Anlegerschutz durch Verhaltenspflichten der...

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Anlegerschutz durch Verhaltenspflichten der Marktintermediäre – Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und russischen Rechts – Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechtswissenschaft der Juristischen Fakultät der Universität Bremen vorgelegt von Tatyana Vladimirovna Kulyabina Erkrath, Moskau 2005 Gutachter: 1. Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich 2. Prof. Dr. Peter Derleder Kolloquium am 29. Juni 2005

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Anlegerschutz durch Verhaltenspflichten der Marktintermediäre

– Eine rechtsvergleichende Untersuchung

des deutschen, europäischen und russischen Rechts –

Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechtswissenschaft

der Juristischen Fakultät der Universität Bremen

vorgelegt von

Tatyana Vladimirovna Kulyabina Erkrath, Moskau

2005

Gutachter: 1. Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich 2. Prof. Dr. Peter Derleder Kolloquium am 29. Juni 2005

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Für Moritz, Maxim und Maya

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Vorwort Das Thema „Anlegerschutz“ steht im Mittelpunkt dieser Dissertation. Die zu-nehmende Bedeutung des Anlegerschutzes in der Gesetzgebung vieler Länder erklärt sich durch die, für die Liquidität und das stabile Funktionieren sowohl der nationalen wie auch der internationalen Kapitalmärkte unabdingbare Not-wendigkeit des Vertrauens der Anleger. Das Vertrauen der Anleger wird durch wirksame rechtliche Schutzmechanismen gewährleistet, die ein hohes Niveau des Anlegerschutzes sicherstellen und effektive rechtliche Instrumente zur Durchsetzung dieses Schutzes einsetzen. Einen dieser Schutzmechanismen stel-len die Verhaltens- und Organisationsregeln der Marktintermediäre dar. Die Verhaltens- und Organisationsregeln der Marktintermediäre werden in die-ser Dissertation am Beispiel europäischer, deutscher und russischer Rechtsset-zung nach ihrem Stand vom November 2004 untersucht und verglichen. Der Vergleich dient dem Zweck, das Niveau des Anlegerschutzes, das in der Euro-päischen Union, in Deutschland und in Russland durch Verhaltensregeln der Marktintermediäre gewährleistet ist, zu definieren, und die Vor- und Nachteile der entsprechenden Rechtsordnungen auf Grund des Vergleichs zu identifizie-ren. Das Ergebnis ist insbesondere im Hinblick auf die Russische Föderation von Bedeutung, deren Kapitalmarkt sich rasch entwickelt, im Laufe der Ent-wicklung jedoch bereits mehrere Krisen erlebt hat und dessen rechtliche Regu-lierung immer noch mit Lücken und Mängeln behaftet ist. Die Aufdeckung und Beseitigung solcher Lücken ist für Russland von besonderer Bedeutung, weil Russland bis Ende 2005 den Beitritt in der WTO anstrebt und ein Interesse dar-an hat, auch im Finanzdienstleistungssektor dem internationalen Standard zu entsprechen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich für die stets ebenso engagierte und anregende wie freundliche Begleitung meiner Arbeit sowie die Ermögli-chung des erfolgreichen Abschlusses meines Dissertationsvorhabens. Mein wei-terer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Peter Derleder für seinen wertvollen Rat und die zweitgutachterliche Betreuung dieser Dissertation. Erkrath/Moskau, im August 2005 Tatyana Kulyabina

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Inhaltsverzeichnis

DOKUMENTENVERZEICHNIS............................................................. 11

EINLEITUNG......................................................................................... 25

1. KAPITEL: ANLEGERSCHUTZ .......................... ............................... 26

§ 1 Begriff des Anlegerschutzes .......................................................................28

§ 2 Anlegerschutz in der Europäischen Union ............................................... 30 I. Europäische Rechtsquellen ..........................................................................32 II. Anlegerschutz als Regelungsziel................................................................ 35 III. Binnenmarktgrundsätze: Grundfreiheiten, Rechtsangleichung und Herkunftslandprinzip....................................................................................... 37 IV. Anlegerschutz und Verbraucherschutz ..................................................... 54 V. Zwischenergebnis....................................................................................... 57

§ 3 Besonderheiten des Konzepts des Anlegerschutzes in Deutschland ...... 58 I. Schutzwürdige Interessen der Anleger ........................................................ 59 II. Schutz des Anlegerpublikums und individueller Anlegerschutz ............... 61 III. Zwischenergebnis...................................................................................... 65

§ 4 Besonderheiten des Konzepts des Anlegerschutzes in Russland............ 66 I. Geschichte.................................................................................................... 66 II. Zielrichtungen des Anlegerschutzes........................................................... 69 III. Zwischenergebnis...................................................................................... 75

Schlussfolgerungen zum Kapitel 1................................................................... 76

2. KAPITEL: RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DER VERHALTENSREGELN UND AUFSICHT...................... ...................... 79

§ 1 Deutsches Recht........................................................................................... 79 I. Einschlägige Rechtsvorschriften.................................................................. 80 II. Anwendungsbereich der Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG ........ 85 III. Anwendungsbereich der privatrechtlichen Verhaltensregeln ................... 90 IV. Aufsicht ..................................................................................................... 91

§ 2 Russisches Recht.......................................................................................... 94 I. Exkurs in die Systematik des russischen Rechts im Hinblick auf Verhaltens- und Organisationsregeln.................................................................................. 95 II. Einschlägige Rechtsvorschriften .............................................................. 102

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III. Anwendungsbereich der Verhaltensregeln .............................................116 IV. Aufsicht ...................................................................................................126

Schlussfolgerungen zum Kapitel 2.................................................................142

3. KAPITEL: INHALT UND UMFANG DER VERHALTENS- UND ORGANISATIONSPFLICHTEN NACH EUROPÄISCHEM UND DEUTSCHEM RECHT......................................................................... 145

§ 1 Verhaltensregeln der WPD-RL................................................................145 I. Interessenwahrungspflicht .........................................................................149 II. Erkundigungspflicht .................................................................................154 III. Informationspflicht..................................................................................161 IV. Vermeidung von Interessenkonflikten....................................................194 V. Besonderheiten der europäischen und deutschen Verhaltenspflichten ....204

§ 2 Organisationspflichten..............................................................................206 I. Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung .................................................208 II. Gebot der erforderlichen Infrastruktur .....................................................212 III. Aufzeichnungspflicht ..............................................................................214 IV. Schutz der Eigentumsrechte der Anleger................................................215 V. Vermeidung von unnötigen zusätzlichen Geschäftsrisiken bei der Auslagerung...................................................................................................216

§ 3 Schlussfolgerungen....................................................................................217

4. KAPITEL: INHALT UND UMFANG DER VERHALTENS- UND ORGANISATIONSREGELN NACH RUSSISCHEM RECHT .......... .... 219

§ 1 Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln ...220 I. Kundeninteresse als Regelungsziel der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln ..........................................................................................................220 II. Inhalt der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln .............................222 III. NAUFOR-Regeln....................................................................................225 IV. Durchsetzung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln...............229 V. Zusammenfassung ....................................................................................230

§ 2 Erkundigungspflicht .................................................................................230

§ 3 Informations- und Beratungspflicht........................................................236 I. Informationspflicht.....................................................................................236 II. Beratungspflicht........................................................................................253 III. Zwischenergebnis....................................................................................263

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§ 4 Pflicht zum Schadensersatz bei Interessenkonflikten ........................... 264 I. Definition des Interessenkonflikts ............................................................. 265 II. Vermeidung von Interessenkonflikten ..................................................... 266 III. Behandlung von Interessenkonflikten..................................................... 267 IV. Zwischenergebnis.................................................................................... 269

§ 5 Besondere Verhaltensregeln..................................................................... 270 I. Geschäfte mit Wertpapieren vor deren Registrierung ............................... 270 II. Geschäfte mit Dokumenten, die keine Wertpapiere sind......................... 273 III. Geschäfte mit Wertpapieren bei fehlender Erlaubnis des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts............................................................... 274 IV. Angebot der Wertpapiere bei mangelhafter Offenlegung ...................... 274 V. Zusammenfassung....................................................................................275

Schlussfolgerungen zu den Kapiteln 3 und 4................................................ 275

SCHLUSSKAPITEL ..................................... ....................................... 282

LITERATURVERZEICHNIS ............................... ................................. 291

ÜBERSICHT ALTE/NEUE WPD-RL UND WPHG ................ .............. 305

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Dokumentenverzeichnis Anlegerent-schädigungs-RL

Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3.3.1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger, ABlEG v. 26.3.1997, Nr. L 84, S. 22.

Anlegerschutz-gesetz

Gesetz Nr. 46-FZ der Russischen Föderation v. 5.3.1999 „Über den Schutz der Rechte und gesetzlich begründeten Interessen der Anleger auf dem Wertpapiermarkt“, Sobranije Zakonoda-tel’stva Rossiiskoj Federacii v. 8.3.1999, Nr. 10, St. 1163, ge-ändert durch Gesetze v. 27.12.2000, v. 30.12.2001, v. 9.12.2002, v. 24.12.2002 und v. 22.8.2004.

Anordnung Nr. 982-r

Anordnung Nr. 982-r der Föderalen Wertpapiermarktkommis-sion v. 1.7.1997 „Über die Zusammenarbeit der FWpMK Russ-lands mit den Selbstregulierungseinrichtungen bei der Durch-führung der Prüfungen der Tätigkeit der professionellen Teil-nehmer des Wertpapiermarkts“, Vestnik Federal’noi Kommis-sii po Rynku Cennyh Bumag Rosii v. 24.9.1998, Nr. 7.

BAFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Bestimmung über Anforde-rungen an Qua-lifikation der Führungskräfte und Spezialis-ten der profes-sionellen Teil-nehmer des Wertpapier-markts

Bestimmung über das System der Anforderungen an die Quali-fikation der Führungskräfte und Spezialisten der professionel-len Teilnehmer des Wertpapiermarkts sowie der einzelnen Un-ternehmer, die auf dem Wertpapiermarkt tätig sind, eingeführt durch Verordnung Nr. 28 der Föderalen Wertpapiermarkt-kommission v. 2.10.1997 „Über die Änderungen und Ergän-zungen zur Bestimmung über das System der Anforderungen an die Qualifikation der Führungskräfte und Spezialisten der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts sowie der einzelnen Unternehmer, die auf dem Wertpapiermarkt tätig sind“, Vestnik Federal’noi Kommissii po Rynku Cennyh Bu-mag Rosii v. 14.10.1997, Nr. 7, geändert durch Verordnungen der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 1.7.1998 und v. 3.8.1999.

Bestimmung über die Be-richterstattung durch professi-onelle Teil-

Bestimmung über die Berichterstattung durch professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts, eingeführt durch Verord-nung Nr. 33 der Föderalen Wertpapiermarktkommission und Nr. 109n des Ministeriums der Finanzen v. 11.12.2001 „Über die Verabschiedung der Bestimmung über die Berichterstattung

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nehmer des Wertpapier-markts

durch professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts“, Bjul-leten’ Normativnyh Aktov Federal’nyh Organov Ispolnitelnoj Vlasti v. 8.4.2002, Nr. 14.

Bestimmung über ausrei-chendes Eigen-kapital

Verordnung Nr. 03-22/ps der Föderalen Wertpapiermarkt-kommission v. 23.4.2003 „Über die Normativen des ausrei-chenden Eigenkapitals der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts“, Bjulleten’ Normativnyh Aktov Fede-ral’nyh Organov Ispolnitelnoj Vlasti v. 22.9.2003, Nr. 38.

Bestimmung über das interne Kontrollverfah-ren

Bestimmung über das interne Kontrollverfahren des professio-nellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts, eingeführt durch Verordnung Nr. 03-34/ps der Föderalen Wertpapiermarkt-kommission v. 13.8.2003 „Über die Bestimmung über das in-terne Kontrollverfahren des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts“, Rossijskaja Gazeta v. 23.9.2003, Nr. 189.

Bestimmung über die Lizen-zierung der professionellen Tätigkeit

Bestimmung über die Lizenzierung unterschiedlicher Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt der Russi-schen Föderation, eingeführt durch Verordnung Nr. 50 der Fö-deralen Wertpapiermarktkommission v. 23.11.1998 „Über die Einführung der Bestimmung über die Lizenzierung unter-schiedlicher Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wert-papiermarkt der Russischen Föderation“, Vestnik Federal’noi Kommissii po Rynku Cennyh Bumag Rosii v. 25.11.1998, Nr. 11.

Bestimmung über Selbstre-gulierungsein-richtungen

Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen der profes-sionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts, eingeführt durch Verordnung Nr. 24 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 1.7.1997 „Über die Einführung der Bestimmung über Selbst-regulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts und der Bestimmung über die Lizenzierung der Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teil-nehmer des Wertpapiermarkts“, Vestnik Federal’noi Kommis-sii po Rynku Cennyh Bumag Rosii v. 7.7.1997, Nr. 4, geändert durch Verordnungen der Föderalen Wertpapiermarktkommis-sion v. 14.7.1998 und v. 14.8.2002.

Bestimmung über treuhände-rische Vermö-

Bestimmung über treuhänderische Verwaltung der Wertpapiere und der in die Wertpapiere zu investierenden Gelder, einge-führt durch Verordnung Nr. 37 der Föderalen Wertpapier-

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gensverwaltung marktkommission v. 17.10.1997 „Über die Einführung der Be-stimmung über treuhänderische Verwaltung der Wertpapiere und der in die Wertpapiere zu investierenden Gelder“, Vestnik Federal’noi Kommissii po Rynku Cennyh Bumag Rosii v. 5.11.1997, Nr. 8.

Bestimmung über die ge-trennte Verwal-tung der Bro-ker- und Kun-dengelder

Bestimmung über die Anforderungen zur Trennung der Gelder des Brokers von denen seiner Kunden sowie zur Sicherstellung der Rechte der Kunden bei der Verwendung der Kundengelder durch Broker in eigenen Interessen, eingeführt durch Verord-nung Nr. 03-39/ps der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 13.8.2003 „Über die Bestimmung über die Anforderungen zur Trennung der Gelder des Brokers von denen seiner Kunden sowie zur Sicherstellung der Rechte der Kunden bei der Ver-wendung der Kundengelder durch Broker in eigenen Interes-sen“, Rossijskaja Gazeta v. 2.10.2003, Nr. 197.

Brief des Fi-nanzministeri-ums Nr. 04-06-02/04

Brief des Ministeriums der Finanzen der Russischen Föderati-on Nr. 04-06-02/04 v. 15.5.2001, www.consultant.ru.

Brief Nr. IB-2171

Brief Nr. IB-2171 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 26.4.1999 „Zur Auslegung des Art. 5 Nr. 2 des föderalen Gesetzes Nr. 46-FZ v. 5.3.1999 „Über den Schutz der Rechte und gesetzlich begründeten Interessen der Anleger auf dem Wertpapiermarkt“, Vestnik Federal’noi Kommissii po Rynku Cennyh Bumag Rosii v. 30.4.1999, Nr. 4.

CESR

Committee of European Securities Regulators.

Compliance Richtlinie

Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpa-pierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG vom 25. Oktober 1999, Bundesanzeiger Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18453.

Drittes Fi-nanzmarktför-derungsgesetz

Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland v. 24.03.1998, BGBl. I 1998, S. 529.

E-Comm-RL Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des

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Rates v. 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elekt-ronischen Verkehrs im Binnenmarkt, ABlEG v. 17.7.2000, Nr. L 178, S. 1.

EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) vom 25. März 1957, ABlEG v. 24.12.2002, Nr. C 325 (konso-lidierte Fassung).

Empfehlung betreffend eu-ropäische Wohlverhal-tensregeln für Wertpapier-transaktionen

Empfehlung der Kommission v. 25.7.1977 betreffend europäi-sche Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, ABlEG v. 20.8.1977, Nr. L 212, S. 37.

Ergänzende Hinweise

Rundschreiben 5/2001 des Bundesaufsichtsamtes für das Kre-ditwesen über ergänzende Hinweise zu den Mindestanforde-rungen an das Betreiben von Handelsgeschäften vom 12. Sep-tember 2001.

Erlass Nr. 314 Erlass Nr. 314 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 9.3.2004 „Über das System und die Struktur von föderalen Organen der exekutiven Macht“, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 15.3.2004, Nr. 11, St. 945, geändert durch den Erlass des Präsidenten v. 9.3.2004.

Erlass Nr. 416 Erlass Nr. 416 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 26.4.1995 „Über die Maßnahmen zur Sicherstellung der In-teressen der Anleger und Anpassung der ohne entsprechende Erlaubnis durchgeführten unternehmerischen Tätigkeit von ju-ristischen Personen auf dem Wertpapier- und dem Kapital-markt bezogenen Rechtssetzung der Russischen Föderation“, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 1.5.1995, Nr. 18, St. 1637.

Erlass Nr. 784 Erlass Nr. 784 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 31.7.1995 „Über die zusätzlichen Maßnahmen zur Gewähr-leistung der Rechte von Aktionären“, Sobranije Zakonoda-tel’stva Rossiiskoj Federacij v. 31.7.1995, Nr. 31, St. 3101.

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Erlass Nr. 1009 Erlass Nr. 1009 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 1.7.1996 „Über die Föderale Wertpapiermarktkommission“ mit der Verordnung über die Föderale Wertpapiermarktkom-mission, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 8.7.1996, Nr. 28, St. 3357, geändert durch Erlasse des Präsi-denten v. 12.4.1999, v. 3.4.2000 und v. 18.2.2002.

Erlass Nr. 1157 Erlass Nr. 1157 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 18.11.1995 „Über einige Maßnahmen zum Schutz der Rech-te der Anleger und Aktionäre“, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 20.11.1995, Nr. 47, St. 4501, geändert durch Erlasse des Präsidenten der Russischen Föderation v. 2.4.1997 und v. 8.10.2002.

Erlass Nr. 1233 Erlass Nr. 1233 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 11.6.1994 „Über den Schutz der Interessen der Investoren“, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 20.6.1994, Nr. 8, St. 803.

Erlass Nr. 1482 Erlass Nr. 1482 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 8.7.1994 „Über die Regelung der staatlichen Registrierung der Unternehmer in der Russischen Föderation“ mit der Ver-ordnung über das Verfahren der staatlichen Registrierung der-jenigen, die die unternehmerische Tätigkeit ausüben, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 11.7.1994, Nr. 11, St. 1194, geändert durch Erlasse des Präsidenten v. 29.8.2001 und v. 21.10.2002.

Erlass Nr. 1769 Erlass Nr. 1769 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 27.10.1993 „Über Maßnahmen zur Gewährleistung der Rechte der Aktionäre“, Sobranije Aktov Presidenta i Pravi-tel’stva Rossiiskoj Federacij v. 1.11.1993, Nr. 44, St. 4192.

Erlass Nr. 2063 Erlass Nr. 2063 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 4.11.1994 „Über Maßnahmen zur staatlichen Regulierung des Wertpapiermarkts in der Russischen Föderation“, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 7.11.1994, Nr. 28, St. 2972.

Erläuterungen

Rundschreiben 4/98 des Bundesaufsichtsamtes für das Kredit-wesen über Erläuterungen zu einzelnen Regelungen der Min-destanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften

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v. 8.4.1998.

FernA-RL Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsab-schlüssen im Fernabsatz, ABlEG v. 4.6.1997, Nr. L 144, S. 19.

FernARL-FinanzDL

Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleis-tungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EGW des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABlEG v. 9.10.2002, Nr. L 271, S. 16.

FernA-FinanzDLG Entwurf

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschrif-ten über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen.

FinDAG Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-sicht v. 22.4.2002, BGBl. I S.1310.

FWpMK Föderale Wertpapiermarktkommission.

GATS Multilaterale Übereinkunft über den Handel mit Dienstleistun-gen, ABlEG v. 23.12.1994, Nr. L 336, S. 191.

Gesetz über Minimalgehalte

Gesetz Nr. 82-FZ der Russischen Föderation v. 19.6.2000 „Ü-ber den Minimalgehalt“ Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 26.6.2000, Nr. 26, St. 2729, geändert durch Föde-rale Gesetze v. 29.4.2002, v. 26.11.2002, v. 1.10.2003 und v. 22.8.2004.

Gesetz über die Registrierungs-gebühr als Un-ternehmer

Gesetz Nr. 2000-1 der Russischen Sowjetischen Föderalen So-zialistischen Republik v. 7.12.1991 „Über die Registrierungs-gebühr, erhoben von den natürlichen Personen, die unterneh-merische Tätigkeit ausüben, und über deren Registrierungsver-fahren“, Vedomosti Soveta Naridnyh Deputatov Rossiiskoj Fe-deracij i Verhovnogo Soveta Rossiiskoj Federacij v. 20.2.1992, Nr. 8, St. 360.

Gesetzbuch ü-ber Verstöße gegen öffentli-ches Recht

Gesetzbuch der Russischen Föderation über Verstöße gegen öf-fentliches Recht, eingeführt durch das Föderale Gesetz Nr. 196-FZ v. 30.12.2001 „Über die Einführung des Gesetz-buchs über Verstöße gegen öffentliches Recht“, Sobranije Za-

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konodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 7.1.2001, Nr. 1 (I), St. 2, mit den letzten Änderungen v. 25.10.2004.

Informations-verfahren-RL

Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der Fas-sung der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.7.1998, ABlEG v. 5.8.1998, Nr. L 217, S. 18.

Insider-RL Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipula-tion, ABlEG v. 12.4.2003, Nr. L 96, S. 16.

Kapitaladä-quanz-RL

Richtlinie 93/6/EWG des Rates v. 15.3.1993 über die angemes-sene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kre-ditinstituten, ABlEG v. 11.6.1993, Nr. L 141, S. 1.

Das Konzept der Entwick-lung des Wert-papiermarkts in der Russischen Föderation

Das Konzept der Entwicklung des Wertpapiermarkts in der Russischen Föderation, eingeführt durch Erlass Nr. 1008 des Präsidenten der Russischen Föderation v. 1.6.1996 „Über die Verabschiedung des Konzepts der Entwicklung des Wertpa-piermarkts in der Russischen Föderation“, Sobranije Zakono-datel’stva Rossiiskoj Federacij v. 8.7.1996, Nr. 28, St. 3356, geändert durch Erlass des Präsidenten v. 16.10.2000.

Kreditinstitut-RL

Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABlEG v. 26.5.2000, Nr. L 126, S. 1.

KWG Gesetz über das Kreditwesen.

6. KWG-Novelle

Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften v. 5.6.1997, BGBl. I S. 2518.

Liste spezifi-scher Ver-pflichtungen

Schedule of Specific Commitments, Supplement 4, Anlage 2 zum Beschluss des Rates v. 14.12.1998 über die Annahme der Ergebnisse der Verhandlungen der Welthandelsorganisation über Finanzdienstleistungen im Namen der Europäischen Ge-meinschaft hinsichtlich der unter ihre Zuständigkeit fallende Bereiche, ABlEG v. 27.1.1999, Nr. L 20, S. 41.

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Methodik der Bestimmung des Eigenkapi-tals

Verordnung Nr. 03-26/ps der Föderalen Wertpapiermarkt-kommission v. 21.5.2003 „Über die Methodik der Bestimmung des Eigenkapitals der professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts“, Bjulleten’ Normativnyh Aktov Federal’nyh Orga-nov Ispolnitelnoj Vlasti v. 27.10.2003, Nr. 43.

Mindestanfor-derungen

Verlautbarung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsge-schäften der Kreditinstitute vom 23. Oktober 1995.

Mitarbeiter-Leitsätze

Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwe-sen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel über Anforderungen an Verhaltensregeln für Mitarbeiter der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte vom 7. Juni 2000, Bundesanzeiger Nr. 131 v. 15.7.2000, S. 13790.

NAUFOR-Regeln

Regeln der professionellen Ethik der Mitglieder der Selbstregu-lierungseinrichtung „Nacionalnaja Associacija Učastnikov Fondovowo Rynka“, bestätigt durch den Vorstand am 8.5.2003, http://www.naufor.ru/naufor.nsf/Display?OpenAgent&pagename=doc.html&doc_id=F1208CE82E62EC5343256B9700402FF4.

OGAW-RL Richtlinie 1985/611/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Ver-waltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks Fest-legung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfachte Prospekte, ABlEG v. 31.12.1985, Nr. L 375, S. 3, geändert durch Richtlinie 2002/107/EG v. 21.1.2002 und Richtlinie 2002/108/EG v. 21.1.2002.

5. Protokoll Das fünfte Protokoll zum GATS, Anlage 1, zum Beschluss des Rates v. 14.12.1998 über die Annahme der Ergebnisse der Verhandlungen der Welthandelsorganisation über Finanz-dienstleistungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der unter ihre Zuständigkeit fallende Bereiche, ABlEG v. 27.1.1999, Nr. L 20, S. 38.

Regeln zur Regeln zur Durchführung von Broker- und Dealertätigkeit auf

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Durchführung von Broker- und Dealertä-tigkeit

dem Wertpapiermarkt der Russischen Föderation, eingeführt durch Verordnung Nr. 9 der Föderalen Wertpapiermarktkom-mission v. 11.10.1999 „Über die Bestimmung der Regeln zur Durchführung von Broker- und Dealertätigkeit auf dem Wert-papiermarkt der Russischen Föderation“, Bjulleten’ Normativ-nyh Aktov Federal’nyh Organov Ispolnitelnoj Vlasti v. 24.1.2000, Nr. 4, geändert durch Verordnungen der Födera-len Wertpapiermarktkommission v. 12.2.2003 und v. 13.8.2003.

Regeln zur Durchführung von Brokertä-tigkeit bei der Auftragserfül-lung bei Kun-denkredit

Regeln zur Durchführung der Brokertätigkeit auf dem Wertpa-piermarkt hinsichtlich von Geschäften mit Geldern und/oder Wertpapieren, die der Broker dem Kunden zur Verfügung ge-stellt hat, eingeführt durch Verordnung Nr. 03-37/ps der Föde-ralen Wertpapiermarktkommission v. 13.8.2003 „Über die Re-geln zur Durchführung der Brokertätigkeit auf dem Wertpa-piermarkt hinsichtlich von Geschäften mit Geldern und/oder Wertpapieren, die der Broker dem Kunden zur Verfügung ge-stellt hat“, Rossijskaja Gazeta v. 14.10.2003 Nr. 206.

Regeln der Vorbereitung und Registrie-rung der nor-mativen Akte von föderalen exekutiven Or-ganen

Regeln zur Vorbereitung der normativen Akte von föderalen exekutiven Organen und ihrer staatlichen Registrierung, einge-führt durch Verordnung Nr. 1009 der Regierung der Russi-schen Föderation v. 13.8.1997 „Über die Bestimmung der Re-geln zur Vorbereitung der normativen Akte von föderalen exe-kutiven Organen und ihrer staatlichen Registrierung“, Sobrani-je Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 18.8.1997 Nr. 33, St. 3895, geändert durch Verordnungen der Regierung der Rus-sischen Föderation v. 11.12.1997, v. 6.11.1998, v. 11.2.1999 und v. 30.9.2002.

Staatliches Programm zum Schutz der Rechte der An-leger für die Jahre 1998-1999

Das staatliche Programm zum Schutz der Rechte der Anleger für die Jahre 1998-1999, eingeführt durch Verordnung Nr. 785 der Regierung der Russischen Föderation v. 17.7.1998 „Über das staatliche Programm zum Schutz der Rechte der Anleger für die Jahre 1998-1999“, Sobranije Zakonodatel’stva Ros-siiskoj Federacij v. 10.8.1998, Nr. 32, St. 3870.

Strafgesetzbuch

Strafgesetzbuch der Russischen Föderation, eingeführt durch das Föderale Gesetz Nr. 64-FZ v. 13.6.1996 „Über die Einfüh-rung des Strafgesetzbuchs“, Sobranije Zakonodatel’stva Ros-

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siiskoj Federacij v. 17.6.1996 Nr. 25, St. 2954, mit den letzen Änderungen v. 6.7.2004.

Umsetzungsge-setz

Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapierrechtlicher Vorschriften v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, S. 2518, teils am 23.20.1997, vollends am 1.1.1998 in Kraft getreten.

Verbraucher-schutzgesetz

Gesetz Nr. 2300-1 der Russischen Föderation v. 7.2.1992 “Ü-ber den Schutz der Verbraucher”, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 15.1.1996, Nr. 3 St. 140, geändert durch Gesetze v. 9.1.1996, v. 17.12.1999, v. 30.12.2001, v. 22.8.2004 und 21.12.2004.

Vereinbarung über Verpflich-tungen bei Fi-nanzdienstleis-tungen

Understanding on Commitments in Financial Services.

Verfassung der Russischen Fö-deration

Verfassung der Russischen Föderation, angenommen durch die Bevölkerung am 12.12.1993, Rossijskaja Gzeta v. 25.12.1993, Nr. 237, geändert durch Erlasse des Präsidenten v. 9.1.1996, v. 10.2.1996, v. 9.6.2001 und v. 25.7.2003.

Verordnung Nr. 03-37/ps

Verordnung Nr. 03-37/ps der Föderalen Wertpapiermarkt-kommission v. 13.8.2003 „Über die Regeln zur Durchführung der Brokertätigkeit auf dem Wertpapiermarkt hinsichtlich von Geschäften mit Geldern und/oder Wertpapieren, die der Broker dem Kunden zur Verfügung gestellt hat“, Rossijskaja Gazeta v. 14.10.2003 Nr. 206.

Verordnung Nr. 03-39/ps

Verordnung Nr. 03-39/ps der Föderalen Wertpapiermarkt-kommission v. 13.8.2003 „Über die Bestimmung der Anforde-rungen an die Trennung der Gelder des Brokers von denen sei-ner Kunden sowie zur Sicherstellung der Rechte der Kunden bei der Verwendung von Kundengeldern durch Broker in eige-nen Interessen“, Rossijskaja Gazeta v. 2.10.2003, Nr. 197.

Verordnung Nr. 9

Verordnung Nr. 9 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 11.10.1999 „Über die Bestimmung der Regeln zur Durch-führung von Broker- und Dealertätigkeit auf dem Wertpapier-

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markt der Russischen Föderation“, Bjulleten’ Normativnyh Aktov Federal’nyh Organov Ispolnitelnoj Vlasti v. 24.1.2000, Nr. 4, geändert durch die Verordnung der Föderalen Wertpa-piermarktkommission v. 12.2.2003.

Verordnung Nr. 10

Verordnung Nr. 10 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 15.8.2000 „Über die Einführung des Verfahrens der Lizen-zierung unterschiedlicher Arten von professioneller Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt“, Bjulleten’ Normativnyh Aktov Fe-deral’nyh Organov Ispolnitelnoj Vlasti v. 16.10.2000, Nr. 42, geändert durch Verordnungen der Föderalen Wertpapiermarkt-kommission v. 21.3.2001, v. 18.7.2001, v. 5.2.2003, v. 12.2.2003, v. 1.4.2003 und v. 26.12.2003.

Verordnung Nr. 21

Verordnung Nr. 21 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 30.8.2001 „Über das Verfahren der Erfassung im System des Aktieninhaberregisters der Aktien, für die nicht vollständig be-zahlt wurde, und Eintragung in das Registersystem von Ände-rungen, die die Änderung der Registrierung von Aktien (sol-cher, die dem Emittenten zurück geschrieben, sollten sie inner-halb einer gesetzlich vorgesehenen Frist nicht vollständig be-zahlt werden) betreffen“, Bjulleten’ Normativnyh Aktov Fede-ral’nyh Organov Ispolnitelnoj Vlasti v. 29.10.2001, Nr. 44.

Verordnung Nr. 21/ps

Verordnung Nr. 21/ps der Föderalen Wertpapiermarktkommis-sion v. 7.6.2002 „Über die Aufhebung der Verordnung Nr. 3 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 7.6.1999 „Über die Verabschiedung der Bestimmung zum Verfahren betreffend die Untersuchung von Beschwerden und Auferlegung von Bußgeldern im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Ge-setzgebung der Russischen Föderation zum Schutz der Rechte und legitimen Interessen der Anleger auf dem Wertpapier-markt“, Bjulleten’ Normativnyh Aktov Federal’nyh Organov Ispolnitelnoj Vlasti v. 12.8.2002, Nr. 32.

Verordnung Nr. 24

Verordnung Nr. 24 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 1.7.1997 „Über die Einführung der Bestimmung über Selbst-regulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts und der Bestimmung über die Lizenzierung der Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teil-nehmer des Wertpapiermarkts“, Vestnik Federal’noi Kommis-sii po Rynku Cennyh Bumag Rosii v. 7.7.1997, Nr. 4, geändert

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durch Verordnungen der Föderalen Wertpapiermarktkommis-sion v. 14.7.1998 und 14.8.2002.

Verordnung Nr. 37

Verordnung Nr. 37 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 17.10.1997 „Über die Einführung der Bestimmung über die treuhänderische Verwaltung von Wertpapieren und der in Wertpapiere zu investierenden Gelder“, Vestnik Federal’noi Kommissii po Rynku Cennyh Bumag Rosii v. 5.11.1997, Nr. 8.

Verordnung Nr. 317

Verordnung Nr. 317 der Regierung der Russischen Föderation v. 30.6.2004 „Über die Verabschiedung der Bestimmung über den Föderalen Dienst zu Finanzmärkten“, Sobranije Zakonoda-tel’stva Rossiiskoj Federacij v. 5.7.2004, Nr. 27, St. 2780.

Verordnung Nr. 1009

Verordnung Nr. 1009 der Regierung der Russischen Föderation v. 13.8.1997 „Über die Bestimmung der Regeln zur Vorberei-tung der normativen Akte von föderalen exekutiven Organen und ihrer staatlichen Registrierung“, Sobranije Zakonoda-tel’stva Rossiiskoj Federacij v. 18.8.1997 Nr. 33, St. 3895, ge-ändert durch Verordnungen der Regierung der Russischen Fö-deration v. 11.12.1997, v. 6.11.1998, v. 11.2.1999 und v. 30.9.2002.

Verordnung über die FWpMK

Verordnung über die Föderale Wertpapiermarktkommission, eingeführt durch Erlass Nr. 1009 des Präsidenten der Russi-schen Föderation v. 1.7.1996 „Über die Föderale Wertpapier-marktkommission“, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Fe-deracii v. 8.7.1996, Nr. 28, St. 3357, geändert durch Erlasse des Präsidenten v. 12.4.1999, v. 3.4.2000 und v. 18.2.2002.

Verordnung zur Vorbeugung von Interessen-konflikten

Verordnung Nr. 44 der Föderalen Wertpapiermarktkommission v. 5.11.1998 „Über die Vorbeugung von Interessenkonflikten bei der Ausübung der professionellen Tätigkeit auf dem Wert-papiermarkt“, Vestnik Federal’noi Kommissii po Rynku Cen-nyh Bumag Rosii v. 11.11.1998, Nr. 9.

Wohlverhal-tensrichtlinie

Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 WpHG zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigen-handel für Andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpa-pierdienstleistungsunternehmen vom 23. August 2001, Bun-desanzeiger Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19217.

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WPD-RL Richtlinie 93/22/EG des Rates v. 10.5.1993 über Wertpapier-dienstleistungen, ABlEG v. 11.6.1993, Nr. L 141, S. 27.

WPD-RL Ent-wurf

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wertpapierdienstleistungen und geregelte Märk-te und zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Euro-päischen Parlaments und des Rates, http://europa.eu.int/eurlex/de/com/pdf/2002/com2002_0625de01.pdf.

WpMG Gesetz Nr. 39 der Russischen Föderation v. 22.4. 1996 „Über den Wertpapiermarkt“, Vedomosti Federal’nogo Sobranija Rossiiskoj Federacii v. 22.4.1996, Nr. 17 St. 1918; geändert durch Gesetze v. 26.11.1998, v. 8.7.1999, v. 7.8.2001, v. 28.12.2002 und v. 28.7.2004.

WTO Welthandelsorganisation (World Trade Organisation).

ZGB Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation, eingeführt durch das Föderale Gesetz Nr. 52-FZ v. 30.11.1994 „Über die Ein-führung des Zivilgesetzbuchs“, Sobranije Zakonodatel’stva Rossiiskoj Federacij v. 5.12.1994, Nr. 32, St. 3302, mit den letzten Änderungen v. 29.7.2004.

Zweites Fi-nanzmarktför-derungsgesetz

Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsen-rechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften v. 26.07.1994, BGBl. I 1994, S. 1749.

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Einleitung Seit den letzten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts stellen die Kapital-märkte eines der wichtigsten und einflussreichsten Segmente der nationalen Wirtschaft der Industrieländer dar. Darüber hinaus werden die nationalen Staatsgrenzen durch den Kapitalfluss oftmals überschritten. Das spricht für die wachsende Bedeutung der nationalen Kapitalmärkte für die internationale Wirt-schaft. Insoweit besteht sowohl auf der nationalen als auch auf der internationa-len Ebene ein starkes Interesse an der Funktionsfähigkeit der nationalen Kapi-talmärkte. Dieses öffentliche Interesse wurde zum Regelungsziel sowohl in der nationalen Gesetzgebung als auch im internationalen Recht. Die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte hängt von mehreren Faktoren ab, auf die in dieser Dissertation nicht ausführlich eingegangen werden kann. Jedoch soll auf einen der wichtigsten dieser Faktoren – nämlich die Kapitalmarktstabili-tät – insoweit im Detail eingegangen werden, als auch diese durch den Anleger-schutz gewährleistet werden kann.1 Der Anlegerschutz als eines der wichtigsten Mittel zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte soll den Ausgangspunkt dieser Arbeit bilden. Die Rechtssetzung, die auf den Anleger-schutz abzielt, sofern sie das Verhalten der Marktintermediäre auf dem Sekun-därmarkt betrifft, ist der Gegenstand dieser Dissertation. Die Untersuchung soll am Beispiel des deutschen (unter Berücksichtigung des europäischen) und des russischen Rechts durchgeführt werden. Zunächst wird auf die allgemeinen Bestimmungen sowie auf die Besonderheiten des Konzepts des Anlegerschutzes sowohl in der Europäischen Union und in der Bundesrepu-blik Deutschland als auch in der Russischen Föderation eingegangen. Dabei wird die Rolle der Verhaltenspflichten der Marktintermediäre für die Gewähr-leistung des Anlegerschutzes erläutert. Sodann werden der Inhalt und Umfang der Verhaltensregeln nach dem europäischen bzw. deutschen und russischen Recht ausführlich dargestellt und verglichen. Dabei wird sowohl deren öffent-lich- als auch privatrechtlichen Grundlagen Rechnung getragen. Auch die Orga-nisationspflichten, denen Marktintermediäre unterliegen, werden insoweit be-rücksichtigt, als sie dem Anlegerschutz dienen. Anhand des Vergleichs der Ver-haltens- und Organisationsregeln soll das Niveau des Anlegerschutzes in Deutschland und in Russland festgestellt bzw. Differenzen und Lücken aufge-deckt werden. Der Vergleich des russischen Rechts mit dem deutschen Recht unter Berück-sichtigung der europäischen Vorschriften ist aus mehreren Gründen von Interes-

1 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.173 ff.

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se und praktischer Bedeutung. Zum einen hat sich der Kapitalmarkt in Russland seit Anfang der 90er Jahre rapide entwickelt. Diese Entwicklung korrespondiert mit der Umwandlung der russischen Gesellschaft und ihres wirtschaftlichen Sys-tems (mit seinen Aufschwüngen und Krisen) und folgt einem übergeordneten wirtschaftspolitischen Ziel: Russland will in kürzester Zeit zu einem gleichbe-rechtigten und wettbewerbsfähigen Teilnehmer an den internationalen Märkten werden. Dafür soll das russische Recht die Rahmenbedingungen schaffen. Daneben darf der Einfluss der internationalen Wirtschaft bzw. der internationa-len Kapitalmärkte auf den russischen Kapitalmarkt nicht übersehen werden. Dieser Einfluss geht über die wirtschaftliche Praxis der Kapitalmärkte hinaus und spielt für die russische Rechtssetzung eine große Rolle. Diese wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkte haben das russische Kon-zept des Anlegerschutzes und die russischen Wohlverhaltensregeln mitgeprägt. Der Vergleich des russischen Rechts mit dem deutschen Recht soll daher zeigen, inwieweit das russische Recht dem internationalen Standard entspricht und wel-che Fortschritte Russland auf dem Wege der Integration seines Kapitalmarkts in den internationalen Kapitalmarkt gemacht hat. Die Bestimmung des Anleger-schutzniveaus in Russland spielt für die internationale Akzeptanz als gleichbe-rechtigter Geschäftspartner und den Zugang der Marktintermediäre und Anlage-produkte aus Russland zu ausländischen Märkten eine wichtige Rolle. Dieser Aspekt tritt besonderes scharf im Lichte des durch die Russische Föderation an-gestrebten WTO-Beitritts hervor. 1. Kapitel: Anlegerschutz Der Zusammenhang zwischen der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und dem Anlegerschutz ist einfach nachzuvollziehen: Das Vertrauen der Anleger in die Stabilität des Kapitalmarkts spielt für seine Effizienz und Funktionsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Dieses Vertrauen stellt eine unabdingbare Vorausset-zung für die Bereitschaft der Anleger dar, ihr Vermögen dem Kapitalmarkt zur Verfügung zu stellen. Fehlte dem Privatanleger dieses Vertrauen, wäre er durch das unberechenbare Verhalten des Kapitalmarktes so verunsichert, dass er das Verlustrisiko gegenüber den Gewinnchancen als zu hoch einschätzen würde, weshalb er seine Gelder entweder gänzlich oder, wie es in der Russischen Föde-ration immer noch üblich ist, zumindest nicht auf dem nationalen Kapitalmarkt investieren würde. Dieses Anlegerverhalten wirkt sich unmittelbar auf die Breite und Tiefe des Kapitalmarkts sowie seine Funktionsfähigkeit aus. Die infolgedes-sen sinkende Liquidität des nationalen Kapitalmarkts einerseits und der unbe-friedigte Bedarf der Kapitalsuchenden andererseits können zur allgemeinen Schwächung des nationalen Kapitalmarkts und der gesamten nationalen Wirt-

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schaft sowie zur nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit des Landes an den inter-nationalen Kapitalmärkten führen. Ein effizienter und funktionsfähiger Kapitalmarkt hat seinerseits Wirkung auf das Vertrauen der Anleger, da die Sicherheit der Anlage unmittelbar von der Stabilität der Kapitalmärkte abhängt. Diese Stabilität beruht auf zwei Säulen: der Organisation und Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte sowie der finanziel-len Stabilität der Kapitalmarktteilnehmer. Im ersten Fall sind die Rahmenbedin-gungen gemeint, die die Transparenz der Kapitalmärkte gewährleisten und un-faire Praktiken auf dem Kapitalmarkt unterbinden. Im zweiten Fall handelt es sich um die Solvenz der Kapitalsuchenden und der Finanzinstitute, die auf dem Kapitalmarkt tätig sind. Neben dem wirtschaftlichen Ziel der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts kommt dem Anlegerschutz auch eine sozialpolitische Bedeu-tung zu. Er trägt dazu bei, das Vermögen der privaten Haushalte zu erhalten und, idealerweise, sogar zu vermehren. Daran besteht ein starkes sozialpolitisches In-teresse des Staates, der damit eine Erleichterung seiner sozialen Verpflichtungen gegenüber den Bürgern, wie z.B. Alterssicherung oder Sozialfürsorge, anstrebt. Die vorliegenden sozialpolitischen und wirtschaftlichen Überlegungen erklären die Bedeutung des Anlegerschutzes. Doch bevor hier auf die rechtlichen Mittel zur Gewährleistung des Anlegerschutzes durch die Regelung des Verhaltens der Marktintermediäre eingegangen wird, ist die Frage zu klären, wo der Anleger-schutz im Rechtsystem einzugliedern ist und vor welchen Gefahren der Anleger geschützt werden soll. Das 1. Kapitel befasst sich in erster Linie mit dem Begriff des Anlegerschutzes und vergleicht, wie dieser Begriff nach dem europäischen, deutschen und russi-schen Recht auszulegen ist. Dabei soll auf die Risiken und Gefahren, vor denen der Anleger geschützt werden soll, eingegangen und auf die landesspezifischen Besonderheiten des Schutzes der Anleger hingewiesen werden. Die rechtlichen Grundlagen und Prinzipien, auf den der Anlegerschutz beruht, werden insofern erörtert, als dies für die systematische Einordnung des Anlegerschutzes als Rechtskonzept erforderlich ist. Im Laufe der Darstellung wird auf die rechtli-chen Maßnahmen und Mechanismen der Gewährleistung des Anlegerschutzes hingewiesen. Der Platz der Verhaltensregeln im System solcher Maßnahmen und Mechanismen wird im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gewährleistung des Anlegerschutzes festgestellt.

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§ 1 Begriff des Anlegerschutzes Der Begriff des Anlegerschutzes ist weder im russischen noch im deutschen Recht definiert. Um den Inhalt des Begriffs „Anlegerschutz“ präzisieren zu kön-nen, stellt sich die Frage, vor welchen Gefahren der Anleger geschützt werden soll. Die Interessen der Anleger können auf verschiedene Weisen gefährdet werden, die sich in drei Gruppen aufteilen lassen: Die erste Gefahrengruppe befindet sich auf der Ebene der Institutionen und der institutionellen Teilnehmer des Kapitalmarkts. Dabei handelt es sich um die durch die Störungen der Stabilität des Kapitalmarkts entstehenden Beeinträchti-gungen der Anlegerinteressen. Die Stabilität des Kapitalmarkts wird insofern durch die mangelhafte Solvenz seiner institutionellen Teilnehmer (seien es Kre-ditinstitute oder kapitalsuchende Unternehmen), denen der Anleger sein Vermö-gen anvertraut hat, zerstört oder doch empfindlich beeinträchtigt. Auf dieser E-bene wird der Schutz der Anleger durch die im Rahmen der Zulassung und Be-aufsichtigung der institutionellen Teilnehmer des Kapitalmarkts eingeführten Kapitaladäquanz-, Offenlegungs-, Organisations- und Transparenzanforderun-gen gewährleistet. Auch wenn diese aufsichtsrechtlichen Regelungen nicht Ge-genstand dieser Dissertation sind, werden sie im Zusammenhang mit der Zulas-sung der Marktintermediäre und der Beaufsichtigung ihrer Tätigkeit angespro-chen. Die zweite Gruppe der Gefahren tritt auf der Ebene der operativen Tätigkeit der institutionellen Kapitalmarktteilnehmer auf. Dabei geht es in erster Linie um die Marktverzerrungen, die aufgrund der Ausnutzung der Machtstellung und des Wissensvorsprungs durch die Marktintermediäre und Emittenten zu Stande kommen. Soweit es sich dabei um Insidergeschäfte, Marktmanipulationen sowie durch Verstöße gegen die Transparenz- und Publizitätsanforderungen (Prospekt- und Ad-hoc-Publizität, Offenlegungspflichten) entstehende Informationslücken handelt, sollen die rechtlichen Bestimmungen, die auf die Beseitigung der durch diese Verstöße entstehenden Marktverzerrungen abzielen, in dieser Dissertation nicht behandelt werden. In dieser Arbeit sollen jedoch diejenigen rechtlichen Regelungen Gegenstand der Untersuchung sein, die sich mit den den Marktintermediären obliegenden Verhaltenspflichten befassen, insofern diese den beim Vertrieb der Anlagepro-dukte auftretenden Marktverzerrungen entgegenwirken. Die Anleger haben kei-nen direkten Zugang zu den Kapitalmärkten. Dadurch bleiben ihnen die für eine Anlageentscheidung notwendigen Informationen oft verborgen. Darüber hinaus fehlen einem Anleger oft Kenntnisse und Erfahrungen, um das Risiko der Anla-ge einzuschätzen. Diese informationelle bzw. intellektuelle Unterlegenheit der

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Anleger ist eines der wichtigsten Probleme, mit denen sich der Gesetzgeber aus-einander zu setzen hat. Darüber hinaus sind die Anleger zur Erfüllung ihrer Auf-träge auf die Marktintermediäre angewiesen. Dabei sorgt das Kapitalmarktrecht für einen Ausgleich der Nachteile, die dem Anleger durch seine unterlegene Po-sition entstehen, in dem es den Marktintermediären gewisse Verhaltenspflichten auferlegt. Hierzu zählen u.a. die Pflichten, dem Anleger die für seine Anlageent-scheidung wichtigen Informationen mitzuteilen, seine Aufträge unter Wahrung seiner Interessen (wie z.B. Reihenfolge, Preis, Provision) auszuführen und Inte-ressenkonflikte zu vermeiden. Derartige Verhaltenspflichten sollen in dieser Dissertation im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die dritte Gruppe der Gefahren, denen ein Anleger ausgesetzt ist, liegt auf der Ebene der Beziehung zwischen dem Anleger und dem institutionellen Kapital-marktteilnehmer. Hier handelt es sich um die Verletzung der dem Anleger aus einer konkreten Anlage zukommenden schutzwürdigen Interessen. Als Beispiel dafür könnte die Beeinträchtigung der Ausübung der dem Anleger aus seiner Anlage zustehenden Rechte (wie z.B. das aus einer Aktie entstehende Recht auf Beteiligung an den Gewinnen der Gesellschaft oder auf Ausübung der Stimm-rechte auf der Hauptversammlung) genannt werden. Der Schutz der Rechte des Anlegers als Gesellschafter wird allerdings in dieser Dissertation nicht behan-delt. Für diese Dissertation sollen lediglich die Rechte der Anleger bzw. die Pflichten der Marktintermediäre von Interesse sein, die auf dem Rechtsverhält-nis zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär in Bezug auf den Ver-trieb der Wertpapiere, die Gegenstand der Anlage sind, beruhen und den Anle-ger als schwächeren Partner in dieser Beziehung schützen. Eine Verletzung die-ser Rechte der Anleger kann zivilrechtliche Sanktionen, z.B. in Form eines Schadensersatzanspruchs, hervorrufen. Trotz des Fehlens einer rechtlichen Definition des Anlegerschutzes zeigt die Darstellung der drei Gruppen von Gefahren, denen Anleger auf dem Kapital-markt ausgesetzt sind, die Breite der Problematik, die einer rechtlichen Rege-lung im Sinne des Anlegerschutzes bedarf. Dabei stellt sich heraus, dass die Verhaltensregeln für Marktintermediäre zwar lediglich ein Teil der Normset-zung zum Anlegerschutz sind, aber bei allen drei Gefahrengruppen einen wich-tigen Mechanismus darstellen, der zur Stärkung des Vertrauens der Anleger in die Stabilität der Kapitalmärkte und die Solvenz ihrer Teilnehmer sowie zum Schutz der Anleger als des schwächeren Teilnehmers am Kapitalmarkt bzw. als schwächerer Vertragspartei dient. In den folgenden Kapiteln wird untersucht und verglichen, wie dieser Problema-tik im russischen sowie im europäischen und deutschen Recht Rechnung getra-gen wird.

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§ 2 Anlegerschutz in der Europäischen Union Für diese Dissertation ist das europäische Recht in dreifacher Hinsicht von Inte-resse. Erstens (und damit zugleich Grundlage der beiden anderen Gesichtspunk-te) ist die Bundesrepublik Deutschland Mitgliedstaat der Europäischen Union. Daher ist das deutsche Recht durch das europäische Vorhaben zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen und durch die Gemeinschaftsvorschriften, die auf die Sicherstellung eines hohen Anleger-schutzniveaus und das effiziente Funktionieren des europäischen Kapitalmarkts abzielen, geprägt. Jedoch geht der europäische Einfluss auf die Mitgliedstaaten über die Umsetzung der europarechtlichen Bestimmungen in das nationale Recht und die europarechtskonforme Auslegung entsprechender Vorschriften hinaus.2 Die Integrationsprozesse, die sich auf der europäischen Ebene abspie-len, nehmen auf die Entwicklung des deutschen Kapitalmarkts entscheidenden Einfluss. Der deutsche Kapitalmarkt stellt einen Teil des integrierten europäi-schen Kapitalmarkts dar und ist mit ihm sowohl rechtlich als auch tatsächlich eng verbunden. Zweitens nimmt die grenzüberschreitende Tätigkeit der Marktintermediäre in-nerhalb des Binnenmarktes rasch zu. Die Europäische Union erkennt, dass der Zugang ausländischer Finanzdienstleister zu nationalen Märkten im Interesse der Verbraucher gefördert werden sollte, weil ein stärkerer Wettbewerb unter den Anbietern zu einer Preissenkung und einem größeren Angebot an Finanz-dienstleistungen führt. Der grenzüberschreitende Sachverhalt wirft allerdings im Hinblick auf den Anlegerschutz besondere Probleme auf, die vor allem der Re-gulierung auf europäischer Ebene bedürfen. Darüber hinaus gewinnt neben den traditionellen Formen der grenzüberschreitenden Erbringung von Finanzdienst-leistungen, wie z.B. durch einen Vermittler oder eine Zweigniederlassung, der Fernverkauf von Finanzdienstleistungen zunehmend an Bedeutung.3 Die Kom-mission erkennt die Notwendigkeit, die Anleger bei grenzüberschreitenden Transaktionen so zu stellen, dass sie bei einem Fernkauf einen Schutz genießen, der dem beim Kauf anderer Waren und Dienstleistungen entspricht.4 Eine har-monisierende Regelung dieses Bereichs erfordert Rechtsmaßnahmen auf der eu-ropäischen Ebene, um Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Be-stimmungen einzelner Mitgliedstaaten zu begrenzen.

2 Vgl. Lang, S. 44. 3 Vgl. Stöterau, S. 22 f. 4 Grünbuch der Europäischen Kommission „Finanzdienstleistungen: Wahrung der

Verbraucherinteressen“, abgedruckt in ZBB 1996, 150, 155 f.

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Drittens findet in beträchtlichem Maße ein grenzüberschreitender Finanzdienst-leistungsverkehr, insbesondere der Fernverkauf von Finanzdienstleistungen, zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Drittländern statt. Dabei bestimmt vor-nehmlich die Europäische Union die Grundsätze, gemäß denen die Marktinter-mediäre aus Drittländern an dem Geschäftsverkehr in der Europäischen Union teilnehmen dürfen, was für diese Dissertation in Bezug auf die zwischen der Russischen Föderation und Deutschland grenzüberschreitend angebotenen oder erbrachten Dienstleistungen der Marktintermediäre besonderes wichtig er-scheint. Zwar knüpfen diese Grundsätze hauptsächlich an die Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit sowie das Gegenseitigkeitsprinzip an, doch spielt dabei der Gedanke des Anlegerschutzes eine hervorzuhebende Rolle. Innerhalb der Europäischen Union genießen die Anleger ein allgemein hohes Schutzniveau, das nicht dadurch gesenkt werden soll, dass Marktinterme-diäre aus Drittländern, deren nationale Rechtssetzung kein vergleichbares Anle-gerschutzniveau gewährleistet, ihre Produkte und Dienstleistungen den europäi-schen Anlegern anbieten. Aufgrund der Prämisse, ein allgemein hohes Schutz-niveau für die Anleger innerhalb der Europäischen Union beizubehalten, werden die Einschränkungen des Marktzugangs für Marktintermediäre aus Drittländern gerechtfertigt.5 Im Folgenden soll auf die europäischen Rechtsquellen sowie auf die Grundsätze des europäischen Rechts, auf denen das Konzept des Anlegerschutzes in der Eu-ropäischen Union beruht, eingegangen werden. Zunächst wird der Anleger-schutz als Regelungsziel des europäischen Rechts behandelt. Sodann wird die Bedeutung der europaweiten Gewährleistung eines hohen Anlegerschutzniveaus im Rahmen der Errichtung des Binnenmarktes behandelt. Dabei gilt den Grund-freiheiten, der Rechtsangleichung sowie dem Herkunftslandprinzip – als den Säulen des europäischen Integrationsprozesses – besonderes Augenmerk. Auf die Auswirkungen dieses Prozesses auf die Tätigkeit der Marktintermediäre aus Drittländern in der EU (im Hinblick auf die Russische Föderation) soll hinge-wiesen werden. Außerdem wird auf die Einordnung der Anleger in die Katego-rie der Verbraucher hingewiesen und auf die Folgen dieser Einordnung einge-gangen.

5 Wie sich die Einschränkung des Marktzugangs für die Drittländer mit den europäi-

schen Grundfreiheiten sowie mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Europäi-schen Union und ihrer Mitgliedstaaten, die sich z.B. aus GATS ergeben, vereinbaren lässt, wird auf S. 37, 1. Grundfreiheiten, angesprochen.

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I. Europäische Rechtsquellen Vorschriften, die den Schutz der Anleger bezwecken, sind in mehreren europäi-schen Richtlinien6 enthalten.7 Allerdings beschränkt sich diese Arbeit auf die Untersuchung von Verhaltenspflichten der Marktintermediäre, denen diese im Rahmen ihrer Tätigkeit auf dem Sekundärmarkt nachkommen müssen, sowie deren Organisationspflichten insofern, als diese dem Schutz der Anleger dienen. Dabei handelt es sich bei den europäischen Vorgaben sowohl um öffentlich-rechtliche als auch um privatrechtliche Bestimmungen, die im Kern jeweils in der WPD-RL und in der FernARL-FinanzDL vorgegeben sind. Auch die Anfor-derungen der E-Comm-RL an Internet-Dienstleistungen der Marktintermediäre sollen in dieser Arbeit berücksichtigt werden. 1. WPD-RL Die WPD-RL stellt einen der wichtigsten Bausteine des europäischen Kapital-marktrechts dar. Die Bedeutung dieser Richtlinie für die Harmonisierung des eu-ropäischen Kapitalmarktrechts ist besonders hervorzuheben, da sie die gemein-schaftsweite Anerkennung der Zulassung der Wertpapierfirmen und die Heimat-beaufsichtigung ihrer Tätigkeit eingeführt hat.8 Sie enthält hauptsächlich die in-stitutionellen Harmonisierungsmaßnahmen, die auf den Vertrieb von Wertpapie-ren und das Angebot von Finanzdienstleistungen bezogen sind. Die Kommission hat vor einiger Zeit beschlossen, dass die WPD-RL einer um-fassenden Überarbeitung bedarf. Nach einer intensiven Konsultation hat das EU-Parlament die neue Fassung der WPD-RL am 21. April 2004 verabschiedet, die die bislang geltende Fassung der WPD-RL ersetzen soll.9 Diese Dissertation be-fasst sich ausführlich mit der alten WPD-RL, weil diese dem zurzeit geltenden nationalen Recht der Mitgliedstaaten zu Grunde liegt. Auf die in der neuen Fas-

6 Z.B. Insider-RL, OGAW-RL, Anlegerentschädigung-RL und Kapitaladäquanz-RL. 7 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159, zeigt am Beispiel mehrerer Richtlinien, dass das eu-

ropäische Recht den Anlegerschutz eng mit dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts verbindet und führt die doppelte Zielsetzung des WpHG – Funktionsschutz und Anle-gerschutz – auf das europäische Recht zurück.

8 Siehe den 3. und 4. Erwägungsgrund sowie Art. 8 Abs. 3 und Art. 14 der WPD-RL; Hdb. KapitalanlageR/Assmann § 1 Rdnr. 94; Bliesener, S. 8; Elster, S. 210; Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 125 Rdnr. 29; Mülbert, WM 2001, 2058, 2094 f.; Reich, WM 1997, 1601.

9 Im Anhang 1 zu dieser Dissertation werden die in der alten und der neuen WPD-RL sowie die im deutschen Recht enthaltenen Verhaltens- und Organisationsregeln ver-gleichend in Form einer Tabelle dargestellt.

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sung der WPD-RL enthaltenen Novellierungen wird hier insofern im Detail ein-gegangen, als sie bei der Umsetzung in das nationale Recht gewichtige Ände-rungen des deutschen Rechts hervorrufen werden.10 Unter dem Gesichtspunkt der Systembildung des europäischen Rechts wird die WPD-RL dem Kapitalmarktrecht zugewiesen.11 Die „ausschließlich aufsichts-rechtliche Zielrichtung“12 dieser Richtlinie ist allgemein anerkannt. Eine auf-sichtsrechtliche Natur weisen demnach auch die in Artt. 18 und 19 WPD-RL n.F. (Art. 11 der WPD-RL a.F.) enthaltenen Wohlverhaltensregeln auf.13 Sie finden sowohl auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen als auch auf Banken, soweit diese Finanzdienstleistungen erbringen,14 Anwendung.15 Die Verhaltens-regeln enthalten Bestimmungen über das transaktionsbezogene Verhalten der Marktintermediäre, indem diese gewissen Pflichten gegenüber dem schwächeren Vertragspartner unterworfen werden, die die Voraussetzungen für eine sachkun-dige und informierte Anlageentscheidung des Letzteren schaffen sowie einen Missbrauch der Marktmacht durch die Marktintermediäre verhindern. Diese Re-geln und ihre Auswirkungen auf den Anlegerschutz gehören zum Gegenstand dieser Dissertation. Auch die Organisationspflichten nach Art. 13 WPD-RL n.F. (Art. 10 WPD-RL a.F.), die sich auf die interne Struktur und Organisationsab-läufe der Wertpapierfirmen beziehen, sollen hier insofern berücksichtigt werden, als sie zum Schutz der Anleger beitragen.

10 Die Umsetzung in das deutsche Recht soll bis zum 30. April 2006 erfolgen (s. Artt. 70

und 27 WPD-RL n.F.). 11 Vgl. Hopt in Grundmann, S. 307, 315 ff. 12 Vgl. Elster, S. 215; Koller in Assmann/Schneider, Vor § 31 Rz. 16. Vgl. Bliesener,

S. 109 f. 13 Wenngleich die Entscheidung, ob die Umsetzung der Verhaltensregeln in das nationa-

le Recht auf dem Wege der öffentlich- oder privatrechtlichen Vorschriften geschieht, gemäß Art. 189 Abs. 3 EGV den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, deutet die Ausges-taltung und Zielrichtung der Normen des Art. 11 WPD-RL a.F. in die Richtung des Aufsichtsrechts bzw. öffentlichen Rechts. Die privatrechtliche Ausstrahlung dieser Vorschriften ist allerdings allgemein anerkannt. Diese entspricht der inzwischen gefes-tigten deutschen Rechtsprechung, dass die Umsetzung auf eine solche Weise erfolgen soll, dass dem einzelnen Anleger subjektive Rechte erwachsen, die im Streitfall vor Gericht durchgesetzt werden können. Vgl. Bliesener, S. 110; Elster, S. 215; Koller in Assmann/Schneider, Vor § 31 Rz. 16; N. Lang, S. 54 ff., 64; Lang, S. 116 f.; Reich, WM 1997, 1601 ff. Abweichend Reifner in Grundmann, S. 577, 593.

14 Dadurch wird dem Universalbanksystem, das sich in den europäischen Ländern durchgesetzt hat, Rechnung getragen.

15 Gemäß Mülbert, WM 2001, 2085, 2086 f., beinhaltet das europäische Kapitalmarkt-recht „drei Regelungskomplexe: Marktorganisationsrecht, Marktverhaltensrecht und Marktaufsichtsrecht“. Die in Art. 11 der WPD-RL festgelegten Wohlverhaltensregeln lassen sich dem Marktverhaltensrecht zuordnen.

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2. FernARL-FinanzDL Hinsichtlich der privatrechtlichen Aspekte der Beziehung zwischen einem Anle-ger und einem Marktintermediär fanden sich bis vor kurzem keine rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union.16 Das hat sich mit dem Erlass der FernARL-FinanzDL geändert.17 Die Umsetzung der FernARL-FinanzDL in das nationale Recht hat gemäß Art. 21 Abs. 1 FernARL-FinanzDL bis zum 9. Oktober 2004 zu erfolgen.18 Die Richtlinie findet Anwendung auf den Abschluss eines Finanzdienstleis-tungsvertrages mit einem Verbraucher im Fernabsatz.19 Darunter fallen die zwi-schen einem Marktintermediär und einem Privatanleger20 abgeschlossenen Ver-träge, vorausgesetzt, dass der Vertrag ohne gleichzeitige physische Präsenz der Parteien rechtswirksam abgeschlossen wurde.21 Die Richtlinie räumt dem Anle-ger/Verbraucher von Finanzdienstleistungen zahlreiche Rechte ein, die ihm beim Abschluss eines Fernabsatzvertrages ein hohes Schutzniveau sichern. Der Schwerpunkt der Richtlinie liegt auf den vorvertraglichen Informationspflichten der Anbieter und dem Widerrufsrecht der Verbraucher von Finanzdienstleistun-gen.22 Der Anleger/Verbraucher ist vor dem Vertragsabschluss weitgehend über die Dienstleistung und den diesbezüglichen Vertrag bzw. Vertragspartner zu un-terrichten.23 Zwar hat die FernARL-FinanzDL neben den Informationsrechten

16 Die FernA-RL unternimmt die Harmonisierung im Bereich des Vertragsrechts in Be-

zug auf die zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher im Fernabsatz abge-schlossenen Verträge, klammert aber die Finanzdienstleistungen aus dem Anwen-dungsbereich der Richtlinie aus. Ausführlich Reich, EuZW 1997, 581 ff.

17 Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist der bereits existierende Anleger-schutz der institutionellen bzw. aufsichtsrechtlichen Ebene zugewiesen und eine Stär-kung der vertraglichen Position der Verbraucher von Finanzdienstleistungen notwen-dig; vgl. Grünbuch der Europäischen Kommission „Finanzdienstleistungen: Wahrung der Verbraucherinteressen“, abgedruckt in ZBB 1996, 150, 151 ff., 155.

18 Das Bundesministerium der Justiz hat bereits einen FernA-FinanzDLG Entwurf, mit dem die FernARL-FinanzDL in das deutsche Recht umgesetzt werden soll, vorgelegt. Siehe S. 189, dd) Vorvertragliche Auskunftserteilung beim Fernabsatz von Finanz-dienstleistungen.

19 Ausführlich zum Anwendungsbereich Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809 f. 20 Zum Verhältnis zwischen den Begriffen „Anleger“ und „Verbraucher“ siehe S. 54, IV.

Anlegerschutz und Verbraucherschutz. 21 Über die Meinungsdivergenzen zu diesem Problem Mai, CR 2002, 200, 201 ff.

m.w.N. 22 Siehe auch Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 810 ff. 23 Damit wird sekundärrechtlich das Informationsrecht, dass als „Grundrecht des

Verbrauchers“ eingestuft wird, auch beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen ge-wahrt. Vgl. Felke/Jordans, WM 2004, 166, 167 f; Reich in Grundmann, S. 481, 496.

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den Verbrauchern von Finanzdienstleistungen ein Widerrufsrecht eingeräumt, schließt dieses aber nach Art. 6 (2) der FernARL-FinanzDL in Bezug auf han-delbare Wertpapiere, Optionen und Termingeschäfte aus. Insoweit steht den An-legern kein Widerrufsrecht zu.24 Im Hinblick auf die hier interessierenden Anlagegeschäfte auf dem Sekundär-markt regelt die FernARL-FinanzDL die privatrechtliche Sphäre insofern, als sie sich auf den Abschluss eines Vertrages über Geldanlagen, z.B. Wertpapierkauf-/-verkaufsverträge, im Fernabsatz bezieht. Sie erlegt dem Anbieter der Finanz-dienstleistung in Art. 3 die Pflicht auf, den Anleger im Regelfall vor dem Ver-tragsabschluss über die Einzelheiten des Vertrages sowie die ihm daraus er-wachsenden Rechte zu unterrichten. Inhaltlich bezieht sich diese vorvertragliche Auskunftspflicht hauptsächlich auf den Vertrag selbst und darf nicht mit der In-formationspflicht der Marktintermediäre, die dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über eine konkrete Anlage ermöglichen soll,25 verwechselt wer-den. In diesem Fall obliegt es allerdings dem Anbieter, den Anleger auf die ihm zugute kommenden Informations- und Verhaltenspflichten hinzuweisen.26 Auf diesem Wege wird Konvergenz zwischen den privat- und öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Zweck des Anlegerschutzes dienen, gewährleistet. II. Anlegerschutz als Regelungsziel Mehrere europäische Richtlinien nennen den Anlegerschutz als ihr Regelungs-ziel.27 Die WPD-RL a.F. legte in den Erwägungsgründen fest, dass eines ihrer Ziele der Anlegerschutz ist (33. Erwägungsgrund). In ähnlicher Weise verfolgt die FernARL-FinanzDL gemäß den Erwägungsgründen 1., 9., 11., 13. und 23. das Ziel der Errichtung eines hohen Verbraucherschutzniveaus28 in der Europäi-schen Union. Derselbe Ansatz kann auch den Erwägungsgründen 31, 44 und 71 der WPD-RL n.F. entnommen werden. Dabei ist anzumerken, dass der europäische Gesetzgeber dem Schutz der Funk-tionsfähigkeit der Kapitalmärkte und dem Anlegerschutz einen gleich hohen

24 Vgl. Felke/Jordans, WM 2004, 166, 170. 25 Siehe S. 161, III. Informationspflicht. 26 Vgl. auf S. 189, dd) Vorvertragliche Auskunftserteilung beim Fernabsatz von Finanz-

dienstleistungen. 27 Siehe oben Fn. 6 und 7. 28 Näheres zum Anleger als Verbraucher auf S. 54, IV. Anlegerschutz und Verbraucher-

schutz.

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Stellenwert zuzumessen scheint.29 Der 42. Erwägungsgrund der WPD-RL a.F., der dem 44. Erwägungsgrund der WPD-RL n.F. entspricht, verweist auf die doppelte Zielrichtung der Richtlinie, nämlich die Stärkung des Anlegerschutzes und die Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens der Wertpapier-märkte. Die FernARL-FinanzDL, deren Regelungsbereich sich auf die vorver-traglichen und vertraglichen Informationspflichten der Marktintermediäre er-streckt, soweit es sich um den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Anle-ger/Verbraucher handelt, erklärt in den Erwägungsgründen 3. bis 5. das rei-bungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die Schaffung des Vertrauens der Verbraucher in den Kapitalmarkt zu ihren Regelungszielen. Auch der EuGH hat in seiner „Alpine Investment“-Entscheidung30 zu diesem Thema Stellung genommen. Dort heißt es, dass das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanz-märkte weitgehend vom Vertrauen der Anleger abhänge. Gemäß dem EuGH dient daher das Verbot des "cold calling" gleichzeitig dem Schutz der Anleger und der „Gewährleistung der Integrität des nationalen Finanzsektors“. Auch in der Literatur werden der Anlegerschutz und der Funktionsschutz als zwei Schutzgüter des europäischen Kapitalmarktrechts angesehen.31 Zwar hat der eu-ropäische Gesetzgeber bislang Anlegerschutz und Funktionsschutz in den Richt-linien immer gleich behandelt, jedoch kann der Anlegerschutz nicht als selb-ständiges Regelungsziel der Europäischen Union angesehen werden. Der Anlegerschutz als unselbständiges Regelungsziel des EU-Rechts lässt sich durch den Verbraucherschutz begründen.32 Er ist durch das europäische Primär-recht nur insofern erfasst, als er eine sachspezifische Ausprägung des im Vertrag ausdrücklich benannten Verbraucherschutzes darstellt.33 Deshalb gelten für den Anlegerschutz dieselben Grundsätze, die Art. 153 EGV für den Verbraucher-schutz vorsieht. Als Zielrichtung der europäischen Rechtssetzung auf diesem Gebiet bezeichnet Art. 153 Abs. 1 EGV die „Förderung der Interessen der Verbraucher“ und die „Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“. Art. 153 Abs. 3 S. 1(a) EGV ermächtigt die Gemeinschaft durch die „Maßnahmen, die sie im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts nach Art. 95 erlässt“, diese Ziele 29 Zur Diskussion, die zu diesem Thema in der deutschen Rechtsliteratur geführt wird,

S. S. 61, II. Schutz des Anlegerpublikums und individueller Anlegerschutz. 30 Siehe EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93, Slg. I-1141, sowie die Anm. von Reich

EuGW 1995, 404 – Alpine Investments. 31 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/Assmann, § 1 Rdnr. 100 f.; Hopt in Grundmann, S. 307,

317 ff.; Koller in Assmann/Schneider, Vor § 31 Rz. 11 ff.; Elster, S. 214, 322; Lang, S. 46 f.; Reich, WM 1997, 1601 f.

32 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1602. 33 Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2092.

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zu erreichen. Daraus kann gefolgert werden, dass der Anlegerschutz keine ei-genständige Gemeinschaftspolitik darstellt und das Sekundärrecht der Gemein-schaft diesen als Zielrichtung ihrer Rechtssetzung nur dann verfolgen kann, wenn dies die Verwirklichung des Binnenmarkts aktiv fördert.34 Insoweit kann der Anlegerschutz als subsidiäres Regelungsziel des Gemeinschaftsrechts be-trachtet werden. Mit der Errichtung eines hohen Anlegerschutzniveaus erschöp-fen sich die Aufgaben des europäischen Gesetzgebers nicht. Dieses hohe Schutzniveau soll das Vertrauen der Anleger in den europäischen Kapitalmarkt fördern. Damit wird effektiv zur Erreichung eines übergeordneten Ziels, nämlich der Errichtung des integrierten funktionsfähigen gemeinschaftlichen Kapital-markts beigetragen. III. Binnenmarktgrundsätze: Grundfreiheiten, Rechtsangleichung und Herkunftslandprinzip Der Ausbau des Gemeinsamen Marktes in der Europäischen Union ist ohne die Integration der Kapitalmärkte nicht denkbar. Die Schaffung eines integrierten europäischen Kapitalmarkts erfordert einerseits die Beseitigung der Hindernisse, die den Zugang zu den nationalen Kapitalmärkten versperren,35 und andererseits die Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen.36 Der Anlegerschutz ist mit diesen Mechanismen zur Schaffung des Binnenmarkts eng verbunden. 1. Grundfreiheiten Niederlassungs-, Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit dienen der Schaf-fung des freien Marktzugangs für Anbieter und Nachfrager der Finanzproduk-te.37 Sie interessieren hier unter zwei Gesichtspunkten: Zum einen tragen die Grundfreiheiten auf der gemeinschaftlichen Ebene zum Ausbau des Binnen-markts bei und verfolgen damit dasselbe Ziel wie der Anlegerschutz. Allerdings ist das Verhältnis zwischen den Grundfreiheiten und dem Anlegerschutz inso-weit nicht eindeutig, als der Anlegerschutz Ausnahmen von den Grundfreiheiten begründen und daher dem Ziel des Binnenmarkts entgegenwirken kann. Diese 34 Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2092; Reich in Grundmann, S. 481, 493. 35 Diese Zielrichtung findet ihre primärrechtliche Ausprägung in den drei folgenden

Grundfreiheiten: Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. 36 Vgl. Elster, S. 4 ff.; Lang, S. 18; Mülbert, WM 2001, 2085, 2088, 2092; Reich in

Grundmann, S. 481, 489 ff. Ausführlich zu politischen und ökonomischen Schwierig-keiten der Durchsetzung der Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Kapitalmarkt-rechts Hopt in Grundmann, S. 307, 309 ff.

