Angst als psychische Erkrankung · - dann bin ich anfälliger, belastende Lebenssituationen...
Transcript of Angst als psychische Erkrankung · - dann bin ich anfälliger, belastende Lebenssituationen...
Michael Bach APR – Ambulante Psychosoziale Rehabilitation Salzburg
Sonnenpark Wien Email: [email protected]
Angst als psychische Erkrankung
Vortrag , Linz, 11.10.2017
Emotion Auslöser Regulative Funktion Kommunikat. Funktion
Freude
Trauer
Furcht
Wut
Ekel
Über- raschung
Vertrautheit
Verlust
Gefahr
Grenzverletzung, Zielbehinderung Schaden
Erwartungsver- letzung, Neuartigkeit
Fortsetzung der dzt. Tätigkeit
Aktivitätsreduktion
Kampf oder Flucht
Abbau von Zielbehinderung
Zurückweisung
Orientierung, Vorbereitung auf neue Erfahrungen
Fördert soziale Bindungen
löst Pflege- und Hilfeverhalten aus signalisiert Submission, wehrt Angriffe ab Warnung vor Angriffen bzw. Aggression signalisiert Mangel an Aufnahmebereitschaft zeigt Unbefangenheit
Nach: Pauli, Rau & Birbaumer 2000
Primäremotionen: Funktionen
Zentrale Angstthemen des Menschen
Existenz- oder Vernichtungsangst - Angst, nicht zu sein
Trennungsangst - Angst, allein zu sein, allein gelassen zu werden
Angst vor Kontrollverlust - über sich, über Situationen/ Reaktionen
Angst vor Liebesverlust - Angst, abgelehnt zu werden
Angst vor Gegenaggression - wenn ich angreife
Angst vor Hingabe - mich in der Hingabe zu verlieren
Nach: Sulz 2001
- Ein Schema ist ein Muster an Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen. - Es ist ein inneres Bild über uns selbst oder über andere Menschen.
(z.B.: „Ich bin ein Versager“, „Ich bin alleine zu schwach“, „Andere sind mir überlegen“ oder: „Ich bin ein Genie“, „Andere Menschen müssen mich bewundern“)
- Ein Schema entwickelt sich in der Kindheit und Jugend und wird dann im Laufe unseres Lebens in bestimmten Situationen immer wieder aktiviert.
- Weil es sich dadurch immer mehr verfestigt, werden unsere Reaktionen immer unflexibler. - Das führt dazu, dass viele unserer Reaktionen, die früher einmal passend waren, in unserem
jetzigen Leben nicht mehr passen.
Nach: Reiss et al. 2015, Reusch & Valente 2015, Roediger 2009, Young 1998
! Schema = „Autopilot“ = unbewusste automatische Reaktion (Kabbat-Zinn 2009)
Was ist ein Schema?
- Aus der Wechselwirkung zwischen dem Temperament eines Kindes und der ungenügenden Befriedigung seiner Bedürfnisse
Unser Temperament: - Eine angeborene Eigenschaft, ein fest einprogrammiertes Merkmal. - Als Kinder sind wir nicht in der Lage, auf unser Temperament steuernd einzuwirken –
dazu brauchen wir prägende Beziehungserfahrungen mit Anderen
Ungenügende Befriedigung: - Frühe Bezugspersonen eines Kindes gehen nicht hinreichend auf seine grundlegenden
normalen Bedürfnisse ein.
Nach: Reiss et al. 2015, Reusch & Valente 2015, Roediger 2009, Young 1998
Wie entsteht ein frühes maladaptives Schema?
