.

Das 7ts(&Ea'&Cl.1 der Untertanen ist ein Thema, das auch in der K yropädie Xenophons durchgespielt wird. Tigranes, der Sohn des abgefallenen und un­treu gewordenen, dann aber samt seiner Familie gefangen genommenen Kö­nigs von Armenien, diskutiert mit Kyros und setzt sich für seinen Vater ein, indem er K yros lauter Vernunftgründe aufzählt, weshalb es besser sei, seinen Vater in der Herrschaft zu belassen (1, 1, 14ff.). Der Armenier war kampflos unterlegen, da Kyros so schnell zur Stelle war, daß dieser nicht mehr Zeit hatte, sein Heer zu sammeln. Tigranes meint nun, diese kampflose Niederlage sei für seinen Vater eine heilsamere Lehre als eine verlorene Schlacht, von der er sich wieder erholen könne. K yros zweifelt noch (1, 20) ~7tEl't'o:. 30xs'i: O'OL •••

xat ~ 'r01C1.Ü't'"fj ~'r't'o:. O'w<p P 0'.1 (~E L V tXCl.V~ e:TVOC1 av&p6l7tOUs, 'ro YVWV0!:1 &AAOUS E:om-dhT' h""""""-'rw'J ßEA'r(OVo:.s o'J't'Cl.s; oc 19ranes setzt nac : oue; 0 V.V tJEI\'t'LOUe; 'tWEs eau'rUl'J

'~y~aw'J'ral, 't'OU'r01S 7tOM&X1s xd &vsu Ih&yxlJs &,s-tAoum 7td.ü'EO'&Cl.L. 1, 27

schlägt Tigranes dem K yros vor, sein Mißtrauen durch bestimmte Maßnah­men (Stützpunkte und Besatzungen in Armenien) zu beruhigen~ Maßnahmen also die sie weil sie selbstverschuldet seien, gelassen hinnehmen würden, die , , aber jeden anderen Nachfolger als kränkendes Mißtrauen erbosen müßten,

Et 3' o:.\) <pUAO!:'t''t'OP.E\lOS 't'o &7tEx,s·&vEa'&o:.t p.7J &1tt&~as1C; au't'o'i:e; ~uya 't'ou p..~ uß­

p(aCl.1, 8po:. p.~ &xd\louc; oci) os~aE~ crs aUl <p p 0'.1 (~e 1 v ~'t'1 p.aAAov ~ ~p.ae; vuv &ot-

Theogn.847 Aaa tTdßa 3~tL<P xe\le6rppo\l!., 'Tt'nt'TE 3k: XS\l1'PCP 6~s!., xo:t ~eüY"I)'J 3ÜcrAOrpOV &!J.rp!.1'UteL·

cf. 1023 Ol)1tO'TE:'t'orcr' tX-&poraw Imo ~uyov a6xe'JO:-&~crw 3ÜcrAOrpO\l und Soph. Ant. 291 Kreon von der Widerspenstigkeit der Bürger Thebens: ... ipp6-i)OU\I etL0L xputp?j, x&po: crdov-eee;, oöS' U1t'O ~uY0 Mtpo\l 3LXo:(WS dxo\l.

Herr und Untertan: Kyropädie I,I,I4ff. Jj

'tJazv. Kyros erwidert (1, 28), er habe nicht gern solche Untertanen, die ihm nur gezwungen untertan seien: oOe; ElodlJv av&yx Yl u1t'l)pe't'ou\I't'ae;, er schätze solche, die ihm aufrichtig zugetan seien, auch wenn sie sich einmal vergingen, mehr als die, 'die ihn haßten, dabei aber gezwungenermaßen alle seine Befehle ausführten: mZ\I't'o:. &v&yx Yl o!.O!:7tovoup.tVOUC;. In diesem Abschnitt ist av&.yxlJ

offenbar das, was die Untertanen zur Räson bringt (aUl<ppov(~E!.V). Dieses crw<p­

PO\l(~sw ist als gemeinsames Drittes jeweils mit &\I&.yxlJ und Em'n%e'Jo:.!. ~uy&. kombiniert, woraus nur der Schluß zu ziehen ist, daß Xenophon Em't'l,s'e\laL

~uy&. als konkrete Umschreibung der abstrakten a\l&yxlJ ansieht. Zugleich ist damit a\l&YxYl U7tlJps't'e'i:v (Ota7tOvE'i:a%o:.t) erklärt als Tätigkeit von Leuten, die gleichsam ein Joch im Nacken haben und gar nicht anders können. Das deckt sich genau mit der Deutung des Dativs a\l&YxYl, die der Dichter des Demeter­hymnus gibt: &7tt yap ~uyos Cl.uXev!. xs'i:'t'o:.t. An anderer Stelle (resp. Lac. 10, 7 von dem Gesetzgeber Lykurg) formuliert Xenophon: er.e&-tjxE oe xcd 'r~v &vu-7toa't'lX't'o\l av&yxlJv, &axe'i:v &7tlXcrCl.V 1tOA1't'1X~V &pe~\I. Dabei ist &m't'!.&e\llX!. a\l&yxlJv mit folgendem Infinitiv soviel wie &\lo:.YX&~E!.V. Weil der Grieche bei &\I&yxlJ

auch in nachhomerischer Zeit noch deutlich Joch und Fessel mitdenkt, wird &'J&yxlJ gern mit Verben verbunden, die von Haus aus die J ochanlegung be­zeichnen (z.B. 87tLi)'e'i:voct: Res. Erga 815 f. 87tt ~uyov Cl.UX~v!. &ei\llX1 / ßoual).5 Noch Paulus sagt von sich (1. Kor. 9, 16): M,v yap EuocyyeA(~wfLa!., oux ~cr't'!.v P.O!. xaü­

XlJfLa ' &\I&YXIJ y&.p P.01 E7t(XEL't'CU.a Während &m'r!.&evCI." mehr vom Jochcharakter der Ananke ausgeht, ist bei npoa<pepEl\17 und 1tP00''t'L&t\lly'!.8 auch an die Fessel gedacht. Abschließend ist auf einen Abschnitt der Rekabe des Euripides ein­zugehen, der in besonderer Weise die Situation des Sklaven erhellt. Polyxena - sie soll den Manen des Achill geopfert werden - sagt, sie gehe gar nicht so ungern in den Tod, weil er ihr das Schicksal der Sklavinnen erspare und einen

Ö Dieterich, Abraxas S. 109: "In der Tat wissen wir, daß ... von dem ~uyov &v&yx'Y)e; s.eit den Tragikern öfters geredet wird, wie man denn &v&yx'Y)\I emfrd\laL gern sagte." Vgl. E. Fraenkel Zu Aisch. Ag. 218 (&\I&yxo:e; Aerca3vov).

o Vielleicht sind hier vergleichbar die in den hellenistischen Mysterienreligionen gegebenen Vorstellungen vom "Gottesgefangenen", vom "Sklaven" Gottes und von: "Jo:~", das er auf sich Zu nehmen hat (Reitzenstein, Die hellenistischen My­sterlentehglonen S. 20. 192ff. 214).

7 Z.B. Herodot 7,136.172; AescH. Choe. 74 und oben S; 6: icl:v ~~ 'ne; 3ecr~o'J ~ rJ.AAYj\l -eWa 1tpocre\ityxll &\I&YX'I)\I.

8 Xenoph. Cyrop. 2, 4, 12; Hieron 9,4; vgl. Eur. H. F. 710f.: tnE:t 3'&v&yx.l)\I _1t'poO"t"Uhjc; ·~!J.rv -&O:\ld\l, mepyew &\i&Yx.Yj· Dabei ist &\I&YX'I)v 1tp0Q"'T!..IH:vo:!. mit folgendem Infinitiv soviel wie (bayx&~ew, das als ein ganz abstraktes und erst nach Homer entstandenes Wort solche umständlichen Ausdrücke Zu vermeiden half. Andere Vorgänger von &\layxri~ecr,8·1X!. sind &\layxatll xO:'TaAo:~ß&vecr,fra!. (Herodot 2, 65; cf. 3,75) und un' &\io:yx.at'I)C;; ~XE:craaL (Herodot 7, 233; 9, 15).

3*

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36 Situationsgegebene Bindung

bösen Herrn, der sie, die einst umworbene Königstochter und Schwester Hektors, zwinge, niedrige Arbeit zu tun und ihr Bett mit einem Sklaven zu teilen (36zff.):

TIpocr&eL; ;:)' &vayx'lJv crvro7tmov EV 36fLo~;

O"cdpew 'Te i)WP.1X xepx(ow 'T' E:cpeO''t'&\lIX~

Aun-pixv &youcrrJ.v ~0~pav p..' aVlXyx.&crsa· / A€:;Y;tl Be X't'A. Das wird - ins Allgemeine gehoben - 375 ff. wieder aufgegriffen:

ßa"n1; rap oUx. etw&e: ye:6eO'&IX~ xax,wv cp€pe~ P,€v, ItAyer. 3' OCUXev' ev'n&d~ ~uy0' cf. 357 viiv 3' etl-'t 30UA~.

Der Prazeß der Entstehung von &vayx.&~e~v ist damit noch rekonstruierbar. npocr&e;,vocL &vaywfJv O'L't'onm6v ist soviel wie "zwingen, das Essen zu bereiten"; die modernere und glattere Möglichkeit, dergleichen auszudrücken, wird so­fort anschließend demonstriert (&vlXyx&~e~\I mit Infinitiv). Die Bestätigung dieser Deutung liefert Vers 376, denn r::J.uXe'J' ~'J'n.-&eL; ~uyi}) ist ein klarer Rück­griff auf 7tpoO".-&elt; &vayx1)'J. Gegenüber dem auxe'J' ~vn&elc; ~uY4> ist &'J&Y(1) der vergleichsweise abstraktere Ausdruck, doch gehört &'J&yx1j zu einem Abschnitt konkreter Beispiele, während das handfest konkrete aUX€'J' ~'J1'~&dc; ~uyi}) in eine reflektierende Partie eingebettet ist. Die beiden Stücke sind also kunst-­voll miteinander verklammert. Ein solches Spielen mit den Möglichkeiten der Sprache, wie es für die Tragiker charakteristisch ist, läßt sich gelegentlich auch bei den attischen Rednern beobachten. So wird von Andolddes in ganz bezeichnender Weise das &'Jayxa~€~'J auf &'Jayx1) bezogen (7t€pl1'w'J p.uO"'r1)p[(!)'J

1,2.): xr::J.l npw1'o'J p,E'J e'J.-&up.1)&~'Jr::J.~ 81'~ 'JU'J eyl1 ~x(!) ouo€p,tiiC; [-lm &'J&:YX't)t; OUO"1)';

napap,e~'Ja~ OU1" EYYU1)1'aC; xr::J.1'aO"1'~O"r::J.C; ou&' U7tO oeO"p,wv &'Jr::J.yxaO".fJ.dc;, mO"-1'€uO"ac; oe p,&A~cr1'a p,E'J 1'i}) o~xat<p, ene~1'r::J. oE: xal up,~v X1'A. Formal ist &'J&YX1) p,Ot ~O"1'~'J soviel wie &'Jayx&~op,a~, die Erweiterung mit uno oeO"p,w'J (= Aussage e vinculis) ist nur eine-Aufschlüsselung und Präzisierung der &wfyx1). Dabei hat die mit der Stellung von Bürgen gegebene Verpffichtung im übertragenen Sinne nicht weniger bindende Kraft als die konkrete Fesselung.

2.. Die Zwangslage

Im fünften Jahrhundert wird Ananke zunehmend Zu einer Art Schlagwort. Wo immer Menschen sich in einer Situation befinden, in der sie nicht nach freier Entscheidung handeln können, greift man gern zur Ananke, um die Zwangslage, die einengende Bedrängnis, zu formulieren. In solchen Fällen geht es nicht mehr um die Situation des Sklaven oder des Untergebenen

Die Zwangslage: &:vrXYl<a.:; Atrta3'Jo'J 31

schlechthin, dessen Ananke in der Regel andauernden Charakter hat, sondern um bestimmte Gelegenheiten und Anlässe. So steht Agamemnon bei Aischy­los vor der harten Alternative, entweder den Zug gegen Troja aufzugeben oder seine Tochter zu opfern. Er muß sich schließlich in die Zwangslage fügen und sich zu dem Unerhörten entschließen, seine eigene Tochter am Altare zu töten (Ag. 218):

end 0' &'J&yxr::J.c; eou M1tao'Jo'J :1<1'A.

Das Mnao'Jo'J wird beim Anschirren und Einjochen von unten her um den Nacken des Zugtieres gelegt (vgl. Pers. 191 M1tao'J' U1t' r::J.uX€'J(!)'J "d-&1Jm) und ist seinerseits fest mit dem Jochholz verbunden, mit dem es eine dingliche Einheit bildet. Agamemnon geht also ins Geschirr, legt sich den Jochriemen um. Die Wendung e1td 0' &'Jayxat; eou M1tao'Jov liegt auf einer Linie mit Pin­dars "Jochgeschirr" (oben S. 2. a'J&yxac; eV1'ea) und erinnert sehr an Pindar 01. 3, 2.8f. (oben S. 31): eu't'e p.~v ... e'J't'u' &v&:yxa "als ihn Ananke ins Geschirr nahm", d.h. ihm die Jochfessel anlegte. 9 Die Verknüpfung von Ananke mit Ae1tao'Jo'J, ~€uyp,a1'a o. ä. kann nicht zufälliger Natur sein, sondern muß von der Sache, der alten Bedeutung des Wortes her, begründet sein. Dem &.vtiyxa.:;

"€7tIXO'JO'J entspricht bei Euripides in gleicher Sache &vocyx"t)t; ~euyp,a1'a. Aga­memnon hört von der Ankunft der Iphigenie in Aulis, die er noch in letzter Minute durch einen Brief hatte verhindern wollen, und klagt verzweifelt

(I. A. 442f.) otp,o~, '1'( ~w 3U0"'t'1)'J0c;; &p~(!)p,a~ 1t6&ev; ec; oi' &.vocyx"t)c; ~euyp.a't" e[-L7te7t't'~xap.€'J.

Agamemnon ist in einer Zwangslage, Menelaos hat seinen Brief abgefangen, und ihm bleibt jetzt nichts anderes mehr übrig, als tatsächlich seine eigene Tochter zu opfern. ~e:uY[-lr::J.'t'a meint der Sache und Bedeutung nach dasselbe wie M7tao'Jov. Vers 511 wird das gleiche Thema noch einmal aufgegriffen:

Ag. &",,' ~XO[-Le:'J yap d-; ocvayxr::J.tat; 't'ux,a.;,

.-&uya't'po,; a1p,a't'1)po'J eX1tpa~a~ ~6vov.

Men. 7tWC;; 1'tC; 0' &vayxaO"e~ O"e T'~V y€ O"~v x1'a'J€~v; &'vayxa(a 't'ux(1), eine beliebte Formel der philosophischen Spekulation des fünf­ten Jahrhunderts, das unentrinnbare (weil bindende) Geschick, wird hier kunstvoll eingebaut in einen ganz unphilosophischen Sachverhalt. Damit wird ein gewisser Verfremdungseffekt erzielt. ~xofle:v e;[.; &.vayxa[ac; 1'ux,a.; ist soviel

\l E. Fraenkel z. St. verweist auf &:v&;yx.'l)~ ~E:0y(J.O':'t"' Eur. I. A. 443 und andere nahe­liegende Parallelen, stellt jedoch die Bedeutung von Ananke, das er als "compulsion" versteht, nicht in Frage. Das Wort gilt allen Interpreten als Abstraktum. So über­setzt U. von Wilamowitz "Und als er erst dem Joch der Not sich beugte", wobei "Joch der Not" &:v&yx.a~ A€J't'0':3vov meint und &:vrXyx.a als "Not" begriffen ist.

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I

Situationsgege/Jem Bindmlg

wie &VIXYXIX~6f.LE.&1X mit folgendem Infinitiv. Darauf wird - daß Menelaos die Sache direkter beim Namen nennt, gehört zur Ethopoiie der Personen - durch das folgende &VIXYX&crE~ crs .•. X~IXVE~V hingewiesen. Beides, Verb und Adjek­tiv, ist wieder im Zusammenhang zu sehen mit den &v&yx"t)~ ~EÜy(J..IX't'IX. Das Ganze ist ein Hin- und Herwenden, ein spielendes Etymologisieren, das gleichwohl ernst zu nehmen ist. Offenbar ist dieses immer wieder zu beob­achtende Sicheinfühlen in die Möglichkeiten der Sprache integrierender Be­standteil der tragischen Poetik. Neben &v&YXi')i; ~süYfLlX~1X kennt Euripides auch tX.v&Yx'YJ~ ~uy6v (Or. 1330): Elektra teilt Hermione mit, daß sie, Elektra, und Orest laut Volks beschluß sterben müssen. Hermione kann es nicht fassen, daß ihre eigenen Verwandten so enden sollen, doch Elektra bleibt gelassen

&pIXP" &v&:yx'YJ~ E~ ~uyöv XIX,&ZO''t'IXtJ.EV.

"Es ist nichts mehr zu machen, wir sind im J ach der Ananke. H Die Situation der Geschwister ist nach dem Volks beschluß ausweglos. Sie sollen als Mutter­mörder zu Tode gesteinigt werden, können sich aber diesem Schicksal so wenig entziehen wie ein Tier nicht aus dem Joch ausbrechen kann, das seinen Nacken umklammert. Im Rückblick ergibt sich jetzt eine bemerkenswerte Reihe von Substantiven mit dem gemeinsamen Genitivattribut Ananke:10 ~uy6v, ~EuytJ.lX~a, ),Z7tIXÖVOV, ~SÜYA'YJ' Es muß auffallen, daß gerade diese Attri- -bute genau den Doppelaspekt der Grundbedeutung von Ananke im frühen Epos (Joch - Fessel) wiedergeben. Aber sind denn diese Substantive mit ihrem Genitivattribut identisch? Das muß bejaht werden. Der Sachverhalt ist so zu deuten, daß ~uy6v, Abt'IXOVOV usw. den alten Bedeutungskern von Ananke in reiner Form darstellen und gewissermaßen die Essenz geben. &v&:yx"t) ist also nicht seines Bedeutungsgehaltes entleert, und die Substantive treten nicht als Extrakt neben die nunmehr leere Worthülse, sondern diese sind vielmehr verdeutlichende Interpretamente, sie integrieren gleichsam die inzwischen ab­strakter gewordene Ananke auf ihr Wesen hin. Vergleichbar ist vielleicht auch in gewisser Weise die mathematische Methode der Ausklammerung und Extra­position eines bestimmenden Faktors. Das Wort ist ja bereits gegen Ende des fünften Jahrhunderts einerseits durch die stereotype Verwendung mit dem Infinitiv (&vayx'l) Ecr~(V = 3.1) und zum anderen durch die häufige philosophi­sche Anwendung so abgegriffen, zugleich aber entsprechend den zahlreichen verschiedenen Verwendungsweisen von so komplexem Inhalt, daß - vor allem bei den so gern etymologisierenden Tragikern - das Bedürfnis auftreten mußte,

10 deren Zahl sich noch durch eine Wendung vermehren läßt, die E. Fraenkel (zu Ag. 218) nennt: Von Hekuba heißt es in einem anapästischen Gedicht der frühen Kaiserzeit (Berliner Klassikertexte V 2 p. 135; D. L. Page, Greek Lit. Papyri, 414): ~A,f}B\I ürr' IXU't'~V ~EUYA(xV &:wx.YX"IJ~'

Die ZJVang,rlage: Jlias 4,jOO 39

durch besondere Mittel dem Wesens kern des Wortes wieder ans Licht zu

helfen.ll

Verschiedentlich begegnete bereits oux ES'ZAEW als Parallelbegriff im Bedeu­tungsbereich der Ananke. Die Zahl dieser Stellen läßt sich noch vermehren. 11. 4, 297ff. stellt Nestor seine Mannen zum Kampf auf

i7t1t~lX~ tJ.ev 7tp&TIX cruv ~7t7tmcrLV XIX( 6X.EO'~~V,

7tE~OÜ~ Ö' E~6m%Ev O''t'Y)O'EV 7tOAZa~ 't'z xal Ecr.&AOU~,

~pxo~ ~tJ.EV 7tOAZP"OW' XIXXOÜ~ 0' E~ tJ.zO'O'ov ~AIXO'O'EV,

6~po:. XlXt OUX E%ZA(i)V ~~~ &vayxlXt?l 7tOAstL(~m.

Der Dativ &vlXyxcdll ist in erster Linie zu erklären nach der Definition des Demeterhymnus E7tt yap ~uyo~ aux.zv~ XE~'t'IX~, die davon ausgeht, daß ein Zug­tier ans J ach gefesselt ist. Die von Nestor hergestellte Situation erlaubt aber eine nähere Bestimmung der Ananke. Die xaxot, also der minderwertigere Teil des Heeres, die Feigen, bef1nden sich in der Mitte zwischen den Wagen­kämpfern und dem Gros der Infanterie; sie sind sozusagen eingeklemmt und gefangen, so daß sie wie in Fesseln die Bewegungen der kämpfenden Truppe mitmachen müssen. Sie können nicht fliehen und müssen also kämpfen, ob sie wollen oder nicht. Diese Interpretation läßt sich durch späteren Sprach­gebrauch bestätigen: Im Bellum Judaicum des Josephos heißt es von den Juden, die, den reißenden Jordan im Rücken und die Römer vor sich, keine Fluchtmöglichkeit haben (4, 434): "",p':'~uv. 3' ~ &v,xYX'l) "po, p.,xX·~v ~ou, 'Pu'Y~, ~67toV OUX ~X.OV't'IX~. Das ist eine dem Iliasabschnitt genau parallele Situation. Sicher ist hier wie an der genannten Stelle der Ilias der Grundsinn von An­anke schon stark verblaßt, und es muß bereits mit der abstrakten Bedeutung "Zwangslage" gerechnet werden. Immerhin verdient der Umstand Beachtung, daß sich - vielleicht unbewußt - das Wort Ananke gerade in solchen Situa­tionen einstellt, die eine konkrete Einschließung oder 'ringförmige Pressur mit sich bringen. Die Art und Weise, in der das geschieht, schließt eine zu­fällige'Verbindung dieses Aspektes der konkreten Einklemmung mit Ananke aus. So wird zum Beispiel im dritten Buch des Bellum Judaicum die Belage­rung von J otapata beschrieben. Die Römer umgeben die Stadt mit einem mehrfachen Belagerungsring (3, 148f.): XUXAOUV~o:.~ 't'~v 7t6A~V ••. 7t&O'o:.~ tX.7tO-

11 Dieses sprachliche Phänomen ist eng verwandt mit einer bekannten Gegeben­heit der Mythologie, die Schadewaldt (Iliasstudien S. 31) so skizziert: "Daß das Symbol dessen, was eine Gottheit aus der Kraft ihres Wesens wirkt, von ihrer Er­scheinung abgespalten, eigene Gestalt gewinnt und ihr als ,Begleiter' oder ,Attribut' in die Hand gegeben wird, erwächst aus der anschaulichen Kraft des griechischen Bilderdenkens." Darauf wird zurückzukommen sein, wenn vom Joch der Göttin Ananke die Rede ist.

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Situatiol'lsgegebene Bindung

cpp&O'O'OV'Te:.:; aUTo'!;,:; 'Ta.:; €~6öouc;. 'TOU'T' €\I cbtoY\lwO'e:t O'ÜlTY)p(o::C; rcapw~u\le: 'TOUe; 'lou-

3a(oue; TIPÖC; 'T6A[J.av· ou3E:\I yap 1i'J&YXi')e; €\I TIOAE[J.c.p [J.aX~[J.wTe:PO\l. Die Ananke besteht also im xuxAoijO'%a~. Der Effekt ist hier wie im vierten Buch gleich: TIapo~u\le:t\l TIpÖe; [J.&Xi')\I, TIpö,:; TOA[J.av. Im sechsten Buch berichtet J osephos, wie die von den Römern in J erusalem eingeschlossenen Juden Ausfälle machen und versuchen, die Zernierung zu durchbrechen (158): 3LaXOTI'Te:LV TO TI€ pt­

'TdXLO'(J.a. Dann heißt es (160) EO''TPO::T~ye:L 3E: 'TWV (sc. 'P<'u[J.aL(,)\I) (J.E:V a~3wc;,

'TW\I (sc. 'Iou3a(<.Uv) 3' &.v&YXi'). 'TO 'Te: yap E~o::<pe:ivO::L 'Iou3aLouc; &O'TIe:p &pXUO'LV

E\I€LAi')(J.[J.€Vou,:; 'P<'u(J.aloLC; o::rO'XLO''TO\l E30xe:L, x&Xe:iVOL fL(C(.v EATI(ÖO:: O'<.UTi')p(o::c; E1xov,

e:~ ßtaO'c/;fLe:vm p~~e:LO::V 'TO 'Te:!:XOC;. Wenn die übersetzer hier und in ähnlichen Fällen &.v&YXi') als ,,(bittere) Not" verstehen, so wird der spezifische Bedeu­tungsgehalt des Wortes damit gerade nicht wiedergegeben. Der etwas gewagte Ausdruck EO''TpC(.-r~ye:L •.• &v&YXi') wird von Josephos nachträglich erklärt (yapl);

dabei wird &.v&YXi') auf das Bild vom Gefangensein in Netzen bezogen, wobei die Netze auf ne:pL-re:LXLO'fLOC und 'Te:ixoc; weisen,12

Neben 3e:O'fLO':; ist vor allem xUXAOe; hier von Interesse. Beide Wörter finden sich im Umkreis von Ananke in den Supplices des Euripides: Die Mütter der vor Theben gefallenen Argiver sind auf attischem Boden, am Altar der De­meter zu Eleusis. Sie bitten Aithra, die Mutter des Theseus, die gerade an diesem Altar opfern will, sie solle ihren Sohn bewegen, für sie bei den The­banern die Freigabe der Leichen zur Bestattung zu erwirken. Aithra sieht sich umringt von den Frauen, die Bittzweige tragen,

32 3e:O'fLOV 3' &3e:O'fLOV 'Tov3' €'xouO'C(. epuAAaöOe;

und schickt nach ihrem Sohn

38 W.:; ~ 'TO 'TOUTWV AUTIPO\l €~€AYl X%ovo.:;,

39 .~ 'Tc/;O'ö' &vc/;yxo::C; ~Xe:O'LOUC; AUO'Yl, Als Theseus erscheint, erklärt Aithra ihm ihre Zwangslage 102f.

[Xe:O'LOL':; 3E: O'uv xAc/;ömc;

eppoupouO'~ fL', WC; öEöopxae;, EV XUXAc.p13 TEXVOV.

12 In freierer und abstrakterer Weise wird das Adjektiv verwendet: Od. 24, 498f. von Laertes und Dollos, die trotz ihres Alters sich noch zum Kampf rüsten, kc; Te:OXe:' ~8uvo\l, I xIX11t'oA10~ 7t'e:p MV't"e:.;, &;\lIXY"lXioL 7t'OAe:!J.1C>"t"IXL Nonnos 26, 157f. heißt es von Abrathoos, der unfreiwillig mit dem Inderkönig Deriades gegen Dionysos ins Feld zieht, &;vayx.aio.; 8e (lIXX1)'t"~.; I d.; &V01C~V (l6YL'; ~A,lle:. Immerhin läßt sich - wenn man will- auch hier noch integrieren, denn von Odysseus, der gegen seinen Willen zum Kampf nach Troja entführt wurde, heißt es (s. oben S. 12) &;veXYKn ~uyet~. Auch Odysseus wäre also ein avayxlXroe; [J.IXX1)-r~.;.

13 Vgl. Aesch. Fr. 379 N. u(ler~ 8e ßWW'l\I -r6v~e: xcd 7t'Upo.; crtAIX'; x,ox:Acp 1t'e:p(ctn')'t"' X,'t"A.

Die Zwangslage: Buripides, Suppl. 39

Die Korrespondenz öe:0'(J.6o;; - &\layxa~ "- XUXAOC; fällt ins Auge. Die Verbindung von &vayxGu mit Mew (vgl. dazu Mew T~VTIOALOpX[OCV Josephos Ant. 7,292) ist wichtig und bestätigt, daß &v&.yxoc~ die Kette der Frauen meint, die die Mutter des Theseus ringförmig umstehen und gleichsam fesselnd belagern.

Wie Ananke als "Zwangslage" sich vom Aspekt der Einschließung her konstituiert, wird auch bei Thukydides sichtbar. 4, 10, 1 spricht der atheni­sche Feldherr Demosthenes seinen Leuten Mut zu. die vom Feind in die Zange genommen sind, denn es droht ein Angriff Zu Wasser und zu Lande:

(J.'l)öe:te; u(J.wv E\I -rTI 'TOL(fÖe: &. va yx Yl ~uve'TOC; ßOUAEO'%<'u 30xe!:\1 dvo::t, EXAOYL~6fLe:VOC;

&1ta\l 'TO TIe:PLe:cr'TOC; '~fLiXe; 3e:~volJ fLäAAOV ~ &rre:pLO'X€TI'TW':; e:üe:Am.:; OfL60'e: XW­p~O'IXL 'TO!:C; EIJIXV'T[OLC;. Das erinnert an Gd. 14. 270 7te:p~ yap xIXxa nav'To&e:\I E:O'T'f).

Jedenfalls ist &vayxi') bei Thukydides nicht "äußerste Not" oder ähnlich, son­dern "Zwangslage", wobei freilich mit dem deutschen Wort das Moment der ~pnkreten Einkreisung und Einklemmung nicht recht sichtbar wird. Auch in der attizistlschen Prosa des J osephos finden sich solche Selbstinterpretationen - wie man sie nennen möchte - der Ananke. Belege also, in denen das Wort

im Kontext geradezu erklärt wird. Bell. 3, 85 ist Jotapata erobert, und Jose­phos, der sich mit einer Anzahl Notabeln in einer Höhle versteckt hat, aber jetzt entdeckt ist, will sich den Römern ergeben. Die anderen bestehen jedol;h darauf, daß alle Selbstmord begehen; sie dringen von allen Seiten auf ihn ein (&."A"Aoc; &.AAo&ev) und wollen ihn wie einen feigen Verräter töten. Josephos ist also in einer extremen Zwangslage: ... EnL 'T~~ &vayxi')C;, dpYE:v &.no 'T~~

(jcpay~c; TI&.V'TWV 'TOV O'(Öi')pov, &O'TIE:p 'Ta XUXAW%EV'TOC TWV %'I]p[wv &e:t TIPOC; TOV

xa&a7t''T6fl,E:vov &VTLO''Tpe<p6(J.evoe;. Ein Vergleich mit Gd. 4, 791f.liegt nahe: ()O'O'a 3E: (J.e:p[J.~pL~e AEÜlV &vöpwv €V OfLLAc.p

3e:(O'ac;, onn6'T€ [J.~v 3OALOV nept XUXAO\l &Y<.UO'L,

Ananke ist danach soviel wie "ausweglose Situation". Ebenso deutlich wird das im sechsten Buch des Bellum Judaicum bei der Beschreibung der Er­oberung Jerusalems. Simon, einer der Führer des Aufstandes, versuchte ver­geblich, in unterirdischen Gängen sich zu verstecken (433): :Et(J.<.Uv 3e TIOAAa

8La(J.ax~O'a~ TIpOC; ~v &v&YXi')V .•. au't'ov napa3[ö<'uO'tv. Von "NotH, wie man all­

gemein Ananke hier versteht, ist keine Rede. Was das Wort wirklich bedeutet, wird im Vorhergehenden ersichtlich (421 und 428): Josephos erklärt beim Pall Jerusalems die hohe Zahl der Toten und Gefangenen damit, daß die Stadt im Augenblick der Einschließung durch die Römer (-re{) noAE[J.t{) ne:pLeO'X~&'I]O'av) gerade überfüllt war von den Teilnehmern am Paschafest (428) 'T6't'e ye [J.~V

&O'm:p dc; er PX'T~V uno 'T~C; e[[J.apfl,EV'I]C; niXv O'UVe:XAe:(O'%-tj 'TO E'{}VOC;, xIX11JaO'T~v 0 n6).,€(J.0c; 'T~V TI6ALV &.v3pwv EXUXAGlO'IX'TO. Damit ist die Ananke des Simon be­stimmt. Er wehrt sich gegen die Gefangennahme, die unweigerlich am Ende

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;-----

SituatioJtsgegebene Bindung

des XUXAOUV "C"'~v 1t6A~V steht, wobei Ananke gleichsam der sich zusammen­ziehende Ring der Einschließung ist, der kein Entkommen zuläßt. Auch das Bild vom Gefängnis (dpx"C"~) ist in diesem Zusammenhang hier nicht unge­wöhnlich. An gefängnisartige Einschließung ist auch Septuag. Macc. 3, 5, 6 zu denken: die Juden erwarten mit gefesselten Händen und eingeschlossen in das von Ringmauern (7t'Ep(ßoAm 4, 11) umgebene Stadion den ihnen von Ptolemaios bestimmten Tod: ot 3& 1COCO'1)t; axem')t; €p1)!-Lm oOXOUV"C"Et; dvo:.t 't'o'i:e; t&vzO'tV

'Iou3o:.'i:ot 3toc "C"~v 1COCV't'O'&e:v 1Czp~exouO'ocv o:.u"C"oue; (.J..E't'OC OEO'!-LhlV ocvc<:yx1)V 't'bV

1COCV"C"OXpoc't'opoc xupwv .•• (.J..E't'OC OOCXPU(o)v E1tEXo:.AeO'o:.V"C"o oE6!-LEVm X"C"A. Dabei geht OEO'!-LhlV wohl auf die Fesselung der Hände und &vocYX"1J auf die Einschließung in das Stadion überhaupt. Wie bei J osephos erscheint auch in den Bakchen des Euripides dpx't'~ im Bedeutungshof von Ananke. Dionysos ist von Pen­theus gefangengenommen worden (518 e:tt; OEO'(.J..OUe; &YEte;), und nun befürchten die Bakchen das gleiche Schicksal für sich (545) 8, tfL' tv ß p 6Z 0 0 cr 0 ••• ~uv,,­

t.PEt, 't'bV E(.J..OV 0' E'J"C"Oe; €Xßt 36l(.J..o:."C"0e; ~31) ihocO'6l"C"1)v O'xo't'tOCte; XPU1t't'ov 81,1 dpx't'oc'i:e;.

80'op~e; 't'oc3', (;) Lltoe; 1COC'i: Llt6vuO'E, O'oue; 1CPOCj.l~'t'o:.t; 81,1 &'!-L(M,atmv &vocyxoce;; Daß Ananke hier nur von der befürchteten Inhaftierung gesagt sein kann, ist sicht­bar. Das wird auch deutlich, wenn es 642 f. von Dionysos heißt

Oto:.1C€Cj.lUXe !-L' 0 ~evoe;, oe; &p't'~ OECf(.J..o'i:e; ~v xa't'1)vocyxo:.O'(.J..evoe;.

Überhaupt ist ausführlich von Fesseln und Haft die Rede: auv~~e zeipe 3ecr­

fL[oocrtv tv ßp6zoo, (615), 3ecrfLe6etv (616), xG<&eip~' ~fL&s &ywv (618), ßp6zou, (619)' Erst von diesem Zusammenhang her gewinnt die Ananke der Bakchen

ihren vollen Sinn. Der Stamm dpy- begegnet auch an einer vieldiskutierten Stelle der Hel­

lenika Xenophons (5, 4, 8). Durch einen nächtlichen Handstreich einige Thebaner unter Führung des Phyllidas ihre Stadt von der spartani­schen Herrschaft. Dabei heißt es: 81CZt oe "C"au't'o:. 81Ce1tpocx"C"0, Ao:.ßÜlV Mo 0 q;,UA­

A(3o:.e; 't'hlV &vop(;)v ~A&E 1CPOt; 't'o &vocyxo:.'i:ov [OCVOCXEtOV Dindorf], XOC1 d1CZ

I "" <;)." '"l. I "1' l:' 3'0 • ÖZ 6ovt.",~e, EtpY(.J..OCj.lUAo:.Xt o"C"t avopo:. ocyo~ 1Co:.pa 1COAZ(.J..OCPXüN 01,1 E~P~OCt E t. we;

"C"oihov (.J..zv EU&Ue; OCrtex"C"EtVOCV, 't'oue; oe OE 0' !-L 6l't'oce; €A U O'OCV. V gl. 4, 14 't'o'i:e; ex

&vocyxcdou AZAU(.J..fvote;. Dindorfs Vorschlag steht im Text der Oxford-'1\l"Si~at" und wird auch von Liddell-Scott-Jones vorgezogen. Schon aus antiker werden oc\locxatov, 'Avocxe:'i:ov oder OCV6lYEc.uV angeführt.14 Doch ist jetzt VH'll<:1Clm

die Möglichkeit gegeben, den Fall zugunsten von &vocyxoc'i:ov zu entsc:heid"n,

14 Harpokration notiert s. v. (bC('Yxc(~olJ &:1J"C"t t'oü aEcrf1.Wt'~PW\l 'IcrQ(:ro~ e\l "C"<J) 7t'POs [J.WlJa XaL SE\101lÖ)\l <EÄÄ'7)\l~xc(~~. KC(AA~cr.&E:IJ1)s 8e &W1YEW\l d7t'EV, 8 8E~ [J.iiAAO\l ").t,·BO;'"O.

Zu der ganzen Diskussion vgl. Sturzius s. v. &\layxc(~o\l; U. von Wiila,nowil"Z, Pindaros, S. 30; Thalheim RE s. v. ' AlJa'Yxa~o\l (Sp. 2057),

4J

und zwar durch den Hinweis darauf, daß, vom Wesen der Wortbedeutung her gesehen, "C"o rivocyxoc'i:ov durchaus konsequent im Sinne von dpx~ (Gefäng­nis, Zwinger) verwendet werden kann. Der Stamm dpy- steht ja auch sonst gern im Bedeutungshofvon Ananke (s. 0), und schon bei Herodot findet sich die Verbindung &'vocyxa[Tl €~dpYEO'&OCt (7, 96 und 7, 139), was soviel wie &\lo:.y­

XOC~EO'&C(t bedeutet. Im Hinblick auf den Fesselcharakter der Ananke ist hier auch von besonderer Wichtigkeit, daß der Grieche Gefängnis und Haft ter­minologisch mit OE'i:V und oe:0'(.J..6e; bezeichnet. "Ins Gefängnis werfen" heißt oft einfach 3YjO'oct; der "Gefängniswärter" ist (; E1tt 't'WV OEO'(.J..WV (Luc. Tox. c. 29) oder 3EO'(.J..OCj.lUAo:.~ (vgl. oben dpY(.J..OCj.lÜAOC~), "zwei Jahre Gefängnis" wird von Plato (leg. 864 e) formuliert: ev ö1)(.LoO'tl{) oe:O'(.J..cJ) 3z.&'ljvat OUO 8\ltOCU't'oue;,15 In be­zeichnender Verbindung mit 3EO'Wf findet sich Ananke J os. Ant. 2, 60. J oseph, vom Weib des Petephres falsch beschuldigt, wird ins Gefängnis geworfen, doch er trägt es mit schweigender Fassung: OZCf(.J..OC oe xal "C""fjv &v&.YX"IJV mywv

U1tY)A&EV (cf. 2, 67 mit gleichem Bezug &rpEO'~V 't'Yje; 1tOCpouO'"IJe; &.vocYX1)e;). "Fesseln und Haft" ist gemeint. (Vgl. auch oIxoe; &v&.yx1)e; als ÖEO'(.LW't'"~PWV u. S. 112.).

Ananke als "Zwangslage" läßt oft noch den konkreten Sinn der "Klemme" durchscheinen. In der Politeia geht Platon auf die unangenehme Situation eines Tyrannen ein (567 d). Sein Leben und seine Herrschaft hängen davon ab, daß er beständig alle Bürger beseitigen muß, die ihn ob seiner Taten tadeln, also jeweils die Tapfersten, so daß er also in der Zwangslage ist, ent­weder zu sterben oder unter lauter Cj.lOCÜAO~ zu leben: E\l (J.axocp[q: &poc, EI1tov &y@,

ocvocyW{) ötOE"C"OCt, ~ npoO''t'&.'t'''C"Et ocu"C"cJ) ~ (.J..E"C"~ rpauAc.uv "C"WV nOAA(0V O~XE'i:V, xal

Ö7tÖ 't'01.J't'c.uv (.L~O'oü(.J..::;vov, ~ !-L-~ ~Yjv,16 Das ist blanke Ironie. Der Tyrann ist ein­geklemmt in eine Alternative, deren Möglichkeiten (J~ ... ~) ihn gleichsam in die Zange nehmen. Ganz ähnlich war die Ananke der Feiglinge in der Ilias, die zwischen ~n'7t'!;:'i:e; und 1tE~O~ eingeklemmt sind, oder die Situation der Juden, die den reißenden Jordan im Rücken und die Römer vor sich haben. Auch Thukydides kennt diese Art Ananke. 4, 98, 5 f. verteidigen sich die Athener gegen den Vorwurf des Heroldes der Böoter, sie hätten bei der Besetzung und Befestigung von Delion den Tempelbezirk entweiht und das nur zu kulti­schen Zwecken dienende Wasser genommen: fJ8wp 't'E e\l "C"TI ocv&.yx Tl xw~O'oct, :). , , \ "ß Cl L Cl '"l."l." J, , '/1,1 oux au't'ot u pe:t npoO'1YEO'v'at, OC/\A EXEWOUe; 1tpO"C"EpOUe; ••. na.v 0 dxoe; e:!voc~

1'0- nOA€/L1{) xo:.t OEtV(j} 't'tV~ XOC't'EtPY0(.J..€vl{) ~uyyvw(.J..6v "C"~ Y(YVE:O'&OCt xo:.t np oe;

_ 15 Eine interessante Parallele ist _das deutsche Wort "Stock", das ursprünglich nut eine hölzerne Gefangenenfessel ist, später aber schlechthin "Gefängnis" be­deutet (so das Wörterbuch von Grimm s. v. Stock, 4f .).

16 579 b heißt es vom Tyrannen xOxÄcp 1lpoupot5v-e\lo~ DITO mXIJTWIJ 1toÄeV-(W\l, weshalb gesagt wird: 8ecrfLWT"'lP(CP ae8e"C"C(~' 6 t'upa\llJo~.

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44 Situatiol1sgegebenc Bindung

,fh;;ou .... TIOCPOC'J0tL(IXV '!€ E:nt 't'OLt; f.L~ &vayx TI xocxo'i:.:; O\lo[.LocO'&~\le<:~. "Anlegen" ist ein schon bekanntes Bild (5. oben S. 35) und x'CtTe:(PYEO'ikH erinnert an das von Berodot bekannte &VC(:YKrx(1l E~e:tpye:O',thx:~. Die Ananke wird als schuldbefreiend in Anspruch genommen (vgl. oben S. 32 Anm. 3). Es ist die "Zwangslage", die den Frevel entschuldigen soll. Demokrit rechtfertigt ausdrücklich eine

elastische und pragmatische Haltung in solchen Situationen CB 289; II 2 °5, 16 D.): &AOYLO"Tb, tL~ ~uYX6.)peeL\I 't"OCt:O'L xc~:!a 't"o'J ß(ov &vayxoctc;, widerspricht sich freilich in gewisser Weise an anderer Stelle (B 239; II 193, 6 D.): ßpxouc; 0;)':;

nmeovTocL sv &v&yxY)ow &6ne:.:; ou 'tI'Jpeouaw 01 CPAOCUPOL, €7t~\I OLOCCPUYWO'LV.17 Bei

Xenophon findet sich in der Anabasis 2, 5, 21 eine bezeichnende Reihe / \:-" / , " / , von parallelen Wendungen: 7tOC'JTIX7tCi,m oE IX 7t 0 P (l)V EGTL xaL a [J.:1)X IX V(l)V xa~

sv &vayw{J iXOldv(l)v, xat TOÜTWV 7tOYlJp&v, otTWEC; €&e:ÄOUGL OL' €7tLopx(ac; 't'E

7tPOC; %EOUC; xat &mG't'(ac; 7tpOC; avS'p6mouc; 7tpa't''t'EW 't'L. Strepsiades (bei Aristo­phanes Nub. 437) muß beim Chor der Wolken in die Lehre gehen, um einen

Ausweg aus seiner finanziellen Bedrängnis zu suchen: "~ yap avayx'l) 0E 7tLe:~EL.18 An unser "Not macht erfinderisch" erinnert Josephos Bell. 3, 271 -r~v &vayx'l)V,

~ 0' €G-rLV OZLV~ 7tpOC; S7t(vOLav, 5-rav au-r~v &7t6yvOLa €pz·iH~ '!J. Derselbe J osephos

hat Bell. 4, 677 T~V &vayx'l)v 1t'OL~GaL xapw, also unser "aus der Not eine Tugend machen". Sprichwortcharakter hat auch GUV 0' &vayxq.. 7tCiv xaÄ6v als Entschul:

digung für die korinthischen Tempelsklavinnen (Pindar Fr. 122) und 1hjcrcm­pL~ELV dt:; ~0e:pav &vayx'l)t:; (Septuag. Tobit 4, 9), &OEÄCPOt €V &vayxaLt:; xp~m0oL (Septuag. Ps. '7, '7; vgl. Reg. 1, 22, 2). Ahnliche Formulierungen bieten die Fabeln: -ro~c; cp(ÄOLt:; sv xaLpep &vayx'l)t:; -rat:; ßO'l)&E(at:; 7tape:XEw (Aesop. Fab. 116 III), OL 7töÄÄout:; sX%pOUC; sv ß(tp IJ.XOV't"Et:; ouotva cp(Äov iv &vayx'!J EUp~GOUGLV

(ibid. 288).

3. Folter, Schmerz und Leid

A ls Folter" ist Ananke seit Herodot bekannt: st:; &vayxac; tJ.EyaÄac; &mxvBzG-" d

• ","' , / ,\, I ,/ \:-' ,/ ",.., / (1 116) &aL un ° oE ayo0zvoc; Et:; Tat:; avayxat:; OUT(l) 0'1) EcpaLVE -rOV EOVTIX IIOYOV, •

Der Zweck dieser Ananke ist die Erpressung einer Aussage, der Wahrheit.

17 Zur Stelle auch Hirzel, Der Eid, S. 64. Doch geht es hier nicht, wie Hirzel meint, um "erzwungene Eide", sondern um Eide, die jemand leistet, der "in der Klemme" oder überhaupt in Schwierigkeiten ist. .

18 me~e:Lv hat eine alte Affinität zur Fessel: &v 8e:cr(Lott:; •.• xpa-repotcrL mecr.&dt:;

(Od. 8, 336), &v ••• 8e:cr(LotcrL me~ew (Od. 12, 164). Andererseits gibt es auch das Bild von den Fesseln der Armut (Septuag. Hiob 36, 8): d ... cru<r,(e&1)croV't"IXL &'11

crXOLVLott:; rte:vLat:;.

Folter, Schmerz und Leid: Pre.r.rur 45

Wie kommt es zu dieser Bedeutung? Vielleicht läßt sich ausgehen von dem, was im Hermeshymnus dem kleinen Dieb von ApoHon geschieht. ApoHon

will wissen, wo seine Rinder geblieben sind. Er holt das Knäblein aus der

Schwinge und hält es mit den Händen gepackt (Aaßwv 256. 293). Darauf be­zieht sich dann übertreibend Hermes 373 f.

0'1)vüe~v S' hfÄ€uzv &vayxa('I)t:; U7tO 7toÄÄ~c;:.

7toÄÄtt. OB 0' -f)7tE(Ä'I)G€ ßcxÄdv Et:; Tap'mpov €Upuv.

Bei aller Abstraktheit der &vaYKab) scheint im Zugriff des Apollon noch etwas von einer konkreten Pressur durch, wie sie deutlicher und anschaulicher in

etwas anderer Form im Herakliskos des Theokrit zu Tage tritt. Zwei von

Hera gesandte Schlangen überfallen die Säuglinge Iphildes und Herakles. Die­ser aber umklammert beide Tiere mit dem zupackenden Griff seiner Hände

(27f.) 0lf''P'" a. ß"p.' ev.a~cr,,"O a.crfLij> I ap,,~6;f'evo, 'Papayo" so daß sich die Schlangen in einem oecr0bt:; avayxcxLoc; (33) befinden. SEI10ot:; avayxa~oc; ist der schmerzende Würgegriff, der wie eine Fessel zugleich das Entkommen ver­

hindert. E:ve:o~aaTo o€atJ.ep und Se:a00c; &vayxa~ot:; erklären sich gegenseitig.19

Man wird danach &vayx"f) als "Folter" im Sinne der konkreten physischen

Pressur zu verstehen haben. Der Ring der Bedrängnis ist gleichsam bis zum Äußersten verengt. Die zahlreichen Belege für diese Bedeutung der Ananke20

verdeutlichen oft noch diesen Wortsinn durch interpretierenden Zusatz und

Parallelstellung von ß&aavoc; und ßaaav(~eLv. Wichtig ist, zu betonen, daß jede Folterung in der Regel auch die Fesselung voraussetzt. Bekannt ist vor allem

die Fesselung an Rad (so Antiph. or. 5,40) oder Leiter (z.B. Arist. Ran. 618). Der Pressur diente besonders das sogenannte aTpe:ßÄoUv, das die schmerzhafte Einklemmung und Einschnürung einzelner Körperteile des Delinquenten be­

zweckte (z.B. Arist. Nub. 620; Demosth. 29, 12; Josephos Bell. Jud. 4, 329)' Ananke als "Folter" ist noch Nonnos bekannt. Heta, von Zeus mit Ambossen an den Füßen im Äther gefesselt (otG0LOt:;) aufgehängt, erleidet 0e:-r&pGLQV avay­

x'1Jv (35, 289)' Hier ist Folter und "Pein" oder "Schmerz" kaum mehr von­einander zu trennen. Es ist so nicht weiter verwunderlich, wenn &vayx'I) nicht

19 Der Komiker Xenarch (Fr. 1, Kode II 407) verwendet ganz ähnlich die &IJ&YX:I).

Ein Polyp wird gefangen ßp6xwv 1tAex't"att:; &V&YX.IXLt:;. Die Maschen des Netzes, deren jede eine Art Schlinge darstellt (vgl. 8LX't"OWV ßp6XOL Eur. Or. 1315), umschnüren das Tier gewissermaßen wie eine Fessel.

2() Z.B. Hippocr. rt. 't"eXIJ"I)t:; c. 12. Alkmaion Fr. B 4 (I 216, 3 D.). Antiphon or. 5,4°.42. Herondas 5, 59. Polybios 15.28, 2. Plutarch 305 e. Josephos Bell. Jud. 1, 491; 7.418; Ant. 15, 227; 16, 232. 253. 391; 17, 77. 105· Sept. Macc. 4. 5. 37; 6, 9. 24; 9, 6.

Page 27: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

,- -...,..~-------~-----------------

SituatiolJsgegebene Bindung

nur die Folter, sondern auch physischen Schmerz schlechthin bezeichnet.

&An3wv und &v"y,,~ sind geradezu synonym bei Josephos, Bell. Jud. i, 496f., wo ureo 't'wv rXAY'f)o6vwv tJ;c::uO"acr&<Xl ß~acr.&tv'T€~ und U7tO 'C'Yt<; &\1 &yx1)<;

EcrXEa~O'.a"[J"evmc; parallel gestellt sind. Das bekannteste Beispiel für diese Ver­

wendung bietet der Philoktet des Sophokles. Philoktet, von Schmerz ge­peinigt, schreitlaut auf (21 j): UTI' &. v&. yxcu; ßo~ '!1)AW7tOV tlil&V (vgl. 206 rp&oyy& 't'ou cr'r(ßov XIX't" &v&YXYJV €prcov't'oc;). Bekannt ist auch der entsprechende Ge­brauch in den Bakchen des Euripides, die Nohll»V MXt(J.~ &v&yxlX~ der Semeie (88f.). Daran knüpft noch Nonnos an. Die von Dionysos rasend gemachten Frauen von Argos töten ihre eigenen Kinder, die sie unter Schmerzen geboren

haben (ou (J.V~cr't'LC; &vayxcdou 'Toxe't'o~o 47, 492), und Aure, von Dionysos ver­gewaltigt, gebiert vucrcrofLev"I) xev't'poLO'tV &ne::~pw8tvoc; &v&yx'l)C; (48, 798). Das Bei­einander von xev't'pov und NStC; ist nicht ohne Vorgang im Griechischen.

Platon (Phädr. 251 e) verbindet xev'Tpwv 'Te:: xcd N8(vwv. Damit scheint viel­leicht die vorwiegend zweifache Erscheinungsweise allen physischen Schmer­zes gemeint, der entweder als stechend oder schnürend empfunden wird.21

Neben der konkreten Folter und dem Schmerz bezeichnet Ananke in einer übertragenen Verwendungsweise Drangsal und Leid schlechthin. Am lehr­

reichsten ist dafür der Sprachgebrauch der Septuaginta, der terminologisch­

a.vayxi') und .&)\~t)nc; (-&A(ße::LV) parallelisiert, z.B. Ps. 118, 143 -&A~~LC; xcd &vayx"l)

e::öpocrav fLe (ebenso Ps. 24, 17; 106, 6; 106, 13; Hiob 15, 24; 20, 22; Zeph. 1, 15). Dem genauen Sinn von &vayx't) ist also über .&AlßeLv beizukommen. Da heißt es etwa Ps. 17, 6f. in einem Danklied nach großen Siegen: &S~vec; ~Sou ne::pLe::­

XUXAWcr&V (J.e, npoecp&acrav [Le mxy(Sec; .&ava't'ou. xat EV 't'i;) .&A(ße::cr.&a( [Le::

E1teXaAecra[L'fJv 'Tav XUpLOV. Danach meint '&A(ße::LV (und -&A~~LC;) etwas, das den Menschen drangvoll umschließt, eine Pressur im weitesten Sinne. In die gleiche Richtung führt der Umstand, daß die &v&yx'l) der Septuaginta besonders das

21 xsv't'pov findet sich in bemerkenswerter Weise mit &v&yX'f) verbunden Aisch. Eum.425ff. Chor <pove:UC; yap dvat [L'fJ'TPÖC; ·~~uGO'a't'o. Ath. &).),' ~'~ &v&:YX"I)C;, {) 't'LVOC; 'TPSWV w)-rov; Chor not} yap 't'OO'Ol.l-rOV xev't'pov tiJc; }J."I)'Tpox't'OVE:'tv; Ein Vergleich mit Theognis 847

Aa; tnLßa a~fler xE:ve6~povt, 'Torr'TE: SE: x E v 'T p er Ö;Ei:, xcd ~E:oYA-f)V MO'Ao<pov aWfH'T('&eL'

und Pindar Pyth. 2, 93f., der ~\)y6v und XS\l'TPOV zusammenstellt, ergibt - rein formal betrachtet - eine Gleichsetzung von &vO:YX"I) und ~e:oYA'fJ (~uy6\1). Aischylos bleibt somit im Bild, wenn er auf Ananke das Kentron folgen läßt. Der schmerzende Treibstachel macht in Verbindung mit der den Nacken des Zugtieres umschnürenden Jochfessel den Zwang erst perfekt.

Folter, Schmerz und Leid: -&A'rtjJ~c; 47

hebräische 1i1:, j'j'l~ (Not, Bedrängnis) wiedergibt, also mit einem Wort­stamm verbunden wird, der seinem Wesen nach ein Einschnüren, Binden, Zu­

sammendrängen und Einengen meint. Die in der griechischen Bibel verhältnis­mäßig häufige Bedeutung "Leid, Drangsal" setzt bei Euripides ein. In der

Hekabe (629ff.) ruft der Chor der gefangenen Troerinnen: EtLO( xp'ljv crutL­

~op&.v, EP.Ot xp'ljv n"l)(J.ovdt:v yevecr.&a~ ••. (639) novm ydt:p xa( nov(,)v &v&yxaL

xpdcrcrov€C; XUXAOUV't'IXL. Das Leid erscheint als konzentrische, darum unent­rinnbare Drangsal. Bei Euripides (Or. 358) sagt Menelaos

x UX Acp ydt:p dA~x.&e'i:crIXv &-&AtWC; xaxot:~

ou7twno't" rJ..AA't)V fLiXAAOV eISov E:(>'t'~av.

Aischylos kennt die unüberspringbaren, einkreisenden "Netze des Leides"

(Ag. i 3 75 TC'~fLov~, &pxocr~",~'). Dem K yldos benachbart ist das Bild der Schlinge und Fessel. Schon die Odyssee (5, 289) spricht vom (J.eya ne~pIXp o'~~uoc; des Odysseus22• In einer hellenistischen Grabinschrift (Peek, Griech. Grabged.

437,22) findet sich die Formulierung nev&emv Ev~eSecr.&a~, und in einem Zauber­

papyrus (Preisendanz, P. G. M. II 15, 1) heißt es tva XIX't'tx:(')~cr(,)crL N~AOV ..• xaxo~C; fLey&Amc;. Auch die Jochung ist ihrem Wesen nach Fesselung, weshalb

das Joch als Bild für Leid, Unglück und Drangsal nicht ungewöhnlich ist. So findet sich GtT'tJC; C:e::uYAa\l Eur. Fr. 287, 10, EvfC:e::u~ac; EV n't)(J.ova'i:mv Aisch. Prom. 578 von 10, ~uyev't" EV &P(J.IXcrLV ni')p.chwv Choe. 795 von Orest, und Eut. Hec.

375 f. alternieren xax&: und ~uyov. Der hier interessierende neutestamentliche Sprachgebrauch ist dem der

Septuaginta sehr ähnlich und muß ebenfalls vor dem Hintergrund der kon­

zentrischen Pressur verstanden werden. 1. Thess. 3, 7 bietet die bekannte

Parallelstellung von &v&yx't) und -&A'i:~~C;: rhd n&cr'() 'TTI &v&yx'{) xat .&),(~eL ~(J.C:)V.

In eine ganze Reihe gestellt ist &v&yx"I) 2. Kor. 6,4: €V tlno(J.ov?) nOAA?), €\I &At­

o/€I1LV, EV &v&yxa~~, €V cr't'E:voxwptatC; X't'A. und ibid. 12, 10: ~tÖ eu~oxw €V &cr­

,fr€vdat~, .EV i5ßpe::mv, EV &v&yxaLC;, EV 3t(,)YfLO~C; X't'A.

il'A~o/LC; und cr't'evoxwP~tx:, das in der Septuaginta gewöhnlich der S'At:~L~ parallel steht, sind die nächstliegenden Umschreibungen der hier, in den Aufzählungen

der Drangsale des Paulus .. gegebenen Bedeutung von Ananke. Beide Para-

22 it"e'tpap ist in seiner frühesten Bedeutung nicht abstrakt "Ende" oder "Grenze". Richtig notieren Ameis-Hentze-Cauer z. St.: "ne'tpocp ist "Ende" oder "Seil"; auch in unserer Seemannssprache heißt ein Tau ein "Ende"! Hier wie 'X 33, Z 143 die aus dem Ende geknüpfte Schlinge." Vgl. auch Onians S. 323. Onians (363) macht in diesem Zusammenhang aufmerksam auf Od. 10,286 &A)..' &ye a~ O'e xaxwv tx)..ÜO'o}J.tx:~ ~8E: O'afuO'W Ud. 13. 321 ~6C; }J.e -&e:ot xax6'T"I)'ToC; ~AuO'av' Man vergleiche AÜcrLC; 'TWV nO(p6VT(vV ?taxwv, die von Gott erbeten wird, bei J osephos Ant. 9, 70.

Page 28: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Situationsgegebene Bindung

phrasen spiegeln den mit Ananke von seiner Grundbedeutung her ver­

bundenen Sinngehalt der einschließenden Pressur. Keine Schwierigkeiten

bereitet auch das Verständnis von Lukas 21, 23 gcr'1'lX~ yocp rXv&'YX1j P.~y&"A1J

bd '1'~C; y~C; XlXt 6py~ '1'iJ) Ac<<j) 1'OU1'ep xlXl necroul)'t'C<~ cr1'6P.IX1'L p.C<XC<~P'l]C; XIX11X[Xp.IX­

AW1'Lcr&~crOI)'t'C<~ e:lc; 1'.1. g&v"1j n&'v1'oc X1'A. Diese rXv&.YX'l] ist schon alttestamentlich.

Zephanja (',1)) nennt den Gerichtstag Jahwes die ~f'tp" ~A(tE"', "at &v&Y"~" Die Ananke des Lukas wird an anderer Stelle des Neuen Testamentes mit

Formulierungen umschrieben, die an den oben dargelegten Bezug des Wortes

auf "Schmerz" und speziell &8k anzuschließen sind. 23 Die Theologie des Spät­

judentums deutet ja auch seit Daniel 12, 1 (exe:[v'l] yocp ~P.€pc< '&A(tj;e:WC; X1'/\.) die

der Heilszeit und dem Erscheinen des Messias unmittelbar vorangehende

Drangsalsperiode geradezu als "Wehe des Messias".24 Umstritten ist das Ver­

ständnis von 1. Kor. 7, 26vop.~~w o\)v 1'OU1'O (sc. der Stand der Jungfräulichkeit)

XIXAOV U7t&pXe:~v 8toc 1'~V evecr1'wcrC<v &v&YX'l]V, 01'~ XIXAOV rXv&pcimep '1'0 OU1'WC;

e:Ivo:.~ ... (29) 0 xC<tpo.; cruVe:cr'1'o:.Ap.evoc; ecr'1'tv. Die Exegeten verstehen die eve:cr1'W­

(Jo:. rXv&.YX'l] teils von der bevorstehenden Drangsal der Endzeit, teils von der

gegenwärtigen Bedrängnis der Gemeinde. Nehme man eve:mwcrlX als "gegen­

wärtig",25 so ergebe sich zwangsläufig eine nichteschatologische Deutung

der Stelle. Der eschatologische Charakter sei andererseits nur vertretbar, wenn

eve:mw(J1X soviel wie "unmittelbar bevorstehend"26 sei. Beide Positionen sind

nicht haltbar; denn einmal ist evecr1'~C; hier vom sprachlichen Gesichtspunkt aus

nur als "gegenwärtig" zu deuten,27 und zum anderen ist der Vers 29 (0 xC<tpoc;

23 Matth. 24, 8 n&v't"a a~ 'Tatha &.pX1J w a (v cu v. Mark. 13, 8 &.PX1J w a (v cu v 'Taü't"a. V gl. lvIatth. 24, 21 ~cr't"aL yap 't"6't"e: -&Aii.\JL<;; tJ.e:yaA'1J otct; 00 ylYOVEV arr' &'px1)<;; x6crtJ.ou S!cu<;; 't"Oü vüv. 24, 29 e:o&fcu<;; tJ.e:'t"a 't"~v {j·Aii.\JLV 'rwv ~tJ.e:p&v hdvcuv X'TJ.. Mark. 13,19 !tcrov'raL yci;p ai ~[J.fpct;t ~xdvaL &AitfiL<;;' 13,24 !tXA' €:v exe:(vO'.:L<;; 'Tar<;; ~[J.fpct;L<;; [J.e:'Ta 't"~v ~q.Aii.\JLV ~xdV'l)V

X't'A. lvIatth. 24, 21 und Luk. 21, 23 entsprechen sich: -&Ari.\Jl,4; [J.ey&A'tJ '" av&yx'tJ tJ-e:y&A'tJ.

24 Strack-Bi11erbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. I München 1922 S. 950 und IV 977.

25 So etwa K. Benz, Die ~vecr'Toocra &v&YX1) in 1. Kor. 7, 26. V gl. S. 389: "Aber gerade €:vecr'TW4; = gegenwärtig schließt die Beziehung auf die Parusie aus. Die Parusie nach ihrem Wesen liegt in der Zukunft, selbst wenn diese noch so nahe wäre."

26 Vgl. Tischleder, Nochmals die €::vecr'Toocra &v&yx'tJ S. 225-229. 27 Im gleichen Brief (3,22) findet sich die Antithese Ehe: E:ve:cr't"w'Ta Bhe: 0lAAOV't"ct;.

So auch Röm. 8, 38 o?Jt"e €::\!Bcr't"w't"a OÜ'Te [J.~AAOV'TO'.:. Der Redner Antiphon bildet den Gegensatz (6, 25) ~ nO'.:poücrO'.: &v&yx'tJ: ~ [J.~J.Aoucra (sc. &v&yx'tJ). Der Gegensatz zu [J.~J.AOV'rct; kann nur "gegenwärtig" (= 1t'IXpOÜcrct;) sein. V gl. Polybias 31, 11, 19 vO[J.~cra4; oov ct;o'rov €:m'T~ae:wv e:rVct;~ rrpo<;; 'T~V eve:cr't"wcrav xpdav. Die gegenwärtige Not ist mit €:ve:t1'rwt1a &v&yx'tJ ebenfalls gemeint bei Epiktet 3, 26, 7; 3. Macc. 1, 16 (ßo'tJ&eiv 't"TI €::ve:cr't'Wt1n &v&yxn); Preisendanz P. G. M. II 4, 526f. überzeugend ist auch Josephos

Folter, Schmerz und Leid: Paulus, I. Kor. 7,26 49

auvecr"C'o:Ap.evoc; E(J1'tV) doch wohl nur dann sinnvoll, wenn die ganze Aussage auf

die nahe Parusie bezogen ist. Paulus rechnet ja noch bei seinen Lebzeiten mit

der die Parusie begleitenden Verwandlung (1. Kor. 15, 51) und Entrückung zum

Herrn (1. Thess. 4, 17). Ist aber die Zeit bis zur Parusie nur noch kurz, so

kann die dieser ja vorangehende endzeitliche Not von Paulus durchaus als

schon eingetreten gedacht sein. Er leidet ja bereits vielfache Not und Drangsal

(&.V&.YXIX~, &A(tj;e~c; usw. 1. Thess. 3, 7; 2. Kor. 6,4 und 12,10).28 Auf der gleichen

Linie liegt die Aussage der Apostelgeschichte (14, 22), daß TCOAA"t ~A(t"', der ßo:a~Adoc 1'OU &eou vorangehen. Somit wird Eve:m6lcroc als "gegenwärtig" im

vollen Sinne verständlich und bestätigt. Wäre es "bevorstehend" und xo:.tp6~ dementsprechend nicht direkt auf die Parusie, sondern nur erst auf die Zeit

bis zum Beginn der dieser voraufgehenden Drangsal zu beziehen, so verlöre die

ganze Darlegung des Paulus entschieden an Nachdruck und Glaubwürdigkeit:

dann könnte man es ja getrost noch für eine Weile mit dem Heiraten versuchen.

Erst recht ist bei der Eve:mwaC< &v&YX'l] nicht zu denken an die gegenwärtige Be­

drängnis der Gemeinde, denn angesichts solcher Nöte vorübergehenden

Charakters wäre eine grundsätzliche Empfehlung der Ehelosigkeit - wie sie ja doch vorliegt - nicht sinnvoll.

Ant. 16, 162 ou 06vov ~v 't"l}) eve:cr't"W'TL xaLpl}) O:A),d: xO'.:t €::v 'Tl}) npoyeye:vYJ[J.€vcp und Vita 161 'l"~V eve:cr't"wcrav ·~[J.€pct;V ... 'T~V emoücrav.

28 In diese Richtung tendiert auch Tischleder. S. 227 unter Hinweis auf Röm. 8,22 (" Wir wissen, daß die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt bis jetzt"): "Diese Geburtswehen der Welt, aus denen sie zu einem neuen Dasein geboren werden soll, haben schon begonnen; sie treten aber unmittelbar vor der Ankunft Christi in das akuteste und schmerzlichste Stadium ein." S. 229 spricht Tischleder davon, daß die Messiaswehen "schon in einzelnen Erscheinungen in die Gegenwart hineinragen".

Page 29: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

III. NATURBINDUNG

1. LiebesZ1Vang

Im Kyklops des Euripides brüstet sich der Riese, er,sei Zeu,s nicht un~ertan und fürchte seinen Blitz nicht, vor Regen und Schnee wisse er s1ch zu schutzen, und im übrigen sei er autark, denn die Erde nähre ja, ob sie wolle oder nicht, seine

Herden (332 f .) ~Y7J 3' &vcXYWfl x&v -&€A1l x&v!J.~ &ep:n,

.. dx:t'ouO'Gt.: 7tOLaV 't'&p.oc 1WI.[V€t ßo't'&. Gegen Hirzel (Themis 427), der Ananke als "ein schöpferisches, das mensch­liche Leben ... förderndes Wesen" versteht, betont Gundel (Ananke 37 Anrn.

49) mit Recht: ,,&wfyx1J bedeutet hier einfach ~en ~wa~g des Naturgese,tzes, gegen den die Erde nicht ankämpfen kann". Hier wIrd eine Vorstellung s1cht­bar die sich im fünften Jahrhundert voll entfaltet: daß neben und vor dem pos'itiven Recht ein Naturgesetz besteht, dem alle Menschen in glei~her W~se unterworfen sind und das unabhängig von den Göttern - soweit es diese

nicht geradezu ersetzt - gilt. Diese philosophischen Anschauungen vom Primat

der Physis und damit von der Zwangsläufigkeit physikalischer Prozesse ver-

b ' h" d'J· m1,)Z6V wenden als zentralen Begriff ne en tpum<; auc IXVIXYX"f) un IXVrJ·YXTJ T cr .,. Aristoteles erläutert diese Art Ananke am Bdspiel des Steinwurfs (An. post.

b 8ff.). Werfe man einen Stein in die Luft, so trete eine zweifache Ananke 943 \/ \1/ ').."ö\\ in Erscheinung: b AW,O<; €~ &v& YX1)<; XO'.~ O:.vw x<X~ X<X'TW tpzPZ'T<X~, IXA ou ~.O'. 'T:v

<Xln~v &V&.YKIJV. Die eine, heißt es weiter, die den Ste.in von Menschenh~nd 1U die Luft treibe, sei ß~O'.(IX, die Ananke, gemäß der er W1eder zur Erde zuruckkehre,

dagegen x<X'Ta tpumv.1 Damit ist die Schwerkraft als Naturgese~ besti~mt. D~r mechanistische Charakter solcher natürlicher Abläufe macht SIe ungeeignet fur

eine teleologische Betrachtungsweise, so daß es heißen k~nn .(Phys. 19~ b 1~) {)e~ 0 Zeu<; OUX g7t<U<; 'Tav cr~'TOV <xu~~crTI, &)..)..' s~ &v&.YX1)<;.2 W1e die Erde bel Eur,l­

pides das Gras sprießen läßt, ob sie will oder nicht, so fällt auch der Regen e~

1 Dem entspricht de coelo 300 b 18 a\l&:Yx'7) yo:p 1) ßtlXtOV etVlXt 'T~\I X(\I~CiW 1) XIX1:O: tpUCit\l. Küttner, Quaestio necessitatis S. 3. 6ff. 2of. und 31f. ne~t äh~hch~ Sten~n,

h 11 9 200a <ht 't"0: [L~v ßIXgea xthw 7tetpuxe:: tpepr::Ci,oca, 1:a a~ xoutpa e::m7tOA'7)~. ua. p ys. , _tL. " E It . ren Vgl. Topik 137 b 37 't"oi) 7tup6.; &O"t"w raw\I 't"0 &\1(0 tpepe::cr-uut xa't"oc tpucrt\l. s a ern1e I F av&yx"f1'; und xa't"ct tpucrt\l. Zur Sache auch Gundel, Ananke S. 55·

a so '-0 ., •• dA· t tIm 2 Darüber handelt E. Pappenheim, Quaestiones de necessltatls apu rls 0 e e

notione S. 32.

Liebeszwang: Paulus, I. Kor. 7,j6jJ. J1

&.v&.YA.1)<;. Die Götter treten hinter der Allgewalt der Naturgesetze zurück. Von

den menschlichen Gesetzen unterscheiden sich die Gebote der Natur dadurch,

daß sie nicht willkürlich auferlegt, sondern absolut verbindlich3 und anfangslos4

sind. Zu den wichtigsten Naturgesetzen gehört die Befriedigung der unmittel­

barsten Lebensbedürfnisse des Menschen. Aristoteles Met. 1015 a definiert

&vayxcdov :A€YZ-rIXt, 00 ((veu oux sv8~Xe::1"IXt ~'lJV w<; cruv<x~-r(ou' oIov 1"0 &.\lIX7tve'i:v XIXt

~ 1"p0tp~ -r0 ~cpcp &V<XYXClXO\l' &MvIX-rov yap ((veu 'To1,)1"(')v etvIX~ und, allgemeiner und

umfassender, 'TO p.~ s\l3zX6p.zvov l})),(')<; ~xetV &vIXyx<x'i:6v tpafLZ\I ou-r<u<; *-xzw. Das

CiUVIXt-rWV in dieser Partie ist soviel wie -ro €~ {mo&ecrew<; &VIXYXIX'i:OV, also condido

sine qua non,5 die unabdingbare Vorausetzungs und der die Existenz von etwas

sozusagen erst konstituierende Rahmen. Von Xenophon (Memor. 4, 5, 9) werden zu den &vrXyxlX~61"1X'T<X gezählt tptX.ydv, me'i:v, &tppoa~crt&crlX~, &\lIX7tIXUcrlXcr&tX.t,

xOt[L"f)&Y)\llXt. Damit ist die Spannweite der den Menschen betreffenden &v&.yx"l)

'tpocrzw<; annähernd bezeichnet. Die Struktur dieser Ananke wird vor allem im

erotischen Bereich, dem &'tlp03~crt&crtX.~, sehr deutlich, worauf jetzt zunächst ein­

zugehen ist. Im Zuge seiner Darlegungen über den Vorzug der Jungfräulichkeit vor der

Ehe nennt Paulus (1. Kor. 7, 36ff.) eine bestimmte Art von Ananke. 6 Seit

3 Antiphon Soph. B 44 Col. 1, 26 (II 347 D.) 't"0: [L~v yap 1:&v VO[Lrov &rd.,<te::'t"a, 't"a a~

't"~'; tpUoe::ro.; a\laYA.a"Ca.

4 Denn der epucr€ro~ vO!J.o,; ist avo[Lo&e1:'f)1:o,;, wie Dionysios von Halikarnaß feststellt (7,41); und Demokrit (B 278; II 202, 14ff. D.) sagt, daß die Naturgesetze (a\layxa'ra) <X7t0 epUOto.; xa, xct't"ocaT&crt6~ 't"t\lO'; apxoc('7)'; bestehen, also keinen greifbaren und ge­wußten Ursprung haben. Das Gesetz der Natur ist einfach da und wird immer be­stehen. Sehr klar ist dieser Gedanke ausgefuhrt bei Thukydides (5, 105, 2): ... örco tpoer€ro.; &voc,yxa(oc~, 06 &v xpctTn, &pxe::w' xd ~[Le:'r.; o{he:: .&e\l't"e::r; 't"OIJ \l6lhov oihe:: X€~[Lt\lCP 7tp&"Ot XP'l)er&[Le::vot, Ö\I"ct a~ Tt"IXpocAaß6IJ1:e::.; Xctt &cr61he::\lov &.; &:e::t xct1:aAdtjJo\l1:€~ XP~[Le;.9·1X ct.Ö1:41 X't"A. Dieser Standpunkt der Athener gegenüber den Meliern berührt sich eng mit der Auffassung vom \l6!J.o,; T'tj.; epoere:cu~, die Kallikles bei Platon (Gorgias 483 e) vorträgt.

Ii Dazu ist Küttner S. 15 zu vergleichen. Zur Bedeutung der Ananke überhaupt bei Aristoteles: Gundel, Ananke S. 51ff.

6 (36) d a~ 't"t'; &:crX'7)!J.0\le::!:\I &nt "~\I nlXp,o~\lo\l ct {nou vO[L(~e:t} EetIJ TI ll1ttpctX[Lo,;, xoct Ot.l't"cu.; O%!e:(Ae::t Y(\le:cr,fla~, 8 '&i:A€~ (37) 7totd1:())' OUX ajJ.ctp,&IJe::t· yajJ.d1:roO"ct\l. 8.; a~ ~cr1:'7)X€V &\1 "TI xocp8Lqt 1X\)1:0U kapa1o.;, [L1) ~Xwv &:v&yx'7)V, &~oucr(ct\l a~ ~Xe::t 7te::pt 1:0i) ra(ou ,oe::A~[La't"Or;,

xIXl "OU1:0 xexptx€IJ &\1 't"TI ra(% xapaLqt T'7)pe!:\1 't1)\1 ZOCU1:0U 7tctp,oe\lov, (3 8) xaA&~ 7tot~cr€t. iherTe:: xat 0 yocjJ.L~cu\l 1:'~V ZctU1:0U 7tap,oevo\l XctAW'; note::!: xa, 0 [L~ ya[L(~cu\l xpderO'ov 7tot~O'et. Zu verstehen ist: Falls aber jemand glaubt, er falle seinem Mädchen gegenüber aus der Rolle, wenn er (nämlich) einen besonders starken Geschlechtstrieb hat, und wenn dies die unausweichliche Folge ist (nämlich aus der Rolle Zu fallen), dann soll er seinem Wollen freien Lauf lassen; er sündigt (dann) nicht. Sie sollen heiraten.

4*

I ~

Page 30: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

!2 Naturbindung

jeher verstand man - so noch Schlatter und Bachmann zur Stelle - als Subjekt des ~,<; und der folgenden Verben den Vater der Jungfrau und ließ dem­entsprechend tmepcoq_w~ von der Jungfrau gesagt sein. Richtig ist eine neuere Deutung, die vor allem von Lietzmann in seinem Kommentar zu den Ko­rintherbriefen (19313) unterstützt wird,' nach der Vers 36-37 der Bräutigam gemeint ist und erst im Vers 38 - falls nicht doch ycq.d~e~\I auch im Sinne von YIXp.et:v stehen kann und der junge Mann weiter Subjekt bleibt - der Braut­vater auftritt, der seine Tochter verheiratet. Für diese Deutung sprechen sprachliche und sachliche Gründe. Wenn mit V. 36 der Brautvater aufträte, so müßte er ausdrücklich als solcher bezeichnet sein, denn in der vorangehen­den Partie gebt es um Ehe und Ehelosigkeit und demgemäß ausschließlich

um die Mann-Frau-Beziehung, so daß jetzt bei 'n~ nur der Mann als Partner

gemeint sein kann. &o'x."f)p,ovE:'i:v bezeichnet auch nicht das strenge Verhalten des Vaters, der seine Tochter nicht heiraten läßt, sondern den, der sich unanstän­

dig vorbei benimmt und in peinlicher Weise aus dem Rahmen fällt, den An­stand und Sitte darstellen,s Der junge Mann könnte, so meint Paulus, seinem

Mädchen gegenüber die Selbstbeherrschung verlieren und es zu einer uner­freulichen Situation kommen lassen. Unter keinen Umständen paßt danach

&O'X"f)p,OVE:LV auf den Vater des Mädchens.9 Wenn Lietzmann glaubt, "der Aus~ druck 't"~v EIXU't"OU 7tc<pMvov statt 't"~v EC<U't"OU vüp,tp"f)V ist auffällig", so ist dem

7 Der auch sonst recht dürftige Artikel über Ananke in Kittels theologischem Wörterbuch zum Neuen Testament (Grundmann) verschweigt überhaupt die ganze Stelle.

