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126 | c’t Hacks 1/2013 Porträt Stephan Watterott Szene-Report Jeden Tag ein bisschen größer André Tucic Stephan Watterott hat einen florierenden Online-Shop für Do-it-yourself-Elektronikbauteile. Der Erfolg war nicht geplant: Eigentlich brauchte er am Anfang nur Teile für ein eigenes Projekt. Stephan Watterott in der „Machtzentrale”, wo jeden Tag rund 100 Bestellungen eingehen. Die Firma Watterott belegt das ehemalige Bahnbediens- tetengebäude der Stadt Leinefelde im Nordwesten Thüringens. © Copyright by Heise Zeitschriften Verlag

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Porträt Stephan WatterottSzene-Report

Jeden Tag ein

bisschen größer

André Tucic

Stephan Watterott hat einen florierenden Online-Shop für Do-it-yourself-Elektronikbauteile. Der Erfolg war nicht geplant:

Eigentlich brauchte er am Anfang nur Teile für ein eigenes Projekt.

Stephan Watterott in der „Machtzentrale”,wo jeden Tag rund 100 Bestellungeneingehen.

Die Firma Watterott belegtdas ehemalige Bahnbediens-tetengebäude der StadtLeinefelde im NordwestenThüringens.

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Stephan Watterott stemmt die Hände indie Hüften, lässt seinen Blick durch das

Lager schweifen und atmet tief durch. „Esist schon erstaunlich, wie sich mein Online-Shop entwickelt hat“, sagt er in ruhigemTon. „Mittlerweile vertreibe ich über 2000Artikel.“ Seine Geschichte beginnt in einerGarage in Hausen, einem kleinen Dorf mitknapp 500 Einwohnern in Thüringen. Ste-phan Watterott hatte ein Internetradio ent-wickelt und als Bausatz angeboten. Dochviele Bauteile waren in Europa nicht verfüg-bar – alles, was er brauchte, musste er beieinem amerikanischen Elektronikversandbestellen. Doch wer dort mehrfach bestellt,gilt als gewerblicher Kunde. „Also habe ichein Gewerbe angemeldet und im Forumvon www.mikrocontroller.net Interessentenfür Sammelbestellungen gesucht“, erinnertsich Stephan Watterott. Schnell hatten sichmehr als 30 Leute bei ihm gemeldet. In kur-zer Zeit wurden es immer mehr Menschenund Bestellungen – und zwar so viele, dasser im März 2008 die Firma Watterott elec -tronic gründete. Einen Monat später eröff-nete er einen Online-Shop – einen Versandvon Mikrocontroller-Boards, Sensoren undvielem weiteren Elektronikzubehör.

Damals hat er mit Hilfe seiner Frau Karina inden Abendstunden Pakete für den Versandvorbereitet. „Das war eine harte Zeit. Ichhabe damals im Handwerksbetrieb meinerEltern und meine Frau als Verwaltungsfach-angestellte gearbeitet. Ab 17 Uhr haben wirmehrere Stunden in einer Garage Paketegepackt und für den Versand vorbereitet“,erinnert er sich. Nach einem halben Jahrwar die Garage randvoll, kurze Zeit spätersogar noch ein Zimmer seines Elternhauses.„Also haben wir ein Büro und Lager gesuchtund das ehemalige Bahnbediensteten -gebäude in der nahe gelegenen Stadt Leine -felde gefunden. Das Gebäude stand 20Jahre lang leer, demzufolge mussten wirviel Arbeit in Ausbau und Sanierung ste-cken.“ Ein weiteres Jahr später kündigtenbeide ihre Jobs und widmen sich seitdemvollends der eigenen Firma. Eine riskanteEntscheidung, die sich jedoch gelohnt, aberauch viel Arbeit gekostet hat. „Wir habenmehrere Jahre keinen Urlaub gemacht“,sagt Stephan Watterott, fährt sich mit derlinken Hand durch seine langen Haare undlächelt sanftmütig. Dieser Mann scheint mitsich und seiner Arbeit im Reinen zu sein. Erist die Ruhe selbst, spricht mit weicher Stim-me und in ruhigem Tempo. Beim Reden fal-tet er seine Hände und benutzt sie kaum zurUntermalung seiner Worte.