Lust, Unlustvermeidung
Selbstwerterhöhung
Kontrolle nach außen/ Autonomie
Bindung
Nach: Piaget 1976, Grawe 1998, Young 2005, Roediger 2009
Kontrolle nach innen/ Selbstdisziplin
Emotionale Vernachlässigung, Isolation, Misstrauen/Missbrauch, Verlassenheit, Unzulänglichkeit/Scham, Unattraktivität Erfolglosigkeit/Versagen, Abhängigkeit/ Inkompetenz, Verletzbarkeit, Verstrickung/Unterentwickeltes Selbst Anspruchshaltung/Grandiosität, Unzureichende Selbst-Kontrolle/ Selbstdisziplin Unterwerfung/Unterordnung, Aufopferung, Übergroßes Streben nach Zustimmung und Anerkennung (Beachtung suchen) Emotionale Gehemmtheit, Überhöhte Standards (Unerbittliche Ansprüche), (Selbst-)Bestrafungsneigung
Grundbedürfnisse <> Maladaptive kognitive Schemata
Beispiel „Verlassenheit“:
Wenn bei mir das Schema „Verlassenheit“ aktiv ist… - dann sind in meiner Kindheit meine Bezugspersonen nicht in angemessener Weise auf mein
Bedürfnis nach Sicherheit, Geborgenheit oder Verlässlichkeit eingegangen; - dann habe ich, wenn dieses Schema bei mir heute als Erwachsener aktiviert wird, das Gefühl,
dass ich in Gefahr und ganz allein bin, dass ich, obwohl ich das dringend brauche, bei niemandem Sicherheit, emotionalen Rückhalt, Verbundenheit, Stärke oder Schutz finden kann und dass ich mir das nur in geringem Maße selbst geben kann;
- dann bin ich anfälliger, belastende Lebenssituationen (Konflikte, Krisen) nicht angemessen bewältigen zu können;
- dadurch setze ich mich dem Risiko aus, bei anhaltenden Konflikten/ Krisen krank zu werden
Nach: Reiss et al. 2015, Reusch & Valente 2015, Roediger 2009, Young 1998
Maladaptive Schemata beeinflussen unser jetziges Leben
Die Angstreaktionen der Person sind einer Situation nicht mehr angemessen
Die Angstreaktionen sind überdauernd
Das Individuum besitzt keine Möglichkeit zur Bewältigung der Angst
Die Angstreaktionen führen zu einer massiven Beeinträchtigung des Lebensvollzuges der Person
Nach: Reinecker 1993
Pathologische Angst: Charakteristika
Konsequenzen: Aufrechterhaltung der (dependenten) Lebenssituation ! Vermeidung der Autonomieentwicklung
Reaktionen/Symptombildung: Primär: Einengung ! Befreiungswunsch !Verlust von Schutz Sekundär (gegensteuernd): Angst (Panikattacken) ! Flucht (Agoraphobie)
Organismus/Persönlichkeit: Unzureichende Selbständigkeit, Lebensregel: „Die Welt ist bedrohlich, ich brauche Schutz“ ! Unsichere Bindung und Autonomieentwicklung
Lebenssituation: Ambivalenzkonflikt: Möglichkeit, aus einer einengenden Lebenssituation Heraus oder in sie hineinzukommen („Zwischen den Stühlen“, „Hin- und Hergerissen“)
Panikstörung/ Agoraphobie: auslösender Konflikt
Sulz 2001
Vermeidung
Flucht
Angst- Auslöser
Wahrnehmung - Aufmerksamkeits-
fokussierung - Kontrollieren
Gedanken - Bedrohung/Gefahr
- Unerträglich - Unkontrollierbar
Gefühle - Angst
- Hilflosigkeit - Verlassensein
Körperliche Reaktion - Erregung, Anspannung - Herzklopfen, Schwitzen
- Rasche Atmung
Margraf und Schneider 1983
Panikstörung/ Agoraphobie: Teufelskreismodell
Ausmaß an erlebter Angst
Beginn der Konfrontation
Abnahme der Angst durch Flucht / Vermeidung
Erwartete Angst, die bis ins Unendliche ansteigt (Katastrophe, Unheil)
Abnahme der Angst bei lange andauernder Konfrontation mit der angstauslösenden Situation
Phobien: Spannungskurve bei Angstexposition
F 43.0- F 49.9 Akute Belas-ungsstg., Anpas-sungsstg., PTBS
Ätiologie mehrdeutig
F 42.0- F 42.9 Zwangs- störung
F 41.1 Genera-lisierte Angst-störung
F 41.0 Panik-störung
F 40.1 Soziale Phobie
F 40.2 Spezi-fische (isolierte) Phobie
F 40.00/ 01 Agora-phobie ohne/mit Panikstg.
Ätiologie eindeutig/kausal
objekt-/situat.-unabhängig objekt-/situationsabhängig
chro-nisch
anfalls-artig
Öffentl. Plätze
Men-schen
Tiere, Dinge..