S Dem widerspricht nicht der Wortgebrauch von 1. Kor. 13, 5 (~ &y&:1't""I) &aX'ltL0vei), und die übliche Verwendungsweise des Stammes &crX"I)tL - zwingt färmlich dazu, &crX''ltLovdv i1't"t '1'~V Tt"(Xp'&evo'J im Sinne einer geschlechtlich-konkreten ständigen Aktion gegen das Mädchen zu nehmen: &crX"I)tL0'JWt; benimmt sich römische Soldat, der von einer Säulenhalle des Tempels in Jerusalem herab vor zum Fest versammelten Juden sich entblößt und eine unanständige ~~~~:.~~::~;:~ einnimmt (Bell. 2,242) &crX:'ltL0cro'J"I)'J xa'1'epy&:~ecr.oat sagt Paulus von I­(Röm. 1, 27). '1'tX &crX:1JtLova (sc. tLSA·'l) werden im gleichen Brief (1. Kor. 12, Paulus die Geschlechtsteile bezeichnet. Zu erinnern ist hier auch an die euphemisti'ldte Verwendung von &cr;('ltL0cro'Jr) im Sinne von atQoio'J, z.B. Sept. Lev. 18, Apokal. 16, 15: tLax&:pw~ /; YPl'Jyopw'J xod 't"r)pwv '1'a lWhta aÖ'1'oD ('Ja tL~ YUtLvo~ ,,",OtTI'"<" xo:t ßAeTt"wcrw '1'~V &crX"I)tL0cro'J"I)v aÖ't"oD. Auch hier steht metonymisch das '''>8',a',­

tum für das Konkrete. Um genau zu wissen, was &'crx1)tLcu'J bedeutet, lese ma"n~~,~~~;~~~: Ant. 19, 357: '1'OUt; &.vSp~&:\I'1'a~ '1'&)\1 't'oD ßam),sw~ &uya't'€:pw'J &pTt"&:crav't'et; 6 &y.6tLtcrav d~ 't"eX Tt"0p'Jda xed cr't~crav't"e~ enl 'twv 't€"(wv w~ Suva't'o'J ij'J &crX"I)tL0'J€:cr'tepa St"l)y1)crWt; Spw'J'1'et; X'tA.

9 Vgl. auch Lietzmann z. St.: "und wieso ist (unter paulinischen Christenl) Verweigerung der Ehe ein &'crX"I)tL0vE'iv?"

LiebesZJvang: Pan/us, I. Kor. l,}6ff. !J

nicht beizustimmen, denn seit Vers 29 (7t'E::pt 7t'c<p&ZVWV, vgl. 28. 34 und 36)

wird doch - mit Unterbrechungen ~ ausdrücklich über Jungfrauenschaft und Ehelosigkeit gehandelt. So bleibt Paulus bei dem einmal eingeführten Begriff,

der zudem tn1t dem zugehörigen Verbum eine abgerundete Sinneinheit bildet; denn 't"i')pdv ist im besonderen Sinne ,,(unversehrt) bewahren". Mit 7t'c<p&z'Jov

wird nun auch vollends deutlich, daß das Subjekt der Verse J 6ff. nicht der Vater des Mädchens sein kann. Falls nämlich das unbestimmte 'nt; auf den

Brautvater zu beziehen wäre, So hätte spätestens hier %uyoc't"zpc< statt 1tC<p%zvov

stehen müssen. u7t'zpaxfLo~ wird nach den genannten zwei Auffassungen ent­

weder auf das Mädchen oder den Bräutigam bezogen. Doch kann nur der Mann gemeint sein, wie es ~ darauf macht Lietzmann aufmerksam ~ der Par­

allelismus U7tZpIXXfJ.O~ - &ZAE::L und ~Xwv &vocYX"f)V - %E:A~p,c<'t"O~ nahelegt. Da ~Xwv der Form nach männlich ist, ist das gleiche von U1tZpIXXfJ.O~ zu erwarten. Die Betonung einer besonders kräftigen Geschlechtlichkeit ("sexually well-devel­oped" Liddell-Scott) paßt vielleicht auch eher auf den Mann als auf eine 7tap­

.wvo~. Ebenfalls &ZAE:L und - weiter unten - e~ouO'[c<v ~XE::L 7tE::pt 'rOU ~S(ou &E:A~­fioc't'o~ ist im Grunde unpassend als Aussage vom Brautvater.10 Weit besser versteht es sich vom Bräutigam, denn &€A"Ij[LC< im prägnanten Sinne ist ja das

Geschlechtsbegehren des Mannes,u Vor allem ist wichtig der Plural yafJ.E::[­

't'WO'C<V, der nur dann sinnvoll ist, wenn unmittelbar vorher von Braut und

Bräutigam die Rede war. Schon dadurch ist der Vater des Mädchens als Sub­

jekt von VOp,~~E::L ausgeschlossen. Ein Weiteres kommt hinzu. Nach OUX afJ.C<p­

't'rl'JE:L ist eine leichte gedankliche Zäsur gegeben. Paulus hat versichert, daß es

in dem genannten Falle nicht Sünde ist, seinem Begehren freien Lauf zu lassen.

Damit ist die Fragestellung (d SZ 't"L~ X't"A.) gelöst, und das YC<fJ.e:hwO'c<v wirkt ein wenig wie nachträglich angehängt. Es soll eventuellen Mißverständnissen ,hinsichtlich des B %ZAe:t 7tOLe:t't"W vorbeugen und im nachhinein festlegen, daß

das oux. afJ.lXp't"rlVE:LV natürlich nur und erst nach der Verheiratung gilt. Die Ehe ist also eine Art refugium concupiscentiae, und Paulus Gchließt sich mit seiner

Darlegung eng an die im gleichen Brief kurz zuvor ausgesprochene Meinung

'~: "so sie aber sich nicht mögen enthalten, so laß sie freien (YIX[L"f)O'I:X-rwO'c<'J);

es ist besser freien denn, Brunst leiden" (7, 9) und: "aber um der Hurerei

willen habe ein jeder sein eigen Weib" (7, 2). Mit YC<fJ."f)O'oc't"wO'c<v ist auch for-

10 Lietzmann: "die starke Betonung der Willensfestigkeit des Vaters wirkt dann grotesk, das tL~ ~xcu'J &vayx"l)'J muß zu einem für die Sittsamkeit der Tochter bedenk­lichen Roman ausgebildet werden".

11 Schrenk bei Kittel III 53, toff.; 62., 44; 54, 20. '&SAEW schließt unmittelbar an die mit dem Naturtrieb gegebene physische Zwangsläufigkeit an (d ... oö't"CUt; ocpdAe~ ytvEcr.a.a~). Vgl. unten S. 74 Anm. 5 die Korrespondenz von &v&:YY.r) und ocpdAe'ta~.

I

Page 31: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

J4 Naturbindtfng

mal der Bezug zu 7,36 (yoc!J-€h"wO'tXv) hergestellt. Nach allem dürfte sicher sein,

daß &v&YX'f) hier nicht etwa eine Zwangslage des Brautvaters bedeutet, son­dern "Brunst" im derben Sinne des Wortes, den Naturtrieb, der den Men­schen geradezu vergewaltigt und zu seinem Sklaven macht,12 Das ist nun im einzelnen zu zeigen und auszuführen.

In einem ~Zauberpapyrus (Preisendanz I 4, 2773) findet sicb die Beschwö­:rung: rasend soll N. N. zU meiner Türe kommen, aufs schnellste ..... über­wältigt von gewaltiger Brunst, &1,1 cppzcrt 8ocp..v0V-zvy) xpoc-repYjc; un' epw't'oc; &v&y­X'I)<;;. Als xpoc't'ep~ wird die Ananke seit Il. 6, 458 gern ausgewiesen. Auch die Verbindung mit alZf1.iX.v hat ihren Ausgangspunkt in der schon homerischen Formel aa.[J.occrocvrz.; &\leXYXYJ,13 Die epw't'oc; avayx'Y) des Zauberpapyrus ist in die­

ser Form seit Gorgias bekannt (Fr. B 11, 19; II 294, 13 D.), der von den

~pcu't'o~ &V&YXlXt der Helena spricht, die Paris nach Troja folgte. In dieser Si­

tuation, sagt Gorgias, ist sie frei von Verantwortung; ihr Tun ist nicht eqJ..&p­

't"'Y)(J..IX, sondern &'t'0X'Y)(J..IX. Der Liebeszwang Helenas geht ausdrücklich vom

Somatischen aus und hat als Mittler das Auge ('t"q) 'AAE~&v8pou cr~(J..IX'n 'Ta 'TYi~

'EM\I"I)~ 6(J..(J..1X ~O'&~v; vgl. Soph. Ant. 795). Die Augen nennt auch Nonnos als

Ursache der zur hochzeitlichen Verbindung führenden Brunst. 7, 202 von

Zeus und Semele: ~\I&IX Kpov[cuv aO''t"IX't'ov 6(J..(J..1X ~~pcuv YIX(J..f'Y)~ 0XETfJYOV &\I&Y-­

x 'Y) ~ / nlXp&€v~xTt~ €~ ~PCU'TIX n6i}ou (J..lXcr't'ft;€'t'o X€cr'Tq). 4, 214 folgt Harmonia dem

Fremdling Kadmos CPAOYEPTI ~doucrlXv &v&yX[) und 40, 164 ist ähnlich €PCU(J..IX­\I~OUcrlX &v&yx"I) die Brunst des Inders Morrheus, der erfolglos eine Mänade begehrt.

Den ~cu't'o~ &\I&YxlX~ des Gorgias entsprechen bei Platon (Polit. 458 d) die

€PCU't'~XIX! &\I&YXlXt: die Wächter und die ihnen beigegebenen Frauen haben

Wohnungen und Mahlzeiten gemeinsam und verbringen überhaupt ihr Le-

12 Wie hier &\I&YX'l) und &crX·'ll.wvdv in einer gewissen Relation stehen, so entsprechen sich im gleichen Brief (12, 22f.) &vC(y)(cdo~ und &crX~[L(Uv: &AAOC ITOAAep [LäAAOV 't"oc BoxoDv't"C( [LeA'l) 't"oD O'W[LIX't"Ot;; &cr.&eveO''t"e:pa urr&pxe:w &vC(yx-C(r& EO''t"W, xd & 8oxoli[Le:v &'t"~[L6't'e:plX e::1va~ 't"oD O'wfLa't"o~, 't"ou't"o~~ 't"tfL~V 7t"e:p~O'crodplXv 7t"e:p~'t"L.&e:fLe:V, xal 't"oc &crX~fLovlZ ~[L6')\I e:UO'X'l)fLOOUV''lV 7t"e:p~O'O'oTepav E!Xe:~, 't"oc 8t e:uO'X~[LOVIX ~[L&v ou xpdav E!Xe:~. Die unehr­baren Körperteile (&O'X~fLova fLeA'l)), d.h. vor allem die Geschlechtsorgane, gehören gleichwohl Zu den naturnotwendigen Gliedern (&vayxara [Le),'l)).

13 Man vergleiche zur Funktion des 8IXfLäv noch 11. 14, 198f. (Hera zu Aphrodite) ao~ ',lUV fLOt, trnA6't'1)'t"1X xaL t[Le:pov, rp 't"e: 00 7t"&.V't"IXt;; BIZ fL v fj. 6&IXV&.'t"OU~·~ 8e .&'J'/)'t"ODt;; &v.&p6mou~.

H. 14, 315 f. ~POt;; ... .f}ufLbv E 8 &. fL IX 0 oe:v Eros ist bei Nonnos (31, 171) 1tav8afL&'i'cup und von einem Liebespaar heißt es (Hercher, Erotici Graeci 9, 191 und Parke-Warmell, The Delphic Orade II S. 208)

'rOUt;; yocp "EpCUt;; 't"e: II6f:l-o~ 't"e: XIX~ &tppoyeve:~1X KuB1Jp'/) 8fL~(jO:'rO .f}e~o8l't"ow &Aux,'t"01te81l(j~ mMpou.

LiebeJZlvang: Platon Pol. 4!8d JJ

ben in voller Gemeinschaft. Die Folge ist un' &v&yx'Y)~ oI(J..IX~ 'T~~ €p.cp1hou,

&~OV't"IX~ 7tpO~ TI)v &AA1}ACUV [.I..e:'i:~~v. ~ oux &VIXYXIX'i:& am 30x(;) A~YE~V; OU YEOO­

f.lE't'P~X,IX'i:~ YE, ~ 3' ö~, &AA' €pwnxlX'i:~ &V&YXlXt~, IXt X~V3UvEOoumv €xdvoov

3p~fL0't"EPIXL dVGt:L npö~ 'Ta 7td&e:LV "t'E xlXl eAxELv 't"ov 7tOAUV AEWV. Der Ausdruck

un' &wfyx'Y)~ &~OV'TO::L erinnert an die alte Formel aYELv &v&yX[), die Platon an

anderer Stelle auch benutzt (Menexenos 240 C &V&YX7) ~EO~IXV"t'E~ aYELv). Der

Sexus als Naturtrieb (~p.~U'TO~ &v&yx'Y)) ist nicht von der gleichen Art wie geo­

metrische, d.h. mathematische und logische Zwangsläufigkeit, aber darum,

wie scherzhaft angemerkt wird, nicht weniger gebieterisch. Dem un' &v&yx'Y)~

&yecr,l}O::L hier entspricht im Phaidros (240 c) lm' &v&YX'Y)~ €Ao::uvea&O::L, wobei die

Ananke auf die Liebesbeziehung zwischen einem Mann und seinem jungen

Freund bezogen ist: ve:oo"t'~pcp yap npEcrßo't'€PO~ cruv~v o{)&' ~(J..~PIX~ o6t'e V\)x't"ö~

&x,~v &7tOAE(nE'TlXt, aAA' un' & v&yx.'Y) ~ 't'E XIX1 0 t O'''t' P OU €AIXOVE'TIX~, 8~ €XEfwp X'TA.

Nach Bedeutungsgehalt und Funktion ist o!cr'TPO~ nicht sehr verschieden von

x~v't'pov, das sich bereits als Gegensatzkomplement von &v&yxYJ fand,14 Der

Hintergrund, vor dem sich die Metapher un' &v&YX'Y)~ 'TE XlXt o'{cr'TPOU €AIXOV€cri}IXL

versteht, wird vielleicht sichtbar in einem Gedicht, das in die Sammlung der

Bucolica geraten ist und im Anhang der Theokritausgabe von Fritzsche (1881 3)

abgedruckt ist. Es hat den Titel d~ V€XPoV ,I A300v~v und beschreibt, wie der

Eber, der Adonis getötet hat, von zwei Eroten gewaltsam vor Aphrodite

geführt wird. 5 aYELv 'TOV UV npö~ IXU'T&V

~'TIX~€ "t'ou~ "Epw't'lX~ ...

10 8~ 0'&',1 't"E XlXl n~31X0'1Xv

XW (J..€V ßp6Xcp XO::&&~IX~ ~aupEv o::tX[J..&AOO't"OV,

o 3' €~6mcr&' €AIXOVOOV

~'t'U7t'Te: 'To'i:m 't'6~0~~.

Die Situation ist die, wie sie vom &YEW &v&YX7) bekannt ist. Ein Gefangener,

hier der Eber, wird gefesselt abgeführt. Das €AIXUVE~V schlägt die Brücke zur

14 Vgl. oben S. 46 Anm. 21 die Gruppe avCGYX'l) xev't"p'ov ~eüYA'1) : x-lnpov ~uy6v : xev't'po\l

Nonnos 42, 209ff. alternierenxenpov und &v&.Y)('I): micrlX Y\jv~ 1to'&ee:11tAeOV &vepot;;, IXl80fLev'l) B€ xeü&e1 xev'rpov "Epw.ot;; ep(U!J.avtoucraxatau't'~ (214) xlXtyocpß'r &AA~A1l011t6.f}cuv EVe1tOUOW &v&.Y)(''lv.

In Platons Phaidros 25 i die entsprechen sich otO'Tpäv XlXt 68uv(iO.f}IXL und xenplX 't"e: x,CGt w8rve:t;;, so daß otcr't'p&v durch xev't'plX interpretiert wird.

Page 32: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

56 Naturbindung

Metapher Platons. Das Stechen mit der Pfeilspitze ersetzt den Treiberstachcl

(xtVTpOV), während die Fesselung die Funktion der ~<ÜYA~ (~ "v&yx~) hat. Beider Wirkung zusammengenommen ergibt einen Zwang, der schlechter­dings unwiderstehlich ist (vgl. oben S. 46 Anm. 21).

Es zeigte sich bereits, daß Xenophon neben rpayEl:v, mz~v, &vlX7t"lXüao::a&oc~)

x.o~f.LYJ&1jvoc~ auch das &rppoa~t:n&(Jca zu den &vocYXGUO't'IX't'V!: zählt (Memot. 4, 5,9)' In der Kyropädie kommt indessen auch eine andere Ansicht zu Wort. Kyros, auf die Schönheit einer der kriegsgefangenen Frauen hingewiesen, will sie gar nicht erst sehen, um sich nicht in sie verlieben Zu müssen und so von drin­genden Geschäften abgehalten zu werden. Dazu sagt der junge Araspes (5,

1,9) O'{ZL yap ... tKOCVOV e:IVIXL X&.AAO~ &v&pÜJ7tOU &VIXYX.&~ZLV 't'ov [1.~ ßOUAofLZVOV 7to::pa 1'0 ße:A1'~a1'ov; z~ fL€v't'm, l:!CP"f), 1'oi:ho Of.hÜl S7tzcpuxz~, 7tav1'at; &'.1 ~vayxa~zv 0fLO(Ült;. Araspes teilt den skeptischen Standpunkt des K yros nicht und nimmt im folgenden den Liebestrieb aus dem Bereich der Naturnotwendigkeit her­

aus (11): Z~ OE: y', gCP"f), VOfLOt; 't'z.&d"f) fL~ sa-&(ov1'at; fL~ 7tZW~V, xo::l fL~ 7t(vov't'o::t; fL~ a~tjJ7jv fL1JOe p~yoüv 1'oü Xe:~!J.WVOt; fL"f)3e -&&;A1Ce:a%a~ 1'013 %e:POUt;, ouoe:lt; &'.1 vO!J.Ot; ouv1j&e:r."f) 3~a7tp&;~o::a%0::~ 't'aü't'a 7te:U}za-&a~ &'Vi)·p6)7tO~t;· 7teqn)xo::a~ yap U7tO 1'ou­'t'ÜlV xpa't'eia%a~. 1'0 0' spiXv s&eAouenov Ecr't'~V' Das Naturgesetz, nach dem man hungere und dürste, friere und schwitze, sei zwar stärker als jeder mensch-­liehe vOfLOt; und beherrsche den Menschen völlig, schließe aber nicht den Lie­bestrieb ein. K yros hält dagegen die sklavische Abhängigkeit von der geliebten Person, in die der Liebende gerate, und die mit dem Prinzip des E%e:Aouawv nicht übereinstimme (1Z): xo::l OOUAe:UOV1'c{t; ye: 1'oit; sPÜlfLEVOtt; .,. e:UXOfLEVOUt; &a7te:p xal &.AA"f)t; 1'~VOt; v60"0u &7tO::AAIXy7jVo::t xat ou ouva[Jlvout; p1v't'o~ &7tO::AA&'t'1'e:a-

3·0::~, &AAOC oeoe:fL€VoUt; ~axupo1'e:p~ 't'~vl &v&YX1) ~ Sv a~o'~PCP EO€Oe:V1'o. Ananke ist der als eisenharte Fessel empfundene Zwang des Naturtriebes. Mit dem Hinweis auf das OOUAe:Ue:W äußert K yros die gleiche Skepsis wie Demokrit

(B 214; II 188 D.): rXvopdOt; OUX 0 1'&'.1 7toAe:!J.fÜlV fLoVOV, &AAa xal (; 1'&'.1 ~oov&v xpe:taO"Ülv. l:!v~m oe 7tOAtÜlV fl.$v oe:O"7t6~oumv, yuvaL~l oe 30uAe:uoua~v15. Im Sym­posion des Xenophon geht es um den Vorzug der Liebe, die sich auf die Seele, nicht den Körper des Geliebten richtet (8, 1zff.). Der Liebeszwang derjenigen, die den Charakter der geliebten Person bewundern, ist eine &v&yx"f) ~oe:ia xal E%zAOUata. Das Oxymoron soll zugleich Aufschluß geben über das Wesen der Aphrodite Pandemos: körperliche Liebe ist reine Ananke, Zwang zur Befrie­digung eines Naturtriebes. Mit dem Schwinden der Jugendblüte und der Macht des Triebes, so wird weiter gesagt, welke auch die Liebe dahin (13

15 Bei Josephos (Bell. Jud. 1,243) ist Antonius "0 KA€On&;-rplXl;; ~Pö:l't"~ Be:BoUAö:l­~evov. Soph. Ant. 756 schimpft Kreon den in Antigone verliebten Haimon yuva~xot; BouAe:u(.ta.

Licbe.rZlvang: cpucr€ö:lc:; &v&;yxlX~ 51

a1C0Ae:L7tOV-r0t; oe 1'oo't'ou, &v&yxYJ xo::l Tijv CPLAtO::V auvIX7t0fLlXpatve:a.&C<.~), während die Seele mit der Zeit vernünftiger und liebenswerter werde. Schließlich sei rein körperliche Liebe auch von Sättigung (x6pot;) begleitet, wie sie nach einer Mahlzeit eintrete. Körperliche Liebe wird also in eine Reihe mit den sonstigen physischen Bedürfnissen gestellt, die der Mensch auch mit den Tieren gemein­sam hat. So ist es nicht befremdlich, wenn Xenophon mit Ananke auch die Läufigkeit der Hündinnen bezeichnet (de venatione 7, 1): e:~at oe 1'€-rTape:t; XIX1 o€xa ~!J.€pat, SV att; ~ avocyx"f) cd)TI') (C<.u-rtXt; conL WeisIdus) ~Xe:~. Ananke in die­sem derben Sinne von "Brunst" darf man auch in der Komödie erwarten. In den Ekklesiazusen des Aristophanes steht ein liebebedürftiger junger Mann vor der Tür eines Mädchens und singt recht deutlich von seinen Wünschen

(963 ff.) aAA' sV T0 a0 ßOOAOfLIX~ XOA7tCP 7tA"f)X'"t"t~e:a%at fLe-rtX 't"~~ a7j~ 7tuy7jt;. KÖ7tpt, 't'( [.L' EXfl.r)dve:~t; E7tl 1'ao't"1li fl.€-&e:t; ~xvoü!J.O::~ a' "EPÜlt;, xal 7totYJaov TI)VO' ~t; e:uv~v

-r~v Efl.~V ~xEa&C<.~. xo::l 1'0::131"0:: fl.e:-rp(Ült; 7tpOt; 't"~v s[J.~v av&yx"f)v dP"f)(.tEV' Ea-rrV. Er­sichtlich korrespondiert avocyx"f) mit fl.ffie:~: der Eros packt den Menschen und hält ihn umklammert wie eine Fessel.16 An das yuva~~t oouAeue:~v bei Demokrit erinnert Nub. 1075 ff. Dort spricht der &.a~xoc; AOYOt; gegen den otxo::~o~ A6yoc;. Beide bemühen sich um die Gunst des jungen Pheidippides

eie:v. 7tocpe~fl.' EV't"e:Ü&e:V Et; -rtX~ 1'~c; cpoae:Ült; av&yxa~.

~fl.ap't"et;, ~poca&YJt;, EfLotX"f)cr&t; n, xtf-r' SA~rp&"f)~' &rr,6AWAat;· &Mvoc't"ot; YtXp e:! AEye:~\). E[J.ol 0' 0fl.~A&V

XP& "TI rpöae:t, ax(p't"o::, Y€AOC, v0!J.~~e [J.·fJozv IXlaxpov.

Das könne er um so unbeschwerter tun, als ja sogar Zeus ~'t"'t'ÜlV ~PÜl1'Ot; ~cr1't

xal YUVC<.~x&v (1081). Die Argumentation hat sophistischen Charakter. Das Naturgesetz hat vor allem den absoluten Primat. Schuld und Verantwortung werden ebenso beiseite geschoben wie bei den l:!PÜl't'Ot; avocyxC<.t der Helena des Gorgias.17 In eigenartiger Weise erinnert Fr. 4 des Komikers Philemon an die realistische Haltung des Paulus, im Falle der Ananke dem Trieb nachzugeben, d. h. zu heiraten, bevor es zum aaX'fJfLove:iv kommt. Philemon berichtet von der heilsamen Einrichtung Solons (4, 5 ff.)

[1EaTijv op&v't"a 't"~v 7t6A~V Ve:Ül't"€PÜlV,

10 (.te-&e:c:; läßt an Eur. Alk. 982 (xcd cr'ev &cpux't"o~cr~ Xe:pwv e:tAe: .&e:a (le:crfL0i:c:;) denken: die Gewalt der Ananke äußert sich darin, daß sie den Menschen in die fesselnde Um­klammerung ihrer Arme nimmt. Auf diese wichtige Stelle wird zurückzukommen sein.

1? Ananke als schuldbefreiender Gesichtspunkt wurde schon gelegentlich bei der "Zwangslage" (oben S. 44) beobachtet~ im Falle der Ananke wird der Gott verzeihen und es liegt keine 1t'o:plXvofL~a vor.

Page 33: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

58 NaturbindllIJg

O:.[!C<.P't'clvovTac; ,,' E:tc; () !J.~ 7t?ocr~XO\l ·~v,

(f"'t'~(jC<.t 7tp~&[Le;v6\1 't"m YU'Jrx'i:x<Xc, X.1~:t&.. 'r6nDuc;

xmvac; &7tam xlXl xo'/c'e:crxe:ulXov .. €:vac;.

Auch das läuft also auf ein XpYicrihx~ 't"yj rpUcrE1, wie Aristophanes es nennt, hin­aus. Der Modus Salons sieht natürlich anders aus als die christliche Lösung des Paulus, doch ist die Ausgangsposition nicht sehr verschieden, denn dem gxU1V &vayx1Jv dort entspricht hier g,xov't'Cl.C; T~V &vayx.cdC<.\I tpumv, und im Grund­sätzlichen, dem Nachgeben gegenüber der Ananke, besteht Übereinstimmung. Vom natürlichen Drang zum Beischlaf steht übrigens gXOVTEC; TI)V rpuaw bei

Josephos Aut. 7, 133, womit unmittelbar darauf [J.1Joe;tL~IXV AOCß<ilv 't'7)c; yuvcuxo.:;;

e1Cdtu[L~O::v korrespondiert. Über das Thema der &vl1.yxoda tpumr:; reflektiert auch Demokrit (B 278; II

202, 14ff. D.) und kommt zu der Auffassung, das Zeugen von Kindern sei

't"W\I a.wt.yxIX~üJv ••. ehro <pucnoc; und XIX't"OC <pumv. Was Ananke in solchem Zu­

sammenhang bedeutet, lehrt das von Eusebios zitierte Fragment eines unbe­

kannten Komikers (Nr. '34 Kock)

o yocp yuvlX~xoc; E;V 3e&dc; <pLA't"pOLOW ~

't'ex\lüJv &v&YXl1 <pUcrEOC; ~mp.EAOU[LE\lOC;

yeyo'JE AEAYl'&WC; ÖOÜAOC; &\I't"' zAEu&epou.

Das Symbol der 30UAdIX schlechthin ist die Fessel. Der von der Frau aus­

gehende, verlockende und magische Reiz wurde wie eine Fesselung empfun­

den, die den Mann unentrinnbar in ihren Bann und damit zur Kinderzeugung

zwingt. Dichterische Metapher (ruv. Eva. 'PlA~p.) und philosophischer Begriff (&\I&YXIJ <pucreoc;) laufen Zusammen in der Beschreibung des Mannes als ÖOÜAOC;.

Dabei ist jedenfalls die Bindung an die Frau und entsprechend das Zeugen

von Kindern als Teilbereich dem bindenden Naturgesetz als ganzem unter­

geordnet. Der terminologische Bezug von <pumc; unter anderem auf den Ge­

schlechtstrieb hatte zur Folge, daß <pucr~c; im engeren und prägnanteren Sinne

schließlich zur Bezeichnung der Genitalien wurde. So heißt es in einem Lie­

beszauber (Preisendanz II 36, 81; ebenso 36, 150) ~üJC; Clv ~A&TI <p1AOÜcrIX E;(.LE:

't'ov OEi:VIX xed ~v -&rjAUX~V wh7)c; ~ucr~v Tn &pcrev1x1j (.Lou xOM~crYJ' Von daher und im Hinblick auf die zu Beginn dieses Kapitels beobachtete Auswechsel­

barkeit von &v&yx.1J und tpucnc; versteht sich vielleicht das merkwürdige Frag­

ment Nr. 20 des Komikers Amphis: wenn jemand vor dem Greisenalter i}p~-

3IXx[VYj, eine bestimmte Salatsorte, ißt, so leidet seine Manneskraft (20,4):

crTpe~o1&' ö'A"fJV T~V VUX't'IX, (.LIJÖS: ev TIMov

&v ßou'Ae't'1X1 öpWV, &v't'l T7)C; UTIOUPY(IXC;

't"TI Xe1pl Tp[ßüJV T~V &vlXyxlX[IXv 't'UX'i)v.

LicbesZll'ang: S clIJonides fr. 7 59

&V(j.,YX~(1X 'tuX"fJ meint das gleiche wie oben ~umc;, also IXlöoi:ov YU'JCHXEi:OV.18 Ver­

ständms und Entschuldigung für die erotische Ananke zeigt sich in einem von

Plutarch (404a) ref~rierte~ Orakel des ApolIon (Parke-Wormell, The Delphic Grade, II 187 f.). Die fur ein Jahr 1m Tempel des Herakles Misogynos dienenden

Priester durften während dieser Zeit keinen Umgang mit einer Frau haben.

Ein junger Priester, der, vom Wein erhitzt, dieses Gebot verletzt hatte und

den Gott in Delphi diesbezüglich anging, erhielt die Antwort chmv'tIX T&VOCY­xai:IX cruYXüJpd ~E6c;.19

Von besonderem Interesse für die erotische Ananke ist der sogenannte \Vci­

b~rjambos des Semo~lides (fr. 7). Die Schilderung der putzsüchtigen Frau, dIe s1ch pflegt und fein macht, aber keine Arbeit anrührt, mündet in den Satz

(62): (hcJ.yxYJ Ö' o:.VÖPIX TIO~E~TIX~ tptAov. Das ist erst voll verständlich wenn man die Verse 115 f. vergleicht '

ZeOc; ytZp p.ey~O'TOV TOÜ't"' ~1tOilJ(JE\I xocxov

xat öecrp.o\l &p.~~~"l)xev &.PP"l)x't'ov 1t~8'"I)c;.

Das. Weib ist dem Mann von Zeus wie eine unzerreißbare Fessel angelegt; dahInter steht: der Mann ist an die Frau durch die Fessel seines Naturtriebes

gebunden. Die Fessel des Zeus erscheint - je nach dem Blickpunkt - als be­

strickender Reiz des Weiblichen oder als männliches Liebesverlangen.2o Marg

18 Vgl. Meinec.ke z. St., der tpOcrw statt 'tOX'l)v Zu schreiben erwägt. Zur Sache auch ~. Kuhne,:t. ~heI~. Mus. 49 (1894) S. 48 Anrn. 6. Entsprechend wird gelegentlich 'TO avocyxcuov 1m Sinne von cdSo~ov gebraucht. Liddell-Scott verweisen auf Artern. ~,45; ~ust. 1968, 39; Cat. Cod. Astr. 8 (4) 133. Siehe auch E. A. Sophokles s.v. ocv~y~ca~.;. Hesy:h notie~t c:.&'B.)', -c~ &vSpera; avayxa;rlX. Die Suda vermerkt s.v. aIJIXY­xaLOv OUT<;) xaÄeL't"a;L 't"0 1X180LOV, E1t'EL 't9j.; &vayx'l)C; ecr't't crDfLßOÄOV.

Oben wur~e bereits registriert, daß Paulus Zu den avayx:a;rlX fL€Ä"1) offenbar auch die Geschlechtsteile rechnet. Schließlich sei noch erwähnt, daß &vocyxa;~a; in der Bedeutun ,:Geschlec~tstei1e" a~ch in ei~em altgnostischen Werk steht (earl Schmidt, Kop~ tIsch-gnostische Schr1ften I LeIpzig 1905 S. 364).

19 Die' mit diesem avcr;yx:a;rov gegebene Problematik wird von Aristoteles in den Magna Moralia 1188 b 16 durchdacht und mit einem Maßstab versehen: 'TO S' avay­xarov ou ~~V'T~C; oM', ev 7t<xv't't, Äe:x't"€OV ecr-ctv,o!ov öc;<x ~8olJ'1jc; eVExEv np&.nofLEIJ. e:t yap 'CL<::; )..€yo~, on 'l)va;yxoccr.&'l)v .'t"'l)v 'toi} tp()..ou yuvOCrx.a; SLa;tp.&e~pa;L 07t0 't'1jc; '~8ov'1jc;, Iho1t'OC; &v&1) X'TÄ.

.20 I?ie Stelle. ist interpretiert bei W. Marg (Der Charakter in der Sprache der früh­~r1eChlsch:n D1chtung, Würzburg S. 23): "Der Mann sollte sie hinauswerfen, aber SIe mac~t Ihn .~urch ~iebeszw~ng kirre .... Ihre Reize halten den Mann gefangen, so d~ß er Sie gew~h~en la~t.: .. DIese kräftig gesehene Ananke ist Thema einer aristopha­n1sc~en K~modIe: mIt 1hr zwingen in der Lysistrate die Weiber die Männer. Im z,,:,elten Te~~ des W:eiberjambos gehört die Ananke Zum Hauptgedanken. Das Er­obsche gehort.zu dIesem Typ der eigentliche.n 'Eva'. Das Sich-Pflegen und Putzen, wodurch das L1ebesverlangen wach gehalten wird, schließt sich dann in den folgenden

Page 34: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

60 Natm'bil1dung

weist zum Vergleich auf Pindar Nem. 8, 3 hin: ";bl ) /l-€V atLepo::~<;; &v&:yxo::c; XEP­crtv ßacr't'&~E~C;, hepoIJ 0' h€:po::~C;. Wülde versteht richtig: "auf der Mädchen und

der Knaben Wimpern thronend, trägt deine Hand den hinauf in sanfte Fes­seln, aber jenen zwingst du ins härtere Joch. H Subjekt der Aussage ist die Jugendschänheit, die Botin Aphrodites. Pindar differenziert zwischen dem sanften und erwünschten Schwung der Liebe und dem harten, unerbittlichen Zugriff leidenschaftlichen Begehrens.

Dreimal ist in den homerischen Epen &v&yx:(l '~crxe~ gesagt von Kalypso, die Odysseus nicht fort läßt (Gd. 4,558; 5, 14; 17, 143): ~ fL~v &:";&'YX71 / '{crxe~' ö 0' OU OUVo::'t'IXL '~v 7tOC't'p[OCl yoct:av tXecr&aL. Diese Ananke im erotischen Sinne Zu

verstehen, etwa wie retinere vinctum von Tibull (1, 1, 55) gemeint ist, dürfte

zu weit gehen, zwingend wird aber der Sachverhalt h. Yen. 130, wo Aphro­

dite dem Anchises gegenüber sich stellt, als ob sie von Hermes gewaltsam

aus dem Reigen der Artemis entführt und zu ihm gebracht worden sei:

cdrnxp &y~ r:/ rx6fL'l)V, xpoc't'€P~ oS: fLO~ g7tA€'t" &v&YX'l).

In Wahrheit besteht doch der Zwang in der leidenschaftlichen Liebe zU Al1-chises, und hinter ihren Worten scheint sich für den wissenden Hörer eine

Art Liebeserklärung zu verstecken: ich konnte nicht anders, meine Liebe war

so heftig, daß ich zu dir kommen mußte. Das wäre dann unter Umständen eine

verschlüsselte Parodie der xpoc't'ep~ av&yx"t) Andromaches (11. 6, 458). In späterer

Zeit wurde der natürliche Bezug der Aphrodite Zur erotischen Ananke

mythologisch so fixiert, daß sie als Mutter der Ananke erscheint. Der "orphi­

sche" Hymnus auf Aphrodite (Nr. 55, zff.; Quandt p. 39) beschreibt sie als VUX't'€PlOC ~ € uX't'€ ~ poc, oOAo7tA6xe fL~'t'€P , A v&. yx 'l)t;.

n&.V't'oc yap &x Cis:1}ev st'J't'(v, uTt'e ~e u~W oS: 't'e X6CifLOV ...

~ ~€u~oct'Joc ßPO't'OÜt; &:XOCA~IJ(:)'t'mmv &V&.YXOCL1; X't'A.

Der Sinn dieser M ythographie ist nach den Darlegungen dieses Kapitels mehr

als deutlich. Die &v&.YX'l) CPUCi€W1;, das bindende Gesetz der Natur, wird vom

Versen glatt an." V gl. auch S. 33 bei Marg. Die .,Fesseln der Liebe" sind als Bild weit verbreitet. Der Tragiker Dikaiogenes (Fr. 1, 1 N.) formuliert 8't"IX\l 8' ~pw't'o.:; h8e­&w[1.e\l &pxum\l, und der verführerische Liebreiz eines weiblichen Dämons heißt 8eO'[1.a yt)\lIXLx6.:; (Test. Salom. Sp. 1320; bei Hopfner, Griech.-ägypt. Offenbarungs­zauber I Leipzig 1921 S. 50). Proklos in Plat. Tim. 36 D (= p. 2.69 Diehl) nennt die epwnxot 8€0'[J.oL, und Nonnos 4, 301f. vom Stier, der Europa raubte, oBe\l &dp€L\l KurrpL80.:; &ßpa ASJt'IX 81,1 IX xoct ou ~uy68eO'[Lo\l &.p6't'pw\l. In der vita Plotini des Porphyrios c. 2.2 findet sich I1:P&'t"W\l1t'dO'[1.IX't'OC, die "Fesseln des Verlangen" (vgL die Bemerkung Harders z. St.). Bemerkenswert ist auch Josephos Ant. 4, 132. e\l8'~O'oc0'8IXL ~pwn. In diesem Zusammenhang sind die Klagen Tibulls zu nennen: 1, 1, 55 me retinent vinctum formosae vincla puellae. Das ist formal soviel wie taxeL &\I&:YxYl' 2., 4, 3f. servitium sed triste datur, teneorque catenis et numquam misero vincla remittit Amor.

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Natürliche Lebensbediiljnisse: fltmger

Menschen im erotischen Bereich in besonderer Weise wahrgenommen. Ananke

als Tochter der Aphrodite ist nichts anderes als die persongewordene Wirk­

weise der Liebesgöttin, die Erscheinungsform, in der Aphrodite dem Menschen

spürbar und greifbar wird: Aphrodite jocht die Paare Zusammen und bindet sie

in die Fesseln des Liebestriebes.

2.. Natürliche Lebensbedü'fnisse

Die für den Menschen absolut verbindlichen &I,Iocyxoctoc werden von Xenophon

(Memor. 4, 5, 9) bestimmt als CPOCY€LI,I, m€LV, &:cppo~~cnacra~, &vocnocucroccr~ocL,

XÖL[LIJ1}~VOC~. Nachdem nun das &<ppoo~cn&.croc~ als besonders exemplarischer Be­

reich vorweg behandelt ist, kann auf die übrigen Verbindlichkeiten summarisch

eingegangen werden. Voran steht die natürliche Ananke der Nahrungsauf­

nahme. Hier sind geläufig die Bezeichnungen &vocyxoctoc 't"pocp~ oder einfach

'T&VOCYXOCLOC. Das bekannteste Beispiel dieser Art bietet Aischylos Ag. 72.6 mit den

yo:;cnpoc; &Va.YXOCL des jungen Löwen, der um Futter bettelt. Bei Flavius J osephus

Bell. J ud. 5, 436 steht &v&.yx~ mit 7tetV~v parallel, und Bell. 6, '37 heißt es -bezogen auf den Hunger im belagerten Jerusalem -mxvroc ~~ On' 636v't"oc1; ~YE\l

~ &\layx"t). Das ist "alles trieb der Hunger unter die Zähne". So bezeichnet &1,1-

&yx'~ auch geradezu den Durst (Jos. Bell. 3, 186 und 6,3'9)' In den Argonau­tika des Apollonios (2., 232f.) - Phineus macht sich trotz des üblen Gestanks der

Harpyien über die Speisen her - wird die homerische Formel taXELv a\l&.YX,{) auf­

gegriffen: &A)lt. (J.€mxp~ o'~l'OC xoct &OC't'OC; 'lO'X€L &\l&.YX'l)

}L[fL\l€W XOCL (J.([L\lO\l't"oc xocx?J sv YOCO''TS:pL ~Et\lO:;L.

Die Ilias kennt diese Form der physischen Ananke noch nicht, aber bereits in

der Odyssee werden die ersten Schritte in diese Richtung gemacht. So bittet

Odysseus in der Halle des Phäakenkönigs um Verständnis dafür, daß er zu­

nächst seinen Hunger stillt (7, 216f.)

ou yap 'TL cr'TUY€PTI STt't YOCcr'TS:PL XUVl'€POV &AAO

gnA€'TO, ~ 't" SXS:AEUcrE\l ~o [Lv~aoccr.&ocL &; v&. yx 7) Xl'/\.

und Od. 12, 330 zwingt der Hunger die auf der Heliosinsel festgehaltenen

Griechen, auf Jagd zu gehen: xoct o·~ &YP"t)v scpeTt'ECiXOV &AIJ"t'EUOV't"EC; ch&.yx7). 15,

311 f. bittet Odysseus den Eumaios, ihn zur Stadt bringen zu lassen, damit er

sich dort Nahrung erbettele

()1; xe }LE XELcr' &Y&Y7)' xoc't'a oE: wr6At\l OCU't'01; &: v &.yx 7)

7tA&.y~O(J.W, oc'C xev 'TLC; XO't"UA"t)V xoct 7tUPVO\l öpe~7). 21

21 &v&:yx7) und rlyew im gleichen Vers, das läßt stutzig werden. Sollte eine Be-

Page 35: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Naturbindung

Dazu ist zu stellen 19, 73 (Odysseus von sich)

... 1t'TWXe:uw 8'&vt% 8~[J-ov' &vex:yxex:t1j yap E1t'dye:~.

Nach dem epischen Sinn von E1t'dye:w (- E:cr.&ex:~)22 versteht sich: die Ananke

sitzt ihm im Nacken und treibt ihn um, stößt ihn gewissermaßen vor sich her

wie einen Gefangenen, dem ein Joch im Nacken sitzt23• Aufschlußreich ist in

diesem Zusammenhang der Sprachgebrauch Philons. De vita Mosis 1, 184

bittet Moses bei Jahwe für die in der Wüste verschmachtenden Juden, indem

er ihn erinnert an die physische Schwäche des Menschen, der nun einmal ohne

Nahrung nicht auskomme: Ta.:; 'rOU crW[J-IXTO':; &vayxex:.:; Ex' -rpo\'fl~':; 'ljPT1jP.tVOU

x,ex:t 8E:cr1t'otvex:~.:; Xex:AE:1t'.xI:.:; crUVE: ~E:uy [J-tvou, ßpwcre:~ TE: XIXt 1t'6cre:t. Der Mensch ist

gefesselt an das Joch von Speise und Trank. Dabei ist diese Fesselung nichts

anderes als ein aus dem Wesenskern von Ananke entfaltetes Bild für den Natur­

trieb der Nahrungsaufnahme. crW[J-ex:TO':; &v&yxIXt - der Ausdruck mit gleichem

Sachbezug auch de vita contempl. § 34- ist etwa soviel wie \'flucre:w.:; &vayxi').

Darauf führt auch die Formulierung de special. leg. 3, 97 8~t% \'flucr~x~v &v&y­

Xi')V E1t' EÖWÖ-~V xcd 1t6mv l6V't"e.:;. Aristoteles Met. 1015 a definiert avayxa'i:ov

Mye:Tat,oi) &veu oux EvötXE:Ta~ ~~v W.:; crUVW-rlOU' OLOV 1'0 &va7tve:l:v xat ~

ziehung zwischen beiden bestehen? Freilich ist von einem gewaltsamen Abtrans~ portieren hier keine Rede. &yaY-(J ist im Sinne von "geleiten", "bringen" gemeint. Immerhin ist ein Fortschreiten sichtbar: zur Stadt muß man mich führen' wenn ich einmal dort bin, so treibt mich der Hunger um. Dann benötige ich kei~en Führer mehr, und kann auf mich gestellt bleiben (o::uT6~!). An die Stelle des Führers tritt als bewegungs bestimmend der Hungerzwang.

22 kndye:w bezieht sich besonders auf ein Objekt, das durch drückende oder stoßende Bewegung vorangetrieben wird. So 1L 10, 361 von Hunden, die ein Reh oder einen Hasen vor sich her scheuchen, oder vom Wind (Od. 15,297; 23, 235; 12, 167) und den Rudern (Od. 13, 115), die ein Schiff vorantreiben. Eine mächtige Meereswoge schlägt über Bord eines Schiffes önnoT' km;:[Yll t~ &v~~ou 11. 15, 382. 11. 5,622 (und 13, 511) heißt es von Aias, den die Geschosse der Feinde zurückdrängen, ~1Cdye:'t'o ße:),~e:O'ow,

was 625 f. erklärt wird: ol €: ••• 1f:J00o::v &rro O'Cpdwv' 0 se xaO'O'a~Evo~ rre: Ae:~ LX-&'Ij. 23 &vayxd'l) ~rrdysl. findet sich nur noch einmal bei Homer. 11. 6, 84ff. rät der Seher

Helenos Aeneas und Hektor als Mittel gegen die Flucht der Trojaner 1]jJ.e:i<:; jJ.tv A-avamcrl. jJ.aX'I)cr6fls-&' ai3-&1. ~evov't'e:~, xat~aAa't'e:l.p6~e:vo(1t"E:P· &'vayxa(-Ij yap ~rrdye:v "Ex't'op' &TO:P cru rr6Aw8e: ~ET€PXEO X't'A.

Schon hier ist - wie auch an der parallelen Odysseestelle - der metaphorische Ge­brauch von Ananke nicht mehr zwingend beweisbar, und Ananke scheint schon mehr abstrakten Charakter zu haben. Der unwiderstehliche Druck geht von den Griechen aus, die die Trojaner zur Flucht nötigen. Vg1. 11. 11, 150 tpe:uyono::.; &vayxTJ und 15, 345 tfießov't'ClI., Mov-t'o 8$ Te:t:XO<:; &v&YXTJ. ~ndyel.v sagt man auch von der xpe:La (Josephos Vita 388). Von daher wird man verstehen dürfen XPe:l.Ot: &vayxo::LTJ (n. 8, 57) und &vo::yxal'l)~ urro Xpe:I.OU~ (Solon, Fr. 7.8, 10).

Natürliche Lebensbedürfnisse: Euripides, Hel. fl2ff. 6;

1'?Otp~ 'rq1 ~~cp &vayx.xl:ov· &3uv.x'rov yap &ve:u 't"ou't"wv e:!va~. Diese

Definition kehrt bei Philon wieder, doch in einer auf die Ananke der Nahrungs­

aufnahme eingeengten Form (de vita Mos. 2, 223): crtp6öpa p.E:V oi)v &vayxal:a

7tUpo( 'rE: xat xp~,B'at Xex:L 8cra &AAa d3i') 'rpo\'flYj.:;, <Lv &ve:u ~Yjv oux ~cr'rLV. Dann

kommt eine wichtige Einschränkung: gAawv ÖE: xat oIvo.:; xat &xp6öpua ouxt

1'&v &vayx.x~wv. Öl, Wein und Obst gehören also schon zu den Artikeln des

gehobenen Bedarfs, die nicht mehr den Charakter der bindenden V oraus­

setzung und Unabdingbarkeit haben24• Ähnlich zeigte sich bereits die physische

Verbindlichkeit des Geschlechtstriebes von Aristoteles dahingehend begrenzt,

daß jemand, der die Frau seines Freundes verführt, sich nicht mit dem &vayx&­

~ecr%a~ U7tO T~':; ~3ovYj.:; herausreden kann (Magna Mor. 1188 b 16ff.). Diese mit

dem jeweils angesetzten Maße der menschlichen Willensfreiheit und der Ein­

sicht des wirklich Notwendigen parallel gehende Einschränkung der Ananke

hat als Gegenstück die völlige Aufhebung des Naturzwanges für die Götter. So

wendet sich in de myst. 5,7 Jamblich - vorausgesetzt, daß ihm diese Schrift zu

Recht zugeschrieben wird - gegen die Auffassung der Opfer als Götterspeise:

DU yap EV Tri tpucre~ xat Tal:.:; tpucnx.xi.:; &.v&yxa~.:; ~ T&V ,B'E:&v XE:i-rex:~ oucrlex:, &cr't"E:

1C&.%ecr~ tpucr~xoi.:; cruveydpe:cr%a1. Die Begründung liefert Philon in anderem Zu­

sammenhang (de somn. 2, 253): 6 p.E:V %e:o.:; exoumov, &vaYXIJ 3€ ~ oucr(a, "Gott ist frei, der Materie aber eignet der Zwang." Für die Menschen aber, so betont

Jamblich (Protrepticus c. 13), ist die Wartung ihrer Leiblichkeit eine Sklaverei:

TOC 3€ xp~p.aTa &vayxa~6p.E:%a xTiXcr%ex:~ 3~a -ro crwp..x, 30UAE:UOV-rE:':; "TI 't"ou-rou &epa1tdq;. Ein praktisches Beispiel dieses ÖOUA€Ue:LV bietet die Helena des Euri­

pides. Für Menelaos, der sich mit wenigen Gefährten an den Strand Ägyptens

hat retten können, ist der Übel schlimmstes, daß er, ein König, bei einem frem­

den Herrscher um Unterstützung und Brot bitten muß (S12ff.)

... ßtov 1tpocra~'rE:'i:v' &AA' &vayxa[w.:; gX€L. Myo.:; rap e:cr-r~v oux e:p.6.:;, crotpov.~' g7ro,:;,

ÖZ~V~.:; &v&.YX1j':; ouö~v ~crXU€1V 1tAEOV.

Der Blick geht induktiv von der Bitte um Nahrung (ß~ov 1t'pocra~TE:l:v) über die

Feststellung der hier okkasionellen Notwendigkeit (&vayxalwc; ~Xe:~) hinüber

zum objektiv und allgemein gültigen Naturgesetz, dem alles unterworfen ist.

Von solcherart Aussagen über die alles umgreifende Macht der Ananke wird

im nächsten Kapitel noch zu sprechen sein.

Mit dem Bereich der Nahrungsaufnahme ist das verbreitetste &vayxal:ov ge-

24 An einer Eingrenzung und festen Bestimmung des Naturnotwendigen liegt auch Demokrit, der die Forderung erhebt (B 285, II 2°5. 3ff.) öx<u~ &v "I.<:; ~€'t'p[-Ij<:; Te: x't'~0'1.0~ bn{J.eA1J't'a~ xo::t jJ.e:'t'p9jTO::~ ~1d 't'o~~ &vo::yxo:(ol.~ 1] 't'O:Äo::l.1t'<up(-Ij.

Page 36: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Natttrbindting

nannt.25 Von der physischen Verbindlichkeit her wird &vocyxcäo<:; dann auch zur

Bezeichnung von Verbindlichkeit und Unabdingbarkeit überhaupt verwendet.

So entsprechen sich Thuc. 1, 2, 2 ~ xoc.&' ~p.~pocv &vocyxo::~o<:; 't'pocp~ und i, 9°,3 ~hlC; &v 1'0 't'e~xo<:; txo::vov &.pcuow @cr't'z &Jtop.axzcr%o::~ EX 't'0\) &vo::yxo::~o't'a't'ou {)~ouc;. Die Nahrung ist &vo::yxo::~oc;, insoweit sie eben hinreicht, den Naturtrieb des Hungers zu stillen. Die im Wiederaufbau begriffene athenische Mauer sollte

zumindest eine Höhe erreichen, wie sie gerade ausreichte, eine Verteidigung zu gewährleisten. Das bekannteste Beispiel dieses Wortgebrauches bietet die

&vocyxocw't'oc't"Y) 7tOAtC; Platons (Pol. 369 d): d"f) 3' &v ~ ye &vocyxo::~o't'a't'1) 7t6A~<:; ex 't'Z't''t'OCPhlV ~ 7t~v't"z &v3pwv. Das ist ein Gemeinwesen, das nur aus jeweils einem Vertreter der für die Befriedigung der elementarsten menschlichen

Lebensbedürfnisse unabdingbaren Berufe sich zusammensetzt: Bauer, Zimme­rer, Weber, Schuster. In solcher Verwendung hat &vocyxoc1:o<:; den unmittelbaren Bezug zur cpucrtC; verloren. Das Naturgesetz ist durch eine Art Sachgesetzlich­

keit abgelöst: eine Mauer ist, vom Wesen der Sache aus gesehen, erst dann

Mauer, wenn sie eine gewisse Höhe erreicht, und eine Ansammluns- von Men­schen ist erst dann eine Stadt, wenn die vom Wesen der Sache her absolut not­

wendigen Voraussetzungen erfüllt sind. So ist Thuc. 5, 8, 3 07tAt(nc; &vayxcdoc

die gerade noch ausreichende Bewaffnung, die Bewaffnung, ohne die ein

regelrechter Kampf überhaupt nicht möglich wäre, aristotelisch gesprochen:

ou &.vzu oux ev3~XE't'IXl (J.axecr%oct. So gehört auch für einen Architekten die Tech­nik, mit Maß und Richtschnur umgehen zu können, zu den (J.oc-&1jp.oc't'oc aVIXyxIX1:o::

(Platon leg. 643 cl. Leg. 818 a-d geht es um die Bestimmung der für jeden Frei-

25 Am Rande erwähnt sei noch der bekannte Bezug auf die Ausleerung. Xenophon Cyrop. 1, 6, 36 sagt von Soldaten, die morgens nach dem Wachwerden sogleich ihre menschlichen Bedürfnisse befriedigen müssen: ~61&e:v iTd 't"&vo:yxcd:o: axe:?lov &!J.oc 1t'av't'w; ?ld re:cr.&OCt. Ebenso resp. Lac. 12, 4 im gleichen Sinne 't'OUt;; t1t't 't'&vo:yxoc1o: &m6v't'oct;;. In byzantinischer Zeit wird &vo:yxoc~O'.:, wie Du Cange notiert, im Sinne von latdnae verwendet. Daß auch hier mit der physischen Verbindlichkeit gerechnet wird, zeigt die Aussage vom X€~etv im Bellum Judaicum des Josephos 2, 149 <pucrtx7j~ oÖaYlt;; 't'7jt;; 't'CDV AU[l&'t"61V &xxp(crec.lt;;.

Xenophon (Memor. 4, 5, 9) rechnet auch Ruhe und Schlaf zu den &\locyxO'.:~O'.:. Dabei ist es nicht uninteressant, zu wissen, daß die unwiderstehliche Naturgewalt der Mü­digkeit schon früh durch das der Ananke affine ?lO:[Liiv bezeichnet wird (11. 10, 2; 14, 353; Od. 14, 318), das seiner Grundbedeutung nach ein Fesseln ist. Noch bei Nonnos (3 1, 15 8) ist Hypnos 1t'O'.:v?lO'.:J.l&'t"61p und seine Wirkweise als Fesselung gedacht (3 1, 194): &),AIl: IltV TI't'ee:v 'lIp~t;;, 'Cvo: Kpov(61vO'.: rr:e:S~(J"f). Vgl. 48, 635 ebenfalls von Hypnos: m;p~O'­<p(YY61\l ?l€IlCl:t;;·

Schließlich sind als Beispiele für natürliche Notwendigkeiten noch ptyoü\I 't'oG Xe:~Il&vot;; und '(hiA1t'ea&o:~ 't'oi) ili:pout;; zu nennen. Beides erscheint bei Xenophon (Cyrop. 5, 1, 11) neben rr:e:I.\I1jv und 8t~7jv.

Verwandtschaft und Freundschaft: Blutsbindttng

geborenen unabdingbaren und unentbehrlichen Lerngegenstände &'vayxIXt 't'(;w

!Jllih'Jp.a't'hlv (b 7; vgl. &'Vo:;yx.IX'i:OC p..o:%~P.OC't'IX d 1, a- 4, a 7, b 2f., d 9), ohne deren Beherrschung niemand für die Menschen segensreich tätig werden kann. Diese

Vergleiche zeigen, wie die &'VO:;YXOCWTOC't'"f) 7t6'Atc; verstanden werden muß. Die Natur der Sache erfordert, daß, bevor überhaupt von einer 7tOA~<:; gesprochen

werden kann, ein bestimmtes, obligatorisches Minimum gegeben sein muß; anders formuliert und von der entgegengesetzten Richtung aus gedacht: wenn

man die Personenzahl einer Stadt immer mehr verkleinert, so kommt man

irgendwann zu einem Punkt, bis zu dem eine Einengung gerade noch möglich ist. Jenseits dieses Grenzwertes ist die Stadt nicht mehr Stadt. Die aVIXyxocto't'oc't""f)

rr;6A~c., ist also gewissermaßen eine Minimalstadt. 26

3. Venvaudtschaft und Freundschaft

Stehen Menschen einander nahe, so spricht man von Bindungen, von Banden

des Blutes oder der Freundschaft. So sind, wie Philon de special. leg. 1, 137 darlegt, Eltern und Kinder verbunden durch das einigende Band der Liebe

und die unlösbaren Fesseln der Natur (cptA't"pO~<:; 't'e: E:vwnx~c., e:UVOto:;c., XOCt cp u cre:w C;

8 e:cr(J.O ~<:; &AU't"01C;). In der gleichen Schrift 1, 317 fordert Phiion, der traditio­nelle Verwandtschaftsbegriff - blutsmäßige Bindung oder Verschwägerung -

habe zurückzutreten zugunsten der Verehrung Gottes, ~ 7toccr"l)<:; evcu't'~x~<:;

euvoiocc; &.AU't'O<:; 3ecrp.6<:; ecr't'tv. Die cpumc., begegnet in solchem Zusammen­hang auch bei Josephos. Bell. 1,77 (vgl. 1, 507) schenkt Aristobul Verleum­dungen Glauben und läßt seinen Bruder Antigonos ermorden. Dazu heißt es

kommentierend: Verleumdung zerstört (eigentlich "zerhautH) jede freund­

schaftliche oder blutsmäßige, d.h. naturgegebene Bindung (7tiXcrav eüvo~o:;v XIXt

cpuaw x07t't'e~). Vor solchem Hintergrund versteht sich der seit dem fünften Jahr­

hundert· übliche Bezug von avIXYXIX~oc; auf Verwandtschaft oder Freundschaft. Dafür nur wenige Beispiele: Platon führt in der Politeia (574 b/c) vor, wie ein Mann tyrannischen Charakters, der der Sklave seiner Begierden ist, mit

28 Am nächsten kommen dieser Deutung noch J owell-Campbell z. St., "the barest idea of astate" , obwohl auch das zu wenig exakt ist. Das Prinzip der Einengung läßt sich vorzüglich veranschaulichen durch den Ausdruck rr:eXpoSOt;; &\lO'.:Yx.o:(O'.: bei J osephos BelL 7, 122: Vespasian und Titus halten in Rom ihren Triumphzug, und der Weg, den der Zug nimmt, ist von Menschen so umlagert, daß nur ein Durchgang offen bleibt, der so eng ist, daß der Zug gerade noch passieren kann. Vergleichbar ist die a't"ev~ 'TE x.o:~ 1t'0'.:V't'6mocO'w ßto:l.oc rr:eXp080t;; Bell. 2, 286 und die Entsprechung von &veXyx"f) und O"Te:VOXc.lp(oc (oben S. 47).

5 Schreckenberg

Page 37: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Naturbindung

seinen alten Eltern umspringt. Er wird sie mißhandeln und seiner Geliebten

oder seinem Liebling untertan machen ~V€XOC VE(uO'1'L '1l(A'tjt; xcd oux &vocyxlXtocc;

E-rOCtplXC; YEyowtlXC; Tijv 7taAIX~ '1ltA'tjv XlXt &vlXyxoctlXv [..I.'tj1'eplX, ~ ~V€XIX WplX(OU V€(uO'1't

'1l tAOU YEYOV01'OC; oux &VIXYXlXtou 1'0'.1 &(UPOV "t'E xat &VIXYXIX!:OV 7tpEO'ßU1''tjV 7t1X't'eplX X1'A.

Die Freundin ist nicht &vlXyxa(lX, weil die Verbindung mit ihr erst gerade ge­

knüpft und also noch nicht fest ist, während die Beziehung zu den Eltern

einmal alt und zum anderen durch Blutsbindung verstärkt ist. Photius erklärt

s.v. &vocyxaZoL (7tOAE[..I.LO"'t'a(): ot 7tpoO'~XOV't'Et; xoc"t'd: yzvoC; und zitiert Menander:

€u't"0X"f)[..I.a 3' €O"'t'tv bAtyOU~ "t'OUC; &vayxlX(ou~ €X€LV. Philemon Fr. 90, 3 f. (Kock)

zählt auf utoc; ~ tL~'t""tJP ~ "t'üw &VOCYXlXt(UV 't"L~. Demosthenes (19, 220) verbindet

ähnlich O'UYYEVe:'i:~ XlXt &vlXyxlX!:o~ &'V'&P(U7tOL. Hier muß schon offen bleiben, ob ,

&vayxocZo~ noch im Sinne von O'UYYEV~C; zu verstehen ist oder schon soviel wie

&vlXyxoc'Lm '1l tAOL bedeutet, ein Ausdruck, der für Xenophon bereits ein fester

Begriff ist.27

Der sldzzierte Doppelbezug des Stammes &vocyx - auf Verwandschaft und

Freundschaft erklärt sich schlüssig, wenn man vom Oberbegriff "Bindung"

ausgeht.28

4. Tod

Zum Gültigkeitsbereich der &vcX.yx'tj '1lUO'E(UC; gehärt für die Griechen auch der

Tod. Er ist, wie Xenophon in der Anabasis (3,1,43) bemerkt, &7tIXO'L XOLVO~ xoct

&vocyxocZoc; &v.&p6mmc;. Die Festlegung seiner Geltungsweite mit XOLVO~ und 7tiim

21 Memor. 2, i. 14 XlXt q>(AOU'; 1t'POC; 't'o~.; &vayxlX(oL'; xaAoufL€VOLC; X'r&V't'aL ß01).&oÜC;. Vgl. josephos, vita 223. Eine ausdrückliche Gegenüberstellung bieten die Acta Apost. 10,24 'TOU'; O"UYYEVE~C; whoG xat 'TOUe; &vayxaLOu,; q>~AOU';. Bei dem Sophisten Antiphon (Fr. B 64; II 366, 5 D) findet sich cd V€IXL tptA(aL &v<lyxa~co fL€V, at se 1t'<lAaLat &vayxaL6'T€paL. Von &vciyxaL als "Freundschaften" spricht Euripides

Hec. 847. 28 E. Struck (Bedeutungslehre. Stuttgart 19542) S. 42 deutet die &VIXYXIXI:OL

als "die notwendig eng verbundenen, die Unentbehrlichen". Bestimmend ist so gut wie ausschließlich das Bild der verbindenden Fessel, tpÜcrEWC; 8EO"fL6.; sanguinis vincula). Das mag noch durch Philon, Legatio ad Gaium 72 bestätigt w,,,den. wo vom "Band" der Verschwägerung die Rede ist: 8EO"tLO'; yetp o~xW'J o-&~dwv emYlXfLLaL 't'~v &ÄAO't'pL6'T1)'t'1X dC; otx€L6't'1)'Ta O"u~&:ywv, oiS AU-&E~'TO'; AEAU't'aL xat XOLVWV(<1~ X't'A. Das Prinzip der Freundschaftsbindung äußert sich in ganz ents>,rech>,n­den Metaphern: Aisch. Ag. 841 tL6~0C; '08uO"O"€ue; ... ~€uX.&dC; ~'t'mtL0~f)V etL0~ ""p"'p6p'o,.' Kock, Fr. Adesp. 524 (III p. 504) eyw 'TE: xat O"u 'Tau'Tov ~AX0tL€~ ~uy6v. Bei (T6~ap~c; ~ tptALa c. 32) bittet jemand den Gefängniswärter, nahe bei seinem sein zu dürfen (U1t'O 'T<]) IXU-r<]) XAOLCP 8E8€0"-&lXt), womit das Band der Freu.ndscllafl

symbolisch sichtbar wird.

Tod: Todes/tue!

findet sich auch in einem Grabepigramm aus dem vierten Jahrhundert (Peek

44',3 f.) •. , E'.&IXVE~, ßwvum€, xocl"t'ov &v&.YX"f)~

xowov <I>zpaztp6v1J~ 7tiXow €'Xe:~~ -&&.ACq.WV.

Ein anderes Grabgedicht spricht hier ausdrücklich von einem v6p,oc; (Peek

369, 1 f.)

niXen vop.oc; '1"0 -&IXVe:!:V' Mmp&v &'t"PZ7t"t'o~ &vcX.yx'tj "t'tx"t'0!levOL~ X'1"A.

S? ist es nicht verwunderlich, wenn &v&.YX'f), vO!J.OC; und tpUO'LC; überhaupt aus­

wechselbare Begriffe sind.29 Die umfassende Gültigkeit der &vayx'f) '1luO'e:(UC;, wie

sie durch xmvoc; und niX~ in den genannten Beispielen wiederholt festgestellt

~ wird, findet ihr Einschränkung durch die Begrenzung auf das .&v1J't'ov und

Y"fiYEve~, also auf die Menschen. Götter sind ihr nicht untertan, denn ou y~p

€V T() '1lUO'ZL XlXt '1"1X!:~ tpu 0' LXIX!: ~ &V&. yxex; L~ ~ 't"&v -&e:&v X€!:'t"IXL OUO'toc (oben S. 63).

Dagegen stehen alle, die aus einem sterblichen Leibe geboren wurden, unter

dem Joch der Ananke (Nonnos 3, 329): ß't'L 7tcX.v"t'z~, ßaouc; ßpo't'e"f) "t'€xe: yo:cr't'~ , u " , - '" 'n " .. p Ino~pLotou XI\(!)cr't""tJpo~ €oouJI.(U'lJ1')O'IXV ('1.'.1 ocYl<. TI. Ellle Art 1nnere Begrenzung dieser

Ananke auf die bloße Leiblichkeit - freilich noch nicht im Gegensatz zur Seele­

vertritt Isokrates in seinem Loblied auf die gefallenen Krieger der Perser­

kriege (4, 84): xal y~p €xdv(Uv ::r~ !J.EV a@!J.a"t'('I. 't"1X~c; "t'~~ '1luO'e:(U~ &vayxoctC;

&1te3oacx;v, 't"~c; 3' &pe:"t'~C; &&cX.voc't"ov "t'~v tLV~!J.'f)V E:7tOL'f)O'OCV. Sowohl auf diesen festen Bezug der Ananke auf die Leiblichkeit wie auch auf die Deutbarkeit der physi­schen Ananke als v0!J.o~ wird bei der kosmologischen &v&.yx'f) zurückzukommen

sein.

Parallel und voran geht dieser mehr philosophisch zu nennenden Betrach­

tungsweise des Todes als Naturgesetz: eine andere, die seit dem frühen Epos

vor allem in der griechischen Dichtung zu Hause ist. Der Tod umgähnt den

Menschen wie der Rachen eines Raubtieres (&!J.tpexocve: 11. 23, 79) oder erscheint

als Netz,. dem man nicht entkommen kann (3(x-ruov "AL3ou Aisch. Ag. 111~).30

Das am meisten verbreitete und hier auch vor allem interessierende Bild ist

aber zweifellos das der Schlinge und Fessel. p,o!:poc 7tS3"f)O'EV heißt es von einem

Krieger, der im Kampf fällt (Il. 4, 517), und "töten" und "fesseln" sind für

29 Josephos. Be:l. Judo 3, 374 't'&v f-L~v e~L6V't"wv 't'oG ß~ou XIX't"et 'TO\l 't'1jc; <pUO"EW'; 1/6tLov. Vgl. PolyblOs 4. 57. 1 t:l't'L f-LE:V ouv 1t'acr~ -rol:<; OOO"W U1t'6XEL't'IXL <p-&opet xal tLE't"IX­ßOA~, O"xe8öv ou 1t'p~cr8d Mywv', tXIXV~ yap ~ 'T1jc; q>ucr€W~ &vayx1)' 1C'lXpIXO"'t"1jcr<1L 't'~v

_'t'OL<10'n)V 1t'(O"'t'~v. Phllon de speclal.leg. 2, 124 'TWV 'Te:'t'€A€O't"1)x6'Twv •.• &vaYX1)'; v6fLW X<l't'IXO"XE-&€V't'WV ou8~~ -&~1)-rO\l xd Y1)YE~E:'; &-&IXVIX't'~~OV't'L. Vor dem Verzehr des Fleische~ verendeter Tiere wird gewarnt de special. leg. 4. 119: o:t80ÜfLE~0C; 't'etC; tpoO"€We; dlJocyxa.;, atc; 1t'POXIX't'EA~Ifl&1J. Vgl. auch oben S. 51 Anm. 4.

30 Dazu Onians S. 223.

5*

,,:,

Page 38: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

68 Naturbindung

Pindar Synonyme (Fr. 135): 1t'~CPIJ€ oe 't'P€!:~ xcd Mx' &vopa<:;' 't'€"tpx"t'<P 3' IXtl't'Or; nzo&&1J. Hinzuzunehmen ist die Aussage von Apollon (Paean 6, 83ff.) rcC<:'i:öa: ... 8~'t"wc; ... .&pc<O'e(; cp6vcp 7te:a&aa~o::;. Die Formel oAf&pou 7tz(po::t'

E'f'~1t~'" (Il. 7,402; 12,79; Gd. 22, JJ u. 41) geht auf die Schlingen oder das Netz - als Summe einzelner Schlingen ~ des Verderbens.31 Auch ist zu denken

an die 7taytc; &avel.'t'ou (Sept. Tob. 14, 10; Ps. 17. 6) und an die laquei mords der Necessitas, der römischen Version der Ananke (Horaz, carm. 3, 24, 8).32 Bei Luldan (TCepl7t~v&ouc; c. 2) heißt es von Fluton, daß er die Toten im Hades unentrinnbare Fesseln lege, xoc't'lXae~&!-LeVO\l ;) € o:;trrO\)c; x.cd 7tapO:::Aaß6v't'oc xa't'e ...

xew oeafLo'i:.; cl:cpox't'o~c;, was an die Formel vom o~O'av't'oc xlX't'o'/t'IX(yt'apouv er­innert (oben S. 4). Theseus, der Persephone aus dem Hades entführen wollte, wird dort gefesselt (Apoll. Argon. 1, 101f.): 8Y)ae:1X •.. uno X&ovo.; 3'Ecr[LO~

epuxEL. Das ist nun freilich nicht die Todesfessel, aber selbst eine vorüber­gehende Hadesfesselung ist doch mit dem genannten Vorstellungsbereich verbunden. Der Unterschied besteht vom Bild her nur in der Dauer der dung. In Platons Kratylos fragt Sokrates (403 c 5) O'CEt oov -rov"At3'l)v

nO~Aou~ extpeuYELv, E~ p:~ -r0 lax u p o-r&..-r cp 3'Ea [L0 €8Et -rou.; exet:aE l6v't"IX';;

ist der 8eap.6.; hier nur eine Metapher. Gerade diese Metapher setzt aber 01<' 0 <,e"le·

lung der Toten im Hades als bekanntes Motiv voraus. Schließlich ist noch pythagoreische Vorstellung zu nennen (Diog. Laert. 8,31; B 1a,I 451, 2

nach der die Seelen der Bösen in der Unterwelt gefesselt werden. Diese alten Vorstellungen von der Schlinge des Todes und der nao<,,­

fesselung sind zweifellos bestimmend dafür, daß auch Ananke in diesem bezirk auftritt. Ein Pindarfragment (207; Plut. conso!. ApolIon. c. 6 p. 104 spricht von aqlUp~AIX-rOL &V&.YXIXL des Tartaros. Der Vergleich mit 7te:

a<pup~AIX-rm (Aisch. Pers. 747) zeigt, daß &V&.YXIXt wohl nur die eisernen "Fesseln

31 Zu vergleichen ist Onians S. 385. Speziell zu o'Ae-&pou ndpiX't'iX weist (S. )22 Anm. )) noch auf Il. 5, 487f.

tL~ 7t'(o}!;, Öl!; &t\lrO'L 'A(VOL' &A6v't"E: nlXvaypou. &v3pacn 3uO'tLE:veE:0"O"Lv l'Awp xat XÜPtLlX yev'fJO'-B-E:'

und Tryphiodoros 674 &A'A' ot fltv 3e3tL"fJV't'o 'Alvcp -&lXva't'ow nIXv&ypCP

sowie Quintus Smyrnaeus 13. 494f. m:pt yap 'A(ViX n&v't'o&E: MOrpIXL

tLlXxpa nE:pLO"'t"~O'IXV't'O, 't'&: nE:p ßPo't"O!; o15ito't"' &'Au~e. Ein auf Grabinschriften häufiger Ausdruck ist das Bild vom mxpo!; flL't'o!; oder flt't"O!;, dem man nicht entkommen kann (Onians S. 349)'

32 Die .. Schlinge des Todes" ist ein Bild der unwiderstehlichen Macht des das auch bei nichtindogermanischen Völkern weit verbreitet ist. Dazu J. lowitz, Das Schlingen- und Netzmotiv S. 6 und 9f.

Tod: T odesJe.f.fel

meinen kann, die die Toten im Hades festhalten. Eher an das Todesschicksal überhaupt ist Aisch.· Pers. 568 ff. zu denken. Der Chor der Alten klagt um die persischen Gefallenen von Salamis: 't'ot 8' &pIX 7tpcu't'op.6poto, rpeu, Al)rp.&e:V't'E:!; 7tP01;

&V&.YXIX1;. Aber auch hier liegt der Gedanke an die Schlinge oder Fessel des Todes nicht fern: es wird noch zu zeigen sein, daß &v&.YXI) im Sinne von "Schick­sal" zunächst als "Schicksalsfessel' sich versteht. "Tod" und "Schicksal" .ber fallen im Augenblick des Todes zusammen (5. unten Anm. )8). Ebenso auf den Tod bezogen ist die Ananke in der verzweifelten Klage des Hippolytos (Eur. Hipp. 13 86ff.) d.&E P.E xotp.&.O"e~e 't'ov 3ua8IX~p.ov' ,/ At80u P.e:AIXlVIX vux't'Ep6.; 't"

avayxIX. Artemis bedauert den Unglücklichen (1389) l) 't'A~P.OV, otq; cru!J'rpop~

O'uve~uY"'1;. Euripides verknüpft die bekannten Vorstellungen von der Todes­fessel, vom p.eAIX1; .&&.VIX't'01; (Il. 2, 834; Gd. 12,92) und der Todesnacht (Il. 5. 6j9; 13, 580) zu einem neuen Bilde. Aus der ,/ A~3ou av&.yxIX erwächst assoziativ der Gedanke der Schicksalsfessel (crup.rpop~ auvE~uY'fJ';)' Das ist umso eher mög­lich, als im Zeitpunkt des Todes Schicksals- und Todesfessel nicht mehr unter­schieden werden können. Das erläutert ein attisches Grabgedicht aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert (Peek 349,1 f.). Ein junger Mann, der im blühenden Alter von zwanzig Jahren sterben mußte, klagt

p.mp~3tOL x'Acua't''l)pe.;, i@, 7tIXva<pux't'ov &v&.yx n ~EÜy[J.' zrd 8ua't'~voL'; 7tIXtal ßpo't'wv ,&efLEvoL.

In Analogie zu der Formel av&.yxY).; ~uy6v (~eüYfLIX) erwartet man, wie auch Kaibel zur Stelle notiert, den Genitiv avayx"f)';. Die Möglichkeit liegt nahe, daß der traditionelle epische Hexameterschluß &v&.yx71 vom Steinmetzen aus Irrtum oder Eigenmächtigkeit dem Genitiv vorgezogen wurde. Peek druckt &v&.yx71,

erklärt aber im Sinne von &V&.YXI)1;: "Das Joch des Zwanges ... niemand ent-, geht ihm." &v&.YX"f)'; ~EÜyP.IX wäre ein Parallelbegriff Zu fL01pU~t01 XACUO''t'~PE';, dem

Schicksals- und Todesgarn, das den Menschen gefangen nimmt und kein Ent­kommen ermöglicht (vgl. oben Anm. 31 die entsprechende Bedeutung von fLhot; und ALVO';). Das seltene Wort nIXv&"tpux't'o.; findet sich, wie Liddell-Scott angeben, noch als Attribut von ßp6xo, (A. P. 9, 396,J), wodurch wieder ein be­zeichnendes Licht auf &v&.YX"I)'; ~eüYfLlX fällt. Die Unentrinnbarkeit des Todes ,betont auch der "orphischeH Hymnus auf Hermes Chthonios (57, 1; Quandt

41), der vom Kcuxu't'oü ..• &'VU7t60''t'porpo.; O!fL0'; aV&..YXI)'; spricht,33 Das 'merkwürdige Nebeneinander Kcuxu't'o.; &v&.yxY) ist nicht unähnlich der Ver-

&v&yx~ <p<pcr<'f'6v~ (Peek441, Jf.) •.. €'&IXVE';, 6.toVUatE, xIXl 't'ov &v&.yxY)';

X01VOV WEpae<p6vY)1; niimv ~xet.; '&aAIXp.ov.

Page 39: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

70 Naturbindung

Man hat gedeutet' AvtXyx1j <Depcreq;oY1J,34 doch ist darüber schwer eine Ent­scheidung zu fällen. Vermutlich sind die beiden Genitive in folgender Weise kombiniert: zu 1'0" &v&YX:f)s &&.AC((J.OV (Todes gemach) als Gesamtbegriff, in dem

ocvrXyx.'1) den Bereich bedeutet, tritt die Person <l>epcreq>ov'l) im genitivus posses­sivus hinzu. In den orphisch genannten Argonautica (142, ed. Abel) wird vom Tod des Kanthos berichtet,

OV 3~ !-La ~p' &o&.[LC(O'O'e;, 't'tAO~ 0' e1tz&'fp~e:v &v&yx"IJ,

!J.o'Lp' zoa!1-(lO'cre ist als Formel seit der Ilias (18,119) beliebt.3Ei Der Vers als sol­

cher ist nicht unbeeinflußt von den bekannten Wendungen OIXP.&crOCIJ't'e:t; &v&yx:fl und &.vocYX'ljV em.&e;'i:v(l~. OIXP.CXV, ursprünglich das aktionsunfähig machende Fesseln, verwendet auch Aischylos in solchem Zusammenhang (Ag. 1495 und 1519): oOAlc:) !J.optp OIXIJ-El~.36 Das Beieinander von IJ-07:pa und &vr!t.:yx:rr entspricht in etwa der Doppelung I-Lo~pL3w~ XA(UO''t~PE~ und 7tIXVr!t..<pUX'tov &vr!t..yX'fJ~ ~e:uYI-LCt,

wie sie oben gesehen wurde. Seit dem Epos gleitet Zwar I-Lo7:po-; als "Todeslos" ständig in peiorem partem hinüber38 - und nähert sich damit &vayX'lJ -,

3' E. Maaß, Orpheus S. 272: "Es bedarf endlich kaum des Hinweises, daß die orphische Ananke in der Volksvorstellung mit der unerbittlich zwingenden Unter­weltsherrin Persephone selbst zusammenfiel ... Persephone Ananke ist ein Begriff, cX\layx"I)C; unmöglich." Maaß stützt sich auf ein anderes attisches Grabgedicht (Kaibel {56), wo deutlich Ananke für die Todesgöttin selbst stehe,

7tIX'C'pl 8t 0'<1> xIXl (l/f)'C'pt A17tchv M7tw; U7t' 'A\laYX"l)C; q)Xou &\llXp7tIXO',&etc; e7t'C'tt €'t'"I) yeyo\IC1c;.

Der Vorschlag der Großschreibung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, doch ist U1t' cXvayx"I)C; cX\lap7tIXO'.&dc; doch wohl ebenso gut möglich wie das oben zitierte A"I)rp&enec; 7tpOC; &\layx.lXC; Aiseh. Pers. 569, und &\layx"I) WepO'E:rp6\1"1) hätte in Kwxu't'oc; &\layx'f) - wie die Editoren geben - seine Parallele.