37 Vgl. Ohler, S. 60.

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Frage soll unten geklärt werden. Zum anderen gehen die Grundfreiheiten zum Teil über die Grenzen der EU hinaus und erstrecken sich insofern auf Drittlän-der. Welche Folgen das für den grenzüberschreitenden Handel mit Finanzpro-dukten zwischen der Russischen Föderation und Deutschland hat, ist hier zu un-tersuchen. a) Grundfreiheiten und Anlegerschutz Zu den primärrechtlichen Aufgaben der Europäischen Union gemäß Art. 3 Abs. 1c) EGV zählt die Errichtung des Gemeinsamen Marktes durch die Besei-tigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Der Ausbau des europäischen Kapitalmarkts ist als Teil der Errichtung des Binnenmarktes anzusehen. Die grenzüberschreitende Erbringung der Finanzdienstleistungen durch die in der EU ansässigen Marktintermediäre38 wird durch jede dieser Freiheiten erfasst und gefördert. Die Annähung der Kapitalmärkte innerhalb der EU ist dank der Ge-währleistung der fast gleichen Rahmenbedingungen für Wertpapierfirmen in al-len Mitgliedstaaten und der Schaffung einheitlicher rechtlicher Grundlagen so-wohl für den Wettbewerb der Wertpapierfirmen als auch für den Anlegerschutz möglich geworden. Diese wurden im Wege der Rechtsangleichung gewährleis-tet, die unten, S. 45, 2. Rechtsangleichung und Herkunftslandprinzip, im Detail dargestellt ist. Die Grundfreiheiten tragen zu diesem Prozess insofern bei, als sie den Geschäftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten liberalisieren und die Schranken, die der Rechtsangleichung und der tatsächlichen Annäherung der Kapitalmärkte im Wege stehen, abschaffen. Wie dies geschieht, ist unten am Beispiel einzelner Grundfreiheiten erläutert. Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit finden ihre sekundärrechtliche Ausprägung in Bezug auf den Kapitalmarkt in dem durch Art. 14 ff. WPD-RL a.F. (Art. 31 WPD-RL n.F.) eingeführten Konzept des „Europäischen Pas-ses“, das sich auf die gegenseitige Anerkennung der Zulassung und Aufsicht durch einen Mitgliedstaat (über) Wertpapierfirmen und Finanzinstrumente stützt.39 So wird einer in einem Mitgliedstaat zugelassenen Wertpapierfirma das Recht eingeräumt, ihre Produkte und Dienstleistungen in jedem anderen Mit- 38 Auch die EFTA-Staaten, mit den die EU 1992 ein Abkommen über den „Europäischen

Wirtschaftsraum (EWR)“ abgeschlossen hat, nehmen an der Freizügigkeit teil. Vgl. Troberg in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 135 Rdnr. 12. Hier wird allgemein der Begriff EU verwendet. Damit sind auch die EFTA-Staaten gemeint, solange es sich um die Anwendung der Grundfreiheiten handelt.

39 Dieses Konzept wurde in die neue WPD-RL übernommen. Siehe Art. 6 Abs. 3 der neuen WPD-RL.

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gliedstaat erlaubnisfrei sowohl durch Errichtung einer Zweigniederlassung als auch im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs anzubieten. Hierdurch wird eine weitgehende Annäherung der Kapitalmärkte sowie die Liberalisierung des Angebots und der Nachfrage für Finanzdienstleistungen und Finanzinstrumente durch den Europäischen Pass erreicht. Auch der Kapitalverkehr ist gemäß Art. 56 EGV weitgehend liberalisiert.40 Sei-ne Liberalisierung geht sogar über die Gemeinschaftsgrenzen hinaus und er-streckt sich auch auf Drittländer.41 Allerdings ist die Liberalisierung durch Grundfreiheiten nicht grenzenlos. Sie unterliegt gewissen mitgliedstaatlichen und sekundärrechtlichen Einschränkun-gen, die sich grundsätzlich wie folgt kurz zusammenfassen lassen: Solange ein Sachverhalt durch eine Richtlinie nicht erfasst ist, sind Beschränkungen der Grundfreiheiten durch die Mitgliedstaaten, die die Angehörigen anderer Mit-gliedstaaten direkt oder auch indirekt diskriminieren, untersagt.42 Ausnahmswei-se können dagegen nichtdiskriminierende Beschränkungen zulässig sein, vor-ausgesetzt, dass diese im Allgemeininteresse43 (z.B. Verbraucherschutz, der auch den Anlegerschutz44 einschließen kann) oder dem Schutz der öffentlichen Sicherheit erforderlich und verhältnismäßig sind.45 Dies lässt sich am Beispiel der jüngsten Entscheidungen des EuGH über die Ka-pitalverkehrsfreiheit zeigen.46 In diesen Entscheidungen ging es um keine Ver-botsnormen der Mitgliedstaaten, sondern um Regelungen, die die Anlage in Ak-

40 Zum Begriff des Kapitalverkehrs siehe Geiger, Art. 56 Rdnr. 3 f. 41 Ausführlich auf S. 41, b) Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf Drittländer. 42 Art. 12, 43, 49 und 58 EGV. Vgl. Geiger, S. 200 ff.; Reich, ZHR 153 (1989), 571,

583 ff.; Troberg in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 134 Rdnr. 33. 43 Reich, ZHR 153 (1989), 571, 575, weist darauf hin, dass das Allgemeininteresse des

Verbraucherschutzes eng auszulegen ist und benennt die unmittelbaren Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit des Verbrauchers. Bei anderen Gefahren ist vom Kon-zept des mündigen Verbrauchers auszugehen, der nach der entsprechenden Aufklärung selbst die Entscheidung trifft, die seinen Interessen entspricht.

44 Siehe S. 54, IV. Anlegerschutz und Verbraucherschutz. 45 Vgl. Geiger, Art. 58 Rdnr. 1 ff., Ohler, S. 18 f.; Troberg in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 134 Rdnr. 34 ff. 46 EuGH, Urt. v. 13.5.2003, C-463/00 (Kommission/Königreich Spanien); EuGH, Urt. v.

13.5.2003, C-98/01 (Kommission/Vereinigtes Königreich); EuGH, Urt. v. 4.6.2002, C-483/99 (Kommission/Französische Republik), Slg. 2002, I-04781; EuGH, Urt. v. 4.6.2002, C-367/98 (Kommission/Portugiesische Republik), Slg. 2002, I-04731; EuGH, Urt. v. 4.6.2002, C-503/99 (Kommission/Königreich Belgien), Slg. 2002, I-04809.

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tien bestimmter Gesellschaften weniger attraktiv machen (sog. „golden share“-Problematik). Der EuGH hat diese Regelungen als Verstoß gegen die Kapital-verkehrsfreiheit angesehen, da sie die Anleger von der Anlage abhalten kann, und damit die Kapitalverkehrsfreiheit sehr weit interpretiert. An dieser Stelle ist anzumerken, dass eine mitgliedstaatliche Regelung gleichzeitig die Ausübung verschiedener Grundfreiheiten beeinträchtigen kann.47 Es kann in diesem Fall schwer sein, die Grundfreiheiten voneinander abzugrenzen oder gar festzustel-len, welche Grundfreiheit vorrangig ist.48 Der EuGH hat zu dieser Frage keine Entscheidung getroffen, sondern wegen der Feststellung des Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit die Prüfung eines Verstoßes gegen die anderen Grundfreiheiten für unnötig gehalten. Sodann untersuchte der EuGH, ob die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit diskriminierend ist. Solange keine Diskriminierung vorliegt und die Beschrän-kung sowohl auf In- als auch auf die Ausländer anwendbar ist, wurde sie auf ih-re Zulässigkeit aus anderen Gründen, z.B. des Allgemeininteresses, untersucht.49 In den fraglichen Fällen hat der EuGH das Recht der Mitgliedstaaten nach Art. 58 Abs. 1 EGV, die Kapitalverkehrsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Sicherheit einzuschränken, sehr restriktiv ausgelegt. Die Einschränkung der Ka-pitalverkehrsfreiheit stellt grundsätzlich keine Vertragsverletzung dar, wenn sie aus den in Art. 58 Abs. 1 genannten Gründen gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.50 Zum einen hat der EuGH ausgeführt, dass die Erfordernisse der öffentli-chen Sicherheit eng zu verstehen sind; auf diese kann sich der jeweilige Mit-gliedstaat nur berufen, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefähr-dung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.51 Nur die von der belgischen Rechtssetzung getroffenen Maßnahmen hat der EuGH für verhält-nismäßig52 und damit für zulässig gehalten.53 Die genannten Entscheidungen er-

47 Vgl. Ohler, S. 66 und 98 ff. 48 Zu primärrechtlichen Reglungen des Verhältnisses zwischen den Grundfreiheiten sie-

he Art. 43 Abs. 2, Art. 51 Abs. 2 und Art. 58 Abs. 2 EGV. Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2089; Ohler, S. 101 ff.

49 EuGH, Urt. v. 13.5.2003, C-463/00 (Kommission/Königreich Spanien), Rdnr. 70; EuGH, Urt. v. 4.6.2002, C-483/99 (Kommission/Französische Republik), Slg. 2002, I-04781, Rdnr. 45. Vgl. Kilian, NJW 2003, 2653, 2654; Spindler, RIW 2003, 850, 852 ff.

50 Vgl. Krause, NJW 2002, 2747, 2750. 51 EuGH, Urt. v. 4.6.2002, C-503/99 (Kommission/Königreich Belgien), Slg. I-04809,

Rdnr. 47. 52 Die Regelung geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung ihrer Ziele erforderlich

ist. EuGH, Urt. v. 4.6.2002, C-503/99 (Kommission/Königreich Belgien), Slg. I-04809, Rdnr. 45, Krause, NJW 2002, 2747, 2750.

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halten eine besondere Bedeutung dadurch, dass die Kapitalverkehrsfreiheit auch auf Drittländer Anwendung findet und dass durch eine solche weite Auslegung der Kapitalverkehrsfreiheit auch zur Liberalisierung des Verkehrs mit Drittlän-dern beigetragen wird. Auf die andere Seite der Grundfreiheiten wird die Nachfragefreiheit54 (auch Dienstleistungsempfängerfreiheit) gestellt,55 deren Behinderungen die Funkti-onsfähigkeit des Binnenmarkts ebenfalls beeinträchtigen können. Darunter wird die Freiheit des Anlegers verstanden, innerhalb der ganzen EU nach seinem frei-en Ermessen Wertpapiere kaufen und Dienstleistungen der Banken und Wertpa-pierfirmen in Anspruch nehmen zu dürfen. Diese Freiheit wird als selbständiges Schutzgut der europäischen Grundfreiheiten angesehen.56 Dies steht im schein-baren Widerspruch zur Rechtfertigung der Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Gründen des Allgemeininteresses, die den Anlegerschutz mit einschließen. In Wirklichkeit besteht kein Konflikt zwischen diesen beiden Regelungen. Der Gemeinsame Markt soll auf einem hohen Anlegerschutzniveau vollzogen wer-den. Solange noch Lücken in diesem Niveau bestehen, bleibt Platz für Be-schränkungen. Die Schaffung eines gleich hohen Anlegerschutzniveaus in allen Mitgliedstaaten57 würde unmittelbar zum Abbau der zwischenstaatlichen Hin-dernisse und dadurch zur weitergehenden Liberalisierung des Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs in der EU beitragen. b) Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf Drittlände r Grundsätzlich dienen die Grundfreiheiten der Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarkts. Dieses Ziel wird durch die Liberalisierung des grenzüberschrei-

53 EuGH, Urt. v. 4.6.2002, C-503/99 (Kommission/Königreich Belgien), Slg. I-04809,

Rdnr. 49, 51 und 52. In diesem Fall handelte es sich um eine Widerspruchsregelung, die an strenge Fristen gebunden ist, sich auf objektive und gerichtlich nachprüfbare Kriterien stützt sowie einer förmlichen Begründung und einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

54 Auch „Wahlfreiheit des Verbrauchers“ oder „passive“ Dienstleistungsfreiheit genannt, d.h. „die Freiheit des Abnehmers, insbesondere des Verbrauchers, [...] überall im Ge-meinsamen Markt Dienstleistungen [...] `kaufen´ zu können“ (Reich, Europäisches Verbraucherrecht, Rdnr. 43.-).

55 Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2089; Reich, ZHR 153 (1989), 571, 574 ff. 56 Vgl. Reich, ZHR 153 (1989), 571, 574 ff. 57 Reich in Grundmann, S. 481, 493, 498, weist darauf hin, dass der europäische Gesetz-

geber von einem hohen Verbraucherschutzniveau bei der Errichtung des Binnenmarkts ausgeht und dass Verbraucherpolitik keine Sozial-, sondern Marktpolitik darstellt. Ihm folgend Mülbert, WM 2001, 2085, 2092.

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tenden Geschäftsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und durch den Abbau der Zugangsbarrieren innerhalb der EU erreicht. Allerdings besteht das wirt-schaftliche Interesse der Europäischen Union sowohl an der Teilnahme an der internationalen Wirtschaft und am Zugang zu den anderen Märkten als auch am Zufluss ausländischen Kapitals. Da sich entsprechende Vorhaben regelmäßig auf den Grundsatz der Reziprozität stützen, muss die Europäische Union den Drittländern Zugang zu ihren Märkten gewähren. Die entsprechenden Maßnah-men sollen vorzugsweise auf der gemeinschaftlichen Ebene und nicht durch die einzelnen Mitgliedstaaten getroffen werden. Da die Drittstaaten günstigere Re-gelungen einzelner Mitgliedstaaten dafür ausnutzen könnten, Zugangsbarrieren anderer Mitgliedstaaten zu überwinden, bietet sich eine europaweite Koordinie-rung der Zugangsregeln für Drittländer an. Zu einer solchen sekundärrechtlichen Koordinierung der kapitalmarktrechtlichen Regeln ist es bislang auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf die Gründung von Tochterunternehmen der Banken und Wertpapierfirmen aus Drittländern in der EU gekommen. Sie sind entsprechend in Art. 23 bis 25 Kre-ditinstitute-RL und in Art. 7 WPD-RL a.F. (entspricht dem Art. 15 der neuen WPD-RL n.F.) EU-weit harmonisiert und den Grundsätzen der Reziprozität un-terstellt.58 Demgemäß sind die in einem EU-Mitgliedstaat zugelassenen Toch-terunternehmen der Banken und Wertpapierfirmen aus Drittländern den Toch-terunternehmen der inländischen Institute gleichgestellt und genießen die Vor-teile des Europäischen Passes.59 Gleichwohl wurde bislang keine Koordinierung der Zulassung von Zweigstellen der Banken und Wertpapierfirmen aus Nicht-EU-Ländern erreicht, so dass ihre Zulassung nach den Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten erfolgt.60 Die Dienstleistungsfreiheit erstreckt sich grundsätzlich nicht auf Drittländer.61 Zwar verwehrt es der EGV nicht, dass sekundärrechtlich die Freiheit eingeräumt wird, Finanzdienstleistungen aus Drittländern oder in Drittländer zu erbringen.62 Jedoch ist es zu einer solchen Liberalisierung bislang noch nicht gekommen. Deswegen haben z.B. Wertpapierfirmen aus der Russischen Föderation grund- 58 Vgl. Troberg in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 135 Rdnr. 40 ff. 59 Vgl. Kokott, RIW 2000, 401, 404. 60 Vgl. Troberg in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 135 Rdnr. 37 ff. Siehe auch den 28.

Erwägungsgrund der WPD-RL n.F. 61 Vgl. Ohler, S. 126 f.; Troberg in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 135 Rdnr. 39. Die

einzige Ausnahme stellen Tochterunternehmen von Banken und Wertpapierfirmen aus Drittländern dar. Sobald diese in der EU niedergelassen sind, können sie vom Europäi-schen Pass Gebrauch machen und ihre Dienstleistungen EU-weit grenzüberschreitend anbieten.

62 Vgl. Ohler, S. 127.

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sätzlich nicht das Recht, ihre Dienstleistungen von ihrem Sitz aus direkt in der EU anzubieten. Eine allgemeine Verpflichtung zur Gewährleistung des freien Marktzugangs zum europäischen Kapitalmarkt und zur Liberalisierung der Dienstleistungen einschließlich der Finanzdienstleistungen gegenüber den Drittländern, die GATS beigetreten sind (und zu denen die Russische Föderation nicht gehört), könnte den Verpflichtungen der Europäischen Union aus GATS entnommen werden.63 Dies muss allerdings präzisiert werden: GATS selbst begründet unmittelbar nach Art. II und III jeweils nur die Meistbegünstigung und die Transparenz, je-doch nicht die Pflicht, den Dienstleistungserbringern der anderen Mitglieder den Marktzugang und die Gleichbehandlung mit Inländern zu gewähren.64 Gemäß Art. XVI Abs. 1 und Art. XVII Abs. 1 bestehen diese Pflichten nur insofern, als ein Mitgliedstaat sie in seine Liste der spezifischen Verpflichtungen übernom-men hat.65 Die EG und ihre Mitgliedstaaten haben ihre Verpflichtungen in der „Vereinbarung über Verpflichtungen bei Finanzdienstleistungen“ aufgeführt.66 Zwar erlaubt die Vereinbarung die Erbringung der Finanzdienstleistungen67 im Wege der kommerziellen Präsenz, doch gewährt sie keinen unmittelbaren Zu-gang der Finanzdienstleistungen zum europäischen Kapitalmarkt.68 GATS be-gründet auch keinen freien Kapitalverkehr, sondern verpflichtet zu seiner Libe-ralisierung nur im Rahmen der bestehenden Marktöffnung bei Finanzdienstleis-tungen.69 Darüber hinaus dürfen die Mitglieder den gewährten Marktzugang nach Art. XIV aus einigen Gründen, wie z.B. Schutz der Anleger, Sicherung der Stabilität des Finanzsystems etc. einschränken. Insofern begründen die Ver-pflichtungen der EG aus GATS keine weiteren Verpflichtungen zur Liberalisie-

63 GATS begründet keine Rechte einzelner Personen, sondern völkerrechtliche Ver-

pflichtungen zwischen den Mitgliedern, die der Umsetzung, etwa durch die sekundär-rechtliche Gesetzgebung der Europäischen Union, bedürfen. Vgl. Ohler, S. 196 f.; Hörmann/Göttsche, RIW 2003, 689, 691.

64 Vgl. Ohler, S. 198 ff. und 217; Eckert, S. 150 ff., Weber, S. 187 ff. 65 Vgl. Pitschas, RIW 2003, 676, 679. 66 Siehe Art. 1 des 5. Protokolls; Nr. 1 bis 3 der Liste spezifischer Verpflichtungen; Sek-

tion B 3.(c) der Vereinbarung über Verpflichtungen bei Finanzdienstleistungen sowie Nr. 5 (a) (xvi) der Anlage zu Finanzdienstleistungen.

67 Ohler, S. 210 f., weist darauf hin, dass GATS den Begriff der Finanzdienstleistungen breiter als die EU interpretiert. Er geht über die typischen Formen des Finanzdienst-leistungsgeschäfts hinaus und erfasst die Bereitstellung und Übermittlung der Finanz-informationen, die Verarbeitung von Finanzdaten, Kreditauskünfte und die Bonitäts-prüfung.

68 Vgl. Dassesso, Butterworth Journal of International Banking and Financial Law, 2001, 473, 476; Kokott, RIW 2000, 401, 403.

69 Vgl. Ohler, S. 201.

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rung der Finanzdienstleistungen gegenüber Drittländern, die über den aktuellen Stand der europäischen Rechtsetzung hinausgehen. Die Reichweite der Liberalisierung des Kapitalverkehrs geht über die des Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit hinaus.70 Die Kapital-verkehrsfreiheit öffnet die „Außengrenzen“ der Gemeinschaft und liberalisiert den Kapitalverkehr mit Drittländern.71 Damit wird die seit Jahren bestehende Verflechtung der Finanzmärkte honoriert. Ziel dieser Liberalisierung ist die Stärkung des Vertrauens in die Wirtschafts- und Währungsunion und die Ver-besserung der Rahmenbedingungen für einen breiten, tiefen und liquiden euro-päischen Kapitalmarkt.72 Diese Liberalisierung erfolgt in der ganzen EU, hat al-so auch koordinierenden Charakter und führt zur Vereinheitlichung der staatli-chen Regelungen. Demgemäß sind nach Art. 56 EGV alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs, einschließlich des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaa-ten und Drittländern, verboten. Insofern erstreckt sich die Kapitalverkehrsfrei-heit auf Drittländer, zu denen auch die Russische Föderation gehört. Dennoch sind nach Art. 57 EGV sowohl mitgliedstaatliche als auch sekundär-rechtliche Ausnahmen von dieser Regel zulässig, die die Reichweite der Libera-lisierung relativieren.73 So dürfen sowohl die mitgliedstaatlichen als auch die se-kundärrechtlichen Beschränkungen, die am 31. Dezember 1993 vorlagen, nach Art. 57 Abs. 1 EGV weiter bestehen. Diese Beschränkungen beziehen sich auf den Kapitalverkehr mit Drittländern in Zusammenhang mit Direktinvestitionen, die Niederlassung, die Erbringung von Finanzdienstleistungen und die Zulas-sung von Wertpapieren. Nach dem Stichtag dürfen die Mitgliedstaaten Be-schränkungen nur noch einführen, wenn diese im Sinne der bereits existierenden Beschränkungen sind.74 Auf der Unionsebene darf der Rat nach Art. 57 Abs. 2 EGV auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit über Maßnah-men in diesen Bereichen beschließen. Dabei bedürfen nur diejenigen Maßnah-men, die einen Rückschritt in der Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit Dritt-ländern darstellen, der Einstimmigkeit im Rat.

70 Die Reichweite dieser Liberalisierung wird allerdings dadurch verringert, dass ein

Sachverhalt, der von der Kapitalverkehrs- und entweder Niederlassungs- oder Dienst-leistungsfreiheit erfasst ist, den Regeln über die Niederlassungs- oder Dienstleistungs-freiheit unterstellt wird. Vgl. Mohamed, S. 221.

71 Vgl. Ohler, S. 39. 72 Vgl. Ohler, S. 39 und 133. 73 Vgl. Ohler, S. 133 und 206 ff. 74 Vgl. Ohler, S. 207 f.

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Einer der Gründe für die eingeschränkte Öffnung der Außengrenzen der Europä-ischen Union und Nichterstreckung der Grundfreiheiten auf Drittländer ist der Gedanke des Anlegerschutzes und des Schutzes der Stabilität des europäischen Kapitalmarkts. Die Finanzdienstleister und Finanzprodukte aus Drittländern un-terliegen der nationalen Aufsicht, die oftmals weniger strenge Anforderungen an solche Finanzdienstleister und Finanzprodukte stellt. Sollte der europäische Ka-pitalmarkt für diese bedingungslos geöffnet sein, können sich Gefahren für An-leger aus der Unzuverlässigkeit oder mangelnden Solvenz der Marktintermediä-re/Emittenten, verdeckten Risiken der Finanzprodukte sowie mangelhafter Transparenz und Informationslücken der Geschäfte ergeben. 2. Rechtsangleichung und Herkunftslandprinzip Der Anlegerschutz in der Europäischen Union ist so ausgestaltet, dass durch die Harmonisierung des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten ein allgemein hohes Schutzniveau für die Anleger gewährleistet wird, während die Einführung der dem Allgemeininteresse dienenden nationalen Maßnahmen stark begrenzt und damit die Errichtung von Barrieren, die den Zugang von Finanzdienstleistern aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zu nationalen Kapitalmärkten anderer Mitgliedstaaten hemmen, verhindert wird.75 Die Zielrichtung des Anle-gerschutzes in der Europäischen Union ist die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen und nicht die gemeinschaftliche Sozi-alpolitik.76 Hier soll untersucht werden, wie die Rechtsangleichung in der Euro-päischen Union im Hinblick auf die Verhaltensregeln erfolgt und welche Aus-wirkungen sie auf den Anlegerschutz hat. Die Verhaltensregeln für Marktintermediäre tragen stark zum Binnenmarktziel bei, indem sie die Nachfragefreiheit fördern. Mülbert sieht zwei Ursachen für die Passivität der Nachfrage auf den Kapitalmärkten: Erstens, asymmetrische In-formationsverteilung und, zweitens, Unfähigkeit der privaten Anleger zur In-formationsverarbeitung.77 Das erste Problem soll durch Einführung der umfang-reichen Informationspflichten beseitigt werden. Dem zweiten Problem wirken die Beratungspflichten der Marktintermediäre entgegen.

75 Vgl. Elster, S. 323; Reich in Grundmann, S. 481, 489 ff. 76 13. Erwägungsgrund der FernARL-FinanzDL; 71. Erwägungsgrund der WPD-RL n.F.

S. auch Reich in Grundmann, S. 481, 498; ihm folgend Mülbert, WM 2002, 2085, 2092.

77 Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2092 f.

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Unabhängig von der binnenmarktfördernden Funktion des Anlegerschutzes und der Verhaltensregeln bestand bei der bisherigen, auf die Verhaltenspflichten der Marktintermediäre bezogenen europäischen Regelung, die u.a. Gegenstand die-ser Untersuchung sein soll, die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten im Allgemeinin-teresse Vorschriften erlassen, die den Zugang der Marktintermediäre aus den anderen EU-Mitgliedstaaten zu ihrem Kapitalmarkt erschweren bzw. verhin-dern.78 Art. 11 Abs. 1 WPD-RL a.F. wurde so konzipiert, dass er lediglich einen Mindeststandard für Verhaltensregeln vorgab.79 Daher durften die Mitgliedstaa-ten über diesen Mindeststandard hinausgehende strengere nationale Verhaltens-regeln erlassen. Art. 11 Abs. 2 WPD-RL a.F. nahm die Wohlverhaltensregeln von der Aufsicht des Herkunftslandes aus und ermächtigte den Aufnahmestaat, in dem der Anleger ansässig ist, zur Durchführung und Überwachung der Ein-haltung solcher Vorschriften. Dies wiederum bedeutet, dass strengere nationale Verhaltensregeln sowohl auf die in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats an-sässigen als auch auf die ausländischen Marktintermediäre, die ihre Dienstleis-tungen grenzüberschreitend in seinem Hoheitsgebiet anbieten, anwendbar sind. Dies führte im Ergebnis dazu, dass die Marktintermediäre gezwungen waren, über den europäischen Mindeststandard hinausgehenden Verhaltensregeln jedes einzelnen EU-Mitgliedstaats, in dem sie grenzüberschreitend tätig werden woll-ten, zu genügen. Eine solche Belastung kann im Vergleich zu den im Ausland erzielbaren Gewinnen unverhältnismäßig sein und die Marktintermediäre davon abhalten, ihre Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten zu erbringen. Zwar scheint diese Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit europarechtskonform gewesen zu sein,80 sie wirkte indirekt aber doch dem Zweck des Anlegerschut-zes, nämlich der Integration der europäischen Kapitalmärkte, entgegen.81 Diese Regelung wurde durch die Belange des Funktions- und Anlegerschutzes begründet. Gemäß dem 42. Erwägungsgrund der WPD-RL a.F. ist es für die Gewährleistung des effektiven Anlegerschutzes erforderlich, den Aufnahmestaat in die Lage zu versetzen, „jeglichen Praktiken von Wertpapierfirmen in seinem Hoheitsgebiet, die gegen die Wohlverhaltensregeln sowie gegen die von ihm aus Gründen des Gemeinwohls erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verstoßen, vorzubeugen und sie zu ahnden sowie im Notfall einzugreifen“. 78 Vgl. Reich in Grundmann, S. 481, 484 f.; Reifner in Grundmann, S. 577, 581; Troberg

in Grundmann, S. 443, 445, 447 ff. 79 Spindler, ZHR 2001, 324, 347, spricht von Art. 11 der WPD-RL als einer „Öffnungs-

klausel“. Vgl. Stöterau, S. 43; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 137. 80 Troberg in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 135 Rz. 10, betrachtet diese Regelung da-

gegen als Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit. 81 Siehe den 34. Erwägungsgrund der WPD-RL a.F.; zu nichtdiskriminierenden Be-

schränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Allgemeininteresse siehe Reich, Europäisches Verbraucherrecht, Rdnr. 54.-; Reich, ZHR 153 (1989), 571, 583 f.

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Zwar gehören die kollisionsrechtlichen Bestimmungen nicht zum Gegenstand dieser Untersuchung und können hier nicht ausführlich behandelt werden, doch bietet sich an dieser Stelle ein Beispiel aus dem europäischen Kollisionsrecht an. Das Grünbuch der Europäischen Kommission „Finanzdienstleistungen: Wah-rung der Verbraucherinteressen“ befürwortet, dass die Verbraucher (bzw. Anle-ger) durch ihre innerstaatlichen Schutzvorschriften geschützt werden.82 Es weist weiter auf die im Übereinkommen von Rom vom 19.6.198083 vorgesehenen Re-geln hin, die das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht bestim-men. Diese Bestimmungen gewährleisten den kollisionsrechtlichen Anleger-schutz.84 Nach Art. 3 Abs. 3 und Art. 5 Übereinkommen von Rom bleibt der An-leger grundsätzlich, trotz der im Vertrag getroffenen Rechtswahl, durch die in seinem Land geltenden zwingenden Bestimmungen geschützt.85 Mit „zwingen-den Bestimmungen“ sind gemäß Art. 3 Abs. 3 Übereinkommen von Rom die Rechtsvorschriften gemeint, von denen durch Vertrag nicht abgewichen werden kann. Zu diesen zählen die in §§ 31, 32 WpHG begründeten Verhaltensregeln, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind und grundsätzlich nicht abbedun-gen werden können.86 Wie Reich zutreffend hervorhebt, wird dadurch dem Inte-resse des Anlegers, „nicht mit einer ihm fremden Rechtsordnung konfrontiert zu werden“, Vorrang vor dem Interesse des Wertpapierdienstleisters, anlegerschüt-zende Vorschriften zu eliminieren, eingeräumt.87 Dieser Norm schreibt er eine Wertung als „grundsätzliche Orientierungsnorm für den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz“ zu, die zur Errichtung des einheitlichen gemeinschaftlichen Schutzniveaus für Privatanleger beiträgt.88 Darüber hinaus kann der Anleger-schutz durch die Heranziehung des Art. 7 Abs. 2 Übereinkommen von Rom er-gänzt werden.89 Danach sind international zwingende Bestimmungen der lex fo-ri, so genannte „Eingriffsnormen“, auch dann anzuwenden, wenn der betreffen-de Vertrag einem anderen Recht unterliegt. Soweit Anlegerschutzbestimmungen einer Rechtsordnung entsprechend international Geltung beanspruchen, kommen sie unabhängig vom anwendbaren Recht zur Anwendung. Es kann daraus gefol-gert werden, dass weder die Anwendung des Herkunftslandprinzips noch eine

82 Das Grünbuch der Europäischen Kommission „Finanzdienstleistungen: Wahrung der

Verbraucherinteressen“, abgedruckt in ZBB 1996, 150, 152. Vgl. Reich in Grund-mann, S. 481, 497.

83 ABlEG v. 9.10.1980, Nr. L 266, S. 1. 84 Reich, RabelsZ 2004, 351, 355. 85 Siehe auch das Grünbuch der Europäischen Kommission „Finanzdienstleistungen:

Wahrung der Verbraucherinteressen“, abgedruckt in ZBB 1996, 150, 153. 86 Ausführlich auf S. 80, I. Einschlägige Rechtsvorschriften. 87 Reich, RabelsZ 2004, 351, 352; Klauer, S. 39 ff., 57 f. 88 Reich, RabelsZ 2004, 351, 352 f. 89 Vgl. Kiel, S. 172 ff.

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im Rahmen eines vertraglichen Verhältnisses zwischen einem Marktintermediär und einem Anleger getroffene Rechtswahl grundsätzlich etwas daran ändern dürfen, dass ein Kleinanleger durch (international) zwingende nationale Be-stimmungen zum Anlegerschutz geschützt bleibt.90 Dieser Grundgedanke steht in Einklang mit der neuen Fassung der WPD-RL. Art. 18 (1) (Interessenkonflik-te) und 19 (1) (Wohlverhaltensregeln) WPD-RL n.F. unterstellen die Mitglied-staaten der Verpflichtung, die Anwendung der in der Richtlinie festgelegten Verhaltensregeln in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten, ohne zusätzliche An-forderungen aufzustellen (Art. 31 Abs. 1 (2) WPD-RL n.F.) und streben insofern die EU-weite Maximalharmonisierung im Hinblick auf die Verhaltensregeln der Marktintermediäre an. Eine solche maximale Rechtsangleichung unter Berück-sichtigung der Abstandnahme von der Aufnahme-/Heimatlandregel soll dem kollisionsrechtlichen Schutz der Anlegerinteressen eine hervorzuhebende Be-deutung verleihen sowie der Errichtung des gemeinschaftsweiten Anleger-schutzniveaus beitragen.91 Ein weiteres Beispiel der mit dem Allgemeininteresse begründeten Ausnahme-regelungen auf dem Gebiet des Privatrechts bietet die vor kurzem verabschiede-te FernARL-FinanzDL. Zwar erkennt die FernARL-FinanzDL in ihrem 12. Er-wägungsgrund an, dass gegensätzliche oder voneinander abweichende Verbrau-cherschutzbestimmungen der Mitgliedstaaten negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt und den Wettbewerb der Unternehmen im Binnenmarkt zur Folge haben können und dass es daher geboten ist, auf Gemeinschaftsebene gemein-same Regeln für diesen Bereich einzuführen.92 Damit scheint die Maximalhar-monisierung zu ihrer Zielrichtung erklärt. Doch verbietet der 13. Erwägungs-grund den Mitgliedstaaten im Laufe der Umsetzung der Richtlinie, „in dem durch diese Richtlinie harmonisierten Bereich [...] andere als die darin festgeleg-ten Bestimmungen“ nur insofern vorzusehen, als es in der Richtlinie selbst nicht anders ausdrücklich vorgesehen ist. Infolgedessen dürfen die Mitgliedstaaten kraft Art. 4 Abs. 1 und 2 FernARL-FinanzDL eigene Anforderungen an die vor-vertragliche Auskunftserteilung, die über diejenigen des Art. 3 Abs. 1 FernARL-FinanzDL hinaus gehen, erlassen, weiter beibehalten bzw. einführen. Das führt zum Ergebnis, dass die durch die FernARL-FinanzDL angestrebte Maximal-harmonisierung durch die Angleichung der nationalen Vorschriften im Hinblick auf die vorvertragliche Auskunftserteilung einen Rückschlag erlitten hat.

90 Ausführlich zur kollisionsrechtlichen Interessenabwägung sowie zum Herkunftslands-

prinzip als „versteckter“ Kollisionsnorm siehe Klauer, S. 101 ff.; Reich, RabelsZ 2004, 351, 353 f.

91 Vgl. Reich, RabelsZ 2004, 351, 353 f. 92 Kritisch Reifner in Grundmann, S. 577, 600 f.

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Zwar mag dieser Ansatz isoliert gesehen gerechtfertigt sein. Dennoch führt er im Hinblick auf die von dem Mindeststandard abweichenden strengeren nationalen Regeln zu erheblichen Störungen der Nachfragefreiheit und läuft dem Ziel des Binnenmarktes zuwider. Obwohl die zwingende unabdingbare Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats, in dem der Anleger ansässig ist, seinen Interessen dient, benachteiligt sie den Anleger doch, indem sie seine Nachfragefreiheit be-einträchtigt und zu Wettbewerbsverzehrungen führt. Wenn die ausländischen Marktintermediäre ihre Dienstleistungen und Produkte am Kapitalmarkt eines Mitgliedstaats nicht anbieten, wird das Angebot auf diesem Markt einge-schränkt. Infolge der dadurch entstandenen Wettbewerbsverzerrungen wird die Auswahl an Dienstleistungen, Produkten und Konditionen, zu denen diese er-worben werden können, für den Anleger stark reduziert. Das löst einen Konflikt zwischen der anlegerschützenden Intention der strengeren nationalen Verhal-tenspflichten auf der einen Seite und den Grundfreiheiten sowie der im Anleger-interesse liegenden Funktion des Binnenmarkts, nämlich dem Anleger bessere und billigere Finanzdienstleistungen zur Verfügung zu stellen, auf der anderen Seite, aus.93 Das Problem des Gleichgewichts zwischen dem anlegerschützenden Effekt der Verhaltensregeln und den durch ein eingeschränktes Angebot entstehenden ma-teriellen Nachteilen wurde im Grünbuch der Kommission „Finanzdienstleistun-gen: Wahrung der Verbraucherinteressen“ angesprochen. Es scheint sich in der letzten Zeit eine Tendenz zur Abstandnahme von der Aufnahmestaatsregelung und zur Durchsetzung des Herkunftslandprinzips abzuzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die E-Comm-RL. Allerdings löst das Herkunftslandprinzip die Dis-kussion über den sog. „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ oder „race to the bot-tom“ aus, deren rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen in der Rechtslite-ratur keine einheitliche Bewertung finden.94 Die WPD-RL n.F. löst beide der oben angesprochenen Mängel: Sie strebt eine Kompromisslösung an, die auf dem Wege der Maximalharmonisierung der in dieser Richtlinie geregelten Be-reiche und der Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden gewährleistet wird. Diese Lösung führt zur EU-weiten Vereinheitlichung der Verhaltensregeln und schafft ein allgemein hohes Anlegerschutzniveau in der Europäischen Union. 93 Auf diesen Konflikt weist auch das Grünbuch der Europäischen Kommission „Finanz-

dienstleistungen: Wahrung der Verbraucherinteressen“, abgedruckt in ZBB 1996, 150, 154, hin: „Legal restrictions related to general good considerations dissuade foreign companies from offering their products abroad, and, by limiting choice, may therefore be detrimental to the consumer“. Vgl. Reifner in Grundmann, S. 577, 599.

94 Vgl. Hopt in Grundmann, S. 307, 319 ff.; Reifner in Grundmann, S. 577, 583 ff. und 607 f.

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a) WPD-RL n.F. In der Begründung der WPD-RL n.F. wird Kritik an den durch mangelnde Har-monisierung und übermäßige Ausnahmeregelungen der alten Fassung der WPD-RL entstandenen Lücken des Anlegerschutzes geübt. Die WPD-RL n.F. zielt daher auf die Fortsetzung der Rechtsangleichung sowie auf die Gewährleistung der zeitgemäßen Regulierung der Kapitalmärkte ab.95 Es wurde vorgeschlagen, zur Verbesserung des Anlegerschutzes die Wertpapierfirmen „lediglich der Kon-trolle der Aufsichtsbehörde ihres Herkunftslandes“ zu unterstellen. Dieser Vor-schlag erforderte eine politische Einigung, die sich weitgehend auf die Maxi-malharmonisierung des materiellen Rechts auf der europäischen Ebene stützt. Die WPD-RL n.F. gibt in Art. 19 einen zwingenden Standard (der kein Mindest-standard ist) für Verhaltensregeln vor. WPD-RL n.F. legt Wert auf eine einheit-liche Anwendung dieses Standards, der nach Art. 19 Abs. 10 WPD-RL n.F. durch die im Komitologieverfahren zu erlassenen Durchführungsmaßnahmen si-chergestellt werden soll. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diesen Standard in das nationale Recht zu übernehmen, und dürfen gemäß Art. 31 Abs. 1 (2) WPD-RL n.F. keine zusätzlichen Anforderungen an die Wertpapierfirmen auf-stellen bzw. strengere nationale Verhaltensregeln einführen. Die Maximalhar-monisierung sowie die Herkunftslandsaufsicht als Rechtsangleichungsmaßnah-men sollen dazu beitragen, dass ein gleich hohes Schutzniveau für die Anleger in allen Mitgliedstaaten gewährleistet wird. Diese Lösung scheint für Verhaltenspflichten angesichts ihrer öffentlich-rechtlichen Natur tragfähiger als die bislang geltende Ausnahmeregelung zu sein. Die Verhaltensregeln sind auf die Beziehung zwischen dem Marktinterme-diär und der Aufsichtsbehörde gerichtet. Zwar kann eine Aufsichtsbehörde in ih-rem eigenen Land die Missstände ausländischer Marktintermediäre eher aufde-cken, wenn die Dienstleistung in diesem Land erbracht wird. Dennoch kann sie gegen diese Praktiken nicht so effektiv vorgehen, wenn der Marktintermediär in ihrem Land nicht niedergelassen ist. Dafür fehlen ihr die rechtlichen Mittel, weil ihre aufsichtsrechtliche Zuständigkeit sich nicht auf das Hoheitsgebiet eines an-deren Landes erstreckt (Territorialitätsprinzip). Deswegen erscheint es ange-bracht, der Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaats die Befugnis zu geben, die Einhaltung der Verhaltensregeln durch Marktintermediäre, selbst wenn sie grenzüberschreitend tätig werden, sicherzustellen und die Aufsichtsbehörden aus unterschiedlichen Ländern zur Zusammenarbeit insbesondere im Hinblick auf

95 Vgl. Balzer, ZBB 2003, 177, 178, 186.

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die Aufdeckung von Missständen und Verstößen gegen die Verhaltensregeln aufzufordern (der 63. Erwägungsgrund sowie Art. 56 bis 58 WPD-RL n.F.).96 Die in Art. 19 und Art. 31 Abs. 1 WPD-RL n.F. vorgeschlagene Regelung strebt eine Maximalharmonisierung an. Anknüpfend an das Herkunftslandprinzip sol-len die Rechtsangleichungsmaßnahmen zum Ziel der Verwirklichung des Bin-nenmarkts führen. Gleichzeitig bedeutet sie eine Erleichterung für die Marktin-termediäre, die nicht mehr den Anforderungen jedes Mitgliedstaats, in dem sie ihre Dienstleistungen erbringen, genügen müssen. Diese Erleichterung geht nicht auf Kosten der Anleger, sondern ist gerade dank der Schaffung eines all-gemein hohen Anlegerschutzniveaus in ganz Europa möglich geworden. b) E-Comm-RL Auf den Widerspruch zwischen den in Art. 11 WPD-RL a.F. enthaltenen Auf-nahmestaatsregeln und dem Herkunftslandprinzip der E-Comm-RL weist Reich hin.97 Die Finanzdienstleistungen, die die in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Marktintermediäre grenzüberschreitend innerhalb der Europäischen Union über das Internet anbieten, fallen in den Anwendungsbereich beider Richtlinien.98 Die E-Comm-RL erfasst die Dienste der Informationsgesellschaft,99 zu denen auch die Finanzdienstleistungen, die über das Internet angeboten werden, gehören, so-lange die rechtlichen Anforderungen aus dem koordinierten Bereich100 stammen.

96 Der 32. Erwägungsgrund und Art. 32 Abs. 1 und 7 WPD-RL n.F. sehen die Ausnah-

meregelung für die Zweigniederlassungen der ausländischen Wertpapierfirmen vor. Diese sollen durch die Aufsichtsbehörde des Aufnahmestaats auf die Einhaltung der in Art. 19 WPD-RL n.F. enthaltenen Verhaltensregeln überwacht werden. Gleichwohl gewährt der Aufnahmestaat den Zweigniederlassungen ausländischer Wertpapierfir-men gemäß Art. 61 Abs. 2 WPD-RL n.F. die Inländerbehandlung.

97 Reich, Konvergenz in Medien und Recht, 21, 50 f. Vgl. Spindler WM 2001, 1689, 1700. Spindler, ZHR 2001, 324, 347 f.

98 Vgl. Reich, Konvergenz in Medien und Recht, 21, 50 f. 99 Art. 2 a) der E-Comm-RL verweist auf die Definition des Begriffs „Dienste der Infor-

mationsgesellschaft“ der Informationsverfahren-RL. 100 Gemäß Art. 2 h) i) Spiegelstr. 2 der E-Comm-RL sind dadurch u.a. die Anforderungen

an „die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, bei-spielsweise Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, Anforde-rungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen, sowie Anforderungen betreffend die Ver-antwortlichkeit des Dienstanbieters“ erfasst.

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Art. 3 Abs. 1 und 2 der E-Comm-RL unterwirft die von ihr erfassten Dienstleis-tungen dem Herkunftslandprinzip. Insoweit unterliegen die Marktintermediäre, deren Dienstleistungen in den koordinierten Bereich fallen, den nationalen pri-vat-, straf- und öffentlich-rechtlichen Normen des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen sind.101 Gemäß dem 22. Erwägungsgrund der E-Comm-RL be-zweckt die Einführung des Herkunftslandprinzips die Sicherstellung des freien Dienstleistungsverkehrs und „Rechtssicherheit für Anbieter und Nutzer“. Spind-ler kritisiert die Ausnahme der öffentlich-rechtlichen Verhaltenspflichten vom Herkunftslandprinzip durch Art. 11 WPD-RL a.F., weil diese s.E. nicht nur in-haltlich mit der in der E-Comm-RL festgelegten Regelung,102 sondern auch mit ihrer Zielrichtung kollidiert, indem die Anwendung der Verhaltenspflichten des Aufnahmestaats rechtliche Unsicherheit für die grenzüberschreitend tätigen Marktintermediäre hervorruft. Reich vertritt die Gegenauffassung und schafft Klarheit in dieser Frage, in dem er Art. 11 WPD-RL a.F. als lex specialis zu Art. 3 E-Comm-RL qualifiziert.103 Gemäß dem 11. Erwägungsgrund der E-Comm-RL bleibt das durch die WPD-RL a.F. errichtete Anlegerschutzniveau durch die E-Comm-RL unberührt. Daher ist der Aufnahmestaatregelung des Art. 11 WPD-RL a.F., die direkt dem Anlegerschutz dient, Vorrang vor dem Herkunftslandprinzip der E-Comm-RL einzuräumen.104 Anders als die öffentlich-rechtlichen Verhaltensregeln sind die vertraglichen Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge vom Herkunftslandprinzip der E-Comm-RL durch den Anhang zu Art. 3 Abs. 3 der E-Comm-RL ausdrück-lich ausgenommen.105 Auf die Frage der Qualifizierung eines Anlegers als

101 Vgl. Spindler, ZHR 2001, 324, 332 ff. 102 Siehe Art. 3 (4) E-Comm-RL sowie Anhang zu Art. 3. Näher dazu auch Spindler,

ZHR 2001, 324, 347 f. 103 Reich, Konvergenz in Medien und Recht, 21, 51. 104 Reich, Konvergenz in Medien und Recht, 21, 52, weist darauf hin, dass der Anleger-

schutz im Tätigkeitsland (das sich sowohl aus den zivil- und öffentlich-rechtlichen als auch aus den deliktische Regelungen ergibt) Vorrang vor dem Herkunftslandsprivile-gierung von Wertpapierdienstleistern im E-Commerce hat.

105 Art. 19 Abs. 7 WPD-RL n.F. führt die Pflicht zum Abschluss eines schriftlichen Ver-trages ein. Ausführlich auf S. 204, Pflicht zum Abschluss eines schriftlichen Vertra-ges. Nach Art. 19 Abs. 7 WPD-RL n.F. soll zwischen einer Wertpapierfirma und ei-nem Kunden ein Vertrag abgeschlossen werden. Die zuständige Behörde des Her-kunftsmitgliedstaats ist für die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschrift bei grenzüberschreitenden Transaktionen zuständig. Abzuwarten ist, ob die Durchfüh-rungsmaßnahmen klarstellen, ob daraus die Anwendung des Herkunftslandsprinzips auf den Inhalt des Vertrages und die daraus stammenden Ansprüche gefolgert werden kann. Sollte das der Fall sein, könnte sich ein Konflikt zwischen der Ausnahme der E-Comm-RL und der in diesem Artikel vorgeschlagenen Regelung abzeichnen, soweit es

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Verbraucher wird auf S. 54, IV. Anlegerschutz und Verbraucherschutz, im De-tail eingegangen. Diese Ausnahmeregelung steht im Einklang mit der FernARL-FinanzDL, die von dem in der Richtlinie vorgegebenen Mindeststandard für vorvertragliche Information abweichende nationale Regelungen erlaubt und an-sonsten die in den anderen Richtlinien festgelegten Regeln, wie z.B. das Her-kunftslandprinzip der E-Comm-RL, unberührt lässt.106 An dieser Stelle ist aller-dings anzumerken, dass auf Verträge mit Anlegern, die nicht unter die Kategorie des Verbrauchers fallen, das Herkunftslandprinzip der E-Comm-RL weiter An-wendung findet. Spindler schlägt eine weite Auslegung der Ausnahme von Verbraucherverträgen vom Herkunftslandprinzip vor, so dass im Ergebnis über den Umweg des Kolli-sionsrechts auch „das anlegerschützende Kapitalmarktrecht“, einschließlich der Wohlverhaltensregeln, durch diese Ausnahmen erfasst werden soll.107 Meines Erachtens würde eine solche Auslegung zwar zur Vereinfachung der Rechtsan-wendung beitragen, weil in diesem Fall alle öffentlich-, zivil- (allerdings nicht delikts-) und strafrechtlichen Normen dem Herkunftslandprinzip entzogen wä-ren, solange es sich um vertragliche Ansprüche eines als Verbraucher zu qualifi-zierenden Anlegers handelt. Dennoch würde dies den Rechtsangleichungspro-zess bremsen und der Zielrichtung der europäischen Rechtssetzung, insbesonde-re der Errichtung des gemeinsamen Binnenmarkts, widersprechen. 3. Zwischenergebnis Die Bestimmungen der jeweils erst vor kurzem erlassenen E-Comm-RL und FernARL-FinanzDL sowie der WPD-RL n.F. zeigen die Tendenz der europäi-schen Rechtssetzung, die Rechtsangleichungsmaßnahmen in den Vordergrund der Regulierung zu stellen. Dies wird nicht nur durch die Maximalharmonisie-rung der Rechtsnormen, sondern auch durch die einheitliche Anwendung des Herkunftslandprinzips erreicht. Die maximale Rechtsangleichung in Zusam-menhang mit dem Herkunftslandprinzip trägt effektiv zum Ausbau des gemein-samen Binnenmarkts bei und nimmt den Mitgliedstaaten den Anreiz, zwischen-staatliche Marktzugangsbarrieren unter der Prämisse des Anlegerschutzes zu er-richten. Sie erleichtert auch die grenzüberschreitende Tätigkeit der Marktinter-mediäre und fördert auf diesem Wege die wirtschaftlichen Interessen der Anle-

sich in beiden Richtlinien um Verbraucherverträge bzw. Verträge mit Privatanlegern handelt.

106 Reich, Konvergenz in Medien und Recht, 21, 53. Ausführlich auf S. 45, 2. Rechtsan-gleichung und Herkunftslandprinzip.

107 Spindler, ZHR 2001, 324, 343 ff.

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ger und trägt zu deren Nachfragefreiheit bei. Gleichwohl dürfen aus der Sicht des EU-Gesetzgebers am Anlegerschutz in der Europäischen Union keine Ab-striche gemacht werden, wenn sowohl im Wege öffentlich-rechtlicher wie auch privatrechtlicher Vorschriften ein hohes Anlegerschutzniveau in der Gemein-schaft gewährleistet werden soll.108 Diese Ziele können allerdings nicht als er-reicht betrachtet werden, solange die Regelung uneinheitlich und durch mehrere Ausnahmen durchbrochen bleibt. Auch die Komplexität dieser Regelung wirkt ihrem Zweck entgegen. IV. Anlegerschutz und Verbraucherschutz Die Verhaltenspflichten der Marktintermediäre dienen überwiegend dem Schutz eines unterlegenen Vertragspartners.109 Diese Unterlegenheit zeigt sich meistens darin, dass es dem Kunden des Wertpapierdienstleisters an Informationen, ent-sprechenden Erfahrungen und Sachkenntnissen fehlt und dadurch seine Schutz-bedürftigkeit entsteht.110 Insoweit bedeutet Anlegerschutz den Ausgleich dieser Unterlegenheit. Darum ist es für den Gesetzgeber erforderlich, sich ein Anleger-bild vor Augen zu halten, das ihm erlaubt, den Inhalt und die Reichweite der für die Gewährleistung des effektiven Anlegerschutzes erforderlichen Rechtsrege-lungen zu bestimmen. Auf der europäischen Ebene existiert kein einheitliches Anlegerbild.111 Weder die alte noch die neue Fassung der WPD-RL enthält eine rechtliche Definition des Begriffs „Anleger“. Sie versteht den Anleger als Kunden des Wertpapier-dienstleistungsunternehmens (Art. 4 Abs. 1 Nr. 10 bis 12 WPD-RL n.F.). Die WPD-RL sieht Anlegerschutz als eines ihrer Ziele. Der 31. Erwägungsgrund WPD-RL n.F. (33. Erwägungsgrund WPD-RL a.F.) weist auf die Erforderlich-keit hin, zu diesem Zweck den unterschiedlichen Schutzbedürfnissen der einzel-nen Gruppen von Anlegern und ihren unterschiedlichen fachlichen Erfahrungen Rechnung zu tragen. Art. 11 Abs. 1 S. 2 WPD-RL a.F. schrieb vor, dass bei der Anwendung aller Verhaltensregeln auf den Grad der Professionalität des Anle-gers abgestellt werden soll.112 Daher wurde zwischen Privatanlegern und profes- 108 Reich, ZHR 153 (1989), 571, 572 ff., weist darauf hin, dass die Vollendung des Bin-

nenmarkts die Rechtsangleichung auf hohem Schutzniveau erfordert. 109 Vgl. Möllers, ZGR 1997, 334, 363. 110 Vgl. Bliesener, S. 312 ff.; Hopt in Grundmann, S. 307, 322; Reich in Grundmann,

S. 481, 498. 111 Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2100 f.; Reich in Grundmann, S. 481, 501 ff.; Reifner

in Grundmann, S. 577, 579; Stöterau, S. 83 ff. 112 Der Professionalitätsgrad des Anlegers bestimmt seine Schutzbedürftigkeit und indivi-

duelle Aufklärungsbedürftigkeit. Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109

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sionellen Anlegern unterschieden (Differenzierungsgebot).113 Diesem Unter-schied wurde dadurch Rechnung getragen, dass die Marktintermediäre bestimm-te Angaben zu persönlichen Verhältnissen, Erfahrungen und Anlagezielen von ihren Kunden einholen und diese später bei der Erteilung der für die Anlage re-levanten Informationen gegenüber dem Kunden berücksichtigen mussten.114 Die unterschiedliche Intensität der Information bzw. Aufklärung der Anleger je nach dem Grad ihrer Professionalität dient dem Anlegerschutz in zweifacher Hin-sicht: Sie verbessert den Schutz der privaten Kleinanleger, die durch das erhöhte Informationsniveau mehr Vertrauen in die Kapitalmärkte gewinnen. Gleichwohl werden die professionellen Anleger nicht in ihrer Entscheidungs- und Hand-lungsfreiheit durch einen Überschuss an Informationen behindert.115 Dies trägt zur Förderung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte bei. In der neuen Fassung der WPD-RL wird dieser Ansatz grundsätzlich fortgesetzt. Art. 19 Abs. 10 S. 2 (c) WPD-RL n.F. beauftragt die Kommission, beim Erlass der Durchführungsmaßnahmen die Professionalität des Anlegers zu berücksich-tigen. Anhang II zur WPD-RL n.F. legt die Kriterien fest, aufgrund derer die Wertpapierfirma116 beurteilen kann, in welche Kategorie ein Kunde einzuordnen ist. Darüber hinaus trägt der europäische Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass es gleichwohl professionelle Anleger gibt, die Informationsdefizite haben, während manche Privatanleger ausreichend professionell sind, und bietet eine gewisse Flexibilität an, in dem er eine Herab- bzw. Heraufstufung des Anlegers zulässt.117 Jedoch enthält die endgültige Fassung der WPD-RL zwei wesentliche Novellie-rungen im Hinblick auf das Differenzierungsgebot. Erstens führt sie den Begriff der „geeigneten Gegenpartei“ ein (siehe den 41. und den 42. Erwägungsgrund sowie Art. 24 WPD-RL n.F.) und sieht vor, dass bei den Geschäften zwischen geeigneten Gegenparteien vor der Anwendung der Wohlverhaltensregeln abge-sehen werden kann. Damit trägt die neue Fassung der WPD-RL der etablierten

Rdnr. 28; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96a; Lang, S. 149 ff.; Reich in Grundmann, S. 481, 502; Köndgen, ZBB 1996, 361, 362 f.

113 Vgl. Köndgen, ZBB 1996, 361, 362 f. 114 Vgl. Bliesener, S. 318 ff.; Köndgen, ZBB 1996, 361, 362 f. Siehe auch S. 154, II. Er-

kundigungspflicht. 115 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96a; Bliesener, S. 319 ff. Vgl. Lang,

S. 149 ff. 116 Art. 4 Abs. 1 (1) WPD-RL n.F. definiert als Wertpapierfirma „jede juristische Person,

die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt“.

117 Vgl. Stöterau, S. 22; Lang, S. 149 ff.; Balzer, ZBB 2003, 177, 187 f.

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Marktpraxis Rechnung und stellt klar, dass die Geschäfte zwischen Kapital-marktteilnehmern mit dem höchsten Professionalitätsgrad vom Anwendungsbe-reich der Verhaltensregeln ausgenommen werden sollen. Zweitens erfährt in der neuen Fassung der WPD-RL die Erkundigungspflicht eine neue zusätzliche Zielrichtung mit Blick auf den Inhalt der Dienstleistung und die Auswahl der geeigneten Anlageprodukte bzw. Empfehlungen gemäß Art. 19 Abs. 4 bis 6 WPD-RL n.F. Darüber hinaus hat sich im europäischen Privatrecht bei Finanzdienstleistungen ein Verbraucherbegriff durchgesetzt, „der mit dem des [...] Anlegers identisch ist“.118 So definiert Art. 2 d) der FernARL-FinanzDL den Verbraucher von Fi-nanzdienstleistungen als „jede natürliche Person, die bei Fernabsatzverträgen zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuge-rechnet werden können“.119 Dieser Definition kann entnommen werden, dass professionelle Anleger nicht als Verbraucher angesehen werden und nicht dem-selben Schutzregime wie Privatanleger als Verbraucher unterliegen. Die Einordnung eines Privatanlegers in die Kategorie des Verbrauchers ist in-soweit von Bedeutung, als dadurch der Begriff des Anlegers, der, wie bereits erwähnt, weder im europäischen Recht noch in der Rechtsprechung definiert ist, präzisiert werden kann.120 Mülbert z.B. schlägt vor, das Leitbild des durch-schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der auch als „mündiger“ Verbraucher bezeichnet wird, auf den Anlegerschutz zu übertragen.121 Dies würde helfen, die Grenzen des erforderlichen Schutzniveaus zu bestimmen. In Bezug auf das Sekundärrecht stellt sich allerdings die Frage der Anwendbar-keit allgemeiner Verbraucherschutzvorschriften auf Anleger, die in jedem Ein-zelfall separat geprüft und beantwortet werden muss.122 Die FernARL-FinanzDL

118 Reich, Europäisches Verbraucherrecht, Rdnr. 15c.-. 119 Auch das Grünbuch der Europäischen Kommission „Finanzdienstleistungen: Wahrung

der Verbraucherinteressen“, abgedruckt in ZBB 1996, 150, spricht von „[t]he private consumers“ als „buyers of financial services“. In der Rechtsliteratur herrscht die Mei-nung vor, dass im europäischen Recht zu den Verbrauchern von Finanzdienstleistun-gen u.a. auch die privaten Anleger gehören. Vgl. Koller in Assmann/Schneider, Vor § 31 Rz. 13 f.; Reich, Europäisches Verbraucherrecht, Rdnr. 62 c.-; Bonino, WM 1996, 1617 f.

120 Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2100 f. 121 Mülbert, WM 2001, 2085, 2100 f. Vgl. Hopt in Grundmann, S. 307, 322; Reich in

Grundmann, S. 481, 488 f.; Möllers, ZGR 1997, 334, 362 f.; Wagner, BKR 2003, 649, 652.

122 Vgl. Reich, Europäisches Verbraucherrecht, Rdnr. 15 c.-.

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bietet ein Beispiel dafür, dass der europäische Gesetzgeber die im Fernabsatz abgeschlossenen Verträge auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen von der FernA-RL ausgenommen und in einer eigenständigen Richtlinie geregelt hat. Dadurch brachte er zum Ausdruck, dass die allgemeinen Verbraucherschutzbe-stimmungen nicht dazu geeignet sind, für die Verbraucher von Finanzdienstleis-tungen adäquate Regelungen zu treffen. V. Zwischenergebnis Der Anlegerschutz ist ein grundlegendes Konzept des europäischen Rechts, das sich zumindest im Hinblick auf Kleinanleger stark mit dem Verbraucherschutz überschneidet. Er wird durch vielfältige Maßnahmen und Mechanismen gewähr-leistet, von denen die Verhaltenspflichten der Marktintermediäre ein wichtiger Teilbereich sind. Der Anlegerschutz stellt auch ein Regelungsziel der Europäischen Gemeinschaft dar, das in engem Zusammenhang mit dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte steht. Die Gewährleistung eines funktionsfähigen Kapitalmarkts wird im Rahmen der Errichtung des Gemeinsamen Binnenmarkts angestrebt. Der Weg zum integrierten europäischen Kapitalmarkt steht über die Maximal-harmonisierung des nationalen Rechts im Zusammenhang mit der vollständigen Abschaffung der Zugangshindernisse zu den nationalen Kapitalmärkten einzel-ner Mitgliedstaaten, die allerdings nur insofern seitens der Gemeinschaft geför-dert wird, als ein allgemein hohes Anlegerschutzniveau in allen Mitgliedstaaten gewährleistet ist. Solange dieses Niveau lückenhaft und uneinheitlich ist, bleibt Platz für mitgliedstaatliche sowie sekundärrechtliche Ausnahmen von den Grundfreiheiten und von der Rechtsangleichung, die u.a. durch das Allgemeinin-teresse (das auch den Anlegerschutz mit einschließt) begründet werden können. Auch die Beaufsichtigung der Verhaltensregeln durch den Aufnahmestaat stellt eine Ausnahmeregelung dar, die bislang auf Grund der Minimalharmonisierung der Verhaltensregeln erforderlich war und deren Abschaffung demnächst dank der im Rahmen der WPD-RL n.F. vorgesehenen weitgehenderen Harmonisie-rung der Verhaltensregeln möglich werden soll. Daraus wird deutlich, dass die Gewährleistung des allgemein hohen Anlegerschutzniveaus in der EG zum Zwecke der Errichtung des Binnenmarkts sowie des Schutzes der Funktionsfä-higkeit der Kapitalmärkte erfolgt. Im Hinblick auf Drittländer sind grundsätzlich dieselben Überlegungen anwend-bar. Dennoch kann die Öffnung des europäischen Kapitalmarkts gegenüber den Drittländern sowie die Abschaffung der Zugangsbarrieren nicht auf demselben Niveau wie innerhalb der Europäischen Union vollzogen werden. U.a. liegt dies

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auch daran, dass eine zutreffende Beurteilung des in diesen Ländern existieren-den Anlegerschutzniveaus seitens der Europäischen Union auf Grund der An-zahl und Unterschiede der Rechtsordnungen kaum möglich ist. Eine pauschale unbegrenzte Öffnung des europäischen Kapitalmarkts für Marktintermediäre und Finanzdienstleistungen aus Drittländern könnte deswegen zur Absenkung des in der EU erreichten Anlagerschutzniveaus führen und ist nicht zu riskieren. Gleichwohl sprechen wirtschaftliche Argumente für die weitgehendere Interna-tionalisierung des europäischen Kapitalmarkts. Die Vorarbeiten dafür werden durch die Mitarbeit der EG in den internationalen Gremien gewährleistet. Ein Beispiel ist die Liberalisierung der Finanzdienstleistungen zwischen den WTO-Mitgliedstaaten, die im Rahmen des GATS vorgenommen wird. Die Regulierung des Zugangs der Drittländer zum europäischen Kapitalmarkt bleibt vornehmlich in der gemeinschaftlichen Zuständigkeit. Dies ist u.a. deswe-gen erforderlich, weil die Europäische Union Koordinierungsmaßnahmen trifft, die den Drittländern die Umgehung der Zugangsbarrieren einiger Mitgliedstaa-ten durch die liberalisierten Zugangsregelungen anderer Mitgliedstaaten ermög-lichen. § 3 Besonderheiten des Konzepts des Anlegerschutzes in Deutschland Über die Definition des Begriffs „Anlegerschutz“123 besteht in Deutschland kei-ne Einigkeit. Der Ausgangspunkt der über den Begriff des Anlegerschutzes ge-führten Diskussion lässt sich aus der Frage nach der Schutzwürdigkeit des Anle-gers ableiten.124 In seiner Habilitationsschrift von 1975125 schlug Hopt die These vor, dass der Anlegerschutz ein auf den Sozialschutzbedürfnissen der Anleger beruhendes Schutzprinzip, das auf das Sozialstaatsprinzip zurückzuführen ist, darstellt.126 Assmann widerspricht dieser den sozial- und verbraucherschützen-den Aspekt des Anlegerschutzes hervorhebenden Ansicht und stellt eine infor-mierte Anlageentscheidung als Voraussetzung des funktionierenden Kapital-

123 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.173, spricht von einem „unscharfen“

Begriff. 124 Vgl. Hopt in Grundmann, S. 307, 322; Reich in Grundmann, S. 481, 502. 125 Diese Arbeit hat in der deutschen Rechtswissenschaft längst Anerkennung als erste

systematische Darstellung zum Thema Anlegerschutz gewonnen. Siehe dazu König, S. 18.

126 Vgl. Brandt, S. 29 ff.; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 288 ff. und 345 ff.; ders. in Grundmann, S. 307, 313 ff.; Möllers, ZGR 1997, 334, 349. Ähnlich sieht Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.181, im funktionierenden Kapitalmarkt die Möglichkeit zur Entlastung von der staatlichen Sozialversicherung.

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markts in den Vordergrund der Betrachtung.127 Eine weitere Auffassung, die sich auf das europäische Recht zurückführen lässt,128 sieht einen starken Zu-sammenhang zwischen dem Anleger- und dem Verbraucherschutz.129 Im Hand-wörterbuch des Bank- und Finanzwesens definiert Hopt Anlegerschutz als ein wirtschafts- und rechtspolitisches Prinzip, gemäß dem die Anleger vor Betrug, Irreführung und Übervorteilung (strukturelles Informationsungleichgewicht) ge-schützt werden.130 Mittlerweile ist deutlich geworden, dass sowohl die ökonomi-schen Effizienzgesichtspunkte als auch verbraucherpolitische Schutzgedanken in die Ausgestaltung und in die Auslegung der Verhaltensregeln eingeflossen sind.131 Als Objekt dieses Schutzes unterscheidet man zwischen einem Anleger, der „als Eigenkapitalgeber Gesellschaftsanteile hält“132 (z.B. als Aktionär), und einem Anleger, der am Effektenhandel teilnimmt. Der Anleger in der Rolle des Aktio-närs wird durch das Aktienrecht bzw. Gesellschaftsrecht geschützt,133 während der Schutz der Interessen des Anlegers als Effektenhandelsteilnehmer durch börsen- und kapitalmarktrechtliche sowie privatrechtliche Vorschriften gewähr-leistet wird.134 Auf diejenigen Bestimmungen, die sich mit dem Schutz des An-legers als Teilnehmer des Effektenhandels auf dem Sekundärmarkt befassen, wird in dieser Dissertation im Detail eingegangen. I. Schutzwürdige Interessen der Anleger Da in dieser Dissertation der Schutz des Anlegers den Ausgangspunkt der Un-tersuchung bildet, soll an dieser Stelle kurz auf den Gegenstand und die Ziel-richtung des Anlegerschutzes eingegangen werden. Grundsätzlich gilt, dass der Anleger auf sich selbst aufpassen kann und muss.135 Die Schutzbedürftigkeit des Anlegers ergibt sich aus seiner wirtschaftlichen sowie informationel-

127 Hdb. KapitalanlageR/Assmann § 1 Rdnr. 62 ff., ihm folgend Möllers, ZGR 1997, 334,

337. Dazu auch auf S. 62, 1. Schutz des allgemeinen Anlegerpublikums. 128 Siehe S. 54, IV. Anlegerschutz und Verbraucherschutz. 129 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 34; Kiel, S. 7 f.; Koller in Ass-

mann/Schneider, Vor § 31 Rdnr. 11 ff.; Reich in Grundmann, S. 481, 502. 130 Vgl. Hopt in Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, S. 114. 131 Vgl. Lang, S. 19 f. 132 Vgl. Hopt in Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, S. 116. 133 Dieser Aspekt des Anlegerschutzes bleibt in dieser Dissertation unberührt. 134 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/Assmann, § 1 Rdnr. 59 f.; Hopt in Grundmann, S. 307, 315;

Möllers, ZGR 1997, 334 ff. 135 Vgl. Reich in Grundmann, S. 481, 501 ff.; Brandt, S. 26 ff.; Lang, S. 20 f.

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len/intellektuellen Unterlegenheit.136 Ein weiterer Grund für die Schutzbedürf-tigkeit des Anlegers stellt die Machtstellung des Marktintermediäres dar. Da dem Anleger kein direkter Marktzugang gestattet ist und er üblicherweise keinen Einblick in die Marktsituation hat, begibt er sich bei der Auftragserfüllung in die Hände des Marktintermediäres und kann nicht überprüfen, ob seine Weisungen ordnungsgemäß ausgeführt worden sind.137 Daher ist es besonderes wichtig, den Marktintermediär Pflichten zu unterstellen, die sein Verhalten dadurch steuern, dass er grundsätzlich und insbesondere bei der Auftragserfüllung unter der Wah-rung der Interessen des Anlegers handelt, seine Machtstellung und seinen Wis-sensvorsprung nicht zum Nachteil des Anlegers ausnutzt sowie dem Anleger In-formationen zur Verfügung stellt, die die informationelle/intellektuelle Unterle-genheit des Letzteren ausgleichen und ihm eine faire Teilnahme am Kapital-markt ermöglichen. Die Verhaltenspflichten der Marktintermediäre, die Gegens-tand dieser Untersuchung sind, stellen einen der Mechanismen dar, mit dem der Gesetzgeber und die Rechtsprechung diese Ziele verfolgen. Das Schrifttum unterscheidet fünf Schutzrichtungen, denen die folgenden fünf Risikokategorien entsprechen: Das Risiko der Substanzerhaltung, das Informati-onsrisiko, das Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko, das Interessenvertretungs-risiko und das Konditionenrisiko.138 Neben diesem rechtlichen Ansatz wurde ei-ne Systematisierung der schutzwürdigen Interessen der Anleger auch auf be-triebswirtschaftlicher Ebene vorgenommen. Dabei unterscheidet man das Liqui-ditäts-, Risikominimierungs-, Ertragsmaximierungs- und Aufwandsminimie-rungsinteresse.139 Mit dem Risiko der Substanzerhaltung140 ist die Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Vermögensverlusts gemeint. Die Bemühungen des Gesetzgebers, die-ses Risiko zu minimieren, mündeten in eine Reihe rechtlicher Vorschriften, vor allem zur Bonität des Emittenten sowie zur Gründung und Aufsicht der Wertpa-pierdienstleistungsunternehmen. Soweit diese mit Organisations- und Verhal-tensregeln in Zusammenhang stehen, wird auf sie im Rahmen dieser Arbeit kurz eingegangen. 136 Vgl. Hopt in Grundmann, S. 307, 322; Horn in Festschrift für Schimansky, 653 f.;

ders., ZBB 1997, 139, 146 f.; Lang, S. 21 ff., 43; Möllers, ZGR 1997, 334, 362 ff. 137 Vgl. Brandt, S. 178 f.; Kümpel, Kapitalmarktrecht, S. 24; ders. Wertpapierhandelsge-

setz, S. 190. 138 Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 53 f., S. 337 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarkt-

recht, Rdnr. 16.409. 139 Vgl. König, S. 27 m.w.N.; diese Klassifikation wird hier nicht weiter dargestellt, da sie

sich mit der von Hopt vorgeschlagenen Klassifikation inhaltlich stark überschneidet. 140 Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 83 ff.

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Bei dem Informationsrisiko141 handelt es sich um mögliche Wissensdefizite des Anlegers hinsichtlich der Anlage. Der Beseitigung dieses Risikos dienen in ers-ter Linie die Markttransparenz- und Publizitätsanforderungen sowie die Vor-schriften, die die Marktintermediäre zur Erteilung von Informationen gegenüber den Anlegern verpflichten. Letztere werden in dieser Arbeit ausführlich darge-stellt. Das Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko142 betrifft, was die Marktintermediäre anbelangt, die nicht ordnungsgemäße Ausführung der Aufträge eines Anlegers. Der Gesetzgeber versucht, diese Risiken dadurch zu beseitigen, dass er den Wertpapierdienstleistungsunternehmen Pflichten zur Vermeidung von Interes-senkonflikten sowie zur fairen Behandlung von Kundenaufträgen auferlegt und unfaire Praktiken (wie z.B. Vor-, Mit- und Gegenlaufen) untersagt. Die darauf abzielenden Vorschriften sollen Gegenstand dieser Arbeit sein. Das Interessenvertretungsrisiko143 besteht z.B. bei der Ausübung der Rechte des Anlegers durch seinen Vertreter, die für diese Dissertation in Zusammenhang mit der Effektenkommission und Vermögensverwaltung von besonderem Inte-resse sind. Dabei wird den Kundeninteressen grundsätzlich Vorrang vor den In-teressen des Kommissionärs bzw. Vermögensverwalters eingeräumt. Bei dem Konditionenrisiko144 geht es um die Bedingungen, zu denen Kunden-aufträge durch die Marktintermediäre erfüllt werden. Die Vorschriften, die die-sem Risiko entgegenwirken, sind im Börsen-, Investment-, Kommissions- oder Depotrecht enthalten.145 Ihre Einhaltung kann auch auf dem Wege des Zivil- und Strafrechts verfolgt werden. Für diese Dissertation interessieren diese Bestim-mungen nur insoweit, als sie die einem Anleger durch einen Marktintermediär angebotenen Anlagekonditionen betreffen. II. Schutz des Anlegerpublikums und individueller Anlegerschutz Bei der Regelung des Kapitalmarkts lassen sich zwei vorrangige Ziele der staat-lichen Regelungssetzung unterscheiden: der Funktionsschutz und der Anleger-

141 Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 88 ff. 142 Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 132 ff. 143 Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 137 ff., 337 f. 144 Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 141 ff. 145 Vgl. Hopt in Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, S. 117 f.

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schutz.146 Generell erkennt die Rechtswissenschaft an, dass der Anlegerschutz auf zwei Wegen gewährleistet wird: als Schutz des allgemeinen Anlegerpubli-kums147 und als Individualanlegerschutz.148 Allerdings besteht weder Einigkeit noch Klarheit darüber, in welchem Verhältnis der Schutz der individuellen und allgemeinen Interessen zueinander stehen.149 Problematisch erscheint nicht nur die Abgrenzung, sondern auch der inhaltliche Umfang dieser Schutzrichtungen und deren Auswirkungen auf die hier im Einzelnen darzustellenden Verhaltens-regeln. Bei der Untersuchung der anlegerschützenden Funktion der Verhaltens-regeln wird dieser Fragestellung Rechnung getragen. 1. Schutz des allgemeinen Anlegerpublikums Dem Schutz des allgemeinen Anlegerpublikums150 dienen Maßnahmen, die die Interessen einer unbestimmten Zahl von Anlegern schützen. Die rechtlichen Be-stimmungen, die darauf abzielen, verbessern in erster Linie das Klima an den Kapitalmärkten, indem das Vertrauen des Anlegerpublikums in das Funktionie-ren der Kapitalmärkte gestärkt wird. Diese, vor allem durch Kümpel151 vertrete-ne Definition, schränkt Assmann ein. Er vertritt die Ansicht, dass es beim Schutz des Anlegerpublikums „um die Gewährleistung der institutionellen Vorausset-zungen, die Bedingung der Möglichkeit rationaler Anlegerentscheidungen (als Funktionselemente des Kapitalmarkts) sind und von den Marktteilnehmern, ins-besondere aber den Anlegern selbst, nicht oder nicht in hinreichendem Maße ge-

146 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.173; Koller in Ass-

mann/Schneider, Vor § 31 Rz. 8 ff. 147 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.174, weist darauf hin, dass der Schutz

der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte den überindividuellen Anlegerschutz ein-schließt und begründet auf diesem Wege einen starken Zusammenhang zwischen Funktions- und Anlegerschutz. Siehe auch Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 25a; Hopt in Grundmann, S. 307, 317 ff.; Möller, ZGR 1997, 334, 337.