Alles begann in einer Garage

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Fast 2500 verschiedeneArtikel sind über denOnline-Shop verfügbar.

Die aus dem LagerzusammengesuchtenArtikel werden in derVersandabteilung verpackt.

Stephan und Karina Watterottverschicken seit fast fünf Jahrenelektronische Bauteile.

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Mittlerweile umfasst die Produktpaletteetwa 2500 Artikel mit rund 120ˇ000 Einzel-teilen. Zu Beginn hat er die Herstellerselbst angeschrieben, um den Erstkontaktherzustellen. Doch das Blatt hat sich ge-wendet, denn viele Zulieferer melden sichnun bei ihm. „Ich bekomme aber auch lau-fend Produkt-Empfehlungen von meinenKunden“, erklärt Stephan Watterott. Aufdiesem Wege wächst das Sortiment jedenTag um ein bis zwei Artikel. Unter ihnenbefinden sich Mikrocontroller-Boards, Kits,3D-Drucker, Leiterplatten, Robotik-Kom-ponenten sowie diverse Sensoren. Aber ervertreibt auch Werkstattbedarf, Kabel, Bücher, Aufnäher und Beleuchtung. „Die

Highlights sind alles rund um das ThemaOpen Source, dabei sticht besonders dieArduino-Fraktion hervor“, findet StephanWatterott. Die beliebte Open-Source-Hard- und Software-Umgebung wurde inItalien entwickelt. „Es gibt unzählige Un-terarten vom Arduino und mittlerweilesehr viel Zubehör. Dieses Zubehör machteinen großen Teil unseres Produktspek-trums aus. Einige dieser Komponentenfertigen wir selber. Man kann damit zumBeispiel Temperaturen und Feuchtigkeitmessen. Aber theoretisch sind die Einsatz-gebiete schier unermesslich.“ Vor andert-halb Jahren hat Stephan Watterott begon-nen, diese Produkte zu entwickeln und zufertigen. Doch in den vergangen Jahren istder Shop immer größer geworden, dablieb kaum Zeit für Eigenentwürfe und -konstruktionen.

Künftig will er wieder verstärkt eigeneProdukte entwickeln. Dieses Ziel umzuset-zen ist gar nicht so leicht, schließlich kostetdas Tagesgeschäft eine Menge Zeit: Ste-phan Watterott nimmt monatlich bis zu3000 Bestellungen aus der ganzen Weltentgegen, beginnend bei kleineren Bautei-len über ganze Entwicklungskits, endendbei individuell zusammengestellten Sets.„Ein Großteil meiner Kunden ist in derMaker-Szene aktiv, ich beliefere aber auchSchulen, Universitäten und Unternehmenwie Siemens, Bosch oder einige Fraunho-fer-Institute“, erzählt er. „Die Bestellungenreichen von einzelnen Artikeln bis hin zuganzen Klassensets für Schulen und Uni-versitäten.“ Wer so viele Produkte ver-treibt, braucht einen passenden Ort, umsie zu lagern und den Geschäftsablauf administrativ zu begleiten. Seine Firma imalten Bahnbedienstetengebäude unweitdes Hauptbahnhofs belegt inzwischen 1000 Quadratmeter in zwei Etagen. Direktdaneben wohnen die Watterotts mit Hün-din Laika. Ruhig hatten sie es in letzter Zeitnicht in ihren eigenen vier Wänden, denndie benachbarten Geschäftsräume werdenlaufend ausgebaut.