Maaß versucht, überall, wo &\I&yx·i) in solchem Zusammenhang auftritt, sie zur großen "orphischen" Todesgöttin aufzuwerten, doch ist mit Gundel (Ananke S. 30) dagegen zu halten, "daß wir nicht immer an speziell orphische Gedankensphäre zu denken haben werden, wenn der Tote erklärt, daß er von der feindlichen l",.n'1<e dem Leben entrissen wurde." Gundei (S. 25 f.) ist freilich geneigt, die Existenz orphischen Todesgöttin durch Eurip. Ale. 962ff. als gesichert anzusehen (vgl. bei del S. 60 die Großschreibung' Avayx'l) tDepO'erp6v"l) sowie S. 95), doch beweist Stelle, wie unten Zu zeigen sein wird, dafür nichts.

35 Vgl. Peek 326, 10; 165, 15 und die sogenannten orphischen u'Jidp"""cn"n (B 18. 19; I 16, 11 und 16, 24 bei Diels). Gegen deren orphischen Charakter, der auch von J. Kerschensteiner (Platon und der Orient S. 150) vertreten Recht Wilamowitz, Glaube der Hellenen II 200 u. Thomas S. 134.

36 Vgl. oben in Anm. 31 M8fL"I)\I'C'o A(\ltfl &lXva'C'o1o rrav&yptfl. 37 Auch hier schlägt Maaß (Orpheus S. 269 Anm. 45) die Großschreibung

und' Av&.yx"I) vor. 3B Wie Eitrem, Schicksalsmächte S. 48 Anm. 1 feststellt. Vg1. S. 53: ",Tod'

Tod 7 I

bleibt im wesentlichen &v&YX7) der prägnantere Ausdruck. Der Zusatz 'C'eAOt;

3' erce.&-f)xEv &vayx'l) versteht sich aus dem gleichen Streben nach Verdeutlichung, das auch die abstrakte Mo7:po:: zu fLmp03~m XA(Ucr't~PEt; verdinglicht und die totale Gewalt des Todes ,durch das Jochbild noch weiter veranschaulicht. 'teAo~ steht für das geläufigere 't'eAOt; &ava.'t'ou.

Moira sind ja nicht ganz identische Begriffe, gehen aber eben beim Todesfalle vor­trefflich zusammen", sowie Gundel, Ananke S. 42f.

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IV. ANANKE ALS THEOLOGISCHER UND

KOSMOLOGISCHER BEGRIFF

1. Die Fessel des Schicksals

Soweit Ananke von den Griechen verwendet wird, um das Schicksal und seine Macht zu bezeichnen, geschieht das grundsätzlich in zwei verschiedenen Weisen. Ananke ist entweder identisch mit dem Willen der Götter oder - wie die autonome &vayx1j \'flucrzcu<; - eine Gewalt, die gleichberechtigt neben oder sogar über den Göttern steht.

Deutlich wird diese Seite der Ananke besonders bei Herodot und den Tra­gikern. Einige Zeit vor der Schlacht bei Platää sagt ein vornehmer Perser au­läßlich eines Gastmahles in Theben seinem Tischgenossen, einem Griechen aus Orchomenos, skeptisch den Untergang des persischen Heeres voraus. Der Grieche meint erstaunt, eine solche Warnung müsse er doch dem Mardonios zukommen lassen, damit eine Katastrophe vermieden werde. Der Perser jedoch

hat einen ganz und gar fatalistischen Standpunkt (9, 16) ö 'on Se!: yev~cr&a~ EX

'T013 .&r::013 &.!J.~xavov &.7to't'pE~a~ &\I.&pwmp· ouS€: yocp mcr't"a AeyouO'~ HMAet 7td&r::O'&at

ouSr::(t;. 't"a13't"a oe IIepcr~wv cruxvot e:mO'T&.fLEVOt e:7t6[LE&OC &.voc yxrx (Tl SE oefLEvo t. Die

Metapher ist sehr klar. Gegenüber dem, was von den Göttern kommt, ist der

Mensch hilflos, er muß es über sich ergehen lassen und sein Schicksal erfüllen

wie in Fessel und Joch gebunden.1 Diese Sehweise hat aber eine genaue

Parallele schon h. Cer. 216f.

&'AAOC .&r::wv !J.E:V owpoc xocl &.xvufLevo( 7tep &',1& yx Tl

't"E't"Aa!J.Ev &V.&Pffi7tot· E7tL yocp ~uYQt; aUX€vL xd't"aL.

Dem yr::vecr.&at EX 't"013 .&E013 entspricht hier .&r::wv owpa. Nicht anders denkt

Sophokles, der Phil. 1316f. den Neoptolemos sagen läßt

&v.&pW7tOtO't 't'at; !J.€V EX .&r::wv

't'UXrxt; oo.&ercrat;E:cr't"' &vocyxrx'Lov <p~PEW'

und in den Phoenissen des Euripides resigniert Ödipus gegenüber dem Schick­

sal, das ihn aus der Heimat vertreibt (1763)

'Tat; yap EX .&r::wv &.v&yxat; .&V'l)'t"O\l 6v't'oc oe'L tpepr::tv.

1 Zu dem an dieser Stelle sichtbar werdenden Schicksalsbegriff des Herodot vgl. GundeI, Ananke s. 39f. (mit Anm. j 3).

Die Fessel des Schicksals: AfkeJtis 9(f2ff. 7J

Die gleiche Tragödie spricht von den (999f.) .&Ecrcp&'t'ffiV EAe:u&e:pm xoux Zt; &v&.yx'l)v ÖrxtfLOVffiV &qnyfLEvm. Die &.v&.yx'l) ÖOCL!J.OVffiV ist der den Menoikeus _

er muß für die Rettung der Stadt geopfert werden - betreffende, bindende

Spruch der Götter. Die &.v&YX1J interpretierende Antithese ist mit ~AEu.&epot ge­

geben. 2 Sind aber .&~cr<pa't'a und &\I&.YX'l) hier parallele Begriffe, so mag es erlaubt

sein, 'Avayx'l)t; xp'lj[La, &ewv ~~cptcr[J.oc 7tCt.AOCtOV (Empedokles Fr. 115, 1; I 357,

15 D.) zu vergleichen; Xp'lj[LIX, für das pYj!J.rx vermutet wurde, wird durch die bei

Euripides vorliegende Entsprechung .&EcrcpCt.'t'IX <'-.J &.v&yx'l) gestützt. Fraglos ist

'Av&.yx'l) der "Wille der Götter", S die freilich erst in zweiter Linie genannt sind

und an Bedeutung hinter der verselbständigten und zur Person erhobenen Ananke zurückstehen.

Wenn neben der "bindenden Schickung der Götter" Utewv &vayx'l) oft bei

den Tragikern Ananke - unter Aufgabe der Anlehnung an ein Genitivattribut

- auch als Schicksal schlechthin steht, so setzt dieser Prozeß der Verselb­

ständigung die Rolle voraus, die das Wort inzwischen in der frühen griechischen

Philosophie gewonnen hatte.4 Darauf ist später einzugehen. Zunächst inte­

ressiert jetzt die Spiegelung dieser "aufklärerischen Idee", wie man sie nennen

könnte (Gundel, Ananke S. 39; vgl. Hirzel, Themls S. 389), bei den Tragikern. Damit ist die Untersuchung an einem Punkt angelangt, wo der Blick auf die

berühmten Verse 962 ff. der euripideischen Alkestis fällt. Der zentralen Be­

deutung wegen, die diesem Hymnus auf Ananke zukommt, sei die ganze

Partie (in der Übersetzung von Wilamowitz) angeführt: "Zum Himmel empor

2 Die Formel.&z&v &\I&yxca auch Eur. Hec. 584 und Fr. 339, 6 N. Lysias (6, 32) knüpft an diesen Gebrauch an: 0"'0 aaL(J,o\lLou 't'LVOC; &y6iJ.e::\lo<:; &v&;yx"I)<:; von Ando­kides, der nach Athen kam, um sich dem Gericht Zu stellen. Das geläufige &ye::w &\I&yxn wird noch herausgehört. Xenophon Bell. 1, 7, 10 hat 't'a ex .&e::oÜ &\locyxai:a. Dem entspricht Hippocr. de victu 1, 5 lX\hoi:O'L (sc. 't'oi:<:; &V.&pW1t"01C;) mX\I't'1X Y(\le::'t'at aL' &\I&:YX"I)\I .&d"l)v xocl &. ßODAoV't'a~ XlXt &. iJ.~ ßODAO\l't'aL (dazu Nestle, Euripides S. 55). Die unter' dem Namen des Aristoteles gehende Rhetorik an Alexander definiert (q22 a 19ff.), möglich (Suva't'&;) sei alles, was geschehen könne, notwendig (&vocy­xara) dagegen, was der menschlichen Handlungsmöglichkeit entrückt sei, &A)'" 00<:; e~ &\I&Yx"l)<:; ~q.dlXc; 1) &v.&p(im~\I"I)C; oö't'())C; 6V't'1X.

3 Hirzel (Themis S. 427), der in diesem Zusammenhang auf Oppian, Halieutika 2" 8 hinweist.

4- Sicher hat Euripides "den Zwiebegriff von Ananke und Schicksal, das von den Göttern kommt, und wirklicher Gottheit, die selbst das Schicksal dem Menschen

::bereitet" (Gundel, Ananke S. 36), doch ist Eur. Fr. 716 p. 586 N. (cru S' dx' &\I&;yx:(J ,'-Jtoct .f}e::Oi:crL (J,-IJ iJ.&xou), das Gundei dafür anführt, nicht einleuchtend. Zwar läßt sich

das' Auseinandertreten der in .&z&v &v&yxat noch verbundenen Begriffe beobachten, , u'Jcn ist &\I&;Yx"l) hier noch nicht autonome Macht oder Schicksal, sondern eher der ,< :Dr,"cl, eine1 konkreten Zwangslage.

Page 41: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

74 Anal1ke ais theologhcher und kosmologischer Begriff

bin ich auf Flügeln des Sanges gestiegen. Tief hab ich gegrübelt: doch nichts hab ich gefunden, das deine Kraft bezwänge, Ananke (xpe'i:acrov ouS€\I 'Av&yxIX<;

"fJOpov). Nicht des Zaubers Sprüche, wie sie in thraldschen Runen Orpheus schrieb, nicht die Künste der Arzte, wie sie ApoHon lehrte, zu lindern die tausend Leiden der Menschheit. Notwendigkeit kennt nicht Altäre noch Tem­pel noch Bilder noch Opferbeschwärung. Herrin, erscheine mir drückender nimmer als bislang, Ananke. Denn Zeus selber vermag uns nichts zu gewähren und zu schaffen ohne dich. Du brichst skythisches Eisen, beugest die Starrheit deines gewaltigen Willens keinem Erbarmen. Es band auch dich (sc. Admet) der Zwang der Not (xoct cr' ~v &cpux.'t'ow·~ xeprov e:LA€ &eoc öe:crp,o'i:.:;;). Du mußt fügen. Es wecken Gebete keinen Toten auf, auch nicht die Söhne der V()1' eIer. Zunächst ist der größere Zusammenhang ins Auge zu fassen, in den

Ananke gestellt ist. 5 Admet verliert seine Frau und muß sich damit abfinden.

Das Erlebnis der Unerbittlichkeit des Todes gibt den Anlaß, in dichterischen Bildern die gewaltige Macht nachzuempfinden, die seit der Aufklärung des

fünften Jahrhunderts &vayx"f) q>uere(i)~ genannt wird, und von der das

des Todes nur ein Teilbereich ist. Diese allmächtige Kraft ist für Admet zu­

gleich das Schicksal, das ihn fesselnd ergreift. Von den Interpreten ist an­

scheinend übersehen worden, daß der Vers 982 (XOCL er' ev &q>ux't'mer~ Xepwv

etAe -frea. 3eerp.o~~) eine direkte Erklärung der' Avayx"f) enthält: Ananke, die '&Ea, ist das bindende" Gesetz der Natur und der Welt, dem nicht nur der eil' ,""ln'e; Mensch, sondern auch die Götter - hier vertreten durch ApoHon und Zeus6

unterliegen. Die Fesselung erscheint konkret als umklammernde, wehrlos

machende Umarmung durch die Göttin.'" Wenn in diesem Hymnus

5 Vgl. 416 "A8tJ.1'J'T', &vayx1'J 'T&:cr8e crutJ.qJoprb; qJfpew' 00 yap 'T~ npöho!; oMa: Aolcr,fho!; ßpO'TWV yuVCW{o<;; tcr.\lA1)<;; )~!,mAc{x8<;;'

616 ... YUVOC1XO<;; ~[J.&:pTIJxa<;;. &ÄÄa 't'atha [J.Sv qJfP8tv &v&:YX"1J xoc(nep I)v't'C{ McrqJ0poc.

780 't"a -&v'lJ'Ta np&:yfLa't"' 0!8oc!; ~v ~X8~ cpucrw; • ' . ßpo't"oJ:<;; &rroccrt XOC't".&OCVE1V 0 cpdÄe'TaL

6 V gL Aristot. Phys, 198 b 17 68t 6 Zell<;; OUX Ö1t(;)!; 't"ov crhov oco~-Ijcr"() &ÄÄ' t~ x1)!;. Philemon Fr. 31 (Kock) pointiert: 8o;:;Äo~ ßacrtÄE:wv dcr(v, 6 ßoccr~Äeu<;; .B-8WV, 6

&:v&:YX"IJ!;· Dazu paßt die antike Erklärung zu Vers 978 der Alkestis (xat yap Zell<;; Ö 'n

auv crot 't"oü't'O 't'8Ä€U't"~): 't'OÜ't'O &:vocyxoca't'mfu't"a'TOC npaH8L' otov xoct 6 'O[J.1)ptxo<;; un6x8L't'ocL 't'Cj) 'T-tj!;' Av&yx1)<;; ~uYc9, &qJ' ou (),v tmv€ua'() 'Tw&:. Von diesem "Joch Ananke" wird noch die Rede sein,

7 Man vergleiche, was der junge Goethe in seinem Aufsatz über die Natur sclor"ib," Natur wir sind von ihr umgeben und umschlungen - unvermögend, aus ihr

;utrete~ und unvermögend, tiefer in sie hineinzukommen. Ungebeten und ungo'\Va,nl

----- -------~

Die Fessel des Schicksals: Aisch)'los, ProIn, IO}jf. 7J

Euripides auf Ananke unter anderem von orphischen Sprüchen die Rede ist, so ist das kein Argument für den orphischen Ursprung der Göttin Ananke,8

und es ist vielmehr dem Einwand Nestles Rechnung zu tragen.D Die Ananke

physeos, das Weltgesetz der griechischen Aufklärung und Naturphilosophie,

ist mit orphischen Spekulationen nicht auf einen Nenner zu bringen,lo

Ananke als "Schicksal" wird bestätigt durch die enge Verbindung, in der das

Wort im Prometheus des Aischylos mit Aisa steht. Prometheus überdenkt seine

Lage und versucht, sich in sein Los zu schicken:

(103) ~'~v rrErrp"'fLtv~v 8" XP'~ a!erocv <pepew bl~ p~cr't'oc, Y~YV6:Jcrx.ov&' ß't'~

't"o 't'~~ &vayx"t)~ zcr't" &(3~p~'t'ov cr'&zvo.;.

(107) %v~~o" y~p yopa 7tOPWV &vayxoc~~ 't'ocrcr{3' Evt~euYl-Loc~ 't'&:Aa~'

(113) U7tOCf&pLO~ 3ecr I-L 0 ~.; 7te7to::crcrCl.Aeul-Lzvo~.

Die Bezüge liegen bloß: mit der noch ganz abstrakten epischen Schicksals­

macht Aisa alterniert der moderne Begriff Ananke. Diese Ananke wird dann

expliziert: die &vayxocL, die Fesseln, in die Prometheus gebunden ist, sind ge­

wissermaßen die konkrete Erscheinungsform, in der sein Schicksal sichtbar

wird. Mit 8EcrfLO[ (113) ist schließlich die letzte Stufe der Verdeutlichung er­reicht. Dieses etwas spielerisch erscheinende, deutende Hin- und Herwenden

der Begriffe, das die Tragödie so liebt, hat zur Voraussetzung, daß die alte Be-

nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen ... "

Die Umarmung als Fessel ist sonst aus dem erotischen Bereich bekannt. Sprach­lich vergleichbar ist die liebende Umarmung des Zeus bei Nonnos 7, 318

xd I:e[J.sÄ1)v q.>LÄ(cp naÄcttJ.1)<;; ~yx&:crcra'To 88crfLc9. VgI. 33, 251 8ecr!iov ~pw't'o<;;. Nicht zufällig ist vielleicht, daß Herakles gerade durch dieses Mittel den Thanatos aktionsunfahig macht (Alk. 847 xuxÄov 8e n€p~ßaÄw XepoJ:v t[J.ixJ:v. Vgl. auch oben S, 45 den 8ecrfLo<;; &:vayxocto<;; des Herakles. Von der Fessel her gesehen liegt die Vorstellung eines konzentrischen Druckes und einer einschnürenden Umldammerung nicht weit .

S Der allgemein vertreteq wird: Dieterich, Nekyia S. 12.3; Wilamowitz, Homer­ische Untersuchungen S. 22.4, Anm. 2.2; Maaß, Orpheus S. 2.68ff.; Weroicke, Ananke, RE Sp. 2058. Gundel, Ananke S. 25.

9 Euripides S. 55: "Indessen ist es doch seltsam, die Lehre von der Unwider­stehlichkeit der Ananke zugleich mit Zaubersprüchen, die eben die Ananke über­

_ winden sollen, auf die Orphiker zurückzuführen." 10 Abzulehnen ist schließlich noch die Deutung, die Hirzel (Themis S. 42.6) der

. Ananke der Alkestis gibt. Er geht von .,den unzähligen Fällen, in denen sie die logische Notwendigkeit ausdrückt", aus und versteht sie danach "als ein geistiges Prinzip, das als solches sich umso leichter dem Zeus gesellen kann."

Page 42: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ananke als theologischer Imd kosmologischer Begriff

deutung "Fessel" für Ananke noch im fünften Jahrhundert lebendig

Ananke als "Schicksal" ist daher zunächst nichts anderes als "Schicksals­

bindung". Die Ananke des Prometheus wird auch in den Versen 514ff. in den Blick ge­

faßt und unterliegt in ähnlicher Weise einem scheinbar spielerischen Deuten.

Zunächst äußert der Chor die Erwartung, daß Prometheus eines Tages seiner

Fesseln ledig werde (509 3EO'fL&v Au&ev't'ih). Prometheus greift diesen Gedanken

auf, glaubt aber, daß er erst nach unzähligen Leiden den Fesseln entrinnen

kann (513 3e:O'fLtZ cpuyyav(t}). Der Grund dafür ist

514 't'exv1) 3' ocvayx(1)'; OCO'i}e:vEO''t'epih !J.ihx,pip.

Chor 't'(.;o?)') &vayx,1].;&O''t'lv o~ihx,oa't'p6cpo.;;

Prom. MOrpih~ 't'PLf.toPCPO~ [kv~[kove.; 't" 'Eptvue:.;.

In engem Anschluß an die konkreten 3EO'[ka bezieht sich die Ananke des Verses

514 - wie schon oben S. 3 festgestellt - auf die mit der Fesselung gegebene

rohe physische Gewalt, gegen die Geist und Witz versagen. Daran schließt ,

das merkwürdige Bild vom Steuermann der Ananke an: &vayx,1).;12 otihx,oa't'p6-

cpo.;. Hier ist - fortschreitend gegenüber dem Vers 514 - Ananke die große, all­

gewaltige Natur- und Schicksalsmacht. Ihr beigeordnet sind die drei Moirel!-,

die der' Jenseitsmythos in Platons Staat zu Töchtern der Ananke macht, und

die Erinyen.13 Was besagt nun &vaYKf)'; (oder' Avayx(1)';) otihx,oO''t'p6cpo.;? Sind .

Moiren und Erinyen die "Vorgesetzten" (Maaß, Orpheus 268f.) oder

"Vollstreckerinnen" (Gundel, Ananke S. 28) der Ananke? Eine

chung der mit dem Bild des Steuerns gegebenen Vorstellung wird eine

scheidung ermöglichen: o'~1J~ ist - entsprechend den von den Jochenden

wärtsragenden Griffen 11. 24, 26914 - die Ruderpinne. Durch Hin- und

wenden (a't'pecpEw) dieser Pinne wird ein Schiff gesteuert. Die Vorstellung

11 Unter Hinweis gerade auf Vers 108 sowie Hes. Theog. 615, Farm. Fr. 8, und Platons Kratylos 403 c spricht Hirzel (Themis 427) richtig von "der drücke"d"n Fessel, die der Grieche ursprünglich bei &V&YKIJ empfand".

12 Die Großschreibung' AwlyxYj wird - vielleicht nicht mit Unrecht - veltg;es,:hl.a­gen von Maaß (Orpheus S. 268), Gundel (Ananke S. 2.8), Eittem (S,;hi,ck"als;miich'e S. 52.), dürfte allerdings wohl kaum auch im Vers 514 angewendet werden, "Naturnotwendigkeit" oder "Schicksalsmacht" ist dort noch nicht gemeint.

13 Der "orphische" Hymnus 70, 5 bezeichnet die Eumeniden als <~',cr,·~xul"' , Av&yw{]. Dazu Maaß, Orpheus S. 2.68 f. Die Erinyen sind aber auch von H,,,aklil (Fr. 94; I 172., 9 D.) Ll,LxYj<; errLxoupo~ genannt: "HAW<; yap oöx u:rte:pß~O'e't'ca [.Lhprx·. ae [.L~, 'Ep~vüe.; [.Lw Ll,(xYj'; e1t(xoupm e~€up~O'auO"~v. Damit rücken Dike und Ananke zusammen.

14 K. Schneider, J ugum, RE Sp. 2.510 tritt mit Recht der Meinung entgegen, ot"lJxe:.; seien Ringe am Joch, durch die die Zügel laufen.

-- --------~--~- ~--- ~--~-~--

Die Fessel des Schicksals: Aischylos, Pront. f14ff. 77

Steuerns führt auf das seit Allmios bekannte, auch von Platon (Rep. 488 a ff.,

Leg. 945 c) gern verwendete Bild des Staatsschiffes. An dieses, dem seefah­

renden Griechen besonders geläufige Bild15 schließt sich unmittelbar die V or­

stellung vom "Welten- und Schicksalsschlff"16 an. Platon benutzt im Kritias

(109 c) das Bild vom Steuer, um zu zeigen, wie die Götter die Geschichte

des Menschen, des e:öa't'pocpov ~0ov, führen: EX 7tPUfLV1J'; &7te:ui}uvov't'e.; aIov O'{IXX~

... othw.; &YO'J't"E'; 't'o i}V1)'t'ov nEiv e:x,ußepv(t}v. Das Steuerruder ist auch übliches

Attribut der Tyche (RE Sp. 1687f.). Wie man sich diese Schicksalswirkung konkret vorstellte, zeigt der Komiker Alexandrides (Fr. 4 Kock):

oux ga't'~ 30UAWV, &Yih&', OU3ih!J.0Ü 7t6A~';,

't'uX1J 3~ 7t&'J't"ih fLE't'lXrpepe:~ 't'tZ aw[J..IX't'IX.

. .. 't'ov yap O'~IXXih a't'perpE~1 3ihL[J..wVex,&a't'!p.

Der Sklave hat keine sichere Heimat, das Schicksal verschlägt ihn hierhin und

dorthin, in diese und jene Position. Diesem Schicksal gegenüber ist der Mensch

willenloses Objekt, das wie eine tote Figur hin- und hergeschoben wird

([J-E't'lXcpepe:~ 't'a O'W[J..IX't'IX). Warum bedarf nun die Ananke des Prometheus der

Steuerung? Die Frage beantwortet sich im Hinblick auf den Bedeutungskern

des Wortes: Ananke ist ihrem Wesen nach Fessel und Bindung. Als umfassende

Natur- und Schicksalsmacht umschließt sie die Welt und den Menschen gleich­

sam ZV &rpux't'ma~ 3e:afLo~,;, wie Euripides deutet. Als solche ist sie starres, un­

bewegliches, blindwirkendes Gesetz, vergleichbar dem durch Hypozomata

gesicherten strengen Verband der Planken und Spanten eines Schiffes, und

bedarf des steuernden und überwachenden Beistandes (Erp·f)O''t'1Jxu~w) der

Erinyen und Moiren, die damit die Vollzugsgehilfen der Ananke sind. Wenn

man das Begriffspaar 7te:P~EXE~V - x,uße:pvav hierher ziehen darf, so müßte das

7tEp~exe:~v der Ananke, die Moiren und Erinyen dem x,ußepvav zugeordnet wer­

den. Danach versteht sich die Formulierung &v&YX1)'; olaxoa't'p6rpo.; als Lösung

,~iner Paradoxie: der Widerspruch, der darin liegt, daß die starre Ananke alles

Weltgeschehen lenkt, wird aufgehoben durch die Einführung helfender, das Schicksal im konkreten Fall steuernder Gottheiten.17

15 Vgl. Hirze!, Themis S. 393. 16 Diese Formulierung hat Gundel, Ananke S. 2.8. Das "WeltschHf" z. B. bei

im Politikos 272. e. Vgl. die von Aristoteles Phys. 2.03 b 10ff. dem Anaximun-der zugeschriebene Wendung 1t'ep~txe~v &1t'tt'J't"ih xo::t xuße:p\iiiv und Zeller I1 S. 284

4; 2.88 Anm. 2; 2.85 Anm. 1 und 293 Anm. 1, sowie Hirzel, Themis S. 393. Die Richtigkeit dieser Deutung wird sich vielfach bestätigen bei der Unter­

......... Suc!lUr'g der kosmologischen Ananke. Vorerst sei auf eine bemerkenswerte Spiege­der Vorstellung vom bindenden Weltgesetz und Weltsteuerruder hingewiesen,

sich bei Nonnos 7, 36f. findet: ... oUpO::\ilou.; oti')xrx.; &vo::lvo[.LO::~· ouxe-n x 60'ILou ;, ,"e'·", xußepv~a(o}. Das x60'ILOU m:ZO"[.LO:: xußepviiv scheint - obwohl natürlich ein direk-

Page 43: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

--------- -~-- ------- ~

Ananke al.r theologischer und kosmologischer Begriff

Als Schicksals mächte sind Ananke und Malm sachlich verbunden. Die zu­nehmende Bedeutung der modernen Ananke gegenüber der älteren Malta wird sichtbar, wenn die Malten, wie im Prometheus des Aischylos, als assi­stierende Vollzugsgewalten oder - wie am Ende der platonischen Politeia -in genealogischer Abhängigkeit als Töchter der großen Ananke auftreten. Der Tragiker Moschion geht in seinem Telephos so weit, die Malta mit der Ananke überhaupt gleichzusetzen (fr. 2 p. 812 N.)

(1 xa( %ewv xpoc-roucret; xo::t .&VYJ't'Wv p,6vYj

11. ° 'i: p', (}, Al't'a:iC; Cl't'e:yX't'€ 3uO''t"~vwv ßpo't'wv, n&v't"oAp.' &V&.YX"f), O''t'UYVO\l'~ XIX'!' aUXEVW'J

~}LWV zpd3€lC; 't'~alh: ACl't'pe:(OCC; ~uy6v.

&v&.yxYJ (oder' Av&yx:f)) ist die große, Götter wie Menschen beherrschende und

gleichsam versklavende Schicksalsmacht, deren Härte absolut unerbittlich ist.

Bemerkenswert ist, daß, sicher nach dem Vorbild dieser Ananke-Moira, auch

andere Schicksals gottheiten mit einem Joch erscheinen. Der "orphische"

Hymnus aufDikaiosyne (63, 5 f.) besagt

Cf.tet &pCf.oe~~ yap &7tCf.\l1'a~

ocrcrOt p.~ 1'0\1 crO\l ~A'&O\l U7to. ~uy6\1,

und der Hymnus des Mesomedes rühmt die Macht der Nemesis (V. 1o)yaupoo­

p.evo\l auxfva XA(\le~~ und (V. 13) ~uYO\l !J.e1'a xetpa xpa1'oucra. Von ihr heißt es

(61, 5) ~v m/.\l1'€~ aea[acr~ ßp01'ot ~uyo\l auxf\l~ &f\l1'e~.18 Jedenfalls ist jetzt die joch­

auflegende Ananke des Moschion bis ins Letzte verständlich: Ananke, das

Joch, in das gefesselt der gefangene Feind abgeführt wird, das Symbol aller

Sklaverei und Unterwerfung, wird bei den Griechen Zum Wort für die All­

gewalt des Schicksals, dem niemand entrinnen kann. Die konkrete Ananke

wird zur Gottheit und abstrakten Macht,19 das Joch der Ananke wird schlecht-

ter Bezug ausgeschlossen ist - wie eine verdeutlichende Interpretation von &'JaYl<."lr;:; ota.:l<.oO"tp6<poc; bzw. &\ltXYKI)C; o'Ca.:xa.: cr't'pz<pew. Nonnos bezieht sich auf die große Welt­fessel (Ananke) der Kosmologen, die gelegentlich mit den Hypozomata eines Schiffes verglichen wird. Dazu später.

18 In diesem Zusammenhang erwägt Dieterich (Abraxas S. 1°9), ob die in dem von ihm S. 16ff. vorgelegten "Weltschöpfungsmythos" erscheinende Moipa.: KCt't'!~­

xoucra.: ~uy6v, [J."l'Joouaa ev ea.:u't'TI 't"o 3lxa.:~ov d'Ja.:~ das Joch oder die Waage als Attribut hat. Er ,entscheidet sich zögernd für das Letztere. Es ist zu fragen, ob nicht die Göttin mit der Waage erst einer sekundären Auffassung des doppeldeutigen Wortes ~uy6c; entspricht.

10 Damit tritt das Gesetz der Irreversibilität jeder Bedeutungsevolution in Kraft: ein Wort, das sich Zum Abstraktum hin entwickelt hat, kann im allgemeinen nicht von sich aus wieder zum Konkretum werden, sondern sich nur insoweit wieder integrieren, als es ein seinem Wesen gemäßes Attribut an sich zieht. Vgl. Schade-

Die Fessel des Schicksals: Moschionfr. 2 79

hin sprichwörtlich20, sie ist mächtiger als die Götter,21 und ihr kann nichts

widerstehen. 22

Es verdient Beachtung, daß die Vorstellung von der Schicksalsfessel nicht

nur in Ananke gegeben ist, sondern seit dem alten Epos überhaupt üblich ist.

Die Moira "fesselt" den Menschen (!J.oipa 7tf(')"YJae Il. 4, 517; 22, 5; Gd. 11, 292),

waldt (Iliasstudien S. ;1): .. Daß das Symbol dessen, was eine Gottheit aus der Kraft ihres Wesens wirkt, von ihrer Erscheinung abgespalten, eigene Gestalt gewinnt und ihr als ,Begleiter' oder als ,Attribut' in die Hand gegeben wird, erwächst zunächst auS der anschaulichen Kraft des griechischen Bilderdenkens." Das wäre in gewisser Weise eine Parallelerscheinung.

20 Vgl. Eur. Fr. 475 N. 't"o -riir;:; 6:'J6:yx'l)C; ou Mye:~V öcrov ~uy6v. Dazu nennt Nauck Julianus p. 246 B: &na.:pc.d't"'lJ't'ov y6:p 8a't"~ 't"o Ae:y6[J.EVOV ~uyov 't"'1jr;:; &vayx"lC;. Eine antike Erklärung zu Philemon Fr. ; 1 Kock (30l)AO~ ßct;mMwv dd'J, 6 ßct;mAEOr;:; ,th::w'J, 6.&EOr;:; &'J&YX"lC;) lautet: oro'J xa.:t 6 'OWfJP!.XOc; Zeor;:; {m6xe~'C"a.:L 't'ij> -riic; 'Av6:yx"lr;:; ~uyij>. Zu Soph. Ant. 944ff. (hAC! xcd Aa.:'J6:a.:c; oup6:'Jw'J <pOOc; &AA&~O:L 3z[J.a.:c; 8V xa.:Axo3e'C"o~c;

lXuAcdc;' xpun't"oILeV"l 3' E'J 't"UILß~PE~ ,s'a.:A&WP xlX'C"e~Eox&"l ... vgl. 955 ~eox,s·"l 3' 6~o­XOAOC; na.:~r;:; 6 ßpüa.:noc; ... 7tE't"pciJ3EL xa.:'t'a<plXpx't"or;:; 8'11 3ecrILij>.) erklärt ein Scholion: XIX .. ex),da&"I) Uno 't'~v x~ßw't"6'J. f) uno 't'ov ~uYov 't'-!Jr;:; &vayx"lr;:; ~).,se xcd 't"1jr;:; d[J.a.:p[J.€­v1)C;. ~ xlX't"e~eüx.&"l aU'Je).'&ol)crlX .. 0 ß~L Diese Deutungen sind ebenso weit hergeholt wie unsinnig. Der Kommentator übersieht, daß Gefängnis und Gefangenschaft oft mit dem Bild der Fessel wiedergegeben werden. Immerhin ist ihm das .. Joch der Ananke" geläufig, und es ist interessant Zu sehen, was ihn veranlaßt hat, dieses Bild heranzuziehen.

Die Verbindung ~uyo'J &'JaYKI)r;:; wird beiläufig erwähnt auch bei Dieterich (Abra­xas S. 1°9), Maaß (ürpheus S. 269) und Gundei (Ananke S. ;6).

21 Vgl. Soph. Fr. 2;5 p. 186 N. npoc; 't'~v &'JaYKI)V (oder 'Av6:yl<."l'J) ou3' "Ap"lr;:; &'W}(a't'a.:'t"IX!.. Daß hier .. eine Reminiszenz an die düstere Gestalt der Ananke und ihren )(ux).or;:; in den theologischen Spekulationen" vorliegt, wie Gundel (S. ;6) meint, ist nicht glaubhaft. Auf die sogenannte orphische Ananke wird später noch einzu­gehen sein. In Platons Protagoras 345 d 5 wird dem Pittakos zugeschrieben: &:v&yxn oUSe '&eot [J.&XOV't'IXL. Dazu sind die Ausführungen Hirzels, Themis S. 401, und Gun­

'dels S. 4.8 zu vergleichen. zz Genannt wurde schon Aisch. Prom. 105

't'o -riic; &'J&YKI)C; &a .. ' &3~PL't'O'J a&e'Jor;:; V gl. Eur. Hel. 514

3ew'1jc; &'J&YKIjr;:; oö3e'J taxoe!.V nAzo'J

Dazu Gundel (37), der' Avayx"lC; liest und sie als orphisch qualifiziert. Fr. 299 N. lautet

npoc; 't"~'J &'JaYKI)V n&'J't'1X 't'&).).' 8a't"' &a&ev1j. Vgl. Fr. Adesp. 502.

ou3dr;:; &V&YKI)C; lLei~o'J raxüe~ v6!J.oc;. Gundel (;8) weist auf Bur. Or. 488 hin

rt'&v 't"ou~ &'J&YX"lr;:; (' A'Jayx"lC; Gundel) 3ol)).o'J 80"'t"' ev 't"oic; ao<poir;:;. Vgl. die bei Stobaios Bkl. 1, 4 zusammengestellten Belege und R. Eisler, Welten· mantel und Himmelszelt II 662.

Page 44: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

80 Ananke als theologischer und kos11lologis eher Begriff

und das Schicksal der Menschen (OAe:&pOC;, n6AEfLoc;, 6'~~ü,:; usw.) ist eine Schlinge (ndplX'Ta), der schwer zu entgehen ist,23 Bemerkenswert ist vor allem auch 11. 7~

101 f.: au'TO;p 6rcEp&e I vbtlJ<:; TIdpa'T' d;XOVTCI.~ &v &ihX'v&'To~m &e:OLOW. Die Götter

halten die Enden des Sieges, der Sieg ist in ihrer Verfügungs gewalt wie an einem "Leitseil'\24 womit Schicksal und Ausgang des Kampfes sinnfällig in ihre Hand gegeben ist. Diogenian bei Eusebius (praep. ey. VI p. 261 C = Stole. veto Fr. 925, Arnim II 266) berichtet, Chrysipp habe im ersten Buch seiner Schrift über die Heimarmene, um darzutun 'TO a~ rcav&' 011'0 't'Y)c; &vayx'Y)c;

XlXt 'T~C; dfLapfLbrf)C; xO::'Te~)..:tjcp&o::~, sich auf homerischen Sprachgebrauch berufen,

und zwar auf 11. 23, 78 f. a.AA' €(J.E (J.EV x~p / &p .. cpzXavz O''t'uyzp-f), ~ 7tZP AIt.XZ yzw6-

(J.zv6v 7tZP, ferner auf 11. 20, 127f. f5mzpov aO't'z 't'a ndO'z't'a~ &O'cra ot Aicroc /

y~yvo(J.€vtp S7tzu"f)crz A(Vtp, b't'Z (J.~V 't'EXZ (J.-f}'t''fJP und 11.6,488 (J.o'i:pav S' ou "t'w&.

rp'fJ(J.t 7tZ cp uy (J.zv ov ~p..p..zval a.vSpwv. Das uno 'T~e; &vlt.yxlle; xa't'e~A~tp.&a~ entspricht

sprachlich dem &vIt.YX"f)e; v6fl-tp xa't'acrXE&zV't'IJ,>V und 't'a'i:e; rpUO'EWe; &vayxa~e;, ocI~

7tpOxa't'EA1}tp'&"f) oben S. 90 Anm. 29. Die Auswahl der Zeugnisse versteht

sich vom Standpunkt des stoischen Fatalismus, nach dem der Mensch der ihm

von Geburt an mitgegebenen Schicksalsbindung nicht entrinnen kann. .

ist davon auszugehen, daß Schicksalsgarn und Schicksalsfessel der Sache nach

nicht unterschieden werden können. 25 So heißt es im Hymnus des Proklos auf

Helios V. '5 fr. crot S' U7tO MOlpawv xopoe; EtXa&Ev a.cr"t'U<pEAlx't'Oe;·

&~ SE [LE"t'aO''t'pwrpwcrlV &vc<yxa(lle; ),(vov atO'"f)e; / EO"t'E &ZAEle;'

Dieses zwingende (weil unentrinnbar bindende) Schlcksalsgarn beschäftigt

Luldan in seinem ZEUe; EAEyx6p.EVOe;. Ein Kyniker weist Zeus seine Machtlosig­

keit nach, weil er ebenso unter dem Schicksal stehe wie die Menschen (c. 1): d7tE oOv (J.OL, d &1'1l.&~ Ecr"t'~ Ta 7tEpt 't'~e; Et[J.app.€VIle; xat "t'wv MOlPWV & Exdva!. Eppa­

~tpS~xacrlv, &tpUXTC< dva~ (J7t6crCl. &v aOTal &7tlV~crWcrl YElVOfl-EVtp hacrT~. Wenn

die homerischen Götter aber gegenüber dem A(VOV der Schicksalsgöttin macht­

los sind und Zeus samt seiner goldenen GElpa seinerseits wieder von dem AE7t-

23 Die hier in Frage kommenden Belege sind zusammengestellt und au.sfiih"lich diskutiert bei Onians S. 326ff., 334f. und sonst. Der englische Sprachgebrauch dem homerischen sehr nahe, wie Onians S. 333 beobachtet: "Of that which we as destined, necessary, certain, we say ,it is bound to happen', ,he ist bound to lose, to bc killed', etc., just as Homer said ETIetl'lJcre 3cq.t9jvo:t, Tpwecrmv OAE,f}pOU TIdpoc'r' <~ii"<", .. What one must do is what one is ,bound to do'."

24 So schon Ameis-Hentze z. St. Vgl. Finsler, Homer 1243, Onians (311)und Abb. 11.

25 Mit oAM,pou und ot:~üo<; m:(po:'t'o: korrespondiert EmxAw,f}EO'.&O:~ 6',~üv (Od. 2Ö, und lmxAw'&EcrÜO:l O'AE'&pOV (Od. 8, 579). V g1. Onians S. 335 und oben S. 68 Anm. 31 wiederholte Auftreten von \L('t'o<; und AtVOV im Bedeutungshof der Ananke.

Weltbindtmg und Verkettung des Seins: Politeia OIoff. 8I

-rov v~p.a des Schicksals abhängt (c. 4), sind diese Götter nichts weiter als die

Ö!J..600UAO~ "t'&V &v&p6mwv (c. 7). Die von Chlysipp wie Luklan betonte QU'llität

der Unentrinnbarkeit26, die dem Schicksalsgarn zukommt, wird im gleichen

,]upiter confutatus' auch der &vIt.YX"f) zugeordnet. Minos darf in der Unter­

welt die Menschen weder belohnen noch strafen (c. 18) 5Tt ouoev E:x6v're:~ o~

ocv&pW7tOt nowüp..e:v, &AAa 'rWt &vayX"() &rpux't'(;) Xe:XEAEUO'f1.~VOl ... w<; ~

MorpCl. 7t1t.V'TWV ah(a. Damit ist der extreme stoische Fatalismus ad absurdum

geführt. 27 Mit XEAEUELV verbindet Luklan die Ananke noch an anderer Stelle, in

den Erotes c. 38: &vIt.YX"'l yap ßapuv xa'C" (Xuxzvwv ~uyov ~f1.'i:v €:nL&E~croc -rOLe; XEAEUOp..ZVote; m:l&apxe:'i:v ßllt.~E'ral. Diese das Joch auflegende Ananke _

hier von der objektiven Notwendigkeit, durch den Erwerb von Kindern für

den Fortbestand der Menschheit zu sorgen - ist zweifellos eine Reminiszenz

an die allgewaltige Schicksalsmacht der griechischen Aufklärung.

2. Weltbindung ,md Verkettung des Seins

a) Platon: Der Ananke-Mythos der Politeia

Es ergab sich schon verschiedentlich Gelegenheit, den -Sprachgebrauch von

Ananke bei Platon zu beobachten. Darauf wird auch im weiteren Verlauf der

Untersuchung noch wiederholt einzugehen sein, doch soll hier zunächst die

Partie 616ff. der Politeia in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden.

Dort wird berichtet, wie die Seele des scheintoten Pamphyliers Er mit anderen

26 OU ... TIE<pUY\LSVov und &<pUX'rIX. V gl. schon oben die &<pUX'rIX XEpOOV 3ecrfL& der ~nanke und Alkiphron Epist. 3, 13, 1: Ein ewig hungriger Parasit beklagt sein Schicksal (3d/Lwv), das ihm das Los der Armut beschert hat, an das er unentrinnbar gebunden ist ('rn rrev[q: cruvaEwv). Dazu Onians S. 405. Vg1. Eur. Andr. 98 3O:(/Lov' (j) O'uve~.üy'lJv 30üAe~ov ~/-1O:P dcrTIEO'OUcr' &Vo:~(Ül<; vom Schicksal der Versklavung und Soph. Fr. 532 N. 30UAdIX<; ~uyov &V&YXIX<; ebenfalls vom Sklavenschicksal. Dem 't'&vo:yxo:ra 'roG ß(ou (Eur. Hel. 254 f.) respondiert: 'rtVl TI6'r/-1Cf> cruve~ üY'lJv. Das Bild vom Schicksals joch auch bei Pindar Nem. 7, 6 (Tt'6'rfLC[) ~uysv.&'), und Pyth. 2, 93ff. <ptpElV a' ~Aa<pphl<; imWXEVWv Ao:ß6'J't'(X ~uyov &p~YEL· TI6'rt XEV't'pOV 3E 'rot A(xx'rl~i:fLev 'r€AS,f}Et bAtO',f}"f)PO<; 011-l0<;'

27 Die Thematik der &v&yx1) &<pux'ro<; wird auch c. 2 diskutiert. Ausgehend vom altepisehen Dm!:p /-10rpIXv (11. 20, 336; vgl. Dml:p O:!O'(xv 11. 3, 59 und OTISP/LOpov 11. 20, 30;

517; Od. 1, 34) versichert Zeus: oö3sv ya.p ocv o{)-rw yevot't'o ~~w 'roG v6/-100 'rhlV Mo~poov, oMsv DTISp 'ro A(VOV. Das Gesetz der Moiren ist nichts anderes als das Schicksalsgarn.

Schwer zu entscheiden ist, ob von dem oö3sv DTISp 't'0 A(VOV eine Linie zu dem pytha­,<eisc:hen ~uyov ~1j 0TIEpßo:tve~v (e 6; I 465, 22 D.; vg1. 466, 25) führt. V g1. oben Anm. 13

Ile't'po: der Dike, die nicht überschritten werden dürfen.

Schreckenberg

".02

Page 45: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ananke als theologischer und kormologischer Begriff

Seelen zusammen auf der Wanderung im Jenseits zu einer Stelle kommt, von der aus ein Licht sichtbar wird, das sich durch den ganzen Himmel und die

Erde ausspannt. Beim Weitergehen sehen sie die Himmelsfessel und die Spindel der Ananke, deren acht Wirtel die verschiedenen Sphären des Weltalls be­

zeichnen. Die Spindel aber dreht sich im Schoß der Ananke. Weiter ist vom Thron der Ananke die Rede, unter dem die Seelen nach der Wahl der Lebens­

lose hindurchschreiten müssen. Die Verknüpfung des Mythischen mit exakter

Astronomie zieht einen fremdartigen Reiz über die ganze Jenseitsschilderung, legt aber dem eindringenden Verstehen der Einzelheiten des Bildes fast un­

überwindliche Schwierigkeiten in den Weg. 28

Da die bisherigen Versuche, diesen Jenseitsmythos - es geht zunächst um

den Abschnitt 616b bis 617c - aus sich heraus oder im Vergleich mit der parallelen Kosmologie des Timaios tiefer zu verstehen, anscheinend wenig

Erfolg gehabt haben, sei hier ein neuer Weg beschritten. Die Untersuchung von

Ananke ergab immer wieder, daß mit den Wörtern 3e:~v (3e:crP.01;), cruv3ei:v

(crov3e:Ol'.01;) etwas von der Essenz dieses Wortes gegeben ist. Nun finden sich

aber, wie sofort auffallen muß, sowohl 3e:crp.o<; wie crov3ecrp.0<; an exponierter

Stelle des kosmischen Bildes (616 b 7ff.): xed t3e!:v ed)'r6&~ xlX'ra f.LEcrOV 'ro ~&l~

EX 'rOÜ oupavoü 'ra &xpa au'roü 'r&lv 3e:crtJ.wv 'rE'ratJ.iva - dva~ yap 'rOÜ'rO 'r0 ~{;)4:

crÜV3EcrtJ.OV 'rOÜ oupavoü, orov 'ra {rl'to~cGtJ.a'ra 'r&lv 'rp~~peuv, oiheu 'ITfl.aav auv­

ixov Tijv 'ITEP~~Op&v X'rA. Wenn der Sinn dieses Abschnittes, dessen Verständ­nis sehr umstritten ist, einsichtig wird, wäre bereits viel gewonnen. Das Ver­

ständnis hängt aber davon ab, was Platon hier mit den 3e:atJ.o[ und dem a6v-

3e:af.L0<; ('rOü oupavou) meint. Es ist also, bevor auch nur eine Übersetzung der schwierigsten Partie des Mythos gegeben werden kann, vorab der Sprach­gebrauch dieser Wörter bei Platon zu untersuchen. Das Interesse ist zu kon­

zentrieren auf den Bereich der Staatlichkeit, wenn man berücksichtigt, daß die kosmische Ordnung, von der der Politeiamythos handelt, nichts anderes

ist als die Folie und das Musterbild der im "Staat" gegebenen Gesetzesord­

nung. Im Protagoras (322 c) sind Aidos und Dike die 'ITOAeeuv x6crtJ.0~ 'rE xat 3e:cr-

28 Die Problemlage und die sich ergebenden Aporien sind ausführlich dargelegt: vor allem in den Kommentaren von Adam, Jowell-Campbell und O. Maaß. Stallbaum ist noch von Wert. Altere Meinungen zur Kosmologie des Er-Mythus werden bei A. Boeckh, K1. Sehr. III S. 296ff. diskutiert. Eine Außenseiterposition nimmt R. Eisler (\",{!eltenmantel und Himmelszelt S. 93-100) ein. Gundei nimmt (Ananke S. 48ff.) zur Sache Stellung, geht aber nicht auf einzelne Fragen näher ein. Von besonderem Nutzen sind auch für alle mit dem Er-Mythos zusammenhängenden Fragen H. W. Thomas, EIIEKEINA und J. Kerschensteiner, Platon und der Orient.

Weltbindung und Verkettung des Seins; OÜV3Ecrj-tO':;; 8}

p.oL, ~~A(at; cruvayeuyoL Im Politikos (302 e) heißt es von der Staatsform der

Monarchie ~e:ux-&e:~alX p.ev EV yp&.p.f.Laaw &ya&o~t;, 00<; VOP.OU1; Myop.ev, &p(cr1''lj

'1CIXcrWV 'rwv ~~. Leg. 793 b wird dargelegt, die 'IT&'rp~m votJ.m, das Herkommen, seien zwar nicht Gesetze im engeren Sinne des Wortes, jedoch wichtig als

8e:crfloi 'IT&CJI)<; 'ITOA~1'e:(a4:. Vgl. 793 c 'r~v 'IT6A~V cruv3e:!:v und 793 d 'ITam rap

't'o~c; 'rowo-rm4: (sc. v6f.Lm<;, ~&e:m, EmTIJ3Eüf.Lacr~) 'IT6A~<; O'uv3d'ra~. Hier ist auch

. der Ausdruck xa1'a~Euyvup.iva~ 'IT6Ae:~t; (753 e) zu nennen. 921 c wird ge­

sagt '110(1.0<; 0 ßo'lj-&wv ga'reu 'r0 'r~<; 7tOAEeu<; cruv3icr(1.CJ.l tJ.e'ra -&EWV. Ganz plato­nisch ist die Formulierung des siebten Briefes (332 e) etC; 'rat; ... 'IT6Ae:~t; XIX-rO~­X(cre:~eV VOf.LO~<; 're: O'UV 3~ cre: tEV xa1 'ITOA~'re(at<; X'rA., und platonisierend ist die

DeEnition ot yap vOtJ.m 'ITo/,e:cGv e:tm cr6v3e:cr(1.0~ bei Sextus Empiricus adv. mathem. II 3' (p, 661 Bekker). Aber auch in der Follteia selbst fehlt ein sol­cher Sprachgebrauch nicht. auv3e:~v xat 'ITme:~v (1.(av wird (462 b) mit Bezug

auf die Einheit des Staates gesagt von der ~30v~<; xat Al17t'lj4: xmveuv[1X (der Ge­

gensatz ist 3~aME~v), wozu sich leg. 875 a stellt: -ro tJ.€V yap XOtvoV cruv3e:~,

'ro 3i: t3~ov 3~w:m~ 'ra<; 'ITOAe:~t;.29 520 a wird der cr6v3Ecr(1.0t; r~<; 'ITOAt-re:La<; ge­

nannt. Unmittelbar vorher heißt es (519 e) cruvap(1.6'r-re:tv 'rOD<; 'IToAhac; 'ITet&o!: 'rE:

xIX1 &v&yxYJ. Daß Ananke hier auftritt, ist von größter Wichtigkeit. Das

Wort meint in diesem Zusammenhang nur die gewaltsame, keinen Wider­spruch zulassende Bindung durch das Gesetz im Gegensatz zum gütlichen

Zureden ('ITe:~-&cG). Der Nomos aber ist gerade der Träger des cruv3e!:v 'rODe:;

7toAha<; und des cr6v3ecrf.L01; 'r~c; 'ITOAeeu4:.30 Somit rückt auch im politischen Be­reich Ananke bedeutungsmäßig eng zu cr6v3e:crtJ.04: und cruv3e:i:v.31 Ananke als bindender Nomos ist aber nun nichts Neues: die Ananke Physeos erwies sich

bereits als das bindende Gesetz der Natur. Nun zurück zu den 3e:cr(J.o( und

zum cr6v3e:crtJ.0<; 'rou OUPIXVOÜ des Anankemythos. Ananke muß mit dieser Him­mels- oder Weltfesselung in einer Wesensbeziehung stehen. Vorweg drängt

sich die Vermutung auf, daß Ananke, die Zentralfigur des ganzen kosmischen

29 (Juv3dv ist also geradezu eine Paraphrase für nOtE!:V j-t(av. Das Moment der Einheit beim crüv3eaj-toc; wird sich als wichtig erweisen. V gl. vorerst noch Pol. 443 e von der Harmonie der drei Seelenkräfte: (Juv31jaaV'ta xd naVT&na(J~1J ~va YEv6j-tEIJOV ~x 1tOAAWV, crril1'Pova xat ~Pj-tocrj-t$vYJIJ.

30 Hirzel, Themis S. 359 spricht in diesem Zusammenhang von dem "Band, das sich ... als Gesetz um den Menschen schlang und seiner Freiheit und Frechheit ein Hemmnis schien." V gl. 397: ,. ... das straffe gesetzliche Band, durch das die einzelne 1t6A~':;; im Inneren zusammengehalten -wird.«

31 In einem ganz anderen Zusammenhang, im Rahmen einer erkenntnistheoreti­schen Erörterung, findet sich die Verbindung &v&yx1J (Juv3e!: (Theaet. 160 b). Vom Sprachlichen her interessant ist auch die früher beobachtete Entsprechung fJ.ye~v &v&yx'n ,..", (Juv3'~(JaIJTa fJ.YEtV.

6*

i I

Page 46: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

Vision, nichts anderes ist als das persongewordene große Weltgesetz, das den Kosmos bindend durchzieht und zusammenhält und seine Einheit und ge­schlossene Ordnung im Sinne einer Polis garantiert. Dabei ist offenbar für den Zweck des Mythos zwischen der Person der Göttin und ihrer konkreten Erscheinungsform, den Fesseln oder Bändern, unterschieden. Sich die Welt und das Weltall als eine geordnete Polis vorzustellen,32 ist für den Griechen gar nicht so ungewöhnlich, und im Sinne einer hier vorzuschlagenden Par­allelsetzung von 'T~C; 7tOAeWC; auvo€ap.oc; ...., auvo€a[J.oc; 'TOÜ oupavoü interpretiert auch Proklos in seinem Kommentar zur Politeia, (eIva~) '1""Ijv EV oupav<1) 7tocaCl.V

7toAt't"d11.V 7t11.p&O€ty[J.11. 't"~e; apLaTfJe; (11 98, 6 Kroll). In diesem Zusammenhang spricht er von der xoa[J.LX-IJ 7tOAL't"€L11. (bzw. ~ EV 'T<1) x6afL<p 7tOAL'T€L11. 11 98, 14). In diesem Staat seien die Götter die Wächter und Aufseher 't"wv xoap.Lx&v

v6p.wv, oDe; ~ 'Te' AvayxYJ xat 11.~ 'T11.ll't"YJC; 7t11.t:O€e; de; 'TO 7taV oL11.i}ea[J.oi}e't"oümv. Man vergleiche 11 100: 'Tac; MO(p11.e; (die Töchter der Ananke) ... X11.t '1""Ijv ' AvayxYJv,

&<p' iLv ot VOP.OL 7tanee; ot xoa[J.LxoL Dazu stellt sich II 99, 10 't"IXÜ't"1X 0' OUV 7trXV'TCI.

alX<pwe; O!P.IXL 7to::p(aTiJmv U7tO 'Toüoe 't"Oü [J.ui}ou A€y6p.€vo:: 'TO 7to::p&.O€LYP.1X 'T~e; :Ew­

Xpo::'t"LX1je; 7tOAL't"dlXe; EV 't"i)) x6crfL<P ... 't"~e; 7tOAL't"do::e; 5AWe; 'TO dooe; EV 'T0 7tIXV't"t

7tpOÜ7tapxov a7to<pa(V€L X'TA. Kosmische und irdische Politeia, Musterbild und Verwirldichung werden also gegenübergestellt. Die irdischen Gesetze ferner nur gXYOVOL der xoap.Lxot vO!J.m und wer jene verletze, sei auch Feind kosmischen Gesetze (II 176). Damit ist Ananke als das große Weltgesetz Inbegriff und Ausfluß aller Gesetze schlechthin. Wie dem auvo€ap.oe; kc,mmt ihr vereinigende Kraft zu (EvoeLo~c; xp&'t"oe; 't"n ' Avocyx1l 7tpodYjxov II 2.45). ProHos von der' Av&yxYJ 7t&V't"1X 7t€ptAIXßoüaa 't"ot:c; ElXu-riJe; &xALv~mv 5pOLe; sl',ric:hf (Il 246) und sie als auv~xouQ"lxv oE: &xÄwwe; 'Ta 7t&V'TOC x11.l op(~ouaocv (Il 207)

zeichnet, so interpretiert er auf seine Weise die den gesamten Um,;d,wunR zusammenhaltende Weltfessel Platons: 7t(iaocv auv~xov 't"~v 7te:PL<pOp&V (616

Die Mehrzahl der Erklärer ist sich darüber einig, daß sowohl die K,osnnolo· gie des Er-Mythos wie die des Timaios eine nicht geringe pl'thagor"isier,en,:le Färbung aufweisen. Und so wird denn auch, vor allem zur Erläuterung

32. Dazu Hirze1, Themis S. 283 f., 393. 33 Das ouvexew findet sich im kosmischen Sinne auch Gorg. 507 e. cpo::oi 3' ot

••• xcd oüpor;vov xo::~ ytjv xd .&eo~ xcd &v&PW1t"out:; 't"~v xO~\l{Uv~av ouvexe~v xat xat xoo[l~6't"'IJ't"a xat owtptpoouvYjv xat 3~xa~6TYj't"a, xat 't"o lJ"Aov 8~d: 't"atha x6cr[loV xaAo[;o" Mit Recht wird hier pythagoreisches Gedankengut vorausgesetzt (Hirzel225 f.; Plato und die sogenannten Pythagoreer S. 34). xowwvLa.: und xo~v6v zeigten sich bereits als Träger des ouv3dv 'r~v 1t'6AW. Bemerkenswert ist hier auch der von (274-284) ausführlich erläuterte Bezug von x6o[.tot:; auf die Verfassung einer insbesondere auf oligarchische Verfassungen mit ihrer straffen Gesetzesbindung. jetzt J. Kerschensteiner, Kosmos S. 14 mit Anm. 2.

Weltbindung und Verkettung des Seins: ouv3e:o[.tot:;

Sphärenspindel der Politeia, nicht zu Unrecht auf die Struktur der Weltseele im Timaios verwiesen. Davon wird weiter unten noch die Rede sein. Vorerst ist auf Beziehungen sprachlicher Art zwischen beiden Komplexen aufmerksam zu machen, die geeignet sind, den auvoeafLoe; 't"oü OUPIXVOÜ weiter zu erhellen. x6(ifLOe; 7tOAL't"LXOe; ist der schön geordnete Staats bau, den die platonischen No­moi bezwecken (736 e), x.oa[J.oe; heißt aber auch der Weltkörper im Timaios (z.B. 32. c); und so wundert es nicht, in der Kosmologie des Timaios Begriffe vorzufinden, die besonders auch zur politischen Terminologie gehören. Lehr­reich ist dafür der Abschnitt 31 b-32. c: Gott bildete den Körper der Welt aus Feuer und Erde. Zwei Dinge aber allein ohne ein Drittes zusammenzufügen ist nicht möglich, denn es muß ein vermittelndes Band (oeafL6c;) da sein, das beide vereinigt. oeafLwv o~ xocAA~a't"Oe;, (je; &1,1 whov xo::t 't"a auvooup.ev11. ß't"L ~&.ÄLa't"oc ~v 7tmn, -roü't"o 7t~q)UX€V &vlXÄoyta xc<:ÄA1a't"oc &7tO'T€Aet:v. Die mit der ver­bindenden Fessel gegebene Vorstellung der Einheit und Proportion wird dann weiter ausgeführt. Proportion und Einheit bestehe, wenn von drei Größen die

. mittlere sich zur letzten verhalte wie die erste zu ihr selbst. Im dreidimensio­nalen Raum aber genüge eine fL€a6'TYJe; nicht 't"& 't"€ [J.e%' atdi}e; auv O€t:v xc.::!.

elXl)'t"'~v (32 b), sondern es bedürfe zweier p.€a6't"1J'Tee;, in diesem Fall Luft und Wasser zwischen Feuer und Erde ('t"a o~ a't"€P€a [J.(oc /-LE:V ouoe7to't"e, 860 o~ &et

(J.€a6't"YJ't"e:c; r:Juvocpp.o't"'t"ouaLv). Unter Berücksichtigung dieser Proportion baut Gott den Weltkörper: auv€oYJae:v xcd auv€a't"~cra't"o 'oupocvov opoc't"ov xoct • 6 ' "" ~" "" I ,..." ..." 1X7t't" V. XOCL OLO:: 't"au't"a €X 't"e OYJ 't"ou't"wv •.. 't"o 'TOU xoap.ou aw[J.oc e:ye:w~-&YJ OL' &VOC-

ÄOYlOCC; O[J.oAoy~aocv, <p1A(OCV 't"€ ~ax€v ex 't"OU'TWV, &a't"e €tc; 't"OCU'TOV OCU't"w auveAi}ov

&'AI)'t"OV Ü7tO 't"ou OCÄAOU 7tA~V U7tQ 't"oü auv o1jaocv't"oc; ye:V€cri}cu. Mit auv~o"f)aev .•.

oöpocv6v ist eine wichtige direkte Parallele zum auvo€ap.o~ 't"oü oupocvoü des Poli­teiamythos gegeben. Wenn nun xoap.oc; und oupocv6e; im Timaios auswechsel­bare Begriffe sind (vgl. 30 d 1, 31 a 2, b 2. ), )2 b 7, Ci), so ist damit zu rechnen, daß auch bei dem a6vo€a[J.oe; 't"oü oupocvoü des Staates nicht etwa in OUPIXVOC; der Himmel im Gegensatz zur Erde oder ohne Einschluß der Erde, sondern das Weltall schlechthin gemeint ist (so schon Stallbaum). Eine weitere Vorleistung für die Interpretation des Er-Mythos ist die Einsicht in die Art der das Weltall konstituierenden "Fesseln": die Fesselung ist Bild und sicht­barer Ausdruck der zwischen den Teilen des Kosmos bestehenden gleich­gewichtserhaltenden Proportion und Harmonie. Der Syndesmos ist das Sym­bol der Analogia. Dieser aVIXAoy(OC entspricht im Gorgias 508 a ~ ta6't"YJe; ~ ye(Uf.I.€'t"ptX~) die als gemeinschaftliches Band Himmel und Erde, Götter und :Menschen zusammenhält.34 Von größter Wichtigkeit ist jetzt, daß auch An-

94 Der Bezug dieser Stelle auf die aVIXAoy(o:: als das Band der Welt im Timaios ist ,<"on Frank (S. 37) richtig gesehen. Auch hier wird man pythagoreische Gedanken

Page 47: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

86 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

anke sich in solchem Zusammenhang einfindet (Phaidon 108 e): 7!Ene~crfLC(.~

't'o~vuv) ~ 3' (Sc;, eyc1 wo; 7tp&'t'ov tJ.sv, e:t ~O"tW ev (J-EcrC)) 't'i]) oupavl:) 7te::p~cpep~c; oÖaa,

p.."fJOE:V aU't'TI öz[;v tJ-~'t'e &spoc; npoc; 'TO (J.:/j ne:cre'i:v (-L~'t"E &ÄAYJC, &v&YX"fJc, f.t:f)oep.~C(c;

't'moc(yt'"I)C;, &AArX txC(.v~v e:IVIX~ auTIjv taAew TI)v op,oL6't"y)'t'1X 'ToG oupo:;vou o!:tvroG EIXU't'(J)

TI&.V't"1) xo:;l 'r'7)c; yYjc; octrr.'fjc; 'T~V r 0"0 p P 0 rda v. Auch hier meint oupa.:voc; das Weltall. OfLOLO't'"fJC; und lcropporda liegen auf einer Ebene mit &WJ.AOY[rx und lao'rl]<; yeoo­

fLe't'pLx.~. Ananke ist eine bindende Befestigung, die die Erde in ihrer Lage hält. Daß nur so zu verstehen ist, zeigt die parallele Partie 99 bjc: OLO o~ xed 0

'TL'; ohr!)v ne:pvn&e:t.:; -rTI YTI uno TOU oupavoü !-LEVELV o~ 7tOLe:'i: 't"~v y'7)v, 0 oe wanep xocp861t'<p 7t'AG<'reLCf ß&.&pov 'rov aepa u1t'e:pe:f~e:~' 'T~V o~ 'roG w~ oIov 're: ßeA­

-r~cr-ra IXU-ro: 'Te:&ijva~ Mva(J.~v o{hw 'lUV xe:iO'{}a~, 'Tau-r'f)v ou-re: ~"f)'TouO'w ou't'e: 'r~vo: o'Cov­

't'a~ ~IX~(J.ovfav lO'xuv ~Xe:~v, &AAO: ~youv't'a~ 't'OU'TOU ,/ A'TAav't'a &v 7to't'e: LcrXUPO'Te:pov xal

&&o:.va'T({)-re:pov xG<~ (J.OCAAOV &1t'IXv'Ta O'uvexov-ra s';e:upe:iv XIX!. ... 't'o aya&ov xat oeov

cruvoe:iv xa!. O'UVSXe:LV ouoev otov'Ta~. Naive Kosmologie, nach der die Erde einer Stütze oder bindenden Befestigung bedürfe, wird also ebenso abgelehnt wie die mythologische Deutung, nach der Atlas mit Schultern und Armen den Himmel stützen und umldammern muß. Hier tritt für o(J.mo'T"f)~ und lO'op­

po7t~a "das Gute und Richtige" ein, wodurch av&yx"f), d. h. eben ein konkretes O'uv~e:iv xcd O'uvexe:~v, überflüssig wird,36

Die große kosmische Göttin Ananke des Er-Mythos steht, soviel ist jetzt sicher, in einer Wesens beziehung zum O'UVo€O'[.LO~ 'TOU oupO'.vou. Obwohl nun diese Weltfessel nur als Gleichnis oder Symbol der Proportion und des har­monischen Gleichgewichtes der einzelnen Himmelskörper zu nehmen ist, stellt sich doch die Frage nach ihrer konkreten Gestalt; einmal, weil die Schilderung Platons selbst sehr konkret wird (z.B. 616 c 3 der Vergleich mit den Trieren­gurten), zum anderen, weil im Hinblick auf Ananke als die große Weltfessel der frühen Kosmologie interessiert, was im einzelnen bei Platon daraus ge­worden ist. Es geht also weiter um den Begriff Syndesmos. Als wichtig erwies

sich bisher die Entsprechung cruv8e:iv oupavov (O'uvoe:O'(J.o~ -rou oupavou) "" 'T~V

vermuten, wie denn m)\l8€O"fL0'; überhaupt ein genuin pythagoreischer Begriff (W. Jäger, Nemeslos S. 109. 112 Anm. 1 und sonst). O"uv8dv ist bei Euripides (Phoen. 5 36ff.) das Prädikat der den Frieden sichernden Isotes.

35 Die Beziehung von 8[v'f) zu &wxyx'f), die hier auffällt, wird in einem späteren Ab­schnitt zu behandeln sein.

Im übrigen ist hier anzumerken, daß Platons Vorstellung von der Homolotes an- ' satzweise vielleicht schon auf Anaximander zurückgeht. Darauf deutet wenigstens Fr. A 26 D.: die Erde bleibt 8~a "r7Jv o!-to~6't'f)'t1X bzw. e~ &vaYKf)'; in ihrer Lage.

Wo in solchen Zusammenhängen oUplXv6.; sich einstellt, ist das Wort nicht mehr "Himmel", sondern soviel wie x60"j-L0,;. Dazu jetzt J. Kcrschensteiner, Kosmos 30. 32.

34ff. 208 ff. und sonst.

Weltbinduflg ulld VerkettUJIg des Seins: 0"0\l8I>O'p,0<;;

7C6A~V O'uv3e:'i:v (O'Ll'v~e:O'~o~ T9)~ 1t'OAe,(.iJ~). Welche Struktur dieser Syndesmos hat, ist nicht so ohne weiteres ,zu sagen. Von der Wortbedeutung her bieten sich zwei Möglichkeiten an. Einmal ist mit auvoe:iv und O'uvoeO'(J.o~ ein :tvIittleres oder Drittes gegeben, das zwei Dinge miteinander verbindet. So ist das O'uv-

8äv der Beine und Arme gemeint Od. 10, 168; 22, 189. Platon stellt entspre­chend im Timaios 43 d (J.e:cro'T'(j'Ta~ xal O'uv8eae~~ zusammen, und noch Jamblich läßt den O'uvoea(J.o~ i}e:wv 'Te: XIX!. tfuJ(wv durch die .,Mittelglieder" der Dämonen und Heroen zustande kommen (de myst. 1, 5, Parthey). Hier berührt sich aU\l3äv mit ~euyvuva~, wie Plato Rep. 507 e- 508 a zeigt: durch ein Drittes als verbindendes Medium (~uyci) ~~uY'f)O'av, vgl. ibid. O'u~eu';eÜlv), und zwar durch das Licht, werden der Gesichtssinn und das Vermögen des Gesehenwerdens verbunden. Man denke hier auch an die bekannte Redewendung ~e:uyv6vG<~ 7to't'a(J.ov vom Bau einer Brücke, die beide Ufer eines Flusses verbindet. Zum anderen ist O'uv8e:cr(J.o~ ein mehr als zwei Dinge verbindendes und zu einer festen Einheit integrierendes Band. Hierfür ist auszugehen von Thuc. 2, 75, 4 und 5, wo es von den belagerten Platäern heißt, die Gegenmaßnahmen ge­gen einen Damm ergreifen: sie zimmerten eine (gerüstartige) hölzerne Mauer und stellten sie dem Belagerungsdamm gegenüber auf die Stadtmauer. Dann mauerten sie diese mit Ziegelsteinen aus ... .; UV S€ O'(J.O ~ ~v aU'Toi~ 'TeX ~UAG<,

'TOU (J.'~ Utf"f)AOV y~yv6(J.e:vov &cr&evE:~ e:!va~ 'TO o~xo86(J.'fJ(J.a. Das ist ein "Gerüst", das wie die verbindenden Balken eines Fachwerkhauses das Mauerwerk durch­zieht und den festen Verband des Ganzen garantiert. Ähnlich wird O'uv8e:0'~0~ auch auf Verband und Gefüge des menschlichen Körpers bezogen im Corpus Hermeticum IV 23, 39, wo es von Seelen, die nach der Ensomatosis wieder in den Himmel kommen, heißt 'TOV S1t'(x'fJpov 'T:WV O'apxwv O'uv8e:0'(J.0v xa'T:a­Amou"",,; und bei Euripides (Hipp. '99) klagt die liebeskranke, schlaff auf einem Bett liegende Phaidra äpa'T:E [.LOU 3E(J.a~, Öp&OUT€ x&pa' AEAu[.La~ (J.€AeÜlV

cruv8e:0'}La, d.h. die die einzelnen Körperglieder verbindenden und den Kör­per als- ganzen straff und aufrecht haltenden Sehnen sind erschlafft. Bei den &qJwv XIX!. O'uv8ea(J.wv des Paulus (Kol. 2, 19) sind die "Gelenke und Sehnen'c des Körpers gemeint. Hier steht O'UVO€O'(J.o~ für das üblichere veupov. Im Poli­tikos Platons 305 e - 31.1 c geht es um die Aufgabe der Staatskunst, die ver­schiedenen Teile der Tugend, die zwar grundsätzlich einander freund sind (&AA~AO~~ 'T:& ye: T~~ &p€TYj~ (J.op~a AEye:'Ta~ 7tOU qJrA~a 306 b(c), aber doch auch eine divergierende Tendenz aufweisen, zu vereinigen. Das ist der O'üv O€O'(J.o~ &pe:­

T~~ (J.EpWV, ~ude:w~ (tpuO'e:~ wird konjiziert) avo(J.o(wv xat E:1t't 'TavaV't'~a tpe:pofLSVWV.36

36 Rudberg, Parallela S. 20 verwechselt objektiven und subjektiven Genitiv, wenn er versteht: "die Tugend als das zusammenhaltende Band".

Page 48: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

88 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

Im gleichen Zusammenhang auch cruv8"e!:v xal O'Uf1.7tAEXe:W (309 b), auv'IJP[J..ocra.­

I-dv~ 3ecrfLiii (309 cl, crufLltAOX-~V ,,~t 3ecrfL6v (309 e) und 3ecrfLoo<; cruv3eiv (310 e). Wenn hier die verschiedenen Tugenden einander freund sind (cp(A~a), so ent­spricht dem die Äußerung bei Simpllldos in Epiet. Ench. 208 A: xa/\(;)c;: ot TIu&ay6pe:wL 7te:p~O'criDc;: 'r&v cJ..:AAWV &pETWV 't'~v qn'A[cx:v h((-LülV xcd cr 0\1 öe a(J-o'V WJ­'r~v 7tl'J.crwv 'TWV &pe:-rNV ~Ae:yOV. Bei Dia Chrysostomos Or. 2, 38, 11 wird die

Eintracht unter den Menschen auf ein göttliches und kosmisches Prinzip zurückgeführt. Von der o[.L6votoc wird gesagt xcd cp~A[OC eO"'n xoct X.tj:~(J.AA(I:Y~ x,cd cruyyevew; x,ed 't'aü't'IX 7ta.V't'C( 7te:p~dA"I)<pe:v. Ka1 'Tel O''t'OLx.e!:oc ÖZ 't't &AAO ~ ofL6vOLOC

cruvöet:; In diesen Zusammenhang37 fügt sich die Aussage des Neuen Testa­mentes (Ko1. 3, 14) ein: zieht also an ... herzliches Erbarmen, Freundlich­keit, Demut, Sanftmütigkeit und Geduld ... zu alledem aber zieht an die Liebe, das ist das Band der Vollendung (&ya1t'Y)v, ö €cr'nv cr))VO€crp.o<; 1'~<;

't"EAEL6't"'1)'t"o<;). Es ist nötig, zu betonen, daß 'TEA€L6't"'Y)<; objektiv zu auvo€ap.o<; zu nehmen ist. Die "Vollendung" ist die Summe aller Tugenden, und Agape ist es, die als Band alle diese Einzeltugenden gleichsam an der Leine hat und zu einer Einheit integriert.3B In ihr als Zentrum laufen, um so zu sagen, alle Fä­den zusammen, auf sie als Inbegriff aller Tugend sind die einzelnen Tugenden bezogen. Ganz in diesem Sinne versteht sich Dio Chrys. Or. 1, 32, 36 die­Aussage von der Handels- und Verkehrsmetropole Alexandria: XE~'TC'(L rap €V

auv otap.C}l 't"Lvl 't"~<; ßA'1)<; r~<;. Diese Stadt ist eine Art Zentrum der bewohnten Erde, in ihr als Knotenpunkt laufen gleichsam die Fäden des Weltverkehrs zusammen. Das Bild des Knotenpunktes liegt auf jeden Fall nahe, und Euri­pides Bakch. 696f. v€ßp(oa<; 1" &V€cr1'dAav&' ßcraLow ocp.p.&'t"wv crUVO€O'p.' eM­AU't"O stützt noch diese Deutung.

Der Ausgangspunkt der Untersuchung von O'UVO€O'p.o<; war der Abschnitt 616 c: die Seelen auf ihrer Wanderung sehen xa't"a p.tO'ov 'TO rpw<; €X 't'oü oopavou

't'a &xpa ao't'oü 't'wv OEO'P.WV 't'E't'ap.tva - dvaL rap 'Toü't"O 't"o rpw<; O'UVO€O'p.ov 't'oü

o U p av 0 U, oIov 'Ta Ö1to~wp.a't'a 't'wv 't'PL~PWV, ot)'t'w 7toccrav O'uvtxov 't'~v 7tepLrpopav.

Umstritten ist der Bezug von ao't'ou, das man Zu <pw<; wie auch Zu oopav6<;

gestellt hat. Aber das unmittelbar folgende O'uvoeO'p.o<; 'TOÜ oopavoü macht auch die Zuordnung der oecrp.oL zu oopav6<; wahrscheinlich, das ohnehin dem ao't'oü

näher steht als <pw<;. Sichere Auskunft aber bietet ein Blick auf den vorge­legten Sprachgebrauch von cruvoecrp.o<;, der das Nebeneinander von oecrp.oL und crUVO€crp.o<; einsichtig macht: cruvoe:crp.o<; setzt oecrp.ot voraus; von einem crUVO€O'-

37 wie A. Friedrichsen (S. 2.6) richtig gesehen hat. 38 Das Moment der Einheit ist beim Syndesmos immer wichtig. So nennen Liddell­

Scott S.V. O"oVOEO"flo<; u.a. Aristot. Rhet. 1430 b 32. (O'ovoe:O"fLo<; €V 1toLd 't'a 1tOAA&.) und Anal. post. 93 b 36 (cruVO€O"/loCP gv).

Weltbindung und Verkettung des Sein,r: {m6~ro[J.1X

1-'-0<; whd vor allem gesprochen, wo Einzelglieder durch Bänder sich zu einem Verband vereinigen und die geschlossene, auf eine Sachgesamtheit oder ein Zentrum bezogene Einheitlichkeit dieses Verbandes bezeichnet werden soll. Damit ist auch rap in etvaL rap X't"A. verständlich: als sie sich in der Mitte des Lichtes befanden, sahen sie, wie sich vom Himmel herkommend seine (des Himmels) Bänder ausspannten - denn es ist dieses Licht, das den bindenden Zusammenhalt des Himmels bewirkt.

Die volle Erklärung lautet d\la~ rd:p 't'Ol)'t'o 't'o <pw<; cruvoecrp..ov 't'ou oopavou, otov

-rd: u1to~wp.a1'a 't'wv 't'p~~pwv, ot)'t'c,) 1C'ficrav cruvtxov 't"~v 1C€P~<pOP&.v. Damit rückt der Vergleich der Lichtsäule mit den Hypozomata der Trieren in den Mittelpunkt des Interesses. Was sind diese Hypozomata? Die Mehrzahl der Erklärer ver­steht sie als Gurte oder Taue, die in Längsrichtung um das Schiff laufen und den Verband und das Gefüge des Rumpfes mit ihrer straffen Zurrung sichern. Man darf in diesem Zusammenhang an das ~€ü~a~ vaü<; bei Thukydides (1, 29, 3

~€u~aV't'€~ -re 't'd:C; 1CaÄaLa~ &cr't'E 1CAW·ttL0UC; Elva~), an die ~wp.eup.a't'a bei Aristo­phanes Equ. 279, an das val)<; U7tO~WWU€~V bei Polybios (27, 3, 3) sowie U7tO­

~WWUELV 't'o 7tAO!OV (Acta Apost. 27, 17) denken. Dazu ist zu stellen Apollonius Rhod. 1, 367ff. (v~a) e~wcrav 7tap.7tpw1'ov €Ucr't"pe<pE! eVOOi}EV 57tA<{} / 't'€~V&P.€VO\l

!x&.-re:p&€V, tv' eO &papola't"o y6P.I'flOL<; / ooupa-ra xat POi}tOLO ßLYJVeXOL tivn6wcrav und Horaz Od. 1, 14, 3 ff. Nonne vides ... et malus celeri saucius Africo / an­temnaeque gemant, ac sine fumbus / vix durare carinae possint imperiosius aequor? Vgl. Vitruvius 10, 1~, 6 und Isid. Orig. 19,4,4. Die Summe dieser Nachrichten39 ergibt, daß die Hypozomata sich vom "Zusammenbinden" (I<opecky S. 120ff.) von Schiffen verstehen, das innen- oder außenbords er­folgen konnte. Zu beachten ist, daß diese Hypozomata bündelweise ange­bracht wurden40 und daß sie zur Kielverstärkung dienten, d. h. den Zusam­menhalt des ganzen Schiffskörpers garantierten.41

Damit scheint der cruvoe:crp.o<; 'TOl) oopavou erklärt: in der Lichtsäule als Zen­trum vereinigen sich bündelartig die verschiedenen, aus der Tiefe des WeIt­raumes herkommenden Bänder. Auch der Vergleich der Lichtsäule mit einem

3D Sie sind behandelt bei JosefKopecky, Die attischen Trieren S. u8ff. 40 Vier bei Vitruv 10, 15; 6; zwölf werden genannt bei Liddell-Scott S.V. 61t6~ro[.t1X

aus Callixinus; auf insgesamt sieben Taue läßt die Abbildung im Politeiakommentar von Adam II 443 schließen; vgl. Kopecky S. liSf.