148 Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 51 f.; ders. in Handwörterbuch des Bank- und Fi-nanzwesens, S. 118 f.; Koller in Assman/Schneider, Vor § 31 Rdnr. 17; Kiele, S. 7 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.204 ff.; ders., Kapitalmarktrecht, S. 29; Möllers, ZGR 1997, 334, 337.

149 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.204, vertritt die Auffassung, dass der individuelle Anlegerschutz vom Schutz des allgemeinen Anlegerpublikums streng zu unterscheiden ist. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 88 ff., 414 ff., dagegen zeigt auf, dass individueller Anlegerschutz vom Schutz des Anlegerpublikums nicht getrennt be-trachtet werden darf. Vgl. auch Hopt, ZHR 195 (1995), 135, 158 ff.; ihm folgend Hdb. KapitalanlageR/Roth § 12 Rdnr. 9; Kiel, S. 7 ff.

150 Auch „institutioneller Anlegerschutz“ genannt. Siehe Möllers, ZGR 1997, 334, 337. 151 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.175 ff.; vgl. auch Hopt, ZHR 159

(1995), 135, 159 f.

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schaffen werden können“, geht.152 Unter diesen Voraussetzungen versteht er hauptsächlich den Ausgleich von Informationsasymmetrien zwischen der Anbie-terseite einerseits und dem Anleger andererseits und beschränkt damit den Ge-genstand des Anlegerschutzes auf die Schaffung der informationellen Voraus-setzungen für eine Anlageentscheidung. Die Regelungen, die auf den Schutz des Anlegerpublikums gerichtet ist, tragen zur Schaffung eines effizienten, funktionsfähigen Kapitalmarkts bei, weil nur die Anleger, die Vertrauen in das Funktionieren der Kapitalmärkte haben, bereit sind, ihr Kapital auf diesen Märkten zu investieren.153 Mangelt es an dieser Be-reitschaft, kommt es zur Marktabwanderung in sicherere Anlageformen und da-mit zu einem Marktversagen.154 Deswegen sind der Anlegerschutz im Sinne des Schutzes des allgemeinen Anlegerpublikums und der Schutz der Effizienz und Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte eng miteinander „verwoben“ und lassen sich „begrifflich nicht immer scharf auseinander“ halten.155 Insoweit findet der Anlegerschutz im öffentlichen Interesse statt und wird durch die öffentlich-rechtlichen Normen gewährleistet.156 Aus der Vielzahl der kapitalmarktrechtli-chen Normen, die das Vertrauen des Anlegerpublikums in das Funktionieren der Kapitalmärkte stärken (z.B. das Verbot der Insidergeschäfte, § 14 WpHG, oder Transparenzanforderungen, § 21 WpHG),157 gilt in dieser Dissertation den in §§ 31 ff. WpHG enthaltenen Verhaltens- und Organisationspflichten besonderes Augenmerk. Die Zuordnung dieser Bestimmungen zum öffentlichen Recht ist für die Be-stimmung der haftungsrechtlichen Folgen im Falle der Verletzung dieser Rechtsnormen von entscheidender Bedeutung. So kann man mit der Verletzung der öffentlich-rechtlichen Normen keinen Schadensersatzanspruch begründen, es sei denn, dass diese Normen als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verstanden würden.158 Durch den primär aufsichtsrechtlichen Charakter, den diese Normen aufweisen, wirken sie eher präventiv und prägen das anleger-

152 Hdb. KapitalanlageR/Assmann § 1 Rdnr. 63 f. 153 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.173, weist nach, dass dieser überindi-

viduelle Anlegerschutz genau genommen ein wesentlicher Aspekt des Funktionsschut-zes der Kapitalmärkte ist. Vgl. Kümpel, WM 1995, 689, 690; Bliesener, S. 118 f.

154 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/Assmann § 1 Rdnr. 63; Kümpel, Bank- und Kapitalmarkt-recht, Rdnr. 16.411; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159 ff.

155 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.412. 156 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.233 und Rdnr. 16.411; Bliesener,

S. 111. 157 Vgl. Cahn, ZHR 1998, 1, 33. 158 Ausführlich dazu auf S. 80, I. Einschlägige Rechtsvorschriften.

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schützende Klima auf dem Kapitalmarkt.159 Kraft ihrer zwingenden Natur stel-len diese Regeln ein gewisses allgemeines Anlegerschutzniveau sicher. 2. Individueller Anlegerschutz Während der Schutz des Anlegerpublikums hauptsächlich durch das öffentliche Recht gewährleistet wird, schützt das Privatrecht die Interessen einzelner Anle-ger (Individualanlegerschutz). In diesem Fall tritt der Anleger entweder als For-derungsinhaber auf, der die ihm aus einem Anlageprodukt zuwachsenden Rechte (z.B. das Recht auf Erhalt der Renditen aus einer Anleihe oder Dividenden aus Aktien) geltend macht, oder als Vertragspartei, die beim Effektenhandel dem Marktintermediär gegenübersteht. Der letztere Sachverhalt soll in dieser Disser-tation näher ausgeführt werden. Der Marktintermediär tritt in der Rolle eines Vermittlers auf, der den einzelnen Anlegern den Erwerb von unterschiedlichen Anlageprodukten auf dem Kapital-markt ermöglicht. Dabei handelt der Marktintermediär meistens als Kommissio-när oder als Anlage-/Abschlussvermittler. Die Rechtsprechung hat längst die Schutzbedürftigkeit der Anleger, die sich durch die Machtstellung und den Wis-sensvorsprung der Marktintermediäre begründen lässt, anerkannt und den Marktintermediären eine Reihe von Pflichten auferlegt, die dem Schutz der An-leger dienen sollen. Die entsprechenden Pflichten der Marktintermediäre werden aus dem Kommissionsgeschäftsverhältnis (vor allem aus § 384 HGB),160 dem allgemeinen Schuldverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden161 (§ 242 BGB) sowie aus den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die sich mit den vertraglichen und vorvertraglichen Auskunfts-, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Marktintermediäre bei der Anlagevermittlung und der Anlageberatung befassen, abgeleitet.162 Die Untersuchung dieser Pflichten bildet einen weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit.

159 Vgl. Lang, S. 43. 160 Einem Festpreisgeschäft wird hinsichtlich der Pflichten des Marktintermediäres beim

Effektenerwerb das Kommissionsgeschäft gleich gestellt, siehe Hdb. KapitalanlageR/Roth, §12 Rdnr. 4 ff.

161 Da in Deutschland ein Universalbanksystem herrscht, treten meistens die Banken als Marktintermediäre auf.

162 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 2 f. und 8 ff.; Siol in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 9 ff.; Kümpel in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 206; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 9 f.; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.435 ff.

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Der Schutz der einzelnen Anleger wird auf Grundlage dieser privatrechtlichen Pflichten dadurch gewährleistet, dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Ansprüche, z.B. auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verstöße durch die Marktintermediäre gegen ihnen auferlegte Pflichten auf dem Wege der vertrag-lichen oder deliktischen Haftung oder Haftung aus culpa in contrahendo geltend zu machen.163 III. Zwischenergebnis Die Bereitschaft der Anleger, auf dem Kapitalmarkt tätig zu werden und ihr Ka-pital zu investieren, ist für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts von beson-derer Bedeutung, weil sie zur Liquidität des Marktes sowie zu seinem Wachs-tum entscheidend beiträgt. Diese Bereitschaft herzustellen ist der Zweck des An-legerschutzes. Allerdings hängt diese Bereitschaft direkt vom Vertrauen der Anleger nicht nur in den Kapitalmarkt sondern auch in seine Teilnehmer ab. Diese Teilnehmer sind in erster Linie die Marktintermediäre, die einem Anleger Zugang zum Ka-pitalmarkt und seinen Anlageprodukten ermöglichen. Sie befinden sich gegen-über dem Anleger in einer Machtposition, die sich aus dem Wissensvorsprung sowie dem direkten Zugang zum Handel ergibt. Effektiver Schutz der Anleger macht es erforderlich, das Verhalten der Marktintermediäre gewissen Pflichten zu unterstellen, die eine faire und Interessen wahrende Behandlung der Anleger sicherstellen. Darüber hinaus soll durch diese Pflichten ein Ausgleich der infor-mationellen Unterlegenheit der Anleger gewährleistet werden, so dass der Anle-ger in die Lage versetzt wird, selbständige eigenverantwortliche Entscheidungen bezüglich seiner Anlagen zu treffen. Der Kreis dieser Pflichten und ihre Schutzrichtung wurden oben angedeutet. Zu ihnen gehören sowohl die aufsichtsrechtlichen, in §§ 31 ff. WpHG begründeten Verhaltens- und Organisationspflichten, die dem öffentlichen Interesse dienen und das Klima auf dem Kapitalmarkt prägen, als auch die privatrechtlichen Pflichten, die für einzelne Anleger eine Anspruchsgrundlage für den Ersatz der ihnen durch schuldhafte Verstoße der Marktintermediäre gegen diese Pflichten zugefügten Schäden darstellen. Auf die Rechweite, den Inhalt und den Umfang dieser Pflichten der Marktintermediäre wird unten im Detail eingegangen.

163 Vgl. Hopt in Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, S. 118; Kümpel, Bank-

und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.204; Koller in Assmann/Schneider, Vor § 31 Rz. 17; Kiel, S. 52 ff.; König, S. 19; Horn, ZBB 1997, 139, 140.

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§ 4 Besonderheiten des Konzepts des Anlegerschutzes in Russland Der Wertpapiermarkt in der Russischen Föderation stellt eines der wichtigsten Segmente der Wirtschaft dar, dessen Aufgabe darin besteht, die Gelder sowohl der institutionellen Anleger als auch der Kleinanleger der wachsenden Wirt-schaft zur Verfügung zu stellen.164 In der Russischen Föderation halten sowohl die Rechtssetzung als auch die Rechtsliteratur den Anlegerschutz für eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Errichtung des Wertpapiermarkts und die Gewährleistung seiner Funktionsfähigkeit.165 Insofern entspricht das russische Recht der herrschenden deutschen Rechtsmeinung, die dem Anlegerschutz eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Kapital-markts einräumt. Allerdings wird die Entwicklung des russischen Wertpapier-markts durch Besonderheiten der Wirtschaft und des Rechtssystems beeinflusst und geprägt. Nachstehend wird zunächst die Geschichte der Errichtung des Wertpapiermarkts sowie der rechtlichen Mechanismen seiner Regulierung dar-gestellt. Sodann wird auf das Konzept des Anlegerschutzes, das unter dem Ein-fluss der Besonderheiten seiner historischen Entwicklung entstanden ist, einge-gangen sowie die Rolle der Verhaltensregeln als rechtlicher Mechanismus des Anlegerschutzes, der zugleich einen der Mechanismen der rechtlichen Regulie-rung des Wertpapiermarkts darstellt, erörtert. I. Geschichte Der Wertpapiermarkt der Russischen Föderation entstand Anfang der 90er Jah-re, als sich Russland im Übergang zur Marktwirtschaft befand.166 Ihm fehlte al-lerdings eine umfassende rechtliche Regulierung, die für die Stabilität des Ge-schäftsverkehrs und für das Vertrauen der Anleger unabdingbar ist.167 Infolge-dessen kam es auf dem Wertpapiermarkt zu betrügerischen Praktiken in einem Maße, das das Vertrauen der Anleger zerstörte und die Weiterentwicklung des Wertpapiermarkts in Frage stellte. Diese Praktiken können in drei Gruppen zu-sammengefasst werden: (1) Es wurde in so genannten „Surrogatwertpapieren“ gehandelt, die weder staatlicher Registrierung noch Offenlegungs-/Informationspflichten unterlagen und in manchen Fällen gar keine Wertpapiere 164 Vgl. Golubkov, S. 3. 165 Vgl. Treušnikov, S. 110; Vajpan, S. 61 f. Siehe auch Erlass Nr. 1157, Nr. 1; Verord-

nung der Regierung Nr. 336. 166 Zu dieser Zeit wurde die Entwicklung des Wertpapiermarkts durch die Privatisierung

der staatlichen Unternehmen, den Handel in Privatisierungsscheinen sowie den Handel in Wechseln (die in Folge der Liquiditätskrise – Defizit der Finanzressourcen – als Zahlungsmittel eingesetzt wurden) erheblich beeinflusst. Vgl. Kirin , S. 179.

167 Vgl. Golubkov, S. 4; Kirin , S. 50.

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waren.168 (2) Der Vertrieb von den auf dem Wertpapiermarkt gehandelten In-strumenten fand hauptsächlich auf dem nichtregulierten Markt statt, dem Kon-trollmechanismen für die Übertragung der Rechte an den Wertpapieren fehlten. (3) Wertpapiere wurden von Vermittlern verkauft, die weder der Erlaubnis-pflicht noch der staatlichen Aufsicht noch Verhaltenspflichten (einschließlich Informations- bzw. Offenlegungspflichten) noch den Mindestkapitalanforderun-gen unterlagen.169 Diese Praktiken beinhalteten mehrere Risiken für die Anleger.170 Ihre Rechte an den Aktien wurden oft nicht ordnungsgemäß registriert, so dass sie diese nicht nachweisen und nicht gegenüber Ansprüchen Dritter verteidigen konnten.171 Ih-nen wurden auch Informationen über die Wertpapiere und ihre Emittenten vor-enthalten oder in gefälschter Form zur Verfügung gestellt. Dies führte oft dazu, dass den Anlegern einige mit der Anlage verbundene Risiken verborgen blieben. Deswegen konnten sie die negativen Folgen von Verstößen gegen ihre Rechte, wie z.B. Verwässerung der Emissionen, Missmanagement der Gesellschaft sei-tens der Geschäftsführung oder der Gründer, Verstöße gegen die Rechte einzel-ner Aktionäre (z.B. gegen das Recht, Dividenden zu erhalten oder das Stimm-recht auszuüben), Entzug des Vermögens der Aktiengesellschaft mittels Re-strukturierung und Insolvenz der Emittenten, nicht im Vorfeld der Anlage ein-schätzen und mussten den infolgedessen entstandenen Schaden tragen.172 Zu diesem Zeitpunkt fehlten auch rechtliche Standards für die professionelle Tä-tigkeit der auf dem Wertpapiermarkt tätigen Marktintermediäre sowie Mecha-nismen zu deren Durchsetzung, die sich auf die Staatsgewalt stützen. Da die Marktintermediäre unter keinem Druck standen, sich an bestimmte gesetzliche Verhaltensregeln zu halten, gab es keine rechtlichen Schranken, die sie von un-fairen Praktiken und Irreführungen auf dem Wertpapiermarkt abgehalten hätten. Den Anlegern blieben unter diesen Umständen lediglich zivilrechtliche Schutz-mechanismen. Diese konnten allerdings nicht effektiv eingesetzt werden, weil

168 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999), S. 10 und 14; Kirin , S. 179. Vgl. auch

Das Konzept der Entwicklung des Wertpapiermarkts in der Russischen Föderation, Teil I, Nr. 1, Abs. 2.

169 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999), S. 10. 170 Vgl. Hromuškin, Rynok cennyh bumag Nr. 24 (1999), S. 22. 171 Monastyrskij, Rynok cennyh bumag, www.rcb.ru, S. 1. Ein Beispiel dafür ist der

Diebstahl eines großen Paketes der Aktien von AO „Rostelekom“. Dieser war deswe-gen möglich, weil Aktienhandel außerhalb des organisierten Markts stattfand und die Kontrollmechanismen über die Veräußerung der Rechte an Wertpapieren mangelhaft waren.

172 Vgl. Bessarabov, Biznes Advokat, Konsul’tant Plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 3; Sinenko, S. 126 ff.; Treušnikov, S. 3 f.

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das russische Zivilrecht damals noch nicht an die neue wirtschaftliche Situation angepasst war und die Anlagen auf dem „schwarzen“ Markt meistens ohne Ver-tragsabschluss zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär getätigt wurden, so dass den Anlegern die rechtlichen Grundlagen für einen einklagba-ren Anspruch fehlten. Die fehlende rechtliche Regulierung und die fehlenden Kontrollmechanismen führten dazu, dass die oben beschriebenen Praktiken auf dem Wertpapiermarkt verbreitet waren und die Anleger vor den ihnen dadurch zugefügten Schäden sowie den Verstößen gegen ihre Rechte und Interessen ungeschützt blieben. Aus diesen Gründen verloren die betrogenen Anleger das Vertrauen in den Wertpa-piermarkt.173 Infolgedessen hat die Bereitschaft insbesondere der Kleinanleger, auf dem Wertpapiermarkt zu investieren, wesentlich abgenommen.174 Dies führ-te zur mangelnden Liquidität sowie zur allgemeinen Schwäche des Wertpapier-markts, die bei der Krise desselben 1994 eine entscheidende Rolle spielte.175 Eine weitere Besonderheit des Wertpapiermarkts in der Russischen Föderation besteht darin, dass auf dem Sekundärmarkt überwiegend in kurzfristigen Staats-anleihen gehandelt wird.176 Dieser Handel wird überwiegend durch institutionel-le Anleger betrieben. Im Ergebnis werden damit die finanziellen Ressourcen der institutionellen Anleger vom Handel in Aktien und Anleihen abgelenkt. Diese Tendenz bremst die Liquidität auf dem Wertpapiermarkt und macht die Anlage-tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt für Kleinanleger weniger attraktiv.177 Dies führte 1998 nicht nur zur Krise des Wertpapiermarkts, sondern zur allgemeinen Wirtschaftskrise, von der Kleinanleger stark betroffen waren. Die Entwicklung der Rechtssetzung der Russischen Föderation zur Wertpapier-marktregulierung erfolgte unter dem Einfluss dieser Besonderheiten. Der Ge-setzgeber hatte sich als Ziel die Errichtung eines funktionsfähigen Wertpapier-markts vor Augen gesetzt.178 Die Stärkung des Vertrauens der Anleger in den Wertpapiermarkt wurde als eines der wichtigsten Mittel auf dem Weg zur Errei-chung dieses Ziels angesehen. Dies erforderte neben den Maßnahmen zur Stei-gerung der Stabilität des Wertpapiermarkts gezielte gesetzliche Regelungen zum

173 Vgl. Filatov, Vestnik NAUFOR Nr. 5 (2001), S. 39; Karatujev, Zakonodatel’stvo i

ėkonomika Nr. 4 (1998), S. 24; Kirin , S. 179 ff. 174 Vgl. Treušnikov, S. 3. 175 Vgl. Kirin , S. 179. 176 Vgl. Kirin , S. 181 ff. 177 Vgl. Filatov, Vestnik NAUFOR Nr. 5 (2991), S. 39; Karatujev, Zakonodatel’stvo i

ėkonomika Nr. 4 (1998), S. 25. 178 Siehe Erlass Nr. 416, Nr. 1, Spiegelstr. 5 sowie Erlass Nr. 1157, Nr. 1.

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Schutz der Anleger.179 Das staatliche Programm zum Schutz der Rechte der An-leger für die Jahre 1998-1999, Teil 1 Abs. 1, nennt den Anlegerschutz als die wichtigste Aufgabe der sozialen und wirtschaftlichen Politik der Russischen Fö-deration.180 Diesem Programm lag das Verständnis zu Grunde, dass die Anleger, deren Kapital für die Funktionsfähigkeit und Weiterentwicklung des Wertpa-piermarkts unabdingbar ist, den Emittenten und den professionellen Teilneh-mern des Wertpapiermarkts unterlegen sind und daher besonderen Schutzes be-dürfen.181 Nachstehend wird dargestellt, wie der russische Gesetzgeber das Kon-zept des Anlegerschutzes verstanden und gesetzlich umgesetzt hat. Es wird ins-besondere darauf eingegangen, welche Rolle er dabei den Verhaltensregeln ein-geräumt hat. II. Zielrichtungen des Anlegerschutzes Die Bereitschaft der Anleger, auf dem Wertpapiermarkt zu investieren, hängt in erster Linie von deren Vertrauen in diesen Markt ab, das auf der wirtschaftlichen Stabilität des Wertpapiermarkts und auf dem tatsächlichen Vorhandensein von Mechanismen, die dem Anleger erlauben, seine Rechte effektiv zu schützen, be-ruht.182 Diese Mechanismen müssen in der nationalen Rechtssetzung enthalten sein. Obwohl der Wertpapiermarkt in der Russischen Föderation Anfang der Neunzi-gerjahre des vorigen Jahrhunderts entstanden ist, hat der russische Gesetzgeber erst 1996 das erste Gesetz – WpMG – erlassen, das umfassend den Wertpapier-markt, die Tätigkeit seiner Teilnehmer und die auf diesem Markt gehandelten Instrumente reguliert.183 Ihm folgte das ASchG, das in erster Linie den Schutz der Kleinanleger als Regulierungsziel verfolgte.184

179 Vgl. Kirin , S. 185 f. 180 Die Verbesserung der Rechtssetzung zum Anlegerschutz sowie des Systems der Of-

fenlegung der Informationen wurden unter den Hauptzielrichtungen der Anleger-schutzpolitik ausgeführt. Siehe: Das staatliche Programm zum Schutz der Rechte der Anleger für die Jahre 1998-1999, Teil 2 Abs. 2.

181 So nennt z.B. Sinenko, S. 87, mangelnde Kenntnisse (insbesondere juristische) und ge-ringe Finanzressourcen als Kernschwächen der Anleger. Er berücksichtigt allerdings nicht, dass die Schutzbedürftigkeit eines Kleinanlegers sich von derjenigen eines insti-tutionellen Anlegers unterscheidet.

182 Laut Sinenko, S. 161 ff. trägt das Vertrauen der Anleger seinerseits zum stabilen Funk-tionieren des Wertpapiermarkts bei. Vgl. Das Konzept der Entwicklung des Wertpa-piermarkts in der Russischen Föderation, Teil II, Nr. 1 Abs. 7.

183 Vor dem Inkrafttreten des WpMG wurde der Wertpapiermarkt überwiegend durch Er-lasse des Präsidenten der Russischen Föderation reguliert. Vgl. Kirin , S. 186 ff. Zu

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Das Konzept des Anlegerschutzes, das diesen Gesetzen zu Grunde liegt, beruht auf dem Grundsatz des umfassenden und vollständigen Anlegerschutzes.185 Die-ser Grundsatz bedeutet, dass den Anlegern ein effektiver Schutz gegen alle Risi-ken, von denen einige bereits auf S. 66, I. Geschichte aufgelistet wurden, sowie ein fairer Ausgleich ihrer informationellen und wirtschaftlichen Unterlegenheit gewährt wird. Im Hinblick auf den Schutz der Anleger im Zusammenhang mit dem Wertpa-pierhandel handelt es sich um die Errichtung eines Systems der staatlichen Re-gulierung, das die auf dem Wertpapiermarkt tätigen Marktintermediäre be-stimmten Verhaltensstandards unterwirft und die Einhaltung solcher Standards (zu denen in erster Linie die Verhaltens- und Organisationsregeln gehören) ü-berwacht und durchsetzt.186 Die russische Rechtsliteratur verweist darauf, dass dieses System auf zwei Bausteinen beruht: (1) Vorbeugung gegen Verletzung von Anlegerinteressen sowie (2) Entwicklung von effektiven und zuverlässigen Mechanismen zur Beseitigung von Beeinträchtigungen der Anlegerrechte bzw. -interessen durch Marktintermediäre sowie zum Ersatz der von den Anlegern er-littenen Schäden.187 Es wird in der russischen Rechtsliteratur auch oft von zwei Schutzformen gesprochen, die diesen Bausteinen jeweils grundsätzlich entspre-chen: der außergerichtliche Schutz (der die Maßnahmen einschließt, die das Klima auf dem Wertpapiermarkt prägen) und der gerichtliche Schutz (der durch Zivil-, Wirtschafts- und Schiedsgerichte sowie im Wege des öffentlich-rechtlichen Verfahrens gewährleistet wird).188 Diese beide Komponenten des Anlegerschutzsystems werden nachstehend kurz dargestellt.

diesen gehören in erster Linie Erlass Nr. 1769, Erlass Nr. 1233, Erlass Nr. 784, Erlass Nr. 2063 und Erlass Nr. 1157. Zwar wurden diese grundsätzlich im Wege der System-bildung formal überholt, jedoch gelten einige der darin enthaltenen Vorschriften nach wie vor.

184 Vgl. Jarkov, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 42. 185 Vgl. Sinenko, S. 204. 186 Vgl. Makeeva, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 33; Sinenko, S. 162; Vajpan,

S. 61 f. 187 Die Zielrichtungen dieser Bausteine des Anlegerschutzes ähneln denen des in der

deutschen Rechtstheorie geschilderten Schutzes des Anlegerpublikums und des Indi-vidualschutzes. Siehe S. 61, II. Schutz des Anlegerpublikums und individueller Anle-gerschutz.

188 Treušnikov, S. 10 ff., nennt als ein Beispiel des außergerichtlichen Schutzes der Anle-ger die Tätigkeit der Selbstregulierungseinrichtungen. Vgl. auch Sinenko, S. 164 ff.

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1. Vorbeugung gegen die Verletzung von Rechten und Interessen der Anle-ger Die Verletzung von Anlegerinteressen bzw. -rechten wird durch die Herstellung eines allgemeinen positiven Klimas auf dem Wertpapiermarkt sowie durch die Gewährleistung dessen stabilen Funktionierens verhindert.189 In der russischen Rechtsliteratur wird in diesem Zusammenhang von der Gewährleistung von „zi-vilisierten Bedingungen“ des Handels auf dem Wertpapiermarkt gesprochen.190 Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein System, das die professionellen Teil-nehmer des Wertpapiermarkts gewissen Verhaltensstandards unterwirft und de-ren Einhaltung dadurch gewährleistet, dass es sich auf die Mechanismen der Staatsgewalt stützt.191 Bei der Entwicklung der Verhaltens- und Organisationsregeln der professionel-len Teilnehmer des Wertpapiermarkts hat der russische Gesetzgeber die Errich-tung eines hohen Anlegerschutzniveaus angestrebt, das den internationalen Standards entsprechen soll. Zu diesem Zweck hat er bei der Bestimmung des In-halts und des Umfangs dieser Regeln auf den Rechtssätzen sowie Erfahrungen anderer Länder aufgebaut.192 Golubkov weist auch auf die negativen Folgen hin, die sich wegen eines starken Einflusses der Rechtssysteme anderer Länder auf die russische Rechtssetzung zum Wertpapiermarkt ergeben haben.193 Dieser Ein-fluss hat den Gesetzgeber teilweise von der Berücksichtigung der Besonderhei-ten der russischen Wirtschaft abgehalten sowie in einigen Fällen zu Unstimmig-keiten in den Rechtssätzen, die durch unterschiedliche staatliche Behörden erlas-sen wurden, geführt. Den Kern der Verhaltenspflichten nach dem russischen Recht stellen die Infor-mationspflichten dar, die zum Teil auf den Offenlegungspflichten der Emitten-ten beruhen. Sie sollen informationelle Transparenz auf dem Wertpapiermarkt herstellen und dadurch den Anlegern mehr Sicherheit verschaffen. Die informa-tionelle Transparenz stärkt das Vertrauen der Anleger in den Wertpapiermarkt und wird vom Gesetzgeber als eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Her-

189 Vgl. Treušnikov, S. 3. 190 Vgl. Kirin , S. 181; Losev/Mirkin, Rynok cennyh bumag, www.rcb.ru, S. 5; Vajpan;

S. 39. 191 Vgl. Vajpan, S. 61 f. 192 Vgl. Filatov, Vestnik NAUFOR Nr. 5 (2991), S. 37 f.; Treušnikov, S. 3. 193 Golubkov, S. 4.

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stellung der „zivilisierten Bedingungen“ des Handels auf dem Wertpapiermarkt angesehen.194 Die Durchsetzung der Verhaltensregeln erfordert die Unterwerfung der Marktin-termediäre und der auf dem Wertpapiermarkt gehandelten Finanzinstrumente unter die staatliche Regulierung und Beaufsichtigung. Das WpMG hat alle Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt einer Erlaubnispflicht unterworfen. Zur erlaubnispflichtigen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt gehört u.a. gemäß Art. 3, 4, 5 und 39 Abs. 1 WpMG die Tätigkeit der Broker, Dealer und Vermögensverwalter, die in dieser Dissertation als Marktintermediäre oder professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts195 bezeichnet werden. Darüber hinaus hat der russische Gesetzgeber im WpMG alle Emissionswertpapiere der staatlichen Registrierung unterstellt und sowohl den Emittenten als auch den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts jeweils im Zusammenhang mit der Ausgabe und dem Umlauf dieser Wertpapiere strenge Offenlegungs- und Informationspflichten auferlegt.196 Diese Maßnahmen verschafften den Anlegern die Sicherheit, dass die Marktintermediäre, die ihre Dienstleistungen auf dem Wertpapiermarkt anbieten, durch die entsprechende staatliche Behörde auf die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an das Eigenkapital sowie der Ver-haltens- und Organisationsregeln überwacht werden.197 Die staatliche Registrie-rung der Wertpapiere stellt eine Art Garantie dar, dass der Emittent seinen Of-fenlegungspflichten (insbesondere zu seiner Solvenz) nachgekommen ist und dass die von ihm offen gelegten Informationen der Wahrheit entsprechen.198 Diese Maßnahmen gewährleisten die Stabilität des Wertpapiermarkts, die für das Vertrauen der Anleger unentbehrlich ist. 2. Schutz von Anlegern, deren Rechte und Interessen verletzt wurden Das Vertrauen des Anlegers in den Wertpapiermarkt hängt unmittelbar davon ab, ob ihm effiziente rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, die ihm die Mög-lichkeit geben, entweder eine Beeinträchtigung seiner Rechte und Interessen zu 194 Vgl. Filatov, Vestnik NAUFOR Nr. 5 (2991), S. 37 ; Habarov, Pravo i ėkonomika

Nr. 2 (1999), S. 11; Kamynin, Zakonnost’ Nr. 7 (2002), S. 7. 195 Der Begriff „Professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts“ wurde durch Art. 2

Abs. 18 WpMG eingeführt und definiert. Ausführlich auf S. 117, 1. Begriff des „pro-fessionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts“ nach russischem Recht.

196 Vgl. Homenko, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 1; Hromuškin, Rynok cennyh bumag Nr. 24 (1999), S. 25. Ausführlich auf S. 123, 2. Emissionswertpapiere.

197 Siehe S. 119, b) Erlaubnispflicht. 198 Zum Zweck der staatlichen Registrierung der Wertpapiere siehe ausführlich auf S.123,

2. Emissionswertpapiere.

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beseitigen oder die ihm Schadensersatz verschaffen. Diesem Zweck dienen in erster Linie die Mechanismen der juristischen Haftung.199 Daneben sind effekti-ve Mechanismen ihrer Durchsetzung erforderlich.200 Diese Mechanismen stellen den zweiten Baustein dar, der dem Konzept des Anlegerschutzes in der Russi-schen Föderation zu Grunde liegt. Zwar sind in der russischen Gesetzgebung die rechtlichen Grundlagen der zivil-, straf- und öffentlich-rechtlichen Haftung geschaffen worden, jedoch sind sie meist allgemeiner Natur. Zur Zeit fehlen besondere, auf die Bedürfnisse der An-leger zugeschnittene Rechtsnormen, die – wie es bei den Verbrauchern der Fall ist201 – z.B. den Kreis der Beklagten im Zivilverfahren bestimmen, dem Anleger einklagbare Ansprüche verschaffen sowie die Besonderheiten des Verfahrens, das den Schutz der Anlegerinteressen zum Gegenstand hat (Befreiung von Ge-richtsgebühren, „Sammelklagen“ usw.) festlegen würden.202 Diese Lücken sol-len durch das ASchG geschlossen werden.203 Solange der Gesetzgeber weder Rechtsnormen, die dem Anleger einklagbare Ansprüche verschaffen noch zivilrechtliche Mechanismen zur Führung und Durchsetzung seiner Ansprüche im zivilrechtlichen Verfahren einführt, wäre es aus Sicht des Anlegerschutzes empfehlenswert, den Anlegern diejenigen Schutzmechanismen zur Verfügung zu stellen, die auf Verbraucher anwendbar sind. Dafür müsste der Anleger rechtlich als Verbraucher angesehen werden. Zwar hat bereits eines der Moskauer Bezirksgerichte geurteilt, dass ein Anleger einem Verbraucher nicht gleichgestellt werden könne,204 jedoch halten die in dieser Entscheidung genannten Gründe rechtlicher Prüfung nicht Stand. In seiner Ent-scheidung betrachtete das Gericht einen Anleger als Aktieninhaber, der Anteile an einem Unternehmen hält und dem daraus die Rechte auf Gewinnbeteiligung sowie auf Ausübung der Stimmrechte auf der Hauptversammlung erwachsen. Es entschied allerdings nicht darüber, ob ein Anleger dann als Verbraucher angese-

199 Vgl. Makeeva, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 33, zählt zu diesen die straf- und öf-

fentlich-rechtlichen Sanktionen, zivilrechtliche Haftung sowie disziplinäre Maßnah-men, die die Selbstregulierungseinrichtungen ihren Mitgliedern auferlegen können.

200 Vgl. Filatov, Vestnik NAUFOR Nr. 5 (2001), S. 37. 201 Zur Vergleichbarkeit der Privatanlegern und Verbrauchern nach russischem Recht sie-

he Fn. 827. 202 Vgl. Bessarabov, Biznes Advokat, Konsul’tant Plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 3;

Hromuškin, Rynok cennyh bumag Nr. 24 (1999), S. 23 f. 203 Vgl. Šerstjuk, Zakonodatel’stvo Nr. 10 (1999), S. 57 f.; Treušnikov, S. 47 f. 204 Siehe FN 827.

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hen werden kann, wenn er die von einem Marktintermediär erbrachten Dienst-leistungen in Anspruch nimmt oder Finanzprodukte (z.B. Aktien) erwirbt. Abs. 2, Spiegelstr. 1 der Einführung in das Verbraucherschutzgesetz definiert einen Verbraucher als „einen Bürger, der die Absicht hat, Produkte oder Dienst-leistungen für die eigene, familiäre oder andere, mit der Ausübung der unter-nehmerischen Tätigkeit nicht verbundene Zwecke zu bestellen oder zu kaufen, oder diese bestellt, kauft oder benutzt“. Dieser Definition gemäß kommen nicht alle Anleger, sondern nur diejenigen, die natürliche Personen sind, als Verbrau-cher in Betracht. Außerdem kann ein privater Anleger nach russischem Recht nur dann als Verbraucher eingestuft werden, wenn er eine private Anlage zu Spar- oder Versorgungszwecken, die außerhalb der geschäftlichen oder profes-sionellen Tätigkeit erfolgt, tätigt. Dem Anleger als Verbraucher kämen die im Verbraucherschutzgesetz enthalte-nen Schutznormen und -mechanismen zugute. In erster Linie erhielten die Anle-ger gemäß Art. 29 Verbraucherschutzgesetz im Falle der Aufdeckung von Pro-dukt- bzw. Dienstleistungsmängeln weitgehende Rechte. Zwar lässt sich der Großteil dieser Rechte, wie z.B. das Recht, die Mängel des Produkts bzw. der Dienstleistung zu beseitigen oder den Preis der Dienstleistung zu reduzieren, auf die Bedürfnisse eines Anlegers praktisch schwerlich anwenden, doch sind für den Anleger die Normen, die als Anspruchsgrundlage für Schadensersatz die-nen, von herausragender Bedeutung. Daneben sind diejenigen Normen des Verbraucherschutzgesetzes von Bedeutung, die dem Verbraucher ein Recht auf vorvertragliche Informationen über das Produkt und seinen Hersteller sowie ü-ber die Dienstleistung und den Dienstleister (Art. 10 Verbraucherschutzgesetz) gewähren. Letztlich können auf den privaten Anleger analog zum Verbraucher die Rechts-verfolgungsmöglichkeiten (z.B. Befreiung von Gebühren und Abgaben, Unter-stützung durch staatliche Stellen und Verbraucher- bzw. Anlegerverbände) an-gewandt werden. Art. 18 ASchG sieht ähnliche Schutzmechanismen – nämlich die Verbandsklage – vor. In der Praxis scheitert dieser Mechanismus allerdings daran, dass bislang kein Anlegerverband in Russland errichtet wurde.205 Wirksame Mechanismen, die den Schutz und die Durchsetzung der Anlegerinte-ressen bzw. -rechte garantieren, stärken das Vertrauen der Anleger. Die Mög-

205 Der Präsident der Russischen Föderation hat durch Erlass No. 1157 die Errichtung des

Öffentlich-Staatlichen Fonds zum Schutz der Anleger und Aktieninhaber veranlasst. Allerdings wurde dem Fond kein Recht gewährt, Verbandsklagen zum Schutz der An-leger bei Gerichten einzureichen.

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lichkeit, den privaten Anlegern den den Verbrauchern zugute kommenden Schutz zu gewähren, führte insoweit einen Schritt weiter. Damit wäre nicht nur der unmittelbare Schutz der Anleger, deren Rechte und Interessen verletzt oder denen Schaden zugefügt wurde, gewährt, sondern es würde auch präventiv auf die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts eingewirkt und damit für die ordnungsgemäße Einhaltung der Verhaltenspflichten gesorgt. Dies stärkte die Stabilität des Wertpapiermarkts. III. Zwischenergebnis In der Russischen Föderation ist der Wertpapiermarkt sowie die Rechtssetzung, die ihn regelt, im Laufe der 90er Jahre entstanden. Letztere wurde stark durch die Besonderheiten der Entwicklung der russischen Wirtschaft und des Wertpa-piermarkts als eines ihrer wichtigsten Segmente sowie durch den Wunsch des Gesetzgebers, von den internationalen Erfahrungen auf diesem Feld Gebrauch zu machen, geprägt. Als eine der wichtigsten Zielrichtungen der Rechtssetzung zum Wertpapier-markt wurde der Schutz der Rechte und Interessen der Anleger angesehen. Dem Anlegerschutz wurde deswegen eine besondere Rolle eingeräumt, weil der ef-fektive Anlegerschutz die wichtigste Voraussetzung für das Vertrauen der Anle-ger in den Wertpapiermarkt darstellt, das seinerseits für die Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts unabdingbar ist. Es ist dem russischen Gesetzgeber, wenn auch mit einer gewissen Verspätung, gelungen, gegen Ende der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts den Wert-papiermarkt der staatlichen Regulierung und Kontrolle zu unterwerfen. Er hat die auf dem Wertpapiermarkt tätigen Marktintermediäre der Erlaubnispflicht und staatlichen Beaufsichtigung unterstellt und dadurch zur Abschaffung des Betrugs auf dem Wertpapiermarkt erheblich beigetragen. Auch die Anforderun-gen an die staatliche Registrierung der auf dem Wertpapiermarkt gehandelten Wertpapiere und die damit verbundenen Offenlegungs- und Informationspflich-ten haben eine rechtliche Grundlage für die Herstellung der informationellen Transparenz auf dem Wertpapiermarkt geschaffen. Die staatliche Regulierung und Kontrolle des Wertpapiermarkts stellt eine Voraussetzung für den Anleger-schutz dar. Das Konzept des Anlegerschutzes in der Russischen Föderation geht vom Grundsatz des umfassenden und vollständigen Anlegerschutzes aus. Es beruht auf zwei Bausteinen, dem präventiven Schutz, der u.a. durch Auferlegung und Durchsetzung der Verhaltenspflichten der Marktintermediäre gewährleistet

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wird, sowie dem eigentlichen Schutz der verletzten Rechte und Interessen ein-zelner Anleger. Beide Schutzarten gehen davon aus, dass der Anleger sowohl in-formationell als auch finanziell der schwächere Teilnehmer des Wertpapier-markts ist und sind darauf ausgerichtet, diese Unterlegenheiten auszugleichen. Wie dieses Konzept in der russischen Rechtssetzung im Hinblick auf die Verhal-tensregeln umgesetzt wird und ob durch ihre Umsetzung das Ziel des umfassen-den und vollständigen Anlegerschutzes erreicht wird, wird in dieser Dissertation ausführlich untersucht. Schlussfolgerungen zum Kapitel 1 1. Sowohl in der Europäischen Union und in Deutschland als auch in der Russi-schen Föderation wird die Gewährleistung des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt zur Zielrichtung des Anlegerschutzes erklärt. Die Errichtung eines hohen Anlegerschutzniveaus stellt eine Voraussetzung für die Funktionsfähig-keit des Kapitalmarkts dar und fördert seine Entwicklung. Die sozialpolitische Bedeutung des Anlegerschutzes wird zwar von allen drei Rechtssystemen aner-kannt, jedoch nimmt sie eine dem Ziel der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts untergeordnete Rolle ein. Die Europäische Union strebt die Gewährleistung eines allgemein hohen Anle-gerschutzniveaus in allen Mitgliedstaaten an, das für die Errichtung des Bin-nenmarkts unentbehrlich ist. Im Hinblick auf die Verhaltensregeln hat sich in der neuen Fassung der WPD-RL aus diesem Grund der Grundsatz der Maximal-harmonisierung durchgesetzt, der die Einführung der gleichen Verhaltensstan-dards in allen europäischen Ländern erfordert und keinen Spielraum für nationa-le Ausnahmeregelungen lässt. Die in Deutschland geltenden Verhaltensregeln entsprechen grundsätzlich dem europäischen Standard und müssen nur insofern an die neue Fassung der WPD-RL angepasst werden, als Letztere ergänzende Vorschriften einführt. Der russische Gesetzgeber strebt an, auf dem russischen Wertpapiermarkt ein Anlegerschutzniveau zu gewährleisten, das dem Schutzniveau führender Marktwirtschaften entspricht. Deswegen hat er sich bei der Entwicklung der Rechtssetzung zum Wertpapiermarkt an den Rechtsordnungen der europäischen Länder (hauptsächlich Deutschlands) sowie der Vereinigten Staaten orientiert. Er hat dem Konzept des Anlegerschutzes den Grundsatz des umfassenden und vollständigen Schutzes zu Grunde gelegt und den Verhaltens- und Organisati-onsregeln der Marktintermediäre dabei eine vorrangige Stellung eingeräumt. Al-lerdings musste er zunächst den in der Russischen Föderation Anfang der 90er Jahre entstandenen unregulierten „schwarzen“ Wertpapiermarkt der staatlichen

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Regulierung unterstellen, damit er die Einhaltung der Verhaltens- und Organisa-tionsregeln durchsetzen konnte. 2. Eine Definition des Begriffs „Anlegerschutz“ fehlt sowohl im europäi-schen/deutschen als auch im russischen Recht. In allen Rechtssystemen entwi-ckelt sich das Konzept des Anlegerschutzes aus den typischen Risiken, die den Anlegern auf dem Kapitalmarkt drohen. Diese basieren auf den wirtschaftlichen Gegebenheiten und sind grundsätzlich in allen Ländern gleich, so dass sich auch die rechtlichen Mechanismen, durch die das Konzept des Anlegerschutzes um-gesetzt wird, international ähneln. Dies begründet die führende Rolle, die den Verhaltens- und Organisationsregeln der Marktintermediäre in allen Rechtsord-nungen eingeräumt wird. Gleichwohl ist das Konzept des Anlegerschutzes in der Russischen Föderation durch die Besonderheiten einer Marktwirtschaft, die sich im Aufbaustadium befindet, geprägt. Wie diese die eigentliche Ausgestaltung der Verhaltens- und Organisationsregeln im russischen Recht beeinflussen, wird in dieser Dissertation untersucht. 3. Die Übertragung der Grundsätze des Verbraucherschutzes auf den Anleger-schutz scheint eine Besonderheit des europäischen Rechts darzustellen, die sich durch die Eigenheiten der Systembildung im europäischen Recht begründen lässt. Zwar erscheint sie im Hinblick auf Kleinanleger sinnvoll, jedoch wird sie weder durch das deutsche noch durch das russische Recht übernommen. Gleichwohl scheint dies nicht zur Senkung des Anlegerschutzniveaus zu führen. In der russischen Rechtsliteratur wird allerdings oft darauf hingewiesen, dass es zur Verbesserung des Anlegerschutzes führen könnte, auch Privatanlegern die den Verbrauchern zum Schutz ihrer Rechte im Gerichtsverfahren zur Verfügung stehenden Mittel zu gewähren. Dies wird möglicherweise bei der nächsten Än-derung des ASchG durch den russischen Gesetzgeber berücksichtigt. 4. Bei der Umsetzung des Konzepts des Anlegerschutzes in das Rechtssystem geht sowohl der europäische bzw. deutsche als auch der russische Gesetzgeber von der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Anleger aus, die sich aus seiner intel-lektuellen und finanziellen Unterlegenheit sowie dem fehlenden direkten Zu-gang zum Kapitalmarkt ergibt. Allerdings ist der im europäischen bzw. deut-schen Recht verankerte Gedanke der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Anleger viel tiefgehender. Er beinhaltet die Möglichkeit, die Reichweite des Schutzes an den unterschiedlichen Grad der Schutzbedürftigkeit des Anlegers, der auf Grundlage seiner Professionalität bestimmt wird, anzupassen. Der Professionalitätsgrundsatz ist dem russischen Konzept des Anlegerschutzes nicht bekannt. Zwar wird in der Rechtsliteratur von der schwachen Position des Anlegers gesprochen und sogar die Rechtssetzung ist um den Ausgleich dieser

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Schwäche bemüht, jedoch wird nur in wenigen Fällen ausnahmsweise der Un-terschied zwischen den professionellen Anlegern und den Kleinanlegern berück-sichtigt. Das Fehlen der differenzierten Behandlung der Anleger entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit führt zur Senkung des allgemeinen Anlegerschutzni-veaus in der Russischen Föderation und beeinträchtigt in erster Linie Interessen der Kleinanleger. Der sich im europäischen bzw. deutschen Recht durchgesetzte differenzierte Ansatz sollte in das russische Recht, dem er zurzeit fehlt, zum Zwecke der Optimierung des Anlegerschutzes übernommen werden. 5. Das Konzept des Schutzes des allgemeinen Anlegerpublikums sowie des in-dividuellen Anlegerschutzes scheint dem deutschen Recht eigen zu sein. Aller-dings ähnelt es vom Inhalt her den zwei Bausteinen, die dem Konzept des Anle-gerschutzes in der Russischen Föderation zu Grunde gelegt wurden. Ähnlich wie die Maßnahmen des russischen Rechts, die auf die Vorbeugung gegen die Ver-letzung der Anlegerrechte abzielen, wirken die Regelungen, die den Schutz des allgemeinen Anlegerpublikums nach deutschem Recht bezwecken, präventiv und prägen das Klima auf dem Kapitalmarkt, während die Mechanismen zur Be-seitigung der Beeinträchtigung von Rechten und Interessen einzelner Anleger nach russischem Recht grundsätzlich den Maßnahmen entsprechen, die dem Schutz der Interessen einzelner Anleger nach deutschem Recht dienen.

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2. Kapitel: Rechtliche Rahmenbedingungen der Verhaltensregeln und Auf-sicht § 1 Deutsches Recht Die Bestimmung der rechtlichen Rahmenbedingungen und des Anwendungsbe-reichs der Verhaltensregeln soll unter Berücksichtigung der Unterschiede zwi-schen den öffentlich- und privatrechtlichen Verhaltenspflichten erfolgen, da die Reichweite dieser Pflichten nicht deckungsgleich ist. Die in §§ 31 ff. WpHG enthaltenen öffentlich-rechtlichen Verhaltens- und Organisationsregeln wurden im Wege der Umsetzung der Art. 10 und 11 WPD-RL a.F. eingeführt. Diese finden auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen Anwendung. Es gibt aller-dings Unternehmen, die durch den Begriff des Wertpapierdienstleistungsunter-nehmens nicht erfasst sind (z.B. reine Anlageberaterfirmen oder die auf dem „Grauen Kapitalmarkt“ tätigen Vermittler von Unternehmensanteilen, Anteilen an Treuhandvermögen und anderer Finanzprodukte206), deren Tätigkeit jedoch Anleger gefährden bzw. zu Schaden führen kann. Auf diese Unternehmen findet das WpHG keine Anwendung. Daher unterliegen die Nicht-Wertpapierdienstleistungsunternehmen weder den Verhaltens- noch den Organi-sationspflichten des WpHG. Dennoch können sie sich haftbar machen, wenn sie privatrechtliche Verhaltenspflichten, die durch die Rechtsprechung im Zusam-menhang mit der Anlagevermittlung und Anlageberatung entwickelt wurden, nicht beachten. Gleichwohl müssen die Nicht-Wertpapierdienstleistungsunternehmen keine besondere Anforderungen an ihre Organisation erfüllen.207 In diesem Paragraphen wird auf die rechtlichen Grundlagen der öffentlich- so-wie privatrechtlichen Verhaltenspflichten eingegangen. Dabei soll deren An-wendungsbereich dargestellt werden, so dass die Reichweite und die Stellung dieser Pflichten unter den Maßnahmen und Mechanismen des Anlegerschutzes bestimmt werden kann. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Rolle und die Funktionen der Aufsicht.

206 Die Anzahl solcher Unternehmen in Deutschland liegt bei über 26.000 gemäß dem Be-

richt der Bundesregierung zum „Grauen Kapitalmarkt“, BT-Drucks. 14/1633 v. 17.9.1999, S. 3, 6.

207 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 51, weist darauf hin, dass das Pri-vatrecht keine Pflichten kennt, die den Organisationspflichten des WpHG gleichwertig wären.

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I. Einschlägige Rechtsvorschriften Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der WPD-RL a.F. in das deut-sche Recht von der europäischen Freiheit, die Mittel der Umsetzung selbst zu bestimmen, Gebrauch gemacht und die Verhaltensregeln im öffentlichen Recht umgesetzt.208 Die in §§ 31 ff. WpHG enthaltenen Verhaltens- und Organisati-onsregeln stellen kapitalmarktrechtliche Normen dar, die dem öffentlichen Inte-resse des Schutzes des Anlegerpublikums und des Funktionsschutzes des Kapi-talmarkts dienen.209 Diese Vorschriften regeln das „vertikale“ Verhältnis zwi-schen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und der zuständigen Bundes-aufsichtsbehörde (BAFin).210 Sie legen den Verhaltensstandard fest, dem die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit entsprechen müssen.211 Die BAFin ist für die Überwachung und Durchsetzung der Einhal-tung dieses Standards durch die Wertpapierdienstleistungsunternehmen zustän-dig. Deshalb werden die Verhaltens- und Organisationsregeln als öffentlich-rechtliche Normen bezeichnet.212 Die Zuordnung einer Rechtsnorm zum öffentlichen Recht anstatt zum Privat-recht weist weitgehende praktische Konsequenzen auf.213 Als öffentlich-rechtliche Normen stellen die §§ 31 ff. WpHG zwingendes Recht dar.214 In der Rechtsliteratur wird die Frage, ob auf die öffentlich-rechtlichen Verhaltensre-geln verzichtet werden kann, in zwei Fallkonstellationen diskutiert: (1) der for-mularmäßige Ausschluss der Haftung für Verstöße gegen die Verhaltenspflich-ten des WpHG in den AGB des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sowie (2) der Verzicht des Anlegers auf den ihm auf Grundlage der §§ 31, 32 WpHG zugute kommenden Schutz. Im ersten Fall weist Reich darauf hin, dass die Ver-haltensregeln der §§ 31, 32 WpHG den wesentlichen Grundgedanken der ge-setzlichen Regelung zum Wertpapiergeschäft bzw. zum Schutz der Anlegerinte-

208 Vgl. Fn. 13. 209 Vgl. auf S. 61, II. Schutz des Anlegerpublikums und individueller Anlegerschutz. Vgl.

auch Bliesener, S. 111; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 33; Balzer, ZBB 1997, 260, 261 ff.; Horn, ZBB 1997, 139, 149; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.178 ff. und Rdnr. 8.221 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1603 f.

210 Vgl. Bliesener, S. 105; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.238; Schwenni-cke, WM 1998, 1101, 1102.

211 Vgl. Balzer, ZBB 1997, 260, 262. 212 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.174 ff. und Rdnr. 8.234 ff.; Lang,

S. 115 ff. 213 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.231 ff. 214 Vgl. Horn, ZBB 1997, 139, 151; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht,

Rdnr. 8.231 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1604.

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ressen nach § 307 Abs. 2 S. 2 BGB bilden.215 Es kann daher von Verhaltensre-geln formularmäßig (z.B. in AGB) nicht abgewichen werden, da ein solcher Verzicht gemäß § 307 BGB eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben darstellte.216 Die Unabdingbarkeit dieser Vor-schriften ist für den Anlegerschutz von besonderer Bedeutung, weil sie dem An-leger einen Mindestschutz garantieren. Im zweiten Fall stoßen die Verhaltens-pflichten auf ihre natürlichen Grenzen: Einem Anleger, der keine Informationen wünscht, können sie auch nicht aufgezwungen werden.217 Die Möglichkeit des Verzichts auf die Information/Aufklärung seitens des Anlegers ist allerdings in der Rechtsliteratur umstritten. Diese Diskussion kann auf die Frage beschränkt werden, ob auch ein unerfahrener Anleger, der die Konsequenzen eines solchen Verzichts nicht einschätzen kann, ebenso wenig schutzwürdig ist wie der Anle-ger, der kraft seiner Erfahrungen solche Informationen tatsächlich nicht braucht.218 Die WPD-RL n.F. erfordert, dass jeder Anleger ein Minimum an In-formationen (in standardisierter Form) erhält (Art. 19 Abs. 3 WPD-RL). Unter bestimmten Umständen, wenn die Wertpapierfirma der Informationspflicht nicht ordnungsgemäß nachkommen kann, wenn sich z.B. der Kunde weigert, Anga-ben zu seiner Person zu machen, führt die neue Fassung der WPD-RL eine Warnpflicht der Wertpapierfirma ein, die den Anleger auf den reduzieren Schutz aufmerksam machen muss (Art. 19 Abs. 5 (2) und Abs. 6 Spiegelstr. 3 WPD-RL n.F.). Eine weitere praktische Konsequenz der Abgrenzung zwischen den öffentlich- und privatrechtlichen Verhaltenspflichten bezieht sich auf den Rechtsweg zur Durchsetzung entsprechender Vorschriften.219 Verstöße des Wertpapierdienst-leistungsunternehmens gegen die in §§ 31 ff. WpHG festgelegten Verhaltens- und Organisationspflichten begründen keine unmittelbaren Ansprüche der Anle-ger auf Schadensersatz, wie es bei Verstößen gegen privatrechtliche Normen der Fall ist.220 Die pflichtwidrig behandelten Anleger können allerdings die Pflicht-

215 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1604. Balzer, ZBB 1997, 260, 267 beruft sich dabei auf

die wesentliche Einschränkung der Pflichten des Verwenders, die zur Gefährdung des Vertragszwecks führen würde (§ 307 Abs. 2 S. 2 BGB).

216 Vgl. Balzer, ZBB 1997, 260, 267; Cahn, ZHR 1998, 1, 34; Kümpel, Bank- und Kapi-talmarktrecht, Rdnr. 8.231; Reich, WM 1997, 1601, 1604, 1607 f.; Schwintowski, ZBB 1999, 385, 386.

217 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 130. 218 Vgl. Horn, ZBB 1997, 139, 151; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96b ff.; Hdb.

KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 52. Ausführlich auf S. 168, a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG.

219 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.231 ff. 220 Vgl. Bliesener, S. 112 ff.; Köndgen, ZBB 1997, 361; Schwennicke, WM 1998, 1101,

1102.

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verstöße der BAFin anzeigen.221 Die BAFin ist berechtigt, im Rahmen der Auf-sicht präventive Kontrolle über die Einhaltung der Verhaltensregeln sowie die Missstandsaufsicht des Bundes auszuüben und die Einhaltung der Verhaltens- und Organisationsregeln durch die Wertpapierdienstleistungsunternehmen durchzusetzen.222 Die BAFin hat die Befugnis nicht nur Verstößen gegen die Verhaltens- und Or-ganisationsregeln entgegenzuwirken sondern auch präventive Maßnahmen zu ergreifen.223 Die BAFin ist nach § 35 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 WpHG ermächtigt, jährliche sowie einzelne stichprobenartige Prüfungen durchzuführen und den tatsächlichen sowie potentiellen Regelwidrigkeiten entgegenzuwirken, solange sich aus diesen eine Beeinträchtigung der Wertpapierdienstleistungen oder ein erheblicher Nachteil für den Kapitalmarkt ergeben können.224 Die einzelnen Prü-fungen durch die BAFin bedürfen zwar keines konkreten Grundes, werden aber häufig durch Kundenbeschwerden veranlasst. Die BAFin darf im Hinblick auf die aufgedeckten Missstände nach § 4 Abs. 1 WpHG Anordnungen, die die ge-gen die Verhaltenspflichten verstoßenden Praktiken untersagen, treffen, sofern sie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind.225 Wiederholte und nachhäl-tige Verstöße können ein Grund für den Widerruf der Erlaubnis des Finanz-dienstleistungsinstituts durch die BAFin nach § 35 Abs. 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 4 KWG sein.226 Auch wenn ein Anleger ein Wertpapierdienstleistungsun-ternehmen auf Grundlage der §§ 31 ff. WpHG nicht unmittelbar auf Schadenser-satz in Anspruch nehmen kann, trägt die in diesen Paragraphen enthaltene Rege-lung zum Anlegerschutz insoweit bei, dass sie eine Berufsregelung schafft. Die Marktintermediäre sind diesen Pflichten kraft ihrer beruflichen Rolle unterwor-fen und die Einhaltung dieser Pflichten wird durch die BAFin im Rahmen ihrer aufsichtsrechtlichen Befugnisse sichergestellt.227 Sie entsprechen daher einem Verhaltensstandard, der das Klima auf dem Kapitalmarkt prägt und für die An-leger ein allgemeines Schutzniveau sicherstellt.

221 Vgl. Köndgen, ZBB 1996, 361, 362. 222 Vgl. Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 94; Lang, S. 43; Reich, WM 1997, 1601, 1603;

Schwennicke, WM 1998, 1101, 1102. 223 Siehe S. 91, IV. Aufsicht. Ausführlich Bliesener, S. 114 ff. 224 Bliesener, S. 120, nennt als ein Beispiel solcher Umstände die Erschütterung des Ver-

trauens der Anleger in den Kapitalmarkt. Dieses Beispiel bringt die anlegerschützende Funktion der Marktaufsicht zum Ausdruck.

225 Vgl. Bliesener, 125 f. 226 Vgl. Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 154. 227 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 18; Kümpel in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 246; Reich, WM 1997, 1601, 1604.

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Als öffentlich-rechtliche Normen sind die Verhaltensregeln der §§ 31, 32 WpHG als zwingender gesetzlicher Maßstab des professionellen Verhaltens des Marktintermediäres auf sein Verhältnis mit einem Anleger anzuwenden. Sollte dem Anleger infolge des rechtswidrigen Verhaltens des Marktintermediäres Schaden zugefügt werden, stellt sich die Frage, ob und wie die aufsichtsrechtli-chen Verhaltensregeln bei Schadensersatzansprüchen der Anleger im Zusam-menhang mit Pflichtverletzungen einbezogen werden können. Zum einen kom-men die aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten auf dem Umweg des Delikt-rechts nach § 823 Abs. 2 BGB als Haftungsgrundlage in Betracht. Die Zugehö-rigkeit dieser Vorschriften zu den deliktischen Schutzgesetzen ist umstritten. In der herrschenden Lehre wird sie aus ihrer Ausgestaltung und ihrem Zweck ge-folgert.228 Da die Verhaltensregeln der §§ 31, 32 WpHG nicht nur dem Schutz des öffentlichen Interesses dienen, sondern auch die individuellen Interessen des Anlegers als schwächere Partei in dieser Geschäftsbeziehung schützen, werden sie nach der h.M. als Schutzgesetze angesehen.229 Reich weist zutreffend darauf hin, dass auch die gemeinschaftskonforme Auslegung gebietet, dass, unbescha-det der Einordnung der Wohlverhaltensregeln in das öffentliche oder private Recht, den einzelnen Anlegern bei Verletzung derselben jedenfalls subjektive Rechte erwachsen, die im Streitfall vor Gericht, etwa im Haftungsprozess, durchgesetzt werden können.230 Wegen ihrer anlegerschützenden Funktion sind sie nach der Rechtsliteratur Schutzgesetze i.S. von § 823 Abs. 2 BGB.231 Es ist allerdings anzumerken, dass die in der Rechtsliteratur insoweit intensiv geführte Diskussion bislang ohne praktischen Belang geblieben ist, da der BGH die Frage über den Schutzgesetzcharakter dieser Vorschriften in seinen Entscheidungen bisher offen gelassen hat.232 Gleichwohl können die Organisations- und Auf-

228 Siehe S. 64, 2. Individueller Anlegerschutz. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht,

Rdnr. 8.208 ff., Rdnr. 8.231 und Rdnr. 8.238 ff., stützt die rechtsdogmatische Einord-nung dieser Vorschriften und die Begründung ihrer ambivalenten Natur auf die Inte-ressentheorie. Vgl. Balzer, ZBB 1997, 260, 262 ff.; Bliesener, S. 150 ff.; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 33; Horn, ZBB 1997, 139, 149; Köndgen, ZBB 1996, 361 (m.w.N. zu den Meinungsunterschieden); Lang, S. 47 f.; Stöterau, S. 68 ff.

229 Vgl. Bliesener, S. 112, 152 ff.; N. Lang, S. 147 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1604. Ab-lehnend Schwennicke, WM 1998, 1101, 1102.

230 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1602. 231 Vgl. Bliesener, S. 112, 152 ff; Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 94. Kienle in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 8; Reich, WM 1997, 1601, 1604. Köndgen, ZBB 1996, 361, 362, vertritt die Auffassung, dass die Gerichte den Inhalt des deliktischen Schutzgesetzes unmittelbar aus den §§ 31, 32 WpHG ermitteln und sich dabei der Richtlinien der BAFin „als Erkenntnisquellen für den unabhängigen Mindeststandard“ bedienen werden. Ihm zustimmend Koller in Assmann/Schneider, § 35 Rz. 6.

232 Vgl. BGH, WM 2001, 1718, 1719; BGH WM 1999, 2300, 2303; Horn/Felke, WuB I G 1. – 4.00, 1235, 1237; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 8; Nobbe in Horn/Schimansky, S. 235, 251, begründet, warum sich die Rechtsprechung bislang

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zeichnungspflichten der §§ 33, 34 WpHG nicht den Schutzgesetzen zugerechnet werden, da diese zu allgemein und inhaltlich zu offen sind, um Rechte jedes ein-zelnen Anlegers auf Erfüllung und Schadensersatz zu begründen.233 Zum anderen haben die deutschen Gerichte bislang zivil- und handelsrechtliche Pflichten zur Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus positiver Vertragsverletzung (§ 311 BGB) oder aus Verletzung der Pflichten aus dem Schuldverhältnis (§ 241 BGB) herangezogen.234 Diese wurden noch vor dem In-Kraft-Treten des WpHG aus dem Geschäftsbesorgungs-, Kommissions- und Kaufvertrag oder dem allgemeinen Schuldverhältnis abgeleitet.235 Zu diesen Pflichten gehören in erster Linie die Sorgfalts-, Interessenwahrungs- und Infor-mationspflichten, die auf den zivil- und handelsrechtlichen Pflichten (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB [im Verkehr erforderliche Sorgfalt], § 347 Abs. 1 HGB [Sorg-falt des ordentlichen Kaufmanns]) oder auf dem Grundsatz von Treu und Glau-ben (§ 242 BGB) beruhen.236 Die ständige Rechtsprechung hat aus diesen Pflichten die privatrechtlichen Verhaltenspflichten der Marktintermediäre abge-leitet und diese weitgehend inhaltlich entwickelt und konkretisiert. Grundlegend ist das „Bond“-Urteil des BGH237, in dem der BGH die Grundsätze der anleger- und objektgerechten Aufklärung und Beratung festgelegt hat.238 Auf diesem Wege ist der privatrechtliche Anlegerschutz entstanden.239 Seit dem In-Kraft-Treten des WpHG haben die Zivilgerichte die aufsichtsrechtlichen Verhaltens-regeln der §§ 31, 32 WpHG als objektiven Mindeststandard zum Zwecke der Konkretisierung des (vor)vertraglichen Standards einbezogen.240 Die europa-rechtliche Herkunft der Verhaltenspflichten nach §§ 31, 32 WpHG hat entschei-

in ihren Entscheidungen an die gesetzliche Aufklärungspflicht (S. 186, cc) Die gesetz-liche Aufklärungspflicht) und nicht an die Verletzung der Informationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG angelehnt hat.

233 Vgl. Blazer, ZBB 1997, 260, 262; Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 1; Lang, S. 127.

234 Vgl. Bliesener, S. 157 ff.; Hadding in Festschrift für Schimansky, S. 67, 68; Heinsius in Festschrift für Kübler, S. 405, 409 f.; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 7; Lang, S. 27, 43; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 9 ff.; Vort-mann, Rdnr. 15 ff. Siehe nunmehr auch § 311 Abs. 2 und Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB.

235 Vgl. Bliesener, S. 157 ff. 236 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 4 und 9 f.; Siol in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 4; Hdb. Kapitalanlage/Roth, § 12 Rdnr. 1, 8; Blie-sener, S. 157 ff.

237 Vgl. BGH, WM 1993, 1456. 238 Ausführlich auf S. 177, aa) Vertragliche Beratungspflicht. 239 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.437. 240 Vgl. Bliesener, S. 158 ff.

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dend dazu beigetragen, dass sie als Mindeststandard, der nicht unterschritten werden darf, das privatrechtliche Anlegerschutzniveau bestimmt haben. 241 Zwar sind die in §§ 31, 32 WpHG begründeten aufsichtsrechtlichen Verhaltens-pflichten von den privatrechtlichen Verhaltenspflichten zu unterscheiden, jedoch ist ihr gegenseitiger Einfuß nicht zu unterschätzen. Dadurch wird die konse-quente Entwicklung und Verbesserung des Anlegerschutzes gewährleistet. Die Begründung der Verhaltenspflichten auf zwei Ebenen (durch öffentlich- und privatrechtliche Normen) stellt ihre Durchsetzung auf zwei Wegen sicher: Sie werden im Rahmen der präventiven Kontrolle durch die BAFin durchgesetzt; hinzu tritt eine repressive Kontrolle durch die Rechtsprechung, so dass Anleger-schutz auf zwei Ebenen gewährleistet ist. II. Anwendungsbereich der Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG Die in §§ 31 ff. WpHG enthaltenen Verhaltens- und Organisationspflichten fin-den auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen Anwendung. § 2 Abs. 4 WpHG versteht darunter Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 S. 1 KWG tätige Zweigstellen eines Unternehmens mit Sitz im Ausland, das Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringt, sofern diese zwei Vor-aussetzungen erfüllen: Erstens müssen sie gewerbsmäßig oder in einem Umfang tätig sein, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert; zweitens müssen sie Wertpapierdienstleistungen alleine oder zusam-men mit Wertpapiernebendienstleistungen erbringen. Die Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit ist bei der Erbringung der Dienstleis-tungen erfüllt, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt und auf Ge-winnerzielung ausgerichtet ist.242 Der Umfang der Geschäfte ist für Bestimmung der Gewerbsmäßigkeit kein entscheidendes Kriterium.243

241 Reich, WM 1997, 1601, 1603 f., 1606, 1608, weist darauf hin, dass der BGH sich im

„Bond“-Urteil an der WPD-RL a.F. orientiert hat. Insoweit bleiben die Zusammen-hänge zwischen den europäischen und deutschen privat- und öffentlichrechtlichen Verhaltenspflichten sowie ihr gegenseitiger Einfluss unbestritten eindeutig. Vgl. Bal-zer, ZBB 1997, 260, 262; Bliesener, S. 159; Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 94; Horn, ZBB 1997, 139, 149 f.; Koller, Assmann/Schneider, Vor § 31 Rz. 19; Kümpel, Wert-papierhandelsgesetz, S. 161; ders. in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 202 ff.; ders., Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.450; Lang, S. 43; Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 14; Schwennicke, WM 1998, 1101, 1102.

242 Vgl. Bliesener, S. 34; Jung/Schleicher, S. 33 ff. 243 Vgl. Weber-Rey/Baltzer, WM 1997, 2288, 2289.

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Der zweiten Voraussetzung zufolge sind die Unternehmen, die ausschließlich Wertpapiernebendienstleistungen244 erbringen, durch das WpHG nicht erfasst und unterliegen deshalb nicht den Verhaltensregeln.245 Erfasst werden dagegen die Kommissions- und Eigenhandelsgeschäfte, Abschluss- und Anlagevermitt-lung, Emissionsgeschäfte und Finanzportfolioverwaltung sowie die im Zusam-menhang mit diesen Geschäften erbrachten Wertpapiernebendienstleistungen. § 2 Abs. 3 WpHG definiert diese Geschäftsarten wie folgt: - „Kommissionsgeschäft“ ist die Anschaffung und Veräußerung von Wert-

papieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten im eigenen Namen für fremde Rechnung;

- „Eigenhandel“ ist die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren,

Geldmarktinstrumenten oder Derivaten im Wege des Eigenhandels für andere (entscheidend ist, dass das Geschäft als Dienstleistung für einen Kunden erfolgt)246;

- „Abschlussvermittlung“ ist die Anschaffung und Veräußerung von Wert-

papieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten im fremden Namen für fremde Rechnung (auch „offene Stellvertretung“ genannt);

244 § 2 Abs. 3a WpHG zählt zu Wertpapiernebendienstleistungen das Depotgeschäft, die

Kreditgewährung, die Anlageberatung sowie die Devisengeschäfte und OTC-Devisentermingeschäfte.

245 Diese Ausnahme ist für diese Dissertation besonderes wichtig, weil auf ihrer Grundla-ge die reinen Anlageberatungsfirmen zur Zeit noch vom Anwendungsbereich des WpHG (und deshalb auch der Verhaltensregeln) ausgenommen sind, denn die Anla-geberatung gehört u.a., wie bereits in Fn. 244 erwähnt, zu den Wertpapiernebendienst-leistungen und unterliegt nicht den Verhaltensregeln, es sei denn, dass sie im Zusam-menhang mit Wertpapierdienstleistungen erbracht wird. Zu Auswirkungen dieser Ausnahmen siehe ausführlich auf S. 90, III. Anwendungsbereich der privatrechtlichen Verhaltensregeln. Dies wird allerdings nicht mehr lange der Stand des deutschen Rechts bleiben. Die neue Fassung der WPD-RL (Anhang I Abschnitt A Nr. 5) führt die Anlageberatung unter den Wertpapierdienstleistungen auf. Nach der Umsetzung der neuen Fassung der WPD-RL in das nationale Recht der Mitgliedstaaten soll die Anlageberatung in den im WpHG enthaltenen Katalog der Wertpapierdienstleistungen aufgenommen werden. Damit werden auch die reinen Anlageberatungsfirmen dem WpHG, einschließlich der Verhaltensregeln der §§ 31, 32 WpHG, unterstellt.

246 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 155 f.; Weber-Rey/Baltzer, WM 1997, 2288, 2289; ausführlich dazu Schlüter in Wertpapierhandelsrecht, Rdnr. 63 f.

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- „Anlagevermittlung“247 ist die Vermittlung oder der Nachweis von Ge-schäften über die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten;

- „Emissionsgeschäft“ ist die Übernahme von Wertpapieren, Geldmarktin-

strumenten oder Derivaten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien;

- „Finanzportfolioverwaltung“ ist die Verwaltung einzelner in Wertpapie-

ren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten angelegter Vermögen für an-dere mit Entscheidungsspielraum.

Finanzkommissions-, Garantie- und Emissionsgeschäft zählen zu Bankgeschäf-ten nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nrn. 4, 8 und 10 KWG und dürfen ausschließlich durch Kreditinstitute erbracht werden. Finanzdienstleistungsinstitute dürfen gemäß § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 bis 4 KWG Anlage- und Abschlussvermittlung, Finanzportfo-lioverwaltung und Eigenhandel betreiben.248 Wertpapierhandelsunternehmen und Wertpapierhandelsbanken249 dürfen gemäß § 1 Abs. 3d KWG sowohl Kommissions- und Emissionsgeschäfte betreiben als auch Finanzdienstleistun-gen i.S.v. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 bis 4 KWG erbringen. Mit dieser Regelung wurden alle im Anhang A der alten Fassung der WPD-RL genannten Dienstleis-tungen durch die 6. KWG-Novelle zum Zwecke der Umsetzung des europäi-schen Harmonisierungsvorhabens und der Verbesserung des Anlegerschutzes den Anforderungen des KWG (in erster Linie der Erlaubnispflicht und der Auf-sicht) und des WpHG (einschließlich der für diese Dissertation maßgeblichen Verhaltensregeln) sowie der Aufsicht der zuständigen deutschen Behörden un-terworfen.

247 Der Unterschied zwischen einem Abschlussvermittler und einem Anlagevermittler be-

steht darin, dass der Anlagevermittler den Kontakt zwischen den Parteien herstellt, während der Abschlussvermittler als Bevollmächtigter einer der Parteien beim Ab-schluss des Geschäfts handelt. Allerdings ist dieser rechtliche Unterschied von gerin-ger Bedeutung, denn in KWG und WpHG werden Anlage- und Abschlussvermittler gleich behandelt. Siehe dazu Jung/Schleicher, S. 45 ff.; Lang, S. 54 ff.; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 9; Schlüter in Wertpapierhandelsrecht, Rdnr. 39 ff.

248 Die in § 1 Abs. 1 a S. 2 Nr. 5 bis 7 KWG aufgezählten Drittstaateneinlagenvermittlun-gen, Finanztransfer- und Sortengeschäfte sind keine Wertpapierdienstleistungen i.S. des WpHG und bleiben deswegen außerhalb des Anwendungsbereichs der Verhal-tenspflichten. Diese Finanzdienstleistungen werden in dieser Dissertation nur insoweit berücksichtigt, als auf sie die privatrechtlichen Verhaltensregeln Anwendung finden.