Gedan-ken…
ICD-10: Angststörungen und angstassoziierte Störungen
Selbstkontroll-Techniken <-> Expositionstherapie
Erklärungsmodell <-> Selbstbeobachtung
Bausteine der Angstbehandlung
Wahrnehmung
Bewertung Gefühle
Körperl. Reaktion
Interozeptions- training,
Aufmerksam- keitslenkung
Modifikation von Fehlbewertungen
Emotionale Differenzierung
Entspannung, Konditionsaufbau
Ausstieg aus dem Teufelskreis der Angst Angst-
Auslöser
Vermeidung
Flucht
Ausmaß an erlebter Angst
Beginn der Konfrontation
Abnahme der Angst durch Flucht / Vermeidung
Erwartete Angst, die bis ins Unendliche ansteigt (Katastrophe, Unheil)
Abnahme der Angst bei lange andauernder Konfrontation mit der angstauslösenden Situation
Phobien: Spannungskurve bei Angstexposition
Selbstkontroll-Techniken <-> Expositionstherapie
Ressourcenstärkung (kognitiv/ emotional/ sozial)
Erklärungsmodell <-> Selbstbeobachtung
Bausteine der Angstbehandlung
Selbstkontroll-Techniken <-> Expositionstherapie
Ressourcenstärkung (kognitiv/ emotional/ sozial)
Konflikt-/Schema-/Traumabearbeitung
Erklärungsmodell <-> Selbstbeobachtung
Bausteine der Angstbehandlung
Löschen der Panikreaktion (Ausstieg aus dem Teufelskreis)
Löschen der Konditionierung von Angst in Alltagssituationen (Koppelung Situation <> Angst)
In der Situation bleiben als Mittel zum Abbau von Ängsten und Verhinderung des Neulernens von Ängsten, dadurch Abbau aller phobischen Reaktionen
Den Mut haben, Veränderungswünsche bewusst wahrzunehmen und darüber zu sprechen
Durch Eigenständigkeit einer Einengung vorbeugen. Wo sie trotzdem entsteht, Befreiungstendenzen als verhandlungswürdiges Thema (mit dem Partner) ansprechen
Enge und Unbegrenztheit sowie Veränderungswünsche und –tendenzen als ungefährliche aber wichtige Aspekte der Lebensgestaltung definieren
Durch mehr Eigenständigkeit und weniger Anlehnungs- und Schutzbedürfnis soll ein neues Selbstwertgefühl entstehen
Psychotherapie der Angststörungen: Therapieziele
Nach: Sulz 2001
Substanzen PS/AGO SOP GAD SPP Escitalopram x x x - Citalopram x - - - Paroxetin x x x - Sertralin x x - -
Venlafaxin x x x - Duloxetin - - x -
Clomipramin x - - - Opipramol - - x - Buspiron - - x -
Pregabalin - - x - Quetiapin - - x -
Angststörungen: Medikamentöse Therapie nach EBM
Bandelow B et al., S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen, Stand: 15.4.2014. www.awmf.org/leitlinien.html
Diagnose
Erhöhung der Dosis
Umstellung auf AD mit alternativem Wirkmech.
Erhaltungsdosis
Antidepressivum
nach 4 Wochen: Effizienz vorhanden?
Erhöhung der Dosis möglich?
nein
Fortführung der Therapie
nein
nein
ja
ja
ja
Effizienz vorhanden?
ÖGPB Konsensus-Statement, Kasper et al. 2009
Medikation bei Angststörungen: Stufenschema
Bandelow B, Seidler-Brandler U, Becker A, Wedekind D, Rüther E. Meta-analysis of randomized controlled comparisons of psychopharmacological and psychological treatments for anxiety disorders. World J Biol Psychiatry 2007;8(3):175-87
Panikstörung (16 Kombinations-Studien): Kombination Psychotherapie + Antidepressiva >>> Psychotherapie oder Antidepressiva
Sozialphobie (6 Kombinations-Studien): Kombination Psychotherapie + Antidepressiva > Psychotherapie oder Antidepressiva
Generalisierte Angststörung (2 Kombinations-Studien): Gesicherte Aussage nicht möglich
Therapie der Angststörungen: Psychotherapie und/oder Antidepressiva?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Michael Bach
APR – Ambulante Psychosoziale Rehabilitation Salzburg Sonnenpark Wien
Email: [email protected]