41 Mit Sicherheit falsch ist die Deutung des Proklos (in Plat. remp. II 2.00 Kroll) xcd rap 't'~ 61to~w/lolX't'oc ;tlAIX ~O"'t'lv ~x 1tPO\LvYj<; er<; 1tpWPIXV a~~XO\l'tIX, denn nicht "Gürtel­planken" (vgl. Kopecky S. 19) sind gemeint, sondern dicke Taue oder Stricke, die als Kielverstärkung dienten. Sie hatten zur Sicherung des Längsverbandes wohl die gleiche Funktion, wie sie heute noch beim Bootsbau den sogenannten Stringern zu­kommt.

Page 49: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ananke als theologischer lIud kosmologischer Begriff

Regenbogen (616 b cpw~ su&u, orov xto-wx, (.L&A~rJ't'OC 't'fj tpd~~ npoacpsp'lj) fügt nun sinnvoll ein: ein Regenbogen, d. h. der oft nur allein sichtbare pn,u"r, artige Seitenteil, hat durchaus das Aussehen einer Säule, die von oben senkrecht in die Erde einzudringen scheint, wobei die verschiedenen stränge das Ganze wie ein Bündel erscheinen lassen. Die Ip~c; als zu nehmen, wie alle Interpreten des Anankemythos verfanren, ist keineswegs geboten und führt zu unlösbaren Aporien. Übersehen wird auch, daß der Vergleich der Lichtsäule mit der Iris durch (.L&A~a't'oc (annähernd, schon von Platon leicht eingeschränkt wird. Erst recht ist der Vergleich ständlich, wenn man bedenkt, daß der Kiel von Trieren niemals gerade lief, sondern am Heck sich zu einem Bogen aufwölbte, also durchaus (liegenden) Pfeiler eines Bogens glich. Ganz unbeachtet ist in diesem ,,"U,"'TI-',

menhang bisher auch die einzige Stelle geblieben, an der die Hypozomata Platon noch einmal auftreten (leg. 945 c-d), und gerade diese Stelle die bisherigen Feststellungen. Dort geht es um die Euthynoi, die als oberste Kontrollbeamte die Bürgen der Einheit des Staates sind: 7tOAAot xrX~po~ 7tOA~­

't'docc; AUaS6l~ da~v, xrX&&.7tSP VE@C; ~ Sc{lOU 't'w6c;, of)~ e:v't'6vouc; 't'€ xoct

(.Loc"t"rX xcd veup<.Uv e:m"t"6vou~ npOITayopEuo(.LSV ... wenn aber bei der Prüflml" der Beamten anders verfahren wird, 't'6't's Au&dIT"I)c; 't''lj~ 't'tl. n&V't'rX 1toA(~eüfw."i.

I ' ''; r:;:.! , ~ , \ ~ , C\ \", , O'UVsxoUO"IJ~ E~~ I::V OLX"l)~, 't'au't'TI 7taO'a rXpX'tJ o~sO'7tacr'lT"I) X<.UP~~ s't'SPrX ocn dann also löst sich das Band der Gerechtigkeit, das alle einzelnen oraaUKU,Cfij

Einrichtungen zu einer Einheit integriert. So ist jede Behörde von den u' ung;eICl'

getrennt, und sie haben keine gemeinsame Richtung mehr und machen so Staat aus einer Einheit zu einer Vielheit (noAAtl.c; e:x (.LLiiC;; 't'~v n6),Lv 1to(oucra()/

Hier geht es genau um das, was sonst cruv~sO'(.LO~ "t"'ljc; n6As<.U~ heißt. Die Par~ allele zum Er-Mythos ist klar: das niiO'rXv O'UVEXOV "t"~v nepLcpop&.V hat seine Ent­sprechung in "t"tl. 7t&V't'rX noA~'t'eu(J.rX't'a crUVEXOUcrrX et~ ev B(x'l], und cruvExe~v steht also für das vollere (JuvExe~v dc; ~v. Mit Au&eta'IJC; ist der bindende ,"nan(K­

ter der Dike betont,42 die damit den Hypozomata zugeordnet ist. Von vsupa aber sagt Platon wiederholt, daß sie mit den Knochen zusammen leibliche Gefüge des Menschen konstituieren (Phaidon 80 d, 97 c, 99 a). sind Knochen und Fleisch verbindende Bänder (Tim. 84 a auvBdv,

und dienen überhaupt zum n&.v't'oc 't'tl. (J.€A'I] auvBs{;v (Tim. 74 b). Die eirlzeln<'u, Glieder und Teile des Körpers werden also durch die VEÜPrX zu einer Elnhelt,. Darum kann es bei'Philon in Flaccum i9oheißen: vsuP<.Uv ... o!~ ~ "o(v"'>v,« auvs~d't'o niiarX 't'OÜ crw(J.rX"t"o~. Die Platonische Formulierung auvExe~v Et~ ~v, zum Verständnis des auvBEa(.Lo~ "t"OÜ ouprXvoü führt, meint, so wird jetzt lieh, nicht eine von außen her umgreifende und umfassende Bindung,

322 C, wo Aidos

Weltbindung und Verketlimg des Seil1S: Un;6~W{L«

den von innen heraus, von einem gedachten Zentrum her erfolgenden Zu­sammenhalt des Ganzen. Auch von daher ergibt sich eine Korrektur der bis­her üblichen Auffassung der Hypozomata als Bild der die Welt von außen her umschließenden Fesseln. Gerade diese Deutung hat die Schilderung Platons unverständlich werden lassen, denn die vom Text her sich ergebende Parallel­stellung Iflwc; - auvBscr(.Lo~ - unOS6lf.Loc't'oc schien ganz und gar widersprüchlich. Die Hypozomata sind in Wahrheit ein Bündel von Gurten, die den Kiel ver­stärken, der wie ein Rückgrat den Schiffs körper zusammenhält. 43 Ganz im Sinne der pythagoreischen cruvox~ ist also nii(Jav auvexov 't'~v 7tep~cpop&.v zu ver­stehen: wie die VEÜPO:: die verschiedenen (.LEA'I] des Körpers zusammenhalten, so sind die Bsap.o( (6i6 c 1) Bänder, die von den umlaufenden Planeten aus­gehen (vgl. e:x 't'OÜ ouprXvou 6i6 c 1) und mit ihren Enden zur Weltachse hin ausgespannt sind, um die herum sich die gesamte nzpLcpop&. (der Planeten als der Teile des Weltkörpers) vollzieht. Die Weltachse - unmittelbar danach 'Av&yx'lJ~ &"t"pax't'oc; genannt - ist gleichsam das Zentrum und feste Rückgrat des We1tkörpers, das wie der Schiffskiel mit seinen Hypozomata den Zusam­menhalt des ganzen Gefüges gewährleistet. Man hat die Weltschöpfung des Tirnaios mit Recht als eine Art "Kommentierung des Staatsmythos" verstan­den.44 Dort ist Gott der cruvB~crrX~ des Weltkörpers (32 b). Dieses O'UVOEtV

erwies sich aber nur als Metapher des Prinzips der mathematischen Propor­tion (&vaAoy(rX) und des Gleichgewichtes (tcr6't'"I)c;, tcrOPP01C~rX), und so wird man denn auch die Weltfesseln des Anankemythos als Bild der Harmonie des Kos­mos zu nehmen haben.

Nachdem jetzt mit der Untersuchung von auvBsa(J.oc; und un6Sw(J.rX eine we­sentliche Vorleistung zum Verständnis des Anankemythos erbracht ist, kann eine Übersetzung der schwierigsten Partie 616 b 3 ff. versucht werden:

"Am vierten Tage erreichten wir einen Ort, von dem aus wir ein Licht erblickten, das sich von oben her durch den ganzen Himmel und die Erde geradenwegs ausspannte. Es war wie eine Säule, glich am ehesten noch dem Regenbogen (d. h. einem seiner Pfeiler), war ab~r heller und reiner. Nach einer

43 Damit liegt der Vergleich mit dem Zentralfeuer der Pythagoreer sehr nahe, das nach der Aussage des Phiiolaos 't"p61t'EW~ 3(x"f)'J, also wie ein Kielbalken dem Welt­ganzen eingezogen wurde (A 17; 14°3, 32 D.), was ZellerI1 S. 523 für eine ursprüng­liche Formulierung hält. Dieses Zentralfeuer erinnert an die durch Himmel und Erde sich erstreckende, also im Zentrum der Welt befindliche gebündelte Lichtsäule Pla­tons, und der Vergleich ist umso schlüssiger, als dieses Zentralfeuer "Band und Maß der Welt" (cruvox~ x«t !L~'t'pov A i6; I 403, 15 D; vgl. Zeller I 1 S. 523) heißt. Über den pythagoreisierenden Charakter des Anankemythos wie auch des Timaios ist man sich weitgehend einig.

44 Thomas, EIIEKEINA S. 98; vgl. Kerschensteiner S. 146.

Page 50: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

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92 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

weiteren Tagesreise erreichten wir dieses Licht und sahen dort inmitten Lichtes, wie sich vom Himmel (d.h. vom Weltall) herkommend (zum trum hin) die Enden seiner (des Weltalls) Bänder ausspannten - denn es dieses Licht das, was den bindenden Zusammenhalt des Weltalls bewirkt das, vergleichbar den Trierengurten (die den Verband des sichern), so auch dem ganzen Umschwung (der Planeten) den zentralen gibt - verbunden mit den Enden (der die Planeten mit der zentralen Weltaclls. verknüpfenden Bänder) aber erstreckte sich die Spindel der Ananke, verrrlittels derer (d.h. ihrer Drehung) sich alle Umläufe (der Planeten) vollziehen."

Die erste Schwierigkeit, die sich der Einzelinterpretation bietet, ist &V(i){)'sv gegeben. Ist es zu xe<:ilopav (z. B. Boeckh S. 299, Stallbaum, Wie<'and' oder zu ~e"'''fLevov (0. Maaß, Jowell-Campbell, Adam, Thomas S. 103, A. neffer) zu ziehen? Nach der Deutung Boeckhs erfolgt das xe<:%opa.v von

Standpunkt außerhalb und oberhalb des Weltalls aus, was mit tpepecr.&e<:~

(621 b 3) in Widerspruch steht und auch sonst bedenklich ist, wie sich wird. Je nach dem Verständnis von &.vw-&ev ist bereits eine Vorentscheidung

die Interpretation von a~& (in a~a 7te<:V'TO~ ••. 't'e'Te<:!J.E:vov) getroffen. Bc)eckb,,", O. Maaß und Wiegand z. St. nehmen an, daß der Bezug von a~& auf YYt~

matischen Charakter habe, was dem klaren Wortsinn Gewalt antut und o"r"w,", der Mehrzahl der Erklärer abgelehnt wird. Die Parallele 't'ov a~oc 7tC~V'TO~

't'e't'a!J.E:vov (Tim. 40 c) ist absolut beweisend und zwingt dazu, die Lichtsäul, (tpN<; eu-&ü, otov x(ova) als Weltachse zu begreifen. Ein weiterer Angelpunkt,

dem die Deutungen auseinandergehen, ist tpNC; eu-&ü. Dieses Licht wird

entsprechend der Linie Boeckhs, als Milchstraße verstanden, die (wie

{)7tO~@!J.e<:'Te<:) die Welt von außen umfasse und umgürte,46 teils als

45 V gL S. 3°5: "Daß das Licht 3~a 7taVTO~ TOÜ oopavoü xat ytjt; 'TeTafLevov heißt, unmöglich bedeuten sollen, es gehe durch die Erde, denn dies hieße ein unmi,'! l!i"h" setzen: es kann nur gemeint sein, es verbreite sich durch den ganzen Himmel Erde, d. h. über die Erde, erscheine auf der Erde ... Aber, wird man sagen, das ist ein lumen rectum columnae simile ... Allein Platon vergleicht es ja nachher den Hypozomen, welche keineswegs gerade sind, wie eine Säule, sondern bilden; und es kann also mit der Säulengestalt des Lichtes nicht soviel auf sich Doch auch daß es einer Säule verglichen wird, läßt sich gut erklären, selbst wenn die Milchstraße ist. Die Schauenden sehen von außen die Milchstraße, doch wohl den ihnen zugewandten Halbkreis derselben ... Ein Halbring erscheint aber in Entfernung ... als eine gerade Säule". V gl. S. 3 ° 1: "Das Licht geht alsö nicht wie Achse durch das Weltall, sondern liegt auf der Kugelfläche".

46 Z.B. Schleiermacher (bei Stallbaum) Boeckh (304), Zeller (I 1 S. 542 Anm. O. Maaß, P. Capelle (De luna etc. S. 40ff.), Apelt (V 539), Horneffer, Onlans (322). schon Cicero de republica 6, 16 und Pro klos in remp. II 130 (vgl. 129): 't'Ol) 8 8~ a6v3sO'fLov srva~ 'TOl) oupavol), 'TO\l "'(aAa~[av.

We!tbindung und Verkettung des Seins: Politda 6I6b 93

gedeutet,47 während Adam48 und Thomas49 eine vermittelnde Haltung ein­

nehmen. Doch spricht Platon, was nicht übersehen werden darf, kein Wort von

der Milchstraße, und deren Annahme ist hier überflüssig, wenn die Wörter

O'ovoecr!J.OC; und U7t6~Ul!J.e<: so verstanden werden, wie der vorgelegte Sprach­

gebrauch es fordert. Auch die Anderung Krohns (Plat. St. S. 283) 'Pe;" eupu für tp&~ eu-&,j und die Umstellung von otov x(ove<: hinter chpax't'ov (616 c 4) kann

die Milchstraßentheorie nicht retten, die schon Proklos' Phantasie beflügelt hat:

läßt die Wanderung der Seelen ganz oben im Scheitelpunkt des Himmels

damit der Milchstraße enden (Il '92), was Apelt im Sinne Boeckh's auf­wenn er die Seelen an dem Lichtband der Milchstraße hinaufsteigen

läßt (V 540 ).

Was den Vergleich der Lichtsäule mit einem Regenbogen angeht, so hat man

,das bisher einhellig von der Farbe verstanden.50 Das erscheint sehr willkürlich,

, dlenn der Zusatz Aa!J.7tp6'Tepov at xal xa-&ap@'t'epov kann ebensogut ergänzenden

Charakter haben und über das Aussehen Auskunft geben, nachdem vorher

von der Gestalt die Rede war. Das wird ohnehin nahegelegt durch den U m­

stand, daß die Angabe Aap.7tp6't'epov X't'A. mit ö~ xaL deutlich abgesetzt ist gegen

die asyndetische Reihe rpw~ eu.&u, oTov x(ova, p.&A~cr't'a 't'Yl 'Cp~o~ 7tpocrrpepYt. Zu allem

überHuß ist 7tpocrq:)!;:pYt auffällig an x(ova assimiliert, wodurch der Vergleich mit

der tp~c; als aus x(ova entwickelt erwiesen wird und das Motiv des Vergleichs

Lichtsäule mit der tp~~ erhellt: das Licht gleicht dem - oft nur allein' sicht­

Pfeiler eines Regenbogens. Demgegenüber ist Aaf.L7tp6'T$pov Se xat

ein nachträglich aus der Vorstellung des Regenbogens ent-

Zusatz. Es hieße die logische Reihenfolge umkehren, wollte man

47 Suda und Photios s.v. 'TeTafLeVo\l cpw~ und Theon Sm. p. 143 (Hiller). So z.B. Frank S. 66. 355 Anm. 161. Ganz anders Proklos II 199: 'TO "'(al' unoAaßdv, w~

1CpO 1jfLw\I 'TWS~, 'TO &~ova M"'(scr.&a~ 'TO cpw~, xat 3~a 'TOÜTO x[ov~ 1CPOO'S(.x&;~ecr.f)'a~,

~,xv<"r,,"a, &'To7tov. 48 Er· vertritt gegen Boeckh und seine Vergewaltigung des 8t& die Meinung, die

'An.nahnle eines gekrümmten Lichtes vertrage sich nicht mit Platons klarer Aussage .;<,ws so&6, glaubt aber schließlich doch die Milchstraße halten zu müssen und versucht ;,; ;'oll "ell<O<', das Licht sei sowohl gekrümmt als gerade, und zwar sei der gekrümmte Teil

der Milchstraße identisch, der gerade Teil dagegen sei die Weltachse. 49 Er glaubt (5. 49), die gegensätzlichen Deutungen der Lichtsäule als Milchstraße

Weltachse vor allem dadurch vereinen zu können, daß er - wie auch Adam - auf 34 b 2ff. (wo der Weltbildner die Seele durch den Weltkörper streckt und außen

; 'hetutnlegt) und 40 bjc (die Erde um die durch das All gezogene Achse geballt) ver-

50 V gl. z. B. Stallbaum "id ad calorem spectare, proxima verba docent" und Adam "Y;'1'ho words ... refer, not of course to the shape, but to the colour of the light, as :';;.oo,oe.rs from ÄafL1Cp6TsPO\l 8~ xcd xa~q.apG)'t'epov. Ebenso ]owell-CampbelJ.

Page 51: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

94 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

nicht -rn tptSt an X.~OVIX anschließen, sondern von rückwärts, von ACqL7tPO't"EPO'J

X'T A. her, erklären.

Die Seelen sehen xlX't"a tL~O'O\l 't"o qJ(;)~ e:x 'rOU oupavou 'Ta Cixpex: IXU'rOÜ 't"wv 3EO"fL&v

-rE't"IX[J.ev<x. 1\tlit der Theorie Boeckhs fällt auch die Annahme, daß XIX'TO:. f.dcrov TÖ

t:p&t; den Scheitelpunkt der Milchstraße meine. Doch ist damit noch keine Ent­scheidung über den umstrittenen Punkt gefällt, ob au't'oü zu q)(D~ (so z. B. Pro­klos II 193 und O. Maaß) oder oUPO::\lOU gehört, ob es subjektiver oder ob­jektiver Genitiv ist. Die Beantwortung der Frage dürfte doch wohl mit dem folgenden O"uvoeO'[J.oc; "rOU oupo::voü gegeben sein, denn das Welta1l51 bedarf zum Zusammenhalt seiner Teile der Bänder wie der Körper der Sehnen, und der

Gott des Timaios heißt ja der O'uv(5:'~aa~ (32 c 4; vgl. b 7 auvrf:(5:i')O'E:V '" 1'ov

oupav6v) des Weltkärpers. Schleiermacher nahm -rd:. &xpa als "Himmelspole'" die (5:E:0'p.0( als die Milchstraße und vermutete -rd:. &xpa atrrou ex. 1'WV O€O'p.wv

-rE:1'ap.€va. Wie man sich das vorzustellen hat, bleibt unklar. Dagegen ist doch der überlieferte Text klar verständlich: die (5:E:ap.oL sind eine vorwegnehmende Einführung der folgenden Aussage etVCU yo:p 1'OÜ1'O 1'0 cpw~ O'UVOE:O'fLoV -rou

oupavou. Die verschiedenen, die Welt (d.h. die Planeten auf ihrer Bahn) zu~ sammenhaltenden Bänder sind wie die Sehnen eines Körpers oder die Nomoi eines Staates: der Syndesmos ist der Inbegriff der Einheit des durch die Bänder zusammengehaltenen Ganzen, das Zentrum, auf das alles bezogen ist. Das oben vorgeführte Nebeneinander von (5:E:afLOt und 0'6v(5:€a~J.O~ in der politischen Ter~ minologie Platons hat sein Spiegelbild in den O€O'[LOL und dem a6voE:afLOI;

1'OU oupavou. Pro klos verengt willkürlich den Sinn des Syndesmos auf die Bin~ dung zweier Glieder, wenn er vom cpw~ sagt (Il 193; vgl. 197) 0'6v(5:eap.ov [.lei)

au1'o 1'OU -rE: oupavou xat T~~ y~~ o7tcl.pxe~v. Auch ist ja oupa.:v6~ nicht "rmOUlel

im Gegensatz zur Erde, denn 1'Yi~ YIl~ steht nicht bei Platon. Ganz allgem,~n wird O'uv(5:E:afLo~ unrichtig verstanden als Umgürtung des Weltalls, die mit Milchstraße identisch sei. 52 Dazu hat vor allem geführt die Unsicherheit in Beurteilung der 07t0~hlp.a1'a, die indes Platon (leg. 945 c-d; s.o.) delJtli.ch genug erklärt hat. Sie sind nicht Stricke, die den Schiffsbauch umspannen53

61 ouPO:VOC; ist 616 c 1 (und c 2) mit Stallbaum im Sinne von universus mundus nehmen. Vgl. Tim. 31 aff., wo verschiedentlich oUPO:VOC; neben x6crfloC; in diesem gebraucht wird.

52 Z.B. Gnians S. 322: ,,' .• the universe ... girt around by a "bond" (~<i,8,:av,Q( ?)gO"(Lo() of light, to be identified with the Milky Way." Unverständlich ist die setzung Horneffers (1949) ,.Das Licht verknüpft nämlich die Seiten des Himmels einander" und geradezu abenteuerlich die von Wiegand: ,.denn nichts anderes jener Lichtstreif sei das Land des Himmelsgewölbes".

53 Von daher kommt Boetkh (S. 301) auf seine Deutung des Lichts als straße, die "wie Reifen die Tonne" die Welt zusammenhält. So schon Proklos II

Weltbindung tmd Verkettung des Seins: Pofiteia 6I6b 9!

so die Welt von außen umgeben,54 sondern Trossen, die bündelartig unter der Wasserlinie den Kiel entlang liefen und wohl auch innen ausgespannt werden konnten (vgl. Jowell-Campbell z. St.). Da nach den bekannten Maßen die Breite des Kampfdecks von Trieren sich zu ihrer Länge etwa wie eins zu acht verhielt und in Kielnähe dieses Verhältnis sich gewiß auf eins zu dreißig oder vierzig veränderte, kann von einem Vergleich mit Faßreifen auch nicht ent~ fernt die Rede sein. Viel näher liegt die oben dargelegte Beziehung der 07t0-

~cil[.la1'a auf die die Weltachse darstellende Lichtsäule, denn einmal lassen sich die Farbstreifen der !p~~ sehr gut als Lichtbänder deuten,55 was dem bildmäßig belegten Bündelprinzip der Hypozomata entspricht, und zum anderen paßt dazu die pythagoreische Vorstellung vom Zentralfeuer als dem "Band und

der Welt", das dem Weltganzen wie ein Kiel (1'p67tE:w~ o(X'f)V 7tPOÜ7t€ß&)\E:-ro)

eingezogen ist (Philol. A 17; II 403 D.). Weder o7t6~w[.la noch TCPOÜ7tE:ß&AHO

deuten auf ein peripheres "Umfassen", vielmehr meint o7t6 "unter" den Schiffs­bauch gleichsam als Rückgrat einziehen. Wie die pythagoreische auvox~ ist auch 7tClaaV auv€xov -r~v TCE:P~CPOp&v zu nehmen. Das auv€7.e~v erfolgt nicht peri­pher, sondern im Sinne des inneren Zusammenhalts.

ex. oE: 1'WV &xpwv 1'E:1'afL€VOV 'Av&yx.'f)~ &-rpa.:x.1'OV schließt an -rd: &xpa au1'ou

1'0v (5:eafLwv an. Nach Boeckhs Theorie hängt die Spindel herab vom nördlichen Himmelspol, befestigt an den dort endenden Himmelsbändern.56 Doch liegt

viel näher die von Stallbaum und Jowell-Campbell aufgegriffene These K. E. Schneider, der von den Himmelsbändern sagt: ad medium axem,

e. ad centrum terrae idemque mundi pertinentia vincula - ab extremis 'sj,h'teris radiorum instar ad fusum Necessitatis circa centrum stantem porrecta

utrinque nexa, quorum vinculorum ope vertente fuso totus mundus cum sphaeris convertatur. Ähnlich äußert sich Stallbaum: ex his ipsis

Z,vin,;ulof1"m vertlcibus ad medium lucis columnam (axem) colligatls aptus dicitur esse Necessitatis fusus, quo mundi sphaerae vertantur et

agitel"ur:' Man darf wohl annehmen, daß die Zahl der Bänder, die mit der Welt-

(S'n ..• ü1t'o3€xe:"o:~ 1'OV xOO'iJ.OV xo:t crUV€XEI. sv aü"ep, "ai:,;; urro~6>fLO:ow "oov au"o 6JiJ.0(WO'EV.

SO Adam, Maaß, Thomas (5. 105). Wiegand übersetzt gar die 6rro~6>lLa.:1'O: mit verbindenden Querbänke an den Dreiruderern", wobei er die Ü1t'O~6>(LO:"O: als

.UY" v'''Slteht. was nirgends belegt ist. Vgl. Adam: ,.the chains ofwhich the light consists". Das ist die Ansicht, die am breitesten gewirkt hat; vgl. z. B. noch }oseph Nebois,

Botw.ickIUI"g';gc:schi·c :htliche Darstellung der Bedeutung des Wortes &:pfLov(a S. 61: Spindel der Ananke hängt oben an der Milchstraße." Horneffer scheint bei

Clxpo: an die heiden Himmelspole zu denken: ,.Von einem Ende bis Zum anderen sich die Spindel der Notwendigkeit."

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Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

achse verbunden ("C"dv€~v EX ist soviel wie "anbinden") sind, Sphären bzw. der umlaufenden Planeten entspricht. Mit den Pythagoreern

wird auch Platon gewußt haben, daß in Wahrheit Gleichgewicht und Pro­portion das Band ist, das die Himmelskörper auf ihrer Bahn um das Zentrum

hält, wie denn "binden" bei ihm durchgehend als mythologisierende Metapher

von tao"C"'Y)C;;, &vIXAoy[a, laopp07da erscheint. Im Bild Platons jedenfalls schwingen

die Planeten wie Kugeln an Bändern um die Weltachse. Im einzelnen bleibt auch bei der Vision der großen Weltspindel m:an,:h,,,

unscharf; deutlich ist aber, daß die acht ineinandergeschachtelten Wirtel die

verschiedenen Sphären, d. h. den Bahnbereich der Gestirnsumschwünge be­zeichnen: Fixsternsphäre, Saturn, Jupiter, Mars, Merkur, Venus, Sonne, Mond.

Das entspricht der Planetenordnung des Timaios (38 c ff.). Im übrigen ist

schon für Plotin (2, 3, 9) die Weltspindel Platons identisch mit dem Planeten­himmel samt der Fixsternsphäre. Die Stange der Spindel hat ihr Gegenstück in

der durch das All gezogenen Achse (1(6AO, Tim. 40 cl. Auch hinsichtlich der Bewegungen der Gestirne und der Lage der Erde ergeben sich Gemeinsam­

keiten mit dem Timaios. Diese Dinge sind aber längst bekannt, und man wird über die bisherigen Einsichten kaum hinauskommen. So ist etwa nicht eindeutig

zu klären, in welchem Verhältnis die Lichtsäule zur Spindelstange steht. Beides scheint die Weltachse zu bezeichnen, oder soll man annehmen, wie das auch

schon versucht worden ist, daß sich die Stange innerhalb der Lichtsäule dreht?

Hier interessiert vielleicht noch, daß das Bild des Platonischen' Av.xyx'YJC; ci'rPIXX"C"Ot:; lange nachgewirkt hat. 57 Ob Platon bei der Gestaltung des Ananke.:. mythos ein konkretes Vorbild, also eine Art Planetarium vor Augen gehabt

hat,58 ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Wenn es 617 b 4 heißt, daß sich die

Weltspindel sV 'TO~t:; t"Yjc;; 'Av&YX'Y)t; yoüvlXa~ drehe, so muß man sich vor einer' überdeutlichen Konkretisierung des schon homerischen Bildes (&e:wv sv

yoüvam n. 20,435; Gd. 1, 267j 16, 129; vgl. Proklos II 227) in diesem Sinne hüten. So scheint auch nicht sicher auszumachen, ob sich die Spindel

57 Nonnos 2, 677ff. l5q;poc q;6Y71~ (lcre<. mxpa "C"Ei\:! 1tE1'tpÜlfJ.~VOC 1t6't'{.L<.p

~XAÜlcre:V S:A~1; Cl, p ocx't'O ~ &1,1 &;yx'~~, I e:l Hve<. Mo~p&.wv E7t"me:~{h~'t'e<.~. Vielleicht gehört hierhin auch Peek, Gr, Grabged. 22, 7f,

W Mo(pox~ chpu't'o~ &VOCYXOXcrT7j pe~ &'t' POXX't'o ~ 'T6va' tepov7t"~fJ.~OC~'T' st~ a6fJ.0v86cr8ß~WV,

58 Wie Frank angenommen hat: Plato und die sogenannten Pythagoreer S. 344 Anm, 69; vgL Friedländer, Platon, I 111f,; Thomas S. 103; van der Waerden, Die, Astronomie der Pythagoreer S, 25; Cornford, Plato's Cosmology S. 74, A. Stewart (The Myths ofPlato S. 166ff,) ging soweit, nach 6qb 4 anzunehmen, die thronende Ananke halte ein Modell des Kosmos auf ihrem Schoß. Das ist mit J. Kerschen­steiner (S, 150 Anm. 3) abzulehnen.

Weltbindung und Verkettung des Sein!: Pofiteia OIojf. 97

Ananke "zwischen den Knien" (Wiegand), "in ihren Knien" (Gundei S. 48) oder "im Schoße der Ananke" (Zeller I 1 S. 542; so die meisten Erklärer) dreht, Damit zusammen hängt die Frage, wie die nicht unbegründete Annahme, daß Ananke,,,in the centre of the Universe" thront (Adam), zu vereinbaren ist

mit der Vorstellung, daß sie die Weltspindel auf dem Schoß hält und also von außen umfaßt ?59 Eine Lösung dieser Schwierigkeit ist sichtbar, wenn man sich

die besondere Form des Anankemythos vergegenwärtigt, der mathematische und mythologische Aussagen vereint: das, was die Welt recht eigentlich zu­

sammenhält, die Bänder und der Syndesmos, ist bereits eine erste Stufe der Ver­anschaulichung und Mythologisierung des mathematischen Prinzips der Pro­

portion und des Gleichgewichtes. In einer zweiten Stufe wird die bindende Kraft dieses Prinzips zur Gottheit erhoben und die Welt gleichsam in ihre

Hand gegeben. Damit greift Platon zurück auf ältere kosmologische V or­

stellungen von der Ananke, die den Kosmos von außen umschließe (vgl. das

&v&rxYjv 7t€ptX8~0'&1X~ 'Tl;) x60'fl~ der Pythagoreer) und die Welt gleichsam fessele (Parmenides).60 Beide Stufen sind Aussagen gleichen Inhaltes auf zwei ver­

schiedenen Ebenen. Mit Recht nimmt Adam hinter 7te:p~q>op.xv (616 c 4) eine Zäsur innerhalb des ganzen Politeia-Mythos an, aber es liegt keineswegs eine

"juxtaposition of two essentially irreconcilable conceptions" vor, wie er meint feststellen zu müssen, Ganz mythologisch zu sehen ist auch das Durchschreiten

der Seele unter dem Thron der Ananke (620 e 6), und eine Lokalisierung dieses &p6vo<; ist schlechterdings unmöglich. 61

Map. hat, nicht zu Unrecht, den Timaios als eine "Kommentierung des Staatsmythos" verstanden (vgl. oben S. 91), und so mag denn ein verglei­

chender Rückblick auf die Struktur der Weltseele im Timaios geboten sein.62

Da fällt zunächst auf, daß immer wieder vom Binden und von Bändern ge-

59 Von daher und der Boeckh'schen These her kommen Gundel (S. 50) und andere zum Gedanken der "außerhalb des Kosmos herrschenden Göttin Ananke".

60 Als ~,Umgreifende" erscheint Ananke auch Eur, Ale. 982: EV &q;6x"C"mcr~ Xepwv eThe {}e;a aecr(.Lor~.

61 Macrobius in Somn. Scip. 1, 12, 1-5 läßt den Abstieg der Seelen durch das Himmelstor erfolgen, und Zwar dort, wo sich Zodiacus und Milchstraße treffen; vgL Martin, Ogmios 380. Hopfner, Gr.-äg. Offenbarungszauber I 71 macht auf einen Nachklang der Vorstellung vom .&p6vo~ 'Av&.yx1j~ bei Psellus de orac. Chald, Sp. 1132 aufmerksam,

Wenn J. Kerschensteiner (154) die Seelen am Thron der Ananke "vorbei" passieren )äßt, so muß das ein Irrtum sein. Der-Wortlaut bei Plato 620e 6f. Umo 't'OV TIj~ 'Av&.yx1j<" levox~ .&p6vov, xoct a~' ixe:Lvou a~e~8Ä.&6v't'oc) wird durch Plotin 2, 3, 9 bestätigt: a~' ocö't'9j~ (sc, 't'9j~' Av&.yx1J~) dcr~v d<" yevEcrw 't'a yeWWfJ.Evoc,

62 Hier ist zu vergleichen E. Hoffmann, Platons Lehre von der Weltseele, Sokrates 1915; Thomas S. 98; Kerschensteiner S. 80,

7 Sehteckenberg

I ,

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Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

sprochen wird (z.B. 31 c-32 c 4) und der Demiurg geradezu der alJv(;~(Jac; ge­nannt wird (J2 c 4). Die Weltseele wird (35 a ff.) der Länge nach gespalten, im Sinne des Buchstaben Chi gegeneinandergelegt, und die Hälften werden Zu

einem äußeren (Ring des Selbigen) und inneren Ring (des Anderen) umge­bogen. Der innere Ring wird dann sechsfach gespalten, ergibt also sieben

Ringe, so daß mit dem des Selbigen zusammen acht Ringe sich ergeben, die,

wie auch ihre Bewegung, den acht Sphären der Politeia entsprechen. Der achte Ring, der des Selbigen, ist mit der Fixsternsphäre der Politeia identisch. Diese

Ringe darf man (mit Zeller II 1 .S. 812 Anm. 2) auch als "Bänder" ansprechen, wobei die sieben inneren Bänder schmaler zu denken sind als das (ungeteilte)

Band der Fixsternsphäre.63 Alles in allem ist die Weltseele eine Art "Gerüst

des Weltgebäudes" (Zeller I 1 S. 786), also so etwas wie der Syndesmos der Welt. Es muß in diesem Zusammenhang auffallen, daß cruv8e:'i:v gerade auch

vom Aufbau der Weltseele gesagt wird (37 a 4): &va A6yov !J.e:ptcri)·e:'i:mx xcd ouv3e:&e:'i:(Ja, wobei die &vaAoyllX noch herausgehört wird. 37 c 5 ff. wird die Ent­

stehung der Sonne, des Mondes und der anderen fünf Planeten beschrieben. Jeder Planet wird vom Demiurgen gebildet und in je einen der sieben Ringe

des Anderen hineingesetzt. Dann heißt es (38 e 3) ETI'€~Ö-~ 8E: oov dc; r~v zau't"<r I , I ' ,,~ '.1, f 1 " (11 repbtOlJcrav exlXO'Tov acp~x.e:'To cpopav . . . oe:cr[LOLC; -re: €[L'j'uxote; crN[LIX'fa oe:vEV'fa

~0a Eye:VV~&"I). Damit zusammenzustellen ist 41 b. Der Demiurg in seiner zu den kreisenden Gestirnsgöttern und den anderen Göttern: ExElVNV (sc.

3e:a[L&v) oLe; Ö'f' EYLvecri)'e: (JIJVe:8E'i:cr&e: X'fA. Die beseelten Bänder sind nichts ande­

res als die Planetenbänder, an die und in die alle Planeten- oder Gestirnsgötter gebunden sind. Damit ist aber die Brücke zur Politeia geschlagen: die 3e:crp.o(

der Gestirnsgötter des Timaios sind in gewissem Sinne vergleichbar den

3e:cr!J.ol 'fOU oupavou, und der crovöe:cr!J.oc; 'tOU oupavou hat seine Parallele in dem har­monischen Verband der den Weltkörper konstituierenden acht Bänder und

Ringe des Selbigen und des Anderen, Die ewpuxo~ 3e:crP.Ol sind dabei mit Planetenringen identisch. Aber auch die Weltachse des Anankemythos findet sich im Timaios wieder,64 wenngleich beide Darstellungen sich nicht ganz

63 Zeller (ibid.) verfällt in eine Inkonsequenz, wenn er die Fixsternsphäre, die zuvor ebenso wie die Planetensphären richtig "als ein Band derselben Art, nur vieles breiter" bezeichnet, dann doch zur Kugel macht und nur die Plane",n,,,eise sich "bandförmig" denkt. Vom Ausgangsbild Platons, dem Chi-Bild her, ist ADtPacra (36 e 3) und 1tep~e)(&i\utPev (34 b 4) durchaus von einem - freilich breiten Band gesagt zu denken.

64 34 b 3 tPuX~V Se d s 'TO ~ecrov whoü (sc. des Weltkörpers) ,j}ele; S~a. 1ta'n6c;

he~vev xat h~ g~w,s'ev 'TO cr&~a au-rri nepte)(ai\u~ev x-ri\. Vgl. 36e 2 ~ i)' ex ~ecrou 'TOV gcrxa-rov oupavov 1tav"(J S~a1t),axe!:cra xDxi\<p 'Te au'Tov It~Ul,j}ev rcep~xaA6tPacra und 40 c der Erde ti\i\O[L€v1jv ... nept 'TOV i)~d: rcav-roe; rc6AoV 'Tz-ra[l-evov.

Weltbindung und Verkettung des Seins,' Empedokfes B I J J 99

decken und bei der Konstruktion der Weltseele (35 a ff.) von einer Achse nicht ausdrücklich die Redeist.

Daß die Griechen schon früh orientalisches Gedankengut aufnahmen, ist

heute nicht mehr zu bestreiten. An Kontakten hat es nicht gefehlt, wie schon das Gedicht lehrt, in dem Alkaios seinen Bruder verherrlicht. Das ist nur ein

Beispiel für vieles andere, worauf hier nicht eingegangen werden kann. Mit Sicherheit verwertete Thales babylonische Beobachtungen, und auch der

pythagoreische Lehrsatz kann babylonischer Herkunft sein.65 Es hat denn auch nicht an Meinungen gefehlt, daß im Er-Mythos der Politeia orientalische Ideen

greifbar seien.66 Die schon antike Identifikation des Er mit (Zoroast)er

(Kolotes bei Clem. Al. Strom. V 14, 710f. P.) und die damit Hand in Hand gehende Zuschreibung des Er-Mythos an Zoroaster ist mehr als naiv. Aber wie

verhält es sich damit: Proklos in remp. II 345 berichtet, daß in den persischen Mithrasmysterien Ananke eine Rolle spiele und identisch mit Themis sei. 67

Doch eine vernünftige Erwägung des Sachverhaltes muß (mit J. Kerschen­steiner) zu dem Ergebnis kommen, daß sowohl Themis wie Ananke erst in der

Zeit des Synkretismus in den Mithraskult eindrangen. Eisler (95 f,) zitiert eine altpersische Überlieferung aus dem Dadistan - i - Diniko8 und sagt, diese kehre

"fast mit denselben Worten" bei Empedoldes wieder (B 135 j I 366, 21 f. D.):

&AAa 'fb [LSV retXV'fNV v6!J.~!J.ov 3~tX 't' €uplJ!J.~30v'toe; at&~poe; -~Ve:X~Ne; 'f~'fIX'fat 8~tX 'f' &reM'tou auyYje;.

Eisler vermutet, daß Empedokles diese Vorstellung über eine orphische

Quelle, aus der auch Platon für den Er-Mythos geschöpft habe, vom Orient

bezogen habe. Dem Er-Mythos liege letztlich ein "offenbar von den klein­asiatischen Griechen rationalistisch als Wiederbelebung eines Scheintoten um­'gedeuteter Mythos von der Unterweltfahrt Aras" zugrunde. Entsprechend

65 V gl: J. Stenzei, Metaphysik des Altertums S. 44. 66 Neben W. Gundel (Ananke S. 48 Anm. 8) ist vor allem R. Eisler zu nennen

(Weltenmantel S. 93ff.). Vgl. auch \Y/. Gundei, Paranatellonta, RE XVIII 2, 2 (1949) Sp. 1264_ Eine Gegenposition nimmt J. Kerschensteiner S. 141-155 ein.

67 &i\i\a xa1 8-n 'tri E.le[l-~i)t ,,1)'11 aUTIJv dval, -r1)v 'Av&:yx1Jv 'TaD'1JV oL1J'€oV ou [LOVOV &x -roov 'EM1Jvtxrov mcr'T6v, &AAd: xat &x 'T&V IIEpmx&v -rrov -rou ML.8·pa -rE:AZ'T&V, rcap' are; n&crat at -r7j~ EM[L~8o~ emxA-rycrE:!.s, rcpro,a~ [l-€crcü ,E:AE:1J'Ta!:al, cruvcbt,oucr~ xat 't'~v 'AvaYK!)V, A~youcra~ cra<pros "E.le[l-t xat 'Av&:yx1J", xat 'tou-ro e1tt 1tacrrov. Vgl. dazu A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie S. 60; Kroll, Die Lehren des Hermes Trismegistos S. 227; Cumont, Myst;- d. Mithra, S. 99; Hopfner, Gr.-äg. Offenbarungs­\>:auber II 52; Kerschensteiner S. 149.

68 "da sahen sie die Fülle der Lichter und den großen Parvand, den Gürtel aller Wünsche ... weithin leuchtend und strahlend ... Das sternengeschmückte

»~vanghin", der Gürtel ... das gute Gesetz der Mazdäer."

Page 54: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

100 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

findet Eislet "für alle Einzelheiten" der Vision Phltons orientalische Vorbilder. Das ist zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, daß die heiden Empedokles-Verse nur mit großen Schwierigkeiten an den Parvand denken lassen: das V6/ll/l0V ist weder ein Gürtel noch sternengeschmückt. Auch sind diese Verse doch wohl in einem ganz speziellen Sinn gemeint als hyperbolische Aussage "für ein Von

den Göttern gegebenes religiös-ethisches Gesetz, nichts Lebendiges Zu töten" (Hirzel, Themis 390), so daß beide Vorstellungen sowohl äußerlich als auch sachlich ganz disparat sind und von einer "Identität" (Eisier S. 99) keine Rede sein kann. Selbst ein unmittelbarer Bezug der Empedokles-Verse auf Platon scheint damit schwer möglich, und es ist nicht einzusehen, wie durch dieses

Fragment der "Weg zu einer tieferen Deutung" des platonischen Bildes ge­

geben ist, wie Thomas (S. 105) annimmt.69

Während der Versuch Eislers, mit der Erwähnung des 'Avayxl')~ &p6vot; in

den späten Logia Chaldaica (s.o. Anm.6,) die orientalische Herkunft des Anankemythos zu beweisen, von vornherein indiskutabel ist, muß einem wei­

teren Argument größere Beachtung geschenkt werden: Eisler stellt mit dem

cruv3€crp.ot; 't"OU oupavoü die babylonischen Begriffe rilds same (Band des Himmels)

und dur - an - ki (Band des Himmels und der Erde) zusammen. Sie finden sich im Bereich der Kosmologie70 : "Um die Erde zu befestigen, wird sie zu­

sammen mit dem Himmel an Seile und Pflöcke gebunden. Dieses Seil des

Himmels ist, wie das ähnlich auch wohl Plato in dem orientalisierenden Schluß- '

kapitel seiner Republik ausführt, die Milchstraße".71 An gleicher Stelle sagt'

Meißner: "Die oberste Erde ist die Domäne des Gottes Ellil. Nach dem '

seines Tempels wird sie poetisch auch als ,Berghaus' (sum. ekur; semit. ekuru)

genannt. Eine Kammer darin mit dem Namen ,Band des Himmels und

Erde' (sum. dur - anld; sem. markas same u irsiti) ... ist vermutlich das ",co,cu

des Seiles, das ... Himmel und Erde befestigt." Dieser in den Himmel

ragende "große Berg" galt als das wirkliche "Band zwischen Himmel

Erde". "Danach führt auch sein irdischer Tempel in seiner Hauptstadt NieDtmr

69 Ebenso willkürlich ist die Annahme J. Kerschensteiners (146), die ~:;'~~,~~~t~;. Verse bildeten "eine Art Bindeglied" zwischen der Version im Staat und

der Weltseele im Timaios, und viel zu weit geht ihre Behauptung: "die ~:I:;:~:~~~. das nthl't"wv v61h~f1.0\l, wird durch die Lichtsäule bezeichnet - es entspricht der wie sie der Demiurg gebildet hat." So jetzt auch Kerschensteiner, Kosmos S. 134 Anm.2.

70 Das Folgende ist entnommen aus: B. Meißner,Babylonien und Assyrien S. 71 Meißner greift hier eine Vermutung Kuglers auf und verweist auf F.

(Astronomische Beobachtungen im Altertum, Neue Jahrbücher für d. kl. Alt. 1917, s. 17-34), der S. 33f. dieses Identifikation vornimmt. Vgl. auch Meißner 408 und A. J eremias, Sterne, Roscher IV Sp. 1488.

Weltbilldung und Verkettung des Seins: Gesetze-rjoch 101

den Namen ,Berghaus' ".72 Gelegentlich findet sich auch als Prädikat von

Göttern, daß sie "die Enden Himmels und der Erde", "die Enden des ge­

stirnten H~mmels" oder "die Enden der Unterwelt" halten,'73 was wohl weniger

kosmolog1sche Bedeutung hat, sondern die Geltung ihres Macht- und Befehls­bereiches bezeichnet. 74

Soweit zu sehen ist, bestehen im Bereich des alten Orients keineVorstellungen,

auf die Platon bei der Gestaltung des Anankemythos direkt oder indirekt hätte

zurückgreifen können. Auch das "Band des Himmels und der Erde" hat ganz

andere Voraussetzungen als sie bei Platon gegeben sind. Die Schau der Seelen

im Jenseits ist von der rein griechischen Idee des Syndesmos und der Harmonie

bestimmt. Auch orphische Vorbilder sind nicht denkbar,75 vielmehr hat die

~ogenannte Orphik an Platon angeknüpft. Mit Sicherheit dagegen sind wesent­

liche Elemente sowohl der Darstellung im Timaios wie der im Er-Mythos

pythagoreisch.76 Davon wird noch an anderer Stelle die Rede sein.

b) Das Joch des Gesetzes

~nzwischen ergaben sich so viele Berührungspunkte zwischen Ananke und

Nomos, daß es sich lohnt, den Grenzbereich beider Begriffe kurz einer ge­

sonderten Betrachtung zu unterziehen. Charakteristisch für die partielle über­

lagerung beider Bedeutungsbereiche 1st vor allem der terminologische Ge­

brauch von &vayxl') o:pucr€w~ und o:pucr€w<; vop.o<; (oben S. 67 Anm. 29), innerhalb

72 Meißner II 7. übersetzungen von Hymnen, in denen sich das "Band des Him­mels und ~er Erde" findet, bieten Meißner II 151; Jastrow, Die Religion Babyloniens und ~ssynens, ~I 1 ~. 15 (vgl. 1489 und 542). Diskutiert wird dieser Begriff bei H. Prmz, Altonentahsche Symbolik S. 84f.; A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients S. 48 und 81; Hammel, Ethnologie S. 118; Jeremias, Sterne, Rascher IV Sp. 1446; Jastrow I 489 und 542; vgl. auch P. Jensen S. 345 und 464f.

73 Jensen 161, 344f. 464; Jastrow I 514. 472f.; Meißner II 157. 74 Vgl. bei Jastrow I 496 einen Hymnus auf Marduk: "Wer kann deinem Blick

entfliehen? Dein Wort, das große Netz, das Himmel und Erde umspannt läßt sich auf das Meer nieder" und II i S. 64 von der Macht des Mondgottes: S~in Befehl erstreckt sich auf Himmel und Erde, umschließt den Himmel und die E~de ... sein Befehl erstreckt sich über Himmel und Erde, Himmel und Erde umfassend." sowie 111. S. 32 von der Macht und Furchtbarkeit des Befehls der Götter: "Ein Netz, das an den Waldessaum gelegt ist, eine ausgebreitete Schlinge, die am Meere ausgestreckt ist, a~s de:en Maschen der Fisch nicht entkommt, in deren Garn der Wildochs gefangen WIrd, In deren Netz der Mensch gefangen wird."

75 Wie Wilamowitz ausdrücklich feststellt: Glaube der Hellenen II 194. 195. 199; vgl. Thomas S. 27. 161-

76 Vgl. dafür Adam und Apelt; Zeller I 1 S. 542; Gundel, Ananke S. 48; Burnet, Early Greek philosophy S. 188; Thomas S. 99. 102 und sonst; Kerschensteiner S. 148.

I i I

I

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I02 Allanke als theologischer und kosmologischer Begriff

dessen CL'JIXYX1) und v6p..o.:; gegeneinander auswechselbar sind. So liegt . Kombination beider Begriffe nahe, wie sie zum Beispiel Fr. Tr. Gr. Adesp, 502 N. sichtbar wird: ou~dc; &vayx"f)C; [Le:r:~ov [crXoet .... 60°';. Auch eine Partie in Xenophons Memorabilien (5, 1, uf.; oben S. 56) ist hier von Interesse: stärker als jeder menschliche ',1600':;, so trägt Araspes vor, sei der Zwang des Hungers, Durstes usw" also das Gesetz der Natur. Zum Geltungsbereich dieses Naturgesetzes, meint K ytos, gehöre auch der Trieb, der Liebende an die ge~ liebte Person binde: Se:O'e:}Levou.; ~crxuPO'TtpCf 'nvl &vayx.fl ~ EV ma~pcp &Moe:v'ro. ist &v&yx~ die bindende Kraft eben dieses v61-'0,. Ein Grabgedicht (Peek 369, zeigt, wie v6fLOC; und &vayx"f) alternieren: nacn v6j.to~ 'ro %(),;VB~V' Mmp&':.v li~oeTI"n,

&v&yX'lJ 'nx'roj.tevm1;. Ähnlich entsprechen sich v6j.to~ und &v&YX"1) bei J osephos Bell. Jud. 2, 195 und 199. Auf VOW.0V &V&YX()';L (Liban. or. tz, 80) und &VOCYX(),;L

liypoc'f'"' (13, 10) macht Hirzel (Themis 428) aufmerksam; das läßt an den &ypa~o~ v6j.to~ denken. Die früheste Parallelstellung von Ananke und Nomos nimmt Demoktit vor (B 181; II 181, 13 D.): xpdcmwv zn' &pB'r~V

tpave~'rIXL np0'rponn XPcGj.tBV01; XlXt AOYOU neL%O~ ~nep VOj.ttrl XlXt &.v&YX"fl.77 Dem entspricht die Aussage des Aristoteles E. N. 1180 a 21 (; VOj.tO.:;; &.VIXYXlXcr'rLX~V

~xeL MVIXj.tLV. Diese zwingende (weil bindende) Gewalt des Nomos erläutert Kallikles in Platons Gorgias 483e-484a: wenn aber, glaube ich, ein Mann eine hinreichend starke Natur hat, ntXV"C"1X 'rIXU'r1X &nocreLcrclj.tevo.:;; XIX~

3LIXPP~~IX':;;, d.h. so schüttelt er all dieses, nämlich die Erziehung zum Nomos­Gehorsam, wie eine Last ab, zerreißt seine Fesseln, tritt die naturwidrigen menschlichen Gesetze mit Füßen, und aus dem einstigen 30UAO':;; wird er 3ecrno'r'lJ':;;. Es wird also der Standpunkt des voj.to.:;; 'r1)':;; cpocrew.:;; vertreten (vgl. oben S. 51 Anm. 4). Ganz anders urteilt Platon, der gerade das 30uABueLv 'ror<;

VOj.tOL':;; bejaht und fordert (Leg. 700 a, 698 c, 699 C),78 und der die Fesseln, die der Gewaltmensch zerreißt, als ~Bcrj.tof bzw. cruv~ecrj.to.:;; 'r1)':;; nOAew.:;; gerade zur unab­dingbaren Voraussetzung des politischen Kosmos macht. Dieser Gewa,lt­mensch aber setzt 'r0 'r1)':;; ~ucrBw1; ~fxlXwv an die Stelle des 3fx1XLOV, das auf dem Prinzip des taov beruht (Gorg. 484 a). Danach hat - platonisch gesehen - das ~(XIXLOV als Leitprinzip der staatlichen Ordnung die gleiche fesselnde Kraft der Nomos. Vor dem Hintergrund einer solchen Denkweise versteht sich Vorstellung vom Joch der Gerechtigkeit, die in dem "orphischen" Hymnus

77 Peitho und Ananke sind terminologisch Gegensatzkomplemente. Dazu Themis S. 353, der u.a. Platon Leg. 71ge vergleicht und auf den parallelen Gedanken bei Lycurg Leocr. 102 weist: ot v6tLm ou lha&crx.ouow &A"A' erwt"tX.noucnv.

Von der Entsprechung &v&y)(1) l'o.J '11611-°<;; war schon oben S. 67 mit Anm. 29 die Rede. 78 Weitere Stellen zu diesem positiven Gebrauch von 80uAeuew (und 80UAdo:)

Platon bietet Morrow1 Law of Slavery S. 135.

Weltbind!fHg find Verkettung des Seins: Joch der Tora IO,

Dikaiosyne zu Tage tritt (Nr. 63; Quandt p. 45): &.e:l .&PIXOe:~1; yap anlXv'rIXr;,

50'0'0t j.t~ 'rov 0'0'11 ~A.&OV 61t0 ~uy6v. Dem entspricht andererseits wieder, daß platon die Funktion der Nomoi mit ~euyvuvlXt und XIX'rIX~BUYVUVlXt umschreibt (Politikas 302 e, Leg. 753 e). Gesetz und Gerechtigkeit werden also in ihrer Wirksamkeit mit der gleichen Metapher begriffen. Wenn in späterer Zeit Themis und Ananke identifiziert werden,79 so ist das letztlich aus diesem Boden

erwachsen. Der hier vielleicht bemerkenswerteste Gebrauch von Ananke ist mit dem

Bezug des Wortes auf die Tora, das mosaische Gesetz, gegeben. Ihn zeigt der sogenannte Barnabasbrief (2, 6; Patr. Apost. I p. 8), der von dem X,1XtV-O':;;

v6j.to.:;; 'rou xup~ou ~j.t&v 'I'lJO'ou XPtO''rou, &VBU ~uyou &VtXyx~r; &V spricht. Über die aus klassischer Zeit stammende Formel ~uyov &v&YX'lJr; ist oben ge­nügend gesagt. Der Streit um die Groß- oder Kleinschreibung von Ananke80

ist ziemlich müßig. Dem Verfasser des Barnabasbriefes geht es um eine Ab­grenzung des neuen und alten Gesetzes, um die Betonung der christlichen Freiheit gegenüber dem angeblich sklavischen jüdischen Gesetzesgehorsam. Das ~uyov &.vayx,'lJr; hat seine genaue Entsprechung im Brief des Paulus an die Galater (5, 1): 'rn ZABU'&Bp(Cf 015'11, ~ XPL<r'rO':;; ~j.tar; "~Ae:u.&tpwcre, crTiJxe're 015'11 XlXl j.t'1j n&ALV ~uY0 OOUAe:(IX~ zvtxecr'&e. Dieses ~uyov ~ouAdlX~ tragen diejenigen, die sich unter dem Joch des jüdischen Gesetzes (uno v6j.tov 4, 21) befinden. Eben dieses Joch des Nomos auch für die Heidenchristen unabdingbar zu machen, wird Apostelgesch. 15, 10 ausdrücklich abgelehnt. Mt. 11, 29-30 bezieht sich Christus auf dieses Joch der Gesetzesreligion und setzt dagegen sein J ach, das nur dne sanfte Bürde sei. Billerbeck z. St. belegt die dieser Denkweise zu­

grundeliegenden jüdischen Vorstellungen vom "Joch der Tora", "Joch der Gebote" usw.

c) Pytbagoras, Par1ttenides, Empedokles

Bei Aetios findet sich der Satz IIu%IXYoplX~ &v&YX'lJV ~tp'lJ neptXe~cr%aL 'ri;) x6crp.trl

(Diels, Doxogr. 321 b 4), und von Phllolaos, dem Pythagoreer des fünften Jahrhunderts, wird berh;:htet ooxe~ ~' IXU'r{j) nav'rlX &v&yxYJ xlXl &pj.tovfCf yfyvecr%IXL

(A 1; I 398, 11 D.). In welchem Verhältnis stehen diese Nachrichten zur Ananke des platonischen Er-Mythos? Sind sie einigermaßen authentisch? Die Frage ist, was die Kombination von Ananke mit neptXe~cr%IXL und apj.tov(1X

79 Proklos in Plat. remp. II 94. 15ff.; 207, qff.; 345, 4f. Auch daß, wie oben gesagt, in den persischen Mithrasmysterien Themis und Ananke in einem Atemzuge angerufen werden, gehört hierher.

80 Ernst Maaß (Orpheus S. 269 Anm. 45) liest auch hier' AVtX.YK% statt &v&YX"lJ<;;.

Page 56: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

1°4 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

angeht, entschieden zu bejahen. Ananke kann - wie sich zeigen wird - hier noch keine blasse Abstraktion sein, sondern das Wort steht am Anfang seiner philosophischen Entwicklung. Zunächst ist der erste der heiden Sätze ins Auge zu fassen. Um seinen Sinn zu begreifen, wird man vor allem nach ähn­lichen oder vergleichbaren Vorstellungen innerhalb desselben Denkbereiches suchen. Schon Zeller (li, 5422. 521ff. 527') hat hier mit Recht das pythago­reische nup 7tep~exov herangezogen, das Feuer des Umkreises im Gegensatz zum Zentralfeuer. Ob dieses mit der Milchstraße zu identifizieren ist, wie Zellc:r annahm,81 ist eine weitergehende Frage, die hier nicht Zu beantworten ist. Jedenfalls steht das 7te~n~xew dem neptx,e'i:a-&cu bedeutungsmäßig nahe. Beide Wärter sind dem Wesen von Ananke sehr gemäß. Sie entsprechen ihrer Bedeutung als der umklammernden Fessel. Die den Kosmos umgebende und begrenzende Ananke spiegelt sich in einer Wendung, die offenbar in der py­thagoreischen Tradition recht beliebt war, der &v't'u~ x,6crfLoU.82 Dieser ,begren­zende Rand der Welt' wird von Nonnos anscheinend mit Okeanos identifi­ziert. Darauf führt auch 41, 176: 'Oxeavot; .•. U;U~ x6afLou &evoccp 'reAap.&v~ X€MV

fL~'TpoutJ..evov ()OMp. Nun ist aber die Vorstellung von Okeanos als bindendem Gürtel der Welt keine Erfindung des Nonnos. Liddell-Scott zitieren s. v. 7t<p(p­

PU'TOt; den Vers 2 des Neoptolemos 'Oxe:av6t;, 'TC]) n-iiaa 7teptppu't'OC; bo€oe'Ta~

X.&wv. Da ist Okeanos geradezu die bindende Fessel der Erde. Es scheint, als

ob auch 11. 14, 200f. hierhin gehärt:

dtJ..~ y2<.p ötJ;ofL€V1J 7toAu~6pßou 7tdpa't'a ya(1Jt;,

'Ox,eav6v 'Te, -&e&v y€vemv, x'at fLYJ't'€pa T1J.&uv.

Hier schlägt Onians (316) vor, "the bonds (or binders) of the pasture - abound-

81 .,' •• ergibt sich als wahrscheinlich, daß der äußerste Feuerkreis, welcher als. das Band der Welt die Ananke hieß, nichts anderes ist als die Milchstraße" CI 1,

542 ').

82 Jamblich Theolog. arithm. c. 60 (V. de Faleo p. 81) 't"~v 'AvrY.yx'f)v oi U.EOAOyO~ 't'TI 't'OLl 1taVTO':; oOpavoü S~ro't"rY.T1l &V't'UYL srniXoücn. Eine Stellensammlung zu &v't"u~ xoafLou bietet Eisler, Weltenmantel II 661, 2. Vgl. Burnet, Early Greek Philüsophy 216, 3 und Zeller I 1, 542 Anm. 2. Die bekannten Belege sind zu ergänzen durch Nünnos 2, 24 7ff. pL~01tay~.:; ö't"~ 1t'It~a 1taA[fL1t0p0<; '[lxeavoro

't',hpaxa 't"EtLV0tLSV"I)v 1tEpmrY.AAe't'aL &v't'uya xocrfLou, ~roaafLsv'f) crTegJav'f)8ov 8A'f)V x,[j'ova XUXArY.SL fLlTP'(J.

Vgl. 41, 302 'Oxeavov •.. 1tEptSpofLoV &V't'UYL xocrtL0u, 42, 48of. xa~ 1tAa't'uv &:ev&:ou tLL't'poujJ.evov &'II'rUYL xocr[J.ou

'Oxeavov x,eA&:SoVTa 't'eo\l ,[j'Ep&:rrovTa xaAscrcrw

Vielleicht ist das x,ocrfLou rrdcrfLa (7, 36) des pythagoreisierenden Nonnos mit diesen Vorstellungen Zu verbinden.

Weltbindung und Verkettung des Seins: &\I't'u~ xocr[J.ou 10!

ing earth" ZU verstehen,83 Wenn das nicht richtig ist, so wäre doch in ndpaTa

als "Grenze, Begrenzung" immerhin ein mäglicher Ansatzpunkt für den Ge­danken gegeben, daß die Welt von etwas Bindendem und zugleich Begren­zendem umgeben ist (&.w't.YX1J'II Tt'ep~x'E~a&a~ 't'Cf) xocrI1-CP). Das Bild des Euripides vom Okeanos (&yx&Aa~c; .• , XUXAO'i: x.&6'11a) ist nicht sehr weit entfernt von der fesselnden Umarmung durch die Göttin Ananke (Alk. 984): xat a' €V &~ux­

't'o~a~ xep&v dAe &e2<. aeafLo'i:c;. Natürlich ist das &v';"yx:f)'II 7tep~xe~cr.&a~ 'rC]) x6rrjJ.(.p

nur als mythisches Bild der mathematischen Gesetzmäßigkeit Zu nehmen, in die der Kosmos nach Ansicht des Pythagoras gebunden ist.

Mitten in diese Vorstellung hinein führt die dem Pythagoreer Philolaos zugeschriebene Lehre, daß alles Weltgeschehen &'IIayx'() xa~ apfLov(q. sich voll­,ziehe. Ananke und Harmonia sind hier nichts anderes als die Gegensatzkom­plemente ,Bindung und Fügung'. Der Beweis für diese Deutung kann nach allen bisherigen Beobachtungen nicht schwer fallen. Daß die platonische Kos­mologie, wie sie im Timaios und an anderer Stelle zutage tritt, wesentlich pythagoreische Färbung hat, ist allgemein anerkannt. Gerade in diesem Be­reich des platonischen Philosophierens wie auch im Umkreis des staatlichen Kosmos lassen sich Begriffspaare ermitteln, die sich mit dem tatsächlichen

» T"",,I, von &v&YX1J xal apfLov[a genau decken. So heißt es Tim. 32 b 7 vom Weltschäpfer auv€3YJae:v xal aU\lecr'T~aa'To oöpavov Gt;7t''Tt'N xat opa't'6\1. Seine

. Tätigkeit ist zugleich rruv,crTc<va, (30 b) und rruvg~cr(" (32 b/c). Die Funk­tion der flEa6'T1J<; ist sowohl O'uv~e'i:v wie auch cru'llapfL6't''Te:~v (32 b). Dem entspricht formal der ganz platonisch formulierte Satz des Nemesios von

Emesa (Jäger S. 1°5) au'll~ p fLo ae xal auveoYJ a€ xal et<; zv auv~yaye. Im Prota­goras 322 c werden Aidos und Dike genannt 7t6'Aft.M\I x6aflo~ 'Te: xat ~eafLo(,

"'r''''~ alJ\laywyoL Die ~~'A(a aber galt den Pythagoreern, wie Simplikios in Epict. Ench. 208 A sagt, als aUVO€aflo~ 7taa&\I 't'wv &pft.'T&v. Der Paarung x6aflo~ - ~ea­

im Gorgias entspricht in gewisser Weise die V erknüpfung x6afLo~ - &'II&y­

in Xenophons Memorabilien 1, 1, 11: Sokrates beschäftigte sich nicht da­()7tW~ 6 XaAOUfl€'IIO~ U7tO 'T&V ao~~(r't'&'11 x60'fLo~ gXe:~ xat 't'[aLV &v&;yxa~~ ~xaa't'a

' ... ·Y(1"1<·"" 'TWV OÖpa\l(Mv. Andere Beispiele zeigen noch deutlicher das Zusammen­"·",l,h·" der beiden Komplementbegriffe. So hat aU\lapfL6't''Te:~v •.• &\locYXTI

83 Onians (316) weist in diesem Zus·ammenhang auf die Schrift de munda 393 b 9 'Ox,elX\lo,:; crq:>tYYEt 't'~'J otxou[J.sv'fJ\I) und nennt OF (Kern) 238, 14f., wo Okeanos Gürtel (~rocr,,~p) der kosmischen Gottheit erscheint. Dazu stellt er (332) die welt­

XsSfesse~lde Ananke des Parmenides (Fr. B 8). Anzumerken wäre hier auch noch Eur. 1377ff. 1tonov, 'OXSIXVO':; 8v 'rIXUPOXPIX'JO':; &:YX&:AlXt.:; tA[crcrW'J Xux,Äor X.&6vlX. Ein die einschließender ,Ringstrom' findet sich übrigens auch im babylonischen Vor­

,'(tellun.gslber·eic'h (A. Jeremias bei Rüscher 4, 1448).

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I06 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

(Rep. 519 e) ein formales Gegenstück in cruvapp,6craO'&ocL (5:o:crp.0 (Politikos 309 e). Rep. 443 e heißt es mit Bezug auf die drei yzvYj der Seele: cruv i5~cr~",oc

xtx:l nCt:v"C'an:Clow ~'JCI. yeV6[LE'JoV EX nOAAW'), O'~\'flPOVIX xed ~ P [.1.0 0' fLEv"IJV. Besonders charakteristisch für das hier Gemeinte sind etwa noch Eur. Med. 1192f. &pa.~

I ~ '1' d N 8 <;:>1 "'., I p6'rw~ O'uVO€O'fLoc Xpucrol;; er.xe un annos 3 ,412 o'fJCfar:; 0 app.ov~1)V .••

3eO'fL(p. Schließlich sei noch auf das Beieinander der Begriffspaare &pp..o..:

V~IX - &\I&yx:1) und &pp.6crcu - O'UV07jO'IXL bei Josephos hingewiesen (Ant. 60. 69 von der Fügung und Verbindung der Steine beim Bau des peIs). Alle diese Beispiele machen deutlich, wie Ananke und Ha.rmonla bei Philolaos zu verstehen sind. Ananke steht in einer Reihe mit aUlJodlJ, O~L\I,

OZO'fL6~, O'UIJOZO'fLo~, während Harmonia interpretiert wird durch die

begriffe O'UIJLO''t'IXO'%CU, O'UIJLO''t'aIJIXL, O'UIJIXPfL6't''t'~LIJ, x60'fLoC; usw. Die Welt ist

den Pythagoreer ein Kosmos, innerhalb dessen alles Geschehen sich

gesetzmäßiger, mathematischer Ordnung vollzieht. Das sprachliche Zeichen dieser Ordnung und zugleich ihr Bild sind "Bindung und Fügung". Die

tonischen Begriffe &IJIXAOY(IX, la6't"I)C;, lO'OPP01doc in ihrem doppelten Bezug

staatliche und kosmische Ordnung und Gerechtigkeit sind - samt dem cr6'o8e:cr-1-'0, als ihrer Metapher - nur das Spiegelbild entsprechender pythagoreischer.

Lehren.84

Ananke steht im Zentrum der Philosophie des Parmenides. Der V C>fstnß

zu diesem Zentrum kann über ein Wort erfolgen, das bedeutungs mäßig

Beziehungen zu Ananke aufweist, über otXfLalJ. Fr. 7, 1 lautet ou yap

't'oiho OlXfLTI e!IJIXL fL"iJ e61J't'1X. Da ist olXp..alJ von einem zwingenden (weil OLooen< dem) Beweis gesagt. In diesem Sinnbezirk ist aber auch Ananke zuhauSf"· oclJlXyxa'i:aL &7tOOd~ZLC; (PI. Tim. 40 e) sind "stringente" Beweise. Bei A"isl:oteles: alterniert &lJayxlj (sc. zO''t'(IJ) terminologisch mit oux ZlJotxz't'aL &.AAÜJ~ (z. B. 1026 b 28) und das häufige 't'b &lJayxlXLOIJ beinhaltet die Bedeutung crUAA()Y"cr­

p..6~, also die ,condudendi necessitas' (Bonitz s. v.). In der Schrift 7tzpl ou,pC<,/oi)

277 a 12 stehen 't'~XfL~PLIX und &lJayxlXL parallel. oclJayxaL bedeutet hier

wie üUAAOYLO''t'tXat oclJayxaL (Porphyrius vita Plotini c. 18). Eine klare

pretation dieser Ananke bietet Aristoteles 7tzpl YZIJ~üzÜJ~ xat <p,t}opac; 315 \ ~, ~ I ", \ \ , l( ~ "\ r < dm 0 au Aoym Z't'ZPOL alJayxIXO''t'LXO~ XIXL OUX ZV7t0POL oLlXl\UZLIJ WC;

€lJotXZ't'aL &.AAÜJC; €XZW. Die Argumente sind ,bindend', denn sie sind

leicht aufzulösen. Spätere greifen diesen Wortgebrauch auf. ,Einen ZWlIl"'eu-

84 Diese Bezüge sind vor allem bei Rirzel (1195 • 225 f. 277-284. 316. 389) deutlich erhellt. V gl. Frank (34). Daß auch o0IJSeo[J.oc; ursprünglich ein pythag"l reischer Begriff ist, hat W. Jäger betont (Nemesios 109. 112 Anm. 1).

Weltbindung und Verkettung des Seins: ParlJlenides B 8 I07

den Grund haben' heißt bei Philon de vlrt. 27 &:VIXYXlXto:'.L<; 1X~'t'(lXtC; EIJ oe azO'%a~, und die merkwürdige Formulierung 't'~1J &-&lXlJacr~alJ xa't'GtodO'.&IXL T~C; ~UXYj.:;

(Proldos in Plat. Remp. II 85, 5 Kroll) soll heißen: die Unsterblichkeit der Seele " beweisen". 85

Ist OlXfLTI in 7, 1 von einem Beweis gebraucht, so kommt derselbe Sinn der

&v&YXIj zu in 8, 16: x~xpL't'a~ a' 03v, lüO'nep &lJayxlj X't'A. Diese Ananke steht in

enger gedanklicher Beziehung zu 8, 13 ff.

't'oG ~rIJZXEIJ othe yevtO'.&IX~

ou'&" (}AAUO''&IXL &IJ~XZ 6,(XIj XIXAacrlXO'IX 7ttanmv, I &A"A' eX~L'

Objekt der Aussage ist nicht das Werden und Vergehen, sondern das Sein.86

Der Inhalt der Ananke ist hier im voraus expliziert: es ist eine Denknotwen­

digkeit, daß das SeIn nicht dem Werden und Vergehen ausgesetzt ist. Es wäre

ja sonst kein Sein mehr. Das ist das Pendant zur Aussage von 7, 1, daß dem

Nichtseienden notwendig kein Sein zukomme. Zur Person der Dike ist das

Richtige von Fränkel gesagt.87 Das aus o~l-'ii.v (und &wJ.yx~) entwickelte Bild der Fesselung wird 8, 26ff. wieder aufgegriffen. Jetzt ist nicht Dike, sondern

86 Zum &1J<xyx<xtov bei Aristoteles vgl. Loening, Die Zurechnungslehre des Ari­stoteles S. 154. Es liegt nahe, in diesem Zusammenhang auch an das stereotype &wxyx'l) oder &V<XYX<XLOIJ der platonischen Dialoge Zu denken, mit dem der Gesprächs­partner einen Sachverhalt bestätigt und ein Argument als bindend und schlüssig anerkennt; dadurch ist dann jeweils die Voraussetzung,' ium nächsten Schritt im Gang der Beweisführung gegeben, die damit - in gewissem Sinne dem Kausalnexus verg~eichbar - den Charakter einer Kette erhält. Vielleicht ist das noch eine letzte Spiegelung jener Ananke, die als Fessel eine ganze Rotte von Gefangenen zusam­menkettet. Leisegang (Denkformen S. 136ff.) zeigt, wie wissenschaftliches Denken überhaupt den Charakter einer Kette hat.

86 Das hat Fränkel (Wege und Formen 163), der auch für die weiteren Ausfüh­rungen durchgehend zu vergleichen ist, ausführlich begründet.

8? 164: "Die Fessel, mit der sie das Sein bindet, ist zunächst Ausdruck einer Ver-bind-lichkeit, wie sie dem Recht zukommt. Ebenso sind Moira und Ananke bindende Gewalten; so können diese drei in gleicher Funktion erscheinen" (8, 30. 37). "Mit StKIJ ist also hier die Verbindlichkeit gemeint, nach der die Zweifelsfrage richtig zu entscheiden ist, - wie wir mit einem Wort sagen, das vom Recht abge­leitet ist. Gegen diese Deutung ließe sich vom Text her einwenden, daß Dike dann in 'ihrer Bedeutung schwanken würde: sie sei einmal die logische Norm richtiger Denkentscheidung, und einmal das faktische Gesetz der Wirklichkeit. Denn sie fes­selt das Sein, nicht unser Denken über das Sein. Wenn dies ein ernstlicher Einwand ist, so gilt er für Parmenides nicht, weil bei ihm, da Einsicht und Sein zusammen­fallen (Fr. 5), auch die Norm des richtigen Denkens von dem Gesetz der Wirklich­keit nicht getrennt werden kann."

Die fesselnde Dike steht auch bei Platon (leg. 945 die). Dort ist sie freilich in politischem Sinne gemeint.

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I08 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

Ananke das handelnde Subjekt, was die enge, gelegentlich bis zur gegenseiti ... gen Auswechselbarkeit gehende Bedeutungsverwandtschaft heider Begriffe

unterstreicht:

cdrrocp &x.~"nrt"o\l !J.e:yaAw\I €:v 1t'dpOC(H öe:crtL hlV

eO''t'~1J &vapxov &'7t'ClUO''t'OV, &m:l Y€VEcr~C; xocl ()Ae:&pOC;

'r~Ae: tL&.A' &7tAaX&rjcrC<.v, &7t&cre: OE rdcr'n.:;; &)(fJ&~c;· 1'0:.1'),,6\1 -t' 8\1 't'IXU't'(J) 't'E: P,€VOV xoc'&' eO'.:u-ro 'Te: XeL't'OC1

X0f.)"C'wc; etJ-TIe:öov ai5&1 !-LeveL' x. P IX 't" e p ~ y r:X p 'A \I &. Y x 'I}

7tdpoc't'oc; &v öe:cr!1-0rCHV eXE1, -.;0 !-L1V &[Lcptc; ezpyet.

Hier hat Ananke die gleiche bindende Funktion wie 8, 14 Dike und 8, 37 Maita doch sind die Akzente verschieden gesetzt,88 xpa't'e:p6c; wird sonst gern

mit a:afL6, verbunden (Il. 5, 386; Gd. 8, 336. 360; h. Merc. 409) und ist auch I!. 6, 458 Attribut der Ananke. Hier wie auch 8, nf. ist die Fesselung mytho­

logisierendes Symbol der Unveränderlichkeit des Seins: , " l\1f ~ " I", / ~"I ,I I "I VOCt ETIEt 't'o ye l\'.LO~P E7tEO"IJO'EV QUI\OV O::XLVIJ't'OV 't' E[J.[LS •

Die Ananke erscheint noch einmal 10, 5 ff.

d8~0'e:LC; oe xcd oupocvov &(.Lcp~c; *-xov't'oc I I , )1, l( "1.'" 'A' ev&ev kepu 't'€ XIX1 wC; fLLV (l.YOUO' E:7tI::Ul)crE:IJ vayxY)

7tdpoc't" gXE:W GtO''t'P())v.

Kein Zweifel, daß Parmenides hier neben der übernahme des epischen &(J..<ptC;

~xe1v das homerische &Y:;;1V &\l(xyx[j modifiziert. Die Art und Weise, in der er dies tut, bestätigt eindeutig die früher vorgeschlagene Deutung dieser For­mel: in Fesseln abführen. Ananke ist hier wie oben 8, 30 und schon öfter die zum Rang einer personalen Gewalt erhobene ,Fessel', die ihrerseits wieder diesen oe:crp.6.; als Attribut oder die Fesselung als Funktion zugewiesen erhält.

Im Umkreis der drei fesselnden Gewalten Dike, Moira und Ananke be­finden sich Aussagen vom Sein, die in enger Beziehung einerseits zur Kos­mologie Platons und andererseits zm Ananke des Pythagoras und der Pytha­goreer stehen. Das Sein ist - der Masse einer wohlgerundeten Kugel ver­gleichbar - von der Mitte her überall gleichgewichtig (taOmiA~e; 8, 44); es sich selbst von allen Seiten her gleich (raD,), und gleichmäßig (ofLw,) """hölt

88 Auch da kann nur auf Fränkel verwiesen werden: "Ananke ist hier auch in­sofern von Dike verschieden, als sie Muß ist, nicht Soll. Daher das Beiwort xp,,,'p~, das nicht stark bedeutet, sondern stärker, überlegen, zwingend." (164 Anm. 5) 164 Anm. 6 zur Moira in 8, 37: "Moira ist ein Muß der Bestimmung und heftet gern an einzelne Personen oder Objekte: dir ist es bestimmt: .... Dahe~ erseh,dnt hier tl01:po: in Verbindung mit dem betonten 1'6 ye: gerade dieses hat Malra

den, unbeweglich zu sein."

Weltbindung und Verkettung des Seins: Parmenides BIO I09

und befindet es sich innerhalb seiner Grenzen (ndplXcn).89 Die Begriffe iaonIXAsc;,

raoe;, 0tLWC; Hegen auf einer Linie mit der Platonischen - und letztlich pytha­goreischen - ia6'r1)e;, Laoppon[1X und otLo~6"rl)c; (oben S. 85 f.). Enge Bezüge zwischen Parmenides und dem pythagoreischen Denken sind damit unabweis­bar. Andererseits läßt die besondere Betonung des ndplXe; vermuten, daß die Argumentation des Parmenides sich gegen das &nE:~pov des Anaximander rich­tet.BO Eine Frage, deren Diskussion hier zu weit führen würde, ist mit der Person der 3cdtLffiV, ihrer Identifikation mit Ananke und ihrem Sitz inmitten der Weltringe (a'rE:cpavIXL) gegeben. B1 Es scheint, als ob der Platonische Ananke­IDythos von dieser Vorstellung - wie überhaupt von Parmenides - nicht un­

beeinflußt geblieben ist.