Darin befinden sich eine Versandabtei-lung, zwei Büros, mehrere Lagerräumeund ein kleiner Raum mit einem Lichttisch,um Produkte zu fotografieren. Hinzukommt eine Produktionsfläche mit Bestü-ckungsautomat, Schablonendrucker, Löt-

Er betreibt keine Werbung

Täglich wächst das Angebot

Stephan Watterott willin Zukunft wieder mehr

Produkte für seinenShop selbst entwickeln.

Entwicklungen im eigenenHaus sind dank einesBestückungsautomatenfür Platinen möglich.

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ofen und Werktischen zur Fertigung dereigenen Produkte. In den Räumlichkeitenvon Watterott electronic ist alles sauber,lichtdurchflutet, leise. Einzig die kleineFertigungsstraße in der Versandabteilungstößt ab und an ein Pfeifen aus. Die einzi-ge auffällige Dekoration findet sich imPausenraum: jeweils ein Kunstdruck vonJohnny Cash und Lemmy von Motörhead.Nichts weiter. Man konzentriert sich of-fenbar auf das Wesentliche – und dasscheint eine gute Entscheidung zu sein.Denn sein Online-Shop floriert – und das,obschon er noch nie Werbung betriebenhat, sondern von Mundpropaganda lebt.„Mein Shop wird oft in den entsprechen-den Foren empfohlen. Aber ich arbeiteauch mit dem ComputerbuchverlagO’Reilly zusammen. Für einige Publikatio-nen, wie zum Beispiel zum Thema Intelli-

gente Kleidung, liefere ich die passendenBausets, damit die Leser die in dem Buchbeschriebenen Handgriffe nachbauenkönnen“, sagt Stephan Watterott.

Viele Aufträge bedeuten auch viel Arbeit.Bislang haben er, ein Lagerist und seineFrau, die als Bürofachangestellte mitwirkt,die ganze Arbeit gestemmt. Doch AnfangFebruar dieses Jahres wurde eine weitereBürokraft engagiert, in Kürze soll ein Elek-troniker folgen. Darüber hinaus arbeitetsein Bruder Andreas halbtägig mit undkümmert sich um die technischen Belan-ge. Ein großes Thema im Tagesgeschäftist der Support. „Der ist uns besonderswichtig. Hat ein Kunde ein Problem, hel-fen wir weiter. So etwas spricht sichherum und dadurch wächst der Online-Shop immer weiter“, erklärt Stephan Wat-terott. Meist geht es dabei um Problemebei der Ansteuerung von Baugruppenoder die Reparatur sowie den Austauschvon Bauteilen.

Neben dem Betreiben seines Online-Shops engagiert sich Stephan Watterott inder Maker-Szene. „In den USA gibt es einegroße Szene, die Messen und Veranstal-tungen organisiert. Ich war schon mehr-fach als Besucher und Aussteller auf sol-chen Maker Faires. So gut ist die Szene inDeutschland nicht vernetzt.“ Deshalb hater im Herbst 2012 seine Kunden online ge-fragt, ob sie Interesse an einer solchen Ver-anstaltung haben. Das Ergebnis ist dieerste Maker Faire in Deutschland, die An-fang August in Hannover in Zusammen -arbeit mit dem Heise Verlag stattfindenwird. Darüber hinaus unterstützt er einzel-ne Maker. „Wir schicken zum Beispiel Sach-spenden an Jugend forscht und habenden mehrfachen Deutschen Gewinner desIMAV-Wettbewerbs im Multikopterfliegenmit Bauteilen unterstützt“, sagt er. StephanWatterott hat also mehrere Eisen im Feuer:Er baut seinen Online-Shop weiter aus, un-terstützt einzelne Maker und vernetzt dieSzene miteinander – und trotz der vielenProjekte verliert er nichts von seiner ruhi-gen Ausstrahlung. (phs)

Unterstützung fürdie Maker-Szene

Von Haus aus ist Stephan WatterottElektrotechniker – was man an derAusrüstung der Werkstatt auch sieht.

In der hauseigenen Werkstatthat alles seinen Platz.

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