249 Diese Begriffe entsprechen grundsätzlich dem durch die WPD-RL eingeführten Beg-riff der „Wertpapierfirma“.

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Ein Kreditinstitut kann nicht gleichzeitig ein Finanzdienstleistungsinstitut sein, obwohl es Finanzdienstleistungen ohne eine zusätzliche Erlaubnis erbringen darf.250 Finanzdienstleistungsinstitute bedürfen dagegen einer speziellen Erlaub-nis, um Bankgeschäfte i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 KWG zu betreiben. Dieser Unter-schied wird damit begründet, dass die Finanzdienstleistungsinstitute geringeren Anfangskapital- und Solvenzanforderungen unterliegen und von den Anforde-rungen an Eigenkapital und Liquidität befreit sind.251 Diese Erleichterung kann auf Art. 12 WPD-RL n.F. (Art. 3 Abs. 3 S. 1 Spiegelstr. 1 WPD-RL a.F.) und die Kapitaladäquanz-RL zurückgeführt werden. Die Finanzdienstleistungsinsti-tute erbringen in der Regel ihre Dienstleistungen, ohne sich Eigentum oder Be-sitz an Wertpapieren oder Geldern ihrer Kunden zu verschaffen, so dass ihr Haf-tungsumfang gegenüber den Anlegern begrenzt bleibt.252 Gleichwohl finden die Regelungen über Zulassung und Aufsicht nach dem KWG sowie die Verhaltens-regeln nach dem WpHG auf die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute An-wendung. Alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen bedürfen einer Erlaubnis nach § 32 KWG. Zu diesen zählen nicht nur die Kreditinstitute und Finanzdienstleistungs-institute, sondern auch die nach § 53 Abs. 1 S. 1 KWG in Deutschland tätigen Zweigstellen ausländischer Unternehmen (aus den Nicht-EU Ländern), die im Inland253 Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen. Diese Unternehmen erhalten eine Erlaubnis, wenn sie den Anforderungen des § 32 Abs. 1 S. 2 genügen. Sie werden wie die inländischen Kredit- und Finanzdienst-leistungsinstitute der Aufsicht nach dem KWG und den Verhaltensregeln nach dem WpHG unterstellt. Allerdings besteht für Wertpapierfirmen aus dem EWR die Möglichkeit, gemäß Art. 31 WPD-RL n.F. (Art. 14 WPD-RL a.F.) vom Europäischen Pass Gebrauch zu machen, und damit erlaubnisfrei nach § 53 b KWG durch eine Zweigstelle oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs in Deutschland ihre Dienstleis-tungen zu erbringen.254 Zwar unterstehen diese Wertpapierfirmen grundsätzlich

250 Vgl. BFS-KWG/Fülbier, § 1 Rdnr. 116. 251 Vgl. Schlüter in Wertpapierhandelsrecht, Rdnr. 27 ff.; Weber-Rey/Baltzer, WM 1997,

2288, 2290. 252 Eigentum oder Besitz von Kundengeldern oder Wertpapieren sind als Einlagen- oder

Depotgeschäft zu qualifizieren und stellen daher Bankgeschäfte dar, deren Betreiben eine Zulassung als Kreditinstitut erfordert. Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarkt-recht, Rdnr. 10.17.

253 Inlandsgeschäfte liegen vor, wenn sie in den eigenen Büchern der Zweigstelle stehen. Zu diesem und anderen Abgrenzungskriterien einer Zweigstelle ausführlich BFS-KWG/Marwede § 53 Rdnr. 3, 6, 9 ff.

254 Vgl. Bliesener, S. 32; BFS-KWG/Marwede, § 53 b Rdnr. 3 ff.

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der Aufsicht ihres Herkunftslandes, doch finden auf sie die Verhaltensregeln nach §§ 31 und 32 WpHG Anwendung.255 Ähnliche Möglichkeiten stehen den Wertpapierfirmen aus Drittländern grundsätzlich nicht zu, es sei denn, sie wären durch die Ausnahmeregelung des § 53 c KWG erfasst, was im Falle der Russi-schen Föderation nicht geschehen ist. Die Einführung der Erlaubnispflicht für die Finanzdienstleistungen erbringenden Unternehmen ist besonders unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes zu begrüßen, weil dadurch diese Unternehmen (mit wenigen Ausnahmen)256 in den Genuss des Europäischen Passes kommen, der durch die WPD-RL für die inner-halb der EU ansässigen Wertpapierfirmen eingeführt wurde und eine besondere Rolle bei der Förderung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheiten spielt. Die Freiheit der Wertpapierfirmen, ihre Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union anzubieten, fördert den Wettbewerb und hat die Vergünsti-gung der Angebotssituation für die Anleger zur Folge. Die infolgedessen stei-gende Nachfrage wirkt positiv auf die Liquidität der Wertpapiermärkte und trägt zum Aufbau des Binnenmarkts bei. Darüber hinaus haben sich durch die Erlaubnispflicht die Anforderungen an die Erbringer der Finanzdienstleistungen verschärft. Damit sind in erster Linie die Anforderungen an deren Solvenz gemeint. Die Wertpapierdienstleistungen erbringenden Kreditinstitute und Unternehmen den Anforderungen an die Ei-genkapitalausstattung sowie der laufenden Solvenzaufsicht zu unterstellen, dient der Sicherstellung der Stabilität und Vertrauenswürdigkeit der Kapitalmärkte und erhöht das Anlegerschutzniveau in Deutschland. Außerdem wurden diese Unternehmen den Verhaltensregeln unterworfen. Das dient nicht nur dem unmit-telbaren Schutz der Anleger, sondern steigert auch das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt und dient seiner Stabilität. Gemäß § 31 Abs. 3 und § 32 Abs. 3 WpHG finden die in diesen Paragraphen festgelegten Verhaltensregeln auf Unternehmen mit Sitz im Ausland Anwen-dung, wenn sie Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistun-gen gegenüber inländischen Kunden erbringen, es sei denn, die Dienstleistung wird ausschließlich im Ausland erbracht. Zwar ist die extraterritoriale Anwen-dung der Verhaltensregeln innerhalb der EU zulässig, jedoch scheint sie gegen-über den Drittländern zu weitgehend zu sein.257 Außerdem ist die Reichweite dieser Vorschriften deshalb begrenzt, weil Deutschland den Dienstleistungen der

255 Siehe den 32 Erwägungsgrund sowie Art. 32 WPD-RL n.F.; § 31 Abs. 3 WpHG und

§ 32 Abs. 3 WpHG. 256 § 2 Abs. 9 KWG. 257 Vgl. Florian, S. 30 ff.; Schäfer in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 28 Rdnr. 14.

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Marktintermediäre aus Drittländern grundsätzlich keinen direkten Zugang zum deutschen Kapitalmarkt gewährt.258 III. Anwendungsbereich der privatrechtlichen Verhaltensregeln Zwar wurde im Zuge der 6. KWG-Novelle der größte Teil der Anbieter von Wertpapierdienstleistungen den Verhaltensregeln unterstellt, doch sind die Ver-mittler einiger Finanzprodukte außerhalb des Anwendungsbereichs des WpHG geblieben und bilden in Deutschland den „Grauen Kapitalmarkt“.259 Zum Teil ist diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des WpHG auf die Definition der Begriffe „Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate“ zurückzuführen.260 Es kann hier nicht im Einzelnen untersucht werden, welche Instrumente durch diese Begriffe nicht erfasst sind. Allerdings soll darauf hingewiesen werden, dass die Vermittler solcher Instrumente, die nicht durch einen der drei Begriffe erfasst sind, nicht den Verhaltenspflichten des WpHG unterliegen.261 Weitere Ausnahmen von den Wohlverhaltensregeln sind dadurch entstanden, dass das WpHG lediglich auf die im Zusammenhang mit den Wertpapierdienst-leistungen erbrachten Wertpapiernebendienstleistungen und Finanzdienstleis-tungen i.S.v. § 1 a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 bis 7 KWG Anwendung findet.262 Hiermit

258 Zum aktuellen Stand der Diskussion über die Erlaubnispflicht bei Finanzdienstleistun-

gen siehe Hanten, WM 2003, 1412 ff. 259 Vgl. Brandt, S. 175 ff.; Horn, WM 1999, 1; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 188;

ders. in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 28 Rdnr. 13; Stöterau, S. 49 ff. 260 An dieser Stelle ist auf den Unterschied zwischen den im KWG definierten „Finanzin-

strumenten“ und den im WpHG gebrauchten Begriffen der „Wertpapiere“, „Geld-marktinstrumente“ und „Derivate“ hinzuweisen, der sich grundsätzlich auf Festge-schäfte oder Optionsgeschäfte auf den Kurs von Devisen oder Rechnungseinheiten (Devisentermingeschäfte), auf die das WpHG keine Anwendung findet, solange sie nicht auf einem organisierten Markt gehandelt sind, beschränkt. Vgl. § 1 Abs. 11 S. 4 Nr. 3 KWG und § 2 Abs. 1 a Abs. 2 WpHG; auch Assmann in Assmann/Schneider, § 2 Rz. 37 ff. Die Vermittler dieser Instrumente sind zwar erlaubnispflichtig und unterlie-gen der Aufsicht nach dem KWG, doch sind sie nicht den Verhaltenspflichten des WpHG unterworfen.

261 Gemäß dem Bericht der Bundesregierung zum „Grauen Kapitalmarkt“ (siehe BT-Drucks. 14/1633 v. 17.9.1999) stellen die Vermittlung von Unternehmensanteilen und Anteilen an Treuhandvermögen einschließlich Beteiligungssparplänen einen Schwer-punkt der im Zeitraum von 1990 bis 1996 auf dem „Grauen Kapitalmarkt“ vertriebe-nen Finanzprodukte dar.

262 Zu Ausnahmen Stöterau, S. 36 ff.

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sind in erster Linie Anlageberatung und Drittstaateneinlagenvermittlung ge-meint.263 Diese Regelungslücke wird teilweise dadurch geschlossen, dass einige Marktin-termediäre zwar nicht den Verhaltensregeln des WpHG unterliegen, aber den-noch den allgemeinen, für das Wertpapiergeschäft geltenden Verhaltens- und Schutzpflichten genügen sowie die durch die Rechtsprechung für die Anlagebe-ratung und Vermittlung entwickelten Grundsätze beachten müssen.264 Den ge-schädigten Kunden dieser Unternehmen können Schadensersatzansprüche we-gen der Verletzung von vertraglichen oder vorvertraglichen Pflichten erwach-sen. Gleichwohl hat die Rechtsprechung strengere Anforderungen an die Pflich-ten der Vertreiber bestimmter, besonders risikoreicher Anlageformen entwickelt, die über die Informationspflichten des §§ 31, 32 WpHG hinausgehen.265 Der europäische Gesetzgeber hat die mangelhafte Regulierung erkannt und im WPD-RL n.F. versucht, die bestehenden Lücken zu schließen, indem er die An-lageberatung in den Katalog der Wertpapierdienstleistungen aufnahm und sie damit den Verhaltensregeln unterstellte.266 Darüber hinaus wurde die Liste der Finanzinstrumente um Warenderivate ergänzt. Obgleich die Vermittler der Wa-renderivate in Deutschland schon seit einiger Zeit den Verhaltenspflichten des § 31 ff. WpHG unterliegen,267 werden sie in der Zukunft auch von den Vorteilen des Europäischen Passes Gebrauch machen dürfen. IV. Aufsicht Die Einhaltung der Verhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG durch die Wertpapier-dienstleistungsunternehmen wurde unter die Aufsicht der BAFin268 gestellt.269

263 Im Hinblick auf die Anlageberater wird diese Regulierungslücke demnächst geschlos-

sen. Siehe Fn. 245. 264 Vgl. Horn, ZBB 1997, 139, 140; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht,

Rdnr. 16.434 ff.; Schäfer in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 28 Rdnr. 13 und 16. Kri-tisch dazu Hdb. KapitalanlageR/Assmann § 1 Rdnr. 72 und 76 ff.

265 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/Assmann § 1 Rdnr. 72; Hdb. KapitalanlageR/v.Heymann § 5 Rdnr. 89 ff. Zu Aufklärungspflichten der gewerblichen Anlagevermittler bei Ter-mindirektgeschäften auf S. 186, cc) Die gesetzliche Aufklärungspflicht.

266 Vgl. Balzer, ZBB 2003, 177, 184. 267 Vgl. Assmann in Assmann/Schneider, § 2 Rz. 34. 268 Bis zum Erlass des FinDAG wurden diese Aufgaben durch das Bundesaufsichtsamt

für den Wertpapierhandel wahrgenommen. Siehe §§ 3, 35 WpHG. 269 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.257 ff.

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Die BAFin ist gemäß § 2 FinDAG eine selbstständige Behörde, die der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen untersteht.270 Die sachliche Zuständigkeit der BAFin für die Überwachung der Einhaltung der in §§ 31 ff. WpHG enthaltenen Verhaltens- und Organisationsregeln ergibt sich aus § 4 Abs. 1, § 35 und §§ 36 bis 36 b WpHG.271 Die BAFin nimmt ihre Auf-gaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr und ist ermächtigt: - Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen zu verlangen und auch ohne

besonderen Anlass Prüfungen vorzunehmen (§ 35 Abs. 1 S. 1 WpHG). Diese Prüfungen erfassen u.a. die Einhaltung der Verhaltenspflichten. Zu diesem Zwecke ist den mit dieser Aufgabe beauftragten Personen das Be-treten der Grundstücke und Geschäftsräume des geprüften Wertpapier-dienstleistungsunternehmens während der üblichen Arbeitszeit zu gestat-ten. Das Recht, Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen zu verlangen, ist der BAFin auch in Bezug auf Unternehmen mit Sitz im Ausland einge-räumt, solange diese ihre Dienstleistungen gegenüber inländischen Kun-den erbringen, es sei denn, die Dienstleistung wurde ausschließlich im Ausland erbracht (§ 35 Abs. 2 WpHG).

- Richtlinien aufzustellen, nach denen sie für den Regelfall beurteilt, ob die

Anforderungen nach den §§ 31 ff. WpHG erfüllt sind (§ 35 Abs. 6 WpHG).272 Die BAFin hat von diesem Recht Gebrauch gemacht und die Compliance Richtlinie sowie die Wohlverhaltensrichtlinie zur Konkreti-sierung der in §§ 31 bis 33 enthaltenen Pflichten erlassen. Die Richtlinien der BAFin haben im Gegensatz zu Rechtsverordnungen keine Rechtssatz-qualität. Sie sind lediglich Verwaltungsvorschriften, die dem Gesetz ent-sprechen, es auslegen273 und dadurch zum Zweck der gleichförmigen Verwaltungspraxis des Amtes beitragen.274

- Missständen entgegenzuwirken, welche die ordnungsmäßige Durchfüh-

rung des Wertpapierhandels beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für

270 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.268 ff. 271 Vgl. Bliesener, S. 116 ff.; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 141; Stöterau, S. 52 ff. 272 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 50; Köndgen, ZBB 1996,

361; Reich, WM 1997, 1601, 1608. 273 Reich, WM 1997, 1601, 1608, weist darauf hin, dass das Amt bei der Auslegung die-

ser Vorschriften auch der Pflicht der richtlinienkonformen Auslegung untersteht und das EG-Recht zu beachten hat.

274 Vgl. Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 141; Klanten, ZBB 2000, 349, 350; Köndgen, ZBB 1996, 361; Koller in Assmann/Schneider, § 35 Rz. 6; Reich, WM 1997, 1601, 1608.

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den Wertpapiermarkt bewirken können (§ 4 Abs. 1 S. 1 WpHG).275 Die BAFin ist als Marktaufsichtsorgan konzipiert. Daher ist sie befugt, Re-gelwidrigkeiten entgegenzuwirken, die Störungen des Wertpapierhandels oder des Kapitalmarkts bewirken.276

- Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, die aufge-

deckten Missstände zu beseitigen oder zu verhindern (§ 4 Abs. 1 S. 2 WpHG). Zu solchen Anordnungen gehört der Erlass von Rechtsverord-nungen bei ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung, schriftliches Ver-waltungshandeln, wie etwa der Erlass von Richtlinien nach § 35 Abs. 6 WpHG oder Schreiben an Verbände, Verwaltungsakte und Selbstvornah-men.277

- die innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse getroffenen Verfügungen mit

Zwangsmitteln in Höhe von bis zu 250.000 Euro durchzusetzen (§ 17 FinDAG).

Eine weitere Zuständigkeit der BAFin ist ihre Kompetenz zur internationalen Zusammenarbeit. Die in §§ 7 und 36 c WpHG enthaltene Verpflichtung der BAFin zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Aufsichtsbehörden im EWR lässt sich aus der WPD-RL ableiten.278 Dabei geht es in erster Linie um den Austausch der Informationen, die für die ausländischen Behörden gemäß § 36 c Abs. 1 S. 1 WpHG zur Überwachung der Einhaltung der nach den Vorschriften des anderen Mitgliedstaats oder Vertragsstaats geltenden Verhaltensregeln er-forderlich sind. § 36 c Abs. 4 WpHG sieht auch die Möglichkeit einer solchen Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Drittstaaten vor. Diese erfolgt im Rahmen der nationalen gesetzlichen Befugnisse der jeweiligen Behörden. Die BAFin hat bislang Memoranda of Understanding mit einigen Drittstaaten unterschrieben, deren Zweck es ist, den Inhalt und Umfang des informationellen Austausches zu präzisieren.279 Ein entsprechendes Memorandum of Understan-ding mit der Russischen Föderation liegt nicht vor. Die internationale Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden bezweckt den Aus-tausch von Informationen über die Einhaltung der Verhaltenspflichten durch Marktintermediäre, der es den zuständigen Behörden erleichtern soll, Missstän-

275 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.269. 276 Vgl. Bliesener, S. 119; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 192 f. 277 Vgl. Dreyling in Assmann/Schneider, § 4 Rz. 18 ff.; Stöterau, S. 53 f. 278 Siehe Art. 56 ff. WPD-RL n.F. Vgl. Dreyling in Assmann/Schneider, § 36 c Rz. 2;

Stöterau, S. 52 f. 279 Vgl. Dreyling in Assmann/Schneider, § 7 Rz. 3 f.

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de bei grenzüberschreitenden Transaktionen aufzudecken und diesen entgegen-zuwirken bzw. sie zu verhindern. Diese Regelung dient der Verbesserung des Anlegerschutzes, indem sie die Einhaltung der Verhaltenspflichten durch die grenzüberschreitend tätigen Marktintermediäre sicherstellt, da sie die Überwa-chung und Verfolgung der Verstöße gegen die Verhaltenspflichten für die zu-ständigen Behörden erleichtert. In Bezug auf die Verhaltensregeln der Marktintermediäre gehört es zu den Funktionen der Aufsicht, diese Regeln auszulegen und zu konkretisieren, ihre Einhaltung zu überwachen sowie sie mittels aufsichtsrechtlicher Maßnahmen durchzusetzen bzw. Missständen entgegenzuwirken. Grundsätzlich trägt die Schaffung der staatlichen Aufsicht zum Anlegerschutz in zweifacher Hinsicht bei: Erstens wird auf diese Weise das Vertrauen der Anleger in das rechts- und ordnungsgemäße Funktionieren der Kapitalmärkte gestärkt. Dieses Vertrauen fördert die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte, die im Interesse der Anleger liegt und sich wiederum auf den Anlegerschutz positiv auswirkt. Zweitens beugt die staatliche Aufsicht Verstößen gegen die Verhaltensregeln vor und schützt dadurch den Anleger unmittelbar vor dem pflichtwidrigen Verhalten der Markt-intermediäre. § 2 Russisches Recht Die systematische Einordnung der Verhaltens- und Organisationsregeln, die auf die Marktintermediäre Anwendung finden, erfolgt in der russischen Rechtsset-zung, ähnlich wie im deutschen Recht, unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht. Die systematische Ein-ordnung zielt darauf ab, den Anwendungsbereich der Verhaltens- und Organisa-tionsregeln abzugrenzen sowie die Effizienz der Durchsetzungsmechanismen, denen die Verhaltens- und Organisationspflichten je nach ihre Einordnung zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht unterliegen, im Hinblick auf den Schutz der Anleger zu bewerten. Dieser Paragraph beginnt mit einem kurzen Exkurs in die Systematik des russi-schen Rechts, der die rechtstheoretischen Grundlagen für die systematische Ein-ordnung der Verhaltens- und Organisationsregeln schildern soll. Sodann werden die rechtlichen Quellen der Verhaltens- und Organisationsregeln dargestellt. Die Einordnung dieser Quellen zum öffentlichen Recht oder Privatrecht wird be-gründet und auf die praktischen Konsequenzen dieser Einordnung hingewiesen. Letztlich wird der Anwendungsbereich sowohl der öffentlich- als auch der pri-vatrechtlichen Verhaltensregeln bestimmt und die Mechanismen deren Überwa-chung und Durchsetzung dargestellt. Dabei wird der Struktur und den Mecha-

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nismen der Wertpapiermarktaufsicht unter Berücksichtigung der Mechanismen der Selbstregulierung in der Russischen Föderation Rechnung getragen. I. Exkurs in die Systematik des russischen Rechts im Hinblick auf Verhal-tens- und Organisationsregeln Der Exkurs in die Systematik des russischen Rechts wird zum Zwecke der sys-tematischen Einordnung der Verhaltens- und Organisationsregeln unternommen. Zunächst werden die Regulierungsmechanismen des russischen Rechtsystems dargestellt, die sich durch vertikale und horizontale Unterteilung der Rechtsset-zung kennzeichnen. Das Verständnis dieser Regeln hilft, Kollisionen zwischen den Rechtsnormen zu lösen und die Wirksamkeit einer Norm zu beurteilen. So-dann wird die Geschichte des russischen Rechts insofern angesprochen, als sie für das Verständnis des Ursprungs der modernen Grundsätze, auf deren Grund-lage die Einordnung einer Norm zum öffentlichen Recht oder Privatrecht er-folgt, von Bedeutung ist. 1. Horizontale Unterteilung Die horizontale Unterteilung der russischen Rechtssetzung bezieht sich auf die Verteilung der Befugnisse zur Gesetzgebung und zur rechtlichen Regulierung einzelner Verhältnisse bzw. Rechtsgebiete zwischen der Russischen Föderation sowie ihren Subjekten.280 Für diese Dissertation ist die Verteilung der Regulie-rungsbefugnisse in Bezug auf das Zivilrecht281 und das öffentliche Recht von In-teresse. Das Zivilrecht befindet sich nach Art. 71 der Verfassung der Russischen Födera-tion in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Russischen Föderati-on.282 Infolgedessen dürfen die Subjekte der Russischen Föderation über zivil-rechtliche Fragestellungen nicht bestimmen. Deswegen können die zivilrechtli-chen Verhaltenspflichten der Marktintermediäre lediglich in der Rechtssetzung der Russischen Föderation (aber nicht in der der Subjekte der Russischen Föde-ration) enthalten sein. 280 Zu diesen zählen gemäß Art. 5 der Verfassung der Russischen Föderation die folgen-

den Föderationsmitglieder: Republiken, Länder, Gebiete, Städte mit föderaler Bedeu-tung (Moskau und St. Petersburg), autonome Gebiete und autonome Bezirke.

281 Das Zivilrecht bildet den Kern des Privatrechts. Siehe S. 100, 4. Geschichte des Pri-vatrechts und des öffentlichen Rechts.

282 Vgl. Kommentar zur Verfassung/Krylov, S. 547. Siehe auch Art. 3 Nr. 1 ZGB sowie Sadikov in Sadikov/Kommentar zum ZGB, S. 12 f.

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Die öffentlich-rechtlichen Fragestellungen befinden sich gemäß Art. 72 der Ver-fassung der Russischen Föderation in der gemeinsamen (konkurrierenden) Ge-setzgebungskompetenz der Russischen Föderation und ihrer Subjekte.283 Das bedeutet, dass die Rechtssetzung der Subjekte der Russischen Föderation z.B. die öffentlich-rechtlichen Verhaltens- und Organisationsregeln sowie Sanktio-nen für deren Nichteinhaltung enthalten könnten.284 Allerdings sind dieser Rege-lung durch Art. 76 der Verfassung der Russischen Föderation Grenzen gesetzt: Die Subjekte der Russischen Föderation dürfen ihre Regulierungsbefugnisse grundsätzlich nur in Anspruch nehmen, wenn und soweit die Russische Födera-tion keine Regelungen auf dem entsprechenden Rechtsgebiet erlassen hat.285 Da die öffentlich-rechtlichen Verhaltens- und Organisationsregeln sowie die auf-sichtsrechtlichen Mechanismen ihrer Durchsetzung durch die Russische Födera-tion bereits im WpMG, im ASchG, in den Normativakten der FWpMK286 sowie im Gesetzbuch über Verstöße gegen öffentliches Recht festgelegt wurden, sind die durch Subjekte der Russischen Föderation auf diesem Gebiet getroffenen Regelungen von geringer Bedeutung und müssen in dieser Dissertation nicht un-tersucht werden.287 Aus diesen Gründen befasst sich diese Dissertation ausschließlich mit der föde-ralen Rechtssetzung. 2. Vertikale Unterteilung Mit Blick auf das Zivilrecht kann die Rechtssetzung der Russischen Föderation vertikal in drei Ebenen unterteilt werden.288 Auf der höchsten Ebene befindet sich die Zivilgesetzgebung.289 Dieser Begriff bezieht sich gemäß Art. 3 Nr. 2 Abs. 1 ZGB auf das ZGB sowie föderale Gesetze. Die föderalen Gesetze dürfen dem ZGB nicht widersprechen (Art. 3 Nr. 2 Abs. 2 ZGB). Sollte ein föderales Gesetz mit dem ZGB konfligierende Rechtsnormen enthalten, sind die Bestim- 283 Vgl. Kommentar zur Verfassung/Krylov, S. 549 ff. und S. 568 f. 284 Diese würden auf die auf dem Territorium des entsprechenden Subjekts der Russi-

schen Föderation tätigen Marktintermediäre Anwendung finden. 285 Vgl. Kommentar zur Verfassung/Mickevič, S. 570 ff. 286 Siehe FN 400. 287 Sollte ein Subjekt der Russischen Föderation auch Regelungen bezüglich Verhaltens-

oder Organisationsregeln der Marktintermediäre getroffen haben, müssen diese der fö-deralen Rechtssetzung entsprechen.

288 Vgl. Alekseev, S. 327 f. 289 Siehe Art. 76 der Verfassung der Russischen Föderation und Art. 3 Nr. 2 ZGB sowie

Kommentar zur Verfassung/Mickevič, S. 566 ff.; Sadikov in Sadikov/Kommentar zum ZGB, S. 12 ff.

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mungen des ZGB anzuwenden, es sei denn, dass die Möglichkeit der abwei-chenden Regelung durch das föderale Gesetz im ZGB direkt vorgesehen wur-de.290 Es gelten in der Russischen Föderation immer noch einige Gesetze, die vor der Verabschiedung des ZGB in Kraft getreten sind und die durch aktuellere Gesetze immer noch nicht aufgehoben wurden. Sie sind allerdings nur insofern anwendbar, als sie dem ZGB nicht widersprechen.291 Eine Ebene darunter befinden sich die so genannten „anderen Rechtsakte“, zu denen die Erlasse des Präsidenten und die Verordnungen der Regierung der Russischen Föderation gehören (Art. 15 Nr. 1 der Verfassung der Russischen Föderation und Art. 3 Nr. 3-6 ZGB).292 Die Erlasse des Präsidenten haben den gleichen Stellenwert wie föderale Gesetze, wenn sie Sachverhalte erfassen, die ausschließlich durch Gesetz geregelt werden dürfen, solange das entsprechende föderale Gesetz noch nicht verabschiedet wurde.293 Die Regierung der Russi-schen Föderation darf Verordnungen verabschieden, solange sie dabei gemäß Art. 3 Nr. 4 ZGB „auf Grund und zum Zwecke der Ausführung“ des ZGB, der anderen Gesetze und der Erlasse des Präsidenten handelt. Sowohl die Erlasse des Präsidenten als auch die Verordnungen der Regierung dürfen keine Rege-lungen enthalten, die dem ZGB oder den föderalen Gesetzen widersprechen (Art. 3 Nr. 5 ZGB). Auf der untersten, dritten Ebene befinden sich gemäß Art. 3 Nr. 7 ZGB die Normativakte der föderalen exekutiven Organe. Zu diesen zählen die Verord-nungen und Bestimmungen der FWpMK.294 Normativakte dürfen nur in den Fäl-len erlassen werden, in denen eine solche Möglichkeit ausdrücklich im ZGB, in einem Gesetz oder in einem Rechtsakt vorgesehen ist. Allerdings haben die fö-deralen exekutiven Organe Anfang der 90er Jahre Lücken in der Rechtssetzung ausgenutzt und mehrere Normativakte verabschiedet, die gelegentlich der Kom-petenz des Gesetzgebers unterstehende Sachverhalte regelten.295 Manche dieser Normativakte fanden über mehrere Jahre Anwendung. Auf Grundlage dieser

290 Vgl. Suhanov, Kapitel 4 § 2 (2) und (3). 291 Vgl. Suhanov, Kapitel 4 § 2 (3). 292 Vgl. Suhanov, Kapitel 4 § 2 (1). 293 Vgl. Suhanov, Kapitel 4 § 2 (1) und (4). 294 Siehe S. 126, 1. Föderale Wertpapiermarktkommission. 295 Vitrjanskij, Hozjajstvo i pravo Nr. 11 (2001), S. 49, nennt die durch FWpMK erlasse-

ne Verordnung über treuhänderische Vermögensverwaltung als Beispiel eines Norma-tivakts, der Regelungen erhält, die sich außerhalb der Regulierungskompetenz der FWpMK befinden und durch den Gesetzgeber festgelegt werden müssten. Allerdings werden in der Praxis diese Vorschriften angesichts fehlender gesetzlicher Regelung befolgt. Vgl. auch Pavlova, Juridičeskij bjulleten’ predprinimatelja Nr. 5 (1998), S. 58; Vajpan, S. 53.

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Normativakte sind daher oftmals Verkehrssitten entstanden. Als der Gesetzgeber die Lücken in der Gesetzgebung in Folge der Verabschiedung entsprechender Gesetze geschlossen hatte, standen die Verkehrssitten und die Normativakte der FWpMK oftmals mit den neuen Gesetzen im Widerspruch. Solange solche Normativakte durch die föderalen exekutiven Organe nicht außer Kraft gesetzt wurden,296 führen sie zur rechtlichen Unsicherheit. Deswegen musste der Gesetzgeber die Befugnisse der föderalen exekutiven Organe be-grenzen und einer strengen Kontrolle unterstellen. Zu diesem Zweck hat er zwei Mechanismen eingesetzt. Erstens wurden alle durch die föderalen exekutiven Organe erlassenen Normativakte, die die Rechte, Pflichten und Freiheiten des Bürgers betreffen, den rechtlichen Status der Organisationen bestimmen, sowie die Normativakte, die Sachgebiete regeln, die sich in der Zuständigkeit mehre-ren Behörden befinden, der staatlichen Registrierung durch das Justizministeri-um unterstellt.297 Vor der Registrierung prüft das Justizministerium den Inhalt des Normativakts auf Übereinstimmung mit den übergeordneten Rechtsakten. Sollte das Justizministerium feststellen, dass er nicht im Einklang mit der Rechtssetzung steht oder die Rechte der Bürger rechtswidrig einschränkt, darf es die Registrierung dieses Normativakts gemäß Nr. 14 der Regeln zur Vorberei-tung und Verabschiedung der Normativakte verweigern.298 Zweitens wurden die föderalen exekutiven Organe gemäß Art. 16 ZGB verpflichtet, dem Bürger die Verluste zu erstatten, die ihm auf Grundlage des Normativakts dieses Organs, der der Zivilgesetzgebung oder den anderen Rechtsakten nicht entspricht, zuge-fügt wurden. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber die Befugnisse der föderalen exekutiven Organe beschränkt und sowohl der staatlichen (durch das Justizmi-nisterium) als auch der gerichtlichen Kontrolle unterstellt. Damit erzielte er eine einheitliche Anwendung der Rechtssetzung. In dieser Dissertation werden in Bezug auf die Verhaltens- und Organisationsre-geln, die auf die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts Anwendung finden, mithin in erster Linie WpMG, ASchG sowie ZGB, untersucht. Es wird auch im Detail auf die ihnen untergeordneten Normativakte der FWpMK, die die gesetzlichen Vorschriften erläutern oder umsetzen sowie die Verhaltens- und Organisationsregeln der Marktintermediäre einführen, eingegangen. Diese Rechtssetzung legt die Grundlagen des Anlegerschutzes fest. Die Erlasse des 296 Z.B. hat die FWpMK die von ihr verabschiedete Bestimmung über Sanktionen für

Verstöße gegen die Zivilgesetzgebung zum Anlegerschutz außer Kraft gesetzt, weil ihr die gesetzlichen Befugnisse zur Verabschiedung dieser Bestimmung fehlten. Verord-nung Nr. 21/ps.

297 Nr. 10 der Regeln zur Vorbereitung und Registrierung der Normativakte sowie Nr. 7 Abs. 4 der Verordnung über die FWpMK.

298 Vgl. Alekseev, S. 311.

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Präsidenten und die Rechtsakte der Regierung werden in dieser Dissertation nur insofern angesprochen, als sie den Zweck des Anlegerschutzes und der Errich-tung der Mechanismen der Regulierung des Wertpapiermarkts verfolgen. Auch die Gerichtspraxis wird insofern berücksichtigt, als sie für die Auslegung der Rechtsnormen von Bedeutung ist.299 3. Grundlagen der Lösung der Rechtsnormkollisionen Die Kollisionen zwischen den Rechtsnormen werden gemäß der russischen Rechtsmethodik in erster Linie nach den in den obigen Paragraphen (S. 95, 1. Horizontale Unterteilung und S. 96, 2. Vertikale Unterteilung) dargelegten Re-geln gelöst. So findet im Falle der Kollision zwischen einer Norm, die in einem föderalen Gesetzes festgelegt ist, mit einer Norm eines Gesetzes, das durch ein Subjekt der Russischen Föderation verabschiedet wurde, die im föderalen Ge-setz enthaltene Norm Anwendung. Auch die Regelungen der FWpMK müssen den Bestimmungen der übergeordneten Gesetze und Rechtsakte entsprechen. Außerdem gilt nach der russischen Rechtsmethodik bei Kollisionen der rechtli-chen Normen der Grundsatz des Vorrangs der besonderen vor den allgemeinen Rechtsnormen.300 So finden die allgemeinen Regeln auf einen Sachverhalt nur dann Anwendung, wenn dieser Sachverhalt durch keine besondere Rechtsnorm geregelt wurde. Z.B. würden die Regeln über die einseitige Änderung oder Auf-lösung der Verpflichtungen (Art. 420 ZGB) auf einen Dienstleistungsvertrag nur insofern Anwendung finden, als diese Frage weder durch die besonderen Be-stimmungen des Vertragsrechts (Art. 540 ZGB) noch durch die Bestimmungen über entgeltliche Dienstleistungsverträge (Art. 779-783 ZGB) noch im ASchG (siehe Art. 6 Nr. 7) – wenn dieser Vertrag mit einem Anleger abgeschlossen ist – geregelt wurde. Einen anderen wichtigen Grundsatz stellt die zeitliche Rangfolge dar. Im Falle der Kollision von Rechtsnormen, die ansonsten den gleichen Stellenwert haben (z.B., wenn die konfligierenden Rechtsnormen in Gesetzen enthalten sind), ha-ben die Normen des aktuelleren Normativaktes Vorrang vor den Normen des äl-teren Normativaktes.301

299 Alekseev, S. 307, 383 f. und 387 f., weist darauf hin, dass Gerichtsentscheidungen

nach russischer Rechtsmethodik keine Rechtsnormen enthalten, sondern diese inter-pretieren und daher bei deren Anwendung eine wichtige Rolle spielen.

300 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, S. 39; Klejn in Sadikov/Kommentar zum ZGB, S. 798; Ro-senberg in Sadikov/Kommentar zum ZGB, S. 864.

301 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, S. 43.

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4. Geschichte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts Die Besonderheit des russischen Rechtssystems besteht darin, dass der Staat sich seit jeher in die privatrechtlichen Beziehungen eingemischt und diese stark ein-geschränkt hat.302 So hatten schon die russischen Zaren das Recht, einem Bürger sein Eigentum zu jedem Zeitpunkt zu entziehen. Von diesem Recht hat Peter der Grosse Gebrauch gemacht, als er seine Kriegskampagnen finanzieren musste. Ein weiteres Beispiel dafür stellt das Rechtssystem der Sowjetunion dar, das da-von ausging, dass es nichts „Privates“ gäbe, sondern alles der Öffentlichkeit ge-höre. Ein solches Eindringen der staatlichen Interessen in die private Sphäre spiegelte sich in der Struktur des sozialistischen Rechtssystems wieder, das in der russischen Rechtsliteratur als eine „Pyramide“ bezeichnet wird.303 An der Spitze war das Verfassungsrecht angesiedelt. Eine Ebene darunter befanden sich die so genannten „Hauptgebiete“, wie das Zivil-, Straf-, Prozessrecht und das öf-fentliche Recht. Diese konnten weiter unterteilt werden. So wurden z.B. das Ar-beitsrecht und das Familienrecht dem Zivilrecht untergeordnet, während das Fi-nanzrecht dem öffentlichen Recht unterstellt wurde. Erst mit dem Übergang zur Marktwirtschaft und mit der Einführung des ersten Teils des ZGB 1994 wurde diese strenge Unterteilung der Rechtsgebiete abge-schafft und das ganze Rechtssystem weitgehend liberalisiert. Infolgedessen wurde die „Pyramide“ durch ein neues System ersetzt, das auf der Gleichheit der zivil- und öffentlich-rechtlichen Rechtsordnungen beruht und sich auf das römi-sche Recht zurückführen lässt.304 Demgemäß geschieht die Abgrenzung zwi-schen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht nicht durch die formale Zu-ordnung einzelner Rechtsnormen zu einem bestimmten Rechtsgebiet – wie es im sowjetischen Rechtsystem üblich war -, sondern auf der Grundlage der in das Rechtssystem eingebauten allgemeinen Kriterien.305 Gemäß der modernen russischen Rechtswissenschaft wird der Unterschied zwi-schen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht auf Grund „des Charakters und der Methode, mit der das Recht die ihm unterstellten Verhältnisse regelt und die durch die Natur dieser Verhältnisse beeinflusst ist,“306 festgelegt. So sind die öffentlich-rechtlichen Regulierungsmechanismen dadurch gekennzeichnet, dass der Staat seine Zwangsmacht ausübt, um die staatlichen sowie die öffentlichen

302 Vgl. Alekseev, S. 506 ff.; Suhanov, Kapitel 1 § 1 (4). 303 Vgl. Suhanov, Kapitel 2 § 1 (1). 304 Vgl. Suhanov, Kapitel 2 § 1 (1). 305 Vgl. Suhanov, Kapitel 1 § 1 (2). 306 Suhanov, Kapitel 1 § 1 (2).

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Interessen zu schützen.307 Dafür erlässt er die Rechtsnormen, die für die Rechts-subjekte zwingend sind. Ihre Einhaltung wird durch die Mechanismen der öf-fentlich-rechtlichen Haftung sowie durch die anderen Mechanismen der staatli-chen Zwangsmacht sichergestellt. Gleichwohl geht das Privatrecht von der Initiative, Selbständigkeit, Freiheit und Gleichheit der Rechtssubjekte sowie von der Dispositivität der Rechtsnormen aus.308 Den Kern des russischen Privatrechts bildet das Zivilrecht.309 Es erfasst u.a. Sachen-, Körperschafts-, Schuld-, Vertrags- und Deliktrecht. Die zivilrecht-lichen Rechtsnormen sind in erster Linie im ZGB aber auch in anderen föderalen Gesetzen enthalten. Die Regelungsmethode des Zivilrechts ist durch die sowohl in der Verfassung der Russischen Föderation als auch im ZGB enthalten Grund-sätze und Freiheiten sichergestellt. Zu diesen zählen in erster Linie der Grund-satz der Unzulässigkeit der willkürlichen Einmischung in private Angelegenhei-ten (Art. 23 und 24 der Verfassung der Russischen Föderation; Art. 1, 12, 13 und 16 ZGB), der Grundsatz der Rechtsgleichheit der Rechtssubjekte (Art. 1 ZGB), der Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 35 der Verfas-sung der Russischen Föderation), der Grundsatz der Vertragsfreiheit (Art. 1 und 421 ZGB), der Dispositivitätsgrundsatz,310 der Grundsatz der unbehinderten Ausübung der Rechte (Art. 34 der Verfassung der Russischen Föderation und Art. 1 Nr. 3 ZGB) sowie der Grundsatz des Schutzes und der gerichtlichen Durchsetzbarkeit der Rechte (Art. 1 und 11 bis 15 ZGB).311 Die zivilrechtlichen Freiheiten sind dadurch gewährleistet, dass sie nur durch den Gesetzgeber oder die Gerichte und lediglich in den im Gesetz vorgesehenen

307 Kirin , S. 18 und 161 f., nennt als Beispiel der Verhältnisse, die der öffentlich-

rechtlichen Regulierung unterliegen, die Organisation des Systems der föderalen exe-kutiven Organe (z.B. FWpMK – siehe S. 126, 1. Föderale Wertpapiermarktkommissi-on), das Verfahren der staatlichen Registrierung und Beaufsichtigung (zu Marktinter-mediären siehe S. 119, b) Erlaubnispflicht; zu Wertpapieren siehe S. 123, 2. Emissi-onswertpapiere), sowie die Fragen der öffentlich-rechtlichen Haftung. Vgl. auch Si-nenko, S. 86 f.

308 Vgl. Alekseev, S. 468 ff.; Suhanov, Kapitel 1 § 1 (3). 309 Vgl. Suhanov, Kapitel 1 § 2 (1) und Kapitel 2 § 2 (1). Gemäß Art. 2 ZGB regelt das

Zivilrecht die vermögensrechtlichen sowie die nichtvermögensrechtlichen Verhältnis-se, die auf der Gleichheit, der Unabhängigkeit des Willens sowie der wirtschaftlichen Selbständigkeit ihrer Teilnehmer beruhen.

310 Die Regelungsmethode des Zivilrechts basiert auf der Dispositivität der Rechtsnor-men, die den Subjekten des Rechts die Möglichkeit gibt, diese durch vertragliche Ab-machungen insofern zu ändern oder zu ersetzen, als das im Gesetz vorgesehen ist, so-wie ihnen einen Spielraum zur Selbstregulierung lässt. Vgl. Suhanov, Kapitel 2 § 3 (1) und (2).

311 Vgl. Suhanov, Kapitel 2 § 3 (3).

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Fällen eingeschränkt werden dürfen. So darf der Gesetzgeber gemäß Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 ZGB die Rechte und Freiheiten eines Rechtssubjekts u.a. dann ein-schränken, wenn dies für den Schutz der Rechte und der legitimen Interessen anderer Personen erforderlich ist.312 Zwar erlaubt diese Regelung dem Staat, sich in private Angelegenheiten einzumischen, doch besteht der Unterschied zum sowjetischen Recht darin, dass der Staat dabei nicht willkürlich, sondern auf Grundlage und im Übereinstimmung mit dem Gesetz handelt. Wie sich die in der Rechtssetzung, in Verträgen und in den internen Regeln der Selbstregulierungseinrichtungen enthaltenen Verhaltens- und Organisationsre-geln auf Grundlage dieser rechtstheoretischen Grundsätzen einordnen lassen und was diese Einordnung für den Anlegerschutz bedeutet, wird unten, unter II. Ein-schlägige Rechtsvorschriften, untersucht. II. Einschlägige Rechtsvorschriften Im russischen Recht sind die Verhaltensregeln der Marktintermediäre drei Hauptquellen zu entnehmen. Sie sind (1) in der Rechtssetzung (in erster Linie im WpMG, im ASchG, im ZGB und in den Normativakten der FWpMK), (2) in den internen Regeln der Selbstregulierungseinrichtungen, die in dieser Disserta-tion am Beispiel der NAUFOR-Regeln dargestellt werden,313 sowie (3) in den Verträgen, die zwischen einem Marktintermediär und einem Anleger abge-schlossen werden, enthalten. Die Zuordnung der russischen Verhaltensregeln zum öffentlichen Recht oder Privatrecht hat, ebenso wie im deutschen Recht, weitgehende praktische Konsequenzen im Hinblick auf ihre Reichweite, die rechtlichen Mechanismen ihrer Durchsetzung und ihrer Abdingbarkeit. Wie die-

312 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, S. 641 ff.; Sadikov in Sadikov/Kommentar zum ZGB,

S. 2 f.; Suhanov, Kapitel 1 § 1 (4). Der Gesetzgeber macht von seinem Recht, die Rechte und Freiheiten der Rechtssubjekte einzuschränken, z. B. zum Ausgleich der Unterlegenheit bzw. Schwäche einer der Vertragsparteien, Gebrauch und stellt auf die-se Weise das Gleichgewicht in der Beziehung zwischen dem Anleger und dem Markt-intermediär her. Siehe Fn. 323. Dies kann dadurch erreicht werden, dass der stärkeren Partei besondere Pflichten – wie z.B. Verhaltenspflichten – oder der schwächeren Par-tei besondere Rechte beim Vertragsabschluss, bei der Erfüllung der vertraglichen Be-dingungen sowie bei der Änderung oder bei der Auflösung des Vertrages gewährt werden. Als Beispiel einer Regelung, die der schwächeren Vertragspartei bei der Än-derung oder Auflösung des Vertrages zusätzliche Rechte gewährt, die dem Ausgleich der schwachen Position dieser Partei dienen, kann Art. 6. Nr. 7 ASchG genannt wer-den. Siehe ausführlich auf S. 250, 4. Durchsetzung der Informationspflicht sowie Fn. 397.

313 Siehe S. 132, 2. Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts.

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se Zuordnung nach russischem Recht durchgeführt wird und welche Auswir-kungen sie auf den Anlegerschutz hat, wird unten erläutert. Die Organisationsregeln, denen die professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts unterstellt werden, stellen, ähnlich wie im deutschen Recht, nach rus-sischer Rechtsmethodik öffentlich-rechtliche Normen dar. Sie sind bis auf weni-ge Ausnahmen in den Normativakten der FWpMK enthalten.314 Gemäß Art. 42 und 44 WpMG ist die FWpMK befugt, die Organisationsregeln zu erarbeiten und für ihre Einhaltung zu sorgen. Auch die Selbstregulierungseinrichtungen dürfen ihren Mitgliedern Organisationspflichten auferlegen und für ihre Einhal-tung sorgen, solange sie dabei im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse in Ver-tretung der FWpMK handeln.315 Insofern braucht auf die systematische Einord-nung der Organisationsregeln nicht weiter eingegangen zu werden. 1. Verhaltensregeln des WpMG, des ASchG und Normativakte der FWpMK Im russischen Recht sind die Bestimmungen, die das Verhalten der Marktinter-mediäre regeln, auf mehrere Rechtsakte verteilt. In erster Linie sind die Anfor-derungen an die professionelle Tätigkeit der Broker in Art. 3 WpMG und an die Tätigkeit der Vermögensverwalter in Art. 5 WpMG geregelt. Die in diesen Arti-keln enthaltenen Verhaltensregeln sind allgemeiner Natur und finden ihre Kon-kretisierung in den Rechtssätzen der FWpMK, die von ihrer Befugnis, Anforde-rungen an die Regeln und Standards der Tätigkeit der professionellen Teilneh-mer des Wertpapiermarkts (siehe S. 126, 1. Föderale Wertpapiermarktkommis-sion) zu stellen, Gebrauch gemacht und u.a. die Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit sowie die Bestimmung über treuhänderische Ver-mögensverwaltung zu diesem Zweck erlassen hat. Weitere Verhaltenspflichten der Marktintermediäre, die in erster Linie den Schutz der Kleinanleger bezwe-cken, können dem ASchG entnommen werden.

314 Siehe u.a. Verordnung Nr. 10; Bestimmung über Lizenzierung der professionellen Tä-

tigkeit; Bestimmung über getrennte Verwaltung der Broker- und Kundengelder (Ver-ordnung Nr. 03-39); Methodik der Bestimmung des Eigenkapitals; Bestimmung über das interne Kontrollverfahren; Bestimmung über ausreichendes Eigenkapital; Bestim-mung über Berichterstattung durch professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts; Bestimmung über Anforderungen an Qualifikation der Führungskräfte und Spezialis-ten der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts.

315 Siehe S. 139, d) Übertragung der Funktionen der FWpMK auf die Selbstregulierungs-einrichtungen.

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Die im WpMG, im ASchG und in den Normativakten der FWpMK enthaltenen Verhaltensregeln (im Folgenden auch: „gesetzliche Verhaltensregeln“) weisen aus meiner Sicht zugleich öffentlich-rechtlichen als auch privatrechtlichen Cha-rakter auf.316 Sie verfolgen parallel zwei Regulierungsziele, die für ihre Zuord-nung jeweils zum öffentlichen Recht und zum Privatrecht eine entscheidende Rolle spielen.317 In erster Linie dienen sie dem Schutz des staatlichen bzw. öf-fentlichen Interesses, indem sie die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Wert-papiermarkts dadurch sicherstellen, dass sie eine Berufsregelung für die Markt-intermediäre schaffen und das „vertikale“ Verhältnis zwischen dem Staat (des-sen Interessen die FWpMK vertritt) und dem Marktintermediär regeln.318 Daher ist die Zuordnung der gesetzlichen Verhaltensregeln zum öffentlichen Recht ge-rechtfertigt. Gleichwohl zielen die gesetzlichen Verhaltensregeln unmittelbar auf den Schutz der Interessen einzelner Anleger ab. Sie finden direkt auf das Verhältnis zwi-schen einem Anleger und einem Marktintermediär Anwendung.319 Darüber hin-aus haben die gesetzlichen Verhaltensregeln nach russischem Recht nicht nur wie die in §§ 31 ff. WpHG enthaltenen Verhaltensregeln eine privatrechtliche Ausstrahlungswirkung,320 sondern stellen Anspruchsgrundlagen der zivilrechtli-chen Haftung dar.321

316 So weist z.B. Suhanov, Kapitel 4 § 2 (3), im Hinblick auf das WpMG darauf hin, dass

es zu den so genannten „gemischten Gesetzen“ gehört und daher sowohl zivilrechtli-che als auch öffentlich-rechtliche Normen enthält. Der in Art. 1 WpMG enthaltenen Definition seines Regulierungsbereichs kann entnommen werden, dass das WpMG sowohl die Beziehungen zwischen einem professionellen Teilnehmer des Wertpapier-markts und der zuständigen Behörde (nämlich der FWpMK), die ihm die Erlaubnis er-teilt hat und seine Tätigkeit beaufsichtigt – die dem öffentlichen Recht zuordnen sind (vergleichbar mit dem deutschen öffentlichen Recht) -, als auch die Beziehungen, die zwischen den professionellen Teilnehmern und anderen auf dem Wertpapiermarkt tä-tigen Unternehmen und Personen (z.B. Emittenten oder Anlegern) entstehen und ge-mäß Art. 2 Abs. 1 bis 3 ZGB zum Regelungsbereich des Zivilrechts gehören, regelt.

317 Zu den Grundsätzen der Zuordnung einer Rechtsnorm zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht siehe S. 100, 4. Geschichte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts.

318 Siehe S. 71, 1. Vorbeugung gegen die Verletzung von Rechten und Interessen der An-leger sowie Fn. 307.

319 Dieses Verhältnis wird nach Art. 2 Nr. 1 ZGB dem Zivilrecht unterordnet: Es entsteht zwischen zwei voneinander unabhängigen, gleichberechtigten Personen in Bezug auf Wertpapiere auf Grundlage eines Vertrages.

320 Siehe S.80, I. Einschlägige Rechtsvorschriften. 321 Siehe Art. 51 Nr. 1 WpMG. Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999), S. 11 f.

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Die obligatorische Natur der gesetzlichen Verhaltensregeln spricht für ihre Zu-ordnung zum öffentlichen Recht, dessen Regulierungsmechanismus sich auf den Zwang des Staates stützt. Gleichwohl steht sie nicht im Widerspruch zur Zuord-nung dieser Regeln zum Privatrecht, weil sie als eine nach Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 ZGB zulässige Einschränkung der zivilrechtlichen Freiheiten bzw. der Vertrags-freiheit der Marktintermediäre, die zum Schutz der Rechte und der legitimen In-teressen einzelner Personen, nämlich der Anleger erforderlich ist, angesehen werden kann.322 Die Erforderlichkeit dieses besonderen Schutzes lässt sich aus der Position des Anlegers als der schwächeren Vertragspartei ableiten.323 Als öffentlich-rechtliche Normen stellen die Verhaltensregeln einen obligatori-schen Mindeststandard des professionellen Verhaltens der Marktintermediäre dar. Dieser gewährleistet ein Mindestschutzniveau für die Anleger und darf we-der durch eine vertragliche Abrede der Parteien324 noch auf dem Wege der Selbstregulierung325 unterschritten werden. Gleichwohl dürfen die gesetzlichen Verhaltensregeln in Verträge oder in die internen Regeln der Selbstregulie-rungseinrichtungen aufgenommen und sogar geändert werden, wenn diese Än-derungen die Position des Anlegers verbessern. Auf diesem Wege sorgt der Ge-setzgeber dafür, dass die zivilrechtlichen Mechanismen zur Erhöhung des Anle-gerschutzniveaus effektiv eingesetzt werden. Auch die Durchsetzung der gesetzlichen Verhaltensregeln der Marktintermediä-re geschieht auf dem Wege sowohl des öffentlichen Rechts als auch des Zivil-rechts. Gemäß Art. 51 Nr. 1 WpMG unterliegt der Marktintermediär, der gegen die in der russischen Gesetzgebung enthaltenen Verhaltensregeln verstoßen hat,

322 Siehe S. 100, 4. Geschichte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts sowie

Fn. 312. 323 Die schwache Position des Anlegers entsteht in Folge seiner intellektuellen und wirt-

schaftlichen Unterlegenheit sowie wegen des fehlenden direkten Zugangs zum Wert-papiermarkt. Siehe auch S. 69, II. Zielrichtungen des Anlegerschutzes.

324 Gemäß Art. 4 Nr. 2 ASchG sind die vertraglichen Bestimmungen, die zu Abstrichen an dem gesetzlichen Anlegerschutzniveau führen, nichtig. Die vertragliche Senkung des gesetzlichen Anlegerschutzniveaus stellt eine Grundlage für den Entzug oder die Aussetzung der Erlaubnis des Marktintermediäres dar (Art. 4 Nr. 3 ASchG).

325 Die zivilrechtliche Selbstregulierung auf dem Wertpapiermarkt geschieht durch die Selbstregulierungseinrichtungen. Vgl. Suhanov, Kapitel 2 § 3 (2). Siehe auch Art. 12 ZGB. Art. 48 Abs. 4 WpMG erlegt den Selbstregulierungseinrichtungen die Pflicht auf, ihre internen Regeln und Standards der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpa-piermarkt, die für ihre Mitglieder obligatorisch sind, im Einklang mit den in den Nor-mativakten der FWpMK enthaltenen Regeln festzulegen. Vgl. auch Ziff. 1.8 Abs. 2 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen. Diese Anforderung wird durch Art. 50 Abs. 8 WpMG durchgesetzt, gemäß dem die FWpMK auf Grund ihrer Nicht-einhaltung einer Selbstregulierungseinrichtung die Erlaubnis entziehen darf.

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sowohl der straf- und öffentlichen-rechtlichen als auch der zivilrechtlichen Haf-tung.326 Nach der russischen Rechtsmethodik können die haftungsrechtlichen Folgen le-diglich in den Fällen und gemäß dem Verfahren eintreten, die gesetzlich festge-legt sind.327 So sehen Art. 185 und Art. 185.1 des Strafgesetzbuchs sowie Art. 15.17 bis Art. 15.24 des Gesetzbuchs über Verstöße gegen öffentliches Recht jeweils straf- und öffentlich-rechtliche Maßnahmen vor, die die FWpMK oder ein Gericht einem Marktintermediär (oder seinem Mitarbeiter) wegen u.a. eines Verstoßes gegen bestimmte Verhaltensregeln, die durch diese Artikel er-fasst sind, auferlegen darf. Diese Maßnahmen sehen vor, dass einem professio-nellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts und seinen Führungskräften Bußgelder sowie den handelnden natürlichen Personen Freiheitsstrafen auferlegt werden können.328 Auf die einschlägigen Vorschriften wird unten im Zusammenhang mit den einzelnen Verhaltensregeln eingegangen. Weitere öffentlich-rechtliche Maßnahmen, die einem Marktintermediär auferlegt werden können, umfassen den Entzug oder die Aussetzung seiner Erlaubnis. Die konkreten Verstöße gegen Verhaltensregeln, auf Grund derer die FWpMK die Erlaubnis eines professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts aussetzen oder entziehen darf, sind im WpMG, im ASchG sowie in den Normativakten der FWpMK festgelegt und werden im Kapitel 4 im Hinblick auf einzelne Verhal-tensregeln dargestellt.329 Zwar ist die Möglichkeit der zivilrechtlichen Haftung für Verstöße gegen ge-setzliche Verhaltensregeln in Art. 51 Nr. 1 Abs. 1 WpMG grundsätzlich vorge-sehen, jedoch enthält die russische Rechtssetzung nur in Einzelfällen Rechts-normen, die den Marktintermediären zivilrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen einzelne Verhaltenspflichten auferlegen.330 Deswegen werden die Markt-intermediäre wegen Verstößen gegen die gesetzlichen Verhaltenspflichten in der Praxis meistens auf Grundlage der deliktischen Haftung oder der vertraglichen

326 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999), S. 11 f. 327 Vgl. Suhanov, Kapitel 13 § 2 (2) und (3). 328 Vgl. Sinenko, S. 199 ff.; Suhanov, Kapitel 13 § 1 (2). 329 Siehe auch S. 126, 1. Föderale Wertpapiermarktkommission. 330 Siehe S. 264, § 4 Pflicht zum Schadensersatz bei Interessenkonflikten. Gleichwohl

können die Verhaltensregeln als Anspruchsgrundlage in einem Vertrag zwischen ei-nem Anleger und einem Marktintermediär aufgenommen werden. Der Vertrag kann auch haftungsrechtliche Folgen der Verstöße gegen diese Pflichten, wie z.B. eine Konventionalstrafe, vorsehen. Ausführlich über Konventionalstrafen siehe auf S. 110, b) ZGB und Verträge als Quellen der privatrechtlichen Verhaltensregeln.

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Abrede in Anspruch genommen.331 Die deliktische Haftung fängt die Verstöße gegen Verpflichtungen auf, für die gesetzliche Maßnahmen der zivilrechtlichen Haftung nicht unmittelbar in der Rechtssetzung vorgesehen sind. Sie tritt dann ein, wenn in Folge des rechtswidrigen Verhaltens eines Rechtssubjekts einem anderen Rechtssubjekt Schaden entstanden ist (Art. 1064 ZGB).332 Schadenser-satz setzt voraus, dass das rechtswidrige Verhalten zum Vermögensschaden ge-führt hat.333 Kausalität zwischen den Verlusten aus einem Wertpapiergeschäft und der Nichteinhaltung der Verhaltenspflichten stellt eine der Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung dar.334 Diese muss durch den Anleger nachgewie-sen werden.335 Gleichwohl spielt Verschulden gemäß Art. 401 Nr. 3 S. 1 ZGB für die Haftung der Marktintermediäre keine Rolle, weil sie unternehmerische Tätigkeit ausüben.336 In Russland ist allerdings die Gerichtspraxis zur deliktischen Haftung der Markt-intermediäre sehr gering. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Anleger wegen der schwer nachweisbaren Kausalität von solchen Klagen abgehalten werden.337 Des weiteren stehen den Anlegern andere Mittel zum Schutz ihrer Rechte zur Verfügung – wie z.B. die Einreichung einer Beschwerde bei der FWpMK oder bei der Selbstregulierungseinrichtung, zu deren Mitglie-dern die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts gehören338 -, die mit weniger Unsicherheit, Aufwand und Kosten verbunden sind.

331 Art. 51 Nr. 1 Abs. 2 WpMG sieht vor, dass „Schaden, der sich aus den Verstößen ge-

gen die Gesetzgebung der Russischen Föderation über Wertpapiere ergibt, gemäß dem in der Zivilgesetzgebung der Russischen Föderation dafür vorgesehenen Verfahren zu ersetzen ist“. Vgl. Alekseev, S. 448 f.; Jakovlev in Sadikov/ Kommentar zum ZGB, S. 751; Sinenko, S. 200 ff.; Vajpan, S. 70.

332 Vgl. Suhanov, Kapitel 13 § 2 (2) und (3). 333 Der Begriff des Vermögensschadens umfasst sowohl materielle Verluste als auch ent-

gangene Gewinne. Siehe Art. 15 Nr. 2 Abs. 1 ZGB. Vgl. auch Klejn in Sadi-kov/Kommentar zum ZGB, S. 67; Suhanov, Kapitel 13 § 2 (4).

334 Vgl. Suhanov, Kapitel 13 § 2 (1) und (4). Siehe Art. 393 ZGB. 335 Wirtschaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, Entscheidung Nr. KG-

A40/6531-02, v. 10.10.2002, www.consultant.ru/full, S. 2 ff., bestätigt die Pflicht des Anlegers, das Entstehen und die Größe des Schadens, den der Verstoß gegen die ver-traglichen Verpflichtungen durch den Beklagten verursacht hat, sowie die Kausalität zwischen dem Schaden und dem Verstoß nachzuweisen.

336 Vgl. Suhanov, Kapitel 13 § 3 (1); Jakovlev in Sadikov/Kommentar zum ZGB, S. 764. Zum rechtlichen Status der Marktintermediäre siehe ausführlich auf S. 117, a) Aus-übung der professionellen Tätigkeit nur durch juristische Personen.

337 Vgl. Hromuškin, Rynok cennyh bumag Nr. 24 (1999), S. 24 f. 338 In der Praxis enthält oft der Vertrag zwischen einem Anleger und einem Marktinter-

mediär regelmäßig eine Schiedsklausel, gemäß der ein Anleger seine Ansprüche gegen einen Marktintermediär vor dem Schiedsgericht der Selbstregulierungseinrichtung gel-

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Ähnlich wie im deutschen Recht gewährleisten sowohl die in der russischen Rechtssetzung enthaltenen Verhaltensregeln kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Natur als auch die straf- und öffentlich-rechtlichen Durchsetzungsmechanismen ein allgemeines Mindestniveau des Anlegerschutzes. Sie haben den Zweck, die Marktintermediäre zur Einhaltung einer Berufsregelung zu zwingen und Miss-ständen und unfairen Praktiken auf dem Wertapiermarkt vorzubeugen. Sie stel-len die Funktionsfähigkeit und die Stabilität des Wertpapermarkts sicher und gewährleisten „zivilisierte Bedingungen“ der Tätigkeit auf dem Wertpapier-markt. Gleichwohl bedeutet die Zuordnung dieser Regeln zum Privatrecht, dass sie als Grundlage der zivilrechtlichen Haftung direkt zum Schutz der verletzten Rechte einzelner Anleger eingesetzt werden. Das erweitert die Reichweite der gesetzlichen Verhaltensregeln (auch im Vergleich zum deutschen Recht) und führt zur Stärkung des Vertrauens der Anleger in den Wertpapiermarkt. Ihre Zu-ordnung zum Privatrecht erhöht nicht nur das allgemeine Schutzniveau, sondern auch die Chancen der Anleger, Beeinträchtigungen ihrer Rechte und Interessen zu beseitigen und Schadensersatz zu erhalten.339 Der Anwendungsbereich der gesetzlichen Verhaltensregeln ist durch den An-wendungsbereich des WpMG zu bestimmen. Sie finden lediglich auf die Markt-intermediäre Anwendung, die eine erlaubnispflichtige professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt gemäß Kapitel 2 WpMG ausüben.340 Zwar lässt das WpMG kaum Möglichkeiten für eine Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt, die durch seinen Regulierungsbereich nicht erfasst ist, jedoch bleiben z.B. die reinen Anlageberater (Anlageberatung zählt, ähnlich wie im deutschen Recht, nicht zur professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt) außerhalb seiner Reichwei-te und unterliegen nicht den gesetzlichen Verhaltensregeln. Infolgedessen unter-liegen die Unternehmen und Personen, deren Tätigkeit sich außerhalb des An-wendungsbereichs des WpMG befindet, weder den gesetzlichen Verhaltensre-geln noch den Solvenzanforderungen. Dadurch entsteht eine Lücke im Anleger-schutz, die nicht nur die Interessen einzelner Anleger, sondern auch die Funkti-onsfähigkeit des Wertpapiermarkts gefährdet. Diese Lücke wird durch private Verhaltensregeln teilweise geschlossen.

tend machen darf. Diese Möglichkeit bleibt leider den Kleinanlegern vorenthalten. Ziff. 8.1 Abs. 1 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen. Vgl. 136, c) Mechanismen des Anlegerschutzes.

339 Siehe S. 72, 2. Schutz von Anlegern, deren Rechte und Interessen verletzt wurden. 340 Siehe S. 117, 1. Begriff des „professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts“ nach

russischem Recht.

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2. Privatrechtliche Verhaltensregeln Die Verhaltensregeln sind nicht nur im WpMG, im ASchG und in den Norma-tivakten des FWpMK enthalten. Sie können auch dem ZGB, den internen Re-geln der Selbstregulierungseinrichtungen und einem zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär abgeschlossenen Vertrag341 entnommen werden. Sie sind dem Privatrecht zuzuordnen. a) Verhaltensregeln der Selbstregulierungseinrichtungen Die Selbstregulierungseinrichtungen stellen einen Mechanismus der zivilrechtli-chen Selbstregulierung dar.342 Sie dürfen ihren Mitgliedern Verhaltens- sowie Organisationsregeln auferlegen und müssen für ihre Einhaltung sorgen.343 Grundsätzlich stellen die internen Regeln einer Selbstregulierungseinrichtung (einschließlich Verhaltens- und Organisationsregeln) eine privatrechtliche Abre-de ihrer Mitglieder dar: Die Mitglieder haben sich über den Inhalt dieser Regeln sowie über die Durchsetzungsmaßnahmen, die die Selbstregulierungseinrichtung ergreifen darf, geeinigt und sich zu deren Einhaltung freiwillig verpflichtet. Den internen Verhaltensregeln einer Selbstregulierungseinrichtung liegen die gesetzlichen Verhaltensregeln zu Grunde.344 Die Selbstregulierungseinrichtun-gen dürfen diese solange ändern oder ergänzen, als dies nicht zur Senkung des gesetzlichen Verhaltensstandards und damit des Mindestschutzniveaus der An-leger führt (Ziff. 1.8. Abs. 2 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtun-gen). Wie unten am Beispiel der NAUFOR-Regeln gezeigt wird, sind in der Re-gel die in den internen Regeln der Selbstregulierungseinrichtungen enthaltenen Verhaltensregeln strenger als der gesetzliche Mindeststandard. Dadurch erfüllen die Selbstregulierungseinrichtungen die ihnen durch den Gesetzgeber auferlegte Funktion: Sie gewährleisten den Schutz der Anleger (Art. 48 Abs. 2 WpMG)

341 Alekseev, S. 313, weist darauf hin, dass die russische Rechtsmethodik einen Vertrag

als eine außergesetzliche Quelle von Rechtsnormen einstuft. Vgl. auch Fn. 324. 342 Siehe Fn. 325. 343 Ausführlich auf S. 135, b) Ziele der Selbstregulierungseinrichtungen und Mechanis-

men ihrer Verwirklichung. 344 Die Verhaltensregeln der Selbstregulierungseinrichtungen stellen eine Verknüpfung

zwischen den gesetzlichen und den vertraglichen Verhaltenspflichten der Marktinter-mediäre insofern her, als die Mitglieder der Selbstregulierungseinrichtungen ihren Verhaltenspflichten u.a. oft dadurch nachkommen, dass sie diese in ihre Standardver-träge oder ihre internen Regeln übernehmen und sich selbst auf diese Weise zu ihrer Einhaltung weiter verpflichten.

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und tragen zur Erhöhung des Anlegerschutzniveaus in der Russischen Föderati-on bei (Ziff. 1.6 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen).345 Die Besonderheit der Regulierung durch Selbstregulierungseinrichtungen be-steht darin, dass die staatliche Aufsicht zum Teil auf sie übertragen wurde.346 Aus diesem Grund sind die Regulierungsmechanismen der Selbstregulierungs-einrichtungen mit einigen Merkmalen der öffentlich-rechtlichen Regulierung gekennzeichnet. Sie sind für die Mitglieder der Selbstregulierungseinrichtung zwingend. Gemäß Art. 48 Abs. 4 WpMG und Ziff. 1.8. der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen sorgen die Selbstregulierungseinrichtungen für die Einhaltung ihrer internen Verhaltenspflichten durch ihre Mitglieder.347 Zu diesem Zweck können sie disziplinäre Maßnahmen ergreifen, die zwar zivil-rechtliche Mechanismen des Selbstschutzes darstellen, inhaltlich jedoch den öf-fentlich-rechtlichen Sanktionen ähneln.348 Der Anwendungsbereich der Verhaltensregeln einer Selbstregulierungseinrich-tung ist auf ihre Mitglieder beschränkt. Da die Mitgliedschaft in einer Selbstre-gulierungseinrichtung an die Erlaubnis des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts gebunden ist, werden z.B. die Anlageberater sowie andere auf dem Wertpapiermarkt tätige Unternehmen oder Personen, deren Tätigkeit nicht im Kapitel 2 WpMG unter professioneller Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ausgeführt ist, ähnlich wie bei den gesetzlichen Verhaltensregeln durch den Me-chanismus der Selbstregulierung nicht erfasst. b) ZGB und Verträge als Quellen der privatrechtlichen Verhaltensregeln Die Verhaltensregeln wachsen einem Marktintermediär auch aus einem zwi-schen ihm und einem Anleger abgeschlossenen Vertrag zu. Der Vertrag kann mit Blick auf die Erbringung von Vermittlungs-, Broker-, Vermögensverwal-tungs- oder auch Anlageberatungsdienstleistungen zu Stande kommen. Das er-

345 Siehe S. 132, 2. Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des

Wertpapiermarkts. 346 Siehe S. 139, d) Übertragung der Funktionen der FWpMK auf die Selbstregulierungs-

einrichtungen. 347 Selbstregulierungseinrichtungen sind auch befugt, ihren Mitgliedern Sanktionen für

Verstöße nicht nur gegen ihre internen Regeln sondern auch gegen die Gesetzgebung der Russischen Föderation und die Normativakte der FWpMK aufzuerlegen (Ziff. 2.1. Spiegelstr. 3 und 4 und Ziff. 7.3.10 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrich-tungen). Vgl. S. 136, c) Mechanismen des Anlegerschutzes. Vgl. Suhanov, Kapitel 2 § 3 (3).

348 Siehe S. 136, c) Mechanismen des Anlegerschutzes.

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weitert den Anwendungsbereich der vertraglichen Verhaltenspflichten im Ver-gleich zu dem der Verhaltensregeln der Selbstregulierungseinrichtungen sowie der gesetzlichen Verhaltensregeln, weil Letztere nur die professionellen Teil-nehmer des Wertpapiermarkts betreffen, während den vertraglichen Verhaltens-regeln jede Gegenpartei eines Vertrages mit einem Anleger unterliegt, unabhän-gig davon, ob sie eine professionelle oder unternehmerische Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ausübt.349 Das heißt, die vertraglichen Verhaltenspflichten fin-den auch auf reine Anlageberater Anwendung und schließen insofern eine Lücke im gesetzlichen Anlegerschutz. Wie bereits erwähnt, hängen die vertraglichen Verhaltenspflichten mit den ge-setzlichen sowie mit den in den internen Regeln der Selbstregulierungseinrich-tungen enthaltenen Verhaltenspflichten eng zusammen.350 Sie dürfen den durch die Selbstregulierungseinrichtungen sowie den in der Rechtssetzung festgelegten Standard nicht unterschreiten.351 Auf diesem Wege stellt der Gesetzgeber sicher, dass den Anlegern ein Mindestniveau an Schutz garantiert bleibt, und sieht die Möglichkeit vor, ihn sogar zu erhöhen. Dadurch, dass er den Marktintermediär sowohl beim Vertragsabschluss als auch bei der Erbringung der in einem Ver-trag mit einem Anleger vereinbarten Dienstleistungen einem obligatorischen, unabdingbaren Mindestverhaltensstandard unterstellt, gewährleistet der Gesetz-geber einen Ausgleich für die schwache Position des Anlegers.352 Bei der Festlegung der vertraglichen Verhaltenspflichten ist die Vertragsfreiheit des Anlegers und des Marktintermediäres nicht nur durch die gesetzlichen und die in den internen Regeln der Selbstregulierungseinrichtungen enthaltenen Ver-haltensregeln, sondern auch durch die Bestimmungen des ZGB eingeschränkt.353 349 Zum Unterschied zwischen professioneller und unternehmerischer Tätigkeit auf dem

Wertpapiermarkt siehe ausführlich Fn. 375. 350 Siehe S.103, 1. Verhaltensregeln des WpMG, des ASchG und Normativakte der

FWpMK sowie Fn. 344. 351 Siehe Art. 4 Abs. 2 ASchG. Ševčuk, Zakonodatel’stvo Nr. 10 (1999), S. 55, weist dar-

auf hin, dass diese Regelung in erster Linie auf den Schutz der Kleinanleger gerichtet ist.

352 Als dem Marktintermediär intellektuell und wirtschaftlich unterlegene sowie von ihm wegen des fehlenden Marktzugangs abhängige Vertragspartei befindet sich der Anle-ger in einer schwachen Verhandlungsposition, die ihn daran hindert, die Durchsetzung seiner Interessen gegenüber denen des Marktintermediäres beim Vertragsabschluss auszuhandeln. Die gesetzlichen Schranken, denen der Marktintermediär unterliegt, und die ihn daran hindern, seine Überlegenheit auszunutzen, stellen wichtige Mecha-nismen des Anlegerschutzes dar. Vgl. Fn. 312.

353 Die Vertragsparteien dürfen die im ZGB festgelegten Regelungen nur dann und inso-fern ändern oder ergänzen, wenn und insoweit dies die entsprechende Bestimmung des ZGB vorsieht. Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, S. 25. Siehe auch Fn. 310.