Als Apophthegma des Thales berichtet Diogenes Laertios (A 1; I 7', 12 D.) !axup6'rCl'rOV avaYX1)' xpa'rE:'i: yap naV'rffiV. Gundel, der in seiner Ananke-Mono­graphie außer auf Pythagoras und Parmenides auch auf die anderen sogenann­ten Vorsokratiker eingeht, hält diesen Satz für alt und echt. Das scheint nicht gut möglich. Das Wort ist hier als philosophischer Begriff - im Gegensatz zum Gebrauch des Parmenides und der Pythagoreer - bereits ganz abstrakt, und der Fatalismus, der aus diesem Satz spricht, weist seine Entstehung frühe­stens ins mittlere oder späte fünfte Jahrhundert, eine Zeit, in der solche Aus­sagen beliebt sind, wie sich zeigte. Die alles umgreifende und beherrschende Schicksalsmacht Ananke, von der diese Sentenz spricht, setzt vielmehr die kosmologische und ontologische Bedeutung voraus, die das Wort inzwischen seit den Pythagoreern und Parmenides gewonnen hatte.

89 Vgl. 8,42 a1hxp lrt'd ndpw; 1t'\)I1-O:1'ov, 'rE'rEAEO"I1-SVOV ~O"'rl n&:v-ro-f}Ev. Dieses nE1:pa<; ist, wie auch die Fesselung (8EO"I1-6.;), die sich bedeutungsmäßig mit ndpa.; berührt, nur Metapher oder Sinnbild. Es erinnert an das av&:yx"IJv nEp~xE1:O",&aL des Pytha­gotas. Richtig Fränkel (195f.): "Von hier gelangt Parmenides wieder zum nE1:pa:.; zurück':'" das ... dem Sein die ,bestimmte, fertige Form verleiht', in der es ruhen kann in Ewigkeit. Wollte man diese Form als eine räumliche ,Grenze' und Gestalt betrachten, so hätten wir den Gedanken des Parmenides trivialisiert . .. 't"E'rEAEO'­Ilevo\l bezeichnet ganz gewiß nicht das ,RäumlichwAbgeschlossene', sondern gleich­falls das ,Vollzogene' und ,Fertige'. ,Weil ein letztes nE1:pa.; da ist, ist das Sein all­seitig vollzogen. '

90 Vgl. Fränkel (194). Bemerkenswert ist, daß Liddell-Scott &m::~po.; mit ,bound­less' wiedergeben.

91 Dazu Gundel (Ananke 12f.); Fränkel (183ff.), O. Gilbert (Die 8d[J.cuv des Par­menides. Arch. f. Gesch. d. Philos. 20, 1906, 25ff.); Zeller (11 S. 714 Anm. 3; 717 Anm. 1), Adam zu PI. Rep. 617 b (' Avayx"I)'; y6vo:O"w), Stallbaum und Apelt zu Rep. 616 c; daß die Bezeichnung O"'t"Etjl&VO:~ auf orphischen Einfluß zurückgehe (Eisler, Weltenmantel31, 3), ist wenig wahrscheinlich.

Page 59: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

IIO Ananke als theologischer ,.md kosmologischer Begriff

Das berühmte Fragment des Anaximander e~ &\1 (')€ ~ yzvecrL; E:O"n 't'o~<:; oOrrt,

xat 1'~\I cp&opav dc; 't'au-r1X y~ve:O'&o::~ xlX't'a "b xpe@v Xt'A. (B 1; I 89, 11 ff. D.) ver­steht Gundel in dem Sinne, daß hier 't'o Xpe:wv "identisch" mit Ananke sei (7). Auch das ist nicht zutreffend und setzt eine Bedeutung von Ananke voraus, die das Wort erst später bekam. Überholt ist die Interpretation Gundels schon durch die sehr einleuchtende Darlegung Ffänkels (188):. "Wollte man xpew'J

hier mit ,Notwendigkeit' wiedergeben, so hätte man der Sache und der Spra_ che Gewalt angetan. Wir sind ja nicht im Bereich einer sinnfrei zwingenden Mechanik C&vayx:!), und die Wörter des Stammes XP1)- bezeichnen ein ,Sollen' und ,Schuldigsein', ein ,Gebrauchen' und ,Brauchbar sein'. Durch den Zusatz xc<:ttY. 1'0 Xpe:W'll wird also diese Regel des Geschehens nicht als finstere Macht auf den Thron des Despoten erhoben, sondern als berechtigt und einsichtig legitimiert. ,Wie es in der Ordnung ist' meinen die Worte."

Zu Anaximenes vermutet Gundel (8), daß dieser die Heimarmene in die Philosophie eingeführt habe, und stellt als Reihe von parallelen Begriffen auf: ,,&wiyxY) (Thales), 1'0 Xpe:wv (Anaximander), d[J.apiJ.zvy) (Anaximenes)." Das ist eine reine Vermutung, die weder durch indirekte noch direkte Zeugnisse gestützt wird. Für das Vorhandensein der Heimarmene bei Parmenides kann Gundel sich immerhin auf den Satz des Aetios stützen II. xcd .ö..Y)[J.6xp~1'oe;

7td.V'W; xa't' &'IId.yx'lJv· TIJ'II aö1"~'11 St e:I'IIa~ d[J.ap[J.zvY)v xat S[X'ljV xal 7tpovmav xat

xoa[J.o7tmo'll (A 32; I 223,21 D.). Er muß freilich zugeben "In seinen Fragmenten wird allerdings nur Ananke genannt", und in Wirklichkeit wird wohl auch diese Heimarmene eher auf das Konto der stoischen Färbung dieser summari­schen Aussage zu setzen sein. Von einer "Ananke-Heimarmene" des Parme­nides zu sprechen (13), ist jedenfalls kaum berechtigt.

Die direkten Zeugnisse Heraklits sprechen nirgends von Ananke. An in­direkten Nachrichten sind zu nennen (H. 7td.\I'ta xa'&' e:t[J.ap[J.EN'lj'll, 1'~'II Se aö1'~'11

tmd.pxe:~v xat &'IId.yxY)'II (A 8; 1145,36 D.) und 7tme:~ Se: xal 'td.~~'II1'L\la xa1 XPO'llOV

wptap.zvo'll 'tYj.; 1'OU xocr[J.ou [J.e:1'aßoAYje; XIX'td. 't~va d(.l.IXPiJ.zv'ljV &Vd.YX'ljv (A ~; I 145, '5 D.). Auch hier bleibt sehr fraglich, wie denn nun Heraklit selbst formu­liert hat (vgl. die Bedenken Useners bei Gundel S. 11). Eine sichere Ent­scheidung ist nicht möglich. Im ganzen gesehen verhält sich Gundel - und ebenso J. Kerschensteiner (Platon und der Orient 147) - zu wenig kritisch gegenüber diesen und ähnlichen Nachrichten, die nur in mehrfacher Brech­

ung vorliegen.

Festerer Boden wird betreten bei Empedoldes. Wie Parmenides erkennt er

kein Werden und Vergehen an CB 8.11. 12. '7; I 3'2, 8f. 3'3, '9f. 3'3, 27f. 317, 11 D.) und auch sonst ist dessen Einfluß bis in einzelne Formulierungen

We!tbindung und Verkettung des Seins: Empedokles B I I f III

hinein sichtbar.92 Andererseits modifiziert er bekanntlich den starren Seins­begriff des Parmenides in dem Sinne, daß das ewige Sein auf dem Wege über die Mischung und Entmischung der Elemente auch Entstehen und Vergehen der Einzeldinge zuläßt. Auslösend sind dabei Philia und Neikos. Dieser Vor­gang bedarf aber der Steuerung. Sie zu erldären bedient sich Empedokles eines merkwürdigen Bildes CB 30; 1325, '0ff. D.)

au-r<xp Z7te:t iJ.zya Ne:~xoc; zvt [.Le:Aee:crmv z.&petp.&-tj

ZC; 1'~iJ.d.e; 1" &.vopouae: 1'e:Ae:W(.l.eVO~o xpovow,

oe; crtp~v &(.l.o~ßatOC; 7tAa1'eO C; 7tap' ZA~AIX1'a~ Ö p x 0 u X1'A.

"die Zeit ... die ihnen (Neikos und Philia) abwechselnd von einem breitver­schnürten Eidvertrage festgesetzt ist". Diels-Kranz weisen vergleichend auf B 115, 1 (I 357, 16). Der Wortlaut dieser vieldiskutierten Stelle ist

Ita-r~v • A '11& YX"IJ C; XP~(.l.IX, &e:wv tJ;~tp~cr[J.a 7taAa~OV,

&tSwv, 7tAa'tze:aa ~ xa:1'e:atpp"lJytO'[.LZVOV Ö pXO ~e;'

Es steht zu erwarten. daß das richtige Verständnis dieses Satzes, der sich auf die Seelenwanderung bezieht, auch zur Erklärung von B 30 beiträgt. Da ist zunächst erforderlich, sich über den Sinn des atppayr~e:~v Idar zu werden. Be­sten Aufschluß gibt die ,Aulische Iphigenie' des Euripides, in der eine brief­liche Nachricht im Mittelpunkt der Verwicklungen steht (zma'toAaL 111. 314, SZA'tOe; 35. 98. 109. 112. 116. 155. 307. 322). Verschließen und Öffnen haben ihre bestimmten Bezeichnungen (crrppay(~e:t'll 38; vgl. atpplXytSIX 155; Me:tv 38. 307; ygL Jos. Ant. 17. 134). Dabei ist atppayr~e:~v als Gegensatz zum AUe:~V der Sache nach ein Verschnüren und Binden. Der Vers 109f. SZA1'OV, ~v ... Auov't'a

XlXt auvSouv-rd. [.L' dcre:~SEC; bestätigt das; denn die Entsprechung Mona xO'.l auv­

SOUV1'O'. ,...... crtppay(~e:tC; Me:~e; 't' (38) erklärt das crtppay[~e:w als cruvSe:~v. Das ist sehr beachtenswert; erscheint damit doch ein Wort, das schon oft im engeren Be­deutungshof der Ananke sichtbar wurde. So ergibt sich notwendig ein tieferes Verständnis des E'a1'w ' Avd.yx"lJC; XP~[.La: X'tA. Die ,breitverschnürten Eide' sind ein aus dem Wesenskern der Ananke entfaltetes Bild; die Wirkkraft und sicht­bare Erscheinungsweise der jetzt personhaften Macht ist folgerichtig in der Form einer Schnürung oder Bindung dargestellt. Dieser ,eidgebundene' Spruch

92 Vgl. (bd\l'lJ'to~ (B 26; I 323, 10 D.), !croc; und ~tpcäpoc; XUXAO't'e:p~C; (B 28. 29; I 324, fof. 325, 5 D.). Daneben findet sich x6cr(1.oe; und 'Ap(1.ovl'l) (B 26. 27; I 323, 3· 324, 3)·

Da Empedokles das Sein als wohlgerundeten crq)(x;!;poc; versteht (B 29, 3), wird man annehmen dürfen, daß auch Parmenides, der das gleiche Bild verwendet, dem Sein nicht nur die Realität des Denkens gegeben, sondern es zugleich auch als realen Ball gedeutet hat.

Page 60: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

II2 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

aber ist es, der den Wechsel der Einkörperungen steuert. Muß man bei dieser Sachlage nicht die Ananke - der Sache nach - auch B 30, 3 f. (Xp6vow, 5c;

&fLO~ßcäoC; 1t'Atx:'rEOC; 1t'<Xp' i)'~AOC'rO 5 pxou) wiederfinden? Dann wäre 1'-11arLke

die Macht, die nicht nur die wechselnden Einkörperungen steuert, sondert, auch die Perioden der Mischung und Entmischung der Elemente bestimmt. Die Sache lohnt, die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme durch weitere Inter­pretation zu unterbauen. 7tAoc'r6c; scheint zu betonen, daß die bindenden Eide nicht - wie beim Versiegeln üblich - dünne Schnüre, sondern breite Bilo,ler sind. Ein vergleichbarer Sprachgebrauch liegt bei Nonnos 42, 48of. vor, das Wort Attribut von Okeanos ist, der als Ringstrom die Welt umschnürt (xoct ToAcnü'.l &e'.laou f,U'rpot)fLe'.lo'.l &.\l'ruY~ x6crfJ..ou / '.Qxeocv6'.l). Ebenfalls bei Non­nos wird auch der semantische Gehalt von cr<ppay(~e~v weiter deutlich. ' heißt es 45, 266ff. von Pentheus, der die Bassariden fesselt und in ein finsteres

Verließ sperrt

Boccrmx:pU)w'.l Se cpaAocyyoc 1t'ep(1t'AOXO'.l &fJ..fJ..oc'r~ xetpw'.l

SEcrfJ..~O'.l eupwe'.l'rt xlX'recrcpp~Ytcrcre fLeA&'%PCP,

dc; YAoccpup6'.l 'rt'.llX XOLAO'.l &'rep7tEOC; o!xo'.l &v&.YX1)C;,

••. SecrfL0 S-),LßofLE'.lOC~C; •.. ~fJ..&.v'rec;

(272) XaAxd1) Se 7t6öecrcrw im;:crCPP1)y(~e'ro creLp~,

Hier sind &'.layx1) und xoc'racrcpplXy(~eL'.l als ganz eng zusammengehörende Be­griffe erwiesen. oIxoc; &vayx1)C; ist eine poetische Umschreibung für SecrfLw'r~­p~ov, wie die Griechen ein Gefängnis zu nennen pflegten. Beinahe noch wert­voller für die Erklärung der Empedoklesverse ist 3, 355 ff., wo Kadmos die Mahnung erhält, vor den Gefahren der Zukunft sich nicht zu sehr zu ängstigen

&1t'POLÖ~C; oe dc; cre ßW7tAayx'rotO 'ruX1)C; cr'rpocpaALYYoc xu),,(vow'.l

CPPLX'rOC; &XLV~'rOW fLL'rOC; crCPP1)YLcrcrOC'rO Mo(p1)C;' 'rA~%L epEpe~v Am67tIX'rp~e; &xtx:fL1tEa %ecrfLov &V&.YX1)C;93

Der %EcrfLoe; &'.l&yx1)C; - auf parallele Formulierungen wird später zurückzukom­men sein - ist dem' Av&yx1)c; XP~fLa eng benachbart. Die Affinität der Moira­Ananke (es entsprechen sich ja fLL'rOC; MOLP1)C; '" %ecrfJ..0e; &vayx'fJe;) zum schnü­renden Versiegeln wird auch hier sehr deutlich. Die Brücke dieser engen Beziehung ist die oecrf1.6c;-Vorstellung, die zum Wesen der Ananke wie des crepptx:Y(~E~'.l gehört. Dazu sei noch vergleichend gen,annt Hesych mppocy'i:öoe; und Nonnos 48, 628

93 "Denn wider Vermuten gegen dich wälzt sich der Wirbel der lebensverschla­genden Fügung. Unerschüttert besiegelt ist Moiras schrecklicher Faden. Dulde, flüchtig den Zwang der Fessel des Schicksals Zu tragen'( (Th. v. Scheffer).

Weltbindlm.g !md Verkettung des Seins; O'U!-L1CAOK~

xat öEcr[1.0~e; &M'ro~cr~ 1t6Stx:c; crqJ1)xwcraTo XOUp'fJe;

xa:t 1taAaf1.a:~c; ~A~X1)ÖÖV i1tEcrepp1)y(craa't'o crELP'~V,

fJ..~ [1.~v &Auaxa~e~Ev'

II}

Die Erklärung, die Hesych von ÖPXOL gibt, nötigt zu einem kurzen Eingehen auf den gedanklichen Hintergrund des öpxoe;. Wie kommt Empedokles dazu, von ,Eidbändern ' zu sprechen? Dazu ist zu sagen, daß im Griechischen die Unverbrüchlichkeit eines Eides regelmäßig mit dem Bilde der ,Bindung( sinn­

fällig gemacht wird. So heißt es opx(OLm fLeyaAOL<1L hÖEoEcr%a~ Herodot 3, 19; öpXotC; bS~crOCcr%tx:L Eur. Med. 161ff. (vgl. 5pxo~m 1tEPLßa:Aoucra fLE und opxtOLm ~uydc; I. T. 788; Med. 735); 5pxotC; ... iVSEÖEfL~'.loue; Josephos Bell. 2,

143 j vgl. Ant. 20, 77; 5pXOLC; XeXA~fJ..E%a Eur. Hel. 977; weitere Belege im Thes. Gr. Ling. s. v. iVÖEW. Der Eid ist in seiner bindenden Kraft auch dem Gesetz vergleichbar, weshalb öpxoe; und v6fLOe; nahe Verwandte sind.94 Beide erzwingen gleichsam fesselnd ein bestimmtes Tun oder Lassen. Bei dieser Sachlage kann es keineswegs überraschen, im Umkreis des gpxoc; auch Ananke zu finden:

1L'Lcr't'O'r~POLC; fJ..e'.l 't'o'i:e; ),6yOLC; ~ '.lUV 't'o~c; 5pXOLC; XpWf1.EVOL, 'rIXLe; öe cru'.l-&1jXOCtC; wcr7tep

&v&.yxa:~e; ifLfLE'.lEtV sagt Isokrates Paneg. 81 beim Lob der Generation der Perserkriege. 95

Damit sind aber nun feste sprachliche Bezüge zwischen &vayx1), 5p).{,oe; und aepplXyr~EL'.l als gesichert anzunehmen. Ebenso wie die verschiedenen Einkörpe­rungen der Seele wird Empedoldes auch die Perioden der Elementmischung unter das Gesetz der Ananke gestellt haben.96 Anders als bei Parmenides, bei dem _ sie dem Sein und Denken immanent ist, erscheint Sie hier mehr als apriorisches Gesetz, das, einem alten (d. h. seit jeher gültigen) Götterbeschluß vergleichbar, das Weltgeschehen bestimmt. Ananke bindet nicht mehr un­mittelbar das Sein, sondern repräsentiert die unlösbare Bindung einer Gesetz­lichkeit, deren Objekt die Welt ist. Jedenfalls ist der strenge ontologische Standpunkt des Parmenides zugunsten einer mehr pluralistischen Deutung aufgegeben: vier Elemente (Feuer, Wasser, Luft, Erde), zwei Kräfte (Philia, Neikos) und eine alles steuernde Gewalt (Ananke) machen die Gesamtheit des

Seins aus. 97

94 V gl. Hirzel, Der Eid, S. 74. 95 Dazu richtig Hirzel, Themis 427: "Die Verpflichtungen, welche uns durch Eide

auferlegt werden, stellen sich als &:1J&YXIXt dar". Vgl. Josephos Vita 211 XClTClIJIXYX.&~­e:w öPXOt~. Auf die Eidbindung wird bei der magischen Ananke zurückzukommen sein.

96 Das Wort steht noch einmal B 116 (I 358, 15 D.; von der Charis: O"t'uyse:~ MO'TA'I)TOIJ 'Av&yx"I)v), ergibt aber nichts in diesem Zusammenhang.

9? V gl. A 32 (I 289, 9 D.): TO \J-elJ gv T~V eh &:yx"I) V , 6A"I)V 3e aÖT9)~ T& TEHapa O"Tmxe~a. e:~3"1) 3e TO Nsrxoc; xal T~V <D~A(av. A 38 (1290,27 D.) ~mxsv E. &v d1CSrlJ ~C;TOXPCl'!si:V

8 Schreckenberg

Page 61: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

d) Die Ananke der Atomisten

Nur ein direktes Zeugnis spricht von der kosmologischen Ananke: ou3€1J

XP~!J.a !J.rX"t"'Y]v yLve::1'at, ft.AAa 1t"chra EX Myou "t"e:: xat un' &\lcY.yxYjC; (Leukipp B 2; II 81,

5 D.). Häufiger und aufschlußreicher sind indirekte Nachrichten von der

Ananke des Leukipp und Demokrit.98 Zweifellos war sie ein zentraler Begriff

der atomistischen Philosophie. Soviel ist klar, sie steuert als oberste Gewalt das

Entstehen und Vergehen der Welt beziehungsweise der einzelnen Welten.

Mehr wußte man schon in der Antike nicht, wie die ein wenig vorwurfsvollen

Bemerkungen &vayxYj\l, ~v o1t"o~a &O'''t"tv ou 3~aO'acpe::i: und 1'tc; 3' &v e::h) ~ &vb.yxYj,

DU 3~WPLO'e::v besagen.99 Vielleicht führt eine Betrachtung der Nachbarbegriffe

xo'.1 xwe:i:v ~v !_d:pe:~ "1"~V WLA(etV Xo:L "1"0 Ndxo~ 6napxe:L "1"0i:~ npaY(l-etcrLV ~~ &vayx'l)C;, -~pe:[1.dv 8~ "1"OV [1.e:"1"et~U Xp6vov. A 45 (I 291, 35 D.) 'E. oudetv &vayx -I) e; O:~"1"tetV XP1)Q""1"LX~V ,,&v &pX&vxo:h&v cr"1"OLXdwv. Plut. de an. procr_ 27, 2 p. 1026 B (I 291, 36 D.) &\layx"'1\1, ~\I d[1.etp(l-t\l'l)v oL nOAAol XetAOÜOW, 'E. M <PLA(a\l O[1.0Ü xetl Ndxoe;.

Zeller I 2 S. 969 urteilt: ,,'" so sind dies späte Umdeutungen, durch welche wir über das, was er wirldich gelehrt hat, nichts erfahren ... alle diese Angaben sind ohne Zweifel nur aus Fr. 115, aus der Analogie stoischer, platonischer und pythagoreischer Lehren, namentlich aber aus dem \Vunsch hervorgegangen, bei Empedokles ein einheitliches Prinzip zu finden." Gundel (22 Anm. 25) lehnt das ab und betont die Gültigkeit dieser Zeugnisse. Doch ist ihr Wert, da sie sich der Ter­minologie späterer Zeit bedienen, nur sehr relativ. Immerhin stützen sie in etwa die hier vorgetragene Meinung.

08 Leukipp A 1 (Il 71, 20): et\ld "1"e: {hcrrtep ye\ltae:L~ x6crtLou, ormu xat au~~cre:Le; xal <p&~cre:~e; xal <p.&opae; xa"1"&. "1"Wet (hayx'l)\I, ~\I ono(a ~a"1"l\l 01'.1 8Laaa<pd. A 10 (Il 74, 25): x6cr[1.oue; M ili8e: y(ve:cr.&et~ MYSL' <het\l de; (l-~ya xe\lo\l tx "1"OÜ ne:p~txov"1"oe; &~q.potcr-flii nOAAfL a&[1.et"et xetl auppu-(j, 1t"poaxpouO\I"t"IX &AA~Aote; crU[1.1t"AtXe:cr-&et~ "1"cl OtLOLOaX~[1.0\la xat netpa­nA'~ma "ae; [1.op<pae;, Xett m:pmAsX·e·bTW\I o:a"1"pa Y(\le:cr.&et~, cx6~s~\I 8~ xat <p.&t\le:~\1 8~a -rljv &\layx'I]\I, "1"(~ 8' &\1 &1) ~ &vayx'l), ou at&p~ae:\I. A 24 (Il 78,4): 01'.1 YclP &'&·potcrtL0\l 8d 1.1.6\10\1 ye:\I~cr.&aL, ou8s 8~\lo\l t\l (}> t\l8tXS"1"etL x6crtLo\l y~\le:a.8etL xe:vi}> xa"1"a "1"0 80~a~6[1.e:\lov ~~ &\I&.yx1)e; X"1"A.

Demokrit Al (Il 84, 18): n&na M xO:"1"' &\layx'l)\I y(\le:a'&-etL, -ri]e; 8~\I"I]e; o:t""r(ete; 060"1)<;; "1"1)e; ye\ltae:we; na\l"1"w\I, ~\I &\laywl]\I Atye:~. A 37 (Il 93, 36): l:d "1"oaoü"1"o\l 06\1 Xp6vov cr<pwv CXU"1"W\I &ntxe:a.&aL \lo!.1.L~l2:t xetl crutLtLt\lSW (sc. die Atome), ~w~ ~axupodpet "1.~ tx "1"OÜ 1t"e:PLSXOV"1"O~ &\layx'l) napaye:\lotLs\I'1] 8Laadcr"{l xat xwpt~ aU"1"d:~ 8LetcrndpYJ. A 39 (Il 94, 21): (l-'l)8e:tL(a\l &PX~\I ~Xe:w "1"ae; at""r(a~ "1"f1J\1 \lÜ\I Ytyvo(l-t\lW\I, &\lco~q.ev a' 8ACO~ ~~ &1t"dpou Xp6\1o\l npoxa"1"~xe:af}·aL "1"YJ th&.yx'n nrX\I&' &nAw~ -ro: yeyov6,,0: xat t6v"1"et y..o:t ta6[J.B'Ja. A 66 (Il 101,1): ß. M "1"0 00 E:\lexa &<pd~ Atye:W n&\I"a &\I&.ye:1. de; &\laywl]\I oIe; XP1)"1"etL 1) <pume;. Aet. I 26, 2 (D. 321. nspt oucrLete; &\I&Yx"YJ~): ß. TI]\I &\I"n"un(av Xett <poPd:V xcd 1tA'l)y'ijV ,,;;je; ÖA"YJ~. A 69 (Il 101, 29) ... ,,~v &\layx'l)v xat "et\h6(l-a"1"o\l na\lTet 8O\lacr'&a1.. A 83 (Il 1°5, 1): {haTe xa"1"' &:vayx1)'J [1.~\I xat {mo 8~\l1)e;, &~ ~Ae:YO\l ot 1t"Spt ilcl](.1.6xPL"1"OV. oux &\1 XL\loho 0 x6a(l-0e;.

00 Vgl. Demokrit A 67 (Il 101, 5) &AACt. xa1 ß. ~\I oIe; <p"YJm 87.VO\l &no "1"0t) nanoe; &noxpd1"'~'JO:L ncx\l"1"o(cov WSW\I (nwe; 811: Xett uno "hoe; o:i"1"(O:~ [1.~ HYSL), ~OLXS\I &1t"0

Weltbindung {md Verkettung des Seins: autL1t"AOX~ IIf

weiter. Auslösend für die Weltbildung ist 3t:vo.:; oder S(\lYj,100 ein Wirbel, der die

Atome ergreift, wobei sich die jeweils gleichgestaltigen unter ihnen verketten

und zu Körpern verflechten: 1t"EpmAtxsO'.&a~, 1t"EpmAOX~, crU(J.1t"AtxsO'.&aL, au!J.-

7tAOX~.101 Der 3t:\l0c; seinerseits entsteht &1t"O "t"auTo(J.a"t"ou.102 Dieses "t"au1'6[.1.a't"ov

ist offenbar eine Umschreibung für Ananke: beide Begriffe stehen an einer Stelle

parallel ("1"~V &v&yxYjv xat "t"au"1"6[1.a"t"o\l1t"cY.na M\laO'.&a~Dem. A 69; II 101, 29). Dem­

gegenüber muß die Identifizierung (Dem. A 1; II 84, 19) oder Parallelstellung (Dem. A 83) von &v&yxYj und 3(',1'"1) als Kontamination gelten,103 denn der

Stufenfolge Ananke - Philia und Neikos - Elemente bei Empedokles kann nur die Reihe Ananke - Dinos - Atome bei den Atomisten entsprechen.

Der Dinos ist, wie Philia und Neikos bei Empedokles, nur das Mittel,

durch das und über das die Gewalt der Ananke freigesetzt wird. Welcher

Art diese Gewalt ist, zeigt sich an dem, was mit den Atomen geschieht. Sie

werden verkettet und verflochten, also gleichsam zusammengebunden.

Daß Verflechtung und Verkettung zugleich auch Bindung bedeutet, ist

schon von der Sache her notwendig, die semantische Koinzidenz wird

sehr deutlich im Politikos Platons (305 e-3 i1 c), wo von der rechten

Staatskunst als der königlichen Zusammenflechtung (ßIXO'~A~X~ O""U!J.1t"AOX~) die

Rede ist. Dort heißt es von der gleichen Sache O'Uf.1.TCAOX~, aU!J.n-Ahe;~v (306a),

cruv8dv xal aU!J.nMxe::w (309 b), O'uvap!J.6O'Cl;a.&a~ 8sO'!J.0 (309 c), aU!J.nAox~ xat

8sO'[.1.6.:;, aov3EO""!J.0C; (309 e), 3zO""!J.ouC; O'uv8e:t:\I, O'u\IUcpavO""e::cu.:; if.pyov (310 e), 1'ZAOC;

ücpaO'!J.a1'o,:;su&U1t"AOX.kf O""u(J.TCAaXZ\I.104 Wenn nun einerseits das Wesen von Ananke

't"cd.\t"o!.1.chou xetl "1"UX1)e; ye:woc\l eto,,6\1, und Leukipp A 6 (Il 72, 27) &AA1)AoTunouaa~ xat XPOuo(l-tVete; npoe; &AA~Aa~ xwda.&a~ "1"at; &"1"6[1.ou~, 1t"6.&E\I [1.S\I"1"OL 1) &pX~ ,,;;je; XL\I~­cre:we; "1"-'fj~ xa"1"cl <pucrw, 00 AtYOUcr~\I. Unklar ist also die Ursache des 8i:\loe; bzw. der atomaren xi\l'l)m~, nicht der 8i:\l0e; und die x.i\l'l)me; selbst. Die rätselhafte Ananke muß mit dieser Ui·sache identisch sein. Die Identifizierung der Ananke mit 8(\1'1] (Il 84. 19) oder mit &nLTunio: xat <popd: xat 1t),"YJY~ ,,~e; {)A"YJ~ (Il 101, 2) ist also offen­!Jar Verl~genheitslösung. Wenig glaubwürdig, weil ganz stoisch, klingt die Defini­tion "1"~\I o:t'n~\I 8€: el\1aL dtLap[1.zv'l)\I xat 8ix'l)v Xett np6\1o~et\l xat xocrtL0no~6v (I 223, 21).

100 Leukipp A 1 (Il 70, 30; 71, 10. 12), A 24 (Il 78, 5), B 1 a (Il 80, 17)' DemoR

hit A 1 (U 84, 18), A 69 (U 101, 19), A 83 (U 105, 1), B 5 (U '35, 10), B 167 CU '78, '3).

101 Leukipp A 1 (U 70, 22; 7', 6. 11), A 7 (H 73,10), A 10 (74, 27f.), A '4 (U 75, 27), A '5 (U 75, 34), A 23 (I! 77, 4), A 24 (I! 77, 16). Demokrit A 37 (H 93, 3')' A 43 (U 95, 11), A 49 (Il 97, 21), A 57 (H 98, 37), A '35 (U 118, 20).

102 Demokrit A 67 (Il 101, 7), A 69 (Il 101, 18. 23. 30). Vgl. oben Anm. 99. Ioa Das gleiche Mißverstehen zeigt Plutarch de an. proer. 27, 2 p. 1026 B (I 291,

36; Emp. A 45), der glaubt, die Ananke des Empedokles sei identisch mit Philia rind Neikos.

104. aU(l-1t"AOX~ und auv8ea[1.0e; sind ebenfalls identisch bei Jamblich de myst. 1, 5 (Parthey).

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II6 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

Bindung ist und andererseits Verflechtung immer auch Bindung meint, deutlich, warum Hit die Atomisten gerade Ananke die letzte Ursache

Atomverflechtung ist. '05 Vielleicht ist Demokrit B 164 (Il 176f.) ein Beispiel der Wirkung der Ananke und der Art und Weise des Zusammentretens Atome,lOG Dort ist die Rede vom Wirbeln (öivoc;) eines Siebes und vom

schlag an der Küste, der Gleichartiges zu Gleichartigem sondere @c; &v

ywy6v -n EXOÜcrYjC; -rwv 'Tt'payp.&'t'wv 't~c; BV 't"ou-rmc; o!J.o~6't"1)'t"oc;. Die o~o",,~,,; als vereinigende und verbindende107 Kraft erinnert an die Bedeutung op..wc; bei Parmenides (E 8; I 239, ~) und die op.m6'r"l)c;'Platons (Phaidon 108

99 b/c; vgl. oben S. 85 f.): ÖfLm6"~, der Welt und taoppo"t~ der Erde eHlorlgen eine äußere bindende Befestigung (&v&YX'l), 3(v'l) der Erde. Das O'U'V3E~V

O'uvex.Ew erfolgt vielmehr durch das &ycx.&ov xex:t 3to'V. Mithin ist o[l-0~6't1').:;

für konkrete Bindung, erfüllt also ihrerseits die Funktion von Bindung.

&'V&YX'l) und 3('V'l) sich irgendwie nahe stehen, zeigt auch die schwer üben,et:,-J, bare Kombination &'V&YX'l)':; 3~vex:~ von der Tartarosfesselung des Pr,orrIcthe,os (Aisch. Prom. 1052). Damit ist die semantische Affinität von 0fLO~6"C"'l)':;, ~v("y,m.

3('V'l) als gesichert anzusehen.

Die Atomisten Leukipp und Demokrit gehen - so ist jetzt deutlich - übet

Empedokles insofern hinaus, als sie Ananke nicht mehr die Mischung

Entmischung der Elemente bestimmen lassen, sondern die weltbildende

kettung (oder weltzerstörende Auflösung) der Atome. Damit ergibt sich

sichtlich des Objektes, an dem die Gewalt der Ananke wirkt, eine Erlt"dck­lungsreihe von Parmenides über Empedokles zu den Atomisten: das elflil<"'-,

liehe Sein als Ganzes, die vier Elemente, die unzähligen Atome. Die Unmt'g-, lichkeit des Werdens und Vergchens ist bei Empedokles und den AtonuS1;en beibehalten, jedoch reduziert auf die Unveränderlichkeit und Ewigkeit

Elemente bzw. Atome. Hand in Hand damit geht die zunehmende

straktion der Ananke auf ihrem Wege von Parmenides über Empedokles

den Atomisten. Da sie auch die Auflösung aller Welt bestimmt, steht sie

Weltgesetz gewissermaßen oberhalb des Bindens und Lösens und kann

einseitig nur der Verflechtung zugeordnet werden. Aber das Prinzip

105 In der Deutung Späterer findet eine Umkehrung statt. Plotin kommt in Abschnitt, der sich gegen Epikur und andere Materialisten richtet (3, 1, 2), auf Atombewegung und -verflechtung (crutL1t"Aox.cd) zu sprechen. Er wendet sich gegen, daß die Menschen und das Seiende durch die von den Atomen a;,:~;::::~; Ananke bestimmt würden. Hier ist Ananke die Wirkung der atomaren: und Verkettung, nicht mehr deren letzte Ursache.

1G6 Vgl. Ingeborg Hammer-Jensen, Demokrit und Platon 93ff., 2uff. 107 In Platons Protagoras (322 c) sind Aidos und Dike mSAEwv x.60'tLm "C"E

8EO'tL0(, rptAl.ac; cruvo:ywyoL

Weltbindung und Verkettung des Seins: Phaidon IoSe 117

doppelten Zuordnung wird vorzüglich illustriert durch die Zaubergöttin

Ananke, deren Macht sich zugleich auf Binden und Lösen bezieht (unten S. 140)'

Leuldpp sagt B 2 (Il 81, 5) ou3ev XP'i)fLoc fL&'rIJV y[ve"C"oc~, &AAQ:. 1t"&V"C"1X ZX A6you

't"e XQd {m' &v&YX'l)':;. Als Gegensatz zu fL&'rlJv stehen Logos und Ananke eng

beieinander, vielleicht als Komplementbegriffe, ähnlich wie Ananke und

Barmonia in dem Satz des Philolaos 7t&v"C"ex: &v&yXYl xex:t &rfLoVtq< y[yvecr&ex:~. Sicher

ist kein Dualismus gemeint, wie er in der Zweiheit von Geist und Stoff bei

Anaxagoras gegeben ist (z. B. B 12; Ir 37, 18 ff. D.). Eher vergleichbar scheint das Nebeneinander von Ananke und Nus bei Diogenes von Apollonia, worauf

jetzt der Blick zu ricbten ist. Euripides Troa. 884ff. (= C 2 D.) bezieht sich auf Diogenes

<1 y'i)e; 5X"1J fLOC x&1t"l y'i).:; zx.wv g3pocv

()cr"C"~':; 7to"C"' er cru, ouO'''C"6m.m''C"0.:; etö€vex:~,

Zeu':;Eh' &v&YX'l) rpuO'ew.:;e'C"C"E '.loG.:; ßpo"C"wv,

7tpo(J'l)U~&fL'l)v O'e' 7t&v"C"oc yQ:.p 3~' &~6rpou

ßex:tvwv xEAeu&ou xex:"C"Q:. 3(x1Jv "C"Q:. ihi~"C"' &ye~.:;.

5X'l)t-toc meint die Luft,lo8 Sie befindet sich oberhalb und, als ,Stützec, unterhalb

der Erde. Auf eine solche VorstellunglOll bezieht sich Platon an der schon ge­

nannten Stelle im Pbaidon (99 b/c): "Deshalb legt nun der eine einen ring­förmigen Wirbel (3tv~) um die Erde (auf dem sie aufsitzt) und läßt sie so unter dem Himmel stehen bleiben. Der andere stellt ihr wie einem breiten Trog die

Luft als Stütze unter. Daß sie aber so liege, wie es am besten war, sie zu legen

... _ sondern sie meinen, sie hätten wohl einen Atlas aufgefunden, der stärker

wäre und unsterblicher als dieser und alles besser zusammenhielte. Das Gute

und Richtige aber, meinen sie, könne überhaupt nichts verbinden und zu­

sammenhalten (cr1j'V3E~V xex:l crU'VE:XEW)". Der Luftwirbel ist etwas, das bindet und

festhält. Da ist Ananke nicht weit. Im gleichen Dialog Platons heißt es 108 el 109 a Ne; 7tpw"C"o'V fLE:V, d zO'''C"~v EV [l-tO'cp "C"(}) oupcx.V(}) 7tep~rpe:p~e; OUO'IX, fL'l)3ev lXu"C"TI 3E~'V

t-t~"C"E cU P 0':; 7tpÖe; "C"o fL~ 7tEcrE~V fL~"C"e: &AA'l)e; av& yx 'l)':; fL'l)3efL~ii.:; "C"mex:u'tl')e;, aAAQ:. txoc­

v~v e:tvex:~ ex:uTIJv 'CcrXe:w TIJv ofLO~6't1')"C"ex: "C"oG oupex:voG ex:u"C"oG eex:u"C"(}) 7t&v"C"Yl xex:l "C"~e; y~.:;

ocu"C"~':; TIJv tcroPP07t~ocv. Diese Äußerung ist vielleicht ebenso wie 99 b-c Spiege­

lung der Lehre des Diogenes. Das Beieinander von Ananke und Luft findet sich

ebenso Eur. Troa. 884ff. An beiden Stellen wird auch auf altepisehe Formeln

108 V gl. Kerschensteiner, Platon und der Orient S. 116. 109 Zu vergleichen ist Diels Doxogr. 561, 2 '1'~V y1jv 1t"Aa"C"docv dVlXt sn' &epOC; öxou­

[J.e:V"I)~. Hippocr. de Bat. 3 (Diog.C 2; II 67,28 D.) &AAa. fL1]V x.d ~ y1j "C"m'mp (sc. "C"41 &e:pt) ß&&pov oD"C"6c; '1'E y1jc; 6X"l)tLlX, xEv6v 't'E: oOBlv &cr"C"~v. Aristoph. Nub. 264 'A~p, 8~ Itxetc; -rf]V y1jv tLE"C"€Wpov. Für Philolaos (B 12 I 413, 2) ist der Äther das Lastschiff (OAX&C;) der Himmelskugel. OAX.&C; steht semantisch 6X"I)[.L1X sehr nahe.

Page 63: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Il8 Ananke als theologischer und kosmologischer BegrijJ

zurückgegrlft-en. Denn Funktion der die konkrete Ananke ersetzenden op.m6't'f)<;; 't'OU oöpocvou ist taxe~v, das seinerseits in der festen Verbind'ung taxet" &v&yx:n zuhause ist. Ähnlich erscheint in der indirekten Diogenes-Nachricht des Euripides die Formel &YE~V &vclYx"() in abgewandelter Form: miv'rCl. 't'd: &v~'t')

&ye:LC; ist die Wirkweise der großen Macht, die mit Luft, Zeus, Ananke, Nus umschrieben wird.no In diesem Zusammenhang ist auel: die ßtcda &\I&YX'I) der Schrift 7t"e:pl oupavou zu nennen (284 a i ~), von der es heißt XOC't'E:XEL XWAUOUO'OC

q;~pe:a&cu n:e:rpux6-ret.: ocu'rov (sc. 't'O\l oöpocvov) &AAÜJt;. Der Himmel bedürfe, so " gesagt, keiner konkreten bindenden Befestigung, die ihn gewaltsam in seiner Lage festhalte. Auch der alten Sage sei nicht zu glauben, die einen Atlas

bemühe.lll Zur Erldätung des Diogenes-Zeugnisses bei Euripides ist auch

Nonnos 2, 263 ff. heranzuziehen. Typhon droht Zeus, er werde den Atlas von

seiner Last befreien:

ou yap EOCO'O'c.u

w!J.o~~ &A~ßo!J.evot~ xUp'rou!J.e:vov utov &pOUP1J~ ,

IXW'EPO~ OXA~~OV'rIX1tIXA~V~Ev1J'rov &vocYX7Jv.

Hier sind, wie oft bei Nonnos, alte Vorstellungen greifbar. Ananke ist der in

sich zurückkehrende, die Welt umgebende Ring des Äthers, der zweifellos

auch begrenzende und zusammenhaltende Funktion hat.ll2 An einen unmittel­

baren Bezug des Nonnos auf Diogenes oder gar Anaximander ist kaum zu

denken. Dafür waren solche Vorstellungen zu verbreitet. Ein sicherer Aus­

gangspunkt dieser kosmologischen Gedankengänge ist aber auf jeden

der Tt'rav Q.J&-ljp des Empedoldes, von dem es heißt aeptyyc.uv ne:pt XUXAOV &,-onv'w"

(B J 8; I J 29, 2), Euripides läßt ähnlich den G<lMJP die Erde gleichsam unoarmen

(y~v 1tEpt~ *-XOVT' UYPIXL~ ZV &YXOCAlXt~ Fr. 941, 3 N.). Für Diogenes ist nach

110 Ebenfalls &YE~V &v&:YXTI ist modifiziert in dem früher genannten Fragment Parmenides B 10 (I 241, 16) o0p1X\I?n •.• ~\I-l7ev ~cpu "t'e: X1Xt (f)(, [1.w &youcr' ~n~31Jcre\l 'A v&YX1J rrdpcd ~xe~v &O''t'poov.

111 Vgl. auch den Aristoteliker Simplikios de caelo (p. 374 Heiberg): X1Xt yrlp [1.8\1 [1.U-l7~K~\I dcr&youmv 'A v&YX"IJV 'roi) [1.~ rrtn'rew 't'?n oUp1X\l6\1. Ct.AA' &'1100 (1.~VOV'r1X

<pepe:cr-l71XL, {f)crnEp "O[1."flPO\l 'rov "A"t'A1X\I7:1X Af.yooV X"t'A. Das ist, wie Gundel (Ananke richtig gesehen hat. eine Fehldeutung von Hes. Theog. 517. Die Notiz ist aber solche recht interessant, zeigt sie doch. daß die V 6rstellung von Ananke als förmiger Befestigung des Himmels (bzw. der Erde) durchaus nicht urlgl:w,'\hnli,ch war.

112 Ähnlich spricht Nonnos 38. 109 vom ym~oxov 6300p des Okeanos, der Ringstrom die &v'ru~ x6cr[1.ou umfließe. ylX~~oxov wäre eine genaue Paraphrase des Diogenes Zu beziehenden y'lj~ I)XY)[1.1X bei Euripides.

Nach Proklos in Plat. remp. (H 109 Kroll) war in dem pseudepigraphen ne:pt <pucrerot; des Zoroaster Ananke dem 'A(t-l7)~p gleichgesetzt. Das vermerkt Weltenmantel II 415.4.

Welibindung und Verkettung des Scüu: Diog. v. ApolI. II9

weis des Euripides-Zeugnisses113 die Luft zugleich der höchste Gott, Ananke

und Nus der Menschen. Warum Ananke - die Erweiterung &V&YKf) qJucre:c.uo:; geht wohl auf das Konto des Euripides, dem dies die zu seiner Zeit geläufigste

Erscheinungsweise war - hier mit der Luft identisch ist, scheint jetzt deutlich.

Denn da sie sowohl unter wie über der Erde ist, kann sie, je nach der Be­

trachtungsweise, sowohl von unten her stützen wie auch ,umschließender Ring

sein,114 Verständlich ist auch, daß die Luft als oberstes Prinzip mit dem Namen

des höchsten Gottes (Zeus) angesprochen werden kann.115

Es wurde festgestellt, daß der Satz des Leukipp oua~v xp'ij!J.()'; t-lrfTlJv y(VETlXt,

?i),:A2t. 7tC~v'ra EX Myou 're: xlXl un' &vocyX'1)O:; mit seinem Nebeneinander von Logos

und Ananke in gewisser Weise dem Beieinander von Ananke und Nus bei

Euripides-Diogenes entspricht. W. Theiler116 spricht hier von einer Antinomie

von ,,&v&YX:1J und voü~) die bei Diogenes von Apollonia unvereinbar die Natur­

erklärung spalten", und wertet dementsprechend den Diogenes als wichtigen

Vorläufer Platons, bei dem - -wie gleich zu zeigen sein wird - der Gegensatz

von Ananke und Nus bedeutungsvoll ist. Doch erheben sich dagegen Be­

denken. Die fraglichen Begriffe sind doch bei Diogenes nur Umschrei­

bungen ein- und derselben Sache, der Luft als des obersten Prinzips. Die Luft

ist Zeus, ist Ananke, ist auch - pneumatisch begriffener - Menschengeist. Bei

allen Berührungspunkten des Diogenes mit den Atomisten117 ist seine Luft­

lehre doch in der Nachfolge des Anaximenes ganz und gar monistisch. Die

bekannte Antinomie Nus-Ananke bei Platon greift vermutlich nicht auf die

Atomisten im engeren Sinne (Leuldpp, Demokrit), sondern auf Anaxagoras und

dessen Gegenüberstellung von Stoff und Geist zurück.

Die Beurteilung der platonischen Antinomie muß von Tim. 47 e-48 a aus­

gehen. Es heißt: "In dem bisher Durchgegangenen sind ... die Wirkungen

der Vernunft (vous) dargelegt worden; wir müssen nun aber auch das, was

durch die blinde Notwendigkeit (&v&YX1J) entsteht, in unserer Erörterung

113 V gl. dazu Zeller I 2 S. 1448 Anm. 2. 114 Nestle. Euripides S. 450 versteht y'lj~ ()X·IJ[1.1X x&rrt y'lj~ 't:x.oov E:3P1X\I so, daß damit

die Immanenz der Luft in der Welt gemeint sei. Da ist der genaue kosmologische Sinn dieser Worte mißdeiltet. Der Satz ist nur vom Luftgürtel her zn verstehen, der die Erde ringsum einschließt; denn "unten" und "oben" stehen stellvertretend für "ringsum" .

115 V gl. Diog. A 8 (Il 53, 15); B 5 (Il 61. 4-7), sowie C 1 (Il 67, 8) Arvo~ ß1XmAeüe~ 'rO\l ß~' e~eA·IJArXxfu~. C 4 (Il 68, 38) 'A~p. 8\1 &\1 "t't~ 6vo[1.&cre:~e xrXt A(1X. Eur. Fr. 877 N. At-l7'~p .•. Zeu~ 8(, &v&pfuno~(, ovo~&~e't"rXt.

116 Zur Geschichte der teleologischen Naturbetrachtung bis auf Aristoteles S. 79. Vgl. Kerschensteiner, Platon und der Orient S. 115.

117 So ist seine Kosmologie durchaus atomistisch. Vgl. Hammer-Jensen 5, 217.

Page 64: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

I20 Allanke al.r theologischer und kosmologischer Begriff

niederlegen, Denn die Entstehung dieser Welt war ja eben eine gemischte, in­dem sie aus einem Zusammentreten der Vernunft und der Notwendigkeit hervorging; jedoch herrschte hierbei die Vernunft über die Notwendigkeit da­durch, daß sie dieselbe überredete, das meiste von dem, was da entstand, zum besten zu führen; und so kam demgemäß und auf diesem Wege durch die von vernünftiger Überredung besiegte Notwendigkeit im Anfang dieses All so, wie es ist, zustande" (Susemihl). Das ist ein kosmologischer Dualismus,1l8

wie er sich ähnlich auch Politikos 272 e findet. Der Ananke des Timaios ent­spricht dort die Heimarmene, die, wenn der Weltsteuermann die Ruderpinne losläßt und sich auf seine Warte zurückzieht, bewirkt, daß der Kosmos iri ent­

gegengesetztem Sinne umschwingt und die Welt in Verwirrung gerät.119

Tim. 56 c ist nicht vou~, sondern der Gott Gegenspieler der Ananke; und auch

hier ist sie der 7te:ühi.l zugänglich (Ö1t?l 1t€P ~ 't"~~ &vocyxYJ~ Exoucro:: 1t€~cr.&e:~cr& -r€

<pucn~ U1te:Lxe:v), eine feine Ironie im Hinblick auf den schroffen Gegensatz, in

dem sie sonst zum zx6v und 1td'&e:tv steht. Sie, die Unerbittliche und Unnach­

giebige, muß weichen und (nach 48 a 3) -roc 1tAdcr-ro: B1tl -ro ßEA"na-r0v &y€~v. Das

&ye:w, in dem sich bevorzugt ihre konkrete Gewalt äußert, tritt in den Dienst

des vou<; und des Gottes. 46 c-e wird deutlich gemacht, daß aller Dinge Ursache

der Nus ist, Ananke dagegen, der Bereich des Naturgesetzes, nur Mitursache

(auvCl:(-nov), die dienstbar gemacht ist zum Zwecke der Hervorbringung der

lOEoc -roü &p(mou xoc-roc -ro Buvoc't6v. Der Gegensatz voü~ : &v&"('.tYJ berührt sich mit

der gelegentlich(z. B. Leg. 897 b) anzutreffendenAntithesevoü~ : &va~oc.120 Daraus

folgt, daß bei Platon &v&YXYJ und &va~oc in gewissem Sinne semantisch affin sind:

Ananke ist das vernunftlos und blind-mechanisch wirkende Gesetz der

Materie und alles physischen Geschehens. Die Antithese vou~ : &v&yxYJ setzt

118 Doch ist die Ananke des Timaios nicht als böse Weltseele zu verstehen. Da­gegen wendet sich mit Recht Hammer-Jensen S. 97 Anm. 7. Vgl. auch Kerschen­steiner. Platon und der Orient 67ff., die überzeugend zeigt, daß der platonische Dualismus von Nus und Ananke nicht vom Orient her beeinfiußt sein kann. Denn das böse Prinzip Platons sei keine aktive Kraft, sondern nur passives Widerstreben des Stoffes gegen das Gute. Gegen die Annahme einer bösen Weltseele hat sich sehr überzeugend auch H. Herter ausgesprochen (Rhein. Mus. 100, 1957. 334ff.).

119 V gl. Gunde1, Ananke S. 46 und RE s. v. Heimarmene Sp. 2.62.7· 120 Darüber Kerschensteiner, Platon und der Orient S. 75. 82.. Vgl. S. 99: "Wie

der Dualismus VOUt; - &V&:YKIJ den Makrokosmos beherrscht, so spielt sich auch in der Menschenseele ein Kampf ab, in dem das Aoy~cr't~x6v die Oberhand gewinnen soll XIZ't"OC 't"0 3uvft;'t"6v." Kerschensteiner vergleicht in diesem Zusammenhang die Beschrei- . bung der drei Seelenkräfte des Menschen, d.h. des Wagenlenkers, des guten und des schlechten Pferdes, im Phaidros (2.46 b), wo die Lenkung XIZAB1t~ xlZl MO'XOAOt; ~~ &v&:YX1)t; ist: "beim Menschen, dem an das O'&[1IZ, die Materie, gebundenen Wesen, wirkt das Gesetz der &V&:YKf), das den Stoff beherrscht."

WeIthindung und Verkettung deJ' SeinJ': VOUt; I2I

voraus, daß die Materie im Vergleich zur Freiheit des vou~ als fesselnd emp­

funden wurde,121 Der Timaios beantwortet auch die Frage nach dem Ursprung

des Bösen. Es kommt nicht von Gott, sondern ist im Mechanismus des Natur­

geschehens begründet, der vom göttlichen Nus zwar beeinflußt und für seine

Zwecke eingespannt, nicht aber aufgehoben werden kann.122 Das Böse im

menschlichen Handeln erklärt sich aus der Verbindung der Seele mit dem Be­

reich der Körperlichkeit, der der Ananke unterworfen ist. Plotin gibt 1, 8, 7

eine verdeutlichende Paraphrase der diesbezüglichen Abschnitte des Timaios

fLe:fL~Y(1.EV'l) yap oov B~ ~ -rauBe: 'toü x6a(1.ou <pUO'L~ e:x -re: vou xocl &.vocyxYJ~, xt%t

oaoc 7tOCPOC %e:ou e:t~ ocu'tov ~x€~ &yoc&&., 'ta oE: xocxoc ex 't"Yj~ &pXft;(t%~ <puae:w~, 't~v ÖAYJV

At.yWV TI)v U1tOXe:~!J-E'JYJV o{hnu xOa[1.YJ.&B~at%v ex %e:ou -rou. Neben 2, 3, 6 und 3, 2, 2

ist hier vor allem noch 4, 4, 39 wichtig (Harder): "Daß schlimme Einflüsse

von den Göttern ausgehen sollen, löst sich dadurch, daß nicht der Wille die

Wirkung hervorruft, sondern was von oben herabwirkt, vollzieht sich nach

Naturnotwendigkeit (<p\)a~xoc~<; &v&.yxoc~<;)." Analog ist die Stellungnahme in

der unter dem Namen des Jamblich gehenden Schrift de mysteriis 4, 8 (Par­

they): "Infolge von Naturgesetzen (aw(J.t%'t~xoc~~ &.v&yxoc~~) also, die nur im Kör­

perhaften (unseres menschlichen Mikrokosmos und der materiellen Schöp­

fung) begründet sind, ergibt sich für die (verschiedenartig organisierten) Teile

(des Ganzen) auch Schlechtes und Verderbliches" (Hopfner). Auch das ist noch ganz Platonisch gedacht.

Die dem Negativen zugeordnete Ananke des Timaios - sie hat keine Ver­

bindung mit der politischen Ananke des ,Staates' - ist, bei aller Verwandt­

schaft -mit der Ananke der Atomisten, bei Platon etwas Neues. Bei Demokrit

und wohl auch Leukipp verbindet sich mit ihr keine negative Vorstellung,

121 Hirzel (Themis 42.6) sagt treffend, Ananke stehe im Timaios der Vernunft "als dem göttlichen Weltprinzip, dasselbe hemmend und bindend ... gegenüber." Wei­tere Äußerungen zur Ananke des Timaios bei Hammer-Jensen 97. 100 und sonst; Gundei, Ananke 49f.; Kroll, Die Lehren des Hermes Trismegistos S. 2.2.1; Zeller lt S. 542 Anm. 2.; Frank S. 100; Theiler S. 48f.; Kerschensteiner S. 67-101. Zum Be­griff der Materie überhaupt Clemens Baeumker, Das Problem der Materie in der griechischen Philosophie, Münster 1890. Bacumker geht freilich nirgends auf Ananke ein.

122 Die objektive Notwendigkeit des Bösen begründet der Theaetet 176 a: &",,'olh' &:1tO"scr.f}ft;~ 't"a Xft;Xa 3uva'1'6v, (1 0e63wpe - Un-E:VIXV'rtoV y&:p 't"l. '1'4> &ya.f}4> &d dvlZ~ &v&:YX1) -oü-c' ~v .f}eott; IZo't"a t3pUcr&IZ!., 't""~v 3t ~!fv·f)'t"~v cpucrw Xft;t 't"6v3e 't"bv 't"611:ov n-E:p!.n-oAd ~~ &v&:y­X1Jt;. Dazu Kerschensteiner S. 95. Der ganze Fragenkreis des Bösen in der Welt wird im Zusammenhang mit dem Problem der Bewegung der Materie bei Platon von H. Herter (vgl. besonders S. 332. 334ff.) eindringend untersucht. Eine Auseinander­setzung damit würde hier, im Rahmen einer semasiologisch orientierten Arbeit, zu weit führen.

Page 65: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

I22 Ananke als theologischer Itud kosmologischer Begriff

sie ist einfach die Macht, die die Atombewegung und damit Weltentstehen und _ Vergehen steuert. Dabei sind Ananke und Nus für Platon aber doch

nur Gegensätze, die sich nicht ausschließen, sondern einander bedingen. Der

N us bedarf, um zu wirken, der Ananke als notwendiger V oraussetzung.123

e) Stoisches und Platonisches Es kann hier nicht beabsichtigt sein, dem stoischen Schlcksalsbcgriff in den

Zweigen seiner historischen Entfaltung nachzugehen.124 Vielmehr soll 0'---0'

werden, welche im Sprachdenken angelegten Voraussetzungen für die Hstische Haltung der Stoa bestimmend geworden sind. Dabei ist davon zugehen, daß Heimarmcnc und Ananke in ihrer Funktion nicht w,osentlich

voneinander verschieden sind,125 Aussagen, die im Hinblick auf Ananke

macht werden, gelten also in der Regel auch für Heimarmene. Betrachtet man Sätze wie ducunt valentem fata, nolentem trahunt (Sen.

107, 10), fata nos ducunt (Sen. de provo 5,5) oder die Wendung xa&'

p.brlJv &y6tJ.E;VOL (Tatian ad Graecos c.9) oder etwa das &yau 3E: [1.' i1 Zzü au y' ~ nZ7tpcu[J.EV'l), I Ö7tOU 7to'&' U[J.LV elp.1 01iA:'t'E:'t"C<Y[J.EVOt; im Gebet des Kle,mthes

(Arnim, St. v. Fr. I p. 118 ~ Nr. 527), so fällt eine bestimmte Liem"lm;arrlkett der Sehweise ins Auge: der Mensch ist als Objekt des &YZ1V oder trahere

€AXZ1V) gesehen. Das sind Begriffe, die schon im Bereich des alten Epos engeren Bedeutungshof von Ananke gehören, wie das erste Kapitel hat. &:ye1v aber wird bevorzugt von Gefangenen gesagt, die man gefe:sse"!

abführt und so zu Sklaven macht. Es kann danach nicht verwundern,

dieser Sehweise eine andere entspricht, die den Menschen Sklave des sals sein läßt. So klingt gut stoisch-fatalistisch der Satz ou3d.; e'Aeu&e:po.;,

oe OOÜAO~ 't'~c; d(J.ap(J.E\li')'; (cat. codd. astrol. 41, 11; vgl. Gundel, Ananke Hier denkt man vor allem auch an das bekannte Gleichnis vom Hund,

an einen Karren gespannt ist und damit die Situation des Menschen und Verhältnis zum Schicksal illustriert: wehrt sich der Hund, muß er die n,m"K~ O'ezwungen erfüllen' da er aber so oder so mitlaufen muß, tut er, das ist b ' Schlußfolgerung, am besten daran, freiwillig mitzulaufen.126 Die D<onlkv,o"lUs

123 V gl. Aristot. Phys. 200 a 13 tt; ,jrro&~o"€;(J)'; a~ 'ro &\letyxcäo\l, &) .. ./-' OUx we;

e\l yap Tjj {SAn 'r0 &\letYXCttO\l, 't'o 3' ou ~\le:XCt e\l 't'0 A6ycv· 124 Hier sind die nach historischen Gesichtspunkten angelegten Urlter",d\Urlg~

von Gundel (Ananke 6df.; Heimarmene, RE Sp. 2627ff.) durchaus noch gültig.-125 Vgl. Gundel (Ananke 64. 74. 101) und Nüsson (Gesch. d. gr. Rel. II 484). 126 Arnim, St. v. Fr. II 975. Eine ähnliche Vorstellung findet Gundel (Ananke

bei Maximos von Tyros: "Die übernatürlichen Mächte schaffen dem Menschen Zwitterding von Willensfreiheit und Gebundensein, er vergleicht dies mit dem

Weltbinduflg und VerkettUNg des Seins: Ursachenkette I2J

setzung solcher Vergleiche und Bilder liegt in dem Umstand, daß die Stoiker

das Schicksal vor allem in der Weise der Schicksalsbindung erfuhren. Die Vorstellung von der Schicksalsfessel ist den Griechen, wie sich in einem frü­

heren Abschnitt zeigte, schon seit dem alten Epos geläufig, doch wird sie erst hier systematisch ausgebaut. Neu ist allem Vorhergehenden gegenüber die Be­

tonung der unbedingten Totalität, mit der das Schicksal als oberste Gewalt Mensch und Welt von vornherein bestimmt und erfaßt. Doch kann nicht

übersehen werden, daß eine bestimmte Grundstruktur der stoischen Schick­salsvorstellung von der atomistischen Kosmologie entlehnt ist. Wenn dort

die Welt das Ergebnis der Verflechtung und Verkettung von Atomen dar­stellt, so ist hier alles Geschehen nur das sichtbare Resultat einer Verkettung

und Verflechtung von Ursachen, die sich zu einer unendlichen Reihe zusam­menfügen.

Die Zeugnisse erweisen, daß die Begriffe ,Kette' und ,Bindung' im Mittel­

punkt des stoischen Fatalismus stehen. Eine Definition der mit Zeus gleich­

gesetzten Heimarmene lautet o~ I;'mfCxot e:tP(.LO\l od't'~w\l, 't'ou't'Ecr'n 't'a~~\1 xo:i

bncru\lae:cr~\I &1t'apaßa't'o\l (St. v. Fr. 917; II 265 Arnim. Den gleichen Sach­

verhalt spiegeln Fr. 9,8 und 9zo; II 265. 266). In Fr. 945 (II 272) entspricht der emcru\l3ecrtC; das crU\loe:t:\I: 't'O\l x6cr(J.o\l 't'6\1oe .•. fiXe:w 't'~'J 't'&\1 O\l't'(U\I oW(Xi')O'~\I

&(OW\I xa't'O: e1. P(.L 6\1 't'wa xat 't'a~t\l 1t'po'~oücra\l, 't'WV 1t'pw't'(U\I 't'ot:c; (J.e:'t'0: 't'aü't'a Y~\lO-I L " , " ~, '" I " ., p.e:\lO C; a~'t't(u\I ye:\lO(J.e:\I(u\I xa~ 't'OU't'cp 't'cp 't'p01t'cp O'U\loe:op.e:\I(U\I aAAi')AO!.c;, amx,\I't'(U\I.

Schließlich findet sich das Moment der Bindung noch Fr. 948 (II 293): em­(jü\l?ea~\I 't'~\la xat aU\lExe:~a\l T&\I ah~(;')\I. Diese ,Bindung' bewirkt, daß kein

Glied der Kette frei ist. Angemessener Ausdruck für die Situation des Ge­

bundenseins in und an die Ursachenkette ist das OOUAEUe:W: xcd (J.~\I xat T~\I T&\I

at't'~w\l e1t'~1t'Aox'~\l1t'Po,; &AAYJAa xal 't'O\l &Wil&e:\I d p(J. 0\1 x0::1 't'o e1t"Ea&O::L 't'ot:c;, npo-I , \ \ " \ ~ '" ~ " "'" ~ 't'EPO~'; o::e:~ Ta ucr't'e:p~ xaL TO::U't'O:: e:n EXe:~\lO:: a\lLE\lO::L, ot au't'(U\I ye:\l6(J.e:\la xo::l &\leu

hd\l(U\I oux &\1 ye:\l6(.Le:va, OOUAEUe:~\I Te 't'ot:.; repo O::UTW\I 't'cl ucr't'e:po:: X't'A. (Fr. 946, II 273 '= Platin 3, 1,2). Unschwer erkennt man in Ausdrucksweisen dieser Art ein Weiterwirken der ,fesselnden Ananke'. Seneca Dia!. 9, 10, 3 beschreibt, wie

sich die Heimarmene - bzw. Anankebindung im einzelnen für denMenschen dar­stellen kann: omnes curo fortuna copulati sumus: aliorum aurea catena est et

sordida, sed quid refert? eadem custodia universos circumdedit alligatique

eines Gefesselten, der ja auch diE! Möglichkeit besitzt, freiwillig zu folgen." Damit ist zugleich die Wirkung der Ananke (Pepromene, Heimarmene) umschrieben (Max. 19.8): ... XEXPC'lJ.€:\I'l)\I 6fLoÜ e;ouo(q: xcd Ih&yx'n' ota ye\lOL'i' &\1 xd 3e:ow::''t'n &\l3pt et;ouo(et IbwfL€:\lCV o::u&o:~ph(J)'; 'rare; &youo~\I. Der Ahnherr dieses Bildes ist das epische &YEW &\I&yxfj.

Page 66: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ananke als theologischer tmd kosmologischer Begriff

sunt etiam qui alligaverunt ... alium honores, alium opes vinciunt etc. V gl. ebendort: tibi ignoranti vel publica fortuna vel privata laqueum impegit, quem nec solvere possis nec rumpere. Da ist catena geradezu ,Schicksal'. Ananke steht also unausgesprochen im Hintergrund solcher Redeweisen. dp(J.6~, e:m­

O'ov3e:m~, O'uv3eiv, 30UAeOetv und die korrespondierenden lateinischen Aequi­valente spiegeln im Grunde nur verschiedene Aspekt~ ihres semantischen Gehaltes. Das ist beispielsweise für das Prinzip der Bindung des Einzelnen in die Gesamtheit der Ursachenkette unmittelbar evident. So lauten Fr. 945

(I1 273) 3bt'lJv &: A U O'EW ~ 't'or:~ 1tpw't'o~~ O'uv1)p't'~O'i}ocL -ro: 3Eu't'epoc (sc. 1tp&Y(J.oc't'a) und Fr. 948 (I1 274) heißt es e:(J.7tMXe::-rOCL 't'ocü't'oc aAA~Am~ &:AUO'e::W~ 3(x'lJv X't'A. Die &Aum~ aber zeigte sich bereits an einer für den Bedeutungsinhalt von An­anke besonders signifikanten Stelle, nämlich Sept. Sap. 17, 16 von der ägypti­schen Finsternis, der niemand entrinnt: 'r1jv 3UO'&AUX-rOV ~(J.EVEV av&yx'IJV, (J.L~

yap ocAuO'et O'x6't'ou~ 7tOCV't'E~ e:3z'&'lJO'av (vgl. 17,2 3€:0'(J.LOL O'x6-rou~ XOCL (J.OCxpa~ 1te3'lJ't'OCL vux-r6~). Die lähmende Gewalt der Finsternis wird mit einem Bild ver­anschaulicht, das auS Ananke entwickelt ist. Die Ananke besteht - so wird mit yocp ausdrücklich erklärt - darin, daß alle durch ein und dieselbe Kette gefesselt wurden. Dann ist aber, was durch (J.ocxpiX~ (vux't'o~) bestätigt wird, Ananke auf das Prinzip der Rottenfesselung127 bezogen. Es ist nicht ausge­schlossen, daß diese seit Herodot nachweislich oft genannte und wohl auch schon in homerischer Zeit bekannte Fesselungsmethode das Denkmodell ab­gab für die stoische Kette der Ursachen, den Kausalnexus. Nicht fern liegt zum Vergleich auch die von Ananke oft bezeichnete logische Zwangsläufig­keit, bei der Prämissen und Folgerungen gleichsam wie die Glieder einer Kette

verbunden sind. Eine Durchsicht der Zeugnisse ergibt, daß - wie auch Gundel wiederholt

feststellt - Ananke und Heimarmene in der Stoa nicht wesensmäßig geschie­den sind sondern entweder zusammenfallen oder doch, wo sie nebeneinander , stehen, Hand in Hand wirken. So ist Aet. plac. 1, 27, 4 = Doxogr. 322 a 10 Ananke der Heimarmene vorgeordnet ('r1jv av&yxY]v ax[vY]'t'6v qJamv a1.-rlav xed

ßLO'.I:'J't'LX~V, 't'~v 3~ e:tWx.p(J.€:vY]v O'U(J.rcAOX~V ahtwv 't'e-rocy(J.€vY]v) während bei Dio Chrysostomus 2, 78 in der Form "t"o -r~~ d(J.ocp(J.€vY]~ avayxeäov beide Prinzipien vereinigt sind. Chrysipp scheint von einer Identität ausgegangen zu sein, wie Plutarch cle Stoicorum repugn. 47, 5 (=1056 C; vgl. Posnansky, Nemesis S. 73) berichtet: 't"~v 3~ Et(J.ap~€V"lJv o:h[ocv &'v(x'lJ"t"ov xoct aXNAu't"oV xat chpe7t"t"ov a1toqJoc(vwv

IXU"t"O~ ,/ A't'po7tov xaAe::i xocl ' A3p&0''t"e:tIXV xat 'A v &yx Y]V xlXl TIe:7tpw(J.zvY)v, w~ 7t€pat;

127 Dazu vgl. hier Abb. 4. 6 u. a. Das gleiche Prinzip liegt im Grunde genommen Od. 22, 465 ff. vor.

--- - ~----------

Weltbindutlg und Verkettung des Seins: Ursachenkette I2J

&7tIXO'~V ~m"t"ti}e:r:O'ocv. Vermutlich geht auch Fr. 15, 2 (Dübner) des Plutarch auf Chrysipp zurück, wie Posnansky (ebendort) meint: 't"o yap e:i~IXP(J.ZVOV &'t"pe:rc"t"ov

xaL a7tocp&ßa't"ov, x07t'e:p (J.ovov OqJPUO'L veuO'lh xap-re:pa "t"ounp XhAWO'-r' 'Av&yxlX )ted IIE7t'pw~€vY]. Chrysipp kennt ferner die xOO'(J.ou av&yxY] sowohl wie die xOO'­

p.ou rpuO'~~ (Aet. 28, 3, Doxogr. 32 b 17ff.)j er scheint aber die Ananke im Gegensatz zur Heimarmene nicht für den Menschen unbedingt verbindlich gemacht zu haben.128 Von einer Identität der Heimarmene und Ananke geht

eine antike Erklärung zu Soph. Ant. 944ff. aus, die beiläufig vom ~uyo~ 't'~~ &.v&YX'lJt; xal -r~~ e:t(J.ap(J.€:vY)~ spricht. Da tritt wieder die jochende, d. h. fesselnde und bindende Gewalt der Ananke ans Licht, und zwar in einer Art und Weise, die zeigt, wie verbreitet diese Vorstellung gewesen sein muß. Ganz entspre­chend erklärt derselbe Lukian, der den stoisch-kynischen Fatalismus verspottet (vgl. Jup. conf. c. 18 Ananke neben Moita und Heimarmene), die Ananke als jochauflegende Macht, Erotes c. 38: ßapü xa-r' r.l.UXbJwv ~uyov ~(J.iv ~m.&e:r:aoc.

Gelegentlich spricht auch Plotin von der stoischen Ananke. 3, 1, 4, in der Schrift rce:pt e:t(J.ap(J.€:v'lJ~, wird sie im Zusammenhang der Ursachenkette ge­nannt: "Vollbringt denn nun wirklich eine alldurchdringende Seele (~uX~ Ö~d: 1Cr.l.V't"O~ 3~·~xouO'r.I.) alles, indem jedes Einzelne als Teil sich so bewegt wie das Ganze es führt? Und muß man, wenn die Folgegründe von diesen ersten sich herleiten, ihre reihenweise Verbindung und Verkettung (erpe:~1j~ O'UVZXe:tr.l.V Xr.l.t

(I'U~7t'AOX~V) Schicksal (e:t~ap~€:vY)v) nennen, so ... Aber erstens, das überstei­gerte dieser Notwendigkeit (&.vayxY)~), eines derartigen Schicksals (e:i.[locp(J.€:v'lJ~),

ebe.t;L das hebt das Schicksal und die Ursachenkette und Verflechtung (-rwv

at't"~wv 't"ov etp(J.ov xr.l.l 't"~v O'U~7t'AOX~V) wieder auf" (Harder). Diese Lehre von der alles durchdringenden Weltseele als Ausgangspunkt der Ursachenkette wird von Platin abgelehnt. Die stoische Ananke ist hier in ihrem Sinn sehr deutlich. Sie bezieht sich - zusammen mit Heimarmene - auf die Verflechtung und Verkettung der Ursachen. Davon ist auch in der gleichen Schrift 1, 7 die Rede: "Es bleibt noch übrig, die Grundursache zu betrachten, die alles miteinander verflechten und gewissermaßen verketten (emrcA€:xouO'av xed otov

O'uvdpouO'ocv &A)'~AOL~ 1taV't"r.I.) und dem Einzelnen das Wie seines Seins geben soll ... Diese Lehre steht jener andern nahe, welche jeden Zustand und jede

128 Wie Gundel (Ananke 67f.) aus einer Bemerkung Ciceros (de fata 18, 41) wohl mit Recht schließt: "Danach herrscht außerhalb des Menschen die Ananke, das unverbrüchlich, mechanisch wirkende Naturgesetz; für den Menschen kommt ... nur die Heimarmene als ein Gewebe von mitbedingenden und nächsten Ursachen in Betracht: die Entscheidung liegt im Menschen selbst. Und die Ananke umfaßt hier die Heimarmene als Oberbegriff derart, daß sie das, wozu der einzelne sich ent­schließt, mit dem Naturzusammenhang in der richtigen Weise verknüpft."

Page 67: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

i-,,'

l26 Ananke als theologischer find kosmologischer Begriff

Bewegung sowohl beim Menschen als überhaupt aus der Allseele herleitet ... Sie bringt nun die strikteste Notwendigkeit (&\iayx7]\i) für alles mit sich". Die

Allseele oder Weltseele ist hier wie in 3, 1,4 nichts anderes als Heimarmene,129

Diese aber ist göttlich (Fr. 928; II 267 Arnim), mit Zeus (Fr. 93'; II 267) be­ziehungsweise mit Ll~o~ \iOUe; (Fr. 929; II 267) und dem göttlichen Logos über­

haupt identisch und macht so den Kosmos zu einem von einer vernünftigen Seele belebten Lebewesen.

Die stoische Heimarmene - Ananke ist in der Form der Allseele (o/uX~ o~oc

1t'av'To~ o~~xouO"a), wie sie bei Plotin erscheint, von platonischen Vorstellungen

nicht unbeeinflußt. Besonders der Timaios mit seiner den Kosmos in Form von Ringen oder ringförmigen Bändern durchziehenden Weltseele und offen­

bar auch der Syndesmos des Anankemythos war hier Leitbild. Poseidonios war es wohl, der die mit Heimarmene und Ananke identische Weltvernunft

der frühen Stoa im platonischen Sinne umdeutete. Die Kosmologie Philons hat verhältnismäßig rein die entsprechenden Lehren des Poseidonios be­

wahrt,130 Dem ist jetzt nachzugehen. De fuga 112 heißt es ß 'TS yocp -roG 6\1'ro~

Myoe; oeaf.to~ W\i 'TÜN cX1t'av'r6.)\I, ~~ e:~PIJ'rct.:~, xat O"u\i~xe~ -ra tL~PIJ 1t'av'Tct.: xat a er (y­

yel XWAUüN wha ola'Auea.&a~ xat Otct.:p'rCl.cr%ca. Nach de aeternitate mundi 75 ist

der Kosmos atwv(tp cruvsx6tLevo~ xat o~axpa'rouf.tevoe; oecrfLip. Moses lehrt, wie de migratione Abrahami 181 gesagt wird, O"uv~xea&al fL€V 't'6oe: 'ro r.Cl..V &op{hot~

ouva[Lem\i, &~ &1t'0 y~C; ~crX!.t.'TwV &xple; oupa\ioG nep!.t.'Twv /:; olJ[Lwupyoe; &1t'~'t'ewe, 'roG

[L~ &ve&7)vct.:l 'TOC oe%Ev't'a xaA&~ 1CPofLlJij'outLsvoe;· 8sO"fLot yap at ouv!.t.fLete; 't'ou

1t'O'.v'roe; &pPIJX'TO~. Die ouv!.t.fLele; sind die einzelnen Logoi, mit denen der große göttliche Logos die Welt durchzieht und zusammenhält. Von den ,Kräften'

ist auch de confus. ling. 166 die Rede: &eoG, o~ 'ro~c; ö'Am~ 8ecrfLooe; 'TOCe; eau'TOÜ

OU\i!.t.fLs~e; nept~tf;ev &pP~x'TOUe;, aLe; 't'a n!.t.\l'rct.: cr er (y ~ct.:e; &'AU'rct.:1S1 e!vat ßeßoUAIJ'rat. Ganz Platonisch - und letzten Endes pythagoreisch - ist auch die Betonung

der Harmonie und Einheit, so de migr. Abr. 220 6 &6pa'Toe; oihoe; 'r~e; &PfLov(a~

xat €\iwcrewe; nCl..m 8ecrtLoe;. In solchen Aussagen mischt sich stoisches und Platonisches Gedankengut. Der stoische Logos und die kosmologische An­anke gehen eine untrennbare Verbindung ein. Dafür sei nur noch de plant. 8 f.

genannt: "Wer der Verlegenheit entgehen will (die dadurch gegeben ist, daß der Kosmos ohne einen begrenzenden Zusammenhalt zerfallen müßte) wenn

es das Leere gäbe) ... der erkläre frei, daß kein Stoff stark genug ist, um die

129 Vgl. Gundei, Heimarmene Sp. 2627. 130 Zur Abhängigkeit Philons von Poseidonios vgl. \Y/. Jaeger, Nemesios 106.

110 f. und sonst. 131 Das klingt, ebenso wie ndv'rlX 8~ tjuvct.:yCl.Ywv 8~cX ndv't"(uv &opd'rOt~ ~crtp~y~e: 8ecr­

p.o~~, tVCl. p.~ nO're Au·ü·ebj (136), an Plato Tim. 41 a 7ff. an; so Cohn richtig z.

WeltbindHng und Verkettung des Seins: Phi/om Logos I21

Last dieses Kosmos tragen Zu können, daß aber der unvergängliche Logos

des ewigen Gottes die felsenfeste und riesenhafte Stütze des Alls bildet. Indem sich dieser von der Mitte (der Welt) bis zu den Enden und von den äußersten

Spitzen bis zur Mitte zurück dehnt, vollzieht er den Siegerlauf der Natur und schließt und schnürt alle Teile zusammen; denn Zum unzerreißbaren Bande

des Alls (8eO"tLov ~·PPIJX'TO\i 'rOU 1t'anoe;) machte ihn der Vater und Erzeuger" (Cohn). Das ist in der Hauptsache wohl Übernahme von Poseidonios,1s2 Zu­

grunde liegt die Lehre des Poseidonios "vom Band des Seins, dem Kontakt,

der Synaphie zwischen den Reichen der Natur und ihren Gliedern" (Jaeger, Nemesios 91). Schon für die Pythagoreer war die Seele Harmonie. Poseidonios

verknüpft diesen Gedanken mit der Weltseele des Timaios und dem göttlichen Logos der frühen Stoa.13S Daß die Seele auch Bindung ist, hatte schon der

Timaios gelehrt: beseelte Bänder (oecrfLot €tLtf;UXm 38 e 5) binden die Planeten und geben ihnen Leben. Da ist es nicht mehr der Körper, der die Seele ein­

schließt, sondern das Verhältnis ist umgekehrt. W. Jaeger (Nemesios 111) belegt aus Achilleus Tatios, daß gerade dieser Gedanke auch bei Poseidonios

da war: IIoaetow\iWe; &yvodv -rooe; 'Emxoupdoue; ~tp7] we; OU 'r0:. crwfLa-ra 'Tae; ~UXae;

auv&xet, &'A),.' a~ tf;UXat 'TOC aWf.ta-ra. Dem entspricht genau das cruv~xet\i des Logos bzw. der Weltseele in Philons Schrift de aeternitate mundi 75, wo es

vom Kosmos heißt a~wv(tp O'uv~x0f1.evoe; xat 8laxpa-rou/-LsVoe; oecrfLip. Diese Lehre des Poseidonios vom Logos als dem Band des Seins hatte als Konsequenz die

Sympathie aller Teile des Kosmos,1s4 Denn der alles durchdringende Logos

verbi~det als integrierendes Band jedes Glied der Welt mit jedem anderen. 'Es ist das im Grunde eine Weiterentwicklung der bei Platon greifbaren py_

132 W. Jaeger (Nemesios 113) stellt eine ganz ähnliche Abhängigkeit von Posei­donios für Basileios fest, bei dem es Hexahem. 14 Bf. heißt SAov se 'rov x6crp.ov ... &pp~X'rcp -ny' tptA(w; 8eap.i» d~ pJIX\i xO~V(O)V(IXv xcd &pp.ov(c,~v Guv~81)cre. Da finden sich die gleichen Begriffe, die auch für die Kosmologie Phiions bestimmend sind. Vgl. Jäger, Nemesios 101. 106. 11of. und sonst.

133 VgL Jaeger, Nemesios 110: "Begreifen wir nun, daß die Seele den Pytha­'c? ,gelte"," Harmonie ist, so liegt der feste Zusammenhang der 8ecr!-l6~- und &PP.OV(IX­

mit der Weltbeseelungsfrage und der pantheistischen Naturdeutung zutage. auch der Kosmos muß seinem innersten Wesen nach eine Harmonie sein, soll

eine göttliche Seele innewohnen." Zum Sinn von Band und Fessel in der ;\g"iechischen Kosmologie äußert sich auch Kad Reinhardt, Poseidonios S. 20.

Philons Vorstellungen vom Logos und den ~U\ld[J.et<:; sind gut dargestellt bei ,?-'_'~,-<, besonders S. 22 und 26f. Zu Ananke und Heimarmene S. 58ff.

13<1 Das erklärt Proklos in Plat. Remp. (II 258 Kroll): er y&:p ecr't"~ o/uX~ P.~IX GCI. 'röv 6Aov x6cr[1.ov, &vayx1) 81)1toU crup.n,t.fte:tIXV dvCl.:~ 'rwv $V Cl.:lrt'i» (lepwv

rJ.),A"f)ACI. ... ~ yd:p 'rou nCl.:v'ro~ ~(o)~ ~UVCl.:t'(O)'r~PCl.: n&:v't'(o)<:; ecr'r~v 'rwv p.ep~x&v xd ~(o)'lj

..

Page 68: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

I28 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

thagoreischen Vorstellungen, die sich mit den Begriffen Harmonia, ",nank,e.

und Syndesmos verbinden.

Die hermetischen Schriften knüpfen an den starren Fatalismus der Stoa an, Waren dort die Begriffe PIanola, Ananke, Heimarmene nicht viel mehr als verschiedene Bezeichnungen ein- und derselben Sache, ßO sind sie hier 0"'-- <

gegeneinander abgestuft.135 Das Grundprinzip ist die Pranola. Aus ihr hervor und ihr ist nach geordnet die Ananke, dieser schließlich ist die Heirn.".;

mene untergeordnet. So heißt es Corp. Herrn. 3, 14, 1 xa;t ~ p.~v 3"x"p~'roijcr",

'TOV 8)...0\1 x60'[J.ov 1tp6vo~& EeJ'rLV, ~ 3e cruvexour:J(X xat 1tep~exoumx. &v&yx't)

.~ 3z etp.c<pp.h'1) tntYJpe't'e:!: 1tpovo~1} xed &v&YX1l, "TI 38 e:~!-LIXPf1.EV1) lnt"f)pZ'TOüaw &a'TEpzc;. Weitere Bestimmungen gibt Corpus Herrn. 3,16,2: TIp6vow.:

'T&~~C;, &V&YX'IJ 7tpOvo[q. lnt'IJPE'T~C; und 3, 12, 1 f. ~ ~e dP.ct.pP.Ev'f) 0";"".,,01. TIpovotq. xed &vocyx'n, 'Tri Se d tJlXpP.EV1) ll7t"f)pZ'TOumv o[ &a'TEpzc;. Die herrrLet;­sehe Vorstellung, daß die Heimarmene der Ananke naehgeordnet ist,

wohl letztlich auf Platon zurück. Im Er-Mythos der Politeia ist Ananke große kosmische Gottheit, Heimarmene dagegen nur das individuelle Schiclc-·'

sal, das den Seelen bei der Wahl der Lebenslose zufällt (619 c ,), Untergeordnet unter Ananke als Oberbegriff ist die Heimarmene aueh bei Aristoteles deI, Heimarmene Sp. 1227) und in der Stoa (GundeI, Ananke 68). ~nar"LKH,n-. stisch ist da Aet. plac. I 2.7,4 = Doxogr. 322 a 10 -r1jv &vayx"f)v &xtv"f)'T6v

ex.t't'(av xa( ß~aa'Ttx~V, TI)V Se d[Lap[J.EV"f)V aU[L7tAOX~V a~'T~wv 'TZ'TaY[LEV"f)V, hier ebenso auch von einem Nebeneinander und einem zeitlichen Nac.he:in· ander an Stelle von Unterordnung der Heimarmene gesprochen werden In seinem Kommentar zur Politeia (Il 94, '5 Kroll) bezeichnet Proklos Ananke als 't~v 7tpoza-n'Daav 't'lj.; d!J.IXp!J.EV"f)';. Da ist die Unterordnung Heimarmene ganz deutlich. Eine genealogische Abhängigkeit bietet er

Plat. Tim. 41 E (p. 274 Diehl), wo Heimarmene als Tochter der Ananke und Demiurgen erscheint. Vorher waren schon für J amblich Pronoia und H,jm.ar­mene - in dieser Stufenfolge - die maßgebenden kosmologischen Pr'imdp.ien

(Stob. 2, 8, 45). Schließlich sei hier noch Maximos Tyrios genannt,

errt ~Wet~s oocret [1.e~~6vws cruv3d rraVTOC rrpös 't"~v &J .. ) .. ~ÄÜJv x'o~vÜJv(av xat 't"~v &1t' d s &"A) .. et 1tob)crw ... cru[1.7t'a&~s 0 x,6cr[1.os 1tpÖs eetu't'öv'

In den Procli Hymni (ed. E. Vogt; 2, 15f. d s 'A<ppoIH't"'f)v) ist die gleiche V,crstel .. lung von der Weltseele als bindender Weltfessel greifbar:

ehe 1teptcr<p(yye~s !J.iyav oupav6v, ~v&a cre <petcrt tVUX~v &evaou 1te"AE:W x,6cr[1.ou ,oed1)v.

135 V gl. J. Kroll, Die Lehren des Hermes Trismegistos S. sonst, ferner Gundel, Ananke 98f. und Heimarmene Sp. 2635.

Weltbindung und Verkettung des Seins: Hermetisches I29

Reihe -&e:6.; - rep6vma - &v&yx.'fJ - e:~fLapfLev"f) bietet (11, 4). Er sagt nämlich: ~ !J.€V

1t"p6vo~IX -&zou E"pyov, ~ S€ dfLap[Lev"f) &v&yx"f)c;. Da sind es gleich vier Mächte, die in ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis gebracht sind. Alle diese Nachrich­

ten legen Zeugnis ab von einer zunehmenden Differenzierung und Systemati­

sierung des allmächtigen Schicksals der frühen Stoa. Sind dort noch Theos, Pronoia, Ananke, Heimarmene nur verschiedene Bezeichnungen derselben

Sache, so legt eine mehr theologisierende Betrachtungsweise Wert auf Abstu­fungen und Grenzen jeweiliger Macht- und Tätigkeitsbereiche. Das bringt im

einzelnen Verschiebungen mit sich, die der Beachtung wert erscheinen. Als

Beispiel mag der hermetische Satz dienen (Corp. Herrn. 3, 14, 1) xat ~ fL€\I

S~G{xpa'ToGcra 'Tav 5AOV x6cr!J.ov rep6vm& 8cr't~V, ~ ~e cruvExoucra xat 1tZptExoucra &v&YX"f)

8cr'T(\I, e:LfLIXpfLEVYJ Se &ye:~ xal7te:p~&yz~ X'TA. Mit ~taxpa'Te:iv 'tov 5AOV x6crfLov ist hier der Pronola eine Wirkweise zugeschrieben, die im Er-Mythos Platons und im Timaios noch Ananke bzw. die Weltseele als Gerüst des Kosmos hatten.

(JU'JEXe:~V xat 7te:P~EXZ~V dagegen hat die ursprüngliche Funktion der kosmolo­

gischen Ananke bewahrt, während mit &ye:w xat 7te:pt&ye:~v Heimarmene eine Tätigkeit hat, die seit je - man denke nur an das &ye:w der' Av&yx"f) des Par­

menides - dem Wesen von Ananke zu eigen ist.

Hermetische Lehre ist TI&v-ra Se y(ve:-rIX~ cpucre:t xal e:L[Lap!J.Ev1) (Corpus Herrn. 3,

12,1). Das erinnert, wie Kroll (22.6) vermerkt, an die Gleichsetzung von cpüat.;

und df'~Pf'&v'~ bei Theophrast (Doxogr. J 2 5 b J 1), die überhaupt dem spätenPla· tonismus zu eigen ist. IS6 Von daher versteht sich die besondere Stellung der

Heim?-rmene in der Lehre des Hermes Trismegistos.137 Sie ist nicht mehr, wie in der Stoa, eine absolute Größe, sondern letztes, unterstes, dem Bereich der

Körperlichkeit zugeordnetes und oft mit dieser gleichgesetztes Glied einer strengen Hierarchie. Ananke hat ebenso an Bedeutung verloren. Ihr Wirk­

bereich ist eng -determiniert. Sie ist Zwar der Heimarmene übergeordnet, gegenüber der Pronola aber nur zweitrangig. Immerhin sind sowohl Ananke

wie Heiinarmene in den Schriften des Hermes personale Gewalten von selb­ständigem Rang, also nicht etwa Modifikationen der Pronoia,138

Im Ganzen gesehen hat sich die Weitsicht der Hermetileer gegenüber der im Grunde optimistischen' Kosmologie des Poseidonios stark verdüstert. Von

136 Nilsson, Gesch. d. gr. Rel. Ir 484; darauf wird noch einzugehen sein. 137 Vgl. Kroll 217: "Die rrp6vo~et regiert die ganze Welt, auch die Gestirne und

dergleichen, die &vayx1) bildet ihr-- Gefolge, ist sozusagen ihre Konsequenz, die et!J.ap!J.ev1), die von den Sphären abhängt oder über ihnen steht, hat die Herrschaft über alles Körperliche und was damit verknüpft ist.«

138 V gl. GundeI, Ananke S. 99. Ähnlich in der Rangfolge ist die Unterscheidung Philons zwischen Ananke und Heimarmene, dem Gesetz der Ursachenverknüpfung:

9 Schreckenberg

Page 69: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

I,

IJO Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

der Harmonie der Welt und ihrer Teile ist nicht mehr die Rede. Der Mensch fühlt sich als Sklave kosmischer Gewalten,139

Hermes lehrt (3, 12, 1 f.) .~ BE: d[.l-ap[.t~v·1) U7t"tJpE'TEI: 7tpovo(q:: xcd &v&.YX1), 1'n BE: dp.ocp(J-i'rn ot &cr1'Zpe:<;. Darin ist das Programm des antiken Gestirnsfatalismus ausgesprochen: die Sterne und Planeten sind Werkzeug, ja Waffe (ß7tAOV) der Heimarmene. Wissen und Beeinflußbarkeit des Schicksals ist mithin, wenn überhaupt, nur auf dem Wege über die Gestirne, also mit astrologischen Mit­teln möglich. Wie es scheint,140 hat der ägyptische Priester Petosiris zuerst Ananke auf das Wirken der Sterne übertragen und mit diesem Begriff den Einfluß der Gestirne auf den Menschen bezeichnet. Die Macht dieser Ananke,

so heißt es in der Folge in astrologischen Texten, lagert feindlich wie ein Joch

über der Menschheit und auf der unteren Welt (Gundei, Ananke 75 f.).141 Da­

mit ist eine Art Endstufe in der Entwicklung der kosmologischen Ananke

erreicht.

"Als in ewigem Kreislauf wirkende Notwendigkeit erscheint sie (Ananke) Philon offenbar als ein umfassenderes Prinzip, zumal er in der großen Kette (somn. 2, 44) im Unterschied zur kleinen (mut. nom. 135) ihr Symbol sieht" (Meyer S. 60).

,139 Die Situation dieser Zeit charakterisiert H. Jonas (Die mythologische Gnosis S. 163): "Musik der Sphären ward nicht mehr gehört, und das Wohlgefallen an der vollkommenen Kugelform wich lähmendem Entsetzen über soviel Vollkommenheit des gegen den Menschen gerichteten Systems der Unterjochung . .. Ein stählern gewordener Himmel ließ Angst, Auflehnung, Sehnsucht, Beschwörung und Ver­achtung fühllos von sich abprallen. Buchstäblich sprach man von der ,Eisenmauer' des Firmaments ... Die ,Grenze' wird als Abtrennung, als Einsperrung empfunden, die Formartikulation als Fessel, der Sphärenbau, die umfassendste Form der Welt, als oberstes Zwingsystem.«

140 V gl. Gundel, Ananke 74 ff. 141 Vergleichbar ist in gewisser Weise die Weltschlange der gnostischen Pistis

Sophia (p. 218 Schmidt), die die Welt umschließt und gegen den Bereich des Lichtes und der Geisteswelt abschließt (dazu Leisegang, Gnosis S. 20 und 11 ° ff.). Eine schlangenartige Umgürtung der Welt hatte schon Epikur angenommen (dvo:~ 3e tl:1; UnTtpx'lj.; croü 3b<.'lJv "t'o eJ\ltLTIO:v, 'TO Be TIveütLo: 3po:xovTOetB&c; TIept 'TO cjlov WC; cr'Te~o:vov

1) 00C; ~Ö>V'lJV 1tep"cr~("("(eLv 'T6'TE 'T~V ~Qcrw Doxogr. p. 589, 11 ff. Die1s; vgl. Onians S. 250). Berührungen dieser Kosmosvorstellung mit als orphisch geltenden L,'ug;n"'­sen dürfen nicht Zu der Annahme verleiten, Epikur orphisiere hier (gegen Weltenmantel II 676 Anm. 1). Der Weltgürtel ist der griechischen Kosmologie reits Zu einer Zeit vertraut, aus der noch keine entsprechenden orphischen Leugmsse vorliegen, und auch die Eiform der Welt wird schon von Empedokles vertr,eten (A 50; II 292, 34 D.), von dem es die sogenannten Orphiker übernommen Keinesfalls ist das Abhängigkeitsverhältnis umgekehrt. (Hierzu hat Wilamowitz, d. Hell. 112 199f. ein klares Wort gesagt.)

Die "orphische" Ananke IJI

3. Die "orphische" Ananke

Die Zeit ist noch nicht lange vorbei, in der man orphische Kosmogonien

und Theogonien an den Anfang des griechischen Philosophierens stellte. Diese

Ansicht fand so einflußreiche Vertreter wie Gruppe und Kern.142 Bei Empe­

dokles und Parmenides, Heraklit und Platon, ja sogar bei Horner legte man

gewisse Berührungspunkte mit Vorstellungen der sogenannten orphischen

Literatur dahingehend aus, daß überall ein erheblicher orphischer - d. h. im

Grunde orientalischer - Einfluß anzusetzen sei. Solche Meinungen haben sich

freilich nie völlig durchgesetzt. Vor allem mit den kritischen Äußerungen von

Wilarnowitz (Glaube der Hellenen 112 190-202; dazu K. Kerenyi, Pythagoras

und Orpheus, Zürich '9503 s. 33) und Jaeger (Die Theologie der frühen griechischen Denker S. 69-87) ist eine skeptischere Betrachtungsweise im Vor­

dringen. Wie sehr sich die ältere Meinung freilich noch behauptet, zeigt allein

die Anordnung der orphischen Zeugnisse in der neuesten Ausgabe der, V orso­

kratiker' - Fragmente von Diels - Kranz und die Beurteilung der orphischen

Zeugnisse durch Nilsson in seiner ,Geschichte der griechischen Religion'.

An keiner Stelle des Untersuchungs ganges ergab sich bisher ein auch nur

halbwegs schlüssiges Indiz für den orphischen Charakter der Ananke. Gleich­wohl wird durchgehend der Standpunkt vertreten, Ananke sei als theologisch­

philosophischer Begriff genuin orphisch.143 Was als Stütze dieser Deutung

übrig bleibt, ist nun zu prüfen. Da heißt es in einem der sogenannten orphischen Hymnen (auf Uranos 4, 5 f.; Quandt p. 5)

oupavwc; Xi).6v~6c; 't'E: tpOAO::~ mxv't'wv 1t'E:ptßA'Y)&e:tC;,

EV O''t's:pvoww ~xwv rpoO'E:WC; 1J.'TA'Y)'TOV &v&.yx.'l)v.

Der junge Ursprung dieser Hymnen ist heute nicht mehr zu bestreiten. Die

142 Zu. nennen sind hier vor allem auch V. Macchioro (Prom Orpheus to Paul, London 1930) und R. Eisler. In ,Weltenmantel und Himmelszelt' hat Eisler ernst­haft und ausdrücklich als "Hauptthese" vertreten "die Entwicklung der griechischen Philosophie aus der Kosmologie der ,orphischen' Bekenner des kleinasiatischen Chronos-Aionkultes" (I p. XI).

143 R. Wünsch, Sethianische Verfluchungstafeln aus Rom, S. 93; Dieterich, Nekyia S. 23; Maaß, 01'pheus S. 268ff.; Wilamowitz, Homerische Untersuchungen S. 224 Anm. 22 und Kl. Sehr. V 1 Berlin 1937 S. 507 Anm. 2; Wernicke, Ananke, RE Sp. 2057f.; Gundel, Ananke S. 25 f.; Meyer S. 9; Fr. Solmsen, Hesiod and Aeschylus S. 104 Anm. 6. Auf der gleichen Linie liegt, daß schon Goethe in den "Urworten, orphisch", die er im Anschluß an die Lektüre von Hermann, Creuzer, Zoega und Welcker schrieb, auch Ananke nannte.

Nilsson, Gesch. d. gr. Rel., geht nirgends auf Ananke ein und äußert sich noch weniger dazu, ob sie ein orphischer Begriff sei oder nicht.

9'

Page 70: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

IJ2 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

<puO'e:wc; &.V&YKfJ ist zudem klar erkennbar ein schon ganz formelhafter Gebrauch

jener bereits im fünften Jahrhundert verbreiteten Vorstellung von der bin­

denden Kraft des Naturgesetzes. Von größerer Bedeutung ist die Ananke, die

in der Kosmogonie begegnet, die der Neuplatoniker Damaskios quaest. de

prim. princ. 123 (OF 36 Abe! p. 158) dem Hieronymus entnommen haben will.144 Diese Kosmogonie gilt - freilich sagt Damaskios nichts dergleichen_

als orphisch. Das mag zutreffen. Immerhin liegt hier neuplatonische Speku­

lation offen zutage, wie die Stufenfolge der auseinander emanierenden Drei_

heit deutlich zeigt: die unaussprechbare eine Arche, Wasser und Erde, Chronos­

Herakles und Ananke-Adrasteia. Der Neuplatoniker Proklos notiert zu

Platons Timaios 41 E (p. 274 D.) xa1 ytXp 0 a1][J.~01jPYÖC; wc; 6' Opepe:uc; ep1]m, 't'peepe:'t'a~

[J.€V ureö 't'~c; 'Aopacr't'dac;, auve:cr't'~ oe T(l • AV&YX,{b ye:W0 oe 't'~V Et[J.ap[J.ev1]v. Dem

cruve:tva~ oe WJ't'0 't'~v 'Av&yx1]v korrespondiert hier auve:O''t'L oe 't'TI ' Av&yx71' An der Stelle des Chronos - Herakles steht der Demiurg. Die Heimarmene ist

ebenso in der Stoa wie im späten Platonismus zuhause, für den sie oft mit

der Materie identisch ist. Der Demiurg ist erst recht nichts Orphisches, denn

die Bedeutung, die er als Herr der Körperwelt in der Spätantike gewinnt, setzt

den platonischen Timaios voraus. Was bleibt da noch für Orpheus? Das gleiche

gilt für die Theogonie des Damaskios - Hieronymos. Die Ananke - Adrasteia,

die körperlos den Kosmos ausklaftert, d. h. von einem Ende bis Zum anderen

durchzieht, hat ihr unmittelbares Vorbild im stoischen Logos, der bindend die

Welt durchzieht, sowie in entsprechenden Bildern Platons von der Weltseele

und vom bindenden Weltgesetz der Ananke. Neuplatonisches Emanations­

denken und stoisch-platonische Vorstellungen sind in der von Damasldos vor­

gelegten Kosmogonie zu einem Stoff verfilzt, der allerdings, wie manches

dieser Art, nicht unpassend das Etikett ,orphisch' trägt. Sehr ansprechend ist

144 Der hier interessierende Abschnitt lautet in der Wiedergabe von F. Lukas (Die Grundbegriffe in den Kosmogonien alter Völker S. 186): "Zuerst war, sagt er, ser und der Stoff (1.IA"I)), aus dem die Erde hervorkam; er setzt also diese Urgründe, das Wasser und die Erde, an den Anfang, die letztere als ihrer nach zerstreubar, das erstere als das Bindemittel dieser (der Erde) und das Haltbare: Den einen Urgrund vor diesem doppelten läßt er unausgesprochen, denn gerade das' Schweigen über ihn beweist, daß er unaussprechbar ist; der dritte Urgrund diesen beiden sei aus ihnen, dem Wasser und der Erde nämlich, entstanden; es ein Drache mit einem Stier- und einem Löwenkopf, in der Mitte mit dem G,,,i,,ht:e eines Gottes, und an den Schultern habe er Flügel; sein Name aber sei &.y~po:o~, die nichtalternde Zeit, und zugleich Herakles; mit ihm sei vereint die wendigkeit, als Wesen gesetzt, auch Adrasteia genannt, welche unkörperlich ganzen Weltall sich ausbreitend, dessen Enden erreicht (O"U\le:~\l1X1 8E: o:u't"lf:> 't"~-v '

Kf)\I, tpuO"w 000"0:\1, T~\I IXU't"~V xcd ' A8p&:O"'t"BW:\I &.O"6:.(1IX't"O\l 8~OOPYU100(1t\l'f)\I ~\I 7t"IX\I't"t

x60"(1<p 't"W\I m:p&:'t"Clw o:u't"oü stpan't"o(1E\I"I)\I). Vgl. Lukas S. 187ff.

Die "Drphische" Ananke: Adrasteia IJJ

die Vermutung, daß der Kern dieser Kosmogonie auf einen Schüler der Stoa

zurückgeht und in das zweite Jh. v. Chr. gehört.145 Stoisch und vielleicht schon

Platonisch ist auch die Gleichsetzung von Ananke und Adrasteia; denn bei

Platon stehen in gewisser Weise parallel der &e:afLöc; , Aopaa't"e:kt.c; im Phaidros

(z48 c z) und der Spruch der Lachesis, der Tochter der Ananke, während die

Stoa Adrasteia wie mit Heimarmene so auch mit Ananke gleichsetzt,146

Adrasteia, ursprünglich eine phrygische Berggötdn, wird - auch hier zeigt sich

nicht orphischer, sondern stoischer Einfluß - seit der unter dem Namen des

Aristoteles gehenden Schrift ree:pt x60'[J.ou 401 b 8 ff. und Chrysipp in charakter­

istischer Weise als, Unentrinnbare' etymologisiert.147 Die Qualität der Unentrinn­

barkeit aber ist gerade Ananke seit frühester Zeit zu eigen; denn als Fessel ver­

hindert sie das Entkommen von Gefangenen. Proklos betont besonders diese

Seite der Ananke, wenn er von ihr in seinem Politeia-Kommentar sagt (Il z08 Kroll) ocvare63poca'rov 't'&~~v xat &XA~V~ eppOUptXV emcr'r~aaaav re~aLv. Dem ent­

spricht Il 245 exdv1] oe' Av&yx1], WC; xpa't"oucra 7td.v't"cuv &pocpo't"cuc; xat &vareo­Opd.cr't'CUC; und ebendort 'rb [J.€V €voe:~oec; Xpd.'t'oc; 'rTI' Av&yxTI repoa~xov WC; re&v'C'a

cruve:x.0ua71 xa't'tX [J.(av ochtav, ~v &.reoop~vat 't'wv eyxoO'p..(cuv ouoe:v1 &e:[J.L't"OV. Il 100

ist im Zusammenhang mit der Ananke und ihren Töchtern von den Himmels­

gewalten die Rede, &c; &.reo 0 pii.vat 't'wv ev 'rC)) x6O'Wu red.VTWV ouoe:v1 ouva'C'ov. Ganz

deutlich wird Ananke expliziert Il 274, wo es mit Bezug auf die Wahl der

Lebenslose im Er-Mythos heißt: 't'( o~ oov [J.e:'t"tX ~v a~pe:O'tv 'rou ß(ou <p1]a1v 6

1t'poep~'r1]C;, <]) au-vea't"aL e~ &:Vd.YX1]C;; &.vocreoop&a'rcuc; ytXp [J.e:'C'tX 't'~v a'lpeatv 0 AomöC; ß(oc; X't"A. Wer gebunden ist, kann nicht entkommen. Das Bild ist also

vernmtlich aus Ananke entwickelt und erst nachträglich auf Adrasteia über­

tragen worden. Vielleicht ist die ursprünglich kleinasiatische Göttin nur wegen

der sich anbietenden Etymologie von Platon und den Stoikern so eng zu

Ananke gestellt worden. Diese Vermutung wird auch nahegelegt durch den

Umstand, daß Adrasteia erst zu einer Zeit als, Unentrinnbare' gedeutet wurde,

145 Schuster, De veteris orphicae theogoniae indole atque origine, Leipzig 1889

S. 81. Vgl. Posnansky, Nemesis S. 73. W. Jaeger (Theologie 81) legt sich nur inso­weit fest, als er die fragliche Theogonie "hellenistisch" nennt.

146 Posnansky, NemesIs S. 72. Vgl. Kerschensteiner S. 149 und W. Rathmann, Quaestiones Pythagoreae Orphicae Empedocleae S. 76 Anm. 32.

147 Es dürfte richtig sein, wenn Posnansky (73) Plutarch Fr. 15 (Dübner) auf Chrysipp bezieht. Dort heißt es u. a. a~d; 't"oü't"O 't"'~\1 E~(1o:p(1tt\l'f)\I xat ' A8p&.0"'t"e~O:\I xo:­

AOÜcr1\1, lh1 7t"EPO:~ 't"o:;r~ o:h(IX~~ ·~\looyx.aO"(1tt\lo\l ~m't"~-&7Jcr1v, &\lttxtpeux't"o,; 060'0:; X.IX~ &\lo:n6-

8po:O''t"0~. Die Begründung (h~ nttpo:~ 't"o:;~~ o:hlIX~~ (d. h. der Ursachenkette) ~\lIXYx.IXO"­[.ktt\lOV sm.'t"(,s"l)O"w ist sicher falsch. Viel näher liegt hier der Einfluß der für die Stoa ja mit Heimarmene und Adrasteia identischen Ananke: die Ursachenkette ist zugleich auch Fessel, die kein Entrinnen ermöglicht.

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Ij4 Ananke als theologischer und kosmologischer Begriff

als sie bereits eine enge Verbindung mit Ananke eingegangen war. Auslösend für diesen Vorgang wirkte offenbar die Affinität, ja Koinzidenz von seman_ tischer (Ananke) und etymologischer (Adrasteia) Qualität.

Es ist nun einsichtig, daß auch das ,orphische' Fragment 105 (Kern) cdh'1j

ecr·dv ~ ih::öC; 'AopocO''t'E:~cx. o~oc 't'ou't"o XEXA'f)!J.brlJ o~.x 't'o 't'c/; un' Gt;lj't'~c; TEi}evTO:: xal IJOf.Lo.&E'T'l),s,ev't'oc &'vcx7t'6opcxo"t"('.(, er\lO::~ durchaus nicht spezifisch orphisches Ge­

dankengut enthält. Es ist unsinnig, Texte nur deshalb für orphisch zu erklären, weil in ihnen Adrasteia erwähnt wird. Die "orphische" Ananke-Adrasteia ist einfach nicht existent. Was man bislang dafür gehalten hat, ist nur der Reflex stoischer und letztlich Platonischer Vorstellungen. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, daß eine umgekehrte Abhängigkeit besteht. Eine Ananke in der Ausformung, wie sie etwa die Kosmogonie des Bieronymus bei Damaskios bietet, wäre für Platon oder Parmenides ganz und gar unbrauchbar gewesen.

V. MAGIE UND ERLÖSUNG

1. Ananke in der lltagischen Terminologie

Im weiten Bereich der Zauberei und Theurgie hat Ananke ihren bevorzugten Ort. Wie in den bisher dargestellten Anwendungsbereichen entfaltet sich dabei der Wortgebrauch in unmittelbaremAusgehen vom semantischen Grundstamm. Es kann auch hier wieder nicht der ganze Bezirk der Magie interessieren, sondern nur die Frage nach den Denkbezügen, in die die magische Ananke ein­geordnet ist, und die Frage, für welche Sache unverwechselbar gerade Ananke als sprachliches Zeichen gesetzt ist.

Die magische Formel schlechthin heißt E:mxvayxoc;;, der Zwingspruch, das Zwangsgebet, Zwangsmittel.1 Die vollere Bezeichnung ist E:7tav<X.yxoc;; Myoc;;.2 Vom Wort geht also vor allem die magische Wirkung aus. 3 Das ist wichtig und für alles Weitere im Auge zu behalten. Eingang in den Bereich der Magie Bndet Ananke zuerst bei Bakchylides. Bera schlägt die Töchter des Proitos in den Bann irrer Raserei: 7t<X.p<X.7t)'3iy~ <ppevac;; xap1'€pq. ~€u~aa' &vayxq. (u) 45)·

Das J oehen ist immer auch ein Binden. Ananke ist die den Geist lähmende und dadurch Irrsinn erzeugende Fessel. Dafür gibt es keinen besseren Beweis als den {)!J.'JOc;; aecr!J.~oc;; <PP€VWv, den die Erinyen in den Eumeniden des Aischylos singen (306.331.344). Objekt der magischen Wirkung sind die 'Ppove, auch PGM I 5, 328 (XfX1'<X. 8€cr !J.€uÜ) SE: a\l1'oü 1'0',1 voüv xal. 't'ac;; epp€:v<X.c;;). Ähnlich ist die Vorstellung PGM 15, 1314 x(X't'(Xlh:&~'t'Ü) au1'oü ~ epp6v1Jcr~c;;.4 Der Sinn dieser Art von Fesselung wird sichtbar, wenn man solche Fälle vergleicht, in denen der Körper eines Gegners der magischen Bindung unterliegt.5 Das Objekt der

1 Preisendanz PGM I 2., 44; 4,1°36.12.95.1437.2.676.2.685.2897.2.9°3; 12, 114; 13. 12. 381. Vgl. Hopfner, Griechisch~äg. Offenbarungszauber I 2.°4.

2 PGM I 4,2574.311'1. :I Selten tritt das Opfer an seine Stelle (ert'~&utlor; &.vor;yxor;cr't'~x6v PGM I 4, 2684).

Aber auch die Opferhandlung war regelmäßig von Zaubersprüchen begleitet. 4 Vielleicht darf man hier schon das &'t'71 E:v31jQ'et~ Homers nennen (11. 2., 111), mit

dem 't'ov 3' &"1) rppevw; e:tAe: korrespondiert (11. 16, 805). Ö Bei R. Wünsch (Sethianische Verfluchungstafeln aus Rom) S. 10 (',let xa't'et3~­

Ci'f)'t'e: 1tOCV !L€AO~ xat 1tOCV vsüpov B~x't'(;)p~XOÜ und S. 11 xet't'&:3Y)crov etu't'wv 't'a: O'X€A'i') xcd 't'~v oPtl1JV xcd 't'o 1t~3'f)tlet. Ein ähnliches Beispiel S. 12 und S. 19. Es gibt bildmäßige Belege dieser Fesselung (Abb. 24 hier).

Page 72: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Ij6 Magie und Erlosung

Beschwörung dachte man sich durch die Bindung eingeschränkt und gehemmt,6

schließlich gelähmt und unschädlich gemacht' oder überhaupt negativ affi­ziert.8 Die verbreitetste Form war der Bleitafelzauber, bei dem der Wunsch auf eine Bleitafel geschrieben war, die dann mit einem Nagel durchbohrt und ver­graben wurde. 9 Hier wie überhaupt ist XG<'t"CX3E'LV die übliche technische Be­zeichnung des Bannens und Verfluchens.10

Eine verbreitete Sonderform des Zauberbannes ist der O:P~A't"poXIX1'&öeafL0t;,

die "Fesselung zur Liebe" oder der "Liebesbindezauber".ll Da heißt es etwa PGM 14, 395 &~ov, xa-rckö"f)O'ov 't"'f)V öZLva tp~AOücrcx;v, ~pwcro:v) Ta'\) oe'i:vlX 1to&o­

UO"OCV.12 Eine vergleichbare Formulierung ist (Wünsch, Fluchtafeln S. 22)

&yocyeLv xat ~eu~aL .. Ov Oupßocvov npoc; 't"1)V AOfLe'nocv&'v.I3 Die eigenartige

Verbindung von &ye~v und XOC'TOCae'i:v ( '" ~euyvüvoc~) ist im Zusammenhang mit

Ananke bereits begegnet: die epische Formel &yeLv &v&.yX"() erwies sich als

bedeutungs gleich mit o~crocvra &ye~v. Das ist der Ritus, durch den der gefangene

6 Vgl. Apollonios Argon. 3, 532 von Medea &O''t'pa 't'B xat [.t-ljvY).;; ~Ep1j.:;: tnelhlcrB XBAEU,sOU';;.

7 Instruktiv ist dafür der rekonstruierte Text der Tafel 20 B bei Wünsch, Seth. VerB. S. 26: E~va xlX't'acrX1J't'B xat xa't'aO''t'pe~"IJ't'e: xd O"uv3~cr"l)'t'e: xcd nm-ljcr"l)'t'B &8uv&-00U,;;. Ein Dämon wird durch Fesselung unschädlich gemacht Sept. Tobit 8, 3 und PGM I 4, 1246. über magische Schlingen und Netze zur Vernichtung eines Feindes handelt Scheftelowitz S. 12ff.

8 Ganz allgemein auf ein ßAocn't'Bw laufen die Gaukeleien, Zauberformeln (e1tCu8cd) und Bannsprüche (xa't'a3eO'B~';;) hinaus, von denen Platon Leg. 933 a und d spricht. Schadens dämonen sind schließlich auch die ~e~p'ljvB':;:, die man nicht zu Unrecht als "binders, enchainers" versteht (Onians 368).

9 Vgl. z.B. Wünsch (Defixionum Tabellae Attieae Nr. 45) Eüav8pov xa't'a3& ev 3B0'0<1> 00AUß8(v<jl und 55, 16 't'ou't'ou,:;: ey<il xa''t'IX8[8''1)tL~ &nav't'O:':;: ev tLoAuß8cp X't'A. Zur Sache Wünsch, Seth. Verfl. S. 72. 77. und Antike Fluchtafein S. 3.

10 So z.B. noch PGM I 4, 2159. Ähnliche Begriffe sind xo:'t'&8Bcrl-t0':;: CPGM I 4, 336; II 7, 299. 455), XM&a~cr" (PGM II 7, 879) und cruvael, (PGM I 4, 589). Zur Vorstellung des Bindens in der Magie vgl. Audollent p. LVff.; Rohde, Psyche II 87 (Anm. 3)' 424; Wünsch, Def. Tab. Att. p. III und Fluchtafein S. 10. 26 und sonst; Scheftelowitz S. 17; Onians S. 372f. Die Bindung geht in der Regel vom Wort des Zauberers aus. Das gilt auch für den umgekehrten Fall des Lösens. V gl. z. B. die Worte der Isis bei Diodor 1, 27 {)O'O: yocp ey<il S-IjO"w oöStd.:;: Mva't'oc~ Aücra~. Diese Stelle nennt Büchsel bei Kittel (Theologisches Wörterbuch) s.v. Mw S. 59 Anm. 3.

11 der Ausdruck z.B. PGM 13,163; 4, 296; II 8,1. 12 Vgl. PGM I 4, 350 ebenso ct!;ov xcd xoc't'&3"1)O'ov

II 7, 985 &ye [[.tot xoct xoc't'&8"1)O"ov 't'~]v &zrv' TI 32, 5 cn;oc~ xoct xa't'a8'ljO'oc~ ~OCPOCl'tL&Soc X't'A.

13 Vgl. S. 2.3 &yayzrv xat ~e:ti~a~ O"Ul-tßLOV 't'ov Oöpßocvov ... npo.:;: 't'~v ß0l-tB't'~OCV&V.

S.2.4 &yaYErV xa, ~EÜ~OC~ cru[.tßwv ... npo.:;: 't'~v ß0tLmav~v.

S. 24 &~ov ~EÜ~OV 't'O\l OöpßOC\lOV ... npo.;; 't'~v ßO[.tz'navav.

Ananke in der magischen Terminologie: &ye~v &v&yx:n Ij1

Feind zum Sklaven wird. Das Binden gehört wesens mäßig zum &ye1v hinzu,

weil der Gefangene in der Regel nicht gutwillig folgt und den Willen des Siegers erfüllt. Der gleiche Typus der Verfahrensweise liegt auch dem Liebes­

bindezauber zugrunde,14 So ergeben sich Hinweise, wie Ananke in diesem

Bereich zu verstehen ist. In Verbindung mit aye1v steht sie PGM I 4, 29°9:

cU;ov "C"~v 3e:'i:voc ... -r!;.,X1cr-roc fLoAoücrav EA&dv ... qnAO"C"'l)-r1 xcd euvYb o'~cr-rpcp

~AaUVOtLtv'l)V, XtV-rPOLcrL ß~IX(01~ un' &v&yxljC;. Ahnlich ist der Sachverhalt PGM

11, 3i9." vux-ro~ ~AIXuvofLevov npocr't'&yfLacr1v cr~~ Ün' &v&YX'l)~ und PGM I 4,

459 eAeucrOtLevov npocr-r&.yfLa<n cr~c; ÜTC' &v&yx'l)~, rv' ßcra &tAoo ~v I"f'pecr~ efLoc'i:c;,

7t&v"C"oc fLm ex-reMcr71 sowie PGM I 4, 1969 vux"C"o~ ~AeucrofLe:vov 7tpoO"t"aYfLlXcr1 cro'i:~

U7t' &v&.YX'l)c;. Das Kommen ist in jedem Fall ein unfreiwilliges und erfolgt

un' &v&.yx'l)~. Das magische ayew (eAauve1v) ist also ein &ye:1V &v&yx-{J. Ananke ist

dadurch identisch mit dem zweiten Teil der Begriffspaare &~ov xIX't'&3'l)0"0v, &~ov

~eü~ov,15 Sie kommt zur Wirkung durch die npocr-r&yfLlX-ra des Zauberers, den

bindenden magischen Befehl, der einmal auf den zitierten Dämon sich bezieht,

und zum anderen auf die von diesem herbeizubringende Person. Wie beim

Schadenszauber kann man also auch hier von einer duplex obligatio spre­

chen.16 Ananke als befehlender Spruch ist hier keine neue Entwicklung der

Bedeutungsverzweigung des Wortes. Ananke als Nomos trug ja schon Be­

fehlscharakter, und bereits der fLüi),o~ &vayxa'i:oc; des Telemach (Gd. 17, 398;

20,343) kann nur das bindend befehlende Wort sein. Das Binden ist dabei nur

Metapher für die Unausweichlichkeit des Befehls. Da mit einer magischen

Beschwörung regelmäßig eine bestimmte Weisung und Aufforderung ver­

b:unden ist, versteht sich die terminologische Bezeichnung xa-rocoecrfL0C; für eine

Zauberhandlung nicht zuletzt von diesem Gesichtspunkt her.

Das zum engsten Bedeutungshof von Ananke gehörende &yew ist überhaupt

14 Vom "Bringen" und "Fesseln" ist auch in der achten Ekloge Vergils 78f. die Rede: neete, Amarylli, modo et ,Veneris' die ,vincula neete'. ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim. Vgl. bei Theokrit 2, 17. 22 usw. t1JY~, ~AXe: 't'u 't''ljvov e/l-ov n6't'~ 3&l-ta 't'ov &v~pa.

Ein mittelalterlicher Diebesbann weist die gleichen Elemente auf: + Abraham + ligat + Isac + Retinet + Jacob + Retucet CA. Spamer, Romanusbüchlein, BerUn 1958 S. 248). Neben 8'ljO'1XL und &ye~v wird (in Retinet) tO"Xzw sichtbar, das seit frühe­ster Zeit mit Ananke verbunden ist.

16 Im Hinblick darauf ist nicht ohne Belang, daß in Platons Kratylos 418 d-e das ~uy6v seine Wesensbestimmung vom &YBW her erfährt.

16 Audollent p. LVIII. Der magische Transport' setzt die Bindung unabdingbar voraus. Die Bindung fungiert gleichsam als raumüberbrückender Zwischenträger im Sinne einer Fernwirkung. Vgl. H. Güntert, Der arische Weltkönig und Heiland S.126.

Page 73: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

IJ8 Magie und Er/(isuflg

für alle magischen Praktiken von zentraler Bedeutung. Die &.'(U)r~ ist der eine gewünschte Person, meist die Geliebte oder den Geliebten, zutreibende Zauber,l7 Ein gutes Beispiel ist PGM II 36, 70: &YÜly~, g[J..7tUPO'J ßtA'ncY't"ov, 00 !J.r:~ov OUOEV. &y~ oe: &vopcu; YU\lE:#V xcd yuvexal;; &.vöpeow. Der herbeizitierende Liebeszauber heißt auch &yWY~[J..OV18, und die so durch magischen Befehl Her~ beigezogene ist die &i'Of'BV~ (PGM I 4, 3°5.316). Damit korrespondiert der terminologische Gebrauch von &YE~V im Aktiv, denn &ye~ yuvocixlXC;, &.vöpa<;

wird von einem Dämonen ausgesagt (PGM I 1, 99) und &~O\l 't"~v oetva ... cp~AOÜcr&.V fLE:: 't"OV oe'i:voc ist der übliche magische Befehl beim Liebeszauber19•

all diesen Fällen - auch wenn das nicht ausdrücklich gesagt ist - erfolgt die &ywylj mit Hilfe des magischen Zwanges, der Ananke. 20 Im Griechischen be­

gegnet dieser Typus des &yeLV zuerst bei Aischylos. Dareios wird aus der

Unterwelt magisch herbeizitiert tj;UX "i'üJYo,~ i'6ot~ (Pers. 687)' Wenn dem Wort und der Sache nach das altepische '~crxe~'J und &ye~'lJ &v&.yx:n

im Bereich der Magie auftreten, wird man sich nicht wundern, auch die dritte

der homerischen Formeln, die im ersten Kapitel dieser Untersuchung vor­

geführt wurden, nämlich 8cq.l..ocv &v&.yx"fh anzutreffen. Auf einer attischen

tafel vom Ende des 4. Jhr. v. ehr. (bei Wünsch, Neue Fluchtafeln 62ff.) lautet

ein Vers ßo:.(.I..vo:.tLeveü, 8&'tLlXaov 8e xo:.x&c; &exOVTIÄC; &v&.yx~·

Das 80:.tLocv steht auch PGM II 7, 908: &~ nC;, OOCtL&.cr·nc; €V 't"ri O"~tLepov €V 't"ri O"~P.EPOV vux't"l. •.• 7toi\i\&.x~c; oe o!.wxe 't"ov i\6yov, xoct &~eL xoct xo:.'t"oco (.I..EUO"EL. Der Dämon wird, wenn der Zauberspruch oft genug gesagt wird,

die Geliebte &yeLv xoct xo:.'t"ocoEatLE,jeLv. Das ist als Wiederholung gl"ichzuS<'tzen mit &~1lC;, oocP.&.crl1C;, das seinerseits wieder mit der Formel &yo:.YELV XlÄt

und &~ov xoc't"&.oYJO"ov (s. oben) parallel steht. Hier wie dort ist der magische

ein Unterjochungszauber. Der Behexte muß auf Grund seiner Fesselung21

17 PGM I 4,1391. 1457. 1498. 1930. 2005. 2442. 2708. 28 92; II 7, 593; 13,25; 36, 1 18 PGM I 4, 2232; 7. 297. 300. 973. 891. 10 PGM I 4,35°. Vgl. I 4. 4°0.1412.147°.1510. 1915ff. 2°92. 2235; Wüm;ch.

Fluchtafeln S. 22. Diese Form des Herbeibannens und Zutreibens ist bereits aus alten Orient bekannt. In einem altbabylonischen Liebeszauber heißt es "Im der Istar ... faßt ihn (den Ungetreuen), bringt ihn. versöhnt ihn! Der Ferne sich wenden. der Zornige möge zurückkehren!" (bei Meißner, Bab. u. Ass. II

20 Die Verbindung von &YEW (eACGU\lE~\I) mit a\lt-tYx'lj ist natürlich nicht auf Bereich des Liebeszaubers beschränkt. Z. B. heißt es bezogen auf die . eines Sternes: [aO"'t'E:pet O"OL ay6tJ.EvJOV e~ &vocYX'lj~ (PGM II 57)·

21 Vgl. PGMII 36,156 aeBEcrCGL ~ Be:l:\l1X 't'ot~ \le:opm~ 't"oD tEPOÜ rpo(\I~xo~. tvCG BL6Äou 't"ov Be:l:\l1X OU tJ.~ cre Äocr1) Ö xO(o.)\I. Mit den Fasern der heiligen Palme ge!müder muß die Geliebte zu Willen sein, ob sie will oder nicht.

Af1anke al.r Zaubergattheit IJ9

ein Sklavez2 dem Zauberer zu Willen sein. So erklärt sich der Befehl (PGM I

3, 537) 7tO(1)O"OV 't"o öe~\lo:. 7tpOCY(J-IX &v&YXf). Hier besorgt Ananke als magische Bindung der Zauberworte nicht mehr den Transport des Zitierten, die &ywY~,

sondern im Sinne des tO"Xl::LV &\I&yxf) sein Verbleiben am gewünschten Ort zu

dem vom Zauberer gewünschten Dienst. Die Unterjochung ist perfekt, wenn

die Bindung hält. Das wird erläutert durch PGM 14, 380ft". XIX't"&(01)O"ov dc; -rov

C/.1COCV-ro:. Xp6\1ov -r~C; ~w~~ p.ou XIXt auvIXv&'yxacrov 't"~v oe;~vlÄ U7toupyov dvo:.t tL0~' Nun

aber zurück zu ßocp.voc(.l..l::ve;i3. 0&.(.1..0:.0"01,1 oe XOCX6)~ &exovra~ &veY.yx~. Der Sinn des

oap.&v &v&.YXf) ist offenbar der gleiche, wie ihn die Untersuchung bereits ergab

(oben S. 1-6): jemand wird aktionsunfähig und wehrlos gemacht und ist da­

durch entweder als unschädlich erledigt und abgetan oder muß dem Sieger in

jeder Weise - bis zur Vergewaltigung - zu Willen sein. Der sonst als idäischer

Daktyle bekannte Damnameneus ist im Bereich des Unterjochungszaubers gut

am Platz. 23 Das muß der Verfasser des Zaubertextes gewußt haben, denn mit

o&(.I..ocO"ov &v&;yx~ wird der Dämon richtig etymologisiert (ÖIXP.eY.W - p.evoc;).

2. Ananke als Zauber gottheit

Die große Bedeutung, die Ananke im Bereich der Magie hat, kommt vor

allem darin zum Ausdruck, daß sie oft personhaft als Gottheit vorgestellt ist.

Dafür ist grundsätzlich sicher der klassische und hellenistische Sprachgebrauch

bestimmend) in dem bereits der Schritt getan wurde von der abstrakten Ananke

zur Person und Gottheit - die dann freilich die Fessel oder das Joch als Attri­

but und Wirksymbol zugeordnet erhielt, wodurch der Zusammenhang mit

dem ursprünglichen Konkretum nicht abriß. Im einzelnen ist freilkh im Be­

zirk der Zauberei Ananke doch recht verschieden von der alles umgreifenden,

Welt, Götter und Menschen beherrschenden Gottheit, die sie seit klassischer

Zeit für "den Griechen war. Zwar wird sie gelegentlich noch in der traditionel­

len Weise mit Moira oder den Moiren - dabei auch ihrerseits manchmal in der

22 Vgl. bei Wünsch. F1u~htafeln S. 24: ~eu~o\l eto't"ou~ y&tJ.cp xett ~p(on~ cru!-lß~OÜVTIX~ .•• 1t'O~'fJO"O\l CGu't"O\l 6:J~ aouÄov etu't"TI epwnet Ü1to't"e't'ax&1jvet~ X't'A. Dieser Unterjochungs­zauber begegnet auch außerhalb der Erotik. So heißt es PGM II 7, 66f. rp(flcucroV. urr6't"IX~o\l, xlX't'etBooÄcucro\l 't'O\l Bsi:\lIX't"ej) Be:t:\lCG xCGt 1t"0['lj0"0vlXo't"6v. w~ U1t'O 't"ou~ 1t'6BCG~ !!O~ ~Ä,s.1). Vgl. bei Hopfner (Gr.-äg. Off. I 36) li1t'60"'t""fJcr6\1 tJ.OL 't"ov Bsi:\lIX.

23 Der Name steht auch PGM I 3, 101; II 7, 217. Bemerkenswert sind im Zusam­menhang damit die Beinamen der zaubermächtigen Selene (LllXfl\lfu. LlaflVoflE:\lO:~IX, LlIX­titXO"ocvBpa, LllXflvoBettJ.~IX PGM I 4, 2850), die auch mit Ananh:e identifiziert wird (PGM IJ 4. 286of.).

Page 74: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Magie und Erlösung

Mehrzahl - genannt,24 doch ist sie da nur noch eine unter mehreren Mäcllten. Überhaupt wirkt sie nur selten allein, sondern bedarf in der Regel hellender oder vermittelnder Dämonen und Gottheiten. So heißt es PGM II 12, 64ff. crO er 0 eX<iJv sv T(i 3~!;1~ 't"~v 'AvayxYJv ßeA:remo:;x, crO d 0 OtO:;AU<iJV xo:;~ oecr­

IJ-eo<iJv creIJ-ecrteAO:;IJ-7tEXpL'iJ. S7tocxouO'ov IJ-ou &7tO 't"'lj~ O'~p.epov ~p.epo:;~ xo::t d~ ,"0'11

&:rr,o:;v't"o:; Xpovov. Da ist Ananke in der Hand eines den Kosmos beherrschenden Dämons oder Gottes. Der gleiche Dämon aber hat, wie sogleich ansctlW'I"'ndl gesagt wird, die Gewalt, zu lösen und zu binden. Kein Zweifel also, daß anke darauf zu beziehen ist und eben die Person gewordene Gewalt des schen Bindens und Lösens darstellt. Das bestätigt sich Catal. codd. astral.

176: XP·~ 015'11 0)~ e'Cp'YJ'rO:;L &XPLß&~ 't"a 't'OlO:;Ü'r0:;25 7t<XP<Xq>uAoc't"'t"ecr'&O:;L, ~'Cye OAOO~

s.&eAEL U7tO 't"ov 'r'li~' AvocyxYJ~ ~uyov &yo:;ye1.v 7tocv't"w~ 't'a 5v't"0:; E:7tt 't''li~ y'li~, opo:; AUOOV x<Xt 5pveo:; xo:;( .&"l')p[o:; xo:;t ep7tE'ra xo:;t &VEP.OOV 7tvoa~ xo:;t 7to't'<Xp.wv

OEWV. Bei Beachtung entsprechender Vorschriften hat man magische über die Natur. Man kann Dinge, die ihrer Natur nach an ein- und denS<,lb"n Ort gebannt sind, lösen und in Bewegung versetzen (aEvopo:;), andere"se:its Wesenheiten, die ihrer Natur nach in Bewegung sind (5pVEO:;, irtJp(o::

durch Zauberkraft stellen und fixieren. 'Avayx'YJ~ ~uy6v - man vergleiche poetisch-kunstvollen Doppelausdrücke &vEfL<iJV 7tVOOC~ und 7to't'O:;IJ-wv po&.~ -

stilisierte Ausdrucksweise an Stelle der einfachen Ananke. Der gelehrte fasser erzielt durch die Herübernahme der klassischen Formel einen Verfremdungseffekt. Jedenfalls ist mit Ananke - genau wie oben - die gewordene magische Kraft des Bindens und Lösens gemeint.26 Ebenfalls Binden und Lösen ist die Rede in einem Abschnitt des ins vierte Jh. n. datierten Großen Pariser Zauberpapyrus. Es handelt sich um eine abw"brendi

Inschrift an Selene (PGM I 4, 2242ff.; die Übersetzung nach """""''"''''''1 "Sei gegrüßt, heiliges Licht, Herrin des Tartaros ... anrufen will ich und du sollst erhören meine heiligen Gebete, denn die grause Ananke

2<l PGM I 4, 1399 MO~P(xlt;, • A V&YX(xl~, BlXcrxOO"UVIX1~, Aot(.t0, <D.&6vep XlXt &WpOL~. ßW(.t6P01~ 1t'€:!-L1t'tu 't'poq;&~. PGM I 4, 1455 ~pxeO".&e O"~!J.epov, MO~P(x1 xIX1' A 're:A€:O"IX't'e: 't'ck yw6[le:v(X e1t't 't'9j~ &ytuy9j~ 't'(XO't"fI~, /)1t'tu~ &~'f)'t'€: (.t01 't'~v Bdv(X. PGM I 4, steht sie als eine der verschiedenen Erscheinungsweisen der Selene: N u~, X&o~ e:öpu' 0"0 yckp BUcr&AUX't'O~ 'Av&yx"t), Mo~p(X B' 1tq;u~, O"u 't" 'Epwu~. ß&crIXVO~, O"u, ß(x"t} O"u. Kepßepov ev Be:O"!J.0~mv 1txe~r:; X't"A.

25 V gl. unmittelbar vorher 1t'&0""tJ~ &1t'eXe:O".&(xL 1t'ov"t}p&~ 1t'p&~e:{tl~, [l&ALO"'t'(x Be 't'9j~

't"ck~ yuv(X~X(X~ b[l1AllX~. 26 Gundel (Ananke S. 76) versteht die Stelle nicht richtig, wenn er sie

dafür wertet, daß man in astrologischen Kreisen glaubte, durch genaue B"oc,acJ,tw der astrologischen Leitsätze erlöst werden und dem Joch der Ananke en1:rir,nen können.

Ananke als Zaubergottheit: binden und liisen

'Av&.yy.YJ) hat sich allenthalben über dich gebreitet. Bist du auch dreimal ge­bunden, löse dich (oe&z~cro:; 't"pt~ AuirtJ'n), komm, wüte gegen den NN. . .. (2.310) Das alles ist Symbol meiner Zauberkraft. Allen Zwanges Bande wer­den zerrissen «SAYJr:; &v&.YX"l')r:; ozcrp.a cruvpC<.y~cr€'t'O:;L)." Bei aller Schwierigkeit des Verständnisses scheint doch deutlich zu sein, daß die 'iJP~X't"fJ 'Av&.yx'YJ sich in der dreimaligen Fesselung manifestiert und nicht ganz isoliert von den &v&.y­

,X'1Jr:; OEcrP.&. zu sehen ist. In Ananke, das zeigt sich auch hier wieder, wird die magische Wirkung als Bindung begriffen.

Eigenartig und entsprechend der Vielzahl heterogener Zeugnisse nicht ein­deutig bestimmbar ist in den Zauberpapyri das Verhältnis der Dämonen und Götter zur Ananke. Teils stehen sie rangmäßig neben ihr, zum Teil sind sie ihr auch unter- oder übergeordnet. "Erfüllt mir alles, was auf diesem Blätt­chen steht, um dessentwillen ich euch beschwöre, Dämonen, bei der Gewalt und der Notwendigkeit, die euch festgebunden halten. Erfüllt mir alles ... Ich beschwöre euch Dämonen, bei den bitteren Notwendigkeiten, die euch gebunden halten" (r~v cruvexouO'(J.v up.cxr:; B((J.v x<Xt 'Av&.yxYJv· •.. xo:;"C'a 't'wv mx­

pwv 'Av<xyxwv 't'wv ~xou(jwv uIJ-cxr:; PGM II 15, iOff.). Da sind die Dämonen ganz in der Hand der Ananke oder Anankal. PGM II 19, 14 wird ein Toten­dämon IJ-€Aer~r:; 't''ljr:; xpO:;'repiir:; 'Av&.yx'YJr:; genannt, also "Waltet der starken Not­wendigkeit". Ähnlich gibt es &vO:;YX€7t67t't'O:;L, die "Aufseher der Notwendig­keit" (PGM II 7, 356). Es scheint, als ob den Dämonen hier jeweils eine ähnliche Rolle zukommt, wie den Erinyen, die ~cpecr't"YJxu~o:;~ &v&.YX1l sind und das S_teuerruder der Ananke lenken (oben S. 102). Hier kann ähnlich gefragt werden, ob die Dämonen die Vorgesetzten oder nur die Untergebenen der Ananke sind. Im folgenden werden sich für beide Möglichkeiten Argumente finden, doch kann schon jetzt gesagt werden, daß Ananke in der Regel zu den Dämonen nicht anders wie zu den Erinyen steht. Was oben (S. 77) fest­gestellt wurde, muß in abgewandelter Form auch hier gelten. Die magische

"dll,nanke' bedarf wie die große Schicksalsfessel gewissermaßen auch der diri­gierenden Vollzugsgehilfen, um wirksam zu werden.

Recht häufig sind die Fälle, in denen ein Dämon bei der Ananke beschworen dem Zauberer einen bestimmten Wunsch zu erfüllen. Ananke gibt dabei

Art Zauberhelfer ab, dessen bindende Macht den Dämon zwingt, zu ge­Zum Beispiel wird ein Totendämon angerufen E:!;opx(~<iJ<cre>, V€XO­

::oOlw,ov. x<X't"tX 't''ljr:;'Av&.yx'YJr:; 't'wv'Avo:;yxwv 7t(J.po:;yevEO''&(J.17tpOr:; ~P.E X't'A. (PGM 4, 260). Dem Zauberer genügt nicht die Zwangsgöttin als solche, sondern rechnet damit, daß es mehrere sind und beruft sich darum in naiver Klug­

auf die mächtigste und oberste von ihnen, damit der Zauber möglichst werde. Ebenfalls ein vexuoO:;[IJ-WV wird PGM II 7, 1005 angeredet:

Page 75: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Magie und Erlb'sung

[e~opx(~w] y&.p cre:, ve:xuöaL/Lov, xa1'&: Tfjc; 7t[t]xpii<; &1'0:: xat 't'&v] [e:pw[v AOYWV &]xoucrov. Eine Mehrzahl Anankai ist wieder

I 3, 119 ff. angenommen: e~opxf~w crE xoc't'd: 't'1jc; zßpa~x1jc; [er ]wv1jc; xat xa1'd:

'Avayx"l)C; 1'&V 'Avocyxa[w[v] Maaxe:AAL [M]OC[crXEAAW' cr]UV['t']€AZcrOV [J.OL X'tA.

"Ich beschwöre dich bei dem hebräischen Spruch und bei der Zwangsgöttin der Zwangsdämonen Maskelli Maskello: verrichte meinen Auftrag"

Der "Maskelli-Logos" ist die geheime Anrufungsformel der Ananke.28

Sinn ist dunkel. Vielleicht steckt in Maskelli das hebräische "~~~.",, was

Bezeichnung einer Psalmenart gilt. Der Maskelli-Logos wäre dann eine

{)/LVOC; Ma/Lwc;. Ein Unterjochungs- und Schadenszauber ist PGM II 9, 5

7t6't'a~ov, cpf/Lwcrov, xG<.'t'aoouAwcrov 7t'iiv yevoc; ci.v.&pümwv ... xa.&u7t'6'ta~ov,

OOUAWcrOV, cp(/Lwcrov 't'·~v o/UX~v 't"ov '&U/LOV < 'tou oe:{;va), ß1't e~opx(~w cre: xO'.1'd:

cpp~x't'1jc; 'Av&yx'tJC; Macrxe:AAt Maaxe:AAw. Diese Zwangsgöttin ist nicht schaurig-schrecklich (tpptx1'~), sondern auch unerhört mächtig und urlerbitt­lich: o{)1'wc; xo::t au xaucrztc; 't'~v öe:iva, ß1't cre: e~opx(~w xO'.'t'd: 't'1jc; xpa't"aliic; xat

pa~1'~1'ou ' Av&.yx"l)C; MaO'xe:AAL MlXcrX~AAW .. , xat xa't'c< 't'1jc; 't'ou1'ou • Av&

Aax~ AO'.XtW ... &~ov, xO'.ucrov 't'"~v oeivo:: ... lht cre: E~opxf~w xO'.1'Gt: 't'&V Xf'MC<,iü,

xc<, ~.y&AWV ovo~&~wv (PGM II 36, 44ff.), Vielleicht wäre gegen Pr,eis<,nclaru Ananke beim zweiten Mal besser klein zu schreiben; denn 't'1jc; 't'OU't"ou 'A',",·y •. ist doch der "bindende Zwang des folgenden Zauberspruches", und linalOk, ist nicht mehr personal gemeint. Immerhin ist die Grenze zwischen magisch bindenden Zwang und der Zwangsgottheit nicht immer scharf

ziehen. Hinsichtlich Awa AO'.XlW ist zu sagen, daß eine Anknüpfung an hebräischen Wortstämme ,~, und np, denkbar ist, die beide "fangen,

fen" bezeichnen, was gut passen würde, denn der Abschnitt 44fl gehört einer &ywy~, die immer auch ein vorheriges Ergreifen voraussetzt. EI,e11faJJ

in einer "Beibringung" (&ywYt/Lov), und zwar in einem Liebeszauber, Ananke angerufen PGM 11 7, 3 e~opx(~w crz, {)cr't'paxe:, xaT&: 't"1jc; mxpc<<; ,

27 Zu vergleichen ist ein Zauberpapyrus bei K. Wessely, On the spread of chdstian religious ideas among the Egyptians. The Expositor 4 (1886) S. oberste Gott Zeus - Adonai wird zum Zwecke eitler Teufelsaustreibung angel:u!, daaxoua6v j.LOU T'fj~ rpW\I'fj~, EmXaAOUj.LcJ ae ... ()'n E~OPX~~ÜI <JE: xlX't'li t"'fj~ rpÜJ'\6i~ ~ XIXt"a 't''fj~ (h&yxYJ~ ,,&v &vlXyx&v (LaO'XE:AA~ (LlXaxeAAÜI. Der Dämon ausfahren, weil er mit unlösbaren Fesseln (d. h. Bannsprüchen) gebunden wird aB 3BO'iJ.E:OW 3E:criJ.oi:~ &M"m~). Ananke wäre besser groß zu schreiben.

28 Vgl. PGM I 4, 2.2.04 't'ov 3e <A6yov) XIX't"tt 't''lj~ • Av&yxYJ~. iJ.IXCiXSAAt (),6yo~) ; xlXl "0'" xlX't'li 1t& ... 't'ÜlV Mys, "Sprich aber die Formel der Ananke: Maskelli-Logos . und die für alles wirkende Formel." In einem Text bei Wünsch (Fluchtafeln S. steht Ananke inmitten von Erpemo: yP&'Il'iJ.O:'t'o:: Va1turpB?IXW(J) 'Av&.yxYJ [Lo:axsAA~

XS)"),ÜI tpVOUXSVTIX[3O:ÜI,ll X't'A.

Ananke als Zauber gottheit: Hebräisches

:K 'tJ C; (tJ.o::crXEl\A~ - )..6yoC;) xo::t XG<.T&: < TWV erd) TWV T~tJ.wp~&v 1'~TG<.Y/Levov &~ov

rlJv Öe:~vG<. T1jC; Öe:'i:vG<. XTA. Ob oO'1'PO::xov "Muschel" meint, wie Preisendanz deutet, scheint fraglich. Vielleicht ist ein aus Ton hergestellter Dämon angeredet.

In anderen Zeugnissen fungiert der angerufene Gott oder Dämon als V or­gesetzter der Ananke. Eine bei Karthago gefundene Devotion (Wünsch, Neue

Fluchtafeln S. 248) sagt ['~lopx(~w cr. ~ov 1lEov [~~l, ' Av&yx'~, ~ov ~"YC<v

'Apouw~0::0::p~0::[y]pav.29 0 &e:OC; 1'1jc; 'Av&yx'l)C; ist im Sinne von 0 hd 1'Y)C; 'Av&y­

x1)C; 't'z't'O::Y/Levoc; zu deuten, was gleich zu belegen sein wird. 'Apouw~aap~G<.ypav bzw. 'Apoupoßo::txp~G<.ypav enthält offenbar das hebräische ii~, das "binden, bannen, verfluchen" bedeutet. Wünsch hat gemeint, die große Göttin der

Notwendigkeit, wie sie hier und in anderen Zaubertexten auftrete, sei "aus den anschauungen der orphiker bekannt und wohl von dorther übernom­men".so Diese nirgends bestrittene Annahme ist mit Nachdruck als falsch

abzulehnen, weil sie jeder Grundlage entbehrt - selbst, wenn man von

der Fragwürdigkeit des Begriffes ,Orphiker~ einmal ganz absieht. Die Frage, wer der i)·e:oc; 't"1jc; 'Av&yx"I)c; ist,31 läßt sich nicht eindeutig beantworten.

Ein Londoner Papyrus (bei Wünsch, Fluchtafeln S. '5) spricht von dem &<0,

o Erd 1'1jc; &v&.YX"I)C; 't'~'t'aY/Levoc; 'lG<.xouß 'latßw kaßaN.& 'Aöwvo::L Wenn .&EOC; 't"1jc;

, Av&yx"I)c; und .&zoc; 0 E7t't 't"1jc; &v&.YX"I)C; (oder' Av&yx"I)c;) identisch sind, wogegen

nichts spricht, ist der Gott also Jahwe, denn 'lo::xouß, 'lo::tßw usw. sind lauter Bezeichnungen des höchsten Gottes. Jahwe wäre nichts anderes als der oben

schon genannte Zeus-Adonai. Der "Gott über der Ananke" erscheint aber auch ~ls der "kopflose Gott", so daß sich weiter die schwer zu beantwortende Frage stellt, ob der &xecpaAoc; i)·e:6c; und Zeus-Adonai identisch sind. Hier die

L~e"glllsse für den "kopflosen Gott": EmxO::Aou/Locf cre: TOV &xecpocAov .&~6v, 't'ov E7t't

't'o'i:c; 7t'ocrtv l1xov1'oc -TIjv ßpacrw' 0 &cr1'p&.7t'1'wv, (; ßpov't'&.~wv, cru d, (00) 't'o cr1'6tJ.0::

3ta 7t'O'.v1'oc; 7t'pocrxe~'t'at, cru e:1 0 erd 1'Y)c; , A v &YX1)<; 'ApßO'..&lO::W, cru Ei X't"),. (PGM II 7, 233). Donner und Blitz weisen immerhin auf den obersten Gott (Zeus).

,V'iellei<:ht gibt auch das Zauberwort' ApßO'.i)to::w einen Hinweis. Wenn, wie

vermuten ist, das semitische l'~l~ (vier) darin enthalten ist, so liegt der

(j"ct,mlte nicht fern an den Xo::'t'EXWV 't'ov x6cr/LoV xal 7t'OL~crOCC; 1'Gt: 't' E cr cr a p a .&E/LeA~OC

. den xa't'exwv 't'a 't"ecr'crap_a &e/LeAto::, von dem gesagt wird cru zr 0 ~Xwv ev

3.~,~ TI]V 'Av&yx~v (PGM II 12, 59ff.). Der "kopflose Gott" steht auch

29 Vielleicht ' ApoupoßlXlXp~o:y?av? V gl. Wünsch, Antike Fluchtafeln, Bann 1907 15; Audollent, Defixionum Tahellae 242, 4; Gundel, Ananke S. 96.

30 Fluchtafeln S. 15; vgl. Seth. VerfL Taf. S. 94 und Neue Flucht. S. 248. 31 Vgl. noch PGM II 7, 471ff., wo der Plural Anankai steht: tJ.ys iJ.m 1'~v 3dvIX

3twxwv 3e 1'ov A6yov <ASYB) 1'~v &pX~v' .j}so~ oD"o~ • Avayxwv tJ.yays iJ.ot 't''l]V X't'A.

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I44 Magie und Er/i/sung

PGM II 8, 92ff. em- XOCAOU[J..OCt cre:, 'Tbv &XE'tlIXAO\l &e6v ..• au er, oÖ 't'o O''t'OfLoc a~a

1tocv-rOt; 1tUPOs YE(J-EL, 0 81tt rtic; 'A v &YXIJ':;; 't'E/'t'OCYP.EVOC;. &mxaAoufLod ae: 'TOV hd -r1jc; 'A v& yx. YJ':; 't"E't'IXYILEVOV .&e:ov X't'/...32

Als Untergebener der Ananke erscheint ein Dämon, es ist Seth-Typhon, in einer Anzahl spätantiker Fluchtafeln, die Wünsch (Sethianische Verfluchungs_ tafeln aus Rom) vorgelegt und gedeutet hat. Der Wunsj:h, Bindung und Läh­mung der Konkurrenten im Wagenrennen, ist immer gleich. Es heißt etwa

(Tafel 23 S. 35) e:~opx.t~(U u[J.äc; xoc-ra 't'"1ic; U!J.E't'EpOCC; u[J.wv OUWl!-'-EWt; ~VIX XIX't'OCO"X"1i-r€ xcd cruvö~a"IJ't"e: xoct XIX't'IXÖ~cr1J't'e: ' Ap't"E[J-WV •.. 5'n e~opx.(~w u!J.äc; xoc:ra 'rou uno Y1)':; &VIXVe:&~OvroC; 'TO\) xa't'EXovt'OC; XOXAIX X-t'A. Das 0 uno y'i)v &vave:&~ü)v 0 XIX'TEXWV

XOX),IX ist formelhaft (Tafel 16, 49.69; 24, 2~; 31, 15. 38. Vgl. 20, 71; 21, 25;

23,17; 33, 3; 36,5), ebenso 0 U7tO -rf)V 'Avayx'lJv 0 XIX't"EX6lV XUXAIX (17,14; 20,12.15; 21, 3. 20·43; 27, 14. 47; 28, 10. 22; 29, 23; 30, 28. 32. Vgl. 26, 19; 38, 15). Beide Formeln sind im Grunde identisch, die eine ist nur eine Va~ riante der anderen (vgl. Wünsch S. 93). Der Gott, der über allen anderen Göt~ tern steht, die mit &~opx(~6l uflä.<;; angerufen werden, und der nur der Ananke unterstellt ist, wird auf den Tafeln verschiedentllch abgebildet (Abb. 24 hier). Die dargestellte Person mit dem Eselskopf ist von Wünsch als Seth-Typhon identifiziert. Merkwürdig ist der Ring, den Seth in der linken Hand hält. Auf diesen Ring spielt offenbar die immer wiederkehrende Aussage XGnEX6lV X6XAIX

an. Was mit diesem Ring gemeint ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Wünsch nimmt zunächst an, die von Platon poetisch ausgebildete "orphische" Ananke sei "von den Gnostikern, denen wir unsere Tafeln verdanken, mit den Göttern der ägyptischen Osiris-Religion in Verbindung gebracht" wor­den und die orphisch-pythagoreische Vorstellung von der Ananke und ihrem Kreise - davon wird hier noch die Rede sein - sei zu identifizieren mit der Isis-Nemesis und ihrem Rad. Schließlich vermutet er, "daß der Gott, dem die Herrschaft über die X6XAIX vertraut worden ist, sich an den Platonischen ner der Lachesis (im Er-Mythos) angeschlossen hat" (S. 94ff.). Das ist im ganzen zu hypothetisch. Richtig ist sicher, daß der Ring irgend etwas mit Ananke zu tun hat. Dafür spricht auch, daß der einen Ring in der Linken haltende Gott, von dem gesagt wird XIX't"EX6lV'x6xAIX, eine gewisse Erltspre,­

chung hat in dem ~Xwv ~v "TI ~€~,~ T~V 'Av&yx~v (PGM Ir 12, 64). Das Symbol· der Ananke ist, wie Gundel (Ananke S. 96) nach Audollent feststellt, "ein

32 Vgl. PGM II 7. 648 1<0:'1" &vayxo:.;· (Zauberworte) 0 eTd '1'1j.; &V&YX'l)1; '1'e'1'O:Yfllv0~

(Zauberworte). Vielleicht sollte auch hier mit Großschreibung' Avayx'l)~ stehen. xO:'1" &v&yxo:.; heißt "bei Zwangszaubereien (anzuwenden)". Auf jeden Fall wird . die enge Verbindung zwischen dem Zwangszauber als solchem und der Zauber­gottheit Ananke deutlich.

Die Seele in der Feuel des Kdrpers: Proklos

großes Theta, das Symbol des X6XAO<;; , Av&yx'lJ<;;, des Todes". Der einen Ring in der Hand haltende Gott oder Dämon hat damit, so ist vielleicht zu deuten, so große magische Gewalt, daß er sogar über den Tod Macht hat. Dazu würde das Prädikat U'ITO -rf)v y~v &VIXVZ&~6lV gut passen. Wenn überhaupt die magische Seite der Ananke" von ägyptischen Anschauungen stark durchsetzt" ist, wie GundeI (Ananke S. 96) zu Recht bemerkt, so bietet sich hier ein Vergleich an: der das Symbol des Todes in der Hand haltende Dämon Seth hat vielleicht sein Gegenstück in den zahllosen ägyptischen Darstellungen von Göttern,

Königen und Würdenträgern, die das Zeichen für Leben (r) in der Hand

halten.

Über "Rad und Ring als Symbol der Unterwelt" gibt es jetzt eine Abhand­lung von lvlargarete Riemschneider im Jahrbuch für Symbolforschung Bd. 3 (1960) 46-6). Das dort vorgelegte Material ergibt aber nichts für die hier intcressierende Frage.

3. Die Seele in der Fessel des Kiirpers

"Tränenlosen Augs bestatteten sie ihre Toten, da ja diese den Fesseln des irdischen Lebens entkommen. Heimwärts ging ihre Seele, woher sie gekom­men, im Kreislauf wieder zum Ausgangspunkt." So schreibt der späte Nonnos .zum Bestattungsritus der Inder (37, 3 ff.). Diese ß~ou ßPO'TEOU YIX~~~a Becrp.& sind ein Thema, das seit Platon bis hin zur Spätantike immer wieder im Mittel­punkt des Interesses gestanden hat. Eng verbunden mit diesem Thema ist der Begriff der Erlösung. Erlösung im Sinne der antiken Mystcrienkulte, aber auch des Platonismus und der platonisierenden Kirchenväter ist immer zu­nächst Lösung von den Fesseln der Körperlichkeit, deren Not, Begierde und Sündhaftigkeit. Bevor daher die Erlösung und im engeren Sinn die Erlösung von der Ananke in den Blick gefaßt werden kann, ist als Voraussetzung der Vorstellung von der Leibesfessel nachzugehen.

Der Hymnus des Proklos auf Hellos (Procll Hymni 1, )of.; ed. E. Vogt) enthält eine merkwürdige Formulierung. Feindliche Dämonen, so heißt es, stellen den Seelen nach

O'fip' IXtZt XIX't"O: AlXhfllX ßapucrp.lXpayou ß~6'TOW

crWP.IX'1'O<;; o'TAz66lcr~v tmo ~uy6oe:crp.a 'ITe:crOUcrIXt,

U~t'Te:vou oE: Aa&mV'TO 7tIX'TPO<;; 7tOAU<pe:YYEOC;: WjA~c;:.

Der Körper ist nach diesem Bild für die Seele die Jochfessel, in die sie wie ein Zugtier gebunden wird. Diese Metapher kommt nicht von ungefähr. Es

10 Schreckenberg

Page 77: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Magie und Erlösung

zeigte sich ja, daß ~uyoöecr[Lot:; und ~euYA'YJ eine genaue Paraphrase der Kern­

bedeutung von Ananke sind. Pro klos meint dasselbe, was die Vita Plotini des

Porphyrios c. 22 als öecr[Lbt:; &.v&YX"f)t:; &.vöp0[Lz.,)t:; und Pseudo-Jamblich de my­

steriis 8, 7 als öecr[Lot &'Au"t'm &vayx'YJt:; bezeichnen, d. h. die Forn der Seele im

Joch des Leibes und der Materie. Eine weitere Erklärung gibt der Kommen­

tar des Proklos zu Platons Staat (Il 2 j 8 Kroll) ... ~"" ~~ü) aü)[L&~ü)v .pUX"" ouös "t'IX'i:t:; crW[LIX't"~xcdt:; &v&yxIX~C; Xa'Te:~A'YJ[L[L~VIX~. Die crü.)[La'T~x-at &\layxcu sind

nicht verschieden von den crw[La'Tot:; ~uy6öecr[L1X des Hymnus auf Helios. Der

gleiche Kommentar beschäftigt sich II 280f. mit dem Vergessen der im All

geschauten Vorgänge, das die Seelen befällt, wenn sie einmal eingekörpert

worden sind: 'Tb\l 7tIXXÜV 'TOU'TO\l ne:p~'t"e~Xtcrcl[Le\lm öecr[L6\1. Der Körper ist da

wie eine dicke, das Schauen der Seele hindernde Kerkermauer. Des Menschen

Sinnen zielt darauf, sich davon zu befreien, sein Streben geht noch zu seinen

Lebzeiten durch Gebet zu den Göttern und Xo;,u'IXp'T~x-at &pe:1'at nach &noAuO"L<;

"t'W\I UAIXrWV öZO"[LWV (in Tim. 27 c, p. 222 D.).33 Das alles sind im Grunde

Platonische Gedanken. Platonische Vorstellungen vom Körper als Fessel der

Seele und der Unsterblichkeit des vernünftigen Seelenteils spiegeln auch die

von Proklos (in Tim. 30 B, p. 408 D.) angeführten Verse der oracula Chaldaica

\lOUV [LS\I EVt ~uxn, ~UX~v ö' EVL aW[LIX't"t &pyep

Ö~crIXt:; eyx-a'r~"f)xe nG(.'T'~p &vöpwv 'Te: ,u'ewv 'TZ.