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Zu diesen Bestimmungen zählen sowohl die allgemeinen Regeln über Geschäf-te, Vertretung, Schuldverhältnisse und Verträge, die jeweils in Kapitel 9, 10, 21-26 und 27-29 ZGB enthalten sind, als auch die besonderen Regeln, denen be-stimmte im ZGB geregelte Vertragstypen unterliegen. Diese begründen u.a. die zivilrechtlichen Verhaltensregeln der Marktintermediäre, die im Einzelnen im Kapitel 4 im Zusammenhang mit den gesetzlichen Verhaltensregeln der Markt-intermediäre aufgeführt werden. An dieser Stelle ist es allerdings angebracht, kurz auf die Vertragsarten einzuge-hen, die die Beziehung zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär bzw. Anlageberater regeln und insoweit die ZGB-Vorschriften, die zivilrechtli-che Verhaltensregeln enthalten, vorzustellen. Der Typ sowie der Inhalt eines zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär abgeschlossenen Vertra-ges hängt vom Inhalt der Dienstleistung ab, die für den Anleger erbracht wird. Grundsätzlich kann es sich dabei entweder um einen Vertrag zur Erbringung von Brokerdienstleistungen, einen Vermögensverwaltungs- oder einen Bera-tungsvertrag handeln. Der Vertrag zur Erbringung von Brokerdienstleistungen wird abgeschlossen, wenn der Marktintermediär als Broker auftritt, nämlich beim Abschluss und bei der Ausführung der Wertpapiergeschäfte für den Anleger als Vermittler tätig wird. Dabei handelt der Broker entweder als Vertreter seines Kunden oder als Kommissionär.354 Im ersten Fall schließt er Geschäfte über Wertpapiere im Na-men des Anlegers (Art. 971 Nr. 1 ZGB), so dass der Anleger als Partei in den vom Broker abgeschlossenen Geschäften auftritt und selbst Rechte und Pflichten aus diesen Geschäften direkt erwirbt. Als Kommissionär handelt er im eigenen Namen (Art. 990 Nr. 1 ZGB) und wird selbst Partei eines Wertpapiergeschäfts, bis er die Rechte und Pflichten aus diesem Geschäft dem Kommittenten bzw. dem Anleger abgetreten hat.355 Insofern unterliegt der Vertrag zur Erbringung der Brokerdienstleistungen den ZGB Vorschriften zum Vertretungs- (Art. 971-979 ZGB)356 oder Kommissionsvertrag (Art. 990-1003 ZGB).357

354 In der Praxis wird das Kommissionsverhältnis gegenüber dem Vertreterverhältnis be-

vorzugt. Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999), S. 22 f. 355 Suhanov, Kapitel 46 § 2 (1); Markov/Černobaj, Vestnik NAUFOR Nr. 6 (1999), S. 53. 356 Auf den Vertretungsvertrag finden auch die in Art. 182-189 ZGB enthaltenen allge-

meinen Regeln zur Vertretung Anwendung. 357 Auch die ZGB Vorschriften zum Vermittlungsvertrag (Art. 1005-1011 ZGB) können

auf die Verträge zur Erbringung von Brokerdienstleistungen anwendbar sein. Vgl. Ha-barov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 22 f.; Homenko, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 3. Diese werden hier allerdings nicht berücksichtigt. Der Hauptunterschied zwischen einem Vertretungs- und einem Kommissionsvertrag auf der einen Seite und einem Vermittlungsvertrag auf der anderen Seite besteht darin,

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Der Vermögensverwaltungsvertrag wird zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär abgeschlossen, wenn Letzterer als Vermögensverwalter tätig wird und für den Anleger die Wertpapiere sowie die in die Wertpapiere zu in-vestierenden Gelder treuhänderisch verwahrt und verwaltet. Ein solcher Vertrag unterliegt den in Art. 1012-1026 ZGB enthaltenen Vorschriften.358 Im Gegensatz zum Vertrag zur Erbringung von Brokerdienstleistungen und zum Vermögensverwaltungsvertrag, die voraussetzen, dass der Vertrag mit einem professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts abgeschlossen wird, kann ein Beratungsvertrag zwischen einem Anleger und sowohl einem Broker359 als auch einem Anlageberater, der kein professioneller Teilnehmer des Wertpapiermarkts ist, abgeschlossen werden.360 Letztere unterliegen weder den gesetzlichen Ver-

dass der Vertreter im Rahmen des Vermittlungsvertrages nicht nur juristische, sondern auch andere Handlungen vornimmt. Dies ist allerdings bei der Erbringung der Broker-dienstleistungen ohne Belang. Außerdem unterliegt der Vermittlungsvertrag gemäß Art. 1011 ZGB denselben Regelungen, die auf den Vertretungs- und Kommissionsver-trag (je nachdem, ob der Vermittler im eigenen Namen oder im fremden Namen auf-tritt) Anwendung finden, es sei denn, dass diese Regelungen den Bestimmungen der Art. 1005-1010 ZGB oder dem Sinn des Vertretungsvertrages widersprechen.

358 Vitrjanskij, Hosjajstvo i Pravo Nr. 12 (2001), S. 34, stellt die Zulässigkeit der treuhän-derischen Verwaltung der Gelder in Frage und argumentiert, dass Vermögensverwal-ter, die über keine Banklizenz verfügen, die Gelder der Anleger nicht zum Zwecke der Verwaltung annehmen dürfen. Vgl. auch Miheeva, Hosjajstvo i pravo Nr. 9 (1998), S. 45. Abweichend Inšev, Bankovskoe pravo Nr. 3 (2000), S. 10 ff; Teljukina, Zako-nodatel’stvo Nr. 11 (2001), S. 71.

359 Ziff. 3.2 Spiegelstr. 4 der Regeln zur Durchführung der Broker und Dealertätigkeit sieht vor, dass der Broker Beratungsdienstleistungen erbringen darf. Siehe S. 120, c) Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt. Die Beratung wird als eine Tätigkeit angesehen, die der Broker „während der Ausübung der Brokertätigkeit“ ausführt und die mit der Brokertätigkeit verbunden ist. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Broker kraft seiner Stellung als Marktintermediär über die In-formationen und Kenntnisse verfügt, die ihn in die Lage versetzen, den Anleger über die Risiken und die Wirtschaftlichkeit der von ihm gewünschten Anlage zu beraten. Allerdings ist der Broker nicht verpflichtet, den Kunden zu beraten. Beratung ist als eine selbständige Dienstleistung anzusehen. Gemäß dieser Ansicht lässt sich die Bera-tungspflicht des Brokers ebenso, wie es im deutschen Recht der Fall ist, aus einem selbständigem Beratungsvertrag ableiten.

360 Im Hinblick auf einen Vermögensverwalter wird Beratung im Gegensatz zum Broker nicht als eine durch den Vermögensverwalter erbrachte Dienstleistung angesehen. Das liegt am Sinn und Zweck der treuhänderischen Vermögensverwaltung, wobei der Vermögensverwalter selbst die Entscheidungen trifft und über das Vermögen verfügt, so dass keine Beratung des Anlegers für die Dauer (aber nicht im Vorfeld) des Ver-mögensverwaltungsvertrages in Betracht kommt. Die Frage, ob Aufklärung vor dem Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages stattfindet, wie es in Deutschland üb-

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haltenspflichten noch denen der Selbstregulierungseinrichtungen. Die vertragli-chen Verhaltensregeln schließen im Hinblick auf reine Anlageberater eine Regu-lierungslücke und sind insofern zu begrüßen, auch wenn sie in diesem Fall nicht an den gesetzlichen Mindeststandard des Anlegerschutzes gebunden sind und im Zweifel unter dem gesetzlichen Schutzniveau bleiben. Ein Beratungsvertrag wird in der Regel ausdrücklich und schriftlich abgeschlos-sen. Der Beratungsvertrag ist im ZGB als eigenständiger Vertragstyp nicht vor-gesehen und geregelt. Ein Vertragstyp, der nicht im ZGB ausdrücklich aufgelis-tet ist, darf trotzdem abgeschlossen werden.361 Gemäß der russischen Rechtsme-thodik unterliegt ein solcher Vertrag den im ZGB enthaltenen Anforderungen, die ähnliche Verträge regeln.362 Deswegen finden auf einen Beratungsvertrag die Regeln zum Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt (entgeltlicher Dienstleistungsvertrag, Art. 779-783 ZGB) sowie die allgemeinen Regeln über den Werkvertrag (Art. 702-729 ZGB) und die Regeln über den Werkvertrag, bei dem der Auftraggeber eine natürliche Person ist (Art. 730-739 ZGB), solange sie den in Art. 779-783 ZGB enthaltenen Vorschriften über den entgeltlichen Dienstleistungsvertrag nicht widersprechen, Anwendung. Die Nichteinhaltung der vertraglichen Verhaltenspflichten führt zur zivilrechtli-chen Haftung.363 Die zivilrechtliche Haftung wird durch das ZGB, aber auch durch andere Gesetze sowie im Vertrag selbst, so weit es das ZGB zulässt, gere-gelt.364 Sie ist Gegenstand sowohl allgemeiner (siehe Kapitel 25 ZGB) als auch besonderer Rechtsnormen, die den Bestimmungen hinsichtlich bestimmter Ver-tragstypen (z.B. Art. 723 ZGB – Haftung der Dienstleisters für mangelnde Qua-lität der Dienstleistung) zu entnehmen sind, sowie der Regelungen über die de-liktische Haftung (Art. 1064 ZGB). Das russische Recht kennt grundsätzlich zwei Typen der zivilrechtlichen Sank-tion: Schadensersatz (Art. 15 ZGB) und Konventionalstrafe (Art. 330 ZGB).365 Im Hinblick auf die zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär abge-

lich ist – siehe S. 168, a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG – bleibt in Russland bis lang unbeantwortet.

361 Vgl. Alekseev, S. 313. 362 Vgl. Suhanov, Kapitel 4 § 3 (4); Šablova, Žurnal Rossijskogo Prava Nr. 1 (2002),

S. 63. 363 Vgl. Suhanov, Kapitel 13 § 1 (3) und (4). 364 Vgl. Suhanov, Kapitel 13 § 1 (4). Zur vertraglichen Dispositivität der gesetzlichen

Normen siehe Fn. 310. 365 Zum Schadensersatz siehe S. 103, 1. Verhaltensregeln des WpMG, des ASchG und

Normativakte der FWpMK.

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schlossenen Verträge beinhaltet die Vereinbarung einer Konventionalstrafe366 mehrere Vorteile für den Anleger. Die Verstöße, die zur Haftung des Marktin-termediäres führen sowie ihre Höhe können im Vertrag bestimmt werden. Der Anleger braucht das Verschulden nicht nachzuweisen.367 Durch die vertragliche Vereinbarung über eine Konventionalstrafe erhöhen sich wesentlich die Chan-cen des Anlegers, eine Kompensation zu erhalten. Allerdings ist die Wahr-scheinlichkeit einer vertraglichen Vereinbarung über die Konventionalstrafe lei-der gering. In der Regel werden Verträge zwischen einem Anleger (insbesonde-re einem Kleinanleger) und einem Marktintermediär auf Grundlage der Stan-dardverträge, die vom Marktintermediär entworfen und im Zweifel keine für den Marktintermediär ungünstigen Bestimmungen enthalten, abgeschlossen. Sollte der Anleger die Aufnahme der Konventionalstrafe in den Vertrag verlangen, ist das im Lichte seiner schwachen Verhandlungsposition schwer durchzusetzen.368 Die Ansprüche der Anleger auf Grundlage der zivilrechtlichen Haftung können vor einem Zivilgericht (wenn es sich bei einem Anleger um eine natürliche Per-son handelt) oder vor einem Wirtschaftsgericht (Arbitražnyj sud) (wenn beide Parteien juristische Personen oder Unternehmer sind) geltend gemacht wer-den.369 Sollte der Vertrag zwischen juristischen Personen bzw. Unternehmern eine Schiedsklausel enthalten, liegt die Streitigkeit in der Zuständigkeit des ent-sprechenden Schiedsgerichts.370 Die Unzugänglichkeit der Schiedsgerichte für Kleinanleger, die von ihrem schnellen Verfahren und ihrer Kompetenz nicht profitieren können, stellt eine Lücke im Anlegerschutz dar.

366 Gemäß Art. 330 Nr. 1 ZGB dürfen die Parteien im Vertrag eine Konventionalstrafe für

die Nichterfüllung oder nicht ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflich-tungen festlegen und ihre Höhe bestimmen oder die Regeln festlegen, gemäß denen die Höhe der Konventionalstrafe bestimmt werden kann. Vgl. Braginskij in Sadi-kov/Kommentar zum ZGB, S. 686 f.

367 Vgl. Suhanov, Kapitel 13 § 3 (2). Die Festlegung einer Konventionalstrafe macht auch den Nachweis der Höhe des Schadens entbehrlich. Braginskij in Sadikov/Kommentar zum ZGB, S. 686 f.

368 Siehe Fn. 352. Der Anleger darf die Aufnahme der Klausel über eine Konventional-strafe nach dem Vertragsabschluss in den in Art. 6 Nr. 7 ASchG vorgesehenen Fällen verlangen. Diese Regel stellt eine zulässige Einschränkung der Rechte des Marktin-termediäres gemäß Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 ZGB dar. Siehe ausführlich auf S.100, 4. Ge-schichte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts.

369 Vgl. Andreeva in Jakovlev/Jukov, S. 40 ff.; Fetisov, Rossijskij juridičeskij žurnal Nr. 4 (1997), S. 70 ff.; Treušnikov, S. 150 ff.; Žujkov in Treušnikov, S. 46 ff.

370 Solche Schiedsgerichte werden durch Handelsplattformen sowie Selbstregulierungs-einrichtungen eingerichtet. Sie bieten den Vertragsparteien eine kompetente und schnelle Lösung ihrer Streitigkeit und werden deswegen gegenüber den anderen Ge-richten bevorzugt. Leider bleiben sie für die Kleinanleger unzugänglich. Vgl. Makee-va, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 36; Žujkov in Treušnikov, S. 53 f.

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3. Zwischenergebnis Ähnlich wie im deutschen Recht errichtet das russische Recht zwei Ebenen des Anlegerschutzes. Auf der ersten Ebene befinden sich die gesetzlichen Verhal-tenspflichten. Ihr Anwendungsbereich ist auf die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts begrenzt. Dadurch bleibt Raum für einige Vermittler, insbe-sondere die reinen Anlageberater, die nicht zu den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts zählen, ihre Tätigkeit auszuüben, ohne die gesetzlichen Verhaltensregeln beachten zu müssen. Die gesetzlichen Verhaltenspflichten stel-len die obligatorischen Mindestanforderungen an das professionelle Verhalten der Markintermediäre und stützen sich in erster Linie auf die staatliche Macht als Mechanismus ihrer Durchsetzung. Auf diesem Wege sorgt der Staat für die Stabilität und die Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts. Dies ist für die Stärkung des Vertrauens der Anleger wichtig und trägt zum Schutz ihrer Interes-sen indirekt bei. Zugleich gewährleistet die gleichzeitige Zuordnung der gesetz-lichen Verhaltensregeln zum Privatrecht einen zusätzlichen Mechanismus zur Beseitigung der Beeinträchtigungen der Rechte und legitimen Interessen der An-leger und verschafft ihnen eine zusätzliche Anspruchsgrundlage für das Verlan-gen von Schadensersatz oder Konventionalstrafe. Auf der zweiten Ebene, ähnlich wie im deutschen Recht, befinden sich die ver-traglichen Verhaltensregeln, die im Vertrag auf Grundlage der in erster Linie im ZGB enthaltenen Bestimmungen festgelegt werden. Der Anwendungsbereich dieser Regeln erstreckt sich über die professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts hinaus, und erfasst alle auf dem Wertpapiermarkt tätigen Unterneh-men, einschließlich der reinen Anlageberater. Diese Verhaltensregeln dienen unmittelbar dem Schutz einzelner Anleger. Zu diesen zwei Ebenen des Anlegerschutzes, die, wie bereits erwähnt, auch dem deutschen Recht bekannt sind, kommt in Russland noch eine dritte Ebene des Anlegerschutzes hinzu. Diese wird durch die Einführung der Selbstregulie-rungseinrichtungen und ihre Versorgung mit weitgehenden Regulierungs- und Durchsetzungsbefugnissen errichtet. Die Selbstregulierungseinrichtungen tragen sowohl zur Erhöhung des Anlegerschutzniveaus auf dem Wertpapiermarkt als auch zur Liberalisierung seiner Regulierung und Entlastung der staatlichen Auf-sichtsorgane bei. III. Anwendungsbereich der Verhaltensregeln Der Anwendungsbereich der gesetzlichen Verhaltens- und Organisationsregeln ist deckungsgleich mit dem Anwendungsbereich des WpMG und erfasst grund-

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sätzlich die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts und den Handel mit Emissionswertpapieren. In diesem Zusammenhang soll zunächst auf den Begriff „professioneller Teilnehmer des Wertpapiermarkts“ eingegangen wer-den. Insbesondere soll bestimmt werden, wer als professioneller Teilnehmer des Wertpapiermarkts tätig werden darf, inwiefern Marktintermediäre als professio-nelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts zu qualifizieren sind und dadurch den Verhaltens- und Organisationsregeln sowie den Solvenzanforderungen, deren Einhaltung die FWpMK beaufsichtigt, unterstellt sind. Sodann wird der Begriff „Emissionswertpapiere“ sowie die Anforderungen an ihre Zulassung und ihren Umlauf insofern erläutert, als es für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Verhaltensregeln wesentlich ist. 1. Begriff des „professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts“ nach russischem Recht Der Begriff „professioneller Teilnehmer des Wertpapiermarkts“ ist in Art. 2 Abs. 18 WpMG definiert. Diese Definition wurde durch das Gesetz vom 28.12.2002 wesentlich geändert. Nach der vorherigen Fassung des WpMG wur-den durch diesen Begriff sowohl juristische Personen als auch Unternehmer (ü-ber die entsprechende Registrierung verfügende natürliche Personen), die eine professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt gemäß Kapitel 2 WpMG aus-üben,371 erfasst. Der geänderte Gesetzestext erfasst unter den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts nunmehr ausschließlich juristische Perso-nen. a) Ausübung der professionellen Tätigkeit nur durch juristische Personen Im Hinblick auf die aktuelle Änderung des Art. 2 Abs. 18 WpMG stellt sich die Frage, ob durch die neue Fassung des Gesetzes eine Regulierungslücke entstan-den ist, auf Grund derer natürliche Personen erlaubnisfrei auf dem Wertpapier-markt tätig werden dürfen. Eine Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt als Broker, Vermögensverwalter oder Anlageberater entspricht nach der Definition des Art. 2 Nr. 1 Abs. 3 ZGB den

371 Siehe ausführlich auf S.120, c) Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpa-

piermarkt.

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Kriterien der unternehmerischen Tätigkeit.372 Diese darf entweder durch juristi-sche Personen oder durch natürliche Personen, die gemäß Art. 23 Nr. 1 ZGB da-für einer Registrierung als Unternehmer bedürfen (siehe Art. 23 Nr. 1 ZGB, Er-lass Nr. 1482 sowie Gesetz über Registrierungsgebühr als Unternehmer) ausge-übt werden. Allerdings ist eine Registrierung als Unternehmer für die Ausübung mancher Tätigkeiten unzureichend. Gemäß Masevič ist eine Registrierung als Unterneh-mer an eine bestimmte Art der Tätigkeit geknüpft.373 Sollte eine solche Tätig-keitsart erlaubnispflichtig sein, setzt die Registrierung einer natürlichen Person als Unternehmer das Erhalten einer solchen Erlaubnis voraus.374 Die Anlagebe-ratung gehört nicht zu den erlaubnispflichtigen Tätigkeitsarten nach Kapitel 2 WpMG. Das bedeutet, dass die Anlageberatung keine professionelle, sondern lediglich eine unternehmerische Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt darstellt und daher durch natürliche Personen auf Grund einer einfachen Registrierung als Unternehmer ohne Erlaubnis des professionellen Teilnehmers des Wertpa-piermarkts ausgeübt werden darf.375 Gleichwohl stellen Brokertätigkeit und Vermögensverwaltung nach dem WpMG erlaubnispflichtige Tätigkeitsarten dar. Da gemäß der aktuellen Fassung des Art. 2 Abs. 18 WpMG eine Erlaubnis zur Ausübung der Brokertätigkeit oder Vermögensverwaltung lediglich einer juristi-schen Person erteilt werden darf, wird den natürlichen Personen, die Broker- o-der Vermögensverwaltungsdienstleistungen auf dem Wertpapiermarkt erbringen

372 Lediglich auf Vermögensverwaltung, die nicht der Gewinnerzielung dient, sondern

nur als Verwaltung des anvertrauten Vermögens Dritter, z.B. eines Minderjährigen er-folgt, trifft das nicht zu.

373 Masevič in Sadikov/Kommentar zum ZGB, Art. 23 Rdnr. 2. 374 Vgl. Art. 23 Nr. 3, Art. 49 Nr. 1 Abs. 3 und Nr. 3 Abs. 2 ZGB; Masevič in Sadi-

kov/Kommentar zum ZGB, Art. 23 Rdnr. 2. 375 Siehe S. 120c) Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt, c) Arten

der professionellen Tätigkeit. Gryzunov/Podol’skij, Hozjajstvo i pravo Nr. 3 (1997), S. 113, weisen auf die Unterschiede zwischen der „unternehmerischen“ und „professi-onellen“ Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt sowie auf die Lücken, die durch man-gelnde Regulierung der unternehmerischen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ent-standen sind, hin. Sie kommen allerdings zum Schluss, dass jede unternehmerische Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt, einschließlich der Beratungstätigkeit, schon nach der jetzigen Fassung des WpMG als eine professionelle Tätigkeit anzusehen ist und der Erlaubnispflicht unterliegt. Fisenko, Hozjajstvo i pravo Nr. 11 (1997), S. 130, be-streitet diese Meinung. Nach seiner Auffassung ist lediglich die unternehmerische Tä-tigkeit auf dem Wertpapiermarkt, die im WpMG als professionelle Tätigkeit ausge-führt wurde, erlaubnispflichtig. Sollte man dieser Ansicht folgen, bedeutet das, dass nicht nur die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts den Anlegern Bera-tungsdienstleistungen anbieten können. Mir scheint diese Meinung völlig berechtigt zu sein. Ähnlich Brief des Finanzministeriums Nr. 04-06-02/04, Abs. 8.

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wollen, eine Registrierung als Unternehmer mangels der entsprechenden Er-laubnis verweigert. Da die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit durch ei-ne natürliche Person ohne Registrierung rechtswidrig ist, heißt dass, das natürli-che Personen grundsätzlich keine Broker- oder Vermögensverwaltungsdienst-leistungen erbringen dürfen.376 Die Beschränkung des Kreises der Personen, die eine professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt, einschließlich der Brokertätigkeit und der Vermö-gensverwaltung, ausüben dürfen, auf juristische Personen, ist erforderlich, um die professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt den Solvenzanforderun-gen unterstellen zu können.377 Die Gewährleistung der ausreichenden Kapitali-sierung der auf dem Wertpapiermarkt tätigen Unternehmen dient der Sicherstel-lung der Stabilität und Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts und wirkt des-wegen positiv auf den Schutz der Anleger. Die Zulässigkeit der Erbringung von Anlageberatungsdienstleistungen durch ju-ristische sowie natürliche Personen (Unternehmer) ohne Erlaubnis des professi-onellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts – die infolgedessen weder den Sol-venzanforderungen entsprechen müssen, noch der staatlichen Aufsicht unterlie-gen – stellt eine Lücke im Anlegerschutz dar, weil der Anleger das Risiko der Insolvenz des Anlageberaters tragen muss. Diese Lücke soll dadurch geschlos-sen werden, dass die Anlageberatung ins WpMG unter den Arten der professio-nellen Tätigkeit aufgenommen und die Anlageberater der Erlaubnispflicht unter-stellt werden. Ein weiterer Mangel des Anlegerschutzes, der auch durch die Aufnahme der Beratungspflicht in den Katalog der erlaubnispflichtigen Tätig-keiten beseitigt werden könnte, stellt die fehlende Anwendung der gesetzlichen Verhaltens- und Organisationsregeln auf die Anlageberater dar. Dieser Mangel wird allerdings durch das Privatrecht zum Teil behoben. b) Erlaubnispflicht Die Ausübung der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ohne Er-laubnis ist gemäß Art. 51 Nr. 6 Abs. 1 WpMG unzulässig.378 Sollte die FWpMK feststellen, dass jemand professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ohne 376 Vgl. Homenko, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 2; Vajpan, S. 5. 377 Vgl. Masevič in Sadikov/Kommentar zum ZGB, Art. 23 Rdnr. 5. Eine natürliche Per-

son kann nicht den Mindestkapitalanforderungen unterstellt werden, da sie das Eigen-tum an dem zum Zwecke der unternehmerischen Tätigkeit verwendeten Vermögen behalten darf.

378 Vgl. Golubkov, Zakon Nr. 6 (1997), S. 27; Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 4.

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Erlaubnis ausübt, darf sie nach Art. 51 Nr. 6 Abs. 2 WpMG Informationen über die unerlaubte Ausübung der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt in der Presse veröffentlichen, Maßnahmen zur Unterbindung einer solchen Tä-tigkeit ergreifen sowie verlangen, dass die Personen, die die professionelle Tä-tigkeit auf dem Wertpapiermarkt ohne Erlaubnis ausüben, sich um das Erhalten der Erlaubnis innerhalb der durch die FWpMK dafür gesetzten Frist bemühen. Sollte das Unternehmen innerhalb einer solchen Frist keine Erlaubnis erhalten haben, darf die FWpMK in einem Gerichtsverfahren die Zwangsauflösung eines solchen Unternehmens verlangen. Die FWpMK kann auch im Gerichtsverfahren die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Sanktionen auf die Geschäftsführung ei-nes solchen Unternehmens sowie die Beschlagnahmung der durch diese Tätig-keit erwirtschafteten Erträge beantragen. In der Russischen Föderation dürfen auch Kreditinstitute eine professionelle Tä-tigkeit auf dem Wertpapiermarkt ausüben. Insofern kann man davon sprechen, dass Russland das deutsche Universalbanksystem übernommen hat.379 Es beste-hen allerdings einige Unterschiede. Z.B. darf ein russisches Kreditinstitut auf Grund seiner Banklizenz nicht als Marktintermediär tätig werden, sondern muss zu diesem Zweck eine Erlaubnis als professioneller Teilnehmer des Wertpa-piermarkts gemäß Art. 39 WpMG erhalten. Bei der Ausübung der entsprechen-den Tätigkeit unterliegt es der Beaufsichtigung durch die FWpMK.380 c) Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt Wie bereits erwähnt, knüpft der Begriff „professioneller Teilnehmer des Wert-papiermarkts“ an den Begriff „professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapier-markt“ an. Letztere wird allerdings im WpMG nicht definiert. In der Rechtslite-ratur wird das Fehlen der Definition dieses Begriffs kritisiert und in einigen Fäl-len ein Versuch unternommen, diesen zu definieren.381 So definiert Golubkov die professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt als „die Gesamtheit der selbständigen, juristisch bedeutsamen Handlungen und Geschäfte der professio-nellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts, die sie auf professioneller Basis re-gelmäßig auf eigenes Risiko ausführen und die auf die Organisation und Auf-rechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts auf Grundlage der

379 Vgl. Matycin, Bankovskoje pravo Nr. 1 (2002), S. 43 ff. 380 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 24. 381 Vgl. Gryzunov/Podol’skij, Hozjajstvo i pravo Nr. 3 (1998), S. 110 ff.; Fisenko, Hosja-

jstvo i pravo Nr. 11 (1997), S. 130.

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wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Maßnahmen gerichtet sind und damit positive wirtschaftliche Ergebnisse erzielen sollen“.382 Grundsätzlich zählt das WpMG zur professionellen Tätigkeit auf dem Wertpa-piermarkt die folgenden Tätigkeitsarten: Brokertätigkeit (Art. 3 WpMG), Dea-lertätigkeit (Art. 4 WpMG), treuhänderische Verwaltung von Wertpapieren (Art. 5 WpMG), Bestimmung von gegenseitigen Verbindlichkeiten (Clearing, Art. 6 WpMG), Depositartätigkeit (Art. 7 WpMG), Führung eines Registers der Wertpapierinhaber (Art. 8 WpMG) und Organisation des Handels auf dem Wertpapiermarkt (Art. 9 WpMG). Diese Dissertation befasst sich mit Verhal-tens- und Organisationsregeln, die auf diejenigen professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts Anwendung finden, die als Vermittler auftreten und den Anlegern Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen. Vermittlungstätigkeit wird im Rahmen der Brokertätigkeit sowie der Tätigkeit der treuhänderischen Verwal-tung durchgeführt. Diese Tätigkeitsarten werden jeweils durch Broker und Ver-mögensverwalter – die in dieser Dissertation auch als Marktintermediäre be-zeichnet werden – ausgeübt.383 Gemäß Art. 3 Abs. 1 WpMG ist mit Brokertätigkeit der Abschluss von Geschäf-ten384 mit Wertpapieren im fremden Namen und für fremde Rechnung (nämlich für den Kunden, der sowohl ein Anleger als auch ein Emittent sein kann) oder im eigenen Namen und für fremde Rechnung auf Grund eines mit dem Kunden geschlossenen Vertrages gemeint.385 Zusätzlich zu dieser Haupttätigkeit unter-nimmt der Broker nach Ziff. 3.2. der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit die folgenden Handlungen: (1) Er verwahrt, verfügt über und er-fasst die Kundengelder gesondert, die für die Anlage in die Wertpapiere be-stimmt sind oder ihm nach dem Verkauf der Wertpapiere zufließen, solange dies im Vertrag mit dem Kunden vorgesehen ist, (2) überzeugt sich von der Hand-lungsfähigkeit des Privatanlegers, (3) überprüft die Befugnisse der Vertreter der juristischen Personen, deren Interessen zu vertreten und für sie verbindliche Ge-schäfte abzuschließen, (4) berät die Anleger über den Wertpapiererwerb und an-dere Investitionsarten, (5) tritt als Mitglied eines Emissionskonsortiums auf und (6) erkundigt sich über die finanzielle Lage und die Anlageziele des Anlegers 382 Golubkov, S. 12. 383 Vgl. Teljukina, Zakonodatel’stvo Nr. 4 (2001), S. 70. 384 Gemäß Art. 153 ZBG werden als „Geschäfte“ Handlungen bezeichnet, die sich auf die

Einräumung, Änderung und Auflösung der zivilvertraglichen Rechte und Pflichten richten.

385 Diese Tätigkeit ähnelt jeweils der Tätigkeit des Abschlussvermittlers (oder des Anla-gevermittlers, wenn der Broker als Mitglied des Emissionskonsortiums auftritt und den Emittenten vertritt) und des Kommissionärs nach deutschem Recht. Vgl. 85, II. Anwendungsbereich der Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG.

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insofern, als ihm dies bei der richtigen und rechtzeitigen Erfüllung seiner Ver-pflichtungen gegenüber dem Kunden behilflich sein kann. Nach Nr. (4) zählt al-so auch die Anlageberatung zu den durch den Broker erbrachten Dienstleistun-gen.386 Da die Broker den gesetzlichen Verhaltensregeln unterstellt sind, finden diese auch auf die Beratungstätigkeit der Broker Anwendung, während die rei-nen Anlageberater lediglich den privatrechtlichen Verhaltensregeln unterliegen. Die Tätigkeit der treuhänderischen Verwaltung von Wertpapieren (Vermögens-verwaltung) erfasst gemäß Art. 5 Abs. 1 WpMG die entgeltliche Verwaltung in-nerhalb einer bestimmten Frist im Interesse des Eigentümers oder des von dem Eigentümer genannten Dritten durch eine juristische Person auf Grund eines Vertrages im eigenen Namen der (1) ihr in ihren Besitz übergebenen Wertpapie-re, (2) Gelder, die für die Anlage in die Wertpapiere bestimmt sind,387 sowie (3) der Wertpapiere und Gelder, die im Laufe der Verwaltung erwirtschaftet wur-den.388 Da sowohl die Brokertätigkeit als auch die Tätigkeit der treuhänderischen Ver-mögensverwaltung im WpMG der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpa-piermarkt zugeordnet sind, dürfen sie lediglich durch juristische Personen aus-geübt werden, die über die entsprechende Erlaubnis verfügen, den Verhaltens- und Organisationsregeln sowie den Solvenzanforderungen unterliegen und durch die FWpMK in Bezug auf die Einhaltung vorgenannter Erfordernisse be-aufsichtigt werden. Durch die Auferlegung der gesetzlichen Anforderungen an die Solvenz und an das Verhalten der professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts sowie die Sicherstellung ihrer Durchsetzung mittels staatlicher Kon-trolle gewährleistet der russische Gesetzgeber die Stabilität und Funktionsfähig-keit des Wertpapiermarkts. Wie aus den gesetzlichen Definitionen der Brokertätigkeit und der Tätigkeit der treuhänderischen Vermögensverwaltung ersichtlich ist, wird bei der Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen vom Abschluss eines Vertrages mit einem Anleger ausgegangen. Solche Verträge unterliegen den Vorschriften des ZGB,

386 Siehe Fn. 359. 387 In der russischen Rechtsliteratur wird darauf hingewiesen, dass die treuhänderische

Verwaltung der Gelder sowie die Normativakte der FWpMK, die die damit verbunde-nen Fragen regeln, dem ZGB widersprechen. Vgl. Vitrjanskij, Hozjajstvo i pravo Nr. 10 (2001), S. 31 f. und 34. Siehe auch Fn. 358. Auf diese Frage wird hier aller-dings nicht näher eingegangen, da diese Diskussion wegen des heutigen Stands der Praxis nur auf der theoretischen Ebene geführt werden kann.

388 Diese Tätigkeit entspricht grundsätzlich der in § 2 Abs. 3 Nr. 6 WpHG definierten Fi-nanzportfolioverwaltung. Siehe S. 85, II. Anwendungsbereich der Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG.

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die die entsprechenden Vertragsarten regeln und u.a. privatrechtliche Verhal-tenspflichten enthalten.389 Auf diese Weise stellt das WpMG eine Verbindung zwischen den gesetzlichen und vertraglichen Verhaltenspflichten her. d) Zwischenergebnis Der Anwendungsbereich des WpMG ist sehr weitgehend und lässt kaum noch Raum für eine Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt, die nicht der professionellen Tätigkeit zugewiesen wird. Eine dieser wenigen Ausnahmen stellt die Erbrin-gung von Beratungsdienstleistungen durch reine Anlageberater dar.390 Das führt zu einer Lücke in der gesetzlichen Regulierung, die in Bezug auf Verhaltensre-geln zum Teil durch das Privatrecht aufgefangen wird. Gleichwohl unterliegen die Anlageberater weder den Mindestkapitalanforderungen noch der staatlichen Aufsicht, die sie auf Solvenz beaufsichtigt. Es ist sowohl zum Zwecke des An-legerschutzes als auch der Gewährleistung der Stabilität und der Funktionsfä-higkeit des Wertpapiermarkts erforderlich, dass die Anlageberatung in den im WpMG enthaltenen Katalog der Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt aufgenommen und der Broker- und Vermögensverwaltertätig-keit gleichgestellt wird. 2. Emissionswertpapiere Die professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt betrifft lediglich Geschäf-te mit den Wertpapieren, die durch das WpMG erfasst sind. Zu diesen gehören grundsätzlich die Emissionswertpapiere.391 Als solche werden diejenigen Wert-papiere (einschließlich der unverbrieften Wertpapiere) bezeichnet, die gemäß Art. 2 Abs. 1 WpMG den folgenden Kriterien entsprechen: - Das Wertpapier verbrieft eine Gesamtheit von Vermögens- und Nicht-

vermögensrechten, die der Beurkundung, Abtretung und unbedingten Gel-

389 Siehe S. 110, b) ZGB und Verträge als Quellen der privatrechtlichen Verhaltensregeln 390 Während die Anlageberater bei der Ausübung der Beratungstätigkeit die gesetzlichen

Verhaltensregeln nicht beachten müssen, sind die Broker, die Beratungsdienstleistun-gen erbringen, an ihre Einhaltung gebunden.

391 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999) S. 16 ff.; Homenko, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 1 und 4 f.; Juldašbaeva, S. 67 ff.; Vajpan, S. 3 f. Das WpMG findet auch auf die Wertpapiere Anwendung, die keine Emissionswertpapiere sind, wenn das im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Diese Fälle kommen sehr selten vor. Sie stellen eher eine Ausnahme dar und werden in dieser Dissertation nicht be-rücksichtigt.

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tendmachung unter Wahrung der durch das WpMG aufgestellten Formen und Verfahren unterliegen;

- Das Wertpapier wird durch Emission in Umlauf gesetzt; - Der Umfang und die Frist zur Geltendmachung der Rechte sind für alle

innerhalb einer Emission ausgegebenen Wertpapiere gleich, unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs des Wertpapiers.

Die Definition eines Emissionswertpapiers ist sehr breit gefasst und schließt alle Wertpapiere ein, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden.392 Sie lässt sogar die Möglichkeit offen, neue Anlageprodukte, sobald solche auf dem Kapital-markt erscheinen, dem WpMG zu unterstellen.393 Die Wertpapiere, die durch das WpMG nicht erfasst sind und seiner Regulierung nicht unterliegen, dürfen den Anlegern nicht angeboten und auf dem Wertpapiermarkt nicht gehandelt werden.394 Die Emissionswertpapiere unterliegen der staatlichen Registrierung durch die FWpMK.395 Diese fordert eine Offenlegung der im WpMG sowie in den Norma-tivakten der FWpMK festgelegten Informationen sowohl über die Wertpapiere als auch über ihren Emittenten, die durch die FWpMK überprüft werden. Sollten diese Informationen nicht wahrheitsgemäß erfolgen, kann die FWpMK die Re-gistrierung der Emission ablehnen (Art. 21 Abs. 1 Spiegelstr. 5 WpMG) oder anhalten oder die Emission für ungültig erklären (Art. 26 Abs. 4 WpMG).396 Auf

392 Der in Art. 142 ZGB begründete Begriff „Wertpapiere“ geht über die in Art. 2 Abs. 1

WpMG definierten Emissionswertpapiere hinaus. Zusätzlich zu den Emissionswertpa-pieren nach WpMG erfasst er die in Art. 143 ZGB genannten Typen der Wertpapiere, zu denen u.a. Staatsanleihen, Anleihen, Wechsel, Schecks, Deposit- und Sparzertifika-te, Inhabersparbuch, Konnossement, Aktie, Privatisierungswertpapiere gehören. Vgl. Juldašbaeva, S. 67 ff.

393 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999) S. 14; Juldašbaeva, S. 67 ff.; Jakovlev, S. 11.

394 Ausführlich auf S. 273, II. Geschäfte mit Dokumenten, die keine Wertpapiere sind. 395 Bis auf wenige Ausnahmefälle dürfen die Wertpapiere, die nicht registriert wurden,

auf dem Wertpapiermarkt weder angeboten oder veräußert noch gehandelt werden. Vgl. Sinenko, S. 81 ff.; Šelenkov, Zakonodatel’stvo i ėkonomika Nr. 12 (2001), S. 34; Vajpan, S. 25 und 37 ff. Ausführlich auf S. 270, I. Geschäfte mit Wertpapieren vor de-ren Registrierung.

396 Vgl. Jakovlev, S. 35 ff.; Treušnikov, S. 197 ff.; Vajpan, S. 33 ff. Die Personen, die be-wusst falsche Informationen in den Emissionsprospekt aufnehmen, unterliegen sogar einer strafrechtlichen Haftung gemäß Art. 185 Strafgesetzbuch. Diese Haftungsgrund-lage betrifft nicht nur die Mitarbeiter des Emittenten, sondern auch die Mitarbeiter des

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diese Weise schützt das WpMG die Anleger und stellt sicher, dass die ihnen für ihre Anlageentscheidung mitgeteilten Informationen über die Wertpapiere und ihre Emittenten zuverlässig und wahr sind und dass die Wertpapiere und deren Emittenten die gesetzlichen Anforderungen, die die finanzielle Stabilität des Emittenten belegen und den Anlegern die Ausübung der ihnen aus den Wertpa-pieren zugute kommenden Rechte garantieren, erfüllen. Diese Offenlegungs-pflichten des Emittenten sind für diese Dissertation insofern interessant, als sie die Grundlage für die Informationspflichten der Marktintermediäre darstellen. Grundsätzlich verfolgt der Gesetzgeber mit der Unterstellung der auf dem Wert-papiermarkt gehandelten Wertpapiere unter die gesetzliche Regulierung und staatliche Aufsicht das Ziel, die Anleger vor Verlusten aus den Anlagen in „Sur-rogatwertpapieren“ zu schützen, die nicht ausreichend durch Vermögen des E-mittenten gedeckt sind, bei deren Emittenten das Risiko der mangelnden Sol-venz zu hoch ist oder die den Anlegern nicht die Ausübung der ihnen aus sol-chen Wertpapieren zugute kommenden Rechte gewährleisten (z.B. das Recht, Dividenden zu erhalten).397 3. Zwischenergebnis Die Unterstellung der Tätigkeit aller auf dem Wertpapiermarkt gehandelten Wertpapiere unter das WpMG bedeutet, dass sie bzw. ihre Emittenten den ge-setzlichen Anforderungen sowie der staatlichen Aufsicht unterstellt werden. Da-durch wird eine Informationsoffenlegung und ausreichende Deckung durch das Vermögen des Emittenten sichergestellt. Die Unterstellung sowohl der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts als auch der Emissionswertpapiere unter bestimmte Anforderungen und unter die staatliche Beaufsichtigung, die sie auf Einhaltung dieser Anforderungen ü-berwacht, zielt darauf ab, dem Anleger Zugang zu wahren und aktuelle Informa-tionen über die Wirtschaftlichkeit seiner Anlage zu gewähren, den Marktinter-mediär davon abzuhalten, die Unterlegenheit des Anlegers auszunutzen sowie damit dem Anleger einen Ausgleich für das Fehlen des Zugangs zum Wertpa-

professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts, wenn diese den Prospekt unter-schrieben haben. Vgl. Tjunin, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 4 f.

397 Vgl. Homenko, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 1. Sinenko, S. 87, nennt die Registrierung der Wertpapiere vor deren Veräußerung als ein Beispiel der öffent-lich-rechtlichen Regulierung, die auf dem Gebiet des Privatrechts mit dem Ziel auf-tritt, die Teilnehmer der privatrechtlichen Verhältnisse (bzw. Anleger als schwächere Partei des Wertpapierkaufvertrages) vor durch Emittenten oder professionelle Teil-nehmer des Wertpapiermarkts erzeugten Missständen zu schützen. Siehe auch Fn. 312.

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piermarkt zu ermöglichen.398 Dies stellt das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarkts in Russland sicher und trägt erheblich zur Stärkung des Vertrau-ens der Anleger in seine Teilnehmer, ihre Praktiken und die auf dem Wertpa-piermarkt angebotenen Finanzinstrumente bei.399 IV. Aufsicht Die Einhaltung der gesetzlichen Verhaltens- und Organisationsregeln wird durch das vom Gesetzgeber errichtete Aufsichtsorgan (die FWpMK)400 beaufsichtigt und durchgesetzt. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die FWpMK damit entlastet und die staatliche Kontrolle des Wertpapiermarkts dadurch weitgehend liberali-siert, dass er einige Funktionen der FWpMK, einschließlich der Entwicklung und Durchsetzung der Verhaltens- und Organisationsregeln, zum Teil den Selbstregulierungseinrichtungen übertragen hat. Unten wird zunächst auf die aufsichtsrechtlichen Funktionen und die Befugnisse der FWpMK eingegangen. Sodann werden die Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teil-nehmer des Wertpapiermarkts dargestellt und insbesondere deren Rolle bei der Überwachung und Durchsetzung der Verhaltenspflichten der Marktintermediäre erörtert. 1. Föderale Wertpapiermarktkommission Art. 40 WpMG sieht die Errichtung eines föderalen exekutiven Organs vor, zu dessen Aufgaben die Durchsetzung der staatlichen Politik auf dem Kapitalmarkt sowie die Beaufsichtigung der Tätigkeit der professionellen Teilnehmer des Wertpapierpapiermarktes gehört.401 Der Präsident der Russischen Föderation hat durch Erlass Nr. 1009 die Verordnung über die FWpMK verabschiedet und da-mit das in Art. 40 WpMG vorgesehene föderale exekutive Organ, nämlich die FWpMK, errichtet. Nr. 1 der Verordnung über die FWpMK geht über die in

398 Vgl. Semenkova, S. 259. 399 Vgl. Ikonnikov/Filatov, Rynok cennyh bumag, www.rcb.ru, S. 2 400 Ab dem 5.7.2004 wurde durch Erlass Nr. 314 die FWpMK abgeschafft und der Föde-

rale Finanzmärktedienst errichtet. Auf diesen wurden die Aufgaben und Befugnisse der FWpMK, einschließlich des Rechts., Normativakte zu erlassen, übertragen. Vgl. Verordnung Nr. 317, Nr. 5, 6 und 7. Da die Gesetzgebung noch nicht entsprechend geändert wurde und sich durchgehend auf die FWpMK bezieht, wird hier das föderale exekutive Organ, das die staatliche Politik auf dem Kapitalmarkt durchsetzt, als FWpMK bezeichnet.

401 Vgl. Kamynin, Zakonnost’ Nr. 7 (2002), S. 8; Karatujev, Zakonodatel’stvo i ėkonomika Nr. 4 (1998), S. 23.

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Art. 40 WpMG begründeten Aufgaben der FWpMK hinaus und ergänzt diese um die Durchsetzung der Rechte der Investoren, der Aktieninhaber und der An-leger. Art. 38 Abs. 1 Spiegelstr. 4 WpMG erklärt die Errichtung des Systems zum Schutz von Rechten der Inhaber der Wertpapiere und zur Kontrolle der Beach-tung dieser Rechte seitens der Emittenten und der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts zum Regelungsziel des WpMG. Gemäß Art. 40 Abs. 1 WpMG wird dieses Ziel durch die FWpMK verwirklicht. Zu diesem Zweck soll die FWpMK u.a. die Tätigkeit der Marktintermediäre regeln und überwachen. Die FWpMK ist auch befugt, aufgedeckten Missständen entgegenzuwirken. Art. 42 WpMG konkretisiert die Aufgaben, die der FWpMK in diesem Zusam-menhang auferlegt wurden, während Art. 44 WpMG durch Gewährung der ent-sprechenden Rechte sicherstellt, dass die FWpMK ihren Aufgaben nachkommen kann.402 Dementsprechend ist die FWpMK u.a. befugt: - die einheitlichen Anforderungen an die Regeln der Ausübung der profes-

sionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt zu erarbeiten und festzule-gen (Art. 42 Abs. 1 Nr. 3 WpMG; Nr. 4c der Verordnung über die FWpMK). Zu diesen zählen in erster Linie die Verhaltensregeln, die die ethischen Anforderungen an die Marktintermediäre aufstellen, die Organi-sationsregeln, d.h. die Eigenkapitalanforderungen, Anforderungen an die Professionalität der Führungskräfte und der Mitarbeiter des professionel-len Teilnehmers des Wertpapiermarkts sowie andere Anforderungen, die die Senkung der Risiken der Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt bezwe-cken (Art. 44 Abs. 1 Nr. 3 WpMG; Nr. 9c der Verordnung über die FWpMK).

- zwingende Anforderungen an Geschäfte mit Wertpapieren aufzustellen

sowie in Zusammenarbeit mit dem Ministerium der Finanzen der Russi-schen Föderation die Regeln der Rechnungslegung und der Berichterstat-tung der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts zu bestimmen (Art. 42 Abs. 1 Nr. 4 WpMG; Nr. 4d der Verordnung über die FWpMK).

- das Verfahren zur Erteilung der Erlaubnisse festzulegen und die Erlaub-

nisse zur Durchführung verschiedener Arten der professionellen Tätigkei-ten auf dem Wertpapiermarkt zu erteilen403 sowie diese Erlaubnisse vorü-

402 Eine weitere Konkretisierung der Aufgaben und Rechte der FWpMK erfolgte in der

Verordnung über die FWpMK. 403 Die FWpMK erteilt die Erlaubnisse entweder selbst oder durch die von ihr bevoll-

mächtigten Behörden (Art. 42 Abs. 1 Nr. 7 und Art. 44 Abs. 1 Nr. 1 WpMG). Wann

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bergehend auszusetzen und zu entziehen, wenn deren Inhaber gegen die Vorschriften der Gesetzgebung der Russischen Föderation verstoßen (Art. 42 Abs. 1 Nr. 6 WpMG; Nr. 4f und Nr. 9d der Verordnung über die FWpMK).404 Da die Aussetzung oder der Entzug der Erlaubnis die Ein-stellung der Tätigkeit des professionellen Teilnehmers zur Folge hat, was dramatische Konsequenzen für seine Solvenz sowie die Stabilität des Ka-pitalmarkts haben kann, hat der Gesetzgeber diesem Recht der FWpMK Grenzen gesetzt. Die FWpMK darf von diesem Recht nur dann Gebrauch machen, wenn der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts in-nerhalb eines Jahres mehrfach405 gegen die Gesetzgebung der Russischen Föderation über Wertpapiere verstoßen hat (Art. 44 Abs. 1 Nr. 4 WpMG).406 Die FWpMK führt auch ein Register der erteilten, ausgesetz-ten und entzogenen Erlaubnisse (Art. 42 Abs. 1 Nr. 18 WpMG; Nr. 4q der Verordnung über die FWpMK).

- das Verfahren zur Erteilung der Erlaubnisse festzulegen, diese den Selbst-

regulierungseinrichtungen zu erteilen und ein Register der Selbstregulie-rungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts zu führen sowie die entsprechenden Erlaubnisse zu entziehen, wenn die Selbstregulierungseinrichtung gegen die Vorschriften der Gesetzgebung der Russischen Föderation oder Standards und Anforderungen, die durch die FWpMK erstellt worden sind, verstoßen hat (Art. 42 Abs. 1 Nr. 8

immer in dieser Dissertation von der Erlaubnis der FWpMK gesprochen wird, sind auch die durch die von ihr bevollmächtigten Behörden erteilten Erlaubnisse gemeint.

404 Vgl. Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’ predprinimatelja Nr. 10 (1998), S. 34 ff. Treušnikov, S. 27 ff., kritisiert den Gesetzgeber dafür, dass er im WpMG keine Rege-lung zu den rechtlichen Folgen des Entzuges bzw. der Aussetzung der Erlaubnis des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts getroffen hat.

405 Die FWpMK darf nach der Änderung des WpMG die Erlaubnis des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts wegen „grober“ Verstöße nicht mehr entziehen (Nr. 9d der Verordnung über die FWpMK). Vgl. Treušnikov, S. 27. Siehe auch Wirt-schaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, Entscheidung Nr. KG-A40/318-00, v. 16.2.2000, www.consultant.ru/full, S. 2; Wirtschaftsgericht des Mos-kauer Bezirks, Berufungsinstanz, Entscheidung Nr. KG-A40/4261-99, v. 27.12.1999, www.consultant.ru/full, S. 2.; Wirtschaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsin-stanz, Entscheidung Nr. KG-A40/182-99, v. 15.2.1999, www.consultant.ru/full, S. 2.

406 Diese Bestimmung steht in Widerspruch zu Art. 4 Nr. 3 ASchG, der den Entzug oder die Aussetzung der Erlaubnis für (einmalige) Verstöße gegen Art. 4 Nr. 1 (Angebot der Wertpapiere von Emittenten, die ihren Offenlegungspflichten nicht ordnungsge-mäß nachkommen) und Nr. 2 (Abschluss von Verträgen mit Anlegern, die Letztere schlechter als nach dem Gesetz stellen) ASchG vorsieht. Die Vorschriften des ASchG stellen spezielle Rechtsnormen dar und sind nach russischer Rechtsmethodik vorran-gig.

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WpMG; Nr. 4i und Nr. 9e der Verordnung über die FWpMK). Aus den in der Gesetzgebung der Russischen Föderation vorgesehenen Gründen darf die FWpMK die Erteilung der Erlaubnis an eine Selbstregulierungsein-richtung verweigern oder die bereits erteilte Erlaubnis entziehen (Art. 44 Abs. 1 Nr. 5 WpMG).407 Die FWpMK ist verpflichtet, die Informationen darüber zu veröffentlichen.

- die Einhaltung der Vorschriften der Gesetzgebung der Russischen Födera-

tion sowie der Standards und der Anforderungen, die durch die FWpMK erstellt worden sind, einschließlich der Verhaltens- und Organisationsre-geln der Marktintermediäre durch die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts und deren Selbstregulierungseinrichtungen zu überwa-chen (Art. 42 Abs. 1 Nr. 10 WpMG; Nr. 4k und 9f der Verordnung über die FWpMK).408 Zu diesem Zweck ist die FWpMK befugt, Verfahren der Prüfungen der Emittenten, der professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts sowie deren Selbstregulierungseinrichtungen zu bestimmen, die Prüfungen alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen föderalen exe-kutiven Organen vorzunehmen, sowie die Inspekteure, die ihre Tätigkeit überwachen, zu ernennen und zu entlassen (Art. 44 Abs. 1 Nr. 6 WpMG). Die FWpMK darf von den Emittenten, den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts und deren Selbstregulierungseinrichtungen die Vor-lage der Dokumente verlangen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben er-forderlich sind (Art. 44 Abs. 1 Nr. 7 WpMG). Sie ist weiter befugt, Miss-ständen entgegen zu wirken und den Emittenten, den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts und deren Selbstregulierungseinrich-tungen Weisungen zu erteilen, die für diese zwingend sind (Art. 44 Abs. 1 Nr. 7 WpMG; Nr. 9g der Verordnung über die FWpMK).

- sicherzustellen, dass Informationen über die registrierten Wertpapiere, die

professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts und deren Regulierung offen gelegt werden, und dafür zu sorgen, dass ein für die Öffentlichkeit zugängliches System der Offenlegung von Informationen errichtet wird (Art. 42 Abs. 1 Nr. 12 und Nr. 13 WpMG; Art. 8 und Art. 9 ASchG; Nr. 4l und 4m der Verordnung über die FWpMK).

- Qualifikationsanforderungen an die Führungskräfte und die Mitarbeiter

der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts festzulegen und zu kontrollieren, ob sie diesen Anforderungen entsprechen (Art. 42 Abs. 1

407 Zu den Gründen des Entzugs der Erlaubnis einer Selbstregulierungseinrichtung siehe

Fn. 422. 408 Vgl. Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’ predprinimatelja Nr. 10 (1998), S. 35.

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Nr. 4 WpMG; Nr. 4n der Verordnung über die FWpMK). Zu diesem Zweck darf die FWpMK Prüfungen solcher Mitarbeiter durchführen, über das Prüfverfahren bestimmen und Zeugnisse über die Zulassung zur Aus-übung der entsprechenden Tätigkeit/des Berufs erteilen (Art. 42 Abs. 1 Nr. 4 WpMG). Falls ein Mitarbeiter mehrfach oder grob gegen die Rechtssetzung der Russischen Föderation verstoßen hat, darf die FWpMK seine Zulassung entziehen (Art. 44 Abs. 1 Nr. 10 WpMG; Nr. 9j der Ver-ordnung über die FWpMK).

- vor dem zuständigen Gericht Klage auf Auflösung der juristischen Person,

die gegen die Rechtssetzung der Russischen Föderation über Wertpapiere verstoßen hat oder die ohne Erlaubnis Geschäfte auf dem Wertpapier-markt betreibt, auf Auferlegung der durch die Rechtssetzung vorgesehe-nen Sanktionen gegen Personen, die gegen die Rechtssetzung verstoßen, auf den Schutz der staatlichen, öffentlichen Interessen und vom Staat ge-schützten Interessen der Anleger sowie auf die Ungültigkeit eines Rechts-geschäfts zu erheben (Art. 42 Abs. 1 Nr. 20 WpMG; Nr. 4s und Nr. 9h der Verordnung über die FWpMK; Art. 14 ASchG). Zu diesem Zweck darf die FWpMK Unterlagen an die Rechtsdurchsetzungsorgane weiterleiten sowie in einem Gerichtsverfahren, das den Schutz der Anleger betrifft, teilnehmen (Art. 44 Abs. 1 Nr. 8 WpMG; Art. 14 Nr. 1 ASchG).

- eine Kommission zu errichten, die Beschwerden der Anleger im Falle von

Verstößen gegen ihre Rechte und Interessen durch die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarktes untersucht (Nr. 4t der Verordnung ü-ber die FWpMK). Die FWpMK darf den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts, die gegen die Rechte und Interessen der Anleger ver-stoßen haben, die durch die Rechtssetzung vorgesehenen Sanktionen auf-erlegen (Nr. 4t der Verordnung über die FWpMK). Zu solchen Sanktionen zählen Entzug oder Aussetzung der Erlaubnis, professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt auszuüben (siehe oben, Spiegelstr. 3), sowie An-weisungen, die die Durchführung einzelner Transaktionsarten durch den professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts, der gegen die Rechte und Interessen der Anleger verstoßen hat oder dessen Handlungen die Rechte und Interessen der Anleger gefährden, für die Dauer von sechs Monaten begrenzen oder untersagen (Art. 11 Nr. 2 Abs. 2 ASchG). Art. 23.47 des Gesetzbuchs über Verstöße gegen öffentliches Recht er-mächtigt die FWpMK, Bußgelder wegen rechtswidrigen Verhaltens auf dem Wertpapiermarkt gemäß Art. 15.17 bis 15.24 des Gesetzbuchs über

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Verstöße gegen öffentliches Recht zu verhängen.409 Die Übertragung die-ser Befugnisse von den Zivilgerichten auf die FWpMK ist besonders wichtig, weil die FWpMK die entsprechenden Beschwerden schneller und kompetenter als die Gerichte bearbeiten kann. Damit werden die Anleger besser geschützt. Andererseits wird das Gleichgewicht zwischen den Inte-ressen der Anleger und der professionellen Teilnehmer insoweit beibehal-ten, als Letzteren das Recht zusteht, die von der FWpMK getroffenen Ent-scheidungen vor einem Gericht anzufechten.410

- internationale Beziehungen zu pflegen sowie einen Informationsaustausch

durchzuführen (Nr. 18 der Verordnung über die FWpMK). Die FWpMK verabschiedet Verordnungen, die gemäß Art. 43 Abs. 8 WpMG sowie Nr. 5 der Verordnung über die FWpMK für die professionellen Teilneh-mer des Wertpapiermarkts sowie deren Selbstregulierungseinrichtungen zwin-gend sind. Die Verordnungen der FWpMK enthalten Rechtssätze und zählen zu Normativakten.411 Allerdings darf die FWpMK die ihr auf Grund des Gesetzes erteilten Befugnisse nicht überschreiten und regelt in ihren Verordnungen aus-schließlich die Fragen, die sich innerhalb ihrer durch das Gesetz bestimmten Kompetenz befinden.412 Gemäß Art. 43 Abs. 11 WpMG müssen solche Verord-nungen nach dem in den Regeln der Vorbereitung und Registrierung der norma-tiven Akte von föderalen exekutiven Organen vorgesehenen Verfahren regist-riert und veröffentlicht werden.413 Gleichwohl ist die FWpMK ermächtigt, Ge-setze und andere Rechtsakte, die den Wertpapiermarkt betreffen, zu erläutern und zu interpretieren. Die FWpMK darf auch Anweisungen an die professionel-len Teilnehmer des Wertpapiermarkts erteilen, die für die professionellen Teil-nehmer zwingend sind und auf die Beseitigung der Missstände oder Unterbin-dung der unfairen Praktiken der professionellen Teilenehmer des Wertpapier-markts abzielen (siehe oben, Spiegelstr. 9). Sowohl die Anweisungen als auch die Informationsbriefe und Erläuterungen der FWpMK sind keine Normativakte, weil sie keine Rechtsnormen enthalten und obliegen nicht der Registrierung beim Justizministerium. 409 Vgl. Šerstjuk, Zakonodatel’stvo Nr. 10 (1999), S. 55 f.; Treušnikov, S. 24 ff. Abwei-

chend Bessarabov, Konsul’tant plus/Sudebnaja praktika 2002, S. 2. 410 Vgl. Beketov in Černikov/Solov’ev, S. 568 f.; Šelenkov, Zakonodatel’stvo i ėkonomika

Nr. 12 (2001), S. 34. 411 Siehe S. 96, 2. Vertikale Unterteilung. 412 Vgl. Vajpan, S. 53; Vitrjanskij, Hozjajstvo i pravo Nr. 11 (2001), S. 49. Siehe auch

S. 96, 2. Vertikale Unterteilung. 413 Vgl. Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’ predprinimatelja Nr. 5 (1998), S. 58. Siehe auch

S. 96, 2. Vertikale Unterteilung.

132

Aus den der FWpMK durch das WpMG gewährten Kompetenzen ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber der FWpMK weitgehende Befugnisse erteilt hat, das Ver-halten und die Organisation der Marktintermediäre zu regeln sowie die Einhal-tung der Verhaltens- und Organisationsregeln zu beaufsichtigen und durchzuset-zen. Darüber hinaus verfügt die FWpMK über wirksame Mechanismen der Vor-beugung, der Aufdeckung und der Beseitigung der Missstände auf dem Wertpa-piermarkt. Die FWpMK unterliegt auch der Transparenzpflicht und dadurch der Kontrolle seitens der Öffentlichkeit bzw. der Anleger. Auf diesem Wege hat der Gesetzgeber ein staatliches Aufsichtsorgan errichtet, das durch Regulierung und Überwachung der Tätigkeit der professionellen Teilnehmer auf dem Wertpa-piermarkt sowie der auf dem Wertpapiermarkt gehandelten Finanzinstrumente effektiv die Anleger schützt und die Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts sicherstellt. Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der geringst möglichen staatlichen Einmi-schung und der maximalen Liberalisierung414 im Hinblick auf die Regulierung des Wertpapiermarkts durch die Errichtung der Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts umgesetzt. Ihnen wurde zum Zwecke der Entlastung der FWpMK und Reduzierung der staatlichen Ein-mischung in die Regulierung des Wertpapiermarkts die Aufgabe erteilt, für die Errichtung eines hohen ethischen Standards des professionellen Verhaltens auf dem Wertapiermarkt und seine Einhaltung durch ihre Mitglieder zu sorgen und u.a. auf diesem Wege die Anleger zu schützen. Die Grundsätze und Mechanis-men ihrer Tätigkeit werden unten dargestellt. 2. Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts Die Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wert-papiermarkts sind nicht-gewerbliche Organisationen, die auf Grund der durch die FWpMK erteilten Erlaubnis tätig werden (Ziff. 1.3 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen). Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Ent-wicklung und Durchsetzung der Verhaltens- und Organisationsregeln der Markt-intermediäre in der Russischen Föderation. Gleichwohl ist die Reichweite ihrer Befugnisse auf die Regulierung der Tätigkeit ihrer Mitglieder (zu denen ledig-lich die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts gehören) beschränkt. Insofern bleibt der Anwendungsbereich der internen Regeln einer Selbstregulie-rungseinrichtung innerhalb des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Verhal-

414 Siehe S. 132, 2. Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des

Wertpapiermarkts.

133

tens- und Organisationsregeln und kann nicht auf die Unternehmen erstreckt werden, die (wie reine Anlageberater) unternehmerische Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ausüben. Die Selbstregulierungseinrichtungen sind mit den deutschen Verbänden ver-gleichbar. Allerdings besteht zwischen diesen und den deutschen Verbänden ei-ne Reihe von Unterschieden, die darauf hindeutet, dass die Selbstregulierungs-einrichtungen enger in die staatliche Aufsicht der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts insbesondere mit Blick auf die Einhaltung der Verhaltens- und Organisationsregeln eingebunden sind sowie eine bedeutsame Rolle beim Anlegerschutz spielen. Die Selbstregulierungseinrichtungen wurden zu dem Zweck gegründet, die Auf-sicht zu entlasten und die Regulierung des Wertpapiermarkts zu liberalisieren.415 Auf diesem Wege hat der Gesetzgeber den Grundsatz der geringst möglichen staatlichen Einmischung und maximalen Selbstregulierung in die Praxis umge-setzt.416 Dabei soll das gesetzlich festgelegte Anlegerschutzniveau sogar erhöht werden.417 Die Gewährleistung des Anlegerschutzes ist eines der wichtigsten Ziele der Selbstregulierungseinrichtungen.418 Zu diesem Zweck haben die Selbstregulierungseinrichtungen weitgehende Rechte zur Regulierung des Ver-haltens und der Organisation ihrer Mitglieder sowie zur Beseitigung der durch ihre Teilnehmer begangenen Missstände erhalten.419 In dieser Dissertation wird die Rolle der Selbstregulierungseinrichtungen am Beispiel von NAUFOR unter-sucht. NAUFOR (der Nationale Verband der Kapitalmarktteilnehmer) ist eine Selbst-regulierungseinrichtung, die zur Zeit 600 Mitglieder in 15 Großstädten der Rus-sischen Föderation umfasst und zu einer der größten Selbstregulierungseinrich-tungen zählt.420 Die Mitglieder der NAUFOR betreiben Broker-, Dealer-, Ver-mögensverwaltung- und Depositartätigkeit auf dem Wertpapiermarkt. NAUFOR ist seit November 1995 tätig und ist eine der ersten Selbstregulierungseinrich-tungen, die in der Russischen Föderation errichtet wurden. Insofern stellen die internen Regeln, einschließlich Verhaltensregeln sowie Kontroll- und Durchset-

415 Vgl. Treušnikov, 15 f.; Vajpan, S. 66 ff. 416 Treušnikov, S. 15 f., leitet das Prinzip der geringst möglichen staatlichen Einmischung

und maximalen Selbstregulierung aus dem Erlass des Präsidenten Nr. 1008 ab. 417 Siehe Fn. 325. 418 Vgl. Bessarabov, Konsultant plus/Sudebnaja praktika 2002, S. 1. 419 Vgl. Treušnikov, S. 14 ff. 420 Die Informationen über die Geschichte, Struktur und Tätigkeit der NAUFOR können

auf der NAUFOR Webseite (http://www.naufor.ru) abgerufen werden.

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zungsmechanismen der NAUFOR ein prägnantes Beispiel der Selbstregulierung dar. a) Überwachung und Kontrolle der Selbstregulierungseinrichtungen durch die FWpMK Die FWpMK hat weitgehende Befugnisse mit Blick auf die Tätigkeit der Selbst-regulierungseinrichtungen behalten und übt auf sie einen wichtigen Einfluss aus.421 Wie bereits erwähnt, bedürfen Selbstregulierungseinrichtungen der Er-laubnis der FWpMK. Die FWpMK darf gemäß Art. 44 Abs. 1 Nr. 5 WpMG ei-ner Selbstregulierungseinrichtung die Erlaubnis verweigern oder die bereits er-teilte Erlaubnis entziehen, wenn dafür die in der Rechtssetzung vorgesehenen Gründe vorliegen.422 Die Selbstregulierungseinrichtungen und ihre Tätigkeit unterliegen der Überwa-chung und Kontrolle seitens der FWpMK (Art. 44 Abs. 1 Nr. 6 WpMG). Die FWpMK bestimmt das Prüfverfahren und darf Prüfungen der Selbstregulie-rungseinrichtungen vornehmen sowie die Inspekteure, die die Tätigkeit der Selbstregulierungseinrichtung überwachen, benennen. Die Selbstregulierungs-einrichtungen sind ihrerseits verpflichtet, der FWpMK die Berichte über ihre Tätigkeit einschließlich der Vierteljahresberichte gemäß Ziff. 2.2 Spiegelstr. 4 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen vorzulegen.

421 Vgl. Treušnikov, S. 15. 422 Art. 50 Abs. 6 und 7 WpMG sieht vor, dass die FWpMK die Erteilung der Erlaubnis

an eine Selbstregulierungseinrichtung ausschließlich aus folgenden Gründen verwei-gern darf: (1) Die durch die Selbstregulierungseinrichtung vorgelegten Dokumente, die für die Erteilung der Erlaubnis erforderlich sind, entsprechen nicht den Anforde-rungen des Art. 50 WpMG; (2) nach diesen Dokumenten besteht die Möglichkeit, dass die Mitglieder der Selbstregulierungseinrichtung ihre Kunden diskriminierend behan-deln; (3) anhand dieser Dokumente besteht die Möglichkeit, dass Mitglieder diskrimi-nierend behandelt werden; (4) diese Dokumente legen unbegründete Einschränkungen fest, die Dritte unsachlich behindern, eine Mitgliedschaft zu erhalten oder zu kündi-gen; (5) die Dokumente sehen Regelungen vor, die den Wettbewerb der professionel-len Teilnehmer des Wertpapiermarkts einschränken; (6) die in diesen Dokumenten be-gründeten Regelungen gehen über die Regulierungsbefugnisse und Ziele der Selbstre-gulierungseinrichtung hinaus; (7) die Dokumente enthalten falsche oder unvollständi-ge Informationen.

Gemäß Art. 50 Abs. 8 darf die FWpMK die Erlaubnis einer Selbstregulierungseinrich-tung entziehen, wenn diese (1) gegen die Rechtssetzung der Russischen Föderation verstößt, (2) gegen die Anforderungen oder Standards der FWpMK verstößt, (3) gegen die eigenen internen Regeln und Bestimmungen verstößt, oder (4) der FWpMK fal-sche oder unvollständige Informationen vorlegt.

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Die FWpMK darf Anordnungen erteilen, die für die Selbstregulierungseinrich-tungen zwingend sind. Die Selbstregulierungseinrichtungen müssen diesen An-ordnungen nachkommen und der FWpMK rechtzeitig über die Erfüllung solcher Anordnungen berichten (Art. 44 Abs. 1 Nr. 7 WpMG; Ziff. 2.2 Spiegelstr. 5 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen). Die FWpMK nimmt auch an der Arbeit der Selbstregulierungseinrichtung in dem Sinne Teil, als sie einen Vertreter in den Aufsichtsrat der Selbstregulie-rungseinrichtung schicken darf, dessen Rechte mit denen anderer Mitglieder des Aufsichtsrats identisch sind (Ziff. 4.13 Spiegelstr. 2 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen). Die FWpMK darf die Mitgliederversammlung der Selbstregulierungseinrichtung einberufen oder eine Aufsichtsratsitzung ver-anlassen (Ziff. 4.13 Spiegelstr. 4 der Bestimmung über Selbstregulierungsein-richtungen). Sie darf auch neue Tagesordnungspunkte der Mitgliederversamm-lung verlangen, die u.a. disziplinäre Maßnahmen in Bezug auf die Führungskräf-te der Selbstregulierungseinrichtung betreffen (Ziff. 4.13 Spiegelstr. 3 der Be-stimmung über Selbstregulierungseinrichtungen). Die FWpMK darf auch auf dem Widerruf von Beschlüssen der Mitgliederversammlung oder des Aufsichts-rates bestehen, wenn diese gegen die Rechtssetzung der Russischen Föderation sowie die Normativakte der FWpMK verstoßen. b) Ziele der Selbstregulierungseinrichtungen und Mechanismen ihrer Ver-wirklichung Die Selbstregulierungseinrichtungen verfolgen gemäß Art. 48 Abs. 2 WpMG die folgenden Ziele: (1) Gewährleistung der ordnungsgemäßen Bedingungen der professionellen

Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt, (2) Schutz der Interessen der Inhaber der Wertpapiere und anderer Kunden

ihrer Mitglieder, (3) Festlegung der Regeln und Standards der Durchführung der Wertpapier-

transaktionen, die die Effizienz der Wertpapiermärkte gewährleisten (zu diesen Regeln und Standards gehören in erster Linie die Verhaltensregeln der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts) sowie

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(4) Sicherstellung der Einhaltung der Verhaltensregeln.423

Um diese Ziele zu erreichen, stellen die Selbstregulierungseinrichtungen Regeln der Durchführung der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt sowie Standards der Ausführung der Wertpapiertransaktionen auf, die für ihre Mitglie-der zwingend sind (Art. 48 Abs. 4 und Art. 49 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpMG sowie Ziff. 1.8 und Ziff. 2.1. Spiegelstr. 1 der Bestimmung über Selbstregulie-rungseinrichtungen). Diese Regeln und Standards müssen ein Anlegerschutzni-veau gewährleisten, das nicht niedriger, als das Niveau, das durch die FWpMK festgelegt wurde, sein darf (Ziff. 1.8 Abs. 2 der Bestimmung über Selbstregulie-rungseinrichtungen). Die Ausgestaltung der Selbstregulierungseinrichtungen mit wirksamen Mechanismen, die sie zur Durchsetzung der Einhaltung sowohl der gesetzlichen als auch ihrer internen Regeln durch ihre Mitglieder einsetzen kön-nen, trägt unmittelbar zur Verwirklichung der oben unter (1) bis (4) aufgelisteten Ziele der Selbstregulierungseinrichtungen bei.424 Auf diese Mechanismen wird unten im Detail eingegangen. c) Mechanismen des Anlegerschutzes Der Gesetzgeber hat den Selbstregulierungseinrichtungen weitgehende Rechte zum Schutz der Anleger und zur Durchsetzung der Verhaltens- und Organisati-onsregeln eingeräumt.425 Grundsätzlich schützen die Selbstregulierungseinrichtungen die Anleger da-durch, dass sie ihren Mitgliedern hohe Anforderungen an ihre ethischen Stan-dards und ihr professionelles Verhalten auferlegen und für deren Einhaltung durch ihre Mitglieder Sorge tragen.426 423 Ziff. 1.6 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen konkretisiert diese

Ziele weiter und legt fest, dass die Selbstregulierungseinrichtungen für die Erhöhung der Standards der professionellen Tätigkeit bzw. der Verhaltensstandards auf dem Wertpapiermarkt sorgen, die Tätigkeit der professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts überwachen und kontrollieren sowie ihren Beitrag zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Systems der funktionalen Regulierung des Wertpapiermarkts leisten.

424 Art. 15 Abs. 1 ASchG erlegt den Selbstregulierungseinrichtungen die Pflicht auf, die Einhaltung der Rechtssetzung der Russischen Föderation zum Schutz der Rechte und der legitimen Interessen der Anleger durch ihre Mitglieder zu überwachen und zu kon-trollieren. Siehe auch Ziff. 2.1 Spiegelstr. 3 und Ziff. 7.3 der Bestimmung über Selbst-regulierungseinrichtungen.

425 Vgl. Fetisov, Rossijskij Juridičeskij Žurnal Nr. 4 (1997), S. 70; Treušnikov, S. 13 ff. 426 Vgl. Bessarabov, Konsul’tant plus/Sudebnaja praktika 2002, S. 1. Siehe auch S. 109,

a) Verhaltensregeln der Selbstregulierungseinrichtungen.

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Um die Einhaltung der sowohl in der Gesetzgebung als auch in ihren internen Regeln und Standards enthaltenen Verhaltens- und Organisationsregeln sicher-zustellen, führen die Selbstregulierungseinrichtungen nach Ziff. 2.2 Spiegelstr. 2 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen effektive Überwachungs- und Kontrollsysteme ein.427 Zu diesen gehört u.a. die Errichtung einer Kontroll-abteilung nach Ziff. 7.5 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen sowie die Festlegung von Kontrollverfahren in den internen Dokumenten der Selbstregulierungseinrichtung (vgl. Art. 50 Abs. 4 WpMG).428 Diese Kontrolle erfolgt auf Grundlage einer Anweisung der FWpMK, von Beschwerden der An-leger oder einer eigenen Initiative der Selbstregulierungseinrichtung. Verfahren und Fristen dieser Kontrolle sind in den internen Dokumenten der Selbstregulie-rungseinrichtung festzulegen (Art. 15 Abs. 2 ASchG). Die Mechanismen der Überwachung und Kontrolle umfassen Prüfungen der Tätigkeit der Mitglieder der Selbstregulierungseinrichtung, die Ernennung und Abberufung der Inspek-teure, die Untersuchung der bei der Selbstregulierungseinrichtung eingegange-nen Beschwerden von Privatpersonen oder juristischen Personen, die Aufforde-rung der Mitglieder zur Vorlage von Dokumenten und Informationen, die für die Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen sowie der internen An-forderungen der Selbstregulierungseinrichtung erforderlich sind sowie die Kon-trolle der Teilnahme ihrer Mitglieder an den Versicherungs- und Garantiefonds, die zum Zwecke der Minimierung der Risiken auf dem Wertpapiermarkt errich-tet wurden (Ziff. 2.3, Ziff. 7.3.3. bis 7.3.7. der Bestimmung über die Selbstregu-lierungseinrichtungen). Auch zum Zwecke der Durchsetzung der internen ethischen Standards sowie der gesetzlichen Verhaltensregeln unter den Mitgliedern hat der Gesetzgeber den Selbstregulierungseinrichtungen weitgehende Rechte eingeräumt. Sollte eine Selbstregulierungseinrichtung feststellen, dass ihre Mitglieder gegen diese ver-stoßen haben, darf sie gemäß Ziff. 2.1 Spiegelstr. 4 der Bestimmung über Selbst-regulierungseinrichtungen ihren Mitgliedern Sanktionen auferlegen sowie ande- 427 Zum Gegenstand der Überwachung und Kontrolle der Selbstregulierungseinrichtung

gehören nicht nur die Verhaltensregeln, sondern auch die Einhaltung der finanziellen, organisatorischen, technischen, besonderen und anderen Anforderungen (einschließ-lich der Eigenkapitalanforderungen) an die professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts sowie der Qualifikationsanforderungen an die Führungskräfte und Spezia-listen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts, nämlich die Organisati-onsregeln, die durch die FWpMK sowie die Selbstregulierungseinrichtung aufgestellt werden (Ziff. 7.3.1. und 7.3.2. der Bestimmung über die Selbstregulierungseinrichtun-gen).

428 Z.B. hat NAUFOR solche Verfahren in ihrer „Bestimmung zum Verfahren der Durch-führung der Prüfungen durch die Selbstregulierungseinrichtung NAUFOR“ festgelegt (http://www.naufor.ru). Diese Bestimmung wurde durch den Aufsichtsrat der NAU-FOR in Absprache mit der FWpMK verfasst.

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re Maßnahmen ergreifen. Diese, sowie das Verfahren, gemäß dem sie ange-wandt werden dürfen, müssen in der Satzung sowie in den anderen internen Do-kumenten der Selbstregulierungseinrichtung bestimmt werden (Ziff. 7.3.10. der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen). Art. 16 Abs. 2 ASchG räumt der Selbstregulierungseinrichtung das Recht ein, gegen ihre Mitglieder, die gegen die Rechte und legitimen Interessen der Anle-ger verstoßen haben, auf folgende Weise vorzugehen: (1) Auferlegung der in den internen Regeln und Standards der Selbstregulie-

rungseinrichtung vorgesehenen Sanktionen. Zu diesen können gemäß Ziff. 7.6. der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen die folgenden Maßnahmen zählen: (1) schriftliche Anweisung, den Verstoß zu beseiti-gen, (2) Auferlegung von Bußgeldern gegenüber dem Mitglied, seinen Führungskräften und Spezialisten, (3) Stellung eines Antrags an die FWpMK auf Aussetzung oder Entzug der Erlaubnis.

(2) Empfehlung gegenüber dem Mitglied, den dem Anleger zugefügten Scha-

den im außergerichtlichen Verfahren zu ersetzen. (3) Kündigung der Mitgliedschaft und Aufforderung an die FWpMK, die Er-

laubnis des ehemaligen Mitglieds auszusetzen oder zu entziehen. (4) Weiterleitung der Beschwerde an die Rechtsschutzorgane oder an die an-

deren föderalen exekutiven Organe. Auf diesen Bestimmungen beruht der Disziplinarkodex der NAUFOR. Er legt die Maßnahmen fest, die im Zusammenhang mit bestimmten Verstößen den NAUFOR-Mitgliedern auferlegt werden sowie das Verfahren, gemäß dem die disziplinären Maßnahmen angewandt werden können. Grundsätzlich umfassen diese Maßnahmen eine Mahnung (Art. 11 des Disziplinarkodexes der NAU-FOR), Bußgelder (Art. 12 des Disziplinarkodexes der NAUFOR) und Kündi-gung der Mitgliedschaft (Art. 13 des Disziplinarkodexes der NAUFOR).429 Die-se Maßnahmen werden den NAUFOR-Mitgliedern durch das Disziplinarkomi-tee auferlegt.430 Das Disziplinarkomitee kann diese Maßnahmen auf Grundlage von Beschwerden der Anleger sowie in Folge der durch die Selbstregulierungs-einrichtung selbst durchgeführten Prüfungen ergreifen. Zwar ähneln diese Dis-ziplinarmaßnahmen den öffentlich-rechtlichen Sanktionen, jedoch ist ihre privat-rechtliche Natur hervorzuheben: Sie stellen einen zivilrechtlichen Mechanismus

429 Vgl. Makeeva, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 36 f. 430 Vgl. Bestimmung über das Disziplinarkomitee, www.naufor.ru.

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der Selbstregulierung dar, auf den sich die Mitglieder der Selbstregulierungsein-richtung geeinigt und dem sie sich selbst unterstellt haben.431 Zum Schutz der Interessen einzelner Anleger darf eine Selbstregulierungsein-richtung gemäß Ziff. 8.1 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen ein Schiedsgericht errichten, bei dem ein Anleger seine Ansprüche gegen ein Mitglied der Selbstregulierungseinrichtung geltend machen kann. Dies stellt ei-nen effektiven Mechanismus des Anlegerschutzes dar, weil im Gegensatz zu Zi-vil- oder Wirtschaftsgerichten die Schiedsgerichte der Selbstregulierungseinrich-tungen eine schnelle und kompetente Lösung des Konflikts zwischen einem An-leger und einem Marktintermediär ermöglichen. Einer Voreingenommenheit des Schiedsgerichts zu Gunsten der Mitglieder der Selbstregulierungseinrichtung wird dadurch vorgebeugt, dass seine Tätigkeit der Kontrolle durch die FWpMK unterstellt wird (Ziff. 8 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen). Ein solches Schiedsgericht wurde durch die NAUFOR 1995 errichtet.432 Dieses Schiedsgericht darf über die Streitigkeiten entscheiden, die sich in der Zustän-digkeit der Wirtschaftsgerichte befinden.433 Damit sind allerdings die Klagen der Kleinanleger, die natürliche Personen sind, nicht erfasst. Derartige Klagen müs-sen vor den Zivilgerichten eingereicht werden. Das stellt eine Lücke im Schutz der Kleinanleger dar, weil die Kleinanleger von der Kompetenz und dem schnel-lem Verfahren der Schiedsgerichte nicht profitieren können.434 d) Übertragung der Funktionen der FWpMK auf die Selbstregulierungs-einrichtungen Die Selbstregulierungseinrichtungen stellen zwar eine Form der privatrechtli-chen Selbstregulierung dar. Jedoch ähneln ihre Regulierungsmechanismen de-nen der staatlichen Aufsicht, nämlich den öffentlich-rechtlichen Mechanismen. Das ist darauf zurückzuführen, dass einige Funktionen der FWpMK auf die Selbstregulierungseinrichtungen zum Zwecke der Entlastung der staatlichen Aufsicht und der Liberalisierung der Regulierung auf dem Wertpapiermarkt ü-

431 Siehe Fn. 325. 432 Vgl. Makeeva, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 37. 433 Siehe Art. 23 Gesetzbuch über den Wirtschaftsprozess. Vgl. Makeeva, Vestnik

NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 37. 434 Hromuškin, Rynok cennyh bumag Nr. 24 (1999), S. 24 f. kritisiert die Zivilgerichte

wegen ihrer fehlenden Erfahrung und Kompetenz im Hinblick auf den Anlegerschutz. Verstöße gegen Anlegerinteressen ergeben sich oft aus komplizierten Schemas, die die Zivilgerichte mangels entsprechender Kompetenz nicht hinreichend beachten können. Auch die verbreitete Korruption der Richter stellt ein ernsthaftes Problem dar. All das hält die Kleinanleger davon ab, vor Zivilgerichten zu klagen.

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bertragen wurden. Um die möglichen Überschneidungen und doppelte Regulie-rungen auf Grund solcher Übertragungen zu vermeiden, hat die FWpMK die Selbstregulierungseinrichtungen in Ziff. 2.2 Spiegelstr. 3 der Bestimmung über Selbstregulierungseinrichtungen verpflichtet, mit der FWpMK und anderen Or-ganen, die für die Überwachung und Kontrolle des Wertpapiermarkts zuständig sind sowie untereinander aktiv zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck hat die FWpMK die Anordnung Nr. 982-r erlassen, in der sie die Mechanismen und Verfahren der Zusammenarbeit zwischen der Selbstregu-lierungseinrichtung und der FWpMK im Hinblick auf die Überwachung und Kontrolle der Tätigkeit der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts festgelegt hat. Diese betreffen die Fristen für die Durchführung von regelmäßi-gen und außerordentlichen Prüfungen, die Fristen für die Vorlage der Prüfungs-berichte und die Handlungen der Selbstregulierungseinrichtung im Falle der Aufdeckung von Missständen, die Grundlage für die Aussetzung oder den Ent-zug der Erlaubnis eines professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts sein können sowie deren Behebung. Dabei behält die FWpMK ein begrenztes Recht, außerordentliche Prüfungen zu untersagen, und ist bei der Entscheidung über die Aussetzung, den Entzug oder die Aufhebung der Aussetzung der Erlaubnis an strenge Fristen gebunden. Der Informationsaustausch über die Prüfungsergebnisse findet zwischen der FWpMK und den Selbstregulierungseinrichtungen auf gegenseitiger Basis statt. So haben die Selbstregulierungseinrichtungen das Recht, Informationen über die Ergebnisse der durch die FWpMK durchgeführten Prüfungen ihrer Mitglieder zu erhalten (Art. 49 Abs. 1 Nr. 1 WpMG). Die Selbstregulierungseinrichtungen sind verpflichtet, die FWpMK über die Ergebnisse der von ihnen auf Grund der Beschwerden von Anlegern durchgeführten Untersuchungen sowie über die ge-troffenen Entscheidungen zu unterrichten (Art. 16 Abs. 3 ASchG). Die Zusammenarbeit zwischen der FWpMK und den Selbstregulierungseinrich-tungen ist nicht auf die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der Anfor-derungen an die Tätigkeit der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts begrenzt. Sie trägt auch zur Herstellung der Transparenz auf dem Wertpapier-markt effektiv bei. Ziff. 2.2 Spiegelstr. 6 und 7 der Bestimmung über Selbstre-gulierungseinrichtungen erlegt den Selbstregulierungseinrichtungen die Pflicht auf, eigene Datenbanken mit den Informationen über ihre Mitglieder zu führen sowie an den durch die FWpMK eingerichteten Systemen der Informationsof-fenlegung teilzunehmen. Die FWpMK überwacht die Tätigkeit der Selbstregulierungseinrichtungen. Sie darf gegen die Selbstregulierungseinrichtungen die in dem WpMG und anderen

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Rechtsakten der Russischen Föderation vorgesehenen Maßnahmen, z.B. Ausset-zung oder Entzug der Erlaubnis, ergreifen, falls die Selbstregulierungseinrich-tungen den ihnen durch die Rechtssetzung der Russischen Föderation auferleg-ten Pflichten zum Schutz der Rechte und der legitimen Interessen der Anleger nicht nachgekommen sind (Art. 16 Abs. 4 ASchG).435 3. Zusammenfassung Die staatliche Aufsicht über die durch das WpMG erfassten professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts, ihre Tätigkeit sowie über die Emissionswert-papiere wird durch die FWpMK ausgeübt. Die FWpMK trägt zum Anleger-schutz insofern bei, als sie die Standards der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt bzw. Verhaltens- und Organisationsregeln festlegt und gegen Verstöße der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts gegen diese Standards vorgeht.436 Zu diesem Zweck stehen ihr wirksame Mechanismen, wie z.B. die Auferlegung von Bußgeldern, die Aussetzung oder der Entzug der Er-laubnis des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts, zur Verfügung. Der Gesetzgeber hat versucht, die FWpMK dadurch zu entlasten und gleichzei-tig die Regulierung des Wertpapiermarkts zu liberalisieren, dass er die Errich-tung der Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts vorgesehen hat und ihnen weitgehende Befugnisse u.a. bei der Einführung, Überwachung und Durchsetzung der Verhaltens- und Organisa-tionsregeln der Marktintermediäre übertragen hat.437 Eine solche Liberalisierung dürfte allerdings nicht zur Senkung des Anlegerschutzniveaus führen. Im Ge-genteil dient sie dazu, die Stabilität und die Funktionsfähigkeit des Wertpapier-markts zu erhöhen.438 Das Gleichgewicht zwischen der liberalisierten Regulie-rung und strengen staatlichen Kontrolle wird in Folge der Aufteilung der Regu-lierungsbefugnisse sowie der Verpflichtung der FWpMK und der Selbstregulie-rungseinrichtungen zur Zusammenarbeit gewährleistet.439 Sowohl die FWpMK als auch die Selbstregulierungseinrichtungen gewährleisten den Schutz der An-leger hauptsächlich indirekt dadurch, dass sie die Einhaltung der Verhaltens- und Organisationsregeln durch die Marktintermediäre sicherstellen und dadurch ein Mindestschutzniveau für die Anleger errichten und für die Gewährleistung von „zivilisierten“ Bedingungen der Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt sorgen.

435 Siehe Fn. 422. 436 Vgl. Fetisov, Rossijskij Juridičeskij Žurnal Nr. 4 (1997), S. 68. 437 Siehe Fn. 416. 438 Vgl. Vajpan, S. 52. 439 Vgl. Karatujev, Zakonodatel’stvo i ėkonomika Nr. 4 (1998), S. 24 f.

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Schlussfolgerungen zum Kapitel 2 1. Das deutsche und das russische Rechtssystem setzen sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Mechanismen zum Schutz der Anleger ein. Die Mechanismen des öffentlichen Rechts wirken in erster Linie präventiv. Sie zielen auf die Gewährleistung der Stabilität und der Funktionsfähigkeit des Ka-pitalmarkts ab, indem sie die Marktintermediäre zur Einhaltung der Verhaltens-regeln zwingen und dadurch ein bestimmtes allgemeines Schutzniveau für die Anleger gewährleisten. Gleichwohl ist die Reichweite der öffentlich-rechtlichen (in Deutschland) bzw. der gesetzlichen (in Russland) Verhaltenspflichten durch den Anwendungsbereich jeweils des WpHG und des WpMG begrenzt. Da eini-ge der auf dem Kapitalmarkt tätigen Dienstleister, wie z.B. reine Anlageberater, sich außerhalb des Regulierungsbereichs dieser Gesetze befinden, ist die öffent-lich-rechtliche Regulierung des Kapitalmarkts mit Lücken behaftet. Dieser lü-ckenhaften Regulierung wirken sowohl in Deutschland als auch in der Russi-schen Föderation die privatrechtlichen Regulierungsmechanismen entgegen. Mit der Verabschiedung der neuen Fassung der WPD-RL wird in Europa diese Regulierungslücke geschlossen, weil die Anlageberatung als Wertpapierdienst-leistung in den Anwendungsbereich der WPD-RL aufgenommen wurde. Infol-gedessen werden nach der Umsetzung der neuen Fassung der WPD-RL in das nationale Recht der EU-Mitgliedstaaten die Verhaltens- sowie Organisationsre-geln auch auf die Anlageberater anwendbar sein. Um das in der Russischen Föderation errichtete Anlegerschutzniveau dem euro-päischen anzugleichen, müsste der russische Gesetzgeber eine klare Trennung zwischen professioneller und unternehmerischer Tätigkeit auf dem Wertpapier-markt treffen und die Anlageberatung den Arten der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt zuordnen. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des WpMG auf die Anlageberater würde den Anlegerschutz auf zwei Wegen stärken. Erstens werden dadurch die Anlageberater den Verhaltens- und den Or-ganisationsregeln sowie der staatlichen Aufsicht unterstellt. Zweitens werden sie den Solvenzanforderungen genügen müssen. Dies trägt wiederum zur Stärkung der Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt bei und wirkt positiv auf seine Stabilität und Funktionsfähigkeit. 2. Das Verhältnis zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privatrechtlichen Verhaltensregeln nach russischem und deutschem Recht ist ähnlich. Während die öffentlich-rechtlichen Verhaltensregeln das Klima auf dem Kapitalmarkt prägen bzw. auf die Gewährleistung von „zivilisierten“ Bedingungen auf dem Kapitalmarkt abzielen und dadurch dem Schutz des Anlegerpublikums dienen, sind die privatrechtlichen Verhaltensregeln für den Schutz der verletzten Rechte

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und Interessen einzelner Anleger von Bedeutung, weil sie unmittelbar Ansprü-che auf Schadensersatz begründen. Der russische Gesetzgeber hat die anleger-schützende Funktion der gesetzlichen Verhaltensregeln insofern ausgedehnt, als diese nach russischem Recht auch unmittelbar Klagen einzelner Anleger be-gründen können. Insoweit stellen diese zugleich präventive und repressive Me-chanismen des Anlegerschutzes dar. Eine wichtige Rolle spielen die privatrechtlichen Verhaltensregeln bei der Regu-lierung der Tätigkeit der Anlagevermittler auf dem „grauen“ Kapitalmarkt. Sie finden nicht nur auf die durch die öffentlich-rechtlichen (in Deutschland) bzw. gesetzlichen (in Russland) Regelungen erfassten Marktintermediäre Anwen-dung, sondern stellen „Auffangregelungen“ dar. In Deutschland hat die Recht-sprechung einen hohen Standard der privatrechtlichen Beratungspflicht im „Bond“-Urteil eingeführt. Das durch die russischen privatrechtlichen Verhal-tensregeln gewährleistete Anlegerschutzniveau knüpft grundsätzlich an die ge-setzlichen Verhaltensregeln sowie die Verhaltensregeln der Selbstregulierungs-einrichtungen an. Es mag sich allerdings unterhalb dieses Niveaus befinden, so-fern es sich um die unternehmerische Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt han-delt. 3. Die Rolle, die die Organe der staatlichen Aufsicht bei der Gewährleistung des Anlegerschutzes sowohl in der Russischen Föderation als auch in der Bundesre-publik Deutschland spielen, ist hervorzuheben. Sowohl in Russland als auch in Deutschland sind dem Kapitalmarktaufsichtsorgan weitgehende Befugnisse er-teilt, auf Grund dessen es die Tätigkeit der Marktintermediäre beaufsichtigt und für die Einhaltung der Verhaltens- und Organisationsregeln sorgt. Während die BAFin die in §§ 31, 32 WpHG begründeten Verhaltensregeln lediglich auslegen darf, ist die FWpMK befugt, diese selbst zu entwickeln und den Marktinterme-diären aufzuerlegen. Dadurch wird auf dem russischen Wertpapiermarkt eine gewisse Flexibilität der rechtlichen Regulierung gewährleistet: Die FWpMK verfügt über reichliche Erfahrungen in der Missstandsaufsicht und kann auf Grundlage dieser Erfahrungen neue Verhaltensregeln einführen, die dem von ihr aufgedeckten Fehlverhalten entgegenwirken sollen. Die Reichweite der staatlichen Aufsicht wird jeweils durch den Anwendungsbe-reich des WpHG und des WpMG bestimmt. Diese gewährleisten einen weitge-henden und umfassenden Schutz der Anleger dadurch, dass sie möglichst voll-ständig die auf dem Kapitalmarkt tätigen Vermittler und die auf ihm gehandel-ten Wertpapiere erfassen. 4. Die Regulierung des russischen Wertpapiermarkts erfolgt gemäß dem Grund-satz der geringst möglichen staatlichen Einmischung und maximalen Selbstregu-

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lierung. Dieser Grundsatz wird mittels der Weitergabe weitgehender Befugnisse an die Selbstregulierungseinrichtungen der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts zur Regulierung des Wertpapiermarkts, einschließlich derer im Zusammenhang mit den Verhaltens- und Organisationsregeln der Marktin-termediäre sowie ihrer Überwachung und Kontrolle, umgesetzt. Die Selbstregulierungseinrichtungen dienen u.a. dem Zweck der Gewährleistung des Anlegerschutzes auf dem russischen Wertpapiermarkt und stellen eine dritte Ebene der Gewährleistung des Anlegerschutzes (zusätzlich zum öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Anlegerschutz) – die in der Europäischen Uni-on bzw. in Deutschland nicht bekannt ist – dar. Zwar sind sie Mechanismen der privatrechtlichen Selbstregulierung – jedoch ähnelt zumindest ihre Regulie-rungsmethode der des öffentlichen Rechts. Sie tragen zur Erhöhung des Anle-gerschutzniveaus insofern bei, als sie ihren Mitgliedern strengere Verhaltens- und Organisationsregeln auferlegen, die über das gesetzliche Mindestniveau hi-nausgehen. Der Beitrag der Selbstregulierungseinrichtungen zum Anlegerschutz ist auch durch die Gewährleistung von „zivilisierten“ Bedingungen auf dem Wertpapiermarkt sehr wertvoll. Außerdem kommen sie auch den Anlegern beim unmittelbaren Schutz ihrer verletzten Rechte und Interessen zu Hilfe, indem sie Schiedsgerichte errichten, die kompetent und schnell die Klagen der Anleger bearbeiten. Leider sind sie für Kleinanleger unzugänglich. Das schwächt ihren Beitrag zum Anlegerschutz.

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3. Kapitel: Inhalt und Umfang der Verhaltens- und Organisationspflichten nach europäischem und deutschem Recht Als eine der vorrangigen Zielrichtungen der Verhaltensregeln lässt sich, wie be-reits im 1. Kapitel ausgeführt, der Anlegerschutz bezeichnen.440 Die Verhaltens-regeln sind ihrerseits eines von mehreren Instrumenten, die dem Zweck des An-legerschutzes dienen.441 In diesem Kapitel soll eruiert werden, wie und in wel-chem Umfang die Verhaltensregeln einen Anleger schützen. Deswegen werden die Verhaltenspflichten im Einzelnen dargelegt, wobei ihr Inhalt und Umfang am Beispiel des deutschen Rechts unter Berücksichtigung der europäischen Vorschriften erläutert werden soll. Dabei wird dem Unterschied zwischen den öffentlich- und privatrechtlichen Regeln Rechnung getragen. Eine ausführliche Darstellung des Inhalts und des Umfangs der Verhaltenspflichten soll zur Be-stimmung des Anlegerschutzniveaus in Deutschland bzw. der Europäischen U-nion beitragen, sowie zur Schlussfolgerung, ob der Anlegerschutz in der Russi-schen Föderation dem in Deutschland vorhandenen Niveau entspricht oder ob Differenzen bzw. Lücken bestehen. § 1 Verhaltensregeln der WPD-RL Die Verhaltensregeln für Marktintermediäre sind in Art. 18 und Art. 19 WPD-RL n.F. (Art. 11 WPD-RL a.F.) und die Organisationsregeln in Art. 13 WPD-RL n.F. (Art. 10 WPD-RL) enthalten. Allerdings hat die Europäische Kommis-sion die Notwendigkeit der Wohlverhaltensregeln schon sehr früh erkannt und als ersten Schritt noch 1977 vor dem Erlass der WPD-RL die Empfehlung betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen ver-abschiedet. Ihr kommt keine rechtsverbindliche Bedeutung zu. Die dort enthal-tenen Grundsätze sind gemäß Nr. 6 der vorgenannten Empfehlung an die ent-sprechenden Stellen der Mitgliedstaaten adressiert, „die das Funktionieren der Wertpapiermärkte beeinflussen können“. Die Empfehlung betreffend europäi-sche Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen wurde bei dem Erlass der WPD-RL insoweit berücksichtigt, als einige ihrer Grundsätze als Verhal-tensregeln in die WPD-RL übernommen wurden. Auf die in der WPD-RL ent-haltenen Verhaltens- und Organisationsregeln sowie auf die Bestimmungen des WpHG, in denen diese Regeln umgesetzt wurden, wird unten im Einzelnen ein-

440 Die Verhaltensregeln dienen nicht nur dem Anlegerschutz, sondern auch dem Funkti-

onsschutz des Kapitalmarkts. Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.411; Hopt, ZHR 195 (1995), 135, 158 ff. Vgl. auch auf S. 26, 1. Kapitel: An-legerschutz; S. 62, 1. Schutz des allgemeinen Anlegerpublikums.

441 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.408.

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gegangen. Dabei wird separat auf die in der neuen Fassung der WPD-RL enthal-tenen Novellierungen eingegangen, um deren Auswirkungen auf den Binnen-markt und den Anlegerschutz zu erwägen und die bevorstehenden Änderungen des deutschen Rechts darzustellen. Der aktuelle Stand des deutschen Rechts beruht auf den Bestimmungen der alten Fassung der WPD-RL. Demgemäß umfassen die Verhaltensregeln die Interes-senwahrungs-, die Erkundigungs-, die Informations-/Aufklärungspflicht, die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten sowie das Gebot der erforder-lichen Infrastruktur (Art. 11 WPD-RL a.F.). Sie stellen einen obligatorischen Mindeststandard an Regeln dar und schaffen insofern ein Mindestmaß für den Anlegerschutz.442 Die Verhaltensregeln finden sowohl auf Wertpapierdienstleis-tungen als auch auf Wertpapiernebendienstleistungen Anwendung, soweit diese durch zugelassene Wertpapierfirmen erbracht werden. Wie bereits auf S.37, III. Binnenmarktgrundsätze: Grundfreiheiten, Rechtsangleichung und Herkunfts-landprinzip, erwähnt, wurden die Verhaltensregeln bis zur Verabschiedung der neuen Fassung der WPD-RL durch den Aufnahmestaat beaufsichtigt. Dadurch wurde das Herkunftslandprinzip der WPD-RL durchbrochen.443 Bei der Anwen-dung dieser Regeln soll der Professionalität der Anleger Rechnung getragen werden, und zwar gemäß Art. 11 Abs. 3 WPD-RL unabhängig davon, ob die Wertpapierfirma, die den Auftrag ausführt, ihn direkt vom Anleger oder von ei-nem Vermittler erhalten hat – es sei denn, der Vermittler handelte als Kommis-sionär, mithin im eigenen Namen. Die Umsetzung der in Artt. 10 und 11 WPD-RL a.F. enthaltenen Organisations- und Verhaltensregeln in das deutsche Recht erfolgte durch eine Reihe von Ge-setzen. So führte das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz „allgemeine“ und „besondere“ Verhaltenspflichten sowie Organisations- und Aufzeichnungs-pflichten in §§ 31 bis 34 WpHG ein.444 Der Anwendungsbereich dieser Vor-schriften wurde entsprechend den europäischen Vorgaben im Rahmen der Um-setzung weiterer europäischer Richtlinien durch das Umsetzungsgesetz erwei-tert.445 Weitere Änderungen ergaben sich durch das dritte Finanzmarktförde-rungsgesetz. Der Inhalt und Umfang dieser Pflichten sind durch die Wohlverhal-tensrichtlinie, die Compliance-Richtlinie, die Mindestanforderungen sowie die

442 Vgl. Reich, WM 1997, 1601 f. 443 Das traf auf die Organisationspflichten der Art. 10 WPD-RL a.F. nicht zu. Vgl. S. 206,

§ 2 Organisationspflichten. 444 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110, Rdnr. 8; Kümpel, Bank- und Kapi-

talmarktrecht, Rdnr. 16.406. 445 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, Vor § 31 Rz. 7; Kümpel, Bank- und Kapitalmarkt-

recht, Rdnr. 16.406; Stöterau, S. 44.

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Mitarbeiter-Leitsätze konkretisiert worden. Die in Umsetzung der Art. 10 and 11 WPD-RL a.F. entstandenen nationalen Regelungen sind europarechtskonform anzuwenden und zu interpretieren.446 Das WpHG differenziert zwischen den in § 31 enthaltenen „allgemeinen“ Ver-haltenspflichten, denen die Interessenwahrungspflicht, die Pflicht zur Vermei-dung von Interessenkonflikten, die Erkundigungspflicht sowie die Informations-/Aufklärungspflicht zuzuordnen sind, und den „besonderen“ Verhaltenspflich-ten, mit denen sich § 32 WpHG befasst. Die „besonderen“ Verhaltenspflichten sind als Verbotsnormen gestaltet und begründen das Verbot, Kunden den An- oder Verkauf von Wertpapieren oder Derivaten zu empfehlen, wenn die Emp-fehlung nicht mit den Interessen des Kunden übereinstimmt oder wenn die Emp-fehlung den Kurs der Wertpapiere zu lenken beabsichtigt, sowie das Verbot von Vor-, Mit- und Gegenlaufen. §§ 33 und 34 WpHG legen die Organisations- und Aufzeichnungspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen fest. Den in der neuen Fassung der WPD-RL enthaltenen Änderungen, die sich auf die Verhaltens- und Organisationsregeln beziehen, liegen die mit ihrer Umset-zung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten und mit der Beaufsichtigung ih-rer Einhaltung durch die in der Europäischen Union tätigen Wertpapierfirmen verbundenen Erfahrungen zu Grunde. Daher zeichnet sich die WPD-RL n.F. nicht nur durch die Klarstellung der bislang geltenden Vorschriften aus, sondern führt einige neue Regeln ein, die den aktuellen Entwicklungen des Kapital-markts Rechnung tragen.447 Es wird unten bei der Darstellung jeder einzelnen Verhaltens- bzw. Organisati-onsregel auf die wesentliche Novellierungen der neuen Fassung der WPD-RL eingegangen. An dieser Stelle sind allerdings drei grundlegende Änderungen hervorzuheben, die alle Verhaltensregeln betreffen. Erstens wurde im Hinblick auf das Herkunftslandprinzip und auf die in der alten Fassung der WPD-RL für die Verhaltensregeln vorgesehene Ausnahmeregelung zu Gunsten des Aufnah-mestaats eine Kompromisslösung vorgesehen.448 Die Mitgliedstaaten sind ver-pflichtet, auf ihrem Hoheitsgebiet die Einhaltung der in der WPD-RL festgeleg-ten Verhaltensregeln im gleichen Maße zu gewährleisten (Art. 18 (1) und Art. 19 (1) WPD-RL n.F.). Eine solche Maximalharmonisierung wird auch da-durch sichergestellt, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, die Wertpa-pierfirmen zusätzlichen nationalen Vorschriften zu unterstellen (Art. 31 Abs. 1

446 Vgl. Bliesener, S. 16 ff.; Wieneke, S. 67 ff. 447 Vgl. Balzer, ZBB 2003, 177, 178. 448 Art. 18 Abs. 11 und 12 WPD-RL n.F. Ausführlich zum Herkunftslandsprinzip auf

S. 50, a) WPD-RL n.F.

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(2) WPD-RL n.F.). Auf diesem Wege werden alle in der Europäischen Union tä-tigen Wertpapierfirmen demselben Verhaltensstandard unterstellt. Leider bleibt das Problem der Kontrolle und Sanktionierung des rechtswidrigen Verhaltens der grenzüberschreitend tätigen Wertpapierfirmen, die ihre Dienstleistungen im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erbringen, ohne klare Lösung. Art. 56 WPD-RL n.F. verpflichtet die zuständigen Behörden zur Zusammenar-beit und verteilt die Befugnisse auf eine solche Weise, dass die zuständige Be-hörde des Aufnahmestaats die Missstände aufdeckt und die entsprechende Be-hörde des Herkunftslands darüber unterrichtet, so dass die Letztere gegen die Wertpapierfirma vorgehen kann. Weitere Konkretisierungen sind im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen zu erwarten. Die in der WPD-RL n.F. vorgese-hene Lösung stößt auf praktische Probleme, denn die Herkunftslandsbehörde ist nicht immer in der Lage, den im Ausland begangenen Missständen effektiv ent-gegenzuwirken. Dies widerspricht dem Zwecke des Anlegerschutzes. gleich-wohl entspricht dem Sinn und Zweck des Anlegerschutzes die Tatsache, dass die Einhaltung dieser Regeln durch Zweigniederlassungen der zuständigen Behörde des Aufnahmestaats überlassen bleibt (32. Erwägungsgrund; Artt. 32 und 61 WPD-RL n.F.). Die Aufsichtsbehörde des Aufnahmestaats ist am besten in der Lage, die Einhaltung der Verhaltensregeln durch die in ihrem Hoheitsgebiet tä-tige Zweigniederlassung einer ausländischen Wertpapierfirma effektiv zu über-wachen und den durch die Zweigniederlassungen begangenen Missständen ent-gegenzuwirken. Zweitens wurde durch die einheitliche Umsetzung und Anwendung der Verhal-tensregeln in allen Mitgliedstaaten eine Maximalharmonisierung angestrebt (Art. 31 Abs. 1 WPD-RL n.F.). Diese soll zur Integrität des Binnenmarktes und zum Schutz der Anleger beitragen.449 Zu diesem Zweck ermächtigen Art. 18 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 10 WPD-RL n.F. die Europäische Kommission zum Er-lass von Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf die in diesen Artikeln be-gründeten Verhaltensregeln. Eine Vorarbeit dafür hat bereits die CESR geleistet, indem sie unverbindliche konkretisierende Regelungen und Umsetzungsmaß-nahmen für die zurzeit geltenden Verhaltensregeln festgelegt hat.450 Dabei soll nicht nur der Tatsache, ob es sich um Kleinanleger oder professionelle Anleger handelt, sondern auch der Wesensart der Dienstleistungen und der Finanzin-strumente Rechnung getragen werden.

449 Vgl. Balzer, ZBB 2003, 177, 178. 450 Z.B. “A European Regime of Investor Protection. The professional and the

counterparty regimes”, dated July 8, 2002, und "A European Regime of investor protection – The Harmonisation of Conduct of Business Rules", dated April 9, 2002. Siehe http://www.europefesco.org/v2/default.asp.

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Drittens legt Art. 20 WPD-RL n.F. die Grundsätze fest, gemäß denen eine Wert-papierfirma auf Anweisung einer anderen Wertpapierfirma Kundenaufträge aus-zuführen hat. Da diese Regelung lediglich für die im Namen des Kunden ausge-führten Geschäfte gilt, wird durch sie (im Gegensatz zur Regelung des Art. 11 Abs. 3 WPD-RL a.F.) nicht nur das Kommissions-, sondern auch das Eigenhan-delsgeschäft nicht erfasst. Gemäß Art. 18 Abs. 10 WPD-RL n.F. darf sich die Wertpapierfirma bei der Erbringung einer ihr durch eine andere Wertpapierfirma vermittelten Wertpapierdienstleistung oder Nebendienstleistung auf die ihr von einer solchen Wertpapierfirma übermittelten Kundenangaben stützen sowie sich auf die Empfehlung verlassen, die dem Kunden seitens der übermittelnden Wertpapierfirma ausgesprochen wurde. Dabei bleibt die Wertpapierfirma, die Kundenanweisungen übermittelt, für die Eignung der Empfehlung für den Kun-den verantwortlich, während die Verantwortung für die Erbringung der Dienst-leistung oder den Abschluss des Geschäfts bei der Wertpapierfirma, die die Kundenanweisungen über eine andere Wertpapierfirma erhält, verbleibt. Unten wird im Einzelnen auf Verhaltens- und Organisationspflichten der Art. 10 und 11 WPD-RL eingegangen und auf die Besonderheiten ihrer Umsetzung in das deutsche Recht in §§ 31 ff. WpHG hingewiesen. Dabei werden die sich aus der neuen Fassung der WPD-RL ergebenden Novellierungen dargestellt. Im Hinblick auf das deutsche Recht wird auf die Überschneidungen bzw. Unter-schiede zwischen den öffentlich- und den privatrechtlichen Verhaltenspflichten, insbesondere im Zusammenhang mit den Informationspflichten, eingegangen. Es wird untersucht, wie diese Pflichten das Verhalten der Marktintermediäre steuern, so dass der Schutz der Anleger und der Funktionenschutz des Kapital-marktes gewährleistet sind. I. Interessenwahrungspflicht Die Anleger haben keinen unmittelbaren Zugang zum Kapitalmarkt und sind deshalb auf die Interessen wahrende Betreuung durch Marktintermediäre insbe-sondere bei der Ausführung ihrer Aufträge angewiesen.451 Deswegen wird den Marktintermediären die grundsätzliche Pflicht, die Interessen der Anleger bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in allen Fällen zu wahren, auferlegt. Wie diese Pflicht anzuwenden und auszulegen ist, wird unten untersucht.

451 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.165.

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1. Interessenwahrungspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 7 WPD-RL a.F. sieht vor, dass eine Wertpapier-firma allen für die Ausübung ihrer Tätigkeit geltenden Vorschriften im bestmög-lichen Interesse ihrer Kunden und der Integrität des Marktes nachkommen soll. Die Zielrichtung dieser Vorschrift entspricht der der WPD-RL.452 Die Pflicht zur Wahrung der Kundeninteressen wird auf jede Tätigkeit der Wertpapierfirma, die als Marktintermediär tätig wird, angewandt und gilt als ei-ne Generalnorm.453 Diese soll vorliegend im Zusammenhang mit Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 1 und 2 WPD-RL a.F. betrachtet werden. Demgemäß soll eine Wertpapierfirma bei der Ausübung ihrer Tätigkeit recht und billig und mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit handeln. Zwar ist die Wertpapierfirma an die Weisungen des Kunden gebunden, sie erhält aber ihren eigenen Ermessensspielraum, innerhalb dessen sie auf Grund ihrer fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen am besten beurteilen kann, welche Handlungen den bestmöglichen Interessen des Kunden entsprechen.454 Die Erkundigungs-pflicht455 ist für die Einhaltung der Interessenwahrungspflicht insofern von Be-deutung, als dem unerfahrenen Kleinanleger intensivere Betreuung als einem professionellen Anleger geschuldet wird.456 Grundsätzlich wird den Kundeninte-ressen Vorrang vor den eigenen Interessen der Wertpapierfirma, wie z.B. dem Provisionsinteresse, eingeräumt.457 Ob die Ausführung des Kundenauftrags un-ter der Einhaltung des Interessenwahrungspflicht geschah, wird nicht am Erfolg, sondern an der Vorgehensweise der Wertpapierfirma gemessen.458 Auch in der neuen Fassung der WPD-RL kommt der Interessenwahrungspflicht im Hinblick auf den Anlegerschutz eine weit reichende Bedeutung zu. Die WPD-RL n.F. hat den Status der Interessenwahrungspflicht als Generalnorm nicht nur beibehalten, sondern durch die neue Stellung im Aufbau des Art. 19 hervorgehoben. Art. 19 Abs. 1 WPD-RL n.F. statuiert die Interessenwahrungs-pflicht an erster Stelle und fordert ausdrücklich ihre Berücksichtigung bei allen Handlungen der Wertpapierfirma und insbesondere bei der Erfüllung von allen

452 Siehe S. 35, II. Anlegerschutz als Regelungsziel. 453 Vgl. Elster, S. 277; Stöterau, S. 42 f.; Bliesener, S. 323. 454 Vgl. Elster, S. 278 f.; Reich WM 1997, 1601, 1602 f. 455 Siehe S. 154, II. Erkundigungspflicht. 456 Vgl. Derleder, EWiR 2001, 1087 f.; Möllers, ZGR 1997, 334, 364 ff. 457 Vgl. Buhk, S. 47; Horn in Horn/Schimansky, 265, 276 f.; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 31 Rdnr. 16; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.409 (m.w.N.); Reich, WM 1997, 1601, 1602.

458 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1603.

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in Art. 19 Abs. 2 bis 8 WPD-RL n.F. enthaltenen Verhaltensregeln. Gemäß Art. 19 Abs. 1 WPD-RL n.F. beruht die Interessenwahrungspflicht auf den Grundsätzen der Ehrlichkeit, Redlichkeit und Professionalität. Ihr Kern bildet die Verpflichtung, bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen und Ne-bendienstleistungen „im bestmöglichen Interesse des Kunden“ zu handeln (Art. 19 Abs. 1 WPD-RL n.F.). Diese Verpflichtung spielt bei der Ausführung der Kundenaufträge (Art. 21 WPD-RL n.F.) eine hervorzuhebende Rolle. Sie er-fordert vom Marktintermediär die Ausführung der Kundenaufträge unter Be-rücksichtigung sowohl der marktrelevanten (Art. 21 Abs. 1 WPD-RL n.F. zählt dazu u.a. den Kurs, die Kosten, die Schnelligkeit, die Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abrechnung, den Umfang, die Art der Ausführung) als auch der kundenbezogenen Faktoren. Wie diese Faktoren bei der Auftragsausführung berücksichtigt werden müssen, ist im Laufe der Durchführungsmaßnahmen zu präzisieren (Art. 21 Abs. 6 WPD-RL n.F.). Art. 21 Abs. 6 S. 1 WPD-RL n.F. zu-folge zielt der Grundsatz der kundengünstigen Auftragsausführung auf die Ge-währleistung des Anlegerschutzes und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Kapitalmärkte ab. 2. Interessenwahrungspflicht im deutschen Recht Die Umsetzung der in Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 1, 2 und 7 WPD-RL a.F. festgelegten Interessenwahrungspflicht in § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist nicht wörtlich, sondern mit einigen Abweichungen erfolgt.459 § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verpflichtet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Wertpapier-dienstleistungen und Nebendienstleistungen mit der erforderlichen Sachkennt-nis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunden zu erbringen. Die Pflicht „recht und billig“ zu handeln, wurde im WpHG nicht berücksichtigt. Dieser lückenhaften Umsetzung soll die richtlinienkonforme Auslegung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG entgegenwirken.460 Die Eigenschaft der Interessenwahrungspflicht als einer Generalnorm461 wird im deutschen Recht beibehalten. Darum erstreckt sich diese Pflicht auf jegliche Handlungen der Marktintermediäre, die diese bei der Erbringung der Wertpa-pierdienstleistungen sowie Wertpapiernebendienstleistungen vornehmen, z.B.

459 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rdnr. 4 ff. 460 Vgl. Bliesener, S. 16 ff.; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 137; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 31 Rz. 7; Wieneke, S. 67 ff. 461 Siehe S. 150, 1. Interessenwahrungspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-

RL .

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bei der Auftragsausführung.462 Demgemäß soll ein Wertpapierdienstleistungsun-ternehmen über hinreichende Sachkenntnisse verfügen, die verkehrserforderli-che Sorgfalt wahren und sich dem Anleger gegenüber uneingeschränkt loyal verhalten.463 Dabei soll sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen an den konkreten individuellen Bedürfnissen des Kunden orientieren, die gemäß der Erkundigungspflicht zu ermitteln sind.464 Die Besonderheiten der Erfüllung der Interessenwahrungspflicht durch den Vermögensverwalter entstehen durch seine im Vergleich zur Ausführung ein-zelner Aufträge umfassenderen Aufgaben. Der Vermögensverwalter ist befugt, über das ganze ihm zum Zwecke der Anlage anvertraute Vermögen des Anle-gers zu verfügen und selbständig, ohne Weisungen des Kunden, Anlageent-scheidungen zu treffen.465 Die Reichweite seiner Befugnisse ist in der Regel in den Anlagerichtlinien festgelegt. Da das deutsche Recht keine Pflicht zur Ver-einbarung von Anlagerichtlinien vorsieht, kann der Vermögensverwalter in eini-gen Fällen nach seinem freien Ermessen handeln.466 Der Ermessensspielraum des Vermögensverwalters ist allerdings durch die Kundenangaben begrenzt (Gebot der anlegergerechten Vermögensverwaltung).467 Der Vermögensverwal-ter genießt einen großen Ermessensspielraum, solange die Entscheidungen, wann und in welche Anlageprodukte er investiert, im Interesse des Kunden lie-gen.468 Diese Interessenwahrungspflicht des Vermögensverwalters kann nicht durch eine Aufklärung abgemildert werden, da er dem Kunden keine Aufklä-

462 Vgl. Bliesener, S. 223 ff. 463 Vgl. Kümpel in Wertpapierhandelsgesetz, S. 163; Eisele in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 19; Hdb. KapitalanlageR/Schäfer § 28 Rdnr. 37. Auch Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 5 ff, weist darauf hin, dass diese Loyali-tät selbst dann aufrecht zu erhalten ist, wenn dem Wertpapierdienstleistungsunterneh-men dabei finanzielle Vorteile entgehen.

464 Vgl. Bliesener, S. 212 ff.; Lang, S. 149 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1602 ff. 465 Dieses gesteigerte Vertrauen, das der Kunde dem Vermögensverwalter entgegen-

bringt, ist der Grund der gesteigerten Interessenwahrungspflichten desselben. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 22 ff.; Lang, S. 443 f.; Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 95.

466 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/Schäfer, § 28 Rdnr. 21; Müller in Schäfer/Müller, Rdnr. 277 ff.; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 22.

467 Vgl. Balzer, WM 2000, 441, 448; Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 99. 468 Vgl. Lang, S. 444; Schäfer, Rdnr. 270 ff.; Horn in Horn/Schimansky, 265, 272 ff.;

Müller in Schäfer/Müller, Rdnr. 270 ff. Hdb. KapitalanlageR/Schäfer, § 28 Rdnr. 23 ff., weist darauf hin, dass die Wahrung der Kundeninteressen in der Praxis auf Grund von drei Geboten erfolgt: dem Gebot einer produktiven Verwaltung, dem Verbot der Spekulation sowie dem Gebot der Risikominderung durch Diversifikation.

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rung über die einzelnen von ihm getätigten Transaktionen schuldet.469 Grund-sätzlich besteht die Interessenwahrungspflicht des Vermögensverwalters darin, dass er das Depot seines Kunden überwacht und, wenn nötig, tätig wird.470 Der Vermögensverwalter darf nicht Umsätze mit Wertpapieren des Kunden generie-ren und soll sich daran halten, dass die Kundeninteressen Vorrang vor seinen ei-genen Interessen haben.471 Die Interessenwahrungspflicht kommt insbesondere bei der zeitnahen Ausführung der Kundenaufträge sowie bei der Wahl des Aus-führungsortes zum Tragen.472 Die in § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG enthaltene Interessenwahrungspflicht lässt sich auf das deutsche Geschäftsbesorgungsrecht, dem die Pflicht eines Kommissio-närs, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu handeln und dabei die Interessen des Kommittenten wahrzunehmen (§ 384 HGB), schon seit langem bekannt sind, zurückführen.473 Bei der Auslegung des Umfangs dieser Pflicht ist der BGH so weit gegangen, dass er z.B. die Marktintermediäre dazu verpflichtet hat, von den Weisungen der Kunden abzuweichen, wenn deren Befolgung zu Nachteilen für den Kunden führen würde.474 Insoweit stellt § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG eine öffentlich-rechtliche Norm dar, die zwar in Umsetzung der WPD-RL a.F. erfolgte, aber dem deutschen Privatrecht entspricht. 3. Zwischenergebnis Die Interessenwahrungspflicht sorgt dafür, dass die Wertpapierdienstleistungs-unternehmen vor und bei der Ausführung der Kundenaufträge immer die Kun-deninteressen wahren und ihnen Vorrang vor den eigenen Interessen geben. Die-se Verhaltensregel zielt darauf ab, die Risiken des Effektenkunden zu minimie-ren, die durch die Einschaltung eines Vermittlers, dem bei der Auftragsausfüh-

469 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 111 Rdnr. 28; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 31 Rz. 22. Vgl. auf S. 168, a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG.

470 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 22; Lang; S. 503; Müller in Schä-fer/Müller, Rdnr. 306 ff.

471 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 22; Balzer, S. 112; Horn in Horn/Schimansky, 265, 276 f.; Heinsius, ZBB 1994, 47, 50.

472 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 163. 473 Vgl. Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 428; Horn, ZBB 1997, 139, 150; Könd-

gen, ZBB 1996, 361; Koller in Assman/Schneider, § 31 Rdnr. 9; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 8.238; ders., WM 1995, 689; Reich, WM 1997, 1601, 1604; zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf Vermögensverwalter siehe Hdb. Kapitalanla-geR/Schäfer, § 28 Rdnr. 12 und 37. Vgl. BGH, BKR 2002, 736, 738.

474 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 10.97 ff.

154

rung ein großes Ermessen eingeräumt wurde, entstehen. Die staatliche Überwa-chung und Durchsetzung dieser Pflicht wirkt dem Risiko entgegen, dass die Marktintermediäre ihre Machtstellung ausnutzen und gegen die Interessen der Anleger verstoßen. Sie fördert die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, indem sie effektiv den Schutz der Anlegerinteressen gewährleistet und dadurch ihr Ver-trauen in das faire und die Anlegerinteressen schützende Verhalten der Marktin-termediäre stärkt. II. Erkundigungspflicht 1. Erkundigungspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL Eine weitere Verhaltenspflicht der Marktintermediäre stellt die Einholung der Angaben über die persönlichen Verhältnisse und Anlageziele des Kunden („Know your Customer“-Prinzip oder „Erkundigungspflicht“) dar. Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 4 WPD-RL a.F. zufolge soll eine Wertpapierfirma den Kunden zu seiner finanziellen Lage, seinen Erfahrungen und den mit der Anlage verfolgten Zielen befragen. Der Umfang dieser Pflicht richtet sich nach ihrem Zweck. Dieser ist wiederum unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes zu bestimmen. Die herrschende Meinung in der Rechtsliteratur leitet den Zweck der Erkundigungspflicht aus dem in der WPD-RL zur Zielrichtung erklärten Anlegerschutz ab und verbindet sie deshalb mit der Informations-/Aufklärungspflicht475 sowie mit der Interes-senwahrungspflicht.476 Die von dem Kunden einzuholenden Informationen sol-len dazu dienen, dass die Wertpapierfirma feststellen kann, wie sie sich im bestmöglichen Interesse des Kunden zu verhalten hat, welche Informationen der Kunde für seine Anlageentscheidung benötigt, wie diese ihm auf eine für ihn verständliche Weise wiedergegeben werden sollen und welche Anlageprodukte

475 Siehe S. 161, III. Informationspflicht. 476 Vgl. Brandt, S. 197 f.; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 80 ff.; Elster, S. 283;

Lang, S. 150 f.; Raeschke-Kessler, WM 1996, 1764, 1766; Reich, WM 1997, 1601, 1602 ff. Die Mindermeinung schreibt der Erkundigungspflicht die Funktion zu, die Wertpapierfirma in die Lage zu versetzen, dem Kunden auf seine persönlichen Ver-hältnisse zugeschnittene Anlagen zu empfehlen oder im Falle der Vermögensverwal-tung auf ihn zugeschnittene Anlagerichtlinien zu vereinbaren. Vgl. Eisele in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 27; Schäfer in Cramer/Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, S. 675. Zu den Meinungsunterschieden ausführlich Stöterau, S. 75 ff.

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sich für einen bestimmten Kunden eignen.477 Derartige personenbezogene An-gaben des Kunden sollen der Wertpapierfirma ermöglichen, seinen Professiona-litätsgrad bzw. seine Schutzbedürftigkeit zu bestimmen.478 Grundsätzlich sind aus Sicht der WPD-RL alle Kunden der Wertpapierfirma schutzbedürftig. Gleichwohl wird der Umfang der Schutzbedürftigkeit durch den Professionalitätsgrad des Anlegers bemessen. So beeinflusst der Professio-nalitätshorizont des Anlegers den Inhalt und Umfang der Interessenwahrungs- und der Informationspflicht.479 Auch dem Umfang der Erkundigungspflicht selbst setzt die Professionalität des Anlegers gemäß Art. 11 Abs. 1 S. 2 WPD-RL a.F. Grenzen. So kann die Wertpapierfirma auf die Erkundigungen verzich-ten, wenn der Kunde erkennbar (z.B. von Berufs wegen) ausreichend erfahren ist.480 Die WPD-RL n.F. entwickelt das Konzept der Erkundigungspflicht auf Grund-lage der aktuellen Marktpraxis weiter und führt wesentliche Novellierungen ein. Erstens ließ sich der Professionalitätshorizont des Anlegers nach dem bisherigen Stand des europäischen Rechts in erster Linie auf Grund seiner Erfahrungen bestimmen. Trotz der im § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG enthaltenen Abweichung mit Blick auf die Kundenkenntnisse481 wird diese Vorschrift in der Rechtsliteratur und in der Praxis europarechtskonform ausgelegt.482 Die durch den WPD-RL n.F. eingeführte Pflicht der Wertpapierfirma zur Ermittlung der Kenntnisse des Kunden trägt der aktuellen Praxis sowie der in der Rechtsliteratur herr-schenden Meinung Rechnung, indem sie vorschreibt, dass der Professionalitäts-horizont des Kunden unter Berücksichtigung sowohl seiner Kenntnisse als auch seiner Erfahrungen zu bestimmen ist. Ob die WPD-RL n.F. nicht nur die aus den Erfahrungen gewonnenen, sondern auch die theoretischen Kenntnisse des Kun-den zu erfassen beabsichtigt, bleibt abzuwarten. Sollte das nicht der Fall sein, bestünde mit dieser Änderung kein substanzieller Unterschied zu Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 4 WPD-RL a.F. 477 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 174; Koller in Assmann/Schneider, § 31

Rz. 115 ff. 478 Siehe Fn. 112. 479 Ausführlich auf S. 149, I. Interessenwahrungspflicht und auf S. 161, III. Informations-

pflicht. 480 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 88; vgl. Eisele in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 28. 481 Vgl. auf S. 158, 2. Erkundigungspflicht im deutschen Recht. 482 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 83 weist darauf hin, dass die Kenntnisse des

Kunden sich aus seinen Erfahrungen ergeben. Vgl. Eisele in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 28.

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Zweitens wird der Umfang der Erkundigungspflicht sowie ihre Zielrichtung in Zusammenhang mit der Art der Wertpapierdienstleistung gestellt. So ist die Reichweite der Erkundigungspflicht am weitesten, wenn die Wertpapierfirma Anlageberatung oder Portfolio-Management erbringt (Art. 19 Abs. 4 WPD-RL n.F.). In diesem Fall ist sie verpflichtet, vom Anleger die Informationen über seine Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf den speziellen Produkttyp oder den speziellen Typ der Dienstleistung, seine finanziellen Verhältnisse und seine Anlageziele zu erfragen. Der Inhalt der zu ermittelnden Informationen ist auf diejenigen eingeschränkt, die notwendig sind, um der Wertpapierfirma zu er-möglichen, dem Kunden die für ihn geeigneten Wertpapierdienstleistungen und Finanzinstrumente zu empfehlen. Insofern sollen die vom Kunden einzuholen-den Angaben die Wertpapierfirma in die Lage versetzen, sich ein Kundenporträt zu bilden, auf dessen Grundlage sie nicht nur die für ihn geeigneten Wertpapier-dienstleistungen und Finanzinstrumente bestimmen, sondern auch auf ihn zuge-schnittene Empfehlungen im Hinblick auf bestimmte Wertpapierdienstleistun-gen und Finanzinstrumente aussprechen kann. Auf die Wertpapierfirmen, die andere Dienstleistungen als Anlageberatung und Portfolio-Verwaltung erbringen, trifft die reduzierte Erkundigungspflicht zu. Sie müssen gemäß Art. 19 Abs. 5 WPD-RL n.F. von ihren Kunden lediglich die In-formationen zu ihren Kenntnissen und Erfahrungen verlangen. Auf Grundlage solcher Informationen soll es für die Wertpapierfirma möglich sein, zu beurtei-len, ob die in Betracht gezogenen Wertpapierdienstleistungen oder Finanzpro-dukte für den Kunden geeignet sind.483 Dieser Ansatz lässt sich gut mit dem im Zusammenhang mit dem Anleger-/Verbraucherschutz durchgesetzten Recht auf Informationen und Entscheidungsfreiheit (Informationsmodell) vereinbaren,484 denn die eigentliche Entscheidung bleibt dem Kunden überlassen. Während der WPD-RL Entwurf für den Fall, dass die Wertpapierfirma, die auf Grund der Kundenangaben zum Schluss kommt, dass die in Betracht gezogenen Wertpa-pierdienstleistungen oder Finanzprodukte sich für einen bestimmten Kunden nicht eignen, eine leichte Tendenz zur Beugung des Willen des Kunden aufwies, beschränkt sich die Endfassung auf das Erfordernis eines Warnhinweises. Damit wird das Gleichgewicht zwischen der Entscheidungsfreiheit des Anlegers und dem Schutz seiner Interessen durch Verhaltenspflichten entsprochen.

483 Diese Änderung lässt sich auf die Kategorisierung der Kundengruppen nach angel-

sächsischem Modell zurückführen. Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 28. Bislang haben sich die Praxis und das Schrifttum mit der Angemessenheit von bestimmten Anlageprodukten für bestimmte Kundengruppen auseinandergesetzt. Brandt, S. 296 ff.; Florian, S. 86 ff.; Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 44; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.482; Wieneke, S. 31 und 173 ff.

484 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 80 ff.; Reich in Grundmann, 481, 495 ff.; ders., WM 1997, 1601.

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Weder die alte noch die neue Fassung der WPD-RL sehen eine entsprechende Pflicht des Kunden vor, gegenüber der Wertpapierfirma Angaben zu seinen per-sönlichen Verhältnissen zu machen. Falls der Kunde sich weigert, der Wertpa-pierfirma die betreffenden Informationen mitzuteilen, muss die Wertpapierfirma seinen Auftrag nicht ablehnen.485 Gleichwohl wird die Wertpapierfirma dadurch gehemmt, ihren anderen Pflichten, insbesondere der Interessenwahrungs- und der Informationspflicht, nachzukommen. Die neue Fassung der WPD-RL trägt dieser Erkenntnis Rechnung und verpflichtet in Art. 19 Abs. 5 die Wertpapier-firmen, den Kunden zu warnen, dass es für sie mangels der entsprechenden In-formationen nicht möglich ist, zu beurteilen, ob die in Betracht gezogenen Wertpapierdienstleistungen oder Finanzprodukte sich für diesen Kunden eignen. Eine solche Warnung erfolgt in standardisierter Form. Drittens enthält Art. 19 Abs. 6 WPD-RL n.F. eine Ausnahmeregelung für die Wertpapierfirmen, die „execution-only“ Geschäfte betreiben. Diese Wertpapier-firmen unterliegen nicht der Erkundigungspflicht, wenn sie die folgenden Vor-aussetzungen erfüllen: (1) Die Dienstleistung betrifft nicht komplexe Finanzin-strumente. Eine nicht abschließende Liste dieser Finanzinstrumente ist in Art. 19 Abs. 6 S. 2 Spiegelstr. 1 WPD-RL n.F. enthalten. (2) Die Dienstleistung wird auf Veranlassung des Kunden erbracht. (3) Der Kunde wurde eindeutig (in stan-dardisierter Form) darüber informiert, dass die Wertpapierfirma die Eignung der Dienstleistungen und Finanzinstrumente für diesen Kunden nicht überprüfen muss und dass der Kunde nicht in den Genuss des Schutzes der Wohlverhaltens-regeln kommt. (4) Die Wertpapierfirma kommt ihrer Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten nach. Der Richtlinientext lässt Raum für Interpretatio-nen, wie sich die Befreiung der Direktbanken von der Erkundigungspflicht auf ihre Informationspflichten auswirkt. Gemäß Art. 19 Abs. 6 Spiegelstr. 3 WPD-RL n.F. müssen die Direktbanken ihre Kunden darüber informieren, dass “die Wertpapierfirma bei der Erbringung dieser Dienstleistung die Eignung der In-strumente oder Dienstleistungen [...] nicht prüfen muss und der Kunde daher nicht in den Genuss des Schutzes der einschlägigen Wohlverhaltensregeln kommt“. M.E. ist damit der Schutz nach Art. 19 Abs. 5 WPD-RL n.F. gemeint. Dagegen besteht die Informationspflicht nach Artt. 2 und 3 WPD-RL n.F. wei-ter. Allerdings soll im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen geklärt werden, wie sich die Befreiung der Wertpapierfirmen bei „execution-only“ Geschäften von der Erkundigungspflicht auf den Inhalt der nach Art. 19 Abs. 3 WPD-RL dem Kunden mitzuteilenden Informationen auswirkt. Aus diesen Novellierungen ist ersichtlich, dass der Erkundigungspflicht eine zu-sätzliche Zielrichtung mitgegeben wurde. Sie soll grundsätzlich den Wertpapier-

485 Vgl. Elster, S. 286.

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firmen die Beurteilung ermöglichen, ob die Dienstleistung oder das Anlagepro-dukt sich für einen konkreten Kunden eignet. Sie trägt auch der Marktpraxis in-soweit Rechnung, als sie für das „execution-only“ Geschäft eine Erleichterung schafft, während sie bei der Anlageberatung und Portfolio-Verwaltung eine er-höhte Pflicht vorsieht. Dieser differenzierte Ansatz (je mehr die Dienstleistung auf die individuellen Interessen einzelner Anleger bezogen ist, desto höher ist der Umfang der Erkundigungspflicht) trägt zur Entlastung der Wertpapierfirmen bei und bedeutet zugleich keine Absenkung des Anlegerschutzniveaus. 2. Erkundigungspflicht im deutschen Recht § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG setzt Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 4 der WPD-RL a.F. um und verpflichtet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, von seinen Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse, ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlan-gen. Das Gesetz überlässt es der Praxis, darüber zu bestimmen, in welchen Ab-ständen die Erkundigungen zu wiederholen und die Kundenangaben zu aktuali-sieren sind.486 Gemäß der herrschenden Meinung steht die im § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG statu-ierte Erkundigungspflicht mit der Informationspflicht, § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG, sowie mit der Interessenwahrungspflicht, § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, in engem Zusammenhang.487 In einem Punkt widerspricht § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG der WPD-RL a.F.: Er ü-berlässt es dem freien Ermessen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, ob es nach den Erfahrungen oder den Kenntnissen des Kunden zu fragen hat. Die richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift erfordert, dass das Wertpapier-dienstleistungsunternehmen Angaben sowohl zu den Erfahrungen als auch zu den auf Basis dieser Erfahrungen gewonnenen Kenntnissen des Kunden ein-holt.488 Ob gemäß der neuen Fassung der WPD-RL auch die nicht auf Grund der Erfahrung gewonnenen, theoretischen Kenntnisse des Kunden zu berücksichti-gen sind, soll bei den Durchführungsmaßnahmen geklärt werden. 486 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 27; Lang, S. 177 f.; Reich,

WM 1997, 1601, 1604; Hdb. KapitalanlageR/ Roth, § 12 Rdnr. 26. 487 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 80 ff.; auch Kümpel, WpHG, S. 177;

Horn, ZBB 1997, 139, 150; Reich, WM 1997, 1601, 1604; Schwennicke, WM 1998, 1101, 1105 f.; vgl. Fn. 476.

488 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 26; Koller in Ass-mann/Schneider, § 31 Rz. 83; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 176; Lang, S. 183 ff.

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Der Inhalt der Erkundigungspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG wurde durch die Wohlverhaltensrichtlinie konkretisiert.489 Ziff. 2.1 a) der Wohlverhaltens-richtlinie erläutert, dass die vom Kunden zu ermittelnden Informationen über seine Anlageziele sowohl seine Risikobereitschaft als auch die beabsichtigte Art der Anlage (lang- oder kurzfristig, mit einmaligen oder wiederkehrenden Erträ-gen) betreffen sollen.490 Die Risikoerwartungen des Kunden dürfen nicht in Wi-derspruch zu seinen finanziellen Verhältnissen stehen, nämlich seiner Fähigkeit, die jeweiligen Risiken zu tragen und, falls Verluste eintreten, diese zu verkraf-ten.491 Gemäß Ziff. 2.1 c) der Wohlverhaltensrichtlinie soll der Kunde über seine finanziellen Verhältnisse befragt werden, soweit es im Hinblick auf die beab-sichtigten Geschäftsarten und unter Berücksichtigung seiner Anlageziele sowie seiner Kenntnisse oder Erfahrungen erforderlich ist. Dabei soll auch berücksich-tigt werden, aus welchen Quellen die beabsichtigten Geschäfte finanziert werden sollen und welche Verlust-, Nachschuss- oder sonstige Risiken bestehen. In Einklang mit der WPD-RL a.F. setzt das WpHG dem Umfang der Erkundi-gungspflicht Grenzen. Gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sowie Ziff. 2.1 Abs. 1 und 2.1 c der Wohlverhaltensrichtlinie ist die Ermittlung der Kundenangaben in-sofern vorzunehmen, als dies zur Wahrung der Kundeninteressen und im Hin-blick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen dürfen von dem Kunden die Angaben bis zu dem Punkt verlangen, an dem sie beurteilen können, ob eine konkrete An-lage den Interessen dieses Kunden entspricht.492 Die Erkundigungspflicht ent-fällt, wenn der Kunde von einem Vermögensberater betreut wird und bereits deutliche Vorstellungen vom gewünschten Geschäft hat.493 Mit Blick auf die Vermögensverwaltung ist die Bedeutung der Erkundigungs-pflicht besonders hervorzuheben. Der Vermögensverwalter benötigt die Kun-denangaben, die für sein freies Ermessen bei der Verwaltung des Vermögens des

489 Vgl. auf S. 91, IV. Aufsicht. 490 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 84; Lang, S. 169 ff.; Horn, ZBB 1997,

139, 150. 491 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 85. Raeschke-Kessler, WM 1996, 1764 f.,

weist auf den Konflikt der Pflicht der Banken, gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG die Angaben zu finanziellen Verhältnissen des Kunden einzuholen, mit dem Bankgeheim-nis hin.

492 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 87 ff.; Lang, S. 148 ff.; Raeschke-Kessler, WM 1996, 1764, 1766 f.

493 Vgl. BGH, WM 1996, 664; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 418; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 130.

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Kunden als Leitlinie dienen, so dass seine Tätigkeit auf die individuellen Be-dürfnisse des Anlegers zugeschnitten ist.494 § 31 Abs. 2 S. 2 WpHG verneint ausdrücklich die Pflicht des Kunden, dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen die von ihm geforderten Angaben mitzu-teilen. Bei der Verweigerung der Angaben durch den Kunden bleiben allerdings die in §§ 31 ff. WpHG festgehaltenen Pflichten des Wertpapierdienstleistungs-unternehmens grundsätzlich unberührt.495 Ziff. 2.4 S. 2 der Wohlverhaltensricht-linie erlegt dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Pflicht auf, die Ver-weigerung der Angaben durch den Kunden zu dokumentieren. Dies geht jedoch über die bisherige europäische und deutsche Rechtsetzung sowie über die Be-fugnisse des Amtes hinaus. Gemäß der in der neuen Fassung der WPD-RL ent-haltenen Regelung, wird es in Zukunft erforderlich sein, den Kunden zu warnen, dass die fehlenden oder unzureichenden Angaben das Wertpapierdienstleis-tungsunternehmen daran hindern, seinen Pflichten nachzukommen bzw. zu beur-teilen, ob das Anlageprodukt oder die Dienstleistung sich für den Kunden eig-nen. 3. Zwischenergebnis Die Erkundigungspflicht trägt zum Schutz der Anleger effektiv bei, in dem sie das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu verpflichtet, sich durch Ermitt-lung bestimmter Informationen ein Bild über die Schutzbedürftigkeit des kon-kreten Kunden zu verschaffen. Erst wenn das Wertpapierdienstleistungsunter-nehmen die Schutzbedürfnisse des konkreten Kunden festgestellt hat, ist es in der Lage, seinen anderen Pflichten (zu denen in erster Linie die Interessenwah-rungs- und die Informationspflicht gehören) nachzukommen. Die neue Fassung der WPD-RL stellt beim Umfang der Erkundigungspflicht auf die Art der Dienstleistung ab: Sie geht bei der Anlageberatung und Portfolio-Verwaltung 494 Vgl. Balzer, S. 83, 109; ders., WM 2000, 441, 444 ff.; Kienle in Schi-

mansky/Bunte//Lwowski, § 111 Rdnr. 28; Lang, S. 464. 495 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 29; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 31 Rz. 87 ff.; Lang, S. 178. Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 242, weist darauf hin, dass die Information in diesem Fall nicht anlegergerecht sein kann, allerdings objektgerecht sein muss. Ähnlich Horn in Festschrift für Schimansky, 653, 660. Schwennicke, WM 1996, 1101, 1105, vertritt die Mindermeinung und stellt die Verweigerung der Angaben durch den Kunden dem Verzicht auf die Informationen gleich. Ähnlich Horn, WM 1999, 1, 8; Weber-Rey/Baltzer, WiB 1997, 1283, 1286 f. Diese Ansicht hält allerdings weder der WPD-RL, die alleine auf die Schutzbedürftig-keit des Anlegers abstellt (vgl. S. 154, 1. Erkundigungspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL), noch der öffentlich-rechtlichen Natur der Verhaltenspflichten Stand.

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am weitesten, während Direktbanken von dieser Pflicht unter bestimmten Vor-aussetzungen befreit sind. Sie verleiht der Erkundigungspflicht eine neue Ziel-richtung: Die Kundenangaben sollen der Wertpapierfirma die Beurteilung er-möglichen, ob sich ein Finanzinstrument oder eine Wertpapierdienstleistung für den konkreten Kunden eignen. Gleichwohl bleibt die Erkundigungspflicht der Ausgangspunkt und die Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung ande-rer Verhaltenspflichten. Die Klarstellung, wie die Kundenangaben bei der Erfül-lung z.B. der Informationspflicht zu berücksichtigen sind, ist im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen zu erwarten. III. Informationspflicht Die Informationspflicht bildet den Kern der Verhaltenspflichten der Marktin-termediäre.496 Diese Pflicht zielt auf den Schutz der Anleger durch den Aus-gleich ihrer Informationsdefizite sowie die Minimierung des Informationsrisikos ab.497 Die Informationspflicht zielt nicht darauf ab, dem Anleger das wirtschaft-liche Risiko seiner Anlage abzunehmen, sondern bietet ihm die Möglichkeit, dieses Risiko zu erkennen.498 Dabei sind dem Anleger grundsätzlich solche In-formationen über eine Anlage oder ein Anlageprodukt zu geben, die für seine Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung sind.499 Wie diese Pflicht im eu-ropäischen und im deutschen Recht konkretisiert und ausgelegt wird, ist unten zu untersuchen. 1. Informationspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL Die in Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. festgelegte Pflicht der Wertpapierfirmen, „bei den Verhandlungen mit ihren Kunden alle zweckdienli-chen Informationen in geeigneter Form mitzuteilen“, wird in der Literatur als In-formations- oder Aufklärungspflicht bezeichnet. Die Informations-/Aufklärungspflicht ist von der Beratungspflicht streng abzu-grenzen.500 Die Beratungspflicht kann nicht dem Wortlaut des Art. 11 WPD-

496 Vgl. Lang, S. 19. 497 Siehe S.59, I. Schutzwürdige Interessen der Anleger. 498 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 22. 499 Vgl. Brandt, S. 26 f.; Lang, S. 24 f.; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 5. 500 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 25; Elster, S. 288; Ellenber-

ger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 3; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.431 ff.; Lang, S. 202; ders., WM 2000, 450, 451, 455; Nobbe in

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RL a.F. entnommen werden. Die WPD-RL a.F. ordnete die Anlageberatung den Wertpapiernebendienstleistungen zu, so dass die Beratungspflicht an einen ent-sprechenden Sachverhalt anknüpft. Bietet eine Wertpapierfirma ihren Kunden keine Anlageberatung an, was z.B. bei den Discount-Brokern der Fall ist, fehlt es an der Voraussetzung für eine Beratungspflicht.501 Die Heraufstufung der An-lageberatung von einer Wertpapiernebendienstleistung zu einer Wertpapier-dienstleistung in der neuen Fassung der WPD-RL502 hat daran grundsätzlich nichts geändert. Gleichwohl ist die Informations-/Aufklärungspflicht von der WPD-RL zwingend vorgegeben und muss von den Wertpapierfirmen unter allen Umständen, unabhängig davon, welche Wertpapierdienstleistungen oder Neben-dienstleistungen sie erbringen und ob sie lediglich in Ausführung und/oder An-nahme und Übermittlung von Kundenaufträge bestehen, eingehalten werden.503 In der Praxis sind allerdings die Grenzen zwischen Beratung und Aufklärung fließend.504 Das Merkmal einer Beratung ist eine Empfehlung, die die Wertpa-pierfirma ihrem Kunden aussprechen soll, während sich eine Aufklärung ledig-lich auf die Mitteilung aller zweckdienlichen Informationen beschränkt.505 Gleichwohl sollen solche Informationen im Vorfeld einer Empfehlung dem Kunden ebenfalls mitgeteilt werden und stellen einen wesentlichen Teil der Be-ratung dar.506 Die neue Fassung der WPD-RL unternimmt einen Klarstellungsversuch im Hin-blick auf die Unterschiede zwischen der Informations-, Aufklärungs- und der Beratungspflicht. Anhang I zur WPD-RL n.F., Abschnitt A Nr. 5, stuft die An-lageberatung von einer Wertpapiernebendienstleistung zu einer Wertpapier-dienstleistung herauf. Art. 4 Abs. 1 (4) WPD-RL n.F. definiert Anlageberatung

Horn/Schimansky, 235, 238; Reich, WM 1997, 1601, 1607; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 15.

501 Siehe S. 168, a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG.

502 Siehe Anhang I zur WPD-RL n.F., Abschnitt A Nr. 5. 503 Zur Informationspflicht bei den „execution-only“ Geschäften gemäß der neuen Fas-

sung der WPD-RL n.F. siehe auch S. 154, 1. Erkundigungspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL.

504 Vgl. Elster, S. 288 ff.; Horn, WM 1999, 1, 4; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 3; Lang, S. 29 f.

505 Vgl. Balzer, WM 2001, 1533, 1534; Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 22; Horn, ZBB 1997, 139, 140 f.; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 114; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.431 f.; Reich, WM 1997, 1601, 1605; Siol in Festschrift für Schimansky, 781, 783 f. Vgl. 161, III. Informationspflicht.

506 Vgl. Balzer, WM 2001, 1533, 1534; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 3; Lang, S. 33 ff.

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als Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der Wertpapierfirma, die sich auf ein oder meh-rere Geschäfte mit Finanzinstrumenten bezieht. Die Anlageberatung als Wertpa-pierdienstleistung liegt der Beratungspflicht zu Grunde. Der Inhalt der Bera-tungspflicht besteht gemäß Art. 19 Abs. 4 WPD-RL n.F. darin, dem Kunden die für ihn geeigneten Wertpapierdienstleistungen oder Finanzinstrumente zu emp-fehlen. Sie stützt sich auf eine weit reichende Erkundigungspflicht.507 Die Ein-führung der Pflicht zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages508 in Art. 19 Abs. 7 WPD-RL n.F. trägt zur Klarstellung des Inhalts der Beratungspflicht bei, in dem sie die vertragliche Festlegung des Inhalts der Rechte und der Pflichten der Parteien erfordert, und damit eine klare Antwort auf die Frage ermöglicht, ob und wie die Wertpapierfirma ihrem Kunden eine Beratung schuldet. Im Gegensatz zur Beratungspflicht war die Informationspflicht schon dem Wortlaut der alten Fassung der WPD-RL zu entnehmen. Die Informationspflicht des Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. wurde sehr breit gefasst. Die einzige Einschränkung bezog sich auf die Zweckdienlichkeit der dem Anleger mitzuteilenden Informationen. Die Zweckdienlichkeit der Informationen lässt sich dadurch bestimmen, dass der Kunde über die Risiken und die Tragweite ei-ner bestimmten Anlage so aufzuklären ist, dass er in die Lage versetzt wird, die wirtschaftlichen Folgen seiner Entscheidung einzuschätzen und eine risikobe-wusste Anlageentscheidung zu treffen.509 Dabei kommt es sowohl auf die Schutz-/Aufklärungsbedürftigkeit des Anleger als auch auf die Informationen über ein bestimmtes Anlageprodukt an. Die neue Fassung der WPD-RL entwickelt die Informationspflicht weiter. Sie nimmt vom Kriterium der Erforderlichkeit Abstand. Gemäß Art. 19 Abs. 3 sind dem Kunden „angemessene“ Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese In-formationen sollen dienen dazu, dass der Kunde die „genaue Art und die Risiken der Wertpapierdienstleistung und des speziellen Typs von Finanzinstrumenten“ verstehen kann. Ebenso wie in der alten Fassung der WPD-RL zielt der europäi-sche Gesetzgeber damit darauf ab, dem Anleger die informationellen Grundla-gen für seine Anlageentscheidung zu verschaffen. Der wichtigste Unterschied zwischen der alten und der neuen Fassung der WPD-RL im Hinblick auf die Informationspflicht der Wertpapierfirma besteht darin, dass der neuen Fassung eine ausdrückliche Anforderung, die Informatio-

507 Siehe S. 154, 1. Erkundigungspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL. 508 Siehe S. 204, Pflicht zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages. 509 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96a; Kümpel in Bank- und Kapitalmarkt-

recht, Rdnr. 16.439 und 16.443.

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nen auf die persönlichen Schutz/Aufklärungsbedürfnisse jedes einzelnen Anle-gers abzustellen, fehlt. Nichts deutet allerdings darauf hin, dass diese Anforde-rung in der neuen Fassung der WPD-RL ganz abgeschafft wurde. Wie die Schutzbedürfnisse einzelner Anleger bei der Erfüllung der Informationspflicht zu berücksichtigen sind, ist im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen zu klä-ren. Ein wichtiger Teil der Information/Aufklärung, die die Wertpapierfirma dem Anleger schuldet, stellen die Informationen über das Anlageprodukt („Know your product“-Prinzip) dar. Nach der alten Fassung der WPD-RL wurde eine Aufklärung, die sich lediglich auf die allgemeinen Standardinformationen über das Anlageprodukt in Form einer Informationsbroschüre beschränkt, meistens als unzureichend betrachtet.510 Nur die Informationen, die konkret sind und sich auf die Risiken einer konkreten Anlage beziehen, entsprachen dem in der alten Fassung der WPD-RL enthaltenen Kriterium der Zweckdienlichkeit.511 Die WPD-RL n.F. erweitert und präzisiert inhaltlich den objektbezogenen As-pekt der Informations-/Aufklärungspflicht. Art. 19 Abs. 3 Spiegelstr. 1 bis 3 WPD-RL n.F. fordert, dass dem Kunden Informationen über die Wertpapierfir-ma und ihre Dienstleistungen, Finanzinstrumente und vorgeschlagene Anlage-strategien sowie die Ausführungsplätze übermittelt werden. Die Bedeutung die-ser Vorschrift kann erst nach der weiteren Auslegung ihres Inhalts im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen eingeschätzt werden.. Die Informationen über die Finanzinstrumente und die vorgeschlagenen Anlagestrategien gemäß Art. 19 Abs. 3 Spiegelstr. 2 WPD-RL n.F. sollen auch geeignete Leitlinien und Warn-hinweise zu den mit einer Anlage in diese Finanzinstrumente oder mit diesen Anlagestrategien verbundenen Risiken umfassen. Neu ist die in Art. 19 Abs. 3 Spiegelstr. 1 WPD-RL n.F. festgelegte Anforde-rung, den Kunden oder potentiellen Kunden vorliegende Informationen über die Wertpapierfirma und ihre Dienstleistungen mitzuteilen. Der Zweck einer sol-chen Übermittlung besteht darin, dem Kunden die genaue Art unter Berücksich-tigung von Typ, Gegenstand, Umfang und Häufigkeit der Geschäfte zu vermit-teln. Sie ist im Zusammenhang mit dem erleichterten Regime für die Wertpa-pierfirmen, die das „execution-only“ Geschäfte tätigen, von Bedeutung.

510 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96b. 511 Vgl. Bliesener, S. 328 ff.; Elster, S. 289; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96a

und 96b. A.A. Schwennicke, WM 1998, 1101, 1106.

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Die Informationspflicht wird auch durch das „Know your customer“-Prinzip in zweierlei Hinsicht ergänzt:512 Erstens soll bei der Aufklärung der Schutzbedürf-tigkeit des Anlegers Rechnung getragen werden, zweitens soll die Aufklärung in einer Form erfolgen, die für den Anleger verständlich ist.513 Je nach ihrem Wis-sensstand und ihren Erfahrungen benötigen Anleger die Aufklärung in unter-schiedlichem Umfang.514 Die Schutzbedürftigkeit eines professionellen Anlegers kann insofern niedriger als die eines Privatanlegers sein, so dass die Wertpapier-firma ihrer Aufklärungspflicht durch weniger detaillierte Informationen schon genügen würde. Bei einem professionellen Anleger können auch die allgemei-nen Informationen weggelassen werden, da er in der Regel über einen hohen Wissensstand im Anlagebereich verfügt. Gleichwohl kann z.B. einem unerfah-renen Anleger (im Gegensatz zu einem professionellen Anleger) nicht unterstellt werden, dass er den Fachjargon versteht und mit allen Begriffen vertraut ist. Ihm schuldet die Wertpapierfirma mehr an Aufklärung, u.a. in dem Sinne, dass die Informationen für ihn verständlich dargestellt und, wenn nötig, auch erläutert werden sollen.515 Zwar hat die neue Fassung der WPD-RL diesen differenzierten Ansatz grund-sätzlich beibehalten, jedoch wird der Inhalt der Informationspflicht in der neuen Fassung der WPD-RL anscheinend weniger flexibel ausgestaltet. Erstens fehlt Art. 19 Abs. 3 WPD-RL n.F. eine ausdrückliche Verbindung zwischen der Er-kundigungs- und der Informationspflicht. Bei der Ersten wird lediglich nach der Art der erbrachten Dienstleistung unterschieden und ihr Zweck ausdrücklich auf die Empfehlung (bei der Beratung oder Portfolio-Verwaltung) oder auf die Be-stimmung (bei den anderen Wertpapierdienstleistungen) des geeigneten Anlage-produkts (der Dienstleistung oder des Finanzinstruments) gerichtet. Bei der Be-stimmung des Inhalts der dem Anleger zur Verfügung zu stellenden Informatio-nen soll nicht mehr von den individuellen Schutzbedürfnissen jedes einzelnen Anlegers, die die Wertpapierfirma bislang auf Grundlage der Erkundigungs-pflicht ermitteln musste, sondern gemäß Art. 19 Abs. 10 c WPD-RL n.F. von der Einordnung des Anlegers zu einer der zwei Anlegerkategorien (professionelle

512 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96a, weist darauf hin, dass die Pflicht, die An-

leger zweckdienlich zu informieren, durch die in Art. 11 Abs. 1 S. 2 WPD-RL a.F. sta-tuierte Pflicht, bei der Erteilung der Informationen der Professionalität der Anleger Rechnung zu tragen, nicht eingeschränkt, sondern bekräftigt wird.

513 Die Schutzbedürftigkeit der Anleger wird auf Grund ihrer Professionalität bestimmt. Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 28; Koller in Ass-mann/Schneider, § 31 Rz. 96a; Köndgen, ZBB 1996, 361, 363. Siehe S. 154, II. Er-kundigungspflicht.

514 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 28; Kümpel in Bank- und Ka-pitalmarktrecht, Rdnr. 16.445; Reich, WM 1997, 1601, 1603.

515 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1603.

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Anleger oder Kleinanleger) ausgegangen werden. Auch die Möglichkeit, diese Informationen dem Anleger in standardisierter Form zu übermitteln (Art. 19 Abs. 3 S. 2 WPD-RL n.F.), spricht für die Abstandnahme vom individualisier-ten, einzelanlegergerechten Ansatz zum Inhalt der Informationspflicht. Dieser vereinfachte Ansatz, der die Standardisierung des Inhalts der dem Anleger im Vorfeld seiner Anlageentscheidung mitzuteilenden Informationen erlaubt, wurde im Interesse der Wertpapierfirmen vorgenommen und führt auf den ersten Blick zur Absenkung des Anlegerschutzniveaus. Gleichwohl bedeutet sie eine Klar-stellung des Inhalts der zu übermittelnden Informationen, die im Endeffekt auch den Interessen der Anleger dient. Das Fehlen des differenzierten Ansatzes im Richtlinientext soll im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen nachgeholt wer-den. Die WPD-RL n.F. trägt der sich auf dem europäischen Wertpapiermarkt etab-lierten Praxis sowie der in der Rechtsliteratur herrschenden Meinung Rechnung und enthält in Art. 19 Abs. 2 die Anforderung, dass die Informationen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein müssen.516 Diese Klarstellung der Anforde-rung an die Qualität der Informationen ist auf die Erhöhung des Anlegerschutz-niveaus in der Europäischen Union gerichtet. Die entsprechenden Informationen sollen dem Anleger in verständlicher Form übermittelt werden. Art. 19 Abs. 3 S. 2 WPD-RL n.F. sieht die Möglichkeit der Übermittlung der Informationen in standardisierter Form vor, was zugleich für die Schriftform spricht. In der Praxis sind die Vorteile der Schriftform für die Anleger seit langem anerkannt. Es war bislang empfehlenswert und in einigen Fällen sogar erforderlich, einem unerfahrenen Anleger Informationen über be-sonderes riskante Geschäfte in Schriftform zur Verfügung zu stellen, damit er sie besser begreifen und, wenn nötig, nachlesen kann.517 Insofern enthält die WPD-RL n.F. eine Kodifizierung der aktuellen Marktpraxis. Letztlich trägt Art. 19 Abs. 3 Spiegelstr. 4 WPD-RL n.F. zur Erweiterung der In-formationspflicht bei. Er sieht vor, dass dem Kunden Informationen über Kosten und Nebenkosten in Bezug auf die Geschäfte und Dienstleistungen, die in sei-nem Namen erbracht werden, mitgeteilt werden sollen. Der Inhalt dieser Pflicht ist noch im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen zu klären. 516 Die dem Anleger mitzuteilenden Informationen müssen gemäß der sich in der Markt-

praxis durchgesetzten Ansicht richtig und vollständig sowie zeitnah und relevant sein. Unzureichende, unterbliebene oder nicht zweckdienliche Informationen können Scha-densersatzansprüche der Anleger begründen. Siehe Reich, WM 1997, 1601, 1603.

517 Zu den Anforderungen an die schriftlichen Informationen bei besonderes riskanten Anlageformen siehe BGH, WM 2002, 1445, 1446 f.; BGH, WM 1994, 453, 454 f.; BGH, WM 1994, 1746, 1747.

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Die WPD-RL n.F. hat eine Regelung zu Marketing-Mitteilungen eingeführt. Art. 18 Abs. 2 WPD-RL n.F. verpflichtet Wertpapierhäuser dazu, die Marke-ting-Mitteilungen als solche zu kennzeichnen. Damit soll der Adressat solcher Mitteilungen darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese Informationen werbender und anpreisender Natur sind. Darüber hinaus werden Anforderungen an den Inhalt solcher Informationen gestellt. Sie müssen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Damit wendet der WPD-RL n.F. schon in diesem frühen Stadium die für die Informationspflicht maßgeblichen Prinzipien auf den ersten Kontakt zwischen einer Wertpapierfirma und einem Kunden an. 2. Informationspflicht im deutschen Recht Die Informationspflicht ist in § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG geregelt und setzt die Vorgaben des Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. in das deutsche Recht um.518 Das deutsche Privatrecht kannte allerdings die Informationspflicht der Marktintermediäre schon vor dem In-Kraft-Treten des WpHG.519 Diese pri-vatrechtliche Informationspflicht wurde aus der gesetzlichen Aufklärungspflicht (die sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben [§ 242 BGB] zurückführen lässt) oder der vertraglichen Auskunfts-/Beratungspflicht der Banken beim Ef-fektengeschäft abgeleitet und durch den BGH weiter entwickelt. Kümpel weist darauf hin, dass sowohl die öffentlich-rechtliche als auch die privatrechtliche In-formationspflicht demselben Zweck, nämlich dem Schutz der Anleger, die-nen.520 Bei der Auslegung der Informationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG ist daher ein Rückgriff auf die im Zusammenhang mit der gesetzlichen Aufklärungs- sowie der vertraglichen Auskunfts-/Beratungspflicht durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gerechtfertigt.521 Auch der Inhalt der

518 Siehe S. 161, 1. Informationspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL . 519 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.434. 520 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.437. 521 Zwar sind einige durch die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Beratungs-

pflicht entwickelte Grundsätze auf die Informationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. WpHG übertragbar, jedoch sind die Beratungspflicht (auf S. 177, aa) Vertragliche Beratungspflicht) und die Informationspflicht streng auseinander zu halten, weil der Gegenstand dieser Pflichten unterschiedlich ist. So geht der Marktintermediär bei der Beratung über die Erteilung der für die Anlageentscheidung des Kunden erforderli-chen Informationen hinaus und spricht eine Empfehlung aus. Gleichwohl steht die In-formationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG der Aufklärungspflicht (auf S. 186, cc) Die gesetzliche Aufklärungspflicht) vom Inhalt her nah. Deswegen dürfen die z.B. von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht entwickelten Grundsätze auf die Informationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG übertragen wer-den und dienen der Interpretation bzw. Konkretisierung der Informationspflicht. Vgl.

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privatrechtlichen Informationspflichten wurde durch Zivilgerichte seit dem Er-lass der WPD-RL a.F. und ihrer Umsetzung in das deutsche Recht unter dem Einfluss des gesetzlichen bzw. europäischen Standards entwickelt. Der Klarheit halber sind die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Infor-mationspflicht trotz ihrem gemeinsamen Zweck hier getrennt zu behandeln. Un-ten werden zunächst der Inhalt und der Umfang der Informationspflicht des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG unter Berücksichtigung der durch das Privatrecht entwi-ckelten Grundsätze dargestellt. Sodann werden die rechtlichen Grundlagen, der Inhalt und der Umfang der privatrechtlichen Informationspflicht untersucht und kurz auf ihre haftungsrechtlichen Folgen eingegangen. a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG Das WpHG wiederholt den Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. und verlangt, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem An-leger alle zweckdienlichen Informationen erteilt.522 Hieraus lässt sich eine Pflicht zur Information/Aufklärung, aber keine Beratungspflicht ableiten.523 Die Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist allerdings unter den Vor-behalt gestellt, dass die dem Kunden mitzuteilenden Informationen zur Wahrung seiner Interessen erforderlich sein sollen.524 Dies entspricht auch dem Differen-zierungsgebot nach Art. 11 Abs. 1 S. 2 WPD-RL a.F.525 Die Informationen, die der Anleger im Vorfeld seiner Anlageentscheidung über die von ihm gewünsch-te Anlage braucht, müssen an seiner Schutzbedürftigkeit bzw. Professionalität gemessen werden und dementsprechend ausgestaltet sein.526 Hiermit erkennt das

Balzer, WM 2001, 1533 f.; ders, WM 2000, 441, 443; Horn, WM 1999, 1, 4; Kümpel, WM 1995, 688, 692, 694; Lang, S. 195 ff. und 352 ff.

522 Siehe S. 161, 1. Informationspflicht in der alten und neuen Fassung der WPD-RL . 523 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 3; Kümpel in Bank- und Ka-

pitalmarktrecht, Rdnr. 16.438. 524 Bliesener, S. 323 ff., sieht in diesem Vorbehalt die Besonderheit der Umsetzung der

WPD-RL a.F. in das deutsche Recht. Auf diesem Wege wird die Kardinalpflicht zur Wahrung der Kundeninteressen berücksichtigt und die Notwendigkeit betont, die In-formationen so zu gestalten, dass den konkreten subjektiven Interessen jedes einzelnen Anlegers (soweit diese im Rahmen der Erkundigungspflicht ermittelt werden konnten) Rechnung getragen wird. Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96a.; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 176 f.; Lang, S. 153 f.; Reich, WM 1997, 1601, 1605.

525 Siehe S. 54, IV. Anlegerschutz und Verbraucherschutz. 526 Balzer, WM 2001, 1533, 1534; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110

Rdnr. 24; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96a, 97; Kümpel in Bank- und Kapi-talmarktrecht, Rdnr. 16.468 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1604 f.

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WpHG die Schutzbedürftigkeit des Anlegers, die sich aus seiner informationel-len/intellektuellen Unterlegenheit ergibt, an. Deswegen erlegt es einem Wertpa-pierdienstleistungsunternehmen die Pflicht auf, zum Zwecke des Anlegerschut-zes durch Mitteilung der dafür wesentlichen Informationen die Unterlegenheit des Kunden auszugleichen.527 Die deutsche Rechtsprechung hat allerdings den Begriff der „Erforderlichkeit“ erweitert ausgelegt und festgehalten, dass es an der Erforderlichkeit nicht nur dann fehlt, wenn der Anleger nicht schutzbedürftig ist (wie sich aus dem europä-ischen Recht folgern lässt), sondern grundsätzlich auch dann, wenn er zum Aus-druck bringt, keine Informationen zu benötigen.528 Diese durch den BGH ange-nommene Ansicht stößt auf scharfe Kritik in der Rechtsliteratur. Ihre pauschale Übertragung auf die Informationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG, die in erster Linie aufsichtsrechtlicher Natur ist, ist mit dem Wortlaut des Art. 11 WPD-RL a.F. und der richtlinienkonformen Auslegung der Informationspflicht nur schwer zu vereinbaren.529 Die WPD-RL, deren Zweck der Schutz der Anle-ger und die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte ist, garantiert dem Anleger ei-nen Mindestschutz u.a. in Form einer Information, die anlegergerecht sein soll und deren Inhalt und Umfang lediglich auf Grund mangelnder Schutzbedürftig-keit des Anlegers kraft seiner Professionalität, nicht aber seiner Erklärung, keine Informationen zu benötigen, reduziert werden darf.530 527 Balzer, WuB I L 2. § 31 WpHG – 1.02, 333, 336; Kümpel in Bank- und Kapitalmarkt-

recht, Rdnr. 16.438. 528 BGH, WM 1999, 2300, 2303 legt fest, dass es nicht der Sinn des § 31 Abs. 2 Nr. 2

WpHG ist, den Anleger vor sich selbst zu schützen. Deswegen hält er einen Anleger für nicht schutzwürdig, wenn er sich bewusst ist, dass die Bank sich lediglich an gut informierte und erfahrene Anleger wendet und nicht zur individuellen Aufklärung be-reit ist, und trotzdem dieser Bank gezielte Aufträge ausschließlich zum Zwecke deren Ausführung erteilt. Gemäß dem BGH bringt dieser Anleger konkludent zum Aus-druck, dass er weitere, über die Standardinformationen hinausgehende, auf seine per-sönlichen Verhältnisse zugeschnittene Informationen nicht benötigt. Damit entfällt die für den Schutz nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG maßgebliche Erforderlichkeit der Infor-mationen, es sei denn, dass der Wertpapierdienstleister Anhaltspunkte dafür hat, dass bei einem solchen Anleger tatsächliche Schutzbedürftigkeit zu vermuten oder ihm die-se grobfahrlässig unbekannt geblieben ist.

529 Vgl. Koller, EWiR 1999, 1111, 1112; Schwintowski, ZBB 1999, 385, 387. 530 In diesem konkreten Fall (BGH, WM 1999, 2300, 2303) hat der BGH die mangelnde

Schutzbedürftigkeit des Anlegers aus seiner konkludenten Erklärung, keine Informati-onen zu benötigen, abgeleitet (siehe Fn. 528). Dabei war es allerdings für die Bank aus anderen Umständen (Unstimmigkeiten in den Angaben zu seiner Anlagestrategie und den durchgeführten Geschäften) erkennbar, dass es sich nicht um einen professionel-len Anleger handelte, sondern um jemanden, der gerade wegen mangelnder Erfahrung seine eigene Informationsbedürftigkeit nicht erkennen konnte. Gemäß Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 4 WPD-RL a.F. und § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG unterliegt die Bank ei-

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Außerdem hängt die Reichweite der Informationspflicht von der konkreten, vom Kunden gewünschten Anlage ab, nämlich den Eigenschaften („Art“) und Volu-men („Umfang“) der Dienstleistung.531 Diese Formulierung entspricht dem durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der objektgerechten Bera-tung.532 Diese schließt die Information über sowohl allgemeine als auch beson-dere/spezielle Risiken, die in Zusammenhang mit dem konkreten Anlageprodukt stehen, mit ein. Gemäß Art. 2.2 Abs. 1 der Wohlverhaltensrichtlinie darf die Aufklärung über die allgemeinen Risiken durch standardisierte Informationsbro-schüren erfolgen. Die Wohlverhaltensrichtlinie erläutert weiter, dass bei der Aufklärung über die besonderen Risiken nach der Art der Wertpapiere unter-schieden werden soll und schreibt in Ziff. 2.2.1 bis 2.2.6 fest, welche Informati-onen dem Kunden für die Aufklärung über die Geschäfte mit Schuldverschrei-bungen, Aktien, Investmentanteilscheinen, Derivaten und Optionsscheinen, sonstigen Anlageformen sowie über die taggleichen Geschäfte (sog. „Day-Trading“) zu übermitteln sind. So z.B. soll der Kunde, der an der Anlage in Schuldverschreibungen interessiert ist, die über die allgemeinen Informationen hinausgehenden, gemäß Ziff. 2.2.1 der Wohlverhaltensrichtlinie auf eine kon-krete Anlage bezogenen Informationen über den Ertrag, das Bonitäts- (ggf. Län-der-), Kurs-, Zins-, Liquiditäts-, Währungs-, Kündigungs-, und Auslosungsrisiko erhalten. Um dem Kunden objektgerechte Informationen über die ihn interessierende An-lage mitteilen zu können, soll das Wertpapierdienstleistungsunternehmen über ausreichende Kenntnisse über die Anlageprodukte verfügen. Gleichwohl dürfen sich die Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf bestimmte Wertpapiere spe-zialisieren, so dass von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht er-wartet werden kann, dass es über jedes auf dem Markt vertriebene Anlagepro-dukt im gleichen Maße informiert ist.533 Wenn das Wertpapierdienstleistungsun-ternehmen nicht in der Lage ist, dem Kunden die für seine Anlageentscheidung notwendigen Informationen über das Anlageobjekt mitzuteilen, so soll es sich

ner Erkundigungspflicht. Sie erfordert, dass die Bank die Professionalität des Anlegers ermittelt. In diesem Fall hatte die Bank die Professionalität des Anlegers auf Grund ihr vorliegenden Informationen nicht ermittelt, sondern sich auf die konkludente Erklä-rung des Anlegers über seine fehlende Schutzbedürftigkeit verlassen. Aus diesem Grund ist sie nicht nur ihrer Erkundigungspflicht, sondern auch ihrer Informations-pflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Eine andere Schlussfolgerung würde zu unzulässigen Abstrichen am Anlegerschutz führen. Vgl. Kienle in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 24; Schwintowski, ZBB 1999, 385, 387, 389.

531 Vgl. Bliesener, S. 325 ff.; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 96b. 532 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1606. Siehe auch auf S. 177, aa) Vertragliche Beratungs-

pflicht. 533 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 110 f.

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die notwendigen Informationen verschaffen („Informationsanschaffungs-/Prüfungs-/Nachforschungspflicht“), solange dies nicht mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden ist.534 Diese Verpflichtungen lassen sich auf die vertragli-chen Auskunfts- und Beratungspflichten zurückführen.535 Ob das Wertpapier-dienstleistungsunternehmen seine Informationspflicht dadurch erfüllen kann, dass es dem Kunden diejenigen Informationen liefert, über die es verfügt, und ihn auf die Lückenhaftigkeit dieser Informationen aufmerksam macht (Offenle-gungspflicht), ist in der Rechtsliteratur umstritten. 536 Die dem Kunden mitzuteilenden Informationen sollen den Kriterien der Wahr-heit, der Vollständigkeit, der zeitlichen Nähe und der Verständlichkeit entspre-chen.537 Das Kriterium der Wahrheit bedeutet nicht, dass die Informationen objektiv wahr sein sollen, sondern dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die dem Kunden mitzuteilenden Informationen mit der erforderlichen Sorgfalt er-mittelt hat. Dabei dürfen sich die Wertpapierdienstleistungsunternehmen grund-sätzlich auf die allgemein verfügbaren Informationsquellen, wie z.B. Wirt-schaftspresse, Brancheninformationsdienste, Datenbanken, Prospekte oder Ra-tings verlassen, solange diese Quellen erfahrungsgemäß vertrauenswürdig und im Einzelfall plausibel sind.538 In manchen Fällen, insbesondere bei den in das

534 Vgl. Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 24. 535 Vgl. auf S. 177, aa) Vertragliche Beratungspflicht und auf S. 181, bb) Vertragliche

Auskunftspflicht. 536 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 110 f., weist darauf hin, dass es dem Sinn und

Zweck der Informationspflicht widersprechen würde, wenn ein Wertpapierdienstleis-tungsunternehmen dem Kunden mitteilen dürfte, dass es über die Informationen über das ihn interessierende Anlageprodukt nicht verfügt und sich damit der Informations-pflicht entledigen könnte. Eine solche Verhaltensweise widerspräche auch dem Sinn der WPD-RL a.F., weil eine solche Aussage keine Basis für eine informierte Anlage-entscheidung des Anlegers sein kann. Vgl. Arendts, DStR 1997, 1649; Assmann, ZIP 2002, 637, 642, 644 ff.; Edelmann, BKR 2003, 438, 439; Kümpel in Bank- und Kapi-talmarktrecht, Rdnr. 16.444; Reich, WM 1997, 1601, 1603; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 137 ff.

537 Wohlverhaltensrichtlinie, Ziff. 2.2, Abs. 3, S. 1; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 99 ff.; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 132; Reich, WM 1997, 1601, 1605.

538 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 99 ff.; Lang, S. 237 ff.; Assmann, ZIP 2002, 637, 646; Edelmann, BRK 2003, 438, 443. Die Frage, welche Informationsquel-len zur Pflichtlektüre der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehören und zuver-lässige Informationen liefern, die zur Grundlage für eine objektgerechte Aufklärung der Anleger gemacht werden können, bedarf der Klärung durch den BGH. Das Schrift-tum weist zu Recht darauf hin, dass die existierende Unklarheit für die Wertpapier-dienstleistungsunternehmen entweder mit dem unzumutbaren Aufwand, alle Informa-

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Anlageprogramm des Wertpapierdienstleistungsunternehmens aufgenommenen Anlageprodukten, unterliegen die Wertpapierdienstleistungsunternehmen erhöh-ter Sorgfaltspflicht.539 Die Informationspflicht überschneidet sich mit den Organisationspflichten des § 33 WpHG, indem sie es erforderlich macht, dass der Informationsfluss inner-halb des Unternehmens so organisiert ist, dass die Informationen aktuell sind und dass sie schnell sowie zuverlässig an den erteilenden Mitarbeiter gelan-gen.540 Die Informationen sind unaufgefordert bei der Aufnahme des Geschäfts-kontakts zu geben.541 Der Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, dem Kunden „alle“ zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber, der WPD-RL a.F. entsprechend, Wert auf die Vollständigkeit der dem Kunden zu erteilenden Informationen legt.542 Das bedeutet, dass sowohl positive als auch negative Tatsachen dem Kunden mitzuteilen sind.543 Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur die Informationen, die der Kunde benötigt, um be-urteilen zu können, ob die von ihm gewünschte Anlage seinen besten Interessen entspricht, als zweckdienlich angesehen werden können.544 Zu diesen Informati-onen zählen sowohl allgemeine Informationen über die Wirtschaftslage und die Geschäftsarten, als auch auf die konkrete Anlage bezogene Informationen über den Nutzen, die Kosten, die Modalitäten des Erwerbs, über die Kosten und Mo-dalitäten des Haltens, der Liquidation der Anlage, der Rechtsverfolgung sowie Informationen über die Markt- und Bonitäts-, geschäftsbezogenen und sonstigen

tionsquellen berücksichtigen oder unvorhersehbare Haftungsrisiken tragen zu müssen, verbunden ist. Vgl. Fn. 591.

539 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 99 ff., nennt als Beispiel für Situationen, in denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Informationen überprüfen bzw. mit erhöhter Sorgfalt ermitteln soll, die folgenden Fälle: Es empfiehlt oder bewirbt das Anlageprodukt besonders, das Anlageprodukt ist in sein Geschäftsprogramm aufge-nommen, das Wertpapier ist niedrig gepreist oder sein Emittent ist erst kurz auf dem Markt, sowie beim Vertrieb von Auslandswerten. Vgl. Arendts, DStR 1997, 1649; Lang, S. 215 f., Fn. 588.

540 Vgl. Arendts, DStR 1997, 1649; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 102. 541 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 105a, 107a. 542 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1603. 543 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 28 ff.; Koller in Assmann/Schneider,

§ 31 Rz. 104 ff. Zur Warn-/Hinweispflicht auf S. 177, aa) Vertragliche Beratungs-pflicht. Allerdings lehnt Edelmann, BKR 2003, 438, 443, die Warn-/Hinweispflicht im Hinblick auf negative Berichte in der Presse grundsätzlich ab.

544 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 104 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1607 f.

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Risiken.545 Ziff. 2.2 der Wohlverhaltensrichtlinie enthält detaillierte Angaben über die mitzuteilenden allgemeinen Informationen und Risiken, die sich auch auf die grundlegenden Informationen über die Anlageformen, die Börsen und Märkte, auf denen die Wertpapiere gehandelt werden, sowie auf die Modalitäten der Ausführung und der Abwicklung des Auftrages beziehen. Die Anforderung, den Kunden auch über die besonderen Risiken seiner Anlage zu informieren, macht den Inhalt der Information, wie oben bereits erwähnt, direkt von der Art des Wertpapiers abhängig. Dementsprechend enthalten Ziff. 2.2.1. bis 2.2.6. der Wohlverhaltensrichtlinie Vorschriften darüber, auf welche Risiken bei bestimm-ten Arten von Wertpapieren einzugehen ist. Ziff. 2.2.4. der Wohlverhaltensricht-linie stellt erhöhte Anforderungen an die Aufklärung über die im Zusammen-hang mit den Geschäften mit Derivaten und Optionsscheinen zu hinterlegenden Sicherheiten. Diese bedürfen der Schriftform. Die Informationen sollen in einer für den konkreten Kunden des Wertpapier-dienstleistungsunternehmens verständlichen Form gestaltet sein, so dass der Kunde ihre Bedeutung und Tragweite leicht erfassen kann.546 Dabei kommt es stark auf die unterschiedliche Auffassungsgabe und auf das unterschiedliche Ba-siswissen des Kunden an.547 Dieser Anforderung liegt die im Rahmen der Er-kundigungspflicht zu ermittelnde Professionalität bzw. Schutzbedürftigkeit des Anlegers zugrunde.548 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss seinen Kunden kennen, um die für seine Anlageentscheidung wesentlichen, auf seine individuellen Bedürfnisse und seinen Wissenstand zugeschnittenen Informatio-nen aussuchen und anlegergerecht gestalten zu können. Die Schutzbedürftigkeit des Anlegers beeinflusst nicht nur den Inhalt, sondern auch den Umfang der Informationspflicht, d.h. je professioneller der Anleger ist, desto geringere Anforderungen sind an die Informationen zu stellen. Das bedeu-tet allerdings nicht, dass die Wertpapierdienstleistungsunternehmen den profes-sionellen Anlegern gar keine Informationen schuldeten.549 Die Wertpapier-dienstleistungsunternehmen müssen auch den professionellen Anlegern diejeni-gen Informationen übermitteln, die diesen fehlen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob und, falls ja, unter welchen Umständen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen einem Anleger keine In-

545 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 105 ff. 546 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 174; Koller in Assmann/Schneider, § 31

Rz. 115 ff.; Lang, S. 208 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1603. 547 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 116 m.w.N. 548 Vgl. auf S. 154, II. Erkundigungspflicht. 549 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 120 ff.; Lang, S. 149 ff.

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formationen schuldet. Bei der Behandlung dieser Frage kommen zwei Fallkons-tellationen in Betracht: Ein Anleger verzichtet selbst auf die ihm zugute kom-mende Aufklärung oder das Wertpapierdienstleistungsunternehmen erklärt, es biete keine Aufklärung an. Grundsätzlich weist die Informationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG öf-fentlich-rechtlichen Charakter auf.550 Sie ist zwingend und darf nicht durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen abbedungen werden.551 Weder die WPD-RL (sowie die alte als auch die neue Fassung) noch das WpHG begründen die Ansicht, dass die Anleger auf den ihnen durch das Aufsichtsrecht gewährten Schutz verzichten können.552 Deswegen ist ein Verzicht des Anlegers auf die In-formation gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG unbeachtlich. Lediglich die Kunden, die auf Grund ihrer Professionalität die Tragweite eines solchen Verzichts über-schauen können und verstehen, welche Gefahren sie deswegen eingehen, sind aus Sicht des WpHG und der WPD-RL a.F. nicht schutzwürdig. Daher ist all-gemein anerkannt, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen demjenigen Kunden keine Information schuldet, der sich von sich aus bei der Auftragsertei-lung als erfahren geriert oder zu erkennen gibt, dass er keine Informationen, sondern lediglich die Ausführung seines Auftrages wünscht.553 Gleichwohl kann ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden, der keine Aufklärung wünscht, nicht dazu zwingen, die Informationen zur Kenntnis zu nehmen.554 Ei-nem solchen Kunden soll eine Informationserteilung aber trotzdem angeboten werden.555 Im Schrifttum wird seit dem In-Kraft-Treten des WpHG eine Diskussion dar-über geführt, ob die Wertpapierdienstleistungsunternehmen keiner Informati-onspflicht unterliegen, wenn sie schon vor dem Geschäftsabschluss dem Kunden klar gemacht haben, dass sie ihre Dienstleistungen ausschließlich ohne Informa-tionserteilung erbringen (sog. „execution only” oder “Discount-Broker”).556 Die-se Diskussion wurde durch den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen 550 BGH, WM 1999, 2300, 2303. 551 Vgl. Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 34; Stöterau, S. 115 ff. Abweichend Balzer, ZBB

1997, 260, 266 f. Ausführlich auf S. 80, I. Einschlägige Rechtsvorschriften. 552 Ziff. 2 Abs. 1 S. 2 der Wohlverhaltensrichtlinie. Zu Meinungsunterschieden über diese

Ansicht vgl. Horn, ZBB 1997, 139, 151; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 126 ff.; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.448; Reich, WM 1997, 1601, 1607. Vgl. zur vertraglichen Beratungspflicht Fn. 593.

553 Vgl. auf S. 186, cc) Die gesetzliche Aufklärungspflicht. 554 Vgl. Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 35. 555 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.448. 556 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 135 ff.; Stöterau, S. 97 ff.; Reich, WM

1997, 1601, 1605 f. (m.w.N. zur Diskussion in der Rechtsliteratur).

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Bundestages (BT-Drucks. 12/7918, S. 104) sowie die Wohlverhaltensrichtlinie (Ziff. 2.6) ausgelöst.557 Eine solche Entlastung wird dadurch begründet, dass diese Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihre Dienstleistungen den Kunden zu einem geringeren Preis anbieten. Der BGH hat sich bei der Betrachtung die-ses Problems an dem Kriterium der Erforderlichkeit der Information zur Wah-rung der Kundeninteressen orientiert.558 Er ist zu dem Schluss gekommen, dass es an der Erforderlichkeit fehlt, wenn der Anleger sich als erfahren geriert und selbst klar zum Ausdruck bringt, dass er keine Informationen benötigt. Leider ist aus dieser BGH-Entscheidung nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Informati-onspflicht ganz entfällt oder sich auf die Erteilung der Grundinformationen in Form der standardisierten Informationsbroschüren reduziert.559 Die Rechtslitera-tur hat die Informationspflicht bislang nicht für ganz entbehrlich gehalten. Zum Teil wurde allerdings eine reduzierte Informationspflicht der Discount-Broker, der diese mit der Vorlage der standardisierten Informationsbroschüren genügen könnten, angenommen.560 Der andere Teil der Rechtslehre vertritt die Ansicht, dass eine solche Auslegung des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG dem Sinn der WPD-RL zuwiderläuft, die bei der Schutzbedürftigkeit des Anlegers ausschließlich auf seine Professionalität abstellt.561 Grundsätzlich besteht allerdings Einigkeit dar-über, dass die vertragliche Beratungspflicht562 unter gewissen Voraussetzungen entfallen kann.

557 Vgl. Stöterau, S. 99 ff. 558 BGH, WM 1999, 2300, 2303. Siehe auch Fn. 528. 559 BGH, WM 1999, 2300, 2302. In diesem Fall hatte die Direktbank dem Anleger Stan-

dardinformationen übermittelt. Es kann allerdings der Entscheidungsbegründung nicht entnommen werden, ob die Bank dadurch ihrer Informationspflicht ausreichend nach-gekommen ist, oder ob die Übermittlung von Standardinformationen für die Erfüllung der Informationspflicht ohne Belang ist, weil der BGH der Bank eine solche Pflicht verneint hat. BGH, WM 1999, 2300, 2302.

560 Vgl. Cramer in Cramer/Rudolph, S. 15; Balzer, ZBB 1997, 260, 266; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 432 ff.; Horn, ZBB 1997, 139, 151; Kienle in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 110, Rdnr. 48; Köndgen, NJW 2004, 1288, 1298; ders. ZBB 1996, 361, 365; Stöterau, S. 79. Es wird zwar angenommen, dass der Discount-Broker einer reduzierten Informationspflicht unterliegt, die er durch Übermittlung standardisierter Informationsbroschüren erfüllt, jedoch wird die Absenkung der Infor-mationspflicht auf „Null“ nicht gefordert.

561 Vgl. Cahn, ZHR 1998, 1, 39; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 135, 136; Reich, WM 1997, 1601, 1607.

562 Reich, WM 1997, 1601, 1605, kommt zum Ergebnis, dass bei „execution-only“-Geschäften anstatt des durch die Rechtsprechung entwickelten Beratungsmodells, das an einen Beratungsvertrag anknüpft, ein Informationsmodell getreten ist. Darauf sind die haftungsrechtlichen Folgen zurückzuführen, gemäß denen einem Privatanleger kein Anspruch auf Schadensersatz aus fehlerhafter Beratung zusteht. Der Schutz der Anleger wird auf dem Wege der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten gesichert.

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Bei der Vermögensverwaltung ist die Aufklärung des Kunden vor jeder Trans-aktion nicht geboten.563 Die Aufklärung oder sogar Beratung ist vor dem Ab-schluss des Vermögensverwaltungsvertrages vorzunehmen.564 Der Vermögens-verwalter ist verpflichtet, den Anleger beim Eintritt „erheblicher“ Verluste un-verzüglich darauf hinzuweisen.565 b) Inhalt und Umfang der privatrechtlichen Informat ionspflicht Wie bereits erwähnt, lassen sich die privatrechtlichen Informationspflichten aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (Aufklärungspflicht) sowie aus dem Vertrag (Auskunfts- und Beratungspflichten) ableiten.566 Sie stel-len kein zwingendes Recht dar und begründen privatrechtliche Ansprüche des Anlegers auf den Ersatz der ihm durch mangelhafte Erfüllung dieser Pflichten durch den Marktintermediär zugefügten Schäden. Kraft ihrer privatrechtlichen Natur stehen diese Pflichten zur Disposition der Parteien. Ihr Inhalt und Umfang hängen vom Willen der Parteien sowie von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Rechtsprechung hat den Inhalt und Umfang dieser Pflichten im Grundsatz weitgehend entwickelt und konkretisiert und damit den Zweck des Anleger-schutzes verfolgt. Unten wird dies in Bezug auf die einzelnen Pflichten im De-tail dargestellt. An dieser Stelle ist es angebracht, auf die begrifflichen Unklarheiten hinzuwei-sen, deren Beseitigung stets gefordert wird und die trotz mehrerer Versuche, die vom BGH und vom Schrifttum benutzten Begriffe zu definieren und einheitlich zu verwenden, immer noch entsteht.567 So werden häufig die Begriffe Auskunfts-, Informations-, Aufklärungs-, Beratungs-, Hinweis-, Warn- und Of-

Zur Beratungspflicht der Direktbanken siehe auch Balzer, WM 2001, 1533, 1535; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 37 ff.; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 431 ff.; Horn in Festschrift für Schimansky, 653, 656 f.; Siol in Festschrift für Schimansky, 781, 784 f.

563 Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 98; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 22, 142; Müller in Schäfer/Müller, Rdnr. 256. Siehe S. 177, aa) Vertragliche Beratungspflicht.

564 Vgl. Balzer, S. 49 ff.; Horn, in Horn/Schimansky, S. 265, 285; ders., ZBB 1997, 139, 147; Lang, S. 454 ff.; Müller in Schäfer/Müller, Rdnr. 256 ff.

565 Vgl. Balzer, S. 123 ff.; Lang, S. 504 ff.; Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 100; Horn, ZBB 1997, 139, 147; Müller in Schäfer/Müller, Rdnr. 314 ff.

566 Vgl. Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 2, 4. 567 Vgl. Hadding in Festschrift für Schimansky, 67, 72 ff.; Horn, ZBB 1997, 139, 140 ff.;

N. Lang, S. 83 ff.; Lang, S. 27 ff. (m.w.N.); Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 237 f.; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 5; Stöterau, S. 27 ff.; Vortmann, Rdnr. 1 ff.; Reich, WM 1997, 1601, 1605.

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fenlegungspflicht gebraucht, um die Pflicht der Marktintermediäre zu bezeich-nen, dem Anleger die Informationen mitzuteilen, die Basis für eine selbständige Anlageentscheidung des Letzteren sein sollen. Außerdem werden unterschiedli-che Modelle verwendet, um diese Pflichten zu begründen und systematisch ein-zuordnen.568 In dieser Dissertation wird kein Klarstellungsversuch unternom-men. Im Laufe der Darstellung der rechtlichen Grundlagen und des Inhalts der privatrechtlichen Informationspflichten569 wird gelegentlich auf die im Zusam-menhang mit ihrem uneinheitlichen Gebrauch und ihrer uneinheitlichen Begrün-dung auftretenden Widersprüche und Unklarheiten hingewiesen. aa) Vertragliche Beratungspflicht Der BGH leitet eine Beratungspflicht aus einem Beratungsvertrag ab.570 Die Grundlage für das Entstehen und den Umfang der Beratungspflicht bildet das „Bond“-Urteil der BGH. Zum ausdrücklichen Abschluss eines Beratungsvertra-ges zwischen einem Marktintermediär und einem Anlageinteressenten kommt es selten. Meistens wird ein Beratungsvertrag stillschweigend abgeschlossen. Diese Ansicht führt zu Problemen bei den Geschäften, bei denen der konkludente Ab-schluss eines Beratungsvertrages nicht angenommen werden kann (z.B. beim sog. „execution-only-business“ [EOB]). Reich fordert deshalb, dass auf die Fik-tion des Beratungsvertrages verzichtet und die Beratungspflicht dogmatisch aus §§ 241, 311 BGB abgeleitet wird, um den Anlegerschutz nicht zu schmälern, wenn kein Beratungsvertrag angenommen werden kann.571 Im Bond-Urteil hat der BGH festgehalten, dass ein Beratungsvertrag zwischen einem Anlageberater und einem Anleger dann konkludent zustande kommt, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an 568 Vgl. Brandt, S. 78 ff.; Lang, S. 80 ff.; ders., WM 2000, 450, 451 ff. (m.w.N.); Wiene-

ke, S. 45 ff. Als rechtliche Grundlagen dieser Pflichten werden u.a. der allgemeine Bankvertrag, Nebenpflichten aus einem Vertragsverhältnis sowie die laufende Ge-schäftsbeziehung genannt.

569 Der Begriff „Informationspflicht“ wird hier als Oberbegriff für die oben genannten Pflichten benutzt.

570 Vgl. Horn, WM 1999, 1, 4; Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 239, zugleich kritisch über die im Schrifttum vertretene Ansicht, dass die Beratungspflicht auch auf anderen Rechtsgrundlagen zu beruhen vermöge. Als solche Grundlagen werden z.B. der all-gemeine Bankvertrag, die Geschäftsverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis oder die Beratungspflicht als Nebenpflicht zu einem Effektenkauf- oder -kommissionsvertrag genannt.

571 Reich, WM 1997, 1601, 1607, weist darauf hin, dass dies bei Termingeschäften bereits der Fall ist und schlägt vor, die Grundsätze der §§ 241, 311 BGB auf alle Anlagege-schäfte zu erweitern.

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einen Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu wer-den bzw. zu beraten, und daraufhin ein Beratungsgespräch stattfindet.572 Für den Abschluss eines Beratungsvertrages ist es ohne Belang, ob der Kunde den Rat sucht oder ob die Beratung auf Initiative der Bank stattfindet.573 Wichtig für den Abschluss eines Beratungsvertrages ist, dass ein Kunde, der um Beratung er-sucht, durch einen Anlageberater tatsächlich beraten wird.574 Für den Abschluss eines Beratungsvertrages ist unerheblich, ob für diese Dienst-leistung ein Entgelt vereinbart wurde oder nicht.575 Eine zwischen dem Kunden und der Bank bereits bestehende vertragliche Beziehung hat keinen Einfluss auf das Zustandekommen eines Beratungsvertrages.576 Es ist auch ohne Bedeutung, ob der Kunde nach diesem Beratungsgespräch einen Auftrag erteilt oder nicht. Eine Pflicht des Marktintermediäres, den Anleger zu beraten, lässt sich nur durch einen Beratungsvertrag begründen. Anders ausgedrückt: wenn kein Bera-tungsvertrag vorliegt, ist der Marktintermediär nicht verpflichtet, den Anleger zu beraten.577 Der Beratungsvertrag ist gleichzeitig Grundlage für die zivilrechtliche Haftung des Marktintermediäres wegen positiver Verletzung der ihm obliegenden Pflich-ten.578 Der Inhalt und Umfang dieser Pflichten wurde vom BGH grundsätzlich

572 BGH, WM 1993, 1455, 1456; BGH, WM 2000, 1441 f. 573 Emmerich, JuS 1993, 962, 963; Schwark, WuB I G 4. – 9.93, 1041, 1043. 574 Im Bond-Urteil hat sich der BGH bei der Frage des Abschlusses eines stillschweigen-

den Beratungsvertrages an seine frühere Entscheidung BGHZ 100, 117, 118, 120 f. angelehnt, die die Voraussetzungen für einen Beratungsvertrag festgelegt hatte. Zu diesen Voraussetzungen zählen: (1) Der Finanzintermediär verfügt über besondere Kenntnisse; (2) der Anlageinteressent macht deutlich, dass er diese Kenntnisse in An-spruch nehmen will, (3) die von dem Kunden benötigten Informationen sind für seine Anlageentscheidung wichtig, (4) der Finanzintermediär beginnt die von dem Kunden gewünschte Tätigkeit (Auskunftserteilung oder Beratung). Die Voraussetzung (2) stellt das Angebot dar, während die Erfüllung der Voraussetzung (4) auf die Annahme des Angebots hindeutet. Vgl. Ergänzungsband zum Hdb. KapitalanlageR/v.Heymann, § 5 Rdnr. 3 ff.

575 Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110, Rdnr. 11; Reich, WM 1997, 1601, 1606, 1608.

576 BGHZ 100, 117, 119. 577 Vgl. Reich, WM 1997, 1601 1606. Die Beratungspflicht ist von der im WpHG be-

gründeten Informationspflicht streng zu unterscheiden. Die Informationspflicht ist zwingend und besteht auch dann, wenn keine Beratungspflicht vorliegt. Vgl. auf S. 168, a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG.

578 Vgl. BGHZ 100, 117, 119.

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im Bond-Urteil festgelegt und in einer Reihe weiterer Entscheidungen präzisiert und weiter entwickelt. Gemäß dem BGH hängt die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflicht von den Umständen des Einzelfalls ab, die ihrerseits an die Person des Kunden und an das konkrete Anlageprodukt anknüpfen.579 Grundsätzlich soll die Beratung „anleger-“ und „objektgerecht“ sein. Der Grundsatz der anlegergerechten Bera-tung macht es erforderlich, den Wissensstand des Kunden über die Anlagege-schäfte einerseits und seine Bedürfnisse, Interessen und Risikobereitschaft bzw. Anlageziele andererseits bei der Anlageberatung zu berücksichtigen.580 Bei un-erfahrenen Anlagern werden gesteigerte Anforderungen an die Beratung ge-stellt.581 Im Fokker-Urteil hat der BGH die Pflicht zur Einholung der Kundenan-gaben reduziert und der Bank erlaubt, die Informationen zur Person des Anle-gers aus seinem Verhalten zu folgern, anstatt sie zu erfragen und positiv festzu-stellen.582 Damit wurde das bis dahin existierende Niveau des Anlegerschutzes gesenkt.583 Die Beratung kann als objektgerecht betrachtet werden, wenn sie sich auf diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts bezieht, die für die Anlageentscheidung des Kunden wesentliche Bedeutung haben oder ha-ben können. Zu den Risiken, über die der Kunde zu informieren ist, zählen so-wohl die allgemeinen (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) als auch die speziellen Risiken, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts (Kurs-, Zins-, Währungsrisiko) ergeben.584 Die Beratung der Bank muss richtig und sorgfältig, für den Kunden verständlich und vollständig sowie zeitnah sein.585 Dies bedeutet, dass der Kunde über alle Umstände einschließlich der negativen Tatsachen zu unterrichten ist, die für das

579 Vgl. BGH, WM 2000, 1441, 1442; BGH, WM 1993, 1455, 1456; BGH, NJW-RR

1993, 1114. Edelmann, BKR 2003, 438, 439; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 410 ff.; ders., ZBB 1994, 47, 52; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 14 ff.; Köndgen, EWiR 1993, 857 f.; Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 240 ff; Schwennicke, WuB I G 1. – 9.97, 527, 528 f.; Waldeck in Cramer/Rudolph, S. 656 ff.

580 BGH, WM 2000, 1441, 1442; BGH, WM 1993, 1455, 1457; Emmerich, JuS 1997, 654; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.452.

581 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.452. 582 Vgl. BGH, WM 2000, 1441, 1442. 583 Vgl. Horn/Felke, WuB I G 1. – 4.00, 1235, 1237. 584 Vgl. Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 3 ff.; Horn, WM 1999, 1, 5; Heinsi-

us, ZBB 1994, 47, 52 ff.; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 1. 585 Vgl. BGH, WM 2000, 1441, 1442; Assmann, ZIP 2002, 637, 646 ff.; Cahn, ZHR 162

(1998), 1, 33; Edelmann, BKR 2003, 438, 439; Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 5; Heinsius, ZBB 1994, 47, 52 ff.; Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 245 ff.; Vortmann, Rdnr. 357 ff.; Weber-Rey/Baltzer, WiB 1997, 1283, 1284.

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Anlagegeschäft von Bedeutung sind. Fehlen der Bank solche Informationen, soll sie dies dem Kunden offen legen (Offenlegungspflicht).586 Das Bond-Urteil ist auch für die Informationsbeschaffungs-/Prüfungs-/Nachforschungs- und Warn-/Hinweispflichten der Bank von grundlegender Be-deutung.587 Demgemäß trifft die Pflicht zur Informationsbeschaf-fung/Prüfung/Nachforschung die Bank insbesondere, wenn sie das Anlagepro-dukt in ihr Beratungs- bzw. Anlageprogramm aufgenommen hat.588 Dabei ist es unzureichend, die Börsenzulassung der Wertpapiere und deren Zulassungspros-pekt zum Maßstab der Beratung zu machen.589 Um ihrer Informationsbeschaf-fungs-/Prüfungs-/Nachforschungspflicht nachzukommen, muss die Bank sich selbst aktuelle Informationen über das Anlageobjekt verschaffen,590 z. B. mittels der Auswertung der vorhandenen Veröffentlichungen in der Wirtschaftspres-se.591 Wenn dem Anlageberater negative Tatsachen im Laufe der eigenen Er-kundigungen bekannt geworden sind, soll er den Anleger darauf hinweisen (Warn-/Hinweispflicht).592 Der BGH hat das Zustandekommen eines Beratungsvertrages verneint, wenn ein Kunde seiner Bank einen Auftrag zum Kauf bestimmter Wertpapiere erteilt, die

586 Vgl. BGH, WM 1993, 1455, 1456 F.; Horn in Festschrift für Schimansky, 653, 656;

Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 241. 587 Vgl. Reich, WM 1997, 1601, 1607 f. Edelmann, BKR 2003, 438, 439, argumentiert,

dass der BGH diese Pflichten nicht als selbständige, sondern nur als die Beratungs-pflicht begleitende Pflichten festgelegt hat.

588 Bei einem Wertpapier, das die Bank in ihr Anlageprogramm aufgenommen hat, nimmt sie mehr Vertrauen des Anlegers in Anspruch, weil sie dadurch den Eindruck erweckt, eine eigene Prüfung des Papiers unternommen und es als „gut“ bewertet zu haben. Vgl. BGH, WM 1993, 1455, 1456; BGHZ 100, 117, 119 ff.; Arendts, DStR 1997, 1649; Assmann, ZIP 2002, 637, 639; Lang, S. 215; Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 246 ff.; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 137 ff.

589 Vgl. Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 4. 590 Dazu gehören bei privaten Anleihen die Information über die Bonität des Emittenten

und die Absicherung der Wertpapiere. Vgl. BGH, WM 1993, 1455, 1457. 591 In der Rechtsliteratur wird stets darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung keine

Anhaltspunkte für die Auswahl der Informationsquellen gibt, aus denen der Anlagebe-rater die Informationen über die Anlageprodukte, die er zur Grundlage seiner Beratung macht, einholen soll. Dieser Mangel an Klarheit, der in sich Haftungsrisiken für den Anlageberater trägt, wird von mehreren Seiten kritisiert. Vgl. Lang, S. 237 ff.; Ass-mann, ZIP 2002, 637; Edelmann, BKR 2003, 438, 440 (m.w.N.); Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 4.

592 Vgl. Arendts, DStR 1997, 1649, 1652; Assmann, ZIP 2002, 637, 643; Nobbe in Horn/Schimansky, S. 235, 245.

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ihm von einem Dritten empfohlen worden sind.593 Gleiches gilt, wenn der Kun-de sich als erfahren geriert und eindeutig erklärt, keine Beratung zu wün-schen.594 Dabei ist unbeachtlich, ob der Kunde die Angaben zu seinen Erfahrun-gen wahrheitsgemäß angegeben hat. Die Bank ist keiner Pflicht unterworfen, solche Angaben des Kunden zu prüfen, weil die privatrechtliche Informations-pflicht nicht den Zweck verfolgt, den Kunden vor sich selbst zu schützen. bb) Vertragliche Auskunftspflicht Ebenso wie die Beratungspflicht leitet der BGH die Auskunftspflicht aus einem Vertrag ab.595 Allerdings hat der BGH in seinen Entscheidungen deutlich zwi-schen einer Beratungs- und einer Auskunftspflicht der Marktintermediäre unter-schieden.596 Zwar lassen sich beide Pflichten aus einem vertraglichen Verhältnis zwischen einem Marktintermediär und einem Anlageinteressenten ableiten und ähneln sich die Voraussetzungen des Zustandekommens eines Beratungsvertra-ges und eines Auskunftsvertrags (siehe unten), doch unterscheiden sich diese Pflichten gemäß dem BGH nach ihrem Umfang und ihrer Intensität.597

593 Vgl. BGH, WM 1996, 906 f.; Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 3 ff.; Hein-

sius in Festschrift für Kübler, 405, 418; Schäfer, WuB I G 1. – 9.96; Siol in Schi-mansky/Bunte/Lwowsi, § 43 Rdnr. 7. Reich, WM 1997, 1601, 1607, hält in diesem Zusammenhang fest, dass ein Verzicht auf eine vertragliche Beratungspflicht seitens des Kunden möglich ist, während die gesetzliche Informationspflicht nicht zur Dispo-sition der Parteien steht.

594 Vgl. BGH, WM 1997, 662 f.; BGH, WM 1996, 1214, 1216; Horn, ZBB 1997, 139, 145; ders., WM 1999, 1,3; Reich, WM 1997, 1601, 1607.

595 Die Herleitung der Auskunfts- und Beratungspflichten aus einem Vertrag ist in einem Teil der Rechtsliteratur auf Kritik gestoßen. Der Vertrag als rechtliche Grundlage die-ser Pflichten wird als „Fiktion“ bezeichnet. Die Notwendigkeit, Auskunfts- und Bera-tungspflichten durch einen Vertrag zu begründen, entfiele, wenn man diese dogma-tisch auf die Pflichten aus dem (vor)vertraglichen Schutzverhältnis nach §§ 241, 311 BGB stützte. Dies würde eine dogmatisch saubere Lösung darstellen sowie durch die Einbeziehung des gesetzlichen Mindeststandards der §§ 31, 32 WpHG ein europa-rechtskonformes Anlegerschutzniveau gewährleisten. Siehe Fn. 571. Vgl. Heinsius, ZBB 1994, 47, 49; Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 8; Siol in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 45 Rdnr. 5. Näher zu dieser Diskussion Lang, S. 82 ff. und S. 111 ff. (m.w.N.).

596 Vgl. Assmann, ZIP 2002, 637, 638; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.443.

597 BGH, WM 1993, 1238, 1293.

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Im Urteil vom 13.05.1993598 legt der BGH dar, dass die Antwort auf die Frage, ob der Marktintermediär zur Auskunftserteilung oder zur Beratung verpflichtet ist, von seinem Auftreten und vom in Anspruch genommenen Vertrauen ent-scheidend abhängt.599 Dabei ist maßgeblich, ob es sich um einen Anlagevermitt-ler oder einen Anlageberater handelt.600 Ein Anlagevermittler handelt in der Re-gel im Interesse des Kapitalsuchenden und erhält dafür von ihm eine Provision. Deswegen darf ein Anleger von einem Anlagevermittler keine umfassende Auf-klärung oder Beratung erwarten. Seine Verpflichtungen beschränken sich ge-genüber dem Anleger regelmäßig auf die Erteilung der Auskunft über das Anla-geobjekt. Dagegen entsteht zwischen einem Anlageberater und einem Kapitalan-leger ein Vertrauensverhältnis. Gemäß dem BGH muss ein „unabhängiger indi-vidueller Berater, dem weit reichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird [...] besonderes differenziert und fundiert beraten“.601 Ein Anlageberater nimmt im Vergleich zu einem Anlegevermittler besonderes Vertrauen in An-spruch und unterliegt daher regelmäßig weitgehenderen Pflichten gegenüber dem Anleger.602 Einen anderen Aspekt dieser Problematik stellen die Erwartungen des Anlegers über seinen Geschäftskontakt mit dem Marktintermediär dar.603 Ist der Anleger sich der Rolle eines Anlagevermittlers bewusst und rechnet der Anleger damit, dass die ihm mitzuteilenden Informationen „werbenden und anpreisenden Cha-rakter haben“, so spricht dies dafür, dass der Anleger lediglich mit der Aus-kunftserteilung rechnet.604 Erwartet der Anleger dagegen eine über die Mittei-lung der Tatsachen hinausgehende „fachkundige Bewertung oder Beurteilung“ dieser Tatsachen oder sogar eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnit-tene Beratung, so entsteht eine Beratungspflicht.605

598 BGH, WM 1993, 1238. 599 Vgl. Assmann, ZIP 2002, 637, 638; Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 5. 600 Vgl. BGH, WM 1993, 1238, 1239. Der BGH geht davon aus, dass sich Stellung und

Aufgaben eines Anlagevermittlers und eines Anlageberaters objektiv voneinander un-terscheiden lassen. Allerdings setzte der BGH dem sofort Grenzen, in dem er auf die möglichen Überschneidungen der Pflichtenkreise der Anlagevermittler und Anlagebe-rater verweist. Vgl. Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 45 Rdnr. 3 ff.

601 BGH, WM 1993, 1238, 1239 f. 602 BGH, WM 1993, 1238, 1239 f.; Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1, 2001, 2, 5. Vgl.

auf S. 177, aa) Vertragliche Beratungspflicht. 603 Vgl. Assmann, ZIP 2002, 637, 638; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 45

Rdnr. 3 ff. 604 BGH, WM 1993, 1238, 1239. 605 BGH, WM 1993, 1238, 1239.

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Der BGH hält fest, dass bei einer Anlagevermittlung zwischen einem Anlage-vermittler und einem Anlageinteressenten ein Auskunftsvertrag mit Haftungs-folgen zumindest stillschweigend zu Stande kommt.606 Die für die Annahme ei-nes Auskunftsvertrages notwendigen Voraussetzungen stimmen grundsätzlich mit den beim Abschluss eines Beratungsvertrages vorliegenden Voraussetzun-gen607 überein: Der Anlageinteressent macht deutlich, dass er, „auf eine be-stimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbin-dungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt“.608 Der Umfang der Auskunftspflicht hängt wie bei der Beratungspflicht von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.609 Der BGH erstreckt das Gebot der anlegegerechten Beratung auf die Auskunftserteilung und verlangt, dass die Auskunft unter Berücksichtigung der Geschäftserfahrung und des konkreten Kenntnisstands des Kunden erteilt wird.610 Damit bringt er klar zum Ausdruck, dass die Auskunft eine anlegerschützende Funktion erfüllen soll, in dem er vom Anlagevermittler die Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit des Anlegers verlangt.611 Dementsprechend sollen dem Anleger die richtigen und vollständi-gen Informationen über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für die Anlage-entscheidung des Interessenten von besonderer Bedeutung sind, erteilt wer-den.612 Die Zielrichtung einer solchen Informationserteilung ist, den Anleger ü-

606 BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH, WM 2000, 426, 427; BGH, WM 1993, 1238,

1239; BGH, BGHZ 100, 117, 118 f.: BGH, ZIP 2003, 1928, 1929. Vgl. Brink, EWiR 1993, 765; Jaskulla, WuB I G 1. – 2.00, 747, 749.

607 Siehe Fn. 574. Lang, S. 82, weist darauf hin, dass die Rechtsprechung in weiteren Ur-teilen die Voraussetzungen eines Auskunftsvertrags wie folgt weiterentwickelt hat: Die Information ist für den Anleger von erheblicher Bedeutung und er will sie zur Grundlage seiner Entscheidung machen; der Auskunftsgeber hat besondere Sachkunde bzw. persönliches Vertrauen in Anspruch genommen.

608 BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH, WM 2000, 426, 427; BGH, NJW 1998, 448; BGH, WM 1993, 1238 (m.w.N.); BGHZ 100, 117, 118 f.; Jaskulla, WuB I G 1. – 2.00, 747, 749.

609 BGH, WM 1993, 1238, 1240; Jaskulla, WuB I G 1. – 8.02, 1055, 1056; Siol in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 45 Rdnr. 2.

610 BGH, WM 1993, 1238, 1240. 611 Allerdings wird im Zusammenhang mit der Anlagevermittlung die Schutzbedürftigkeit

als Informationsbedürftigkeit verstanden. Im Gegensatz zur Aufklärungs- und zur Be-ratungspflicht, deren Umfang unmittelbar von dem Wissensstand des Anlegers ab-hängt, steht die Auskunft im gleichen Maße einem unerfahrenen Anleger sowie sei-nem erfahrenen Vertreter zu. Vgl. BGH, NJW 1998, 448.

612 BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH, WM 2001, 134, 135; BGH, WM 2000, 426, 427; BGH, WM 1993, 1238, 1239 f. Vgl. Assmann, ZIP 2002, 637, 647 f.; Brink, EWiR

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ber alle maßgeblichen tatsächlichen Umstände zu unterrichten, die ihm erlauben, das Anlageprodukt zuverlässig zu beurteilen und eine sachgerechte Entschei-dung zu treffen.613 Solche Informationen betreffen hauptsächlich die Wirtschaft-lichkeit der Kapitalanlage und die Bonität des Kapitalsuchenden.614 Der Anlagevermittler ist zwar nicht zur Bewertung dieser Information verpflich-tet.615 Jedoch soll er sich bemühen, die Informationen zu beschaffen, die objek-tive Aussagekraft über die Wirtschaftlichkeit der Anlage haben und die es dem Anleger ermöglichen, das Risiko seiner Kapitalinvestition zu erkennen.616 Falls dem Anlagevermittler die Unrichtigkeit der von ihm übermittelten Informatio-nen (z.B. der Prospektangaben) bekannt wird, soll er diese richtig stellen.617 Grundsätzlich ist die Auskunft richtig, wenn sie dem tatsächlichen Informations-stand des Marktintermediäres entspricht und das vorhandene Wissen bei der Formulierung der Auskunft zutreffend umgesetzt worden ist.618 Dabei darf er sich nicht ausschließlich auf die positive Auskünfte Dritter (z.B. Presseberichte, Auskünfte von Anwälten oder Wirtschaftsprüfern), die Betriebsbesichtigungen oder die Aussagen der Geschäftsführung verlassen.619 Der Anlagevermittler soll versuchen, objektive Informationen über den Stand des Unternehmens zu ermit-teln (Informationsbeschaffungs-/Prüfungs-/Nachforschungspflicht).620 In einem Fall war der BGH der Auffassung, dass solche Informationen aus der aktuellen Bilanz des Unternehmens ermittelt werden konnten.621 In einem anderen Fall hätte der Anlagevermittler das Anlagekonzept des Unternehmens auf Grund der Bewertung des zur Verfügung stehenden Prospekts auf innere Plausibilität, ins-besondere auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit hin, beurteilen sollen.622 Eine

1993, 765; Jaskulla, WuB I G 1. – 2.00, 747, 749; Vortmann, Rdnr. 287; Waldeck in Cramer/Rudolph, S. 649; Weber-Rey/Baltzer, WiB 1997, 1284.

613 BGH, WM 2000, 426, 427; BGH, NJW 1998, 448; BGH, WM 1993, 1238, 1239. 614 BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH, WM 2000, 426, 427; BGH, WM 1993, 1238,

1239 f.; BGH, ZIP 2003, 1928, 1929. 615 Vgl. Jaskulla, WuB I G 1. – 8.02, 1055, 1056. 616 Vgl. Jaskulla, WuB I G 1. – 2.00, 747, 750; ders., WuB I G 1. – 8.02, 1055, 1056. 617 Vgl. BGH, NJW 1998, 448; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 45 Rdnr. 9. 618 BGH, WM 2001, 134 f. 619 Diese Informationen haben in der Regel subjektiven Charakter und können deswegen

keine zuverlässige Auskunft zur Wirtschaftlichkeit der Anlage und ihrer Sicherheit begründen. Vgl. BGH, WM 2000, 426, 428; BGH, WM 1993, 1238, 1239 f.

620 Vgl. BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH, WM 2000, 426, 428. 621 Vgl. BGH, WM 1993, 1238, 1239 f.; Brink, EWiR 1993, 765, 766 (kritisch zur man-

gelnden Konkretisierung der zuverlässigen Informationsquellen, auf die sich der Anla-gevermittler verlassen kann).

622 Vgl. BGH, WM 2000, 426, 427 f. Die Erforderlichkeit der Plausibilitätsprüfung hing in diesem Fall entscheidend davon ab, dass die Plausibilität des Anlagekonzepts für

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solche eigenständige Prüfung, die sich, wie bereits erläutert, auf die Plausibilität, die Schlüssigkeit sowie die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Anlage bezieht, soll es dem Anlagevermittler ermöglichen, sachgerechte Auskünfte über die An-lage zu erteilen.623 Um dieser Prüfungspflicht nachzukommen, muss er selbst über ausreichende fachliche Kenntnisse verfügen, die es ihm erlauben, die ermit-telten objektiven Daten richtig zu interpretieren und Schlussfolgerungen zur Wirtschaftlichkeit der Anlage zu ziehen.624 Eine Prüfungspflicht trifft einen An-lagevermittler nicht, wenn ihm bereits objektive Informationen zur Verfügung stehen, auf Grundlage derer er dem Anleger eine Auskunft über die Wirtschaft-lichkeit und Sicherheit der Kapitalanlage erteilen kann.625 Fehlen dem Anlagevermittler solche objektiven Informationen über den Stand des Unternehmens oder ist er mangels der dafür notwendigen eigenen fachlichen Kenntnisse nicht in der Lage, solche Informationen zu ermitteln oder zu beurtei-len, soll er dies dem Anlageinteressenten offen legen (Offenlegungspflicht).626 Für die Haftung des Anlagevermittlers ist es ohne Belang, ob er gutgläubig war, als er seine Pflicht zur Erteilung der richtigen und vollständigen Information ü-ber die Anlage verletzte.627 Der Anlagevermittler ist auf Grund unrichtiger oder unzureichender Informatio-nen wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.628 Der Anlagevermittler kann sich der Haftung aus einem Auskunftsvertrag durch die Freizeichnungsklausel in seinen AGB nicht entledigen.629

das mit der Anlage verbundene Risiko entscheidend war. Vgl. BGHZ 100, 117, 121 ff.; Jaskulla, WuB I G 1. – 2.00, 747, 749. Bei fehlender Plausibilität müssen ent-weder Nachforschungen angestellt oder diese dem Anleger offenbart werden.

623 Vgl. BGH, WM 2000, 426, 427; Assmann, ZIP 2002, 637, 648 ff.; Arendts, DStR 1997, 1650; Edelmann, BKR 2003, 438, 439.

624 Arendts, DStR 1997, 1649; Jaskulla, WuB I G 1. – 2.00, 747, 749. 625 BGH, WM 2000, 426, 428. 626 Vgl. BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH, WM 2000, 426, 428; BGH, WM 1993,

1238, 1239 f.; Assmann, ZIP 2002, 637, 648; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 9. Siehe Fn. 622.

627 Vgl. BGH, WM 2000, 426, 428; Brink, EWiR 1993, 765. 628 Vgl. BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH, WM 2001, 134, 135; BGH, WM 2000, 426,

429. 629 Vgl. BGH, WM 2001, 134, 135; BGH, WM 2000, 426, 428 f. Der BGH hat die Aus-

kunftspflicht als Kardinalpflicht bezeichnet und die Freizeichnung des Auskunftsver-pflichteten von dieser Pflicht durch AGB für unzulässig gehalten. Das Gleiche gilt für privatrechtliche Beratungs- und Aufklärungspflichten; vgl. Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 52. Ausführlich auf S. 80, I. Einschlägige Rechtsvorschriften.

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cc) Die gesetzliche Aufklärungspflicht Die Aufklärungspflicht ist von der Auskunftspflicht und von der Beratungs-pflicht zu unterscheiden.630 Sie wird vom BGH mangels eines Auskunfts- bzw. Beratungsvertrages auch aus einem gemäß § 242 BGB (s. jetzt § 311 Abs. 2 BGB) mit Aufnahme geschäftlichen Kontakts entstehenden vertragsähnlichen Vertrauensverhältnis abgeleitet.631 Diese Pflicht trifft sowohl die gewerblichen Anlagevermittler, die Anlagen auf dem „Grauen Kapitalmarkt“ vertreiben,632 als auch die Wertpapierdienstleistungsunternehmen.633 Die Aufklärungspflicht setzt keinen wirksamen Vertrag zwischen einem Markt-intermediär und einem Anleger voraus.634 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nimmt der Marktintermediär mit der Aufnahme von Ver-tragsverhandlungen ein besonderes Vertrauen des Anlegers in Anspruch und da-durch entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, das nicht vom Zustandekom-men eines Vertrages und seiner Wirksamkeit abhängig ist.635 Aus diesem Schuldverhältnis kann sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine vorvertragliche Aufklärungspflicht ergeben, deren schuldhafte Verletzung einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss begründet.636

630 Vgl. Balzer, WM 2001, 1533, 1534; Horn, WM 1999, 1, 4; Kümpel in Bank- und Ka-

pitalmarktrecht, Rdnr. 16.435; Lang, S. 27 ff. 631 Vgl. Balzer, WM 2001, 1533; Horn, WM 1999, 1, 4 f.; Kienle in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 3, 5; Lang, S. 24 f.; Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 249; Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 8; Siol in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 4, 13.

632 Vgl. S. 90, III. Anwendungsbereich der privatrechtlichen Verhaltensregeln. 633 Vgl. BGH, BKR 2002, 393, 394; BGH, WM 1998, 1391. 634 Vgl. BGH, WM 1997, 811, 812. 635 Vgl. BGH, WM 1997, 811, 812; BGH, WM 1995, 566, 568; BGHZ 80, 80, 81 ff.;

Horn, WM 1999, 1, 5; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.435; Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 248.

636 BGH, WM 1997, 811, 812; BGH, WM 1993, 1277, 1278; BGHZ 80, 80, 85; Buhk, S. 68; Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1, 2001, 2, 6; Horn in Festschrift für Schi-mansky, 653 f.; ders., WM 1999, 1, 5; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.435; ders., WM 1995, 689, 694; Möllers/Leisch in Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, S. 311; Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 8; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 16 ff.; Zeller, WuB I G 4. – 8.93, 1093, 1040. Grundsätzlich kann niemand verpflichtet werden, seinem Geschäftspartner eine Auf-klärung anzubieten und ihm damit Entscheidungsrisiken abzunehmen. Gleichwohl liegt in diesem Fall ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen einem Marktinter-mediär und einem Anleger vor. Dann spricht man vom Integritätsinteresse, gemäß dem jeder Vertragspartner sich so zu verhalten hat, dass insbesondere das Vermögen des anderen nicht beeinträchtigt wird. Das bedeutet, dass der Marktintermediär dem

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Die vorvertragliche Aufklärungspflicht verfolgt den Zweck des Schutzes von privaten Anlegern. Ihr Inhalt und ihr Umfang sind direkt aus der Aufklärungs-bedürftigkeit des Anlegers abzuleiten.637 Die Aufklärungspflicht entsteht nicht nur mit Rücksicht auf individuelle Verhältnisse des Anlegers, sondern auch auf die Besonderheiten des konkreten Geschäfts.638 Der BGH wendet auf die Auf-klärungspflicht die von ihm im Bond-Urteil festgelegten Grundsätze der Anle-ger- und Objektgerechtigkeit an.639 Dementsprechend soll der Anlagevermittler vor Vertragsschluss ungefragt den Anleger über die wesentlichen Grundlagen, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die damit verbundenen Risiken der Anlage aufklären, solange diese für eine sachgerechte Anlageentscheidung we-sentlich sind.640 So trägt der BGH dem Grundsatz der objektgerechten Aufklä-rung Rechnung, indem er bei Geschäften mit hochriskanten Anlageprodukten höhere Anforderungen an die Aufklärungspflicht der Marktintermediäre stellt.641

informationell/intellektuell und wirtschaftlich unterlegenen Anleger eine Aufklärung bezüglich der Anlage schuldet.

637 Vgl. BGH, WM 1999, 2300, 2303; BGH, WM 1997, 811, 812; Zeller, WuB I G 4. – 8.93, 1039, 1040. Gemäß dem Grundsatz der anlegergerechten Aufklärung hängt die Intensität der Aufklärung im Einzelfall von der individuellen Aufklärungsbedürftigkeit des Anlegers ab. Der Anleger, der über hinreichende Erfahrungen und Kenntnisse ver-fügt, bedarf keiner Aufklärung – zumindest nicht in demselben Maße wie ein unerfah-rener Anleger, bei dem (unter gewissen Umständen) gesteigerte Anforderungen an ei-ne Aufklärung bestehen. Vgl. Derleder, EWiR 2001, 1087 f.; Haertlein, WuB I G 1. – 3.02, 665, 669; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 424 f.; Horn in Festschrift für Schimansky, 653, 659; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.436; Nobbe in Horn/Schimansky, 235, 251; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 126 ff.; Siol in Fest-schrift für Schimansky, 781, 785 f.; ders. in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 10; Waldeck in Cramer/Rudolph, S. 659 f.; Weber-Rey/Baltzer, WiB 1997, 1283, 1284. Vgl. S. 177, aa) Vertragliche Beratungspflicht.

638 Vgl. BGH, WM 1997, 811, 812; BGH, WM 1996, 1260, 1261; BGH, WM 1993, 1277, 1278; BGH, WM 1991, 1108, 1109; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 424; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rdnr. 16; Hdb. Kapitalanla-geR/Roth, § 12 Rdnr. 24.

639 Vgl. BGH, WM 1997, 811, 812; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 126; Haertlein, WuB I G 1. – 3.02, 665, 669.

640 Vgl. BGH, WM 1998, 1527, 1528; BGH, WM 1997, 309, 310; BGH, WM 1994, 453, 454. Z.B. in seinem Urteil v. 12.3.2002 (BKR 2002, 393, 394 f.) konkretisiert der BGH den Inhalt der objektgerechten Aufklärung über Aktienanleihen. Der Anleger ist über die Konstruktion dieses Anlageprodukts zu unterrichten, so dass ihm konkret und nachvollziehbar das Risiko aufgezeigt wird, das der hohen Verzinsung gegenübersteht. Haertlein, WuB I G 1. – 3.02, 665, 669; auch Zietsch, NJW 2002, 1925, 1928. Vgl. Balzer, WM 2001, 1533.

641 Vgl. BGH, WM 2002, 1445, 1446 f.; BGH, WM 1998, 1527, 1528; BGH, WM 1998, 1391 f.; BGH, WM 1997, 811, 812. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.436.

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In einem Urteil vom 5.10.1999642 geht der BGH bei der Festlegung des Inhalts und Umfangs dieser Pflicht über die Aufklärungsbedürftigkeit des Anlegers und die Besonderheiten des Anlageobjekts hinaus. Er macht sie auch vom Ge-schäftspartner des Anlegers und seinem Verhalten abhängig.643 Eine Bank, die wahrheitsgemäß erklärt, nicht aufklärungsfähig zu sein, unterliegt einer redu-zierten Aufklärungspflicht.644 Dieser reduzierten Aufklärungspflicht genügt die Bank, wenn sie dem Kunden standardisierte Informationsbroschüren überreicht (individuelle Hinweise der Bank sind in diesem Fall entbehrlich).645 Eine solche Reduzierung der Aufklärungspflicht lässt das Anlegerschutzniveau nur unter be-stimmten Voraussetzungen unberührt. Die Aufklärung muss zutreffend, vollständig und gedanklich geordnet sein.646 Kreditinstitute dürfen ihrer Aufklärungspflicht im Hinblick auf den Effekten-handel mündlich nachkommen,647 während die Erfüllung dieser Pflicht bei kom-plizierteren Zusammenhängen, wie z.B. Termindirektgeschäften, Terminoptio-nen, Stillhalteroptionsgeschäften oder Aktien- und Aktienindexoptionen durch gewerbliche Anlagevermittler, der Schriftform bedarf.648 Grundsätzlich wird bei hochriskanten Geschäften, insbesondere gegenüber den unerfahrenen Anlegern, eine erhöhte Aufklärungspflicht angenommen.649 Grundsätzlich kann ein Anleger auf eine Aufklärung verzichten.650 Der Verzicht kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erklärt werden. Ein aus- 642 BGH, WM 1999, 2300. 643 BGH, WM 1999, 2300, 2302. Siehe auch Koller, EWiR 1999, 1111, 1112; Mai, CR

2002, 200, 205 f. 644 Als aufklärungsunfähig gilt eine Bank, die den folgenden Voraussetzungen entspricht:

Sie wendet sich ausschließlich an gut informierte und erfahrene Anleger, lehnt jede Beratung bzw. Aufklärung ab und führt lediglich Order aus oder erklärt wahrheitsge-mäß, sie kenne sich mit vom Kunden angesprochenen bestimmten Optionsscheinen nicht aus. Vgl. BGH, WM 1999, 2300, 2302.

645 Vgl. auch BGH, ZIP 2003, 2295, 2296; Birnbaum in Festschrift für Kümpel. 646 Vgl. BGH, WM 1997, 309, 310; BGH, WM 1996, 1214, 1215; Zeller, WuB I G 4. –

8.93, 1039. 647 Vgl. BGH, BKR 2002, 393, 394; BGH, WM 1998, 1391; Haertlein, WuB I G 1. –

3.02, 665, 669; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 28. Die mündliche Form der Aufklärung gilt auch für die Aktienanleihen. Ausführlich dazu Müller, ZBB 2001, 363, 376.

648 Vgl. BGH, BKR 2002, 393, 394 (m.w.N.); Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 425 f.; Lang, S. 324 ff.; Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 46; Zietsch, NJW 2002, 1925, 1926.

649 Vgl. BGH, NJW 1991, 1108, 1109; Arendts, S. 6 f.; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 424 ff.

650 Vgl. Horn in Festschrift für Schimansky, 653, 658 f.

189

drücklicher Verzicht auf eine Aufklärung liegt dann vor, wenn der Anleger an-gibt, mit derartigen Geschäften umfangreiche Erfahrungen gesammelt zu haben, sich damit als erfahren geriert und eindeutig erklärt, keine Aufklärung, sondern ausschließlich die Ausführung seiner Aufträge zu wünschen.651 Ein konkluden-ter Verzicht auf eine Aufklärung wurde vom BGH angenommen, wenn der An-leger in Kenntnisse der Aufklärungsunfähigkeit der Bank dieser gezielt Orders zur Ausführung erteilt.652 Ein Anleger, der ausdrücklich oder konkludent auf die Aufklärung verzichtet, darf nach dem Grundsatz von Treu und Glauben keine Aufklärung erwarten. Ein solcher Anleger ist nicht schutzwürdig und bedarf da-her keiner Aufklärung.653 Eine Aufklärungspflicht könnte in diesem Fall nur dann bestehen, wenn die Bank Kenntnis von der Unrichtigkeit der Kundenanga-ben über seine fehlende Aufklärungsbedürftigkeit hätte oder ihre Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen würde.654 Kraft der zwingenden Natur der auf-sichtsrechtlichen Verhaltensregeln nach §§ 31, 32 WpHG sollte der an die Mög-lichkeit des Verzichts angewandte Maßstab sich an höhere Anforderungen an-lehnen. Auch die Bank, die die Risiken der Anlage nicht beurteilen kann, unter-liegt keiner Aufklärungspflicht, solange sie den Kunden darauf hinweist (Offen-legungspflicht).655 dd) Vorvertragliche Auskunftserteilung beim Fernabsatz von Finanzdienst-leistungen Beim Abschluss von Verträgen sowie bei der eigentlichen Erbringung der Fi-nanzdienstleistungen im Fernabsatz, die mit zunehmender Häufigkeit erfolgt, entstehen besondere Schutzbedürfnisse des Anlegers. Diese betreffen in erster Linie seinen Informationsbedarf hinsichtlich der angebotenen Dienstleistung,

651 Vgl. BGH, WM 1998, 1441, 1442 f.; BGH, WM 1997, 309, 311; BGH, WM 1996,

1214, 1215 f.; BGH, WM 1996, 309, 310 f. 652 In diesem Fall hat der BGH die Aufklärungspflicht durch individuelle Hinweise, die

einen wichtigen Bestandteil der anlegergerechten Aufklärung darstellen, verneint. BGH, WM 1999, 2300, 2302. Vgl. BGH, WM 1998, 274; Balzer, WM 2001, 1533, 1534 f.; Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1 2001, 2, 8; Heinsius in Festschrift für Kübler, 405, 432 f.; Lang, S. 326 ff. Kritisch Schwintowski, ZBB 1999, 385, 386 f.

653 Vgl. BGH, 1999, 2300, 2302 f.; BGH, WM 1997, 309, 311; BGH, WM 1996, 1214, 1216; Koller, EWiR 1999, 1111, 1112.

654 Vgl. BGH, WM 1999, 2300, 2302; BGH, WM 1998, 1391, 1392; Balzer, WM 2001, 1533, 1534 f.; Ellenberger, WM Sonderbeil. Nr. 1, 2001, 2, 8; Horn in Festschrift für Schimansky, 653, 660 ff.; ders., ZBB 1997, 139, 150; Koller, EWiR 1999, 1111, 1112; Nobbe, in Horn/Schimansky, 235, 253.

655 Vgl. BGH, WM 1998, 1391, 1392; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 24.

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des Anbieters und des Vertrages. Diese Anforderungen zielen darauf ab, dass der Anleger, der im Fernabsatz Wertpapiergeschäfte tätigt, informationell nicht schlechter gestellt wird, als derjenige, der im persönlichen Kontakt zum Markt-intermediär steht. Dabei handelt es sich nicht um die Informationen über das Anlageprodukt, auf Grund derer der Anleger seine Anlageentscheidung trifft, sondern um diejenigen Informationen, die er zum Abschluss des Vertrages und Vollzug der ihm aus dem Vertrag entstehenden Rechte benötigt. Der europäische Gesetzgeber hat diese Lücke im Anlegerschutz mit der Fer-nARL-FinanzDL geschlossen.656 Ende Juni 2003 hat die Bundesregierung den FernA-FinanzDLG Entwurf, mit dem die FernARL-FinanzDL in das deutsche Recht umgesetzt werden soll, vorgelegt. Die Europäische Union betrachtet die Übermittlung der für eine eigenständige Entscheidung des Verbrauchers erforderlichen Informationen als eines der wich-tigsten Instrumente des Verbraucherschutzes (Informationsmodell). Im Einklang mit der europäischen Vorgabe zielt der FernA-FinanzDLG Entwurf darauf ab, sicherzustellen, dass dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrages im Fernab-satz die für seinen Entschluss, den Vertrag abzuschließen, relevanten Informati-onen zur Verfügung gestellt werden.657 Diese Informationen betreffen u.a. die Identität des Anbieters, die Rechte und Pflichten bzw. Kosten, die dem Verbrau-cher aus dem Vertrag entstehen, das anwendbare Recht, die Möglichkeiten, sei-ne Rechte geltend zu machen und Verstöße gegen die ihm aus dem Vertrag zu-kommenden Rechte im Laufe eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Ver-fahrens zu verfolgen. Den Kern der Pflicht zur vorvertraglichen Auskunftserteilung bilden die Infor-mationen über die angebotene Finanzdienstleistung.658 Zu diesen gehört die In-formation über die wesentlichen Merkmale der Dienstleistung sowie der Hin-weis, dass die Finanzdienstleistung sich auf Finanzinstrumente bezieht, die we-gen ihrer spezifischen Merkmale oder der durchzuführenden Vorgänge mit spe-ziellen Risiken behaftet sind oder deren Preis Schwankungen auf dem Finanz-markt unterliegt und dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein In-dikator für künftige Erträge sind. Diese Hinweise stellen eine vorherige Aus-kunft dar und dürfen nicht mit den Informationen, die einem Anleger auf Grund

656 Siehe S. 34, 2. FernARL-FinanzDL. 657 Vgl. Felke/Jordans, WM 2004, 166, 167 ff. 658 In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass der in der FernARL-FinanzDL ent-

haltene Begriff der „Finanzdienstleistung“ mit dem des § 1 Abs. 1a KWG nicht de-ckungsgleich ist. Die Schaffung eines vom KWG abweichenden Begriffs der „Finanz-dienstleistungen“ kann zu Unklarheiten im deutschen Recht führen.

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der öffentlichen Informationspflichten nach § 31 Abs. 2 S. 2 WpHG sowie den durch die Rechtsprechung entwickelten privatrechtlichen Informationspflichten zugute kommen, verwechselt werden oder diese gar ersetzen. Die Letzteren bleiben gemäß der Gesetzesbegründung unberührt. Die Tragweite eines solchen vorvertraglichen Hinweises auf die Gefahren und Risiken des Anlagegeschäfts scheint nicht weitgehend genug zu sein. Aus prak-tischer Sicht würde ein Hinweis darauf, dass dem Verbraucher der Finanzdienst-leistung andere weitergehende Informationspflichten zustehen, zu seinem Schutz effektiver beitragen. So würde der Anleger nicht nur auf das Bestehen der Risi-ken, sondern auch auf sein Recht, Informationen über diese Risiken zu erhalten, aufmerksam gemacht und könnte von diesem Recht eher Gebrauch machen. ee) Haftungsrechtliche Folgen aus Verletzung privatrechtlicher Informati-onspflichten als Instrument des Anlegerschutzes Dem Anleger steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus der Verletzung der pri-vatrechtlichen Informationspflichten durch den Marktintermediär zu. Grundsätz-lich gilt, dass der Marktintermediär für falschen oder pflichtwidrig nicht erteil-ten Rat bzw. derartige Information haftet.659 Der Anleger kann zwischen zwei Möglichkeiten des Schadenausgleichs wählen: entweder die Kapitalanlage zu behalten und den Ersatz der durch das Verschulden des Marktintermediäres ver-anlassten Mehraufwendungen zu fordern oder zu verlangen, so gestellt zu wer-den, wie er ohne den Erwerb gestanden hätte.660 Grundsätzlich haftet der Markt-intermediär für alle im Zusammenhang mit der Anlage entstandenen Schäden. Der Anleger muss den schuldhaften Verstoß des Marktintermediäres gegen sei-ne Pflichten beweisen.661 Ihm kommt allerdings eine Kausalitätsvermutung zu-

659 Vgl. BGH, WM 2002, 1456, 1457; BGH WM 2001, 134, 135; BGH, WM 1998, 1527,

1529; BGH, WM 1997, 811, 812; Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 127; Lang, WM 2000, 450, 457; Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 16 ff.; Vortmann, Rdnr. 22 ff.

660 Vgl. Ellenberger, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 1, 9. Ähnlich Heinsius, ZBB 1994, 47, 50; Hadding in Festschrift für Schimansky, 67, 69; Hdb. KapitalanlageR/Roth, § 12 Rdnr. 58; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 57 ff.; Vortmann, Rdnr. 41 ff. Grundsätz-lich ist der Anleger so zu stellen, wie er gestanden hätte, wäre das schädigende Ereig-nis nicht eingetreten.

661 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 131 ff.; Lang, WM 2000, 450, 458 f.; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 79 ff.

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gute.662 Der Marktintermediär muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft und dass der Schaden auch beim pflichtgemäßen Verhalten eingetreten wäre, weil der Anleger trotz des Rates diese Entscheidung getroffen hätte.663 Es kann auch ausnahmsweise Mitverschulden des Anlegers nach § 254 BGB in Betracht kommen.664 Dies ist in den Fällen möglich, in denen der Anleger die Warnungen des Marktintermediäres oder der von ihm einbezogenen Dritten nicht genügend beachtet oder ignoriert hat oder wenn er falsche Angaben zu sei-nen Erfahrungen machte, aus denen der Marktintermediär auf ein niedriges Schutzniveau schließen konnte.665 Die zivilrechtliche Haftung stellt ein wirksames Instrument des Anlegerschutzes dar. 3. Zwischenergebnis Der Informationspflicht kommt eine zentrale Bedeutung im System der Verhal-tenspflichten als Mechanismen des Anlegerschutzes zu. In der Informations-pflicht spiegelt sich der Grundsatz wieder, dass in der zwischen dem Marktin-termediär und dem Anleger entstandenen Beziehung sich der Letztere in einer informationell/intellektuell sowie wirtschaftlich unterlegenen Position befindet. Die Informationspflicht dient dem Anlegerschutz insofern, als sie diese Unterle-genheit ausgleicht. Dieses Ergebnis wird dadurch erreicht, dass der Marktinter-mediär dem Anleger die, für eine Entscheidung auf Grund eigenständiger Ein-schätzung der mit der Anlage verbundenen Risiken, notwendigen Informationen übermittelt. Gleichwohl können dem Anleger die Entscheidungsrisiken nicht abgenommen werden. Die Entscheidungsfreiheit des Anlegers bleibt unberührt.

662 Vgl. BGH, WM 1992, 770, 773; Heinsius, ZBB 1994, 47, 51; Hdb. Kapitalanla-

geR/Roth, § 12 Rdnr. 59; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 49 ff. 663 Vgl. BGH, WM 2002, 1445, 1447; BGH, WM 2001, 1158, 1160, BGH, WM 1998,

1527, 1529; BGH, WM 1994, 1466, 1467; BGH, WM 1994, 1746, 1747; BGH, WM 1994, 149, 151; Lang, WM 2000, 450, 459 f.; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 87; Vortmann, Rdnr. 62 ff. Die Kausalitätsvermutung besteht nicht, wenn es mehr als eine Möglichkeit des aufklärungsrichtigen Verhalten des Anlegers gibt.

664 Vgl. Heinsius, ZBB 1994, 47, 50; Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 134 ff.; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.458; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 53 ff.; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 43 Rdnr. 35 f.; Vortmann, Rdnr. 38 ff.

665 Vgl. Hdb. KapitalanlageR/v. Heymann, § 5 Rdnr. 134 ff.

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Die Informationspflicht tritt auf zwei Ebenen auf: als privatrechtliche Auskunfts-/Aufklärungs-/Beratungspflicht sowie als öffentlich-rechtliche Pflicht, die im § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG statuiert wurde. Diese beiden Ebenen ergänzen einander und schaffen eine weit reichende Basis für den Anleger-schutz. Die öffentlich-rechtliche Informationspflicht wird durch die privatrechtliche In-formationspflicht vornehmlich inhaltlich ergänzt. Die privatrechtlichen Informa-tionspflichten stellen ein flexibles System dar. Sie werden durch die Rechtspre-chung ständig weiter entwickelt und auf neue Kapitalmarktprodukte sowie Fall-konstellationen erstreckt (und gegebenenfalls angepasst). Die durch die Recht-sprechung in diesem Zusammenhang entwickelten Grundsätze spielen ihrerseits bei der Interpretation des Inhalts und des Umfangs der öffentlich-rechtlichen In-formationspflicht eine wichtige Rolle. Die öffentlich-rechtliche Informationspflicht schafft ein Mehr an Stabilität für die Anleger und gewährleistet ein allgemein hohes Schutzniveau, das grundsätz-lich nicht abgesenkt werden kann. Sie ist auch dann anwendbar, wenn für die privatrechtlichen Informationspflichten keine Grundlagen vorliegen. Auch ein Verzicht auf Informationen seitens der Parteien ist im Rahmen der privatrechtli-chen Pflichten eher als in Bezug auf öffentlich-rechtliche Informationspflichten, die zwingendes Recht darstellen, möglich. Auch im Hinblick auf ihre Durchsetzung ergänzen sich diese beiden Pflichten und tragen zur Stabilität und zur Reichweite des Anlegerschutzes bei. So konnte ein Anleger, dem aus einem konkreten Geschäft Schaden entstanden ist, vor dem In-Kraft-Treten des WpHG den Marktintermediär wegen mangelhafter Er-füllung oder Nichterfüllung der privatrechtlichen Informationspflichten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Mit der Einführung der öffentlich-rechtlichen Verhaltenspflichten wurde der Schutz der Anleger präventiv sicher-gestellt. Die Regulierung des Verhaltens der Marktintermediäre durch zwingen-de Rechtsvorschriften sowie die Überwachung ihrer Einhaltung und ihrer Durchsetzung durch eine Aufsichtsbehörde beugen Verstößen der Marktinter-mediäre gegen diese Pflichten (insb. die Informationspflicht) vor und schaffen für den Anleger ein sicheres Umfeld.

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IV. Vermeidung von Interessenkonflikten Interessenkonflikte sind im Universalbanksystem angelegt.666 Sie ergeben sich oft aus dem Spannungsverhältnis zwischen Effektengeschäft und Kommissions-geschäft. Die Anleger bedürfen auch des Schutzes vor der Ausnutzung der Machtstellung der Marktintermediäre. Da die Anleger keinen direkten Zugang zum Marktplatz haben, sind sie auf die Marktintermediäre für die Ausführung ihrer Aufträge angewiesen. Die Verfolgung der eigenen Interessen sowie der In-teressen anderer Kunden kann Konflikte auslösen oder die Marktintermediäre zur Ausnutzung ihrer Marktposition verleiten und dadurch die Interessen der Anleger gefährden. Die Abwendung dieser Gefahren ist für die Stärkung des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt von besonderer Bedeutung. Deswe-gen wurden die Marktintermediäre in der alten Fassung der WPD-RL der Pflicht unterworfen, ihr Verhalten sowie ihre interne Struktur und ihre internen Verfah-ren mit dem Zweck der Vermeidung von Interessenkonflikten in Einklang zu bringen. Diese Pflichten beziehen sich sowohl auf die Organisation als auch auf die Geschäftsabläufe und werden unten im Hinblick auf die alte Fassung der WPD-RL sowie das WpHG getrennt als verhaltensmäßige und organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten behandelt. Die in der neuen Fassung der WPD-RL enthaltenen Novellierungen bedeuten einen neuen Ansatz zur Behandlung von Interessenkonflikten und werden unten separat dar-gestellt. 1. Vermeidung von Interessenkonflikten in der alten und neuen Fassung der WPD-RL Die WPD-RL a.F. sah zwei Möglichkeiten der Regelung von Interessenkonflik-ten vor: Die Wertpapierfirmen konnten ihnen im Rahmen der organisatorischen Maßnahmen, wie in Art. 10 S. 2 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. vorgesehen, oder im Rahmen der Erfüllung ihrer Verhaltenspflichten nach Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spie-gelstr. 6 WPD-RL a.F. entgegenwirken. Die Organisations- und Verhaltensre-geln zur Vermeidung von Interessenkonflikten unterscheiden sich nicht nur nach den Mechanismen, die sie zur Vermeidung von Interessenkonflikten einsetzen, sondern auch nach ihrer Zielrichtung: Die Organisationsregel des Art. 10 S. 2 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. zielt auf die Beseitigung des Risikos des Interessen-konflikts ab und soll dadurch dem Interessenkonflikt vorbeugen, während sich die im Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 6 WPD-RL a.F. begründete Verhaltensre-

666 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 20; Kümpel in Schi-

mansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 209 f. und 227 ff.; ders. in Bank- und Kapital-marktrecht, Rdnr. 16.424 ff.

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gel gegen den Interessenkonflikt selbst richtet.667 Deswegen fand Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 6 WPD-RL a.F. auf sämtliche Interessenkonflikte Anwendung, die nicht durch die Organisationsmaßnahmen nach Art. 10 S. 2 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. ausgeschaltet werden konnten.668 Solche Interessenkonflikte sol-len im Rahmen der Geschäftsabläufe aufgelöst werden. Elster unterscheidet zwischen den strukturell-669 oder geschäftsbedingten Inte-ressenkonflikten, die jeweils in Art. 10 S. 2 Spiegelstr. 5 und Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 6 WPD-RL a.F. geregelt sind.670 Er sieht den wirtschaftlichen Sinn einer solchen Subordination der Beseitigung von Interessenkonflikten durch Or-ganisations- und Verhaltensregeln darin, dass den Wertpapierfirmen eine gewis-se Flexibilität des Konfliktmanagements gewährt wird, so dass die Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten auf die für das Unternehmen wirt-schaftlich sinnvollste Art ausgestaltet werden können.671 Die Haltbarkeit der Trennung zwischen strukturell- und geschäftsbedingten Interessenkonflikten wurde allerdings durch die Praxis in Frage gestellt. Auch die Vermeidung sämt-licher Interessenkonflikte als solche hat sich als Regulierungsziel nicht bewährt, da die Wertpapierfirmen durch diese Anforderung unverhältnismäßig belastet werden. Der in der alten Fassung der WPD-RL enthaltenen Regelung fehlte es am Gleichgewicht zwischen dem durch die Wertpapierfirmen zu diesem Zweck betriebenen Aufwand und tatsächlicher Gefährdung der Kundeninteressen durch die Interessenkonflikte. Die in der WPD-RL n.F. enthaltene Regelung ist unter Berücksichtigung dieser aus der Praxis gewonnen Erfahrungen entstanden und wird unten im Detail mit Blick auf die bevorstehenden Änderungen des deut-schen Rechts dargestellt.

667 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 33 f. sowie § 33 Rz. 13, verweist auf den Un-

terschied zwischen dem Risiko der Interessenkonflikte und den eigentlichen Interes-senkonflikten.

668 Siehe S. 196, a) Vermeidung von Interessenkonflikten als Verhaltenspflicht nach der WPD-RL a.F..

669 Als strukturell bedingte Interessenkonflikte bezeichnet Elster, S. 267, diejenigen Inte-ressenkonflikte, die in einer bestimmten Aufbau- und Ablauforganisation angelegt sind. Siehe auch Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 13.

670 Hdb. KapitalanlageR/Schäfer § 28 Rdnr. 44 weist darauf hin, dass diese Doppelstruk-tur auf das englische Trennbanksystem mit der dort herrschenden Vorstellung, dass sich die strukturellen Konflikte durch Organisation und die geschäftsbedingten Kon-flikte durch Verhalten lösen lassen, zurückzuführen ist.

671 Vgl. Elster, S. 267 ff.

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a) Vermeidung von Interessenkonflikten als Verhaltenspflicht nach der WPD-RL a.F. Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 6 WPD-RL a.F. verpflichtete die Wertpapierfir-men zur Vermeidung von Interessenkonflikten.672 Allerdings erkannte die WPD-RL a.F. an, dass es auch Interessenkonflikte gibt, die nicht vermieden werden können.673 Dabei wurde die Grenze der Vermeidbarkeit nicht ausschließlich nach den Kundeninteressen, sondern auch nach den Kriterien der Zumutbarkeit und der Verhältnismäßigkeit bestimmt.674 Die Berücksichtigung der Interessen sowohl der Kunden als auch der Wertpapierfirma ist für die Aufrechterhaltung der Integrität der Kapitalmärkte besonders wichtig. Allerdings enthielt die alte Fassung der WPD-RL keine klaren Hinweise darauf, wie das Gleichgewicht zwischen den Interessen des Kunden und der Wertpapierfirma beibehalten wer-den kann. Die Wertpapierfirma ist nicht verpflichtet, bei unvermeidbaren Interessenkon-flikten vom Geschäft Abstand zu nehmen.675 Sie soll allerdings den Kunden nach Recht und Billigkeit (Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 6 WPD-RL a.F.) be-handeln und diese Konflikte dadurch weitest möglich abmildern.676 Der Inhalt dieser Pflicht wird unter Berücksichtigung der Ziele der WPD-RL, nämlich des reibungslosen Funktionierens der Kapitalmärkte und des Anlegerschutzes, kon-kretisiert.677 b) Vermeidung von Interessenkonflikten als Organisationspflicht nach der WPD-RL a.F. Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. schrieb vor, dass eine Wertpa-pierfirma so aufgebaut und organisiert sein muss, dass das Risiko von Interes-senkonflikten zwischen der Firma und ihren Kunden678 oder verschiedenen 672 Dieses Gebot stützt sich auf die Grundsätze der Priorität des Kundeninteresses, der

Gleichbehandlung und der Offenlegung der Interessenkonflikte. Vgl. Eisele in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 22; Elster, S. 281 ff.; Koller in Ass-mann/Schneider, § 31 Rz. 35.

673 Vgl. Kümpel in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 212; ders., WM 1995, 689, 690.

674 Vgl. Elster, S. 281; Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 31 ff. 675 Vgl. Kümpel, WM 1995, 689, 690; ders., Wertpapierhandelsgesetz, S. 166. 676 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.429 und 16.530. 677 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 53. 678 Die Konflikte zwischen der Firma und dem Kunden schließen die Konflikte zwischen

dem Kunden und einem Mitarbeiter der Firma mit ein. Eine Wertpapierfirma soll ge-

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Kunden der Firma möglichst gering ist.679 Diese Organisationspflicht zielte nicht auf die Beseitigung der Interessenkonflikte selbst, sondern deren Risikos bzw. Gefahr ab.680 Deshalb sollten die entsprechenden organisatorischen Maßnahmen im Vorfeld des möglichen Interessenkonflikts getroffen werden. Wenn der Inte-ressenkonflikt durch die organisatorischen Maßnahmen nicht verhindert werden konnte, sollte ein weiterer Versuch, den Interessenkonflikt zu beseitigen, auf der Ebene der Geschäftsabläufe, wie oben, auf S. 194, 1. Vermeidung von Interes-senkonflikten in der alten und neuen Fassung der WPD-RL, erwähnt, vorge-nommen werden.681 c) Behandlung von Interessenkonflikten in der neuen Fassung der WPD-RL Obwohl die neue Fassung der WPD-RL einen neuen Ansatz zur Regelung von Interessenkonflikten enthält, bleibt die formelle Trennung zwischen organisato-rischen und anderen Maßnahmen zur Beseitigung von Interessenkonflikten in der Struktur der WPD-RL n.F.. Sie sind sowohl in Art. 13 Abs. 3 (organisatori-sche Anforderungen) als auch in Art. 18 (Interessenkonflikte) WPD-RL n.F. be-handelt. Art. 13 Abs. 3 WPD-RL n.F.682 erlegt den Wertpapierfirmen nicht die Pflicht auf, Interessenkonflikte grundsätzlich zu vermeiden, wie dies in der alten Fas-sung der WPD-RL der Fall war, sondern diejenigen Maßnahmen zu treffen, die verhindern, dass die Interessenkonflikte den Kundeninteressen schaden. Der ers-te wichtige Unterschied dieser Regelung zur alten Fassung der WPD-RL besteht darin, dass die durch die Wertpapierfirmen zu treffenden Maßnahmen nicht das Risiko des Interessenkonflikts, sondern die negativen Folgen des Interessenkon-flikts für den Kunden abwenden sollen. Der zweite Unterschied liegt im engeren Umfang der neuen Regelung: Die Wertpapierfirmen müssen nicht allen Interes-

mäß Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 1 WPD-RL a.F. über angemessene interne Kon-trollverfahren verfügen, zu denen insbesondere eine Regelung für persönliche Trans-aktionen der Angestellten gehört.

679 Ausführlich zu einzelnen organisatorischen Vorkehrungen, die der Vermeidung des Risikos der Interessenkonflikte dienen sollen, auf S. 202, b) § 33 Abs. 1 Nr. 2.

680 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz 33 ff. und § 33 Rz. 13. 681 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 15; ihm folgend Elster, S. 269; vgl. Eisele

in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 54. 682 Auf die Organisationsregeln findet nach wie vor der Herkunftslandsprinzip Anwen-

dung (Art. 13 Abs. 1 WPD-RL n.F.). Trotz der Maximalharmonisierung, die sich auf sämtliche durch die WPD-RL n.F. geregelte Bereiche erstreckt, ist die Anwendung des Herkunftslandsprinzips auf die Organisationsregeln wegen der Beaufsichtigung deren Einhaltung sicherzustellen.

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senkonflikten, sondern nur denjenigen entgegenwirken, die den Kundeninteres-sen schaden.683 Der dritte Unterschied bezieht sich auf die zur Verhinderung der Interessenkonflikte einzusetzenden Mittel. Diese werden in der neuen Fassung der WPD-RL zweistufig ausgestaltet. Zuerst trifft die Wertpapierfirma die orga-nisatorischen und verwaltungsmäßigen Vorkehrungen, die die angemessenen Maßnahmen zur Verhinderung von Interessenkonflikten gewährleisten. Diese Maßnahmen können sowohl organisatorischer als auch verhaltensmäßiger Natur sein. Sodann sind diese Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten einzusetzen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Wertpapierfirma selb-ständig nach eigenem Ermessen die Maßnahmen bestimmt und einsetzt, die den Interessenkonflikten an effektivsten entgegenwirken. Gleichwohl stützen sich diese Maßnahmen auf die intern festgelegten organisatorischen Grundlagen. Die Letzteren werden durch die Kontrolle seitens der staatlichen Aufsichtsbehörde sichergestellt. Diese Änderung ergibt sich aus der Erkenntnis, dass die in der WPD-RL a.F. eingeführte scharfe Trennung zwischen der Minimierung des Risikos der Inte-ressenkonflikte durch organisatorische Maßnahmen und der Behandlung der aufgetretenen Interessenkonflikte im Rahmen der geschäftlichen Vorkehrungen nach den Verhaltenspflichten für die Praxis untauglich ist. Zum einen liegt das Problem darin, dass sich einige Maßnahmen, wie z.B. die Regeln über den In-formationsaustausch innerhalb einer Wertpapierfirma, nur schwer organisatori-schen oder geschäftlichen Maßnahmen zuordnen lassen. Zum anderen können auch einige organisatorischen Vorkehrungen effektiv zur Vermeidung der Inte-ressenkonflikte oder sogar zur Wahrung der Kundeninteressen bei unvermeidba-ren Interessenkonflikten eingesetzt werden. Daher scheint die in der WPD-RL n.F. vorgeschlagene Lösung, die Interessenkonflikte durch angemessene Maßnahmen beizulegen, die sich ihrerseits sowohl auf organisatorische als auch auf verwaltungsmäßige Vorkehrungen stützen, praxisnäher als die bisherige Lö-sung zu sein. Art. 18 Abs. 1 WPD-RL n.F. definiert den Begriff „Interessenkonflikt“ und rechnet zu den Interessenkonflikten zwischen der Wertpapierfirma und dem Kunden ausdrücklich auch die Interessenkonflikte ihrer Geschäftsführung, ihrer Beschäftigten und der vertraglich verbundenen Vermittler oder anderen Perso-nen, die mit der Wertpapierfirma direkt oder indirekt verbunden sind.

683 Nach Art. 18 Abs. 3 b WPD-RL n.F. werden im Rahmen der Durchführungsmaßnah-

men die geeigneten Kriterien festgelegt, anhand derer die Typen von Interessenkon-flikten bestimmt werden, die den Interessen der Kunden der Wertpapierfirma schaden können.

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Gemäß Art. 18 Abs. 1 WPD-RL n.F. sollen die Mitgliedstaaten684 die Wertpa-pierfirmen verpflichten, alle angemessenen Vorkehrungen zu treffen, um Inte-ressenkonflikte zu erkennen. Die gemäß Art. 13 Abs. 3 und Art. 18 Abs. 1 und 2 zu treffenden Maßnahmen, die zur Erkennung, Vermeidung, Regelung oder Of-fenlegung der Interessenkonflikte von Wertpapierfirmen erwartet werden kön-nen, werden im Rahmen der gemäß Art. 18 Abs. 3 Spiegelstr. 1 WPD-RL n.F. zu erlassenen Durchführungsmaßnahmen näher erläutert. Bei der Bestimmung der Angemessenheit dieser Maßnahmen wird von der Art der Wertpapierdienst-leistung oder Nebendienstleistung ausgegangen. Gemäß Art. 18 Abs. 2 WPD-RL n.F. sollen die Interessenkonflikte, die durch die gemäß Art. 13 Abs. 3 WPD-RL n.F. eingeführten organisatorischen und verwaltungsmäßigen Vorkehrungen nicht beseitigt werden können, dem Kunden vor der Ausführung des Geschäfts offen gelegt werden. Die durch Art. 18 Abs. 2 WPD-RL n.F. eingeführte Offenlegungspflicht geht über die in Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 6 WPD-RL a.F. enthaltene Regelung, die die Wertpapierfirmen zur Wahrung der Kundeninteressen bei unvermeidbaren Interessenkonflikten verpflichtete, hinaus. Sie stellt eine Kodifizierung der Offenlegungspflicht dar, die in der Praxis schon längst eingesetzt wurde.685 Die Offenlegung des Interes-senkonflikts schließt es nicht aus, dass die Wertpapierfirma unter Wahrung der Kundeninteressen handelt und sich bemüht, die negativen Folgen des Interes-senkonflikts weitmöglichst abzumildern. Neu sind auch die Anforderungen da-zu, was für die Erfüllung dieser Pflicht erforderlich ist. Gemäß Art. 18 Abs. 2 WPD-RL n.F. muss die Wertpapierfirma dem Kunden die allgemeine Art und/oder die Quellen der Interessenkonflikte offen legen. Eine solche Offenle-gung ist nur in dem Fall notwendig, wenn die organisatorischen bzw. verwal-tungsmäßigen Vorkehrungen nicht ausgereicht haben, um nach vernünftigem Ermessen zu gewährleisten, dass das Risiko der Beeinträchtigung von Kunden-interessen vermieden wird. An dieser Stelle verlangt der WPD-RL n.F. zum zweiten Mal, dass die Sicherstellung der Kundeninteressen auf eine vernünftige

684 Ähnlich wie die in Art. 19 WPD-RL n.F. enthaltenen Wohlverhaltensregeln unterlie-

gen die Regeln des Art. 18 WPD-RL n.F. (Interessenkonflikte) der Maximalharmoni-sierung: Alle Mitgliedstaaten müssen die Anforderungen der WPD-RL n.F. in den von ihr geregelten Bereichen in ihr Recht übernehmen und dürfen keine zusätzliche An-forderungen in ihrem nationalen Recht vorsehen. Siehe Art. 31 Abs. 1 WPD-RL n.F.

685 Die Offenlegung des unvermeidbaren Interessenkonflikts als Maßnahme zur Vermei-dung von Interessenkonflikten ist umstritten. Vgl. Fn. 691. Es ist fraglich, ob sie zum Schutz des Anlegers effektiv beitragen kann. In Kenntnis des Konflikts versetzt zu werden, hilft zumindest einem Kleinanleger nicht bei der Durchsetzung seiner Interes-sen. Sie lässt dem Anleger kaum tragfähige Handlungsalternativen: entweder muss er die Beeinträchtigung seiner Interessen durch den Konflikt akzeptieren, vom Geschäft absehen oder für die Ausführung einen anderen Marktintermediär einschalten.

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Weise geschieht und bringt damit zum Ausdruck, dass diese gegen die Interes-sen der Wertpapierfirma abgewogen werden sollen. Die in der WPD-RL n.F. vorgeschlagene ausführliche Regelung der Interessen-konflikte führt zur Klarstellung der Handlungen der Wertpapierfirmen im Hin-blick auf die Interessenkonflikte und reduziert den dabei betriebenen Aufwand auf klare Weise. Offensichtlich legt der europäische Gesetzgeber Wert darauf, dass das Gleichgewicht zwischen den Kundeninteressen und den Interessen der Wertpapierfirma bei der Beseitigung von Interessenkonflikten erhalten bleibt. Dies fördert im Endeffekt die Integration der Kapitalmärkte und dient auf diese Weise dem Schutz der Anleger, was der Zielsetzung der WPD-RL n.F. ent-spricht. 2. Vermeidung von Interessenkonflikten im deutschen Recht Das WpHG spiegelt die in der WPD-RL a.F. vorgesehene Struktur wieder und zielt auf die Vermeidung von Interessenkonflikten ab.686 Die Pflicht zur Ver-meidung von Interessenkonflikten existiert im deutschen Recht sowohl als Ver-haltens- (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) als auch als Organisationspflicht (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). a) § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen. Die Norm erfasst jegliche Interessenkonflikte zwischen dem Wertpapierdienstleis-tungsunternehmen und dem Kunden sowie zwischen den einzelnen Kunden, so-fern diese die Kundeninteressen beeinträchtigen.687 Mit Kundeninteressen sind die Individualinteressen einzelner Kunden gemeint.688 Im Lichte der WPD-RL a.F. handelt es sich dabei nicht um die bestmögliche Ausführung der Kundenaufträge, sondern um den Konflikt, der im Vorfeld einer solchen Auftragserledigung auftritt. Die Pflicht des Wertpapierdienstleistungs-

686 Siehe S. 194, 1. Vermeidung von Interessenkonflikten in der alten und neuen Fassung

der WPD-RL. 687 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 21; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 31 Rz. 26a ff. und 37; Hdb. KapitalanlageR/Schäfer § 37 Rdnr. 37 ff.; Lang, S. 154 ff.

688 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 27 ff.

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unternehmens besteht darin, solche Konflikte, die Koller Manipulationsgefahren nennt, auszuschalten.689 Die mit der WPD-RL a.F. konforme Auslegung dieses Paragraphen verbietet einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei aufge-tretenen Interessenkonflikten persönliche Vorteile zu ziehen und verpflichtet es, von seinen Kunden jeglichen Schaden abzuwenden bzw. die Beeinträchtigung der Kundeninteressen infolge entgegenstehender Interessen insofern auszuschal-ten, als dies für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zumutbar ist.690 Die Geschäftsabläufe, die als verhaltensmäßige Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten in Betracht kommen, schließen die Aufklärung, die Er-ledigung der Kundenaufträge nach Maßgabe der Priorität, die Gleichbehandlung oder die Abstandnahme vom Geschäft mit ein.691 Die Interessenkonflikte sind im Universalbanksystem angelegt.692 Deswegen können manche Interessenkonflikte nicht vermieden werden, es sei denn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen würde Abstand von solchen Geschäften nehmen.693 Dies erscheint allerdings unzumutbar, weil dadurch die Interessen und das Geschäft des Wertpapierdienstleistungsunternehmens stark beeinträch-tigt werden können, was wiederum negative Auswirkungen auf den Kapital-markt und im Endeffekt auf den Anleger zur Folge hätte.694 Daher verlangt § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG im Einklang mit der WPD-RL a.F. , dass das Wertpapier-dienstleistungsunternehmen bei unvermeidbaren Interessenkonflikten unter Wahrung der Kundeninteressen handelt und seinen Auftrag auf eine solche Wei-se erledigt, die am besten den Interessen des Kunden entspricht.695

689 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 33 f. 690 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 27 f. und 31 ff.; Lang, S. 155. 691 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 35 und 57 f.; Schäfer in Schäfer/Müller,

Rdnr. 151. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 22, zählt zu diesen Me-chanismen die zeitliche Priorität bzw. Gleichbehandlung, Offenlegung („Disclosure“, Transparenz, Aufklärung) sowie Vermeidung des Konflikts („Removing“, Abstinenz, Abstandnahme). Lang, S. 160 ff., weist darauf hin, dass die Effizienz der Aufklärung bzw. Offenlegung als Mittel zur Vermeidung von Interessenkonflikten umstritten ist.

692 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 20 ff.; Kümpel, Wertpapier-handelsgesetz, S. 164; ders. in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 209 f.

693 Vgl. Lang, S. 155; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 150. 694 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rz. 30 ff. 695 Vgl. auf S. 194, IV. Vermeidung von Interessenkonflikten. Koller in Ass-

mann/Schneider, § 31 Rz. 53; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 164; Lang, S. 158 ff.; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 152.

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b) § 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG § 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG setzt Art. 10 S. 2 Spiegelstr. 5 der WPD-RL a.F. um und erlegt einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Pflicht auf, eine solche Organisation einzuführen, dass bei der Erbringung der Wertpapierdienst-leistungen und -nebendienstleistungen die Interessenkonflikte möglichst gering gehalten werden. Im Gegensatz zur WPD-RL a.F. sind gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG die organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung der Interessenkon-flikte selbst, nicht aber zur Vermeidung des Risikos von Interessenkonflikten bzw. Manipulationsgefahren erforderlich.696 Der enge Wortlaut des WpHG musste im Sinne der Richtlinie erweiternd ausgelegt werden. Allerdings wurde dieser Widerspruch mit dem In-Kraft-Treten der neuen Fassung der WPD-RL abgeschafft: § 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG entspricht Art. 13 Abs. 3 WPD-RL n.F. Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind sowohl gemäß der WPD-RL als auch dem WpHG nicht verpflichtet, Interessenkonflikte ganz auszuschalten, sondern sie müssen sich darum bemühen, diese soweit als möglich zu reduzie-ren.697 Das Gesetz enthält keine Anweisungen darüber, wie dieses Ergebnis zu erreichen ist. Die BAFin hat in diesem Zusammenhang von ihrem Recht zur Auslegung der Gesetzesvorschriften Gebrauch gemacht und die Compliance-Richtlinie erlassen.698 Die organisatorischen Maßnahmen zur Konfliktvermeidung betreffen den sach-gerechten Umgang mit den kursbeeinflussenden Informationen und erfassen u.a. die Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen („Chinese Walls“) durch räumliche und personelle Trennung sowie entsprechende Ausgestaltung der EDV-Systeme, interne Regelungen über den Informationsaustausch innerhalb des Wertpapier-dienstleistungsunternehmens sowie das Vergütungssystem der Mitarbeiter.699 Sie sind in der Compliance-Richtlinie (Ziff. 3.3) ausführlich geregelt. Die Mit-arbeiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sollen schriftliche Anwei-sungen über den Umgang mit sensiblen Informationen erhalten sowie regelmä-ßig geschult werden. Die Einhaltung der entsprechenden internen Regeln wird durch eine präventive Kontrolle der Compliance-Stelle gesichert. Auf Grundlage der durch diese Stelle geführten Beobachtungs- und Verbotslisten erfahren die

696 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 13; Schäfer in Schäfer/Müller, Rdnr. 150. 697 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.532 f.; Hdb. Kapitalanla-

geR/Schäfer § 28 Rdnr. 44. 698 Siehe Fn. 126, IV. Aufsicht. 699 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 54, 79 ff.; Elster, S. 268 ff.;

Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 17 ff.; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 182 ff.

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Mitarbeiter jeweils, bei welchen Wertpapieren eine Manipulationsgefahr besteht und mit welchen Papieren Eigenhandel untersagt ist und keine Empfehlungen ausgesprochen werden dürfen.700 Dem Umfang der organisatorischen Maßnahmen zur Konfliktvermeidung sind wirtschaftliche Grenzen gesetzt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen soll die organisatorischen Maßnahmen zur Konfliktvermeidung nur insoweit ergrei-fen, als dies zumutbar ist.701 Diese flexible Regelung erlaubt es, den für kleinere Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch den hohen Aufwand drohenden Wettbewerbsnachteil auszugleichen. Gleichwohl sind keine Abstriche am Anle-gerschutz erforderlich, da die Interessenkonflikte, die durch organisatorische Vorkehrungen nicht ausgeschaltet werden können, nach den Verhaltensregeln vermieden werden sollen. 3. Zwischenergebnis Die Regelung zum Schutz der Anleger vor Interessenkonflikten stellt einen wichtigen Baustein des Anlegerschutzes dar. Sie legt den Schwerpunkt auf die Regulierung der Organisation sowie des Verhaltens der Marktintermediäre auf eine solche Weise, dass die Möglichkeit des Auftretens von Interessenkonflikten weitgehend reduziert wird. Sollte ein Interessenkonflikt vorliegen, unterliegen die Marktintermediäre der Pflicht, diesen zu beheben oder, wenn sich ein Inte-ressenkonflikt nicht vermeiden lässt, den Kundenauftrag unter Wahrung der In-teressen des Kunden auszuführen. Diese Regelung überträgt die Verantwortung für die faire Behandlung und Lösung der Interessenkonflikte auf die Marktin-termediäre, die kraft ihrer beruflichen Rolle mehr Einfluss auf die Umstände der Ausführung der Kundenorder haben. Dem Anlegerschutz bzw. dieser Pflicht sind nur insofern Grenzen gesetzt, als die Maßnahmen zur Vermeidung von In-teressenkonflikten für den Marktintermediär mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden sind. Denn dadurch dürfen die Solvenz der Marktintermediäre und die Stabilität der Kapitalmärkte nicht beeinträchtigt werden.

700 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 85 ff.; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 33 Rz. 27 ff.; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.557 ff.

701 Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 14 ff.; Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 54; Elster, S. 269.

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V. Besonderheiten der europäischen und deutschen Verhaltenspflichten 1. Pflicht zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages in der WPD-RL n.F. Art. 19 Abs. 7 WPD-RL n.F. führt eine Pflicht zum Abschluss eines schriftli-chen Vertrages zwischen der Wertpapierfirma und dem Kunden ein, die der al-ten Fassung der WPD-RL nicht bekannt ist. Es soll eine auf Dokumenten basie-rende Aufzeichnung einer Vereinbarung erstellt werden, in der die Rechte und die Pflichten der beiden Parteien sowie die sonstigen Bedingungen festgeschrie-ben sind, zu denen die Wertpapierfirma Dienstleistungen für den Kunden er-bringt. Diese Verpflichtung stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen den öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verhaltensregeln dar und ist insoweit zu be-grüßen, als damit die Klarstellung der Pflichten der Wertpapierfirmen gewähr-leistet sowie die rechtliche Basis der Schadensersatzansprüche von Anlegern ge-stärkt wird. 2. Besondere Verhaltenspflichten des WpHG § 32 WpHG enthält die besonderen Verhaltenspflichten. Grundsätzlich sind die-se Pflichten eine Konkretisierung der in § 31 WpHG enthaltenen Sachverhalte. Sie erlangen ihre eigenständige Bedeutung nur insoweit, als sie auch auf die verbundenen Unternehmen702 sowie auf die Mitarbeiter, Organe und Alleininha-ber des Wertpapierdienstleistungsunternehmen Anwendung finden.703 Gemäß § 32 Abs. 3 WpHG sind auch die Unternehmen mit Sitz im Ausland unter be-stimmten Voraussetzungen den besonderen Verhaltensregeln unterworfen.704 § 32 Abs. 1 Nr. 1 WpHG untersagt Empfehlungen, die nicht mit den Interessen des Kunden übereinstimmen. Mit den Interessen des Kunden sind die bestmög-

702 Als verbundene Unternehmen gelten diejenigen, auf die das Wertpapierdienstleis-

tungsunternehmen oder die auf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen be-herrschenden Einfluss ausüben kann bzw. können, sowie die Unternehmen, deren Ge-sellschafter oder Inhaber zu mindestens 50 % identisch sind. Unter besonderen Um-ständen können auch die Unternehmen von nahen Angehörigen als verbundene Unter-nehmen betrachtet werden. Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 32 Rz. 1a, 16 ff.

703 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 178. 704 Koller in Assmann/Schneider, § 32 Rz. 19, weist darauf hin, dass eine Ausdehnung

der besonderen Verhaltensregeln auf die Organe und Angestellten mit Sitz im Ausland mit der WPD-RL nicht vereinbar ist und gegen das dort festgelegte Herkunftslands-prinzip verstößt.

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lichen subjektiven Interessen des konkreten Kunden gemeint, die das Wertpa-pierdienstleistungsunternehmen im Rahmen seiner Erkundigungspflicht zu er-mitteln hat.705 Die Empfehlungen sind von den Informationen nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG zu unterscheiden. Bei den Empfehlungen handelt es sich um die Ergebnisse des Entscheidungsprozesses: Der Berater teilt dem Kunden mit, wie er selbst an seiner Stelle handeln würde; während die Informationen lediglich ein Hilfsmittel für die Entscheidung darstellen.706 Hiermit sind die Empfehlun-gen untersagt, die eine Erhöhung bzw. Verringerung der eigenen Bestände des Wertpapierdienstleistungsunternehmens bezwecken (sog. „scalping“).707 Eine Empfehlung nach § 32 WpHG lässt die Informationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG nicht entfallen. § 32 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verbietet den Wertpapierdienstleistungsunternehmen, den Kunden den Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumen-ten oder Derivaten zum Zwecke der Marktmanipulation (Lenkung des Preises in eine bestimmte Richtung) zu empfehlen. Diese Vorschrift zielt auf die Integrität und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ab. Ihre praktische Bedeutung bleibt allerdings unklar, weil der Vorsatz der Preisbeeinflussung einem Wertpapier-dienstleistungsunternehmen nur schwer nachgewiesen werden kann.708 § 32 Abs. 1 Nr. 3 WpHG untersagt Vor-, Mit- und Gegenlaufen.709 Das Wertpa-pierdienstleistungsunternehmen darf Eigengeschäfte auf Grund der Kenntnisse von einem Auftrag eines Kunden nicht tätigen, wenn diese Nachteile für den Auftraggeber haben können. Dabei müssen die Nachteile nicht unbedingt schon entstanden sein, sondern allein die Gefahr solcher Nachteile reicht für einen Verstoß gegen diese Pflicht aus.710 Die praktische Schwierigkeit bei der Durch-setzung dieser Pflicht entsteht bei dem Nachweis der Kausalität zwischen der Kenntnis der Kundenorder und dem Eigengeschäft des Wertpapierdienstleis-

705 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 46; Heinsius, ZBB 1994, 47,

50; Koller in Assmann/Schneider, § 32 Rz. 4 ff. Diese Pflicht steht in engem Zusam-menhang mit der Interessenwahrungs- und Erkundigungspflicht.

706 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 32 Rz. 3; Kümpel in Bank- und Kapitalmarkt-recht, Rdnr. 16.487 ff.

707 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 46; Kümpel, Wertpapierhan-delsgesetz, S. 179.

708 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 47; Koller in Ass-mann/Schneider, § 32 Rz. 10.

709 Vgl. Birnbaum in Festschrift für Kümpel; Koller in Assmann/Schneider, § 32 Rz. 11 ff.; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.492.

710 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 48.

206

tungsunternehmens.711 Diese Pflicht überschneidet sich mit der Pflicht zur Ver-meidung von Interessenkonflikten.712 Die besonderen Verhaltenspflichten tragen zum Anlegerschutz effektiv bei, in-dem sie Konkretisierungen der allgemeinen Verhaltenspflichten enthalten und bestimmte Handlungen der Marktintermediäre unmittelbar untersagen. Aller-dings wird die Effizienz dieser Pflichten durch die Schwierigkeiten ihrer Umset-zung in Frage gestellt. § 2 Organisationspflichten Art. 13 WPD-RL n.F. (Art. 10 WPD-RL a.F.) enthält Organisationsregeln, die die interne Struktur und die Geschäftsabläufe der Marktintermediäre zum Ge-genstand haben. Doch sind sie auch für den Anlegerschutz von erheblicher Be-deutung. Wie die Organisationspflichten sich auf den Anlegerschutz auswirken, wird unten untersucht. Art. 13 WPD-RL n.F. (Art. 10 WPD-RL a.F.) können folgende Organisations-pflichten entnommen werden: Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung, Gebot der erforderlichen Infrastruktur, Aufzeichnungspflicht und Verpflichtung zum Schutz der Eigentumsrechte der Anleger. Zwar stellen diese Regeln ebenso wie die Verhaltensregeln einen Mindeststandard dar, dennoch unterliegen sie im Ge-gensatz zu den Verhaltenspflichten, die sich vor der Verabschiedung der neuen Fassung der WPD-RL im Zuständigkeitsbereich des Aufnahmestaats befanden, der Aufsicht des Herkunftslandes. Deswegen haben die Mitgliedstaaten weniger Anreiz, strengere Vorschriften zu erlassen, da diese zu Wettbewerbsnachteilen auf Grund strengerer Zulassungsvoraussetzungen für die nationalen Wertpapa-pierfirmen führen würden. Eine Ausnahme stellte die in Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 3 WPD-RL a.F. ent-haltene Pflicht der Wertpapierfirma dar, über die für einen erfolgreichen Ab-schluss ihrer Tätigkeit erforderlichen Mittel und Verfahren zu verfügen. Von ih-rem Regelungsgegenstand her gehörte diese Pflicht zu den Organisationspflich-ten. Trotzdem hatte sie der europäischer Gesetzgeber unter den Verhaltens-pflichten aufgeführt und damit von der Aufsicht des Herkunftslandes ausge-nommen. Diese uneinheitliche Behandlung der Organisationspflichten ist durch die neue Fassung der WPD-RL abgeschafft worden.713 Art. 113 Abs. 1 WPD-

711 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S. 181. 712 Ausführlich auf S. 194, IV. Vermeidung von Interessenkonflikten. 713 Ausführlich auf S. 212, II. Gebot der erforderlichen Infrastruktur.

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RL n.F. unterstellt alle Organisationspflichten einschließlich der Pflicht, über die erforderlichen Mittel und Verfahren zu verfügen, der Aufsicht des Herkunfts-staats. Der Aufsicht der zuständigen Behörde des Aufnahmestaats wird gemäß Art. 13 Abs. 9 WPD-RL n.F. in der Zukunft nur noch die Durchsetzung der Aufzeichnungspflichten einer Zweigniederlassung einer ausländischen Wertpa-pierfirma unterworfen, vorausgesetzt, dass die zuständige Behörde des Her-kunftslandes das Recht auf direkten Zugang zu den sich im Ausland befinden-den Aufzeichnungen behält. Ebenso wie bei den Verhaltensregeln legt die WPD-RL n.F. Wert auf die ein-heitliche Anwendung der Organisationspflichten in allen Mitgliedstaaten. Dar-über hinaus soll bei den organisatorischen Maßnahmen der dynamischen techni-schen Entwicklung auf den Finanzmärkten Rechnung getragen werden. Deswe-gen sieht Art. 13 Abs. 10 WPD-RL n.F. vor, dass die konkreten organisatori-schen Anforderungen an die in diesem Artikel enthaltenen Organisationspflich-ten der Wertpapierfirmen von der Kommission im Rahmen der Durchführungs-maßnahmen festzustellen sind. Art. 10 Abs. 1 S. 1 WPD-RL a.F. verpflichtete den Herkunftsstaat, die Auf-sichtsregeln zu erlassen, die die Wertpapierfirma fortwährend einzuhalten hat. Der deutsche Gesetzgeber ist dieser Pflicht nachgekommen, in dem er Art. 10 WPD-RL a.F. mit den §§ 33, 34 und 34a WpHG in das deutsche Recht umge-setzt hat. Diese Paragraphen enthalten die Organisationspflichten der Wertpa-pierdienstleistungsunternehmen, die sich auf die Mittel und Verfahren zur Durchführung der Dienstleistungen (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG), auf die Vermei-dung von Interessenkonflikten durch organisatorische Maßnahmen (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 WpHG), auf die internen Kontrollverfahren (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG), auf die Aufzeichnungspflichten (§ 34 WpHG) sowie auf die Pflicht des Vermö-gensverwalters zur getrennten Vermögensverwaltung (§ 34a WpHG) beziehen. Die Anwendung dieser Vorschriften wurde durch die BAFin in der Compliance-Richtlinie, in der Wohlverhaltensrichtlinie, in den Mitarbeiter-Leitsätzen sowie in den Mindestanforderungen weitgehend konkretisiert. Bei der folgenden Darstellung einzelner Organisationspflichten wird der Syste-matik der WPD-RL a.F. gefolgt. Es wird auf jede Pflicht im Einzelnen einge-gangen, soweit dies für die Analyse ihrer anlegerschützenden Funktion geboten ist. Um ein einheitliches Bild des Inhalts und der Wirkungsweise der Organisa-tionsregeln vor Augen zu haben, wird allerdings die Logik der WPD-RL a.F. in Bezug auf zwei Pflichten unterbrochen. Zum einen wird das Gebot der erforder-lichen Infrastruktur nach Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 3 WPD-RL a.F., obwohl es in der WPD-RL a.F. unter den Verhaltenspflichten aufgeführt wurde, unter den Organisationspflichten behandelt. Dafür spricht auch die Umsetzung dieses

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Gebots in das deutsche Recht unter den Organisationspflichten. Zum anderen wird die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten nach Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. zusammen mit der entsprechenden Pflicht nach Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 5 WPD-RL a.F. unter den Verhaltensregeln be-handelt.714 I. Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 1 WPD-RL a.F. schrieb vor, dass eine Wertpa-pierfirma über eine ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung verfügen muss. Die WPD-RL verlangte, dass die Wertpapierfirma ihren Kunden dadurch mehr an Sicherheit verschafft, dass sie Kontroll- und Sicherungsvorkehrungen in Bezug auf die elektronische Datenverarbeitung trifft. Dieser Regel kommt eine besondere Bedeutung zu, weil die Wertpapierfirmen die Daten ihrer Kunden sowie die transaktionsbezogenen Daten in elektronischer Form führen und auf-bewahren. Das Versagen der elektronischen Systeme, wie z.B. Datenverlust o-der Zugriff Dritter, könnte deshalb negative Auswirkungen auf die Kunden, den Markt und die Einhaltung der Aufsichtsregeln durch die Firma haben. Die neue Fassung der WPD-RL lässt das Gebot der ordnungsgemäßen Verwal-tung praktisch unverändert. Art. 13 Abs. 5(2) WPD-RL n.F. verwendet anstelle des Begriffs „Kontrollverfahren“ den Begriff „Kontrollmechanismen“ und an-stelle des Begriffs „Sicherheitsverfahren“ den der „Sicherheitsmechanismen“. Durch diese Änderung scheint die Richtlinie den Schwerpunkt der Regelung von der Regulierung der internen Abläufe/Verfahren auf deren Integration in die in-terne Struktur verlagert zu haben. Eine weitere Pflicht nach Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 1 WPD-RL a.F. betraf die Einführung von internen Kontrollverfahren. Diese Pflicht spielt bei der Vor-beugung und Aufdeckung von Insidertransaktionen sowie für die Vermeidung von Interessenkonflikten eine große Rolle. In Deutschland wurde diese Pflicht in § 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG umgesetzt. § 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG verpflichtet ein Wertpapierdienstleistungsunterneh-men, angemessene interne Kontrollverfahren einzuführen, die geeignet sind, Verstößen gegen Verpflichtungen nach dem WpHG entgegenzuwirken. Diese Pflicht wird durch die Geschäftsführung des Wertpapierdienstleistungsunter-nehmens wahrgenommen. Gemäß Ziff. 4.1 der Compliance-Richtlinie soll die Geschäftsleitung entweder selbst oder durch eine zu diesem Zweck einzurich-

714 Siehe S. 196, b) Vermeidung von Interessenkonflikten als Organisationspflicht.

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tende neutrale und unabhängige Stelle (Compliance-Stelle) die Einhaltung der Organisations- und Verhaltenspflichten durch das Unternehmen und seine Mit-arbeiter überwachen und den Verstößen gegen diese Pflichten entgegenwirken. Die Compliance-Stelle stellt einen Mechanismus dar, der für den Anlegerschutz von hervorzuhebender Bedeutung ist.715 Die Compliance-Stelle führt die struktu-rellen Maßnahmen sowie geschäftsmäßigen Verfahren ein, die für die Einhal-tung der hier dargestellten Verhaltens- und den Organisationsregeln erforderlich sind, und überwacht deren Einhaltung durch die Angestellten des Wertpapier-dienstleistungsunternehmens. Um deren Einhaltung sicherzustellen, sorgt die Compliance-Stelle dafür, dass die Mitarbeiter des Wertpapierdienstleistungsun-ternehmens entsprechend informiert und geschult sind und dass sie ihren Aufga-ben auf eine solche Weise nachkommen können, dass die Interessenkonflikte minimiert werden, die Ausführung der Kundenaufträge unter Wahrung ihrer bestmöglichen Interessen erfolgt und den Anlegern die auf ihre persönlichen Verhältnisse zugeschnittenen, für die Anlageentscheidung wesentlichen Infor-mationen ordnungsgemäß mitgeteilt werden.716 Die Compliance-Stelle unterliegt einer zweistufigen Kontrolle und wird sowohl durch die interne Revision als auch durch die BAFin im Rahmen der jährlichen Prüfung gemäß § 36 WpHG überwacht.717 Zur internen Kontrolle gehört in erster Linie eine Regelung für persönliche Transaktionen der Angestellten.718 Die BAFin hat in diesem Zusammenhang Mitarbeiter-Leitsätze erlassen, in denen sie Leitlinien für die Anforderungen an Mitarbeitergeschäfte festgelegt hat. Diese Anforderungen sind gemäß Abschnitt A. I. 1. der Mitarbeiter-Leitsätze dem Zweck der Sicherung der Solvenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und des Schutzes der Anleger unter-stellt worden.719 Dies soll dadurch gewährleistet werden, dass die Kontrollabtei-lungen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen laufend durch angemessene Überwachung Anreize für die Einhaltung der Verhaltensregeln schaffen.720 Die Definition eines Mitarbeitergeschäfts knüpft an den potentiellen Risikoge-halt eines Geschäfts an: Diejenigen, die keine erheblichen Marktverzerrungen

715 Vgl. Birnbaum in Festschrift für Kümpel; Brandt, S. 240 f.; Kümpel in Bank- und Ka-

pitalmarktrecht, Rdnr. 16.520 ff. 716 Vgl. Brandt, S. 241 ff.; Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 69 ff;

Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.565 f. und 16.542 ff. 717 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 59. 718 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 31 ff. 719 Vgl. Klanten, ZBB 2000, 349, 351. 720 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 32.

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oder Solvenzrisiken für das Institut hervorrufen können, sind durch diese Defini-tion nicht erfasst.721 Die Mitarbeiter-Leitsätze betreffen alle Mitarteiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sowie die Geschäftsinhaber eines ein-zelkaufmännisch betriebenen Instituts (Abschnitt A. III.). Die in Abschnitt B. I. der Mitarbeiter-Leitsätze enthaltenen Regeln zielen auf die Vermeidung von In-teressenkonflikten ab und räumen bei Interessenkollisionen den Interessen des Kunden oder des Instituts Vorrang vor den Interessen der Mitarbeiter ein (Ab-schnitt B. I. 1.). Die Mitarbeiter-Leitsätze verbieten den Mitarbeitern, Geschäfte gegen den vom Mitarbeiter selbst disponierbaren Bestand des Instituts oder ge-gen die von ihm auszuführenden Kundenaufträge zu tätigen (Vor-, Mit- oder Gegenlaufen, Abschnitt B. I. 3.), direkt beim Händler Orders zu erteilen (Ab-schnitt B. I. 4.) sowie sich an Geschäften Dritter, vor allem von Kunden des In-stituts, zu beteiligen (Abschnitt B. I. 7.). Letztlich verpflichten sie die Mitarbei-ter auf Verlangen des Instituts unter bestimmten Voraussetzungen zur vollstän-digen Erteilung von Auskünften über Konto- und Depotverbindungen (Abschnitt B. I. 8.b). Bei Wertpapieremissionen dürfen die Mitarbeiter bei der Zuteilung nicht günstiger als Kunden des Instituts gestellt werden (Abschnitt B. I. 5.). Die Aufträge der Mitarbeiter sollen uhrzeitgerecht erfasst und auf neutralem Wege zu den am Marktpreis orientierten Bedingungen ausgeführt werden (Abschnitt B. I. 4. und I. 6.). Zur Erleichterung der Kontrolle sollen die Konten und Depots der Mitarbeiter, soweit möglich, bei dem arbeitgebenden Institut oder dessen Konzerngesellschaften geführt werden (Abschnitt B. I. 8.a). Die Mitarbeiterleitsätze enthalten weitgehendere Pflichten für Mitarbeiter mit besonderer Funktion (Abschnitt B. II.), die Transparenz ihrer Geschäfte sicher-zustellen und ihre Überwachung durch die Bank zu ermöglichen.722 Diese Mit-arbeiter bedürfen einer Zustimmung der Geschäftsleitung oder der von ihr ge-nannten Stelle, um ein Konto oder Depot bei einem Drittinstitut zu eröffnen oder um Vollmachten Dritter zu erhalten. Das arbeitgebende Institut muss Vorkeh-rungen treffen, die es ihm ermöglichen, einen Überblick über die Geschäfte der Mitarbeiter mit besonderen Funktionen zu erhalten, was u.a. die Übersendung von Zweitschriften oder von Anzeigen mit einer Vollständigkeitserklärung so-wie die stichprobenartige Kontrolle der Vollständigkeit solcher Informationen erfasst (vgl. auch Abschnitt C. I.). Die praktische Umsetzung dieser Pflichten kann auf dem Wege ihrer Aufnahme in den Arbeitsvertrag mit den Mitarbeitern mit besonderen Funktionen erfolgen.723 Die Institute haben ihren Pflichten im Hinblick auf die Mitarbeitergeschäfte auf eine solche Weise nachzukommen, die

721 Vgl. Klanten, ZBB 2000, 349, 351. 722 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 75. 723 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 38.

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es der BAFin ermöglicht, im Rahmen der Prüfung nach § 36 WpHG die Einhal-tung dieser Pflichten nachzuvollziehen (Abschnitt C II.). Diese detaillierte Regelung des Verhaltens der Mitarbeiter und die organisatori-schen Maßnahmen, die der Einhaltung dieser Regelung dienen, stellen sicher, dass die Interessen der Anleger gewahrt werden und in Konfliktfällen Vorrang genießen. Zwar ist die Konkretisierung der Regelung zu persönlichen Geschäften der Mit-arbeiter Angelegenheit der Wertpapierfirma, jedoch ist gemäß Art. 13 Abs. 2 der WPD-RL n.F. ihre Einhaltung durch die Einführung der angemessenen internen Strategien und Verfahren durch die Wertpapierfirma bzw. im Rahmen des Ge-bots der erforderlichen Infrastruktur sichergestellt.724 Eine weitere in Art. 13 Abs. 5 (2) WPD-RL n.F. enthaltene Neuerung betrifft die Verpflichtung der Wertpapierfirmen, effiziente Verfahren zur Risikobewertung einzuführen. Diese Verpflichtung geht über die internen Bedürfnisse der Wertpapierfirma zur Be-wertung des Risikos seiner eigenen Anlageentscheidungen hinaus und steht im Zusammenhang mit den in Art. 19 WPD-RL n.F. enthaltenen Anforderungen, dem Kunden Informationen über die Risiken der angebotenen Wertpapierdienst-leistungen, Finanzinstrumente und vorgeschlagenen Anlagestrategien (Abs. 3) zukommen zu lassen. Insoweit spielen die Risikobewertungsverfahren sowohl für die Information als auch für die Beratung der Kunden eine wichtige Rolle und sollen zum Anlegerschutz dadurch beitragen, dass die Wertpapierfirma dem Kunden eine informierte Anlageentscheidung auf Grund aktueller Informationen über die Risiken der Anlage, einschließlich eigener Bewertung dieser Risiken, ermöglichen kann. Das Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung trägt dazu bei, dass die Mecha-nismen und Verfahren, die die Solvenz des Wertpapierdienstleistungsunterneh-mens und seine Fähigkeit, die Wertpapierdienstleistungen und Wertpapierne-bendienstleistungen ordnungsgemäß unter Wahrung der bestmöglichen Interes-sen des Kunden zu erbringen, gewährleisten, in seine Struktur und internen Ab-läufe integriert und in diesen umgesetzt sind. Eine solche Sicherstellung dient indirekt dem Schutz der Anleger und fördert sowohl deren Vertrauen als auch die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte.

724 Siehe S. 212, II. Gebot der erforderlichen Infrastruktur.

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II. Gebot der erforderlichen Infrastruktur Gemäß Art. 11 Abs. 1 S. 4 Spiegelstr. 3 WPD-RL a.F. obliegt es den Wertpa-pierfirmen, über die für einen erfolgreichen Abschluss ihrer Tätigkeit erforderli-chen Mittel und Verfahren zu verfügen und diese wirksam einzusetzen. Dieses Gebot bedeutet, dass Wertpapierfirmen ihre Organisation danach auszurichten haben, welche Dienstleistungen sie erbringen und welche Mechanismen für die Erbringung dieser Dienstleistungen erforderlich sind.725 Offensichtlich handelt es sich bei diesem Gebot um eine Organisationspflicht. Allerdings befand sie sich im Gegensatz zu den restlichen Organisationspflich-ten gemäß der alten Fassung der WPD-RL im Zuständigkeitsbereich des Auf-nahmestaats. Elster wies darauf hin, dass diese Ausnahmeregel in der Praxis zu Kollisionen mit den vom Herkunftsstaat erlassenen Aufsichtsregeln führen kann.726 Die WPD-RL n.F. ordnet die Pflicht der Wertpapierfirma, über die erforderliche Infrastruktur zu verfügen, den Organisationspflichten zu und beseitigt damit den Widerspruch zwischen dem Inhalt dieser Pflicht und ihrer bisherigen Stellung im System der Verhaltens- und Organisationspflichten sowie die Schwierigkei-ten der Abgrenzung von Kompetenzbereichen des Aufnahme- und Herkunfts-staats. Der Inhalt dieser Pflicht wird in der neuen Fassung der WPD-RL wesent-lich erweitert und konkretisiert. Art. 13 Abs. 2 WPD-RL n.F. verpflichtet eine Wertpapierfirma, angemessene Strategien und Verfahren vorzusehen, die aus-reichen, um sicherzustellen, dass die Firma, ihre Geschäftsleitung, ihre Beschäf-tigten und vertraglich verbundenen Vermittler den Verpflichtungen aus der WPD-RL n.F. sowie den einschlägigen Vorschriften für persönliche Geschäf-te727 nachkommen. Damit sind in erster Linie die Verpflichtungen der Wertpa-pierfirma, die sich aus den Wohlverhaltens- und Organisationsregeln sowie der Ausführung der Kundenaufträge ergeben, gemeint. Sie sind zweifach und ent-sprechen der Zielsetzung der Richtlinie: Gewährleistung des Anlegerschutzes und der Marktintegrität. Die in Art. 13 Abs. 2 WPD-RL n.F. angesprochenen Strategien und Verfahren sollen es der Wertpapierfirma u.a. ermöglichen, ge-genüber der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass sie im Sinne ihrer Ver-pflichtungen vorgegangen ist. Darüber hinaus sollen gemäß Art. 13 Abs. 4 WPD-RL n.F. angemessene Vor-kehrungen, einschließlich geeigneter und verhältnismäßiger Systeme, Ressour-

725 Vgl. Elster, S. 277. 726 Vgl. Elster, S. 276 f. 727 Siehe S. 208, I. Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung.

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cen und Verfahren getroffen werden, die die Kontinuität und Regelmäßigkeit bei der Erbringung der Dienstleistungen und hinsichtlich der Anlagestrategien ge-währleisten. Einerseits sind diese Änderungen für den Anlegerschutz insofern von Bedeu-tung, als sie die organisatorischen Grundlagen für die Erfüllung der Verhaltens-pflichten durch die Wertpapierfirma festlegen und Maßnahmen zur Minimierung der operationellen Risiken einführen, die dem Anleger Sicherheit über das Funk-tionieren der Wertpapierfirma verschaffen. Andererseits schaffen sie für die Wertpapierfirma ein Mehr an Sicherheit, weil sie (auch wenn nur allgemein) Kriterien festlegen, die es ihr ermöglichen, die Einhaltung ihrer Verpflichtungen nachzuweisen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Pflicht der Wertpapierdienstleistungsunter-nehmen, die Mittel und Verfahren vorzuhalten und wirksam einzusetzen, die für eine ordnungsgemäße Durchführung der Wertpapierdienstleistungen und Wert-papiernebendienstleistungen notwendig sind, schon bei der Umsetzung der WPD-RL a.F. in das deutsche Recht den Organisationspflichten zugeordnet und in § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG umgesetzt.728 Die BAFin hat in diesem Zusammen-hang von ihrer Kompetenz nach § 35 Abs. 6 WpHG Gebrauch gemacht und die Anforderungen an die vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorzuhalten-den Mittel und Verfahren in der Compliance-Richtlinie im Detail ausgeführt. Zu diesen Mitteln zählen sowohl persönliche als auch sachliche Mittel, wie z.B. ausreichendes Eigenkapital, Zugang zu den Informationsquellen, Organisation der Vertraulichkeitsbereiche und Organisation des bereichsüberschreitenden In-formationsflusses.729 Die Verfahren erfassen u.a. die Aufbau- und Ablauforgani-sation, die Kapitalausstattung und das Risikomanagement. Eine weitere Konkre-tisierung haben diese Anforderungen in den Mindestanforderungen der BAFin sowie später in den Erläuterungen und in den ergänzenden Hinweisen erfahren. Die anlegerschützende Funktion dieser Mittel und Verfahren liegt darin, dass sie alle internen Abläufe, von denen die richtige Ordnung des Geschäftsbetriebs und seine Solvenz abhängt, erfassen und es den Wertpapierdienstleistungsunterneh-men ermöglichen, ihren Verhaltenspflichten nach §§ 31, 32 WpHG nachzu-kommen. So hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den internen Infor-mationsfluss auf eine solche Weise zu organisieren, dass es seinen Kunden die erforderlichen Informationen gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG rechtzeitig mittei-

728 Vgl. Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.495. 729 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 52 f.; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 33 Rz. 3; Kümpel in Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 16.495.

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len kann.730 Die organisatorische Struktur des Unternehmens soll auch zur Vor-beugung von Interessenkonflikten beitragen.731 Ein