Platoniker ist auch J amblich in diesem Punkte. Auch er hat - wie Proklos -

das Bild der eingekerkerten, arn Schauen gehinderten Seele (Prott. c. 13): T"1)V

~UX~\I ... öe öe[Lzv"f)\I e\l 'rip crw!J.a'r~ xat npoaX-ex-oAA"f)[LZV"f)V, &vayxa~o[Lzv"f)V öe

&anep Öt' dpY!J.oG öta 'rou"t'ou (mone'i:cr.&IX~ 'Ta ~v1'a. J amblich spricht an anderer

Stelle auch von der aÜ~eu~" ••. "po, ~o <1w[L" "~, .pUX~' (c. 8). Ganz damit übereinstimmend ist die Definition des Todes: ... ('t"~\1 ~UX~\I) hAUO[LZV)'j\l &a­ne:p EX- öecr!J.w\I ex- 'roG a@[LIX'rot:;. 1'OU'rO öe .&cl\lOC'rOt:; ovo[Lel~z't'OCt, Aumt:; XIXt xwptcr­

[Lo, <fuX~' ano aW[Loc"o, (c. 1). Nicht anders urteilt die unter dem Namen des J amb" lieh gehende Schrift de mysteriis. Es heißt dort "TI <j;UXTI ~7J '~[Le"tpq: 3ea[L

'Tb crw[La (5, z) und öeöz!J.e'&a ev 'Ti)} ocr't'pewöz~34 a@!J.an xat U7tb 't'~t:;

33 Unter Hinweis auf Jamblich bei Stobaios 2, 8, 43 p. 173, 10 W. und de 2,6- notiert Gundel (Ananke S. 90f.): ,.Als Wirkung der lvIaterie wird H"in1afm"ne mit den &.V&:yx.IZ~ ÜA'Y)~ oder den aecrfLot ÜA"f)~ gleichgestellt." 6AO'.:rO~ 3eafLo(, 3eafLot &.v&.Yl<IZ~ ü),:f]~ sind nur verschiedene, aber gleichbedeutende Bezeichnungen was die Seele nach ihrer Einkörperung fesselt. Erst der Tod löst die qJQaew~ xe:,po."'l' fLf\llZ aea[L&:, wie der sogenannte orphische Hymnus auf Thanatos besagt (Nt. Quandt p. 5]). qJoae()}~ 3ecrfLtX. ist wiederum die denkbar beste und genaueste schreibung für &.\ltX.YKf] qJoaewc;.

34 Das ist eine Reminiszenz an Platons Phaidros 250 c.

Die Seele in der Fessel des Kiirpers: Plotin I41

xa'C'e:x6p..e:il·IX (5, 15)· Es sind also die Fesseln der Materie, welche die Seele gefangen halten.

Auch Plotins Standpunkt zum Seele-Körper-Verhältnis ist - wie nicht an­

ders zu erwarten - an Platon orientiert. Der Mensch ist durch die Fessel seines

Leibes gebunden, '~!J.e:(;c; !J.ev tmb 'rOU aW!J.a1'ot:; öeöep..z.&a (z, 9, 7). Damit ver­

knüpft nun Plotin in eigenartiger Weise die Lehre von der weltbindenden

Allseele. Die Allseele bindet alles körperliche Sein, das seinerseits wieder bin­

dende Kraft hat, ev yap 'C'TI 7taan ~uXTI ~ 't'ou crW[LIX't'Ot:; <pUCHt:; öeöz!J.ev)'j ~ö)'j l1u\löe(; 8 &.\1 nep~A&ß1l (2,9,7). Das Bindende ist also selbst wieder gebun­

den. Plotin vergleicht dann den Zusammenhalt (crucr1'acrtt:;) des Alls mit dem

des Einzelwesens: ex-e(; oro\l em.&e(; xZAzumxcrlX !J.e\lZl\l, e\l't'au&a öe wt:; tmex<peu­

yo\l"t'lX dt:; 't'~v 'C'&~w 't"~\1 eau'rw\I 8zöe'r(:t;l öea[Li)} öe:u'C'zp<.p° he(; öe oux gxet onou

<puY1l' Das zweite Band ist jeweils der Körper des Einzelwesens. Für das Welt­

all im ganzen genügt ein Band - es äußert sich in einem über die Oberfläche

hlnspielenden bloßen Befehl-, weil seine Bestandteile keinen Ort haben, wohin

sie fliehen könnten (z, 9 ,7). Das ist der Platonische und letztlich pythagore­

ische Gedanke, von der bindenden und zusammenhaltenden Kraft harmoni­schen Gleichgewichtes.35

Sehr bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang einige Äußerungen des

Flavius Josephus. Bell. z, 154f. berichtet er als Glauben der Essener 'Tat:; öe

~uxat:; &.&OCVel'C'out:; &d ö~ap..zvew, XIXt cru!J.7tAhecr.&a~ p..ev ex 1'OU Ae:7t't'o't'(hou <pOL't'WcrIXt:;

IX~&ZPOt:; &crn;ep dpx-'roc'i:t:; 'To'i:t:; crw[L(:t;crw tuyy[ 't'~v~ <pucrtxri xoc1'WJ7t6.)!J.zv-xt:;, enzt8&\1 8e

&veil·w.cr~ 't'W\I xa1'a cr&px-a 8 ea p..w v, oIoc ö~ !J.ocx-pat:; öouAe[lXt:; &7t)'jAAay!J.zvIXc; 't'o'C'z

Xa(pZt\l XIXt !J.e'rewpout:; <pzpecr&IXL. Das klingt mehr griechisch als jüdisch. Bell. 7,

343 ff. wird in der Rede, mit der Eleazar die in Masada belagerten Juden zum

Selbstmord auffordert, die gleiche Denkweise sichtbar: " ... daß das Leben,

nicht der Tod, für Menschen ein Unglück ist. Denn dieser gibt den Seelen

Freiheit ... solange sie aber in einen sterblichen Leib gebunden sind (ev crw­

f.l.a'r~ &v)'j.'Ti)} öeöe!J.zvIXL) ° .. sind sie, genau genommen, tot ... Immerhin ist

die Seele auch während der Zeit ihrer Fesselung an einen Körper (crw!J.C('t't

aU\l8eöe!J.z\I't)) zu Großem fähig." Wie Nonnos führt auch Josephos zu diesem

Thema die Inder an. 7, 3 '5 1 f. sagt Eleazar in der gleichen Rede ßM~wp..ev e~t:; 'Ivöouc; 'Tout:; crO<p[IXV aaxe!:\1 umcrxvoup..zvout:;. he(;vot 'Te yap ~v1'ec; &.vöpet:; &ya&ot 'TbV

f.I.€V 'TO\) ~~v Xp6\1o\l &cr7tep &\layxa(av 't'tva 't'ri <pucre~ Aet't"oupy(IXv &xoucr[WC; U7tO­

(.LE\lOUa~, O"7Czu8oum Ö€ 1'at:; ~uxat:; anoAucrat 't'W\I aw!J.&'t"wv X1'A. Leben heißt nach - dieser Ansicht der Physis fronert.

35 Zum Begriff der Einkörperung der Seele bei Plotin ist W. Stettner, Die Seelen­wanderung bei Griechen und Römern S. 70f. zu vergleichen.

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Magie und Er!b'sung

Phiion vertritt noch ausdrücklicher diesen - auch wo er sich im jüdischen Bereich findet - platonischen oder doch von Platon beeinflußten Standpunkt. An die Lehre von dem allein unsterblichen v.ernünftigen Seelenteil knüpft er in der Schrift quod deus sit immutabilis § 47 an. Von den Seelenkräften sei allein der vernünftige Teil (Ot&VOI.O::) unvergänglich, p.6v1)v yap au't'~v (, ye:\I\I~m/..<;

nC(:T~p eAe:U.&e:p~a<; ~~(cucre: xat 't'a 't'''I)o:; av&yx"f) e; ö e: cr!J.a &.~e:"t:Ov e:%o::cre:, indem er sie mit dem freien Willen beschenkte, die anderen Lebewesen dagegen xo::'t'a­

~e:uxiHv't'a xal EYXO::AWCU&e:v't'o:: 7tpO~ u7t1)pe:crb:,v av&pümm<; 7to::po::ö~öo't'a;~ &cr7te:p

otx~'t'O::~ 8e:cr7t6't'o::~e; X't'A. Mit aV&YXi'je; 8e:a!J.& ist dasselbe gemeint wie mit uAa'Lm

Se:a!J.o~, rpuaE:CUe; öe:a!J.&, &v&yxo::~ {)Ai'j~ u. ä., also die Fessel des Leibes und der Materie, die dem Geist und der Seele Zwang antun. Die Seele36 beziehungs­weise der Nus37 als der unvergängliche Seelenteil oder der Logos38 als Teil des göttlichen Logos steigt von oben herab in den Körper, der die Seele wie eine Fessel umschließt. Die Seele gerät damit in eine bestimmte Abhängigkeit von at 't'ou cruvS~'t'ou aW!J.a't'oe; av&yx'O::~ (de somn. 1,46. 110). Ganz auf die­ser Linie liegt die Vorstellung vom Körper als dem Grab der Seele: ... 't'e:&v"f)­

xu(o::e; 't'''I)~ ~ux"I)<; x0::1 w~ &v EV cr~!J.o::'t'~ 't'(}l crW!J.o::'t'L E\I't'e:"t'IJ!J.ße:u!J.e:V1)~,39 e:t öe anoiM­vm!J.e:v, 't'''I)e; ~UX~~ ~wcri'je; 't'ov tSwv ß(ov xo::l a7t'YjAAaY!J.€V"f)e; xo::xou xo::l ve:X,pou crUVÖ€­'t'ou 't'ou crw!J.o::'t'oe; (Leg. Alleg. 1, 108). Diese extreme Abwertung des Leibes mit xO::x'6~ und ve:xp6e; geht parallel mit einer rigorosen Umwertung des Lebens. Die Seele ist gleichsam tot während der Zeit der Inkarnation und lebt, sobald' sie nicht mehr an die Materie gefesselt ist.40

Ausgangspunkt all dieser Vorstellungen ist in erster Linie der Platonische Phaidon. Die Seele sei, so erklärt Sokrates (82 e), ö~aöe:8e!J.€vov EV 't'q) crW!J.o::'t'L

xO'.:l 7tPOcrXe:x'OMi'j!J.€Vi'jV, &vO'.:yxO'.:~o!J.€V1)V Se &crnep ÖLa e:tpy!J.OU ö~oc 't'ou't'ou crx,one:'La­

%al. 't'oc bv't'a. Der gleiche Gedanke der Schaubehinderung durch den Kerker

aa xc~:'t'LIXO"~ SV 8dhj 0" 6 [J.evlX~ O"W[J.lXat -Bvfj"coi.; (d ~UXIX() de somniis 1, 138. 37 srte~Mv &vw.&ev &rt' ovplXvoD XIX't'IXßrl.; 6 voD~ &vBe.&·{j 't'o::i~ O"w[J.o::'t'o.; &v&;yxo::~.;

X't'A. quis rer. div. heres § 274. Der Gegensatz O"&[J.O:: : \IOD.; findet sich zuerst - frei­lich in anderem Sinne - Soph. Fr. 854 N. e:t O"wtLa 30ÜAOV, &AA' 6 voD.; sAeüB-epo.;. VgL in diesem Zusammenhang auch Meyer S. 58f. und 71.

38 (6 Myo~) tp(AO'; yap xo::l yvwp~!J.o,; xal O"uv·~.&·fJ'; xat e:mipo.; 1jfLiv smw, sv Be 3€ fL evo.;, tLXXAOV Be 1)PtLoO"tLevo.; xo::l 1)VWtLevoo:; x6)),n 't'm <pDm::W'; &Aü't'cp xo::l &opa't'cp (de somniis 1,111).

39 Vgl. de somn. 1, 139 ... 8eO"(J.wT~ptoV (J.E:V xo::l 't'D(J.ßOV sxa),ecro::v 't'o acG[J.Cl.

dpx't'~ wird dafür gebraucht: Ci<peO"w xo::t sAeu-Beptav 't'ai.; [xe'nmv aUToD ~uX/Xi.;

PD~O::O:;, OU !J.6vov Aücr~v BeO"(J.wv xal ~~030v SX 't"'fjo:; 1t€pme<ppoup'Yj(J.sv'Y)O:; e:[px"t'fjo:; "O'P"crX'S~~ '110'; X,",A. quis rer. div. heres § 273.

40 De Josepho § 264 ... ~~O"e:'t'a~ '"'ov &d Xp6vov &y~pwo:; &.&/Xv&'t'cp <p60"e~, ~ux?i

xe't'~ 't'aio:; O"w[J./X't'oo:; &v&yxlXt.; &v 3e: 3e: (J.ev 11. Eine vermutlich christliche Interpola-' tion formuliert ... s1tav &ve't'o.; 't'oD 't'1j.; O"apxoo:; 3eO"(J.oD yevf)TlXt 1) ~ux~ (de virt.

Die Seele in der Fesse! des Kiirpers: Platon I49

des Leibes ist - wie sich oben zeigte - von Jamblich und Proklos aufge­griffen. Bei Platon selbst gehört wohl auch das Höhlengleichnis der Politeia (; '4 a ff.) in diesen Zusammenhang. Die Höhle ist ein ~.crfLü)"~POOV (; ,; b 7), und die Menschen darin sind gefesselt; erst die AucrL~ 't'e xo::t tacrLe; 't'ÜN 't'e: öecr­

!J.wv x,o::l 't''lJe; arppocruv'l)e; ermöglicht die Schau des Seienden (515 c 4ff.). Neben dem Phaidon kommt als Ausgangspunkt der Vorstellung von der

Leibesfessel der Timaios in Frage. Die Seele wird in den sterblichen Leib

eingebunden (43 a 5; 44 b 1). 73 bjc wird das präzisiert: ot yap 't'ou ß(ou Öe:cr!J.OL,

't''lj~ ~ux1jc; aW!J.o::"t'L cruv30u!J.€V1)':;;, EV 't'ou't'<{} öLaöoup.e:vm xo::'t'e:pp(~ouv 't'o .&v·fJ't'ov Y€Voe;'

"Die Bänder des Lebens, denn die Seele ist ja mit dem Körper durch Bänder gekoppelt (und so an den Körper gefesselt), sind in ihm (im Mark) zusammen­geknüpft und geben damit dem Menschengeschlecht festen Halt. H Im Mark, so heißt es 73 c weiter, werden durch Bindung die drei Seelengattungen be­festigt (ev o::u't'(}l XO::'t'e:Öe:L 't'a 't'wv t.);uxwv Y€Vi'j). Die Befestigungsweise wird sodann mit dem Verankern eines Schiffes verglichen (xO::&&7tep E~ &yx,up{;)v

ßO'.:AMj.Le:voe; EX 't'ou't'cuv n&cr"f)~ t.);ux'lj.:;; 3e:cr!J.oue; 73 d). 81 d werden schließlich Alter und Tod des Menschen physiologisch erklärt: 't'€AO':;; 3€, €7te:~ÖtXV 't'{}w nep~

1 .. \ !. CI! '" ~ \ 't'Uv !J.Ue:AOV 't'pLYCUVCUV m O'Uvap!J.0crv'e:\I't'e:e; !J."f)Xe:'t'L o::v't'e:xcucrw 0 zcr!J.o ~ 't'q) 7t6v<{} ÖLLcr-

't'e{!J.E:VOL, !J.E&Läow 't'oue; 't'''I).:;; t.);ux"l).:;; a\) öe:cr!J.ou,:;;, ~ 3~ Auil'e:'Lcro:: xo::'t'a ~UcrLV !J.e:&' ~30v"I)e; E~€n't'O'.:'t'o. Sterben ist danach Lösung der die Seele an das Mark: fes­selnden Bänder.41

Schließlich war offenbar die crwf'",-cr~f'",-Etymologie des Kratylos (400 c) ein ~nknüpfungspunkt für die Späteren. Daß sie orphisch ist, wie allgemein angenommen wird, steht nicht da;42 ein Blick auf den Text zeigt das deutlich. Als orphisch qualifiziert wird diese Deutung ebenfalls nicht durch den Bericht des Clemens !J.a;p't'up~oV't'O::L öe x,o::l oi 7tO::Ao::wl &e:OMYOL 't'e: xo::t p.&\rne:e;, W<; ÖLe{ 't'~vo::e;

41 Vgl. noch 85 e 6 ~AUO"e:V 't'a 't'1j.; ~ux1jo:; lX?mS'lttEv orov VEW'; ndO'(J.IX't'IX (J.e:.&1jxev 't'E sAm&~priv. Vor Platon hat offenbar Demokrit von Bändern der Seele gesprochen. In der Schrift über das Leben nach dem Tode beschäftigte er sich nach dem Zeugnis des Proklos mit dem Wiederaufleben eines Verstorbenen. In solchen Fällen habe nur eine Ohnmacht vorgelegen, bei der die Bänder der Seele noch am Mark fest­gewurzelt blieben (t'1j.; BE: ~ux1j.; o~ nEpt 't'ov [J.U€AOV g/-tevov g't'~ 3eO"/-tot xa't'e:pp~~w/-te:vo~ B 1; II 131, 1 D.). Beachtenswert ist im Zusammenhang damit die Erklärung der Seelenbänder, die von Diogenes Laertios 8, 31 (145°,22 D.) als pythagoreisch aus­gewies~n wird: 3e:0"(J.& 't'E e:!VIXL 't'1j.;; ~ux1j.;; 't'a.;; <pA~ßa.;; x!Xl 't'a<;; &P't'YJp[lX<;; :Ked 't'a ve:Dpa (B1a). Im antIken Judentum scheint es ähnliche Vorstellungen gegeben zu haben. Der Mi­drasch Tehil1im 11, 6 läßt das Leben des Menschen an dem Faden der Wirbelsäule hängen.

42 Das hat (nach Wilamowitz, GI. d. Hell.II2 197) mit Nachdruck Thomas (EIIE­KEINA S 51) gesagt.

I

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IJO Magie find ErlösNng

't'~!J.(Up(a~ cl ~l)XOC -r0 O'dlf.LIX:n (JuV€~euX:TIX~, xed xcdranep E\I cr&f.tGt.:'t"~ 't"oll'rC]) 't"e-D-oc7t't'a~

(Strom. 3, '7; Philolaos B 14) und die anderen bei Diels-Kranz (I 4'3, 14ff.) genannten Zeugnisse. Klar wird vielmehr, daß der Vergleich des crwfLC( mit

a~p.oc aus pythagoreischen Kreisen stammt. Von dort, vielleicht unmittelbar über seinen Lehrer Kratylos, wird ihn Platon übernommen haben.

Mit der Vorstellung von der im Körper und an den Körper gefesselten Seele mußte sich zwangsläufig die Forderung verbinden, diese Fesselung auf­zuheben oder doch einzuschränken. Platon beschäftigt sich im Phaidon mit den Möglichkeiten einer Lösung der Seele (82 e Ir.). Es sind vor allem die Sinne und Affekte, die die Seele an der richtigen Erkenntnis hindern. Die Sinneswahrnehmung ist voll von &n&'t7) (83 a 5), und die Affekte, etwa die ~OOVCI.( und AÜnCl,.~, zwingen entsprechend ihrer Heftigkeit die Seele, den jewei­ligen Beweggrund und Anlaß als absolute Wahrheit Zu nehmen (83 c 7). Sokrates fragt dann den Kebes (83 d 1) OUXOÜV SV 'tOU1'CP 1'(]) n&&z~ (sc. ~O'&-~VCI,.L

~ AUn7)&~VCI,.~) !J.&AuHa Xa1'Cl.azt:'tCl.~ ~ux.~ uno cr@!J.Cl.1'Os; und beantwortet die Frage sofort selbst: "Weil jede Lust und jeder Schmerz sozusagen mit einem Nagel die Seele an den Körper annagelt und befestigt und sie dem Körper angleicht, insofern sie das für wahr hält, von dem auch der Leib es meint." Die Affekte und Begierden also sind es, die die Seele binden (vgl. auch eyxCI,.-1'Cl.oe:~v 84 a 5). Sie sind damit gleichsam das Medium, über das hin der Körper die Seele affiziert und durch das er überhaupt als Fessel empfunden wird.

Das ist der Hintergrund, vor dem die entschiedene Abwertung der Affekte und Triebe verständlich wird, die für die Philosophie des Hellenismus mit ihrem Ideal der Ataraxie und Apathie kennzeichnend ist. Philon ist dafür ein gutes Beispiel. Gott wollte, so sagt er in der Schrift de exsecrationibus, daß der Mensch durch keinerlei Empfindung beeinträchtigt werden und leiden

sollte, x7)PCI.(VO'l/"t'CI. ne:p~ fL7)Oe:V n&&os (bv Cl.i 'tou crw!J.CI.'to s yzwwmv &v&yxCl.~

(§ '21). Durch die Empfindung werde der Geist in seinem geraden Wege gehemmt. Der in einem gesunden Körper wohnende Geist sei der Wohnsitz Gottes. Dies sei der gleiche Geist, der (§ 124) npo !J.~Xpou noAAr:J.~s !J.Zv ~OOVr:J.~s,

7tOAACI,.~s oe: sm&U[.L(a~s, 0upLats 0' &V&YXOC~s Xr:J.X~wv XCI,.t emi)'u!J.tWV u7tz~euy­

!J.~vos· 'tOU'rou 1'a Xr:J.xa 'r~s oouAe:~as crUVZ1'pL~eV Q &zos e:ls eAe:u&e:pLr:J.V s~a~pou­

!J.e:vos. Die 7t&&7) stehen also in engem Zusammenhang mit den cr@fLr:J.1'Os &vay­Xr:J.t und den &v&yxat Xr:J.XLWV xat sm&u!J.Lwv, unter deren Joch der Mensch ohne Gottes Hilfe steht. Das sind die körperlichen Triebe, die Triebe lasterhafter, sündhafter Begierde, die den Menschen wie eine Fessel binden. Sehr deutlich kommt das zum Ausdruck Leg. Alleg. 2, 57, wo Philon vom oe:cr!J.os 7ta&ous xoct cr")f'",",x~, &v&yx~, spricht oder in der gleicben Schrift 2, ,6 bei der Er,

Die Seele in der Fesse! des Körpers: Die Affekte III

klärung des Begriffes &vayxCI,.~o'l: 5'r~ xCl.'r~~eux1'CI.~ 'ro &vYJ'tov s~ &vayx'lJs 7ta&e:crt xat XCI,.x(CI,.ls. Ananke als "körperlicher Trieb" ist aus der klassischen Bedeutung der &v&YX7) tpucre:(J)s ohne weiteres verständlich. Das Bild der Fessel darf aber dabei keinesfalls übersehen werden. So steht Macc. 4, 3, 17 ouva1'os YGt:p Q

crWtppÜlV vous V~X~crCl,.L 'tGt:s 1'WV 7ta&wv &v&YXr:J. s xat crß~O'r:J.t 'tGt:s 1'WV ot(np(J)v tpAe:Y!J.OVGt:s XCl.t 'tGt:s 'rwv O'Ülfl.a1'ÜlV &AY'lJ06vas X'TA. Diese 7tCl.i),wv &vayxr:J.L sind ohne Zweifel völlig identisch mit dem oe:O'!J.os 7t&&ous Philons.

Der Trieb des Körpers ist zugleich auch das "BedürfnisH des Körpers. So ergibt sich ein gelegentliches Angrenzen dei' Ananke an x.pda. Das erläutei't ein Vergleich von Leg. Alleg. 2, 14 5'tav 0 voGs ... utpt~'t'a~ 7tpOC; 1'Gt: 7t&&ij xat

o~CI,.xCl.ih~&vll evotoous xat &y6!J.€vo s uno 'T~s O'ÜlfLCl.1'lX~s &v&YX'lJs mit der Diskussion 3, 151 tkp' 06v ~!J.iXs evo€oe!J.z,yous cr@(J.a'tt otov 1'€ O'Ül!J.Cl.1'~XCI,.~s &v&y­xa~s !J.~ x.p~cr&Ga; Xr:J.L nws e:Ve:O'1'LV; &AA' äpa. Q ~EpotpaV1'YJs 1'OV 1'P07tOV 7CapaYY~AAE1 't'(]) &yo!J.~vCP U7tO O'Ül!J.CI,.nX~s x.peLas Cl,.U1'(]) !J.6vcp x.p~cr&a~ 1'(]) &'Jr:J.YxCI,.~cp, Da­bei ist &ye:O'&CI,.t U7tO 't~s &v&yX:l)s - gewollte oder ungewollte - Reminiszenz an die alte Formel &ye1v &vayx1J.43 7ta&-1) und O'Ül!J.e<:1'LX~ &v&YX"1) stehen im ersten der angeführten Zeugnisse parallel und sind offenbar gleichbedeutend. Der zweite Beleg ist noch bemerkenswert durch die auffällige Entsprechung evoe:­O€O'.&r:J.~ [email protected]'~ '" cr(J)!J.OC1'lX~ &v&YX7), die einmal mehr beweist, daß Ananke als Bindung empfunden und gedeutet wurde. Die x.pda steht auch bei Plotin im Sinne der körperlichen Bedürfnisse. Er definiert die Penia als e:VOe:1C1.V XCI,.L O'1'z­

P7)O'LV (bv sv Xpd1f sO'(J.zv o~Gt: TI)v 5A7)V "h O'UVE~EUYfLe:i),CI. tpUcrlV 06cre<:v x.P7)O'(J.O­crUVlJV E!va~ (1, 8, 5). Diese Aussage ist von großem Nutzen für die Erklärung von -z, 3, 9, wo Plotin sich auf den Timaios bezieht: e:v 't'e TL!J.e<:(~ &eos fLev Q

7tOl~O'as 1"~v &px.~v 1'~C; o/uX~c; O(O(J)O'LV, ot oe: tpep6!J.e:vol .&ZOt -rGt: OEtVGt: xat &vCI,.y­xa~r:J. 7t&.&'lJ, .&u!J.ous xe<:t sm&ufl.~as XCI,.t ~oovGt:s xat AU7tas a6, XCI,.t ~UX~s &AAO e!oos, &tp' 00 'tGt: na.s1j!J.r:J.1'r:J. 1'CI,.u't'L Was sind &vayxa~CI,. 7t&&'lJ? Sind es "notwen­dige Leidenschaften", wie Harder versteht? Sicher nicht. &;vayxCI,.~os ist hier soviel wie "körperlich" und &vCl.yxr:J.~a na.&7) ist zu verstehen wie die O'(0!J.a't'~­

xat &v&yxa~ Philons. Nimmt man als Interpretament noch (von oben) den oe:O'fLos 7t&&ous hinzu, so ist das Gemeinte verständlich. &vCl.yxa~rX n&&'lJ sind die im Körperlichen verhafteten, die Seele fesselnden und hindernden Affekte und Triebe. Zu beachten ist auch, wie Plotin fortfährt: OO't'Ol YGt:p oi MyOl

O'uVO~OU0'1V ~!J.iXs 1'O~s &cr1'POLs 7tap' au1'wv ~ux.~v XO!J.~~OfL~vous xat U7tO-1'a1'1'OuO'1 1'TI &vocYX1J sV'tau&a t6V'tCl.s. Die Lehre Platons, daß von den Ge­stirnsgöttern die niederen Teile der menschlichen Seele stammen, bedeutet

43 Das &ysw des Menschen durch die Affekte ist auch sonst geläufig. Die Lexika notieren z. B. für Platon uno 't'C(Ü't'7)~ &y6flsIJOL 't'7j~ e;jl,J't(ao~ (Phaed. 68 a) &yecrita1 uno 't'wv ~8'ovwv (P:rot. 355 a) und 1t'o~ "~ im-&ufl~a hc%t"s(Jov &~eL (Rep. 359 c).

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IJ2 Magie und Erlösung

also, so will Platin sagen, daß eine auf Gemeinsamkeit beruhende wesenhafte Verbindung zwischen Mensch und Gestirnen besteht. Im Hinblick auf diese Bindung -- sie ist ein Ausgangspunkt des antiken Gestirnsfatalismus - wird dann ganz pointiert avayxi') genannt, der alle Menschen unterstellt sind, die zur Welt kommen. Ananke greift in gewisser Weise auf avayxoctet.: rca-&YJ zurück und bezeichnet den der Körperwelt innewohnenden, die Seele fesselnden Zwang der Natur (vgl. u').:f)v, TI aUIJE~EoY!J.E&a), der seiner Art nach nicht ver­schieden ist vom Zwang der Triebe und Affekte, den die Seelen von den Ge­

stirnsgättern mitbekommen haben. Daß bei solcher Sachlage die Abwertung der Affekte und des Körperlichen

auch eine Abwertung des Lehens überhaupt einschließt, ist nur natürlich. Das

Leben ist &)..oyo<;, vernunftlos und unsinnig, sagt Proklos (in Plat. remp. II 95,

7 Kroll), als er den Vorgang auf dem A~':}"I)<; 7te3(ov erläutert: EV h 1J.)..oyo<; ~w"~

O'u\l3e'i:'t'ot~ 'C'cä<; tl;uxot'i:<;. Es sind schließlich die Seelen der 1J.)..oyo~, die den Ort de~

Reinigung nicht finden, sondern TIept 't'6\1 &EpOC TIo't'iXa.&w, f1.EXpt<; &'11 d<; 1J.AAOC

O'W[Lot't'oc 7t&A~V EVÖe%WO'tv (Il 339, 17). Das Bild von der Fessel des Lebens zeigte

sich schon bei Nonnos, der von ß(ou ßPO't'EOU yott~~ot öeafLoc spricht (37, 4). Dazu

stellt sich auch die Bitte des Proklos im Hymnus an alle Götter (4, 10ff.)

(.L~ xpue:p~<; ye:VE.&A1)<; sv!. XOfLotcn TIeTI't'wxu'i:ocv

tl;ux~v oux E'&EAOUO'otV Ef1.~V ETIl. (1)pov &AiXa.&ot~

IIotv~ 't't<; xpu6e:0'0'ot ß (0 u ö e: a (.Lo 'i: 0'1 7teö~aTI X't'A.

wozu Vogt unter anderem auf die ~wiX<; UAOÖtOC('t'ou öea[.tot des Synesios (Hymnus

i, 731) verweist. Der Zwang des Lebens wurde auch mit dem Rad veran­

schaulicht, auf das bei der Folterung ein Delinquent gefesselt wurde. Beispiel

dafürist Simplikiosin Aristot. de caelo 284 at4(p. 377 Heilerg) : ... iv a<1)~voc, 3€ uno 't'ou ... (1)[.t10UPYOÜ .&e(;)v sv 't'(l) 't'~<; e[[.totp[.tEV"fJ<; xcd ye:vEae:wc; 'C'poxiil,

OOTIe:p &Mvoc't'ov &.TIaAA(J.y~va1 Xot't'~ 't'6V 'OptpECl [.t~ 't'ou<; &eou<; Exdvou<; tAe:wO'a­

!J.evov, or<; ETIE't'ot;e:V 0 Ze:u<; "XOXAOV &AAUaot1 xal &Vottl;u;OC1 xocx6't'"fJ't'0<;H 't'cX<; &v&pw7tf­

voc_ ~uXJ:_. "Orphisch" ist das aber nicht. Alles, was seit Empedokles (Fr. B 115) und Platons Jenseitsmythen über die Seelenwanderung gesagt wurde,

lief später unter diesem Sammelnamen. Empedokles stellte die Seelenwande­

rung unter den Spruch der Ananke, und Platon ließ - sicher nicht unbeeinflußt

davon - die Seelen vor der Einkörperung unter dem Thron der Ananke durch­

passieren (Politeia 621 a i) und sie s; &vayx'l)<; an ihren Bios gebunden sein

(617 e 2). Im Zusammenhang der Zeugnisse über den 't'poX6<; und den XOXAO<; 't'~<; yeveO'ewc;44 pflegt auch genannt zu werden, was Diogenes Laertios 8, 14 .

44 Sie sind zusammengestellt und beurteilt bei Vogt zu Procli Hymni 4. 12,

A. Dieterich, De hymnis Orphicis capita quinque S. 32 (und K1. Sehr. S. 93). Rohde,

CötterZlVang I!j

von Pythagoras sagt: TIPWTOV 't'E tpotO'1V 't'OÜTOV &7t'0tp~Vot~ 'T'~v tj;uX~v X 0 x A 0'11

&vocyx'I)<; &(.Ldßouaotv &AAo't'e C(AAm<; svöe:ra&at ~00~<;. Doch ist das wohl kaum

pythagoreisch, wie Diognes behauptet und man ihm allgemein glaubt; denn

vielmehr ist Platons Er-Mythos vorausgesetzt, der die Seelen durch den Thron

der Ananke passieren läßt - ein Akt, der symbolisch ihre Bindung an das Ge­

setz der Natur und an den Körper bezeichnet. Im Gegensatz zum XOXAOC;

&vocyx'l)<; mag das Bild der Fesselung der Seele in den Körper (svödO'&ot~ ~<jl01C;)

tatsächlich auf Pythagoras zurückgehen. Der XOXAOC;, von dem Diogenes hier

spricht, ist wohl eine durch Vorstellungen vom endlosen Kreislauf des Werdens

und Vergehens45 beeinflußte Umformung vom Folterrad des Lebens, an das

der Mensch im Augenblick der Geburt gefesselt wird. Das lag um so näher,

als der 'TpoX6<; semantisch kaum vom XOXAO<; verschieden ist,46 Diese Kon­

tamination von Rad und Kreis ist noch sichtbar bei Philon. Nach der Traum­

deutung wird J oseph der zweite Mann in Ägypten nach dem Pharao, eine

Position, die Phiion kritisiert und abwertet: ehCl XA010V xpuaoüv, &YX6v'I)V

EmtptXv~, XOXAOV xoct TPOXOV &vocyx"l)<; Che:Ae:U--r1j'TOU 7te:p~'t'(&e'TCl1. Da ist An­

anke vom "endlosen" Kyklos affiziert; der Aspekt der Fesselung scheint aber

noch durch (de somn. 2044).

4. GiitterZlvang

In gewissem Sinne ist alle Zauberei Theurgie, denn es ist die Regel, daß beim

magischen Akt ein Gott oder Dämon affiziert und zu einem bestimmten Tun

nach dem Willen des Zauberers veranlaßt wird. Das zeigt schon die Erwähnung

des Schadenszaubers bei Platon: &yup't'a~ und !J.a\l't'e:t<; bieten sich den Reichen

Psyche II 121f.;- Leisegang, Denkformen S. 83 Anm. 1; R. Eisler, Orphisch-Dio­nysische Mysteriengedanken in der christlichen Antike S. 86ff. Vgl. Thomas S. 131; Hopfner, Gr. äg. Off. I 80; R. Eisler, Weltenmantel II 559 und Gundel, Ananke S. 20. Der "orphische" Charakter der fraglichen Zeugnisse wird freilich nirgends bezweifelt. Doch ist die Lehre von der Seelenwanderung keine Erfindung der Or­phiker, sondern geht aus von Empedoldes, den Pythagoreern und Platon. "Eine orphische Seelenlehre soll erst einer nachweisen" hat Wilamowitz zu Recht gesagt (GI. d. H. II 191) und "wenn er (Empedoldes) nicht eine so stark individuelle Per­son gewesen wäre, würden seine Katharmen in die Orphika aufgegangen sein" (II 199). Das Abhängigkeitsverhältnis ist also umzukehren.

45 Vgl. etwa Aristoteles Probl. 916 a 27 ... yt\ieO'-&ot~ xcd rpildpeO'-&ot~; xlX&&1tep XUKAOV dvlX~ t'a &:viJ.pci>mvot und Phys. 223 b 24ff. rpcml yap XUKAOV e:!VlXt Ta &:v-&pci>mvlX 'Tt'p&yf1.C(t'IX, xcd t'wv flAAOOV t'wv xtV'l)OW ~X6Vt'oov qJU(HX~V xat YEveO'w xC(l tp-&op&v.

46 So heißt es bei Pindar Pyth. 4, 215 ~v O:At)t'(p ~eu~C(~cra XUXAtp vom Vogel ruy~, der beim Liebeszauber gefesselt wird.

-

Page 81: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

IJ4 Magie und Erlösung

an, für Geld ihren Feinden Schaden zuzufügen, und zwar €naywycI.Lt:; ''nOW xcd

xo:;'t"a3~0'!J-mc;, 'Too<; {h::ouC;, &c; 'tia<nv, 1tB~i}oV't"ec; (j<p~aw U7t"f)pe:'t"e:~v (Politeia 364 c).

Das ist genau das, was der Spätplatonismus i}e:c;,)v &.v&yxlX~ nennt. Die Götter

sollen durch gewisse Zitierungen und Bannsptüche (Bindemittel) willfährig gemacht werden. 7tEL&e:~v ist hier natürlich Ironie. Die Götter müssen der ma~ gisehen Ananke gehorchen, ob sie wollen oder nicht. Darum gilt das, was Pythagoras von Rhodos bei Porphyrios, den Eusebios praep. ev. 5, 8 zitiert, sagt: OUX ~30VTat ot xA·{)~6p.e\lo~ eTIt 'Ta!:c; i)'lja~cac; &eoL, &v&yxYJ 3z 't'v.n &XOAOU­iHac; O'U p 6 fLevo ~ 7tapocy(vovTa~.47 crupe:tV steht ebenso wie €AXetV der Ananke recht nahe, ist doch aupetv wie auch ~Axew bedeutungsmäßig von &YEL'J alJrl.yx"{}

nicht weit entfernt. 48 Porphyrios (bei Eusebios praep. ev. 5,7) führt in diesem

Zusammenhang einige Aussprüche von Göttern an, in denen von der Wirkung

der theurgischen Ananke gesprochen wird. ReImte redet den Theurgen an

~ea [L({l OUIJ xA~~~e' &e~1J yocp &yet r:; [Le 'Toa~lJ~e,

öcra1J ~uxwacu 7tOClJu7tzp'Ta'TolJ ~pXeaEIJ x6a(L<p,

ferner 'd7t'Te 0' aet .&dov't'or:; are' oct.&zpo.:; c10e xoc'd~cuv

%etoocX[Lotr:; 'Exa't'1J1J [LE %E~IJ ExaAEcraa.:; &lJayxatr:;'

und a/IA' ot (LZIJ xa&ureEp'&E (LET1jOPO~ oupalJ~CUIJEr:;

areEPX0(LElJm xoucpa~m (LE'&' rXpreu(a~a~ rpEponaL'

ptfLl'foc 8€ '&E~oOa[Lotcr~1J Ere1JfLüaoclJ't'E':; &lJayxat.:;

d.:; X&OIJ' EreELyO[LeVO~ ß.1Jw·COIJ &tcrcrouaL,

&1J1)'t'o'i:r:; EcrcrO(LEIJCUIJ ureocp~'TOpE':;.

Das homerische oafLoclJ &lJayx'{) ist noch greifbar. Die '&E~60OCfLOL &1J&.yxa~ ver­

gewaltigen sozusagen die Gottheit. Vom fesselnden Spruch des Theurgen ge-'

bunden unterliegt sie dem &YE~IJ und wird magisch herbeigezogen. Das Fesseln

steht auch in einem weiteren MytolJ an gleicher Stelle bei Eusebios. x'Aü&~ fLEU

OUX E-&tAOIJ't'Or:;, Ered fL' E7tEo'l)crar:; &lJayx"{} sagt die vom Theurgen zitierte

Gottheit. oux E-&€AELIJ paraphrasiert wie schon bei Homer die Ananke.49 In verschiedener Hinsicht aufschlußreich ist ein anderes Fragment aus der Schrift

47 Hierzu und für das Folgende ist Hopfner I 203ff. Zu vergleichen. 48 V gl. die charakteristische Verwendung oben S. 55: &yew 't'OIJ ÖV ... o1jactv 'Te

xed nioIXO'ftv, X& [l~v ßp6X4> xa&&tVIXI(; ~O'upev fttX[l&AW't'OV. Dem O'opeLv geht dabei das

Fesseln voraus. 40 Gegenüber &.v&yxYj ist das Denominativum &.\layx&~ew weitaus abstrakter und

hat längst den Zusammenhang mit der konkreten Fessel verloren, den Ananke bis in späteste Zeit bewahrt hat. Das zeigt z. B. PGM I 2, 54 xed VU\I tJ.OL ~A.l)E~V &.v&yxaO'ov tp(AO\l 3d[lo\la XPYjO'[l<po6v vom Zitieren eines Wahrsagedämons. "Herbei~ zitieren" bedeutet xa't'IXvayx&:~ew bei Clemens Alex. Protr. c. 4, p. 157 Migne, getadelt wird, daß die Magier die 3IX~tL0vec:; zu ihren Sklaven machen ('t'Oüc:; xa,""""X­wJ[levouc:;, 30UAOUC:; 't'ftrc:; €mxmaa~e:; nenmYjx6ne:;).

GtjtterZIJJ<lllg: PorphJ'rios Iff

des Porphyrios 1CE;p~ 't'~r:; ex 'Aoy(cuv qnAocrocptar:;, das bei J ohannes Philoponos de

opificio mundi 4, 20 (bei Hopfner 1209) erhalten ist. Es geht auf die schwierige

Lage der Götter ein, die von wenig sachkundigen Theurgen zitiert und zu

ihnen nicht möglichen Aussagen gezwungen werden: reapoc yocp 't'~v &t-ta%tav 't'WV

xa'Aouv't'cuv tp1)a~ ßLa~ofLe:vo~ ure' au't'wv ot -&Eot reocpa. lJo'i:pocv o~a. 'T~V ßlav 't'wv Erea­

vayxcuv &xov't'e~ A~ye:~1J 't'L 't'wv ~yv01JfLtvcuv au"ro'i:r:; cruve:AauvonOCt x&vt'eü-&ev

~Eu3~ 'Tel. (Lane:'La y(veO'&a~. 7tOAAaX~~ oe xat IXU'TO 't'OIJ"t'o repoAtyoumv, ~"t'~ ~eucrov't'at·

dreev youv 0 ' AreoAAcuv reo't'e 't'~r:; reept(j''t'rXcrecu~ 'TOU ree:p~zxov"t'oe:; reov1Jpa~ oücr"t)~ ...

el7tE'LV "t'~ ßLa~0t-tevol(; ... "Aue ß(1)V xap"t'or:; "t'E 'Aoycuv, ~eu3ljYopoc M~cu."

... ~ 't'e 'ExaTI) XAIj%e:'Lcra €V 'Tmaü"t'7) xa't'acr't'acrE~ 'TOÜ ree:ptExov't'6~ rp1Jmv' "OU

'AaA€;cu, x/.e:taü) Se ... " xal rea'A~v tpljcrt "nvwv e:~reov"t'ü)v, et xat aU't'ol o~ &eot ure 0

't'~v dfLapt-ttv'I)V dcrlv, (ht tpu'Aa"t''t'ona~ 't'au't'IX, Ere~YIXye' ,,'Au~cr&cu I'füaeü}r:;

oeO'(LrX, tva ao'i:cr~ (sc. oEafLo'i:crt) rel%ü}fLoc~." Die &t-ta-&toc hindert also die

richtige Theurgie. Deshalb nennt sich Adam im großen Pariser Zauberpapy­

rus einen crocpo~ '&da.:; &vayxljr:;.fiO Hier zielt aber die &f-U<%(a nicht auf den Zauber­

spruch selbst, sondern auf den Zweck der Beschwörung. Der Theurg muß

wissen, daß der Gott nicht reapoc fL0'Lpav aussagen kann. Moita ist da soviel wie

Heimarmene, die ihrerseits wieder den cpücre:cur:; 3e:0'(La gleichgesetzt wird. Wenn

der Theurg zunächst einmal dtese oe:O'fLa beseitigt, versetzt er die Gottheit da­

mit in die Lage, den oecr[La, d. h. der bindenden Beschwörung des Theurgen, zu

willfahren. Der Fesselcharakter der Zauberworte wird vor allem in 'Aüe ß(Ij'l

xap"t'or:; 'Te: 'Aoycuv sichtbar. Die Myot sind die bindenden E7tavayxm (vgl. ß(av

't'wv Enavayxü)v "" ßlIjV ... A6ycu'J). Porphyrios bei Eusebios praep. ev. 5, 8

sagt, daß die Götter sogar selbst den Menschen die zmbayxot mitteilen, mit

denen si~ beschworen werden können: xat Ereav&yxour:; e:au't'wv EXOtaDamv,

wr:; 3ljAwcret 0 &7tO 't'ou 'AreoAAcuvor:; Ex30ihdr:; reept e:ocu't'oü €reavayxor:;. AEye:"t'a~ OZ oi.l-rcu,:;· o{)vofL' &vocyxahl~ 't'60e: xap't'e:po'J ~a' g't'~ ßpt&ü. Der €7tavayxor:; (Myar:;)

oder das ouvot-t' &vayxat'l)r:; ist die unlösbar bindende Zwingforme1,51 die in der

50 PGM I 4, 74 np6crexe ... p1j[la 'TOU aocpou -&do::c:; &V&.YKI)C:; Xftt npocraE:~IXL [lou 'toue:; A6youc:; X'TA., was Preisendanz nicht richtig wiedergibt mit "achte ... auf das Wort des Mysten der göttlichen Notwendigkeit", denn O'otpo~ .&da.:; aV&:YKI)C:; soll doch wohl heißen: er beherrscht die Technik, einen Gott zu zitieren, er ist Experte in der -&ewv aV&:YKI), im Götterzwang; das theurgische Wissen besteht dabei wesentlich in der Kenntnis des Geheimnamens der Gottheit. Nonnos (13, 465 ff.) bestätigt diese Bedeutung von crotp6e:; im Bereich der Magie. Ein Priester des Zeus bannt den Ty­phon: 0''T'fj-&~ "&Aav .. ' appo::ye:oc:; fl,O&OLO 0'0 tp(j} O''t'Y]p~~e't'o ae;O'[l~ X't'A. Die Kenntnis des richtigen Zauberspruchs ermöglicht die magisch fixierende Fesselung.

51 Ein Zwingmittel, das unlösbar bindet, ist zugleich auch unfehlbar. So erklärt sich PGM I 1, 223 a[lCtopwcrtc:; &.vayxo::[a als "unfehlbarer Schadenszauber" . Preisen­danz deutet unrichtig "unfehlbares Mittel, unsichtbar zu werden".

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Magie und Erliisung

Regel aus der geheimen Bezeichnung des Gottes besteht. \XTer den Namen

weiß, hat auch die Macht über den Gott und kann ihn zitieren und ihm be­

fehlen.52 So versteht sich PGM II 13, 752 ertocvayxl}l 8'E:: xp~crn 'C0 [J.€yaAt:p ov6[J.oc'C~. Die Formel, die den Gott herbeiführt, heißt auch .&€ocywyo~ A6yo~, denn die &vaYKf) wird im &y€w wirksam. Die Entlassung eines Gottes nach erfolg­

reicher Zitierung heißt bezeichnenderweise OC1t'6Aum~. auch AU€~V und oc1t'o/\U€W wird dafür gesagt.53 Dem -3'€ocywyo~ A6yo~ gemäß ist im Brief des Por­

phyrios an Anebo c. 29 (Pseudo-Jamblich cle myst., Parthey p. XXXVIII) der Ausdruck .&€C<.ywy[o:~. Diese .&€C<.YÜlY(C<.~ sind nichts anderes als o:t A€y6-

[J.€VC<.L '&€Üw ocvayxo:~ (p. XXXI). Die Schrift de mysteriis befaßt sich näher

damit (1, 14): h~ 'COlVUV C<.t A€y6[J.€VC<.L .&€WV ocv&yxo:t 'C'o OAOV 'C'ou't'o .&€WV t8'tC<.t &vayxC<.t x0:1 w~ €1t't '&€NV y(yvov't'at. Der Verfasser dieser Schrift meint also, der sogenannte Götterzwang - die Ausdrucksweise zeigt, daß die Sache bekannt

und geläufig war - sei seiner ganzen Art nach ein Zwang, der dem Bereich der Götter zugeordnet sei und nicht in menschlicher Machtvollkommenheit

liege. Die Begründung wird beigegeben: &X~A1J'C'OV xcd OC1t'C(;.&E::~ x0:1 &ß(acrrov cru[J.ßCdV€L r::!vat 'Co .&€'i:ov. Die Götter sind danach also durch menschliche Mittel nicht affizierbar. Auch 3, 18 wird der Ansicht widersprochen o't't 8't' '~[J.ffiv

eAx6fL€vO~ ocvayxaL~ 't'oc'i:~ -ITj~ XA~cr€Ül~ 't'au'C'a €m'C€A€'i:. XP€('t''C'ÜlV yap &vayxYjC; €cr'C'tv 6 .&€O~ •.• OUX gcr'Ct 8'OUA€U€tV ou8'€fLtC? OCAAOCX6.&€v €1t'€tmoucrTI &v&yxTI' Doch gilt das nur für die Götter und höheren Dämonenklassen. Erreichbar für den Menschen sind die niedrigsten Dämonenklassen, die Stoffdämonen,

Heroen und Seelen. Die &€WV &V&YXO::L werden auch als solche nicht schlechthin abgelehnt, sondern nur eingeschränkt. Nicht Götter und Dämonen sollen

dadurch affiziert, sondern die Menschen für die' Einwirkung von den Göttern her bereit gemacht werden. 54 Diese Ethisierung der Theurgie scheint sich nicht

52 Vgl. Hopfner 1204: "Denn der Magus wird durch die Gnosis und excpoov"t]cnc; der ov6jJ.oc't'oc und A6YOL tatsächlich der Herr der höheren Wesen."

Dem ot)\lojJ.' &vocyx.cdY)c; entspricht im Lateinischen das nomen necessitatis; vgl. bei Audollent 250 A 29; 251 II 1; 288 B 17.

53 Diese Formulierungen stehen verschiedentlich im Großen Pariser Zauber­papyrus. Dazu Hopfner I 102. 1°5. 247.

Sowohl Bindung wie Lösung werden durch das Wort des Theurgen bewirkt. Vergleichbar ist die Bindung durch die Worte des öpxo~, worauf in dem Abschnitt, der sich mit Empedokles befaßt, eingegangen wurde. Auch der öpxo~ ist in gewis­sem Sinne eine Fessel, die zu einem bestimmten Tun oder Lassen zwingt. Es liegen. da sicher alte magische Vorstellungen zugrunde. Ein äußeres Bindeglied zwischen öpxo~ und magischer Beschwörung ist deren übliche Einleitungsformel &:1;opx(~w (je X'rA. V gl. auch Hirzel, Der Eid S. 52 Anm. 1.

6<1 Vgl. Hopfner 1207 Zu de myst. 1, 12: "Daher sind die OV6jJ.Cl'rOC und (jOjJ.ßOAOC,.

--- - - ---- --------

Erliistmg alls der Ananke: Porphyrios 157

durchgesetzt zu haben. Für die Theurgen, Magier und Theosophen des euro­

päischen Mittelalters bis zu Agrippa von Nettesheim und darüber hinaus leben die ihNV &v&yxo:t in der Form der vincula weiter, mit denen man sich Geister, Natur und Schicksal unterwerfen zu können glaubte.55

5. Er/äsung aus der Ananke

Eines der großartigsten Zeugnisse nichtchristlicher Erlösungssehnsucht in der

Antike ist mit einem Stück hexametrischer Dichtung gegeben, das Porphyrios in seiner Vita Plotini mitteilt (c. 22). Nach dem Tode Plotins wendet sich sein

Schüler Amelios an ApolIon und bittet um Auskunft 1t'OU ~ llAÜl1'LVOU tVUx~

X€X6lP1JXEV. Und ApolIon gibt - erstaunlich genug - eine präzise Antwort, wo­bei er die Seele Plotins anredet (22, 23): "Daimon, Mensch zuvor, doch jetzt

auf dem Wege zum göttlicheren Leben eines Daimons, seit du die Fessel menschlicher Ananke löstest und aus der Leibesglieder wirrem Schwall mit

kraftvollem Schwung des Geistes zügig zum Gestade seiner weitbepülten Küste schwammst, um fern vom Haufen der Frevler der reinen Seele schön­

gebogenen Pfad zu gehen, wo Gottes Leuchten rings erstrahlt, wo die ewigen Satzungen weilen im Reinen fern von ruchlosem Frevel." Die J enseitsschilde­

rung geht detailliert weiter und 22, 45 heißt es vuv 8" 01'€ 8'~ crx1jvo~ fLE::V eAücrao, G1j[J.O:: 3' E:A€LtVo::c;Nux1j~ 8'a~(Lov[1JC; X'C'A. Damit wird 0 .. ' eAUGO::o 8'€CY(J.ov &vayxYj~ &v8'po(J.~1JC; (22, 24) wieder aufgenommen. Das ist der Satz, der hier am

meisten interessiert. Lösung und Erlösung von der Ananke (oder Heimarmene) ist ein Generalthema nicht nur des späten Platonismus, sondern auch der

Gnosis und der verschiedensten Erlösungsreligionen dieser Zeit. 8'€cr(J.o~

&vayxlJ~ &V8'POP.E1J~ ist genau das, was als crÜl(J.C<.'CO~ ~uy68'€cr(J.a, crÜl(J.a'C'tX~ &vci.yxYj, &vayxO::L ÖA1JC;, 8'€(J(J.o~ ÖA'ljC;, uAa'i:oL 8'EG[J.OL, GO::PXOC; 3€(j[J.6c; usw. bereits sichtbar

wurde: Es kann nun hier nicht über einzelne Erlösungsreligionen gehandelt werden.

Es soll vielmehr jetzt darum gehen, an Hand einer Reihe von Zeugnissen im Hinblick auf Ananke bestimmte sprachliche Gesichtspunkte weiter zu ver­

folgen, die für den antiken Erlösungsbegriff von Bedeutung sind. Erlösung ist immer zunächst Lösung von den Fesseln des irdischen, im engeren Sinne des

die in diesen X.A~(j€~<:; genannt werden, nicht etwa Zwangsmittel, welche die Götter und Dämonen Zu uns herabziehen (XlX't"&YWYOC), sondern im Gegenteil Mittel, die uns zu ihnen emporheben (&\I&ywya)."

55 Dazu W. Mannhart, Zauberglaube und Geheimwissen. Berlin 1920 S. 52. 67. 112ff. und sonst.

Page 83: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Magie tt11d Erlösung

leiblichen Lebens. Sie kann grundsätzlich in zwei verschiedenen Weisen er­folgen, schon zu Lebzeiten des Menschen in der Form zeitweiliger Ent­rückung und Schau durch Theurgie und Ekstase oder endgültig mit seinem Tode. Unabdingbare Voraussetzung jeder Erlösung aber ist das, was die Schrift de mysteriis 8, 7 feststellt: "Es ist also durchaus nicht alles in uns durch die unlösbaren Fesseln der Ananke, die wir Heimarmene nennen, gebunden

(th:cr0ot:e; &M'ro~e; &v&yxlje; ~v d!J.o:.p!J.E:vljv Xo:.AOU!J.ZV Zvotoz't'o:.~ 7tav't'o:.). Denn unsere Seele hat ja in sich ein Prinzip, das ihr die Möglichkeit gibt, in den Be­reich des Intelligiblen überzugehen, sich zu lösen vom Bereich des Werdens und sich zu verbinden mit dem Seienden und dem Göttlichen." Heimarmene ist hier - wie im Spätplatonismus überhaupt - sprachliches Zeichen der Physis, der Materie. Damit ist aber auch die Bedeutung von Ananke festgelegt, denn Heimarmene ist nur ein anderer Name von ihr. Was in uns nicht durch die unlösbaren Fesseln der Ananke gebunden sei, so heißt es in der gleichen Schrift (10, 5), sei der Zur Schau befähigte intelligible Teil der Seele, der vor der Inkarnation mit der Schau der Götter eins gewesen sei. Erst bei der Ein­körperung verbinde sich diese Seele mit einer zweiten, die der materiellen menschlichen Erscheinungsform angepaßt und deshalb dem bindenden Gesetz der Ananke und Heimarmene unterworfen sei: 0~Ct; 't'OU't"o ev 't'(:) 't'~e; &v&yxlje;

xo:.t d!J.o:.pp,E:vlje; eytvz't'o ozap'4)' crx.01tdv o~ ozt: 't'~e; o:.u't'ou y(vz't'O'.~ Mme; xo:.t

&7to:.XAO'.y~ 't'GJv ozcrp,wv' fcr't't 't'o~vuv oux &.AA'YJ 't'te; ~ 't'WV &ZWV yvGJme; (10, 5). Vom fesselnden Zwang der Natur und der Materie befreit also nur die ikGJv yvGJcne;,

d.h. reine Erkenntnis, die der schauende Theurg während der fXO'To:.me; ge­winnt. 56 Im Protrepticus des Jamblich (c. 13) steht es etwas anders. Danach <po:.(vz't'o:.~ ~p,t:v <p~AOcrO<p(o:. &1to:.AAo:.y~V 't'GJv &v&pwnfvwv ozcrp,wv 1to:.p8XZW xo:.t

AOcr~V YZ'.l8azWe;. Das hat seine tiefste Wurzel im Phaidon Platons: die <p~Aoao<p(o:. diagnostiziert die Fesselung der Seele an den Leib und versucht, sie davon zu erlösen (Mzw, Mcr~c; 82 e-84 a). Für Jamblich ist Philosophie freilich längst etwas anderes als für Platon, doch ist immerhin eine bestimmte Gemein~ samkeit in der Sehweise der Erlösung gegeben. Es ist natürlich bei Jamblich bzw. Pseudo-Jamblich die <ptAOcrO<p(o:. nicht der &zwv Y'.Iwme; entgegengestellt, sondern beide ergänzen sich. Die rp~AOcrO<p(o:. ist eine Art Vorstufe, Mittel, das zur yvwcrt.; führt, die ihrerseits erst von den Fesseln der materiellen Natur be­freit. So ist de myst. 5, 18 zu verstehen: "Wer nur in Übereinstimmung der Vernunft (voue;) und dem Leben der Vernunft lebt und frei ist von den Naturfesseln ('t'GJv os 't'~.; rpocrz(o)e; ozcr!J.W'.l &7tOAU&8V't'Z';), der praktiziert aus-'

66 V gL Hopfner II 55, Der Satz "Die Grundidee des Gnosticismus ist die Lehre von der dtLaptLelJ'~ und die Befreiung von ihr" ist nicht unberechtigt.

Erlb'mng aus der Ananke: Jamblich "J9

schließlich und in allen Zweigen der Theurgie ein vernunftgemäßes (vozp6e;)

und immaterielles Ritual." Es ist der alte, bereits bei Platon ausgeprägte Gegensatz von voue; und &'.I&:YXIj, der hier weiterlebt. Er ist auch de myst. 8, 7 in der Bitte an die Götter noch greifbar: {)7tWe; &v p,6vm 3~a 7tZt.&oue; voepac; T~e;

&v&yxlje; &'pxov't'ze; 't'c~ &7tO 't"~c; d[J-o:.pp,8VIje; &noxd[J-zvo:. xo:.xa &7tOA,)oumv. Zu sehen ist, wie "Philosophie" für Jamblich bzw. den Verfasser der Schrift de mysteriis nicht viel mehr als nur noch die Dienerin der Theurgie ist.fi7 Aber auch die Götter, vor allem die Gestirnsgötter, wirken an der Erlösung des Menschen mit. Hier hat der platonische Timaios weitergewirkt (42-43), nach dem es der Demiurg den Gestirns- und Planetengöttern überläßt, den von ihm selbst stammenden unsterblichen Seelenteil des Menschen mit dem Körper und dem sterblichen Teil der Seele zu verbinden. So läßt schon der Stoiker Chairemon58

die Planetengötter als Herren der Ananke über die Möglichkeit verfügen, die Heimarmene zu lösen. Er nennt sie AU't'~pZe; 't'~.; z~p,o:.pp,E:v·fJ';. Der Brief des Porphyrios an Anebo (c. 38: Parthey de myst. p. XLII) gibt das als Glauben der Ägypter aus, (1v ot 7tAZ(OUe; xed 't'o erp' ·~p,t:v ex 't'~e; 't'wv &cr't"tpwv &v~~o:.v X~'.I~­crzwe;, oux ot3' Ö1tw,; ozO"p,o'i:e; &AO-rO~e; &'.1 ayxlj e; , ~v dp,o:.pp,E:vYjv AtyoUert,

7t&:'.I't'o:. 't'o')'t'me; &'.I&~IXV't'Ze; 't'ot:e; &zot:e;, 00e; we; AU't'~ po:.e; 't'~e; dp,o:.pp,E:vIje; p,6vou.;

... &zpo:.1tz,)oum. Die Frage mußte natürlich gestellt werden, wie die Planeten­götter zugleich Herren der Materie und des Schicksalszwanges sein und auch von eben diesen Fesseln befreien konnten.59 Aber die "kreisenden Götter" haben ja nicht absolute Gewalt, sondern sind nur Zwischenstufe zwischen dem Menschen und der intelligiblen Welt. Mit seinem unsterblichen und nicht den Gesetzen der materiellen Natur unterliegenden Seelenteil hat der Mensch die Macht, die kreisenden Planetengötter samt der ihnen zugeordneten Ananke oder Heimarmene zu beeinflussen. Dabei spielt auch das Gebet eine Rolle, das, wie Plotin deutete, sympathetisch nach oben wirkt. 60

Neben den Gestirnsgöttern 'sind, nach der Lehre des Spätplatonismus, wie sie in der Schrift de mysteriis ans Licht tritt, vor allem Dämonen für die Bin­dung der Seele in den Körper maßgebend. Jede Seele hat - eine Vorstellung,

57 Daß letztlich alles auf Magie und Theurgie ankommt, sagt ausdrücklich Por­phyrios bei Buscb. praep. ev. 6, 4. ~ tLayda I1:v -r0 Aüe~v -ra -rrj.:; dtLIXp{LelJ''l':; TIapa ~q.e:wv 11:&6&'1) d.:; TO OTIocroüv -rao-r'I)v napa't'peTIE;w. Doch fehlt es nicht an Gegenstimmen; Zosimos (bei Hopfner II 55) sagt 00 &d -rov nveu{LO'.:'TLXOV &v&pO)TIOV -rov I1:myv6na SIX\)­-rov oihe: a~a [1.IXyda.:; xa-rop,f)'oüv n, Mv xal xaAöv VO[1.(~'lJ-rlXt [1.~'t"e ß~&~e:cr-&IXt 'T~V 'Av&yx'I)V, &"A"A' l1:&v, 00<:; gXr:::t (j)ocrew<:; xal xp(crew.;.

oS Bei Eusebios praep. ev. 3,4; vgl. Hopfner II 55. 69 De myst. 8, 8 'T( OQV; ot6V'Te I1:cr'n a~a 't'W'.l 7t0"All:u6v-rwv .(le:wv Mew kau-r6v, xal -rau<:;

(Xu-rou<:;~ydcr'&a~ (LOW'lye-rw; xal aecr[1.0r~ ti"AO'Tot<; 't'ou<:; ß(O\)<; ae:crtLe:uov't"a~; ßU 4, 26. 41. VgL Gundel, Ananke S. 92.

Aß:;;;;; ;;;w: -

Page 84: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Magie und Erlb'sung

die von Platons Politeia 620 d 8 ausgeht - als steten Begleiter ihren Eigen­

dämon, oe; XIXt e:te; 1'0 crwtLa xlX'noucrlXv rL,j'T~\l O'u\!3e:~ npoe; '[;0 crWP.IX (9,6). Dafür

bietet 2, 1 nur eine andere Formulierung: 3UV&P.E~C; 'Te: 1'o~e; p.€:v 3lXlp.om yov(p.oue;,

E:mO"'t'rL'Tl.x&e; 'Te: 'T'lje; CPUO'E(uC; xal 'TaU O'uv3eO'p.ou 'TWV o/UXwv de; 't'oc crWP.IX'T1X

&cpop~O''t'eov. Dem entspricht ihre negative Zeic~nung im Ve:gl~ich m~t den &yye:AOI.61 und ~p(Ue:e;.62 In Übereinstimmung dam1t steht das WIrkliche ZIel des

Menschen, auf jede Art, auch schon bei Lebzeiten, von dem - stets als Fessel

begriffenen _ Zwang der Einkörperung erlöst und göttergleich zu werden.63

Vorstellungen dieser Art sind nicht auf den Spätplatonismus begrenzt. So

betrachtete das frühe Christentum Christus gelegentlich auch als Heiland

der Gestirnsmächte und als Erlöser von der Heimarmene. 64 Von der im Mithras­

kult zusammen mit Dike angerufenen Göttin Ananke ist eine andere

Ananke verschieden, die sich in den Zauberpapyri findet, und zwar in der

seit Dieterich so genannten Mithrasliturgie, deren Entstehung zwischen

und 1 ~ 0 n. Chr. liegt. Zu Beginn der Liturgie wird formelhaft eine Bitte um

Erlösung vorgebracht ,'~ \ I ~ I I xpe' v PGM I 4, ~04 LVIX p.e:1'cX TYlv eve:IJ1'(t)O'av XIXI. crepoopa XIX'TE:nELyoulJa\l tLe: LIX

E:1t'01t''TEo(U '[;~v &A}avlX't'ov &PX'~v X'TA.

52 6 tLe:1'O: 't'~v E:ve:cr'[;wIJa\l xlXl XIX'[;e:ndyouIJ&.v P.E mxpoc\l

X'TA.

61 (}.yys"Ao~ 8e Mou/JL [J..6\lOV 1'WV 8ecr[J..wv 't'9).; {D."y]';, 8r:d[J..ovz,; 8e d.; 'r'1J\l <pOIJLV .::MAXOUcrl.V (2, 5). Innerhalb der gedanklichen Antithese tritt die Identität von und 8eIJ[J..ot -rij.; ÖA'I)'; betont hervor.

02 Die Erscheinung der Dämonen ßrXpz~ [J..ev 'TO crw[J..rX xrXt v6IJO!.'; xo"A&:~e:~, xcc&Il,x"

Be XlXt 'r'1J\l tJ;uX'1J\l errt 't'~v <p 0 cr L \l . . . 'rou.; Be E:nl 'r0 n:üp an:eD8o\l'rrX'; XIX't'$XZ~ ne:pt

't'718z ~6n:ov, 't'wv 8e 'T1)'; d[lrXp[l$v"Y],; BZIJ[J..wv oux ~n:OAUZL' ~, ?e 't'wv ~p6JWV Semantisch interessant ist, daß die "Fesseln der Helmarmene Ihr ~':;";~'~~~~l~~: ben in der "Ananke der Heimarmene" und der "Ananke der Elemente"; Koptisch-gnostische Schriften I Leipzig ~905 S. 172. 200. 21 3" I N N

63 So hat bereits das Opfer einen ganz handfesten Zweck: rXno),uzL 'rW\l 'r"Y]';. crew.; 8ecr[J..wv xlXl &<pO[lOLO~ 'rot.; '&eo1:.; (de myst., 5, 12). An andere~ Stell~ 1st Ziel des Theurgen die McrLt; &:rro 't'WV BZIJ[J..wv XrXL [lZ'TrXcr'rpo<p'ij &no 't'W\l (JXLWV errt

dBwAIX (nept Tij.; xO!.v1j.; [J..rX'&, e1wJ't'. c. 6 p. 28, 1 Festa). . 64. Gundel, Heimarmene, RE Sp. 2640' V gl. z. B. Tatlan ad Graecos c. 9

Be xed d[llXp[J..ev"Y].; ecr[lE:v &:v6J't'zpOI., XlXt &:nt rr),IX\l'I)'t'WV BIXL[J..6vwv g\lrX 't'ov &rrAlXv1j [J..e[J..IX.&~xlX[J..zv. Zu den nichtchüstlichen Erlösungslehren ?-undel Sp. 26 38 f. kenswert ist daß Ananke nach dem Bericht des Proklos (lll Plat. remp. II 345 in den Mith;asmysterien eine bedeutende Rolle gespielt Zu haben scheint. Sie dort zusammen mit Dike angerufen. Vgl. A. Dieterich, Mithraslit. S, 5 tf., Cumont, Myst. d. Mithra S. 99 und Textes et Monuments, Bruxelles 1899, I Anm. 10; Kroll, Die Lehren des Hermes Trismegistos S. 227; Hopfner II 52

(hier) oben S. 99 Anm. 67.

Erliüung alls der Ananke: lvJithrasliturgie

534 [.LE1'o.. T~V &nlXpIXtt'i'J1'ov XIXt xlX1'e:ne:tyouaav XpdlXv X1'A.

605 tVe:XIX t'1jc; xIX1'e:ne:~youa"IJC; XIXt mxpc<c; XIX~ anapIX~1'~1'ou &v &yxYJ C; X1'A.

Ananke ist hier, wie die Gegenüberstellung mit der ersehnten &&&VIX1'OC; &pX~

zu verstehen nahelegt, die drückende Fessel der materiellen Natur mitsamt

ihren für den Menschen obligatorischen Erfordernissen und Bedürfnissen.65

Das Alternieren von &v&yx"IJ und XpdlX ist nach früheren Ausführungen ohne

weiteres verständlich. So zeigten sich a(Up.a1'tx~ xpda und a(Up.a'nx~ &v&yxYJ bei

Philon identisch (Leg. Alleg. 2, 14; 3, 151). Das beide Wörter verbindende Glied wird in der für Penia gegebenen Erldäfung ~vae:~IXv xat a'TE:pYJmv <Lv E:V Xpd~

E:ap.zv a~cX 'T~V {jA"lJV 11 auve:~e:uyp.e:&a cpomv oi5aav XP"lJap.ocruv1jV e:rvlX~ bei Plotin

1,8, 9 ausgesprochen. Steht in der Mithrasliturgie die &&&VIX'TOC; &pX~ der Ananke

gegenüber, so ist es im Buch Tobit (3, 6), das in der Diaspora Ägyptens ent­

standen ist, der a~6)\1WC; 'T6noc;: "Befiehl, meinen Geist hinzunehmen, damit ich

sterbe und Erde werde, weil es mir besser ist zu sterben als zu leben. Denn

lügnerische Schmähungen habe ich gehört und mein Schmerz ist groß. Befiehl,

daß ich von dieser Ananke frei werde [und] schon jetzt hin[gelange] zu dem ewigen Orte" (Kautzsch). Das ist E:n('TIX~ov &noAu&'ljva( p.E: 'T'ljc; &v&yx"lJC;

~3"IJ E~C; 'Ta\! a~wvwv 'T6nov, p.~ &1t'oO"'t'pe~71C; 'Ta TIp6crum6v aou an' E:p.ou. Tobit hat gesündigt und erfleht den Tod als Erlösung von der Ananke. Offenbar ist die

Sündhaftigkeit des Leibes in Ananke mitgesetzt. Das ist kaum erstaunlich, ent­

spricht es doch durchaus jüdischem Denken, das Böse und die Sünde als

Verstrickung und Fessel zu sehen.66 Ananke mußte sich hier als geeignetes

Wort anbieten. In engem Zusammenhang mit dem Aspekt der Fesselung er-

ßij Vgl. Benz S. 389f. und Dieterich, Mithraslit. S. 59. Weniger zutreffend ist die Deutung "Scrucksalsnotwendigkeit" (Hopfner II 58 f.) oder gar "die gegebene na­türliche Lage des Menschen" (Grundmann bei Kittel s. v. &v&YX'I)).

66 So sagt Petrus Zu Simon, der die Apostel bittet, gegen Geld ihm die Gabe der Verleihung des heiligen Geistes durch Handauflegung zu geben, d.; yocp XOA~V nLXptlX'; xe>:' IJuvBe'(J[lov &B~x(lX'; öpw cre (}V't'1X Apostelg, 8, 23). Da ist Jes, 58, 6 zitiert, wo noch der Aspekt des Lösens hinZutritt: ouXl 't'1X6't"~v v'l)a'Tdav ey?u e~zAz~&Il"y]V, Aiyz~

xopw.;, aAAa AGZ rr&v't'a aov Be; allov &: B~x ~a.;, BL&"AUe: IJ'rPIXYYIXA~OC'; ßLcdö}V IJUVIXAAIXY[J..&­'t{t)v X'TA. Provo 5, 22 ist dieses Moment besonders deutlich: no::plXvo[l(O::~ &vBpo:: &:ype­

(Je~plX~'; BE: 'rwv ~au't'oG &[lrXpnwv ho::O''t'o.; IJtp(yyz't'a~. Vor diesem Hinter­verstehen sich auch die &:V&YXrXL xlXx~iilv XlXt em-&u[J..tw\l Philons (de exsecr. 124),

. die Verstrickung und Fesselung des Menschen in Laster und sündige Begierden. Alleg. 2, 16 wird das &vayxlXtov dahingehend erklärt, daß der Mensch durch

und Laster gefesselt- sei (xrX're~eux'TO::~ mW·zO'~ xlXt XIXX(lXt.;). Wenn Sünde fesselt, muß man von Gott erbitten das &:n:oAGacH 'rwv O:[J..lXp't'Y)tL&:'TWV

'Jo·sel,h,)S Ant. 6, 128). Daß der Körper als Fessel der Seele böse ist (xlXx6.;, Philon 1,108) gehört mit zu dieser ganzen Sehweise. Philon ist in diesem Punkte

mehr griechischem Denken verpflichtet.

Schreckenberg

4 1Qii Jib,

Page 85: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

l\1agie und Erlösung

scheint in der Septuaginta und im neutestamentlichen Spracbgebrauch ge­

wöhnlich auch Folter und Schmerz (oben S. 46ff.). Der Gesichtspunkt der Erlösung wird gelegentlich auch auf diese Art Ananke angewendet. Dafür

ist der Text eines Zauberpapyrus von größtem Interesse (PGM II 13, 29off):

6 I (.,~ül 'X " fJ. I fJ. I~ '" LlEcrP. AU'TQV. )\ZYE' XI\.U'ln fLou, ° p~cr"o<;, EV [-'IXO'lXvmc;;, 1 .... 0'l)·ulJcrov zv CI.VIXYXCUC;;, I ,<I (.l, I -,1'" I " • I I 'A ' E:A[EJ'l)fLwV EV WpCl~<; [-'~a~mc;;, nol\.u OUVlXfLEVO<; EV xocrfLCP, ° x,,~O'ac;; 'TY)V VClYX'l)V

xat T~fLwP(IXV XClt 't'~v B&O'lXvov.' ~ß> ~fL(EPIXt:;) cruptcrlX<; "ptc;; 6x'Tax~c;; )\EYE 'TOÜ

'H)\(ou 'TO ÖVOfLCl ßAOV o:no 'TOÜ 'AXEßUXPW(J..

'AU&Jj.&W n;X<; SEO'fL6c;;, n;XO'IX ß(a, pCl.Y~'t'W n;Xc;; crWy)p0<;' n;Xv cr<X>otvwv, ~ niXe;;

t(J.&<;, n&v &fL(J.[IX[, niXcrCl &AUcr~C;; &.vo~X&Jj't'w, xlXl fL"f)3dc;; (J.e xa't'aß~&.crlX~'TO, Ih~ eyw

d(J.~ (MYE 'TO 6,"O(J.IX).67 Wie im Spätplatonismus die Gestirnsgötter als Herren

der Ananke diese den Menschen zuweisen, sie aber auch davon lösen können,

so ist Christus hier Schöpfer der Ananke und kann zugleich auch über sie ver­

fügen und den Menschen, der sich EV ckv&.yxa~c;; befindet, daraus erlösen. Die

Natur der Anankai wird schon durch den Titel3EO'(J.6Au't'ov bestimmt; der 'ganze

Zauber ist eine "Fessellösung". Mitgesetzt sind Folter (ß&.crClvm) und Gewalt­

tat (vgl. xlX't'IXß~aalXa.&a~, ß(Cl, ev &pa~c;; ß~IX(mc;;), deren Exponent das Binden ist,

das vielfältig betont wird (&AUO'~C;;, &(J.(J.IX, t(J.a.c;;, crxoLv~ov). Das Gebet sv &V&.YXClte;;,

E:V lüpa~c;; ß~IX(mc;; läßt an ein anderes Gebet denken, das EV wpq; ckvd.yx"f)C;; getan

wird. Da heißt es PGM I 1, 212f. smxaAoü(J.d crE, xup~e 't'wv nav't'wv, EV lüpC(.

&v&yx~" bt&[x]oucr6v iJ.o[u], 8~c [&A][[ße]~d iJ.ou ~ y;uX~ X~A. Dazu " 221

&.vaO'wcr6v (J.e EV lüPCf &va-yx'l)C;;. Es handelt sich um ein jüdisches Gebet. Der

Sprecher ist Adam.68 Die lüPIX &.v&.YX'l)C;; ist die Zeit äußerster Bedrängnis und

Pein, die Adams Seele vom Leib erleidet, nicht jedoch die "Todesstunde", wie

Peterson annimmt.69 Das entspricht der engen semantischen Nachbarschaft

67 "Fessellösung. Sprich: ,Höre mich, Christus, in Martern, hilf in Nöten, mit­leidig in Stunden der Gewalttat, viel Mächtiger in der Welt, Erschaffer von Zwang und Strafe und Marter' - 12 Tage pfeif dreimal und sprich achtmal des Helios Na­men ganz, vom Achebykrom an-,gelöst sei alle Fessel, alle Gewalt, reißen soll jedes Eisen, jeder Strick oder jeder Riemen, jcdet· Knoten, jede Kette soll sich auftun und keiner habe Gewalt über mich, weil ich bin' (sprich den Namen)" (Preisendanz).

68 Für alle Einzelheiten kann hier nur auf die eingehende Untersuchung Gebetes bei Erik Petetson (Frühkirche, Judentum und Gnosis S. 1°7-128) verwiesen werden. Zum religionsgeschichtlichen Aspekt vgl. S. 119 "Das Gebet Adams seine Errettung ist ein Gebet um Befreiung aus der Macht der Herren der Luft der dfllXpflkv1J. Die Errettung wird durch die Auffahrt zum Himmel geschaffen, sich als eine Rückkehr zum himmlischen Paradies und zu der himmlischen erweist. "

69 S. 119 Anm. 15. Die von Peterson angeführten Belege beweisen das keim"f,dls .. ' Wenn etwa in der anonymen koptischen Apokalypse (VIII 1, 5; 9, 1; St.eic>dcorjf p. 47. 49) angesichts des Feuerstromes in der Unterwelt um Erlösung aus der,

Erliisttng alls der Ananke: Pistis Sophia

von O:va.YX"f) und .&A~tJnc; in Septuaginta und Neuem Testament, und auch hier

ist ja .&A(ßZ'TIX~ (J.OU .~ ~UX~ eine Erklärung der &pa eXvrl.YX'l)C;;j die gegebene

Situation der Ananke wird dadurch weiter ausgeführt und umschreibend er­klärt. 70

Eng benachbart sind diesem Zeugnis Abschnitte der gnostischen Pistis So­

phia (Schmidt, Koptisch-gnostische Schriften I Leipzig '9°5 S. 52) in der Art alttestamentlicher Psalmen: "Meine Augen sind immerdar auf den Herrn ge­

richtet, denn er wird meine Füße aus der Schlinge ziehen ... Die Drang­

sale (&Atlj;EtC;;) meines Herzens haben sich vermebrt, führe mich heraus aus

meinen Nöten (&.vayxat). Sieh auf meine Niedrigkeit und mein Leid und

vergib alle meine Sünden ... 0 Gott, erlöse Israel aus allen seinen Drang­

salen (&AtY;EC,)"; vgl. S. 56: "Und ich werde jubeln über den Herrn und mich freuen über deine Gnade, daß du auf meine Niedrigkeit geblickt und

meine Seele (tJiuX~) aus meinen Nöten (&Vd.YXIX~) gerettet hast ... Sei mir

gnädig 0 Herr, denn ich bin bedrückt (.&A[ßE~V)" und S. 117: "Dies mägen

sagen die vom Herrn Erlösten ... er rettete sie aus ihren Nöten (&.V&.YXlXt),

sie schrien zum Herrn und er erhörte sie in ihrer Bedrängnis ... Sie schtien

zum Herrn in ihrer Bedrängnis, er rettete sie aus ihren Nöten (ckVrI.-YX.IX~). Und er führte sie aus der Finsternis und den Todesschatten und zertiß ihre

Bande" sowie S. 118: "Sie schrien zum Herrn in ihrer Bedrängnis und er rettete sie aus ihren Nöten (&.VtXYXlXt).H

Ananke ist also, das haben die vorgelegten Zeugnisse erwiesen, eng mit

dem antiken und auch frühchristlichen Erlösungsbegriff verbunden. Wo immer

der Mensch seinen Leib als Fessel und sein Leben als Sklaverei und Verstrik­

kung in Sünde empfand, bot sich Ananke als sprachliches Zeichen dieses Ge­

dankens an. Erlösung im Sinne dieser Ananke ist stets der Übergang von

einer SouAdCl zur'e)\Eu'&epla, von der Knechtschaft der Seele in der Bedrängnis

und Sündhaftigkeit des Leibes zum freien und unbeschwerten Leben im Be­

zirk des Göttlichen. Der Spätplatonismus unterscheidet sich dabei von an­

deren Gruppen und vom Frühchristentum dadurch, daß er nicht von der

Seele als solcher ausgeht, sondern die Erlösungsfähigkeit des Menschen auf

die Intellektseele begrenzt~ die Schau im Bereich des Intelligiblen ansiedelt

gebeten wird, so ist Ananke nicht der Tod, sondern die Pein der Höllenstrafen, also soviel wie ,&A't"fns.

70 Peterson betont auch an anderer Stelle (S. 111 mit Anm. 14) richtig die enge Nachbarschaft von Ananke und ,f)Xi:<.f~t;. Er vergleicht 1 Clem. 59, 4 'r00~ &v .flA(l/Ie~ ~f1.&v o-wO"ov) mit der entsprechenden Wiedergabe im Gebet der Markus-Liturgie bei Brightmann S. 131, 10 AU't"p(;}mx~ 8eCYlhtOut;, &~eAoiJ 'T00s &v &v&:yxoc"~. Wenn bei Hermas Sim. 1, 8 die Rede von den tVuXd -SA~ß6flevoc" sei, so entspreche dem die verwandte Redensart bei Hermas Mandata 8, 10 11:~ avr.t:yxwv AU'rPOiJO"-Soc~ t'00~ 80UAOU~ 'TOU -Seot).

i

I I

Page 86: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

lvIagie und ErlöJUng

und im engen Anschluß an Platon begreift. Ananke mit ihrer breiten semanti­schen Skala von der Sklaven- über die Schicksalsfessel zum fesselnden Gesetz der Natur, der Materie und des Leibes wurde sicher nicht einfach als Wort­schablone vom Erlösungsdenken der Antike benutzt, sondern hat dieses in seiner Eigenart zu einem Teil mitbestimmt. Vielleicht läßt sich sagen, daß das religiöse Denken der hellenistischen Welt mit einer gewissen Zwangsläufig­keit von der Ananke oder Heimarmene herkommend in die Magie und die Erlösungsreligionen einmünden mußte.?!

71 Zu ähnlichen Aussagen kommen F. Boll-C. Bezold, Sternglaube und Stern­deutung, 1926. S. 22. Zu den Motiven und Voraussetzungen des antiken Erlösungs­denkens vgL Reitzenstein, Poimandres S. 77; Gundel. Ananke S. 99f. und sonst; Jonas S. 255; Nilsson, Gesch. d. Gr. Rel. II 484. Zur Ananke äußert sich auch M. Dibelius, Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiationsriten, Sitzungsber. Heid. A. d. W. Phi1.-hist. K1. ('9'7) 4, S. 24.

VI. DAS SEMITISCHE ETYMON

Daß etymologische Sachverhalte bei der Feststellung und Untersuchung der Bedeutung eines griechischen Wortes entweder kaum nützlich sind oder sogar oft in die Irre leiten, ist eine - freilich oft verkannte - Tatsache. Sinnvoller und berechtigter erscheint der umgekehrte Weg, nämlich, gestützt auf das Ergebnis einer Bedeutungsuntersuchung, die Frage nach dem Etymon neu zu stellen. Denn wenn es richtig ist, daß das semantische Etymon, d. h. die Kernbedeutung, nicht allzu weit vom sprachgeschichtlichen Etymon entfernt sein kann, so drängt sich die Einsicht auf, daß der Weg von den Linien des Bedeutungsfächers über ihren Ausgangspunkt hin zum sprachgeschichtlichen Etymon leichter zu finden und zu gehen ist als der gleiche Weg in entgegen­gesetzte Richtung.

Von den antiken Deutungen des Wortes Ananke verdient die des Platoni­schen Kratylos (420 d-e) besondere Aufmerksamkeit. Ananke steht in Gegen­satz zum Exoumov und wird vom &vayxa~ov aus erklärt: "das &vaYXetLaV aber und das Widerstrebende, das dem Willen entgegensteht, hat es mit Irrtum und Unwissenheit zu tun. Bildlich sichtbar ist es in dem Marsch durch &yx'tJ (enge Täler), weil diese, unwegsam, rauh und dicht bewachsen, wie sie sind, am Durchmarsch hindern (tO'x.e:~ 'raU te\let~). Von daher stammt vielleicht die Bezeichnung &VetYXetLaV, vom Bild des Marsches durch das enge Tal. H Auf den ersten Blick scheint diese Etymologie ganz wertlos und wenig einleuchtend.1

Aber Platon wußte - wie sich verschiedentlich zeigte - noch genau, was Ananke ihrem Wesen nach ist, und im gleichen Kratylos (403 c-404 a) wird die fesselnde Kraft der Ananke (und .,,,1)ufL[") diskutiert. Offenbar wollte also Platon durch ,den Vergleich mit dem Marsch durch &yx'tJ nur eine ganz be­stimmte Seite der Ananke sichtbar machen. Bei t(jXE~V hatte er sicher die epische Formel r;O'x.e:~v &vayx'(l vor Augen. Der für Ananke charakteristische Aspekt der Hemmung wird darin gut sichtbar. Noch deutlicher aber wird der Gesichtspunkt der Pressur, der später vor allem den alt- und neutestament­lichen Standpunkt von ·Ananke kennzeichnet. Es zeigte sich, daß O''rEvaxwpta neben i}).t'o/~t; die nächstliegende Umschreibung der entsprechenden Bedeutung der Ananke ist. Die O''rEvaXu>ptet aber läßt sich wiedererkennen bei Flavius ]0-sephus Bell. 7, i 22. Die Zuschauer beim Triumphzug des Vespasian und Titus

1 So sagt z.B. Grundmann (bei Kittel s.v. &\!ayx:r)) "Die angeführte Definition hat nur geringen Wert" und bevorzugt den Zusammenhang mit einem keltischen Wort für "Not, Notwendigkeit". Dazu unten.

Page 87: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

I" I I66 Das semitische EljllllOJI

stehen so dichtgedrängt, daß dem Zug nur eine n&po3o<:; &.vocyxcdoc bleibt, eine ganz enge Passage. Das ist die O''t'zvox.wp~oc, die Platon vor Augen hat, wenn er

das &vocyxoc'i:ov mit dem Marsch durch &yx1) erklärt. 2

Eine zweite Etymologie liefert die unter dem Namen des Aristotcles ge­

hende Schrift 7tZpt x6aV,ou 401 b 8ff. "Gott ist einer, aber er hat viele Namen, da er benannt wird je nach den Eigenschaften, in denen er sich immer neu

darstellt ... Ich glaube, daß auch die Gottheit der Notwendigkeit nichts an­deres ist, denn er als der unbewegliche Urgrund (orj1.OC~ 3t xcd TIjv 'Av&yx1)v

oux &AAO 't'~ "AZyza&cu nA~v 't'oiJ-rov, otovd &x~vYJ't'ov cd't'~av ov-roc) und als Vor­

sehung, weil er knüpft (E~!1.ocpj1.evYJv ot OtOC "C"o dp€tv) und weicht ohne daß ihn jemand hindert, und Verhängnis (l1znpffij1.eV1)), weil er alles begrenzt (nz7tzp<x­

't'&a&oct) und in allen Dingen nichts unbegrenzt gelassen hat, und Schicksal

(Mo,p"), weil alles zugewiesen ist ([L<p'i;eov), auch Vergeltung (N0[L<m,), weil jedem vergolten (zugeteilt?) wird (Ot<XVE.j1.1)O't<:;), Unentrinnbarkeit ('Aopaa"C"Etoc), weil er die natürliche Ursache ist, der nichts entgeht (&.vocn63pcm"C"oc;)" (Gohlke).

Der Verfasser dieser Schrift ist ein Schüler der Stoa, die das Etymologisieren liebt. So einleuchtend andere Deutungen sind, so ist 'Av&yx1) von &.xLv·f)'t'oc;

oc~'t'(oc purer Unsinn.3 Allerdings ist hier wie im platonischen Kratylos etwas Richtiges insofern gesehen, als für Ananke die Qualität der Unbeweglichkeit

beansprucht wird. Dieses Moment begegnete ja wiederholt im Laufe der Un­

tersuchung, so bei Parmenides, der das Sein "unbeweglich" in den Fesseln der Ananke ruhen läßt.

Das byzantinische Etymologicum magnum s. v. Ananke referiert gleich eine ganze Kollektion von Spekulationen. 'AvayxYJ: 'H &€6<:;, n<xpa 't'b OCVGt:O'O'ffi. xoct

"C"o npiXyp.oc &vayxYJ' naV't'ffiv yap zmxpoc't'z'i: .... 7tapa. 't'o &Y(jj oDv, &1"'/)" xoct 7tA€O­

VOCO'j1.Cfl 't'OU x &v&YX1), 'lj miv't'oc xpoc"C"ouO'oc. ~ &.yxa<:;, &yx~ xocl &vayxYJ· z7tzL3~ 't'o 't'oc'i:c; &'yx&)\OCtC; xpa't'ouj1.zvov xoc"C"oc 3uvocj1.w &cpux't'6't'zpov Xpoc't'E'i:'t'at. '\H 7t<Xpoc 't'o rixo<:;,

7tPOC; ~v &XOC; OUX €O''t'w €updv. Das steht beinahe auf dem Niveau von canis a

2 In diesem Zusammenhang sehr aufschlußreich ist J osephos Bell. 6, 75 ff. Die Römer haben bei der Erstürmung Jerusalems die dritte Mauer genommen und kämpfen nun bei den Eingängen zum Tempel, um in den Tempelbezirk einzu­dringen. Es herrscht ein wirres Getümmel, da wegen der Enge der Örtlichkeit (O'n:voxwpLO::) sich keine klaren Fronten von Kämpfern bilden können ... (77) Ot}'TE Se cd qlUy<xt 't'07tO\) dxov ofJ't"E: cd SLfu;€~<; ... (78) 'Tot<; 03' ~j.LITP0O'&EV y~\)Oj.Lb)QL<;

~ 'TOU ~\I~O'X€LV ~ 't'ou X't"e:L\I€W &vayx·1) no::pTj\) oux 060'"1)<; &\lcupuy'lj<;;' Die Ananke resultiert aus der räumlichen Enge. Selbst die ganz ungegenständliche Verwendung des Wortes mit folgendem Infinitiv hat hier noch einen Rest von Anschaulichkeit bewahrt. Vgl. ähnlich 5, 339.

3 E. Pappenheim (Quaestiones de necessitatis apud Aristotelem bemüht sich freilich, diese Etymologie noch zu stützen.

Das semitische EtYll/on

non canendo und muß für sich stehen, umsomehr als nirgends ein ausrei­chend fester Anknüpfungspunkt zum Bedeutungsfächer von Ananke gegeben

ist. Der Schluß von &YX&AC<t auf die fesselnde Umarmung der Göttin Ananke bei Euripides hätte eine zu schmale Basis. Bemerkenswert ist an diesen Ety­

mologien lediglich die Vermutung, daß Ananke - freilich etymologisch, nicht semantisch, wie es richtig wäre - etwas mit &yetv zu tun hat und daß ihr die

Eigenschaft der Unentrinnbarkeit zukommt. Die wertvollste und umfangreichste der direkten antiken Äußerungen zu

Ananke steht in der aristotelischen Metaphysik 1015 a f. Sie ist nicht etymo­

logischer, sondern bedeutungsanalytischer Natur. Das oc'.locyxcäov - und damit auch die &v&yx·f) - wird auf deduktivem Wege fünffach gegliedert. 1. Das

Notwendige als bindendes Erfordernis und unabdingbare Voraussetzung im

Sinne der &vayx'l) ~uO'zwc; (z. B. &vcmvdv, 't'po~~). 2. Das Notwendige als bin­dende Voraussetzung zur Erzielung des &yoci)'6v und Beseitigung des xo::x6v

(z.B. 7ttE'i:v ~&P!J.<xxov). 3. Äußere Gewaltanwendung oder der Zwang äußerer

Umstände im Sinne von Hemmung. 4. 't'o j1.~ &v3zx.6j1.zvov &AAWC; €x€W als all­gemeine Fassung von 1-3. 5. 'lj &n63zt~t<:; 't'cDv av<Xyxa(wv im Sinne von aUAAO­ytO'!J.6c;. Das ist keine reine Bedeutungseinteilung und auch keine genetische

Darstellung des Begriffes. Aristoteles hebt einfach bestimmte, für den Begriff

des &.vayxoc'i:ov charakteristische und ihm maßgeblich erscheinende Züge her­aus: die objektive Notwendigkeit als conditio sine qua non, den hemmenden

Charakter und die logische Bedeutung der Notwendigkeit. Daß Aristoteles damit nicht alle Seiten und Bedeutungen der Ananke erfaßt hat und wohl

auch nicht erfassen wollte, bedarf keiner Diskussion.4

Ananke ist etymologisch "nicht sicher erklärt", so ist bei Frisk zu lesen.

Dieser Ratlosigkeit entspricht die verhältnismäßig große Zahl von V orschlä­

gen, die bei Frisk und in anderen einschlägigen Handbüchern geboten werden. Am häufigsten wird &v&yx'I) zu keltischen Wörtern für Not, Notwendigkeit,

Schicksal (ecen, angen) gestellt (Prellwitz, Boisacq, Hofmann, Frisk), wobei aus dem germanischen Bereich althochdeutsch achta, neuhochdeutsch Acht

(feindliche Verfolgung) und aus dem Hethitischen iJenkan (Tod) verglichen werden. Durch Reduplikation zu *an-ank (vgl. Prellwitz, Hofmann) sei &v&yxi'}

entstanden. Schwyzer (p. 734 A. 8; siehe bei Frisk) hatte vermutet, &v&YX1) sei post­

verbal aus &vocyx&~(jj, eigentlich *,in die Arme nehmen' gebildet. Das ist mit

4 Um so unverständlicher muß es erscheinen, wenn Grundmann bei Kittel s. v. &vayx(1) dem Abschnitt der Metaphysik eine fertige Bedeutungsgliederung von &va'(X"I), &vo:yxo:to<;, &vo:'(xa~w entnimmt ("Damit sind die verschiedenen Bedeutungen der Worte gegeben").

Page 88: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

J68 Das semitische Etymon

Frisk schon deshalb abzulehnen, weil &VOCYX&~B~V im Gegensatz zu &v&:yx:1) nicht bei Hornet belegt ist und als dessen Denominativ zu gelten hat.

Güntert (Der arische Weltkönig und Heiland S. 185) stellt &v&'(x~ Zu Eve'(.

XE!:\) (tragen) und ßyxoc; (Tracht, Last),5 Er meint, &vocyxY) enthalte "eine Art Reduplikation". *enfc (bzw. enek) sei die Basis und er bemerkt: "in irisch ecen sehe ich die Normalstufe, das ausfallende -0- bewirkte Dehnung." Diese Deutung deckt sich zum Teil mit dem zuerst Genannten.

Ein Vorschlag von Gregoire (bei Frisk) geht darauf hinaus, &v&'(x~ bestehe aus einem av-privativum und einem Wort für "Arm" (vgl. &yxwv). Auch diese Deutung, die sich an das Etymologicum magnum anlehnt, wird von Frisk Zu

Recht als unwahrscheinlich abgelehnt. Immerhin könnte, was Gregoire frei­lich nicht tut, an die fesselnde Umarmung durch die Ananke bei Eudpides gedacht werden. Es wäre dann aber &")- nicht Privativum, sondern Redupli­

kation.

Onians (332) stellt &.v&yX'lJ zU &YXÜJ. Der Vorschlag ist nicht neu und wird schon von G. Rohlfs (Etymologisches Wörterbuch der unteritalienischen Grä­

zität. Halle 1930 s. v, &v&.yx.'fJ) abgelehnt. Immerhin gibt es bestimmte semanti­sche MEnitäten zwischen &YXÜJ und &v&yx'IJ. Doch reichen sie für eine etymo­

logische Verknüpfung nicht aus, und auch hier bleibt die Schwierigkeit, eine Reduplikation annehmen zu müssen,

Leo Meyer (Handb. d. gr. Etym. I Leipzig '90' S. '90) hält in &v&'(x'~ das anlautende &: für eine jüngere Entwicklung und schließt deshalb auf eine Ver­

balgrundform "nank oder wohl ursprünglich nak ... man wird annehmen dürfen, daß nächster Zusammenhang besteht mit lat. nac : nancisci ,erlangen", altind. nac )erreichen' ".6

Es ist jetzt leicht zu erkennen) daß die etymologische Frage) zu Beginn der ganzen Untersuchung gestellt, nicht nur ohne Antwort geblieben wäre, son­

dern vielleicht sogar den Gang der Untersuchung selbst ungünstig beeinflußt hätte, insofern dann immer die Versuchung nahe gelegen hätte, eine bestimmte

Etymologie bestätigt zu sehen. Denn bis auf den ganz abwegigen Versuch, eine Verbindung mit lat. nandscor herzustellen) kann jeder Vorschlag sich auf

5 Damit könnte Güntert sich auf eine Stelle wie Aisch. Ag. 122.6 q:>tP8~V yap xp~ ,,0 30ÜA~OV ~uy6v berufen, obwohl er natürlich auf das ~uy6v nicht kommt.

6 An nancisci wird auch gedacht im Lexicon von Menge (1955 3) s. v. &V&YK'I), wo freilich als Bestandteile die Präposition &'11& und *nek (enk) genannt werden. Eine Notiz bei Pape s. v. &v&YX7) besagt, daß früher auch &v&yw mit &V&YKfJ zusammen­gebracht wurde. Bei Pape selbst wird die Etymologie des Kratylos (zu &yx'fJ) ver­treten.

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Das semitische Erymo!l

irgendeine Bedeutungsnuance von Ananke beziehen, obwohl freilich die ge­meinsame semantische Basis jeweils sehr schmal oder sogar verschwindend gering ist.

Da nun keine etymologische Deutung wirklich überzeugt, ist auf dem ein­

mal eingeschlagenen Weg weiter zu gehen und zu fragen, ob auf der Spur der jetzt vorliegenden Bedeutungsuntersuchung zu einer Antwort zu kommen ist. Da ist nun auf das erste Kapitel zurückzugreifen. Es erwies sich, daß die

besondere Methode des &.YE~V &.v&yx.n oder 3"0crav-ra &YE~V in frühgriechischer Zeit bildmäßlg ausschließlich im alten Orient - dort freilich in sehr reichem

Maße - belegt ist. Es liegt also die Vermutung nicht sehr weit, daß mit der

Sache auch das Wort ursprünglich orientalisch ist. "Bei Homer können mehr orientalische Lehnwörter vorhanden sein, als man gewöhnlich gelten läßt, nur

fehlt die Möglichkeit des Beweises infolge der eingetretenen Umformung. "7

In der Tat scheint es schwierig, &v&yx'IJ als orientalisches Fremdwort oder Lehnwort zu erweisen.8

Schlägt man aufs Geratewohl ein akkadisches Lexikon auf,9 so Endet sich

unter ananke oder anaka mit Ausnahme der Bezeichnung für Blei nichts) was

irgendeinen Bezug zur griechischen Ananke hätte. Daß die sogenannten Fluch­tafeln mit ihren Bindeflücheu) in denen Ananke oft steht, aus Blei bestehen,

reicht nicht aus, eine Verbindung herzustellen. Damit scheint die Suche in einer Sackgasse zu enden. Doch führt ein Weg aus ihr heraus, und zwar die

Beachtung einer bestimmten Lautgesetzlichkeit des kleinasiatischen Ionisch.

Dieses hatte keine Bezeichnung für anlautendes "h", also den attischen spiri­tus asiJCr. Beispielsweise wurde ursprüngliches *hek und *hisk durch Hauch­

dissimilation zU ~XÜJ und loXÜJ. Der Spiritus ist, wo er sich findet) wahrschein-

7 H. Wirth, Homer und Babyion S. 34. Bekannt ist vor allem der Übergang von Sachbezeichnungen durch den Handel mit phönizischen Kaufleuten. V gl. Wirth S. 33: "Das Fremdwort ist zu allen Zeiten und bei allen Völkern der notwendige Begleitecdes Kulturaustausches; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die griechi­sche Sprache von diesem Gesetz hätte eine Ausnahme machen sollen, wenn es für uns auch oft schwierig ist, Fremdwörter als solche zu erkennen und ihre Herkunft festzustellen. Das Fremdwort wird zum Lehnwort umgeformt, Lehnwörter lassen wieder interessante Schlüsse" auf die älteren Kulturbeziehungen zu ... "

8 Nicht einmal vermutungsweise äußern sich zu &v&YX"f) W. Muß-Arnolt "On semitic words in Greek and Latin", Transaction of the American Philological As­sociation 23 (1892) 35-156 und H. Lewy, Die semitischen Fremdwörter im Griechi­schen, Berlin 1895. Auch H. Zimmern (Akkadische Fremdwörter als Beweis für babylonischen KultureinfIuß, Leipzig 19172.), der viel griechisches Wortmaterial be­rücksichtigt, sagt nichts zu &v&YX"I).

9 C. Bezold, Babylonisch-Assyrisches Glossar. Heidelberg 1926; The Assyrian Dic­tionary, Chicago 1950 ff.

Page 89: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Das semitische Bt)'1JloJl

lieh erst durch attische Vermittlung in den Homertext gekommen,lo So wurde

zwar semitisches 'aleph zu &Aq>a, beth zu ß~'t"rx, doch beth (gesprochen: chet)

zu ~'t"a (Schwyzer I 140). Semitisches "b" im Anlaut ist da also geschwun­

den.l1 Da also einerseits semitisches anlautendes "ch" dem griechischen spiri­

tus asper entspricht, andererseits das kleinasiatisch-homerische ?stjonisch die­

sen spiritus asper nicht hat, mußte anlautendes b (= ch) beim Ubergang vom

Semitischen ins Griechische zwangsläufig wegfallen. Homerisches &v&YX1J wäre

im Semitischen demnach etwa unter "chananke" zu suchen. Bevor dieser Spur

nachgegangen wird, ist zuvor die genannte Transkriptionsgesetzlichkeit durch

einige Beispiele zu veranschaulichen, wie sie vor allem die Septuaginta und

Josephos mit ihrer Transkription der semitischen Namen liefern. Grundsätz­

lich gibt es da drei Möglichkeiten der Umschreibung von b- ins Griechische,

entweder zu X (so Gen. 11,31 Xapprxv aus lll!) oder zum spiritus asper (z.B.

Gen. 33, 19 'Ep.p.@p aus ""~t:r) oder zum spiritus lenis (so Nu. 10, 29 'Oßaß aus ::l~h gesprochen "chowaw"). Hier interessiert die dritte Möglichkeit. Nach

ihr e~tsprechen sich ,/ AtLOUPOC; (Josephos Ant. 2, 178) und Chamul, 'AW6W

(Jos. Ant. 7, 117) und Chanun. Das byzantinische Kastell' Awouxac;, das heu­

tige Zelebije am Euphratufer, ist identisch mit dem aramäischen ~-Ianuka (= chanuka).12 Diese Lautgesetzlichkeit bleibt auch im umgekehrten Falle,

also beim Übergang vom Griechischen ins Semitische, in Kraft. So wird grie­

chisch &xpoc im Hebräischen zU ~1P~ (chakra) und &A'1'6, zu ~7Q (chalwa)." Damit ist der Weg für die Suche nach dem vermuteten semitischen Etymon,

das chananke oder ähnlich lauten müßte, frei. Die Suche soll sich auf die semi­

tischen Sprachen vom modernen Arabisch bis hin zum Assyrischen erstrecken

und auch das alte Ägyptisch einschließen.14

10 E. Schwyzer, Gr. Grammatik I 220 f. 11 Vgl. Schwyzer S. 143: "Zur Bezeichnung des h-Lautes hatte das semitis.ch,:>:'

Alphabet das Zeichen he; man hat aber im Griechischen nicht dieses, was erwarten sollte, für den spir. asper gebraucht, sondern die Bezeichnung eines keren Spiranten (!Jet, ungefähr deutsches "eh"); das Zeichen he wurde unter gabe seines Konsonantenwertes für e (griech. 'f) und H) gesetzt."

12 Streck in Oriental. Literaturztg. 9 (1906) 97. Eine Anzahl weiterer Beisl,iele, bietet das Eigennamenverzeichnis am Ende des zweiten Bandes der Sept,"allintac Konkordanz von Hatch und Redpath. Vgl. G. Lisowsky, Die Transkriptionen hebräischen Eigennamen de~ Pentateuch in der Septuaginta, Diss. Basel 1940 S. sowie S. 23: "Eine eindeutig zwiefache Transkription hat n ClJ-et) erfahren. scheint bald als X, bald bleibt es ohne Wiedergabe." Für das Folgende ist zu ten daß hund h nur verschiedene Schreibweisen desselben Lautwertes sind.

;3 J. FUrst, Giossarium Graeco-Hebraeum, Straßburg 1890 S. 115 f. 14 Es zählt zwar nichr Zu den westsemitischen Sprachen, hat aber doch

Das semitische Etymon

Gustaf Dalman15 berichtet über die heutige palästinensische Jochform und

kommt dabei auf die durch den Jochbalken gesteckten Haken oder Pflöcke

zu sprechen: "An den unteren Enden der Jochhaken sind Schnüre befestigt,

die unter dem Hals des Ptlugochsen, der sich zwischen den Jochhaken be­

findet, zusammengebunden werden. H Diese Schnüre heißen im modernen

Arabisch u. a. iznäf:.. Bei Aleppo, wo ein von den Enden der Jochstöcke aus­

gehendes Gurtband den Hals des Zugtieres mit dem Joch verbinde, heiße

dieses Band bnäft.a (Plural bnaji!;e), in Agypten mU!;näft.a. Die eine der beiden Jochschnüre ende oft mit einer Schlinge, die andere mit einem kleinen Bolzen.

Diese Bolzen seien "die Nägel der Fessel" genannt,16 Zu den Jochschnüren,

die im Alten Testament als moserot erscheinen ("Bande", Jerem. 27, 2) zitiert

Dalman CIl '0') Hai Gaon (zu mel)agger "Gurt" Ko1. 14, 4) "Es ist vom Joch al-binaf:. auf arabisch, nämlich das Seil, das man unter dem Hals des Ochsen

bindet." Im modernen Arabisch ist bannäf:.a Name einer Halskette aus Glas­

perlen oder Silber. Speziell die Korallenhalskette heißt mabna!;ea (DaIman V 341. 342). Dalman weist in diesem Zusammenhang auf 'anaf:. bzw. (Plur.)

'altakim als kettenförmigen Halsschmuck im Alten Testament hin (Hohes

Lied 4,9 und Sprüche 1, 9)' Vom heutigen Arabisch wären hier an Wörtern

gleicher Wurzel noch banaqa (würgen) und fJinaq (Strick zum Erdrosseln) zu nennen,!7 Bei Buxtorf18 Endet sich dieselbe Wurzel in banf:.a(lJnf:.) und malJanaf:. im Sinne von vinculum, laqueus und strangulare. Das Syrische hat mlJnJ:.kit in der Bedeutung laqueus, cruciatus, angustiae, wobei lJnf:. allein neben vin­

culum und cruciatus auch suffocatio bedeuten kann. 1U

starken semitischen Einschlag (Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, Oxford 1927 S. ztt.).

15 Arbeit und Sitte in Palästina 11 93ff. Für das Folgende ist Abb. 5 (hier) Zu vergleichen.

16 Dalman TI 94. Vgl. auch S. 10of. Dalman weist im Anschluß an Blümncr dar­auf hin, daß beim altgriechischen Joch in der Regel nicht die Kombination von Jochstäcken und Schnüren, sondern nur letztere allein das Zugtier ans Joch fessel­ten. Das wäre ~uy68ecr[J.o<; oder die ~e::ijyAIX~.

17 S. 237f. im Arabischen \'V'ärterbuch von Hans Wehr, Leipzig 1952. 18 Lexicon Chaldaicum, Talmudicum et Rabbinicum, Leipzig 1875. 19 C. Brockelmann, Lexicon Syriacum. 1895, S. 118 a. Nach Abzug von Präfor­

mativ und Endung bleibt als Wurzel 1).n1):. Sie ist - wie sich weiter zeigen wird -gemein-semitisch. In der Regel qrei Konsonanten repräsentieren im Semitischen jeweils eine ganze Begriffssphäre, deren Einzelwärter durch Afformative, Präfor­mative oder Infixe bei unveränderten Radikalen entstehen. Die Begriffssphäre, um die es hier geht, utnfaßt, wie bis jetzt schon deutlich ist, Schnur, Fessel, Halskette, Strick, Folter, aber auch würgen, ersticken usw.

Page 90: Ananke_ Untersuchungen zur Geschichte des Wortgebrauchs.pdf

Das semitiscbe Etl'Jton

J. Levy20 verzeichnet von der gleichen Wurzel banalf, (würgen) und banal!dn in der Bedeutung "Fesseln, die um den Hals von Gefangenen gelegt wurden".

Es ist Targum Jeremia 27, 2 (vgl. 2, 20) die Rede von "Bändern (Fesseln) und

Jochen (Stangen)", die um den Nacken gelegt werden. Das hebräische mo­

serot umotot ist in dieser aramäischen Wiedergabe des Alten Testamentes

hanakin l1ß nirin. Auch niru (Joch) ist gemeinsemitisch und seit dem Akkadi­

~che~ bekannt.21 Das Lexicon in Veteris Testamenti libros von L. Koehler und

W. Baumgartner nennt in diesem Zusammenhang bana/f. (würgen, erwürgen)

und bnkt (würgende Dämoninnen), und Gesenius22 vergleicht dazu assyrisch

pana!:<u (würgen), bin1:J «Strom)enge)23 und altägyptisch bnk (eng) "nd bng (Kehle). Im Koptischen," der griechisch geschriebenen Spätform des Agypti­sehen, fällt auf AAo.K (alak) und 3 AAo.K (chalak) in der Bedeutung "Ring". Vielleicht liegt Liquidavertauschung n > 1 vor. Reicheres Vergleichsmaterial

bietet das alte Ägyptisch.25 Die hier interessierende Wurzel findet sich (I 100f.)

in \nk (gesprochen "enek"), umfassen, umschlingen (daher nf? auch vom Bei­

schlaf), würgen. Der Saft heißt, wohl vom Auspressen, bnlß. Das Schiffsseil

ist \nlßj oder \nj, \nfr, t, und die Fessel heißt u. a. nf?t. Ebenso aufschlußreich ist

das Akkadische.26 So wird das Verbum banaqtt (gesprochen "chanaku") ver­

wendet in der Bedeutung von constrict und strangle. Von besonderem In-

20 Chaldäisches Wörterbuch über die Targumim Bd. I Leipzig 1881 S. 270. 21 Vgl. Jastrow (Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli etc. I-lI. New

York 1950 S. 485ff.) der zu Targum Jeruschalmi 2, 20 und 27, 2 für l;lanal~a die Be­deutung festlegt "ropes or chains around thc neck". Von der gleichen W~rzel findet sich 'anak und 'anak (pressen, würgen), 'anak (Halsband), 'onek (Hals), InI$:a (Hals,

Kehle, Halsband). 22 Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, Göt-

tingen 195917•

23 hin _ in _ ki wird in den Annalen des Assurnasirpal genannt und gehört, wie Strack, Or. Lit. Ztg. 9 (1906) 95 ff. zeigt, zur Wurzel p j 1"'1 (chanak), auf die auch das oben schon genannte 'Avvoüxtt~ zurückgeht. Dieses Kastell lag an strategisch wichtiger Stelle am Euphratufer. wo durch Herantreten der Berge an den Fluß eine Einschnürung des Flußlaufes erfolgte und nur eine enge Passage blieb. St~ack b~ruft sich auch auf Meißner (Theo!. Lit.-Ztg. 1904, Nr. 3, Sp. 68), der darauf hmgewiesen hatte, daß im Atlasgebirge heute noch ein Engpaß gewöhnlich lJ-nel>: heiße. Das ganze erinnert an die 7t'&poBo~ &vttyxttllX des J osephos und die ocYX7) des Kratylos. Vgl. auch oben S. 65 Anm. 26 und 166 Anm. 2. .

24 Eingesehen wurde das Koptische Handwörterbuch von Wilhelm Spiegelberg,

Heidelberg 1921. .. . 26 Die Angaben werden gemacht nach dem Wörterbuch der Agyptlschen Sprache,

hrsg. von Erman und Grapow Bd. I-VI, Leipzig 1926- 1 95 0. 26 Die Aussagen beziehen sich auf ,The Assyrian Dictionary' Bd. VI Chicago';;

1956.

Das semitische Etymon I7J

teresse ist dabei ein unter "ta strangle without killing" angeführter Beleg:

"he hit me over the head and choked me with the cord of his neck-band

saying ,(one day) they will place the neck-band of a worker upon Gobryas and PN in exactly this way!'." Gemeint ist offenbar der alte Ritus der Fesse­

lung, die zum Sklaven macht. Das gleiche Verbum steht auch in der Bedeu­

tung "to wind tighly around the neck" im Sinne magischer Fesselung. banqu wird auch als Adjektiv zur Bezeichnung der Fesselung durch ein Halsband

verwendet und oannaqu ist sowohl "strangler" wie "a kind of fastening".

Diese Fülle von Vergleichsmaterial mit semantischer Parallelität zu Ananke

läßt den sicheren Schluß zu, daß die gemein-semitische Wurzel onlß das Ety­

mon des griechischen Wortes ist. Nachdem einleitend mit der Entsprechung

cha = &. die lautliche Voraussetzung für den Übergang des semitischen Wor­

tes in das kleinasiatische Ost jonisch geklärt wurde, ist jetzt ein letzter mög­

licher Einwand auszuräumen. Man könnte fragen, wie aus anak ein anank

werden konnte. Die Erklärung ist wohl in der besonderen gepreßt-kehligen

Aussprache des k-Lautes (in banal~u) bei vorangehendem langen "a" zu suchen.

Hethithisches bamank27 (bzw. gamenk, gamink) zeigt deutlich, wie beim

Übergang ins Indogermanische - zu dem das Hethitische gehört - aus semiti­

schem (b)anak(u) unter Kürzung des a-Lautes und Veränderung des Laut­

wertes von "k" ein griechisches anank werden konnte.

&v&.YX'l) ist also bei Horner semitisches Fremdwort oder vielmehr Lehnwort,

denn es ist zu dieser Zeit bereits soweit in das Griechische integriert, daß es

nicht mehr ausschließlich im Sinne von "Fessel" steht, sondern schon weit­

gehend metaphorisch und auch schon abstrakt verwendet ist. Immerhin ist

nicht nur in &.v&.YX1), sondern auch in &vayxCt.:'i:o~ die "Bindung" noch sehr wohl

nachweisbar. f1.G&Ot; &\locyxa~ot; ist das bindend befehlende Wort (Od. 17, 399;

20, 344), ~fLap&vayx""ov (11. 16, 836) ist identisch mit dem häufigeren 30UAtOV

~f1.ocp. Das ist aber der Tag des ö~crCl.vt'CI. &YE~V, der rituellen Fesselung, die den

Ergriffenen zum Sklaven macht.28 Besonders bemerkenswert sind die Of1.WEt;

&.\lCl.YxCI.'i:o~ (Od. 24, 210), die schon der antiken Erklärung Schwierigkeiten ge­

macht haben. Eustathios deutet - sicher nach der ihm vorliegenden Scholien­

sammlung - ot X.PE~WOE~t;·, was ganz unsinnig ist, doch überall angeführt wird.

Der kluge Jacob Grimm hat hier das Richtige gesehen." Sein Vorschlag paßt

27 Es hat die Bedeutung "binden, verbinden, verheiraten"; Johannes Friedrich, Hethitisches Wörterbuch, Heidelberg 1952.

28 V gl. oben in einem assyrischen Text: "he ... choked me with the cord of his neck-band saying ,(one day) they will place the neck-band of a worker upon Go­bryas and PN in exactly this way'."

29 " ••• der an band oder feße1 ist, &vocYXtti:o~". Deutsche Rechtsaltertümer, I Leip-

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Das semitische Etymon

ausgezeichnet zu 8(J.wz,:;;, die wohl etymologisch nicht zu 86(J.0,:;;, sondern zu 8tx:(J.rXw

gehören. 8tx:(J.tiw- 8rX(J.v"f)(J.~ steht sprach geschichtlich nahe bei air. damnaim "fest­binden, (Pferde) bändigen" (Frisk; vgl. Hofmann)." Danach ist ~fLws als "Kriegsgefangener, Knecht" (Hofmann) ursprünglich der "Gefesselte". Wenn 80\)),,0':;; im Englischen soviel wie "bondman" ist (Liddell-Scott), so liegt da ein ähnlicher Gedanke zugrunde. Zu einer Zeit, da das Moment der Fesselung in 8(J.wz,:;; nicht mehr bewußt war, wurde es durch die Erweiterung 8(J.wz,:;;

&vayxC(~m wieder lebendig. Die 8(J.wz,:;; &vC(yxG{~m sind wieder bondmen im ur-, sprünglichen Sinne. Freilich archaisiert die Odyssee hier (24, 210). Es wird einem Schema genüge getan, wenn der alte Laertes, der bald in den Kampf zieht, als Mann erscheint, der sein Gesinde auf Kriegszügen erbeutet hat. 31

zig 1899 S. 431 im Zusammenhang der verschiedenen Bezeichnungen für den Leib­eigenen und Knecht. Vgl. S.433 die alte Bezeichnung "halseigen" statt "leibeigen".

3(} Zu S. df. oben (3cqJ.äv &:\J&yx:(J) vgl. noch 11. 12,434, wo offenbar auf eMfJ.lXcrcrev sich zurückbezieht rrfB1)cre Be tpd8~fJ.1X YU~IX.

31 Vgl. G. Micknat (58f.), die im Zusammenhang mit 8fJ.{;)e:t:; und 8WolX( zu glei­chen Aussagen kommt. 8fJ.wet:; &VIXYXIX~OL hat noch Nonnos im Ohr, der bei der Aus­einandersetzung des Lykurg mit Dionysos und seinen Bassariden dercn Schicksal ausmalt: sie sollen &vayxcäo~ 6fJ.E:\Ja~o~ ertragen (20, 234), und von einer Bassaris heißt es (245 f.)

8!hwL;; avayxa(1) xat IIaÄA&3~ xcd Ku.B-e:pd"n ~fJ.1X't"(0~t:; 't"IXÄ&pO~O'~ XlXt eV\l\)x(o~t:; 6!he:vlX(o~t:;.

Hier ist noch der alte Sinn von &AOXO~ 8' &nOLm 8a!he:~E:v (Il. 3, 301) greifbar.

- - ~-------~~~--~-" ......... ; .. 5 .... "@_""'"g;""""

SCHLUSSBEMERKUNG

Damit ist die Untersuchung von Ananke arn Ende. Wenn nebenher auch sichtbar wurde, was der Begriff "Fessel" für das griechische Denken leistet, so ergab sich das beinahe zwangsläufig aus dem Umstand, daß Ananke im Grunde eine allophone Bezeichnung des griechischen Desmos ist. Doch verläuft die Entwicklung der Ananke nach erfolgtem Übergang aus dem Semitischen in rein griechischen Bahnen, und erst seit hellenistischer Zelt scheint der Sprach­gebrauch bei griechisch sprechenden Orientalen und wohl auch in den Zauber­texten wieder leicht vom Semitischen her affiziert zu sein.

Jedenfalls ist die Entwicklung des Wortes Ananke jetzt im ganzen über­schaubar. Die Methode, das Wort nacheinander in seinen verschiedenen An­wendungsbereichen aufzusuchen und dort - unter Beachtung der in diesen Bereichen bestehenden Eigenarten des Denkens - in seinem Gehalt Zu ver­stehen, mag rückblickend gerechtfertigt sein. Gerade das Vorgehen nach An­wendungsbereichen ermöglichte ein Erfassen jeder Bedeutungsnuance. Viel­leicht darf man sogar sagen, daß Bedeutungserforschung, um nicht die Gefahr einer petitio principü zu laufen, überhaupt nicht von den Bedeutungen eines Wortes ausgehen darf: diese sollen ja erst bestimmt werden. Zu sehen ist jetzt, warum Ananke gerade in diesen oder jenen Anwcndungsbereich - der sich nicht immer ganz mit einem Bedeutungssektor deckt - eindringt. Sie bringt bestimmte, der Struktur des jeweiligen Sinnbezirkes konforme und entgegen­kommende Eigenschaften mit sich. Wenn etwa für den Bereich der Erotik oder der Magie - um zwei Beispiele herauszugreifen - der Gesichtspunkt der Fesselung so bedeutend ist, so mußte Ananke auf Grund natürlicher gegen­seitiger Attraktionskräfte früher oder später in diesen Bereich eindringen. Das ist nicht· einfach die Wanderung einer Wortschablone, vielmehr tritt eine doppelte Wirkung ein. Mit dem Eindringen in einen Sinnbezirk erfuhr Ananke von dort her eine formende, bedeutungsfestlegende Wirkung, war aber zu­gleich auch an der Ausprägung des jeweiligen Sinnbezirkes beteiligt.

Die Frage, an welchem Punkte der Entwicklung Ananke nicht mehr Konkretum, sondern ein abstrakter Begriff ist, kann - das muß schließlich ge­sagt werden - nicht sicher beantwortet werden. Aber die Einteilung "konkret: abstrakt" innerhalb der Lexikographie ist ja nicht immer frei von Gewaltsam­keiten und Vereinfachungen. Die Natur eines sprachlichen Feldes und seines Bedeutungswandels bedingt das Vorhandensein von Zwischenstufen und "Überlagerungszonen", die oft recht breit sein können und in die genannte

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Schlußbemerkung

Schablone nicht passen. So ist z. B. die übliche Einordnung der drei Wörter Binde Bindung Bund" diese: konkret, metaphorisch, abstrakt. Doch

~chließ; das keinesfalls aus, daß "Bindung" und "Bund" auch als Konkreta ver­wendet werden. Fließend sind aber auch die Grenzen im Bedeutungsfeld des Einzelwortes.

Daß Ananke ursprünglich ein Konkretum ist, kann schlechterdings nicht bezweifelt werden, denn allein schon die homerische Formel &yz~v &vocyx:{) mit ihrem kulturgeschichtlich-archäologischen und semantischen Hintergrund (3~aav't'« aye:~v) hat das als conditio sine qua non des Verständnisses. ~er Grad der Abstraktion, die schon sehr früh einsetzt, ist je nach den verschIe­denen Anwendungsbereichen größer oder geringer, bringt aber die Zone des Konkreten, wie schmal sie auch oft sein mag, nie völlig zum Verschwin­den. Selbst bei der weitesten Entfernung vom Ausgangspunkt, da, wo der Gegenstand zur Person und Gottheit ~ird, erscheint das Konkretum - aus­getrieben, aber sozusagen durch die Hintertür wieder zurückgekehrt - als Attribut oder Wirkweise der allmächtigen Ananke.

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VERZEICHNIS UND NACHWEIS DER ABBILDUNGEN

Tafel I Abb. 1: Kampfszene und Abführen von nackten Gefangenen, die in Halsgabeln gesteckt sind. Nach A. Billerbeck - Fr. DeHtzsch. Die Palasttore Salmanassars 11. von Balawat, Beiträge zur As­syriologie 6, Leipzig (Hinrichs) 1909, 1 ff. 'Tafel UI Schiene H Sektor 6.

Abb. 2: Gefesselte nackte Hamatäer und Frauen, die ihre Röcke heben, werden dem siegreichen Salmanassar zugeführt. Nach Billerbeck­Delitzsch 'Tafel IV Schiene M Sektor 6.

Abb. 3: Eine Göttin (wohl Ischtar) führt dem König gefesselte nackte Gefangene Zu. Altbabylonische Zeit (25°0-2000). Nach B. Meiß­nei', Babylonien und Assyrien II Heidelberg (Winter) 1925 'Ta­fel 204.

Abb. 4: Dareios I (522-486) hat einige Empörer besiegt. Sie werden ihm vorgeführt. Stein von Bisutum. Nach Lübkc-Semrau, Die Kunst des Altertums, Stuttgart (Paul NeffVerlag) 1904 S. 69 Fig. 87.

Tafel II Abb. 5: Modernes arabisches Rinderjoch. Nach Zeitschrift des Deut­schen Palästinavereins 12 Leipzig (Baedeker) 1889 S. 160.

Abb. 6: Rotte von gefesselten Gefangenen. Bruchstück einer altbaby­lonischen Siegesstele. Nach B. Meißner, Grundzüge der baby­lonischen und assyrischen Plastik, Leipzig (Hinrichs) 1915

Abb·74. Abb. 7: Einfangen und Bändigen von Wildeseln. Relief aus Ninive.

Nach J. B. Pritchard, The Ancicnt Near East in pictures, Prince­town 1954 Abb. 186.

TafelIU Abb. 8: Die Ägypter siegen in einer Seeschlacht gegen die Nordvölker. Gefangene werden rottenweise gefesselt abgeführt. Bild von Medinet Habu aus dem Palast Ramses IU. (1198-1167). Nach H. Bossert, Altsyrien, Tübingen (Wasmuth) 1951 Abb. 949.

Abb. 9: Eine Rotte gefangener Philister. Thema und Herkunft wie be Abb. 8. Nach A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des Alten Orients, Leipzig (Hinrichs) 19304 S. 246 Abb. 92.

Tafel IV Abb. 10: Ausschnitt aus einer Gefangenenrotte. Nach Bossert S. 263

Abb·90 7. Abb. 11: Siegesstele Susaks I. (945-924). Amon und die Göttin von The­

ben führen dem König die Gefangenen der eroberten Städte Zu. Nach H. Greßmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testa­ment, Berlin (De Gruyter) 19272 S. 40 Abb. 114.

Abb. 12: Transport von Gefangenen zur Zeit Sethos I. (1313-1292). Nach Pritchard Abb. 326.

'Tafel V Abb. 13 u. 14: Thutmosis IV. (um 1415) in der Schlacht. Darunter ge­fesselte Gefangene. Nach Pritchard Abb. 314 und 315.

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IS2 Verzeichnis lind Nachlveis der Abbildungen

Tafel VI Abb. 15: Hethitische Kriegsgefangene auf einem Fries der Kolossal­Statue Ramses 11. in Abu Simbel. Nach einer Aufnahme von

. W. Schneditz (circa 1960) in der Zeitschrift "Das Schönste" (Verlag Kindler, München).

Abb. 16: Gefangene Feinde Ramses III. Nach Pritchard Abb. 7. Abb, 17: Gefangene Feinde werden von Ägyptern an der Leine geführt.

Nach Pritchard Abb. 49. Tafel VII Abb. 18: Thema wie Abb. 17. Nach Pritchard Abb. 51-

Abb. 19: Sethos I. führt eine Rotte von kriegsgefangenen Syrern an der Leine. Nach Jeremias S. 225 Abb. 78.

Abb. 20: Darstellung auf dem Fußschemel eines Thrones im Grabe des Tutenchamon. Die traditionellen Feinde Ägyptens werden als Rotte zusammengefesselt abgeführt. Nach L.H. Grollenberg, Kleiner Bilderatlas zur Bibel, Gütersloh (Bertelsmann) 1960 Tafel 90.

Abb. 21: Sethos 1. führt Kriegsgefangene gefesselt fort. Nach Pritchard

Abb·3 2 5· Abb. 22: Gefesselte Feinde auf dem Streitwagen Thuthmosis IV. Nach

Pritchard Abb. 8. Tafel VIII Abb. 23: Ein "Menschenfänger". Malerei in einer Handschrift des Sach­

senspiegels. Nach: F.M. Feldhaus, Die Technik der Antike und des Mittelalters, Potsdam (Akademische Verlagsanstalt Athen­aion M.B.H.) 1931 S. 284 Abb. 302.

Abb. 24: Seth-Typhon mit dem Kyklos Anankes, daneben zwei gefesselte Wagenlenker. Nach R. Wünsch, Sethianische Verfluchungstafeln aus Rom, Leipzig (Teubner) 1898 S. 28.

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516 : 3· 76 ; 525: 3' ; 562: 34; 578 : 47; 670ff.: 33; 770: 31; 991: 31; 1006: 31; 105 off.:4.116; Sept. 74f.: 1. 20; 12of.: 26; 233: 1; 290: 25; 471: 20; 793: 20; Fr. 379 N.: 4013.

Aisopos (Corpus Fabularum, Hausrath) 116 III: 44; 288: 44

Alexandrides fr. 4 (Kock): 77 Alkiphron 3, 13, 1: 81 26

Amphis fr. 20, 4 (Kock): 58 f. Anakreon (Gentili) fr. 82, 7: 23 Anaxagoras B 12: 117 Anaximander A 26: 8635 ; B 1: 110 Andolddes 7t". [.LUG't". 1, 2: 36 Anthologia Palatina 9, 396: 69 Antiphon or. 5,40: 45; 5, 42: 45 20 ; 6,

25: 4827

Antiphon soph. B 44: 511; B 64: 6627

Apollonios Rhodios 1, 367ff.: 89; 2, 23 2f.: 61; 3, 532: 1366; 3, 1314ff.: 2

Adstophanes Ekkl. 963 ff.: 57; Equ. 279: 89; 1053: 16; Nub. 264: l1i09; 437: 44; 592 : 23; 620: 45; 1075ff.: 57; Plut. 476: 2227 ; 606: 2227 ; Ran. 616: 45

Aristoteles an. post. 93b 36: 88 38 ; 94b 38: 50; de caelo 277 a 12: 106; 284a 15: 118; 300b 18: 501; degen. etcorr. 315b 21: 106; eth. Eud. 1224b 11ff.: 16; eth. Nie. 1180a 21: 102; hist. an.

576b 20ff.: 6; Magna Moralia 1188b 16: 5919

• 63; Metaphysik 1015a 20ff.: 16·51. 62. 167; 1026b 28: 106; Physik 198b 17: 50. 746

; 200a 13: 122123 ; 203b 10ff.: 7716 ; 223b 24ff.: 15345 ;

Polk 1306b 2: 2227 ; Probl. 916a 27: 15345

; Ps. Ar. de mundo 393b 9: 1°5 83 ; 401b 8ff.: 133. 166; Ps. Ar. Rhet. ad Alex. t422a 19: 73 2 ; 1430b 32: 88 38

Catalogus codd. astrol. 7, 176: 140; 41, 11: 122

Bakchylides 11, 44f.: 1816. 135; 11, 64ff. : 25; 17, 43 f.: 5; 17, 92ff.: 5

Basileios Hexahem. B A: 127132 Boethills herrn sec. 3, 9: 123 Cicero de fato 18, 41: 125128; de rep. 6,

16: 9246

COnllcorum Atticorum Fragmenta Ades­pota (Kock) fr. 134: 58; 524: 6628

Demokrit A 1: 11498. 115; A 37: 11408.

115 101 ; A 39: 11498 ; A 43: 11510\ A 49: 115101 ; A 57: 115 101 ; A 66: 11498 ; A 67: 11499. 115102 ; A 69: 114°8. 115; A 83: 11498. 115; A 135: 11)101; B 1: 14941 ; B 5: 115 100 ; B 164: 116; B 167: 115 10°; B 181: 102; B 214: 56; B 239: 44; B 278: 514. 58; B 285: 63 24 ; B 289:

44 Demosthenes 19,220: 66; 29, 12: 45 Dikaiogenes Fr. 1, 1 N.: 5920

Dio Chrysostomos or. 1, 32, 36: 88; 2, 38,11: 88; 2, 78: 124

Diodor 1, 27: 13610 Diogenes von Apollonia A 8: 119115 ;

B 5: 11 9115; Cl: 119115 ; C 2: 117; C 4:

119115

Diogenes Laertios 8, 14: 152f. Dionys von Halikarnaß 7, 41: 514 Doxographen (Diels) 322a 10: 124. 128;

323 b 17 ff.: 125; 325b 31: 129; 561, 4: 117109 ; 589, 11ff.: 130141

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Register

Empedokles A 32: 11397 ; A 38: 113 97 ; A45: 11397 . 115 103 ;A50: 130141;B8: 110; B 11: 112; B 12: 110; B 17: 110; B 26: 11192 ; B 27: 11192 ; B 28: 111 92 ;

B 29: 111 92 ; B 30: l11f.; B 38: 118; B 115: 73. 111. 152; B 116: 113 96 ; B '35: 99

Epiktet 3, 26, 7: 4827 Etymologicum Magnum s. v. &V&YKIJ:

,66 Eupolis Fr. 149 (Kode): 24 Euripides Alk. 416ff.: 745 ; 616f.: 745 ;

847: 747; 962-984: 5716. 7034. 73. 9760 . 105; Andr. 98: 81 26 ; 109f.: 14. 26; 301: 20; Bakch. 88f.: 46; 518: 42; )45 ff.: 4'; 6'5 ff.: 4'; 642f.: 4'; 696f.: 88; H. F. 7,of.: 35'; Hek. 357: 36; 36,ff.: 35 f.; 375 f.: 36. 47; 584: 73'; 639f.: 47; 847: 6627 ; '295: 27; Hel. 254f.: 81 26 ; 512ff.: 63'7922 ; 977: 113; Herakl. 861f.: 12. 16; 886f.: 12; Hipp. '99: 87; 1j86ff.: 69; I.A. 38: ,u; 109f.: 111; 155: 111; 307: 111; 443: 1816.37; 511: 37; LT. 788: 113; Kykl. 234ff.: 10; 332: 50; Med. 161ff.: 113; 735: 113; 1192f.: 106; Or. 35 8 : 47; 488: 7922 ; 1315: 45 19 ; 1330: 1816. 38; 1377: 1°5 83 ; Phoen. 536: 85 34 ; 999f.: 73; 1763: 72; Supp!. 32ff.: 40; 102f.: 40; Troad. 140: 17; 599: 20; 614: 17. 26; 669f.: 27; 677f.: 1410. 27; fr. 287 N.: 47; 299: 7922 ; 339: 73 2; 475: 1816. 7920 ; 716: 734; 877: 119111

;; 941: 118 Eusebios praep. ev. 5. 7f.: 154J1; 6, 4:

15957

Gorgias B 11: 54 Heraklit A 5: 110; A 8: 110; B 94: 7613 Corpus Hermeticum 3, 12, 1 f.: 128 ff. ;

3,14,1: 128f.; 3,16, 2: 128; 4, 23, 39: 87

Herodot 1, 11: 1816. 30; 1, 116: 44; 2, 65: 358; 3, 14: 23; 3, 19: 113; 6, 75: 86; 7,8: 20; 7,96: 43: 7, 136: 35 7; 7, 139: 43; 7, 172 : 29· 35 7; 7, 233: 35 8

;

8,22: 1816 ; 9, 15: 35 8; 9, 16: 1810. 30.

72 ; 9, 17: 29; 9, 119: 7 Herondas 5, 25: 2224 ; 5,49: 45 20

Hesiod Erga 815: 35; Theogonie 517: 2. 118111 ; 521: 31; 614ff.: 3. 15. 29. 7611

Hippokrates de victu 1, 5: 732; nept dxv1)~ c. 12: 45 20

Horner Ilias 1, 367: 18; 2, 111: 1354; 2, 229ff.: 7· 16; 2, 834: 69; 3, 59:8127; 3,3°1: 5. 1411. 27. 17431 ; 4, 238: 1411

;

4, '97 ff.: 39; 4, 5'7: 67· 79; 11.5,3 86 : 108; 11. 5, 487f.: 6831 ; 5, 633f.: 30; 5, 659: 69; 6, 85: 6223 ; 6, 426: 18; 6, 454ff.: '3f. 54. 60; 6, 463: '4; 6, 488: 80; 7, 101f.: 80; 7, 402: 68; 8, 57: 6223 ; 9, 337: 302; 9,429: 1. 6f. 11;' 9, 593f.: 18; 9, 692: 1. 6f.; 10, 2: 6425 ; 10, 293: 1; 10, 418: 3of.; 11, 1°5: 7. 15 15 ; 11, 150: 28. 6223 ; 12, 79: 68; 12, 178: 28; 12,434: 174; 13,98: 24; 13, 571f.: 7.16; 13, 580: 69; 11. 13,7°6: 26; 14, 128: 28; 14, 198f.: 5413 ; 14, 315f.: 5413 ; 14, 353: 6425 ; 15, 133: 28; 15,199: 28; 15, 345: 28. 6223 ; 15, 655: 28; 16, 305: 28; 16, 805: 1354 ; 16, 831ff.: 1411 • 24; 16, 836: 14· 173; 18, 113: 1; 18, 119: 70; 19, 66: 1; 20, 30: 81 27 ; 20, 127f.: 80; 20, 143: 1; 20,25 lff.: 3of.; 20, 336: 81 27 ; 20, 435: 96; 21, 26ff.: 7; 21, 453f.: 7; 21, 517: 81 27 ; 22,5: 79; 23, 78(: 67. 80; 23, 265(: 1; 23, 585: 15; 23, 655 : 1; 24, 269: 76; 24, 667: 30; Odyssee 1, 34: 81 27 ; 1, 154: 28; 1,267: 96; 2, 112: 29; 3,382: 1; 3,486: 26; 4, 469: 15; 4. 557f.: 1. 14f. 60; 4, 637: 1; 4, 79 tf.: 41; 5,14: 1. 14f. 60; 5, 154f.: 28f.; 5, 289: 47; 6,1°9: 1; 6, 228: 1; 7, 216f.: 61; 8, 336: 4418.108; 8, 340: 26; 8, 360: 108; 8,528: 22; 8, 579: 8025 ; 9, 98f.: 1. 6. 8ff.; 10, 168: 87; 10. 266ff.: 11; 10, 286: 4722 ; 10,434: 28; 11, 292: 79; 12,92: 69; 12, 164: 4418 ; 12, 330: 61; 13, 168: 15; 13, 3°7: 28; 13, 321 : 4722 ; 14,27: 1. 7. 10; 14, 264: 18; 14, 270. 41; 14, 272: 1. 6ff.; 14, 298: 28; 14, 318: 6425 ; 14, 340: 24; 15, 311: 61; 16,129: 96; 17, 143: 1. 14f. 60; 17, 323: 24; 17, 398f.: 31. 137· 173; 17. 441: 1. 6ff.; 18. 76: 1. 7. 11; 19, 73:

Register JSI

62; 19, 156: 29; 20, 196: 8025 ; 20, 343f.: 31. 137. 173; 22, 33: 68; 22, 41: 68; 22, 189: 87; 22, 331: 28; 22, 353: 1. 6f. 10.28; 22, 451: 28; 22, 465ff.: 23; 24, 146: 29; 24, 210: 173f.; 24, 498f.: 4012 Hymn. Aphrod. 117: 11; 121f.: 11; 130: 11. 60; 133: 6; Ap. 543: 1; Dem. 20: 14; 30: 14; 72f.: 14; 124f.: 14; 147f.: 28; 216f.: 13f. 28f. 72; 431f.: 14; Dion. 7, 13: 15; Herrn. 373f.: 45; 409: 108; Kyprien Fr. 7 (Allen): 5

Horaz carrn. 3,24,8: 68; od. 1, 14, 3ff.: 89

Hygin § '25 (Rose): 9 Inschriften; Peek, Griech. Grabged. 17,

1: 20; 22, 7f.: 96; 165, 15: 7035; 207, 9: 6933

; 326, 10: 7035; 349, tf.: 69; 369, lf.: 67. 102; 441, 3f.: 67. 69; 447,8: 6933

Isidorus, Etyrnologiae (Lindsay) 19, 4,

4: 89 Isokrates Paneg. 81: 113; 84: 67 Jamblich de mysteriis Aegyptiorurn (Par­

they) 1, 5: 87. 115 104 ; 1, 14: 156; 2, 1: 160; 2, 5: 16061 ; 2, 6: 14633; 3. 18: 156; 4, 8: 121; 5, 2: 146; 5, 7: 63; 5, 12: _16063 ; 5, 15: 146f.; 5, 18: 158; 8, 7: 146. 158f.; 8, 8: 15969 ; 9, 6: 160; 10,5: 158; Protrept. 8: 146; 13: 63. 146. 158; Theol. arithm. 60: 10482

J ohannes Philoponos de opificio rnundi 4,20: 155

J osephos Ant. 2, 60: 43; 2, 67: 43; 2, 178: 170; 2, 216: 27; 4,132: 5920; 6, 89: 27; 6, 128: 1610°; 6, 219: 16; 7, 117: 170; 7. 133: 58; 7, 292: 41; 8, 4: 25; 8, 60: 106; 8, 69: .106; 8, 375: 16; 8, 385: 2430; 9, 201: 17;-11,47: 323; 13,203: 16; 15, 227: 4520; 16, 162: 4827 ; 16, 232: 45 20 ; 16,253: 4520; 16,391: 4520; 17,77: 4520; 17, 105: 4520; 17, 134: 111; 18, 191: 16.; 19, 357: 528

; 20, 77: 113; Bellum Jud. 1, 77: 65; 1, 173: 16; 1,243: 5615; 1, 357: 16; 1, 491: 45 2(); 1, 496f.: 46; 1, 507: 65; 2, 143: 113; 2, 149: 6425 ; 2, 154f.:

147; 2, 157: 32; 2, 195ff.: 102; 2, 229: 16; 2, 286: 65 26 ; 2, 355f.: 1411 ; 2,457: 16; 3, 148f.: 39; 3, 186: 61; 3,271:

44; 3, 374: 6729 ; 4, 329: 45; 4, 434: 39; 4, 677: 44; 5, 339: 1662; 5. 43 6 : 61; 6, 75ff.: 1662; 6, 137: 61; 6, 158: 40; 6, 319: 61; 6, 230: 16; 6, 433: 41; 7, 122: 6520. 165f.; 7, 154: 22 25 ; 7, 343 ff.: 147; 7, 351f.: 147; 7, 382: 21 22 ; 7,418: 45 2(); 7. 449: 16; contra Apio­nem 1, 176: 17; 2, 201: 6; 2, 240: 43; 2,247: 43; Vita 161: 4827; 211: 113\)5; 223: 6627 ; 388: 6223

Kallirnachos in Cererern 61: 323; in De­lum 34ff.: 15

Klernens Alexandrinus Protr. c. 4 p. 157 (Migne): 15449

Kratinos ft-. 115 (Kock): 2227

Leukipp Al: 11498• 115100.101; A 6:

11499; A 7: 115101 ; A 10: 11498

• 115 101 ; A 14: 115 101 ; A 15: 115 101 ; A 23: 115101 ; A 24: 11498. 115100.101; B la: 11510°; B 2: 114. 117

Libanius or. 12, 80: 102; 13, 10: 102 Lukian Apologie c. 1: 24; Erotes c. 38:

81. 125; Jup. conf. c. lff.: 8of.; c. 18: 81; Menippos C.ll: 23; n.nev.&.c. 2: 68; Tox. C. 29: 43; c. 32: 6628 ; c. 48: 2224

Lykurg Lear. 102: 10277

Lysias 6, 32: 732

Macrobius in Somn. Scip. 1, 12: 9761

Papyri Graecae Magicae (Preisendanz) I 1,99: 138; 1, 212f.: 162; 1,221: 162;

1,223: 155 51 ; 1, 319: 137; 2,44: 1351; 3,101: 13923; 3, 119ff.: 142; 3, 163: 13611; 4, 74: 155 5°; 4, 260: 141; 4, 296: 13 611 ; 4, 305: 138 ; 4, 316 : 13 8 ; 4, 33 6 : 1361°; 4, 350: 13612. 13 819 ; 4, 380: 139; 4,395: 13 6 ; 4, 400: 13 81°; 4, 459: 137; 4,504: 160; 4. 526: 160; 4. 534: 161; 4,589: 1361°; 4, 605: 161; 4,1036: 1351; 4, 1295: 1351

; 4, 1391: 13 817 ; 4,1399: 14024 ; 4,1412 : 13 819 ; 4,1437: 1351; 4, 1455: 14024 ; 4, 1457: 13 817 ; 4,1470: 13 819 ; 4,1498: 13 817 ; 4,15 10 : 13819; 4,1669: 137; 4. 1915 ff.; 13819; 4,193°: 13817; 4, 20°5: 13817; 4, 2°92:

-1

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Register

13819; 4, 2.159: 1361°; 4, 2.2.04: 142.28 ; 4,2.2.35: 13 819 ; 4, 2.2.44: 14of.; 4, 2.3 10 : 141; 4, 2.442.: 138; 4, 2.574: 135 2

; 4, 2.676: 1351; 4, 2.684: 135 3; 4, 2. 68 5: 1351; 4, 2.708: 13 817 ; 4, 2.773: 54; 4, 2.85°: 13923 ; 4, 2.860: 13923. 14024; 4, 2.909: 137; 4,3111: 1351; 5, 328 : 135; 5,1314: 135; 12., 114: 1351; II 4, 52.6f.: 4827; 7, 3: 142.f.; 7, 66: 13922 ; 7, 2.17: 13923 ; 7, 2.33: 143; 7, 2.99: 13 61°; 7, 356: 141; 7, 455: 13 61°; 7, 471ff.: 14331 ; 7, 593: 13 817 ; 7, 648: 14432 ; 7, 879: 13 610 ; 7, 908: 138; 7, 985: 13612; 7, 10°5: 141f.; 8, 1: 13611; 8, 92.ff.: 143f.; 9, 5: 142.; 12., 59ff.: 143; 1264ff.: 140. 144; 1325: 13 817 ; 13, 2.90ff.: 162.; 13,752: 156; 15, 1: 47; 15, 10ff.: 141; 19, 14: 141; 32, 5: 13612; 36, 44ff.: 142.; 36, 70: 138; 36, 81: 58; 36, 150: 58; 36, 156: 13821; 36,189: 13817; 57: 13 82()

Maximus Tyrius 11,4: 12.9; 19, 8: 12.2.126

Mesomedes (Bellermann) V. 10ff.: 78 Moschion fr. 2. N.: 78 Nonnos 2., 52.: 19; 2., 2.47ff.: 10482; 2.,

2.63ff.: 118; 2., 306: 6; 2., 339f.: 43; 2.,62.2.: 3; 2., 677: 9657; 3, 32.9: 67; 3, 355ff.: 112.; 4, 2.14: 54; 4, 301f.: 592

();

4,32.6: 6; 7, 36f.: 7717. 10482; 7, 2.02.: 54; 7, 318: 747; 13, 31: 43; 13, 465ff.: 16; 15, 152.: 2.0; 16, 2.13: 6; 17, 1uff.: 2.; 2.0, 234: 6. 174; 20, 245f.: 17431 ; 26, 157f.: 4012; 27, 197: 20; 30, 78: 42; 31, 158: 6425 ; 33,251: 747; 33,2.53: 20; 34, 166: 20; 34, 2°5: 9. 2.0; 34, 2.64: 20; 35. 2.87: 45; 36, 359ff.: 42; 36,369: 42 ; 36, 383: 42; 36, 386: 42; 37, 3ff.: 145· 152; 38, 109: 118112 ; 38, 412: 106; 40, 155: 20; 40, 164: 54; 40, 2.69: 20; 41, 176: 104; 41, 302: 10482 ; 42, 48of.: 10482. 112.; 45, 2.37:

2; 45, 266ff.: 112; 47, 492: 46; 48, 525: 6; 48, 628: 6. 112.f.; 48, 635: 6425 ; 48, 798: 46

Orpheus B 18: 7035; B 19: 7035; OF (Kern) 57: 4; 58:4; 105: 134; 23 8: 1°5 83 ;

Hymnen (Quandt) 4, 5f.: 1)1; 55, 2ff.: 60; 57, 1: 69; 63, 5f.: 78. 103; 70, 5: 7613; 87: 146:13

; Argon. 142 (Abel): 70; Fragm. Orph. Nr. 36 (Abcl): 132

Papyri; H. J. Bell, Greek Papyri in the British Museum IV 1910; 1435, 39f. 1453,58.66: 2.1 19 ;'Maspero, Pap. gr. d'epoque byz. I 120, 11: 17; Papiri greci e latini (Publicazioni della So­zieta Italiana) V 452,2.8: 2.0

Parmenides A 32: 110; B 7: 106f.; B 8: 7611. 1°5 83 . 107ff. 116; B 10: 108. 118110

Philemon fr. 4 (Kock): nf.; 3" 74°. 7920; 90: 66

Philolaos A 1: 103; A 16: 91"-3; A 17: 9143.95; B 12.: 117109 ; B 14: 150

Phiion de aeternitate mundi 75: 126f.; de confusione linguarum 136: 126131 ; 166: 126; de exsecrationibus 12.1 ff.: 150. 16166 ; de fuga 112.: 126; de Jo­sepho 264: 1484(); de migratione Abra­hami 181: 126; de plantatione 8f.: 126f.; de somniis 1,46: 148; 1, 110: 148; 1, 111: 14838; 1, 138: 14837; 1, 139: 14839; 2, 44: 129138. 153; 2., 253: 63; de specialibus legibus 1, 137: 65; 1,317: 65; 2, 124: 6729 ; 3,97: 62; 4, 119: 6729 ; de virtutibus 2.7: 107; 78: 148"-(); 118: 12; de vita contemplativa 34: 62; de vita Mosis 1, 184: 62; 2, 223 : 63 ; in Flaccum 190: 90; leg. alleg. 1,108: 148. 161 66 ; 2, 14: 151. 161; 2, 16: 15of. 161; 2,57: 150; 3, 151:151 161; legatio ad Gaium 72: 6628 ; de mu­tatione nominum 135: 129138; quis rer. div. heres sit 273f.: 14837.39; quod deus sit immutabilis 47: 148

Pindar Nem. 7, 6: 81 26 ; 8, 3: 60; 01. 3. 28f.: 31. 37; Paean 6, 83ff.: 68; Pyth. 1,27: 3; 2, 93f.: 4621. 81 26 ; 4. 21 5: 15346 ; 4, 227: 2. 16; 4. 234: 2. 32; 4, 288ff.: 3; 12., 15: 5; fr. 93: 3; 94a 16:1;122:44;135:68;161:43;2°7:68

Pistis Sophia (Schmidt) p. 52: 163; 56: 163; 117f.: 163; 2.18: 130141

------------------------1

Register

Platon Epist. VII 332.e: 83; VIII 354d: 20; Gorgias 483ef.: 51'1. 102; 507e: 8433 ; 508a: 85; Kratylos 400C: 149; 403c: 68. 7611. 165; 418df.: 13715 ; 420df.: 165; Kritias 109C: 77; Mene­xenos 24oaff.: 12. 17. 1810. 55; Nomoi 643C: 64; 698cff.: 17. 102; 71ge: 10277

; 73 6e : 85; 753e: 83. 103; 770C: 20; 793bff.: 8" 818aff.: 64f.; 864e: 43; 875 a : 83; 897b: 12.0; 921C: 83; 933 a : 1368; 945 Cf.: 77. 90. 9+ 10787; Phaidon 68a: 15143; 8od: 90; 82eff.: 148. 150. 158; 97c: 90; 99a: 90; 99bf.: 86. 116f.; 108e: 86. 116f.; Phaidros 240C: 55; 246b: 12012°; 248c: 133; 250C: 14634 ; 251e: 46; Po­liteia 359c: 151"-3; 364C: 154; 369d: 64; 443e: 83"". 106; 458d: Hf.; 462b: 83; 488aff.: 77; 507e-508a: 87; 514 aff.: 149; 51ge : 83. 106; 52oa: 83; 567d : 43; 574 b/c : 65 f.; 579 b : 43'"; 616aff.: 81ff. 128. 152; 620d: 160; 621a: 152; 621b: 92; Politikos 272e: 7716.120; 302e: 83. 103; 305e-311c: 87f. 106. 115; Protagoras 322.c: 82f. 9042. 105. 116107 ; 345d: 7921 ; 355a: 15143; Symp. 195c: 2ff.; Theait. 176a: 121122 ; 190b: 83 31 ; Tlmaios 30b: 105; 30d : 85; 31aff.: 85. 91. 94. 98. 105; 34 b : 93". 98 ; 35aff.: 98f.; 36e : 98; 37a: 98; 37c: 98; 38eff.: 96. 98. 127; 40C: 92f. 96. 986"-; 4oe: 106; 41 a: 126131 ; 41b : 98; 42-43: 159; 43a: 149; 43d: 87; 44b: 149; 46cff.: 120; 47ef.: 119f."; 56c: 120; 73bff.: 149; 74b: 90; 81d: 149; 84a: 90; 85e: 14941

Plotin 1, 8, 5: 151; 1, 8, 7: 121; 1, 8, 9: 161; 2, 3,6: 121; 2, 3. 9: 96f. 151; 2, 9,7: 147; 3, 1, 2: 1161()5; 3, 1,4: 125; 3,1,7: 125; 3, 2, 2: 121; 4. 4,39: 121; 4,26,41: 159

Plutarch 305 cl: 16; 305 e: 4520; 404a: 59; 1056C: 125; fr. 15 (Dübner) 125. 133147

Polybios 4, 57, 1: 6729 ; 15, 28, 2.: 4520; 20,10,7: 2.3; 27, 3, 3: 89; 31, 11, 19: 4827; 32, 3, 6: 2.4

Porphyrios ep. ad Ancb. c. 29: 156; c. 38: 159; vita Plotini c. 18: 106; c. 22; 5920. 146. 157

Proklos in Plat. remp. (Kroll) II 85: 107; II 94: 1037n. 128; II 95: 152; II 98ff.: 84. 133; II 109: 118112 ; II 130: 9246; II 176: 84; II 192: 93; II 193: 94; II 197: 94; II 199: 93 47 ; II 200: 8941. 94; Il 207: 10379; II 208: 133; II 245 f.: 84. 1H; II 258: 127134. 146; II 274: 133; II 28of.: 146; II 339: 1)2; II 345: 99. 10379. 160; in Tim. 27 c (p. 222 Diehl): 146; 30 b (p. 408 D.): 146; 36 d (p. 269 D.): 59"; 41 e (p. 274 D.): 128. 132; Hymn. (Vogt) 1. 15ff.: 80; 1, 3of.: 145; 2, 15f.: 12713"-; 4, 10ff.: 152

Psellus Orac. Chald. Sp. 1132 (Migne):

9761

Pythagoreische Schule B 1a: 68. 14941 ;

C 6: 81 27 ; Doxogr. 321 b 4: 103 Quintus Smyrnaeus 13, 494f.: 68 31

Semonides 7, 62: 59f.; 7,116: 26. 59 Seneka de provo 5. 5: 122; dial. 9. 10,

3: 123f.; ep. 1°7. 10: 122 Sextus Empiricus adv. math. 2, 31: 83 Simplikios de caelo 284a 14 (p. 374 Hei­

berg): 11811 ; 284a 14(p. 377 Heiberg): 152; in Epict. Bnch. 208 A (p. 89 Dübner): 88. 105

Solon fr. 1, 63 f.: 291; 4, 34: 26; 28, 10: 6223

Sophokles Aias 62ff.: 17; 234: 16f.; 296: 16f.; 485: 33; 803: 33; 944: 20. 27; Ant. 118: 26; 202: 17; 291: 334; 351: 26; 756: 56"; 795: 54; 944ff.: 79"; 955: 7920 ; Phil. 73: 12; 206: 46; 215: 46; 1016: 12; 1025ff.: 12. 1816 ; 1316f.: 72; Trach. 831f.: 2; 1057: 2; fr. 235 N.: 7921 ; 464 N.: 302; 532 N.: 1810. 81 26 ; 854 N.: 14837

Stobaios 1,4: 7922 ; 2, 8, 43: 14633; 2. 8, 45: 129

Stoicorum Veterum Fragmenta (Arnim) 527: 122; 917: 123; 918: 123; 920: 123; 925: 80; 928: 126; 929: 126; 931: 126; 945: 123f.; 946: 123; 948: 123f.

Synesios Hymnus 1,731: 152

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I88 Register

Tatian ad Graecos c. 9 (p. 825 Migne): 122. 16064

Testamenturn Novum, Lukas 21, 23: 4823; Markus 13, 8: 4823; 13, 19: 4823;

13.24: 4823; Matth. 11, 29f.: 103; 2.4, 8: 4823; 24, 21: 4Bll3; 24, 29: 48:1.3;

Gal. 4. 21: 103; 5, 1; 103; KaI. 2, 19: 87; 3, 14: 88; 1. Kor. 3, 22; 4827 ; 7, 2: 53; 7. 9: 53; 7, 26: 48; 7. 36ff.: 51ff. 57 f .;9,16:35;12,23: pB, 5412

;

13.5: 528; 15, 51: 49; 2. Kor. 6, 4: 47. 49; 12, 10: 47. 49; Röm. 1, 27: 528; 8, 38: 4827; 1. Thess. 3.7: 47- 49; 4, q: 49; Aposte1gesch. 8, 23: 161 66 ;

9,2: 16; 9, 21: 16; 10, 24: 6627 ; 14, 22: 49; 15, 10: 103; 22, 5: 16; 27. 17: 89; Apoka116, 15: 528 ; Barnabasbrief 2,6: 1816 , 103

Testamentum Vetus, Sept. Dan. 12, 1;

48; Ez. 34.27: 20; Gen. p, 31: 170; 27,40: 25; 33, 19: 170; Hiob 15, 24: 46; 20, 22: 46; Jet. 34, zff.: 19; 35, df.: 19; 37, 8: 20; Jes. 37, 29: 24; 58, 6: 161613 ; Lev. 18.7: '528; 26, 13: 19; Makk. 2, 6. 7: 13; 2, 15, 2: 13; 3, 1, 16: 4827

; 3.4. 7 ff.: 9; 3, 5. 6: 42 ; 3. 5.6: 42 ; 3, 7. 5: 9; 4. 3, 17: 15 1 ; 4, 5,37: 4520; 4, 6, 9: 4520; 4, 6, 24: 4520; 4,9.6: 4520; Nah. 3, 5: 21 22

; Nu. 10, 29: 170; Provo 5, 22: 16166 ; Ps. 2, 3: 20; 17. 6f.: 46. 68; 17, 17: 44; 24,17: 46; 106, 6: 46; 106, 13: 46; 118, 143:

46; Reg. 1,22,2: 44; 4,19,28: 24; Sap. 17, 2: 9. 124; 17, 16: 9· 124; To­blt 3, 6: 161; 4, 9: 44; 8, 3: 13 67 ; 14, 10: 68; Zeph. 1, 15: 46. 48

Thales A 1: 109 Theognis 837: 26; 847: 334.4621; 1023:

33 4

Theokrit 2, 17ff.: 137H; 24, qf.: 45;

24,33: 45 Thukydides 1, 2, 2: 64; 1, 29, 3: 89; 1,

9°,3: 64; 2, 75,4: 87; 4,10,1: 41 ; 4,98, 5f.: 43; 5, 8, 3: 64; 5, 105. 2: 514; 8, 15. 2: 25

Tibu1l1, 1, 55: 592°.60; 2, 4, 3f.: 5920

Tragicorum Graecorum Fragmenta Adespota 502 N.: 7922

• 102

Tryphiodoras (Weinberger) 674: 6831

Tyrtaios Fr. 5, 1 ff.: 31

V crgil Eld. 78 f.; 1371•1

Vitruvius 10, 15, 6:89

Xenarch Fr. 1 (Kock): 45 19

Xenophon Anabasis 2, 5, 21: 44; 7, 7, 29; de ven. 7, 1: 57; Hell. 1. 7, 10: 732; 3, 3, 11: 24; 5,4,8: 42 ; 5, 4, 14: 42; Hieran 9, 4: 358 ; Kyrop. 1, 1, 14ff.: 34; 1, 6, 36: 6425

; 2,4,12; 35 8;

3, 1, 24: 25; 5, 1, 9ff.: 6425; Me­

lllOt. 1, 1, 11: 105; 2, 1, 14: 6627 ; 2,

6,9: 15; 4, 5, 9: 51. 61. 6425• 102;

resp. Lac. 10,7: 35; 12,4: 6425; Symp.

8, 12ff.: 56f.

-~".I." 'I "

TAFEL I

4

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TAFEL II TAFEL. IU

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TAFEL IV TAFEL V

I 1:3

10

14

12

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TAFEL VI TAFl1jL VII

17

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TAFEL VIII

2R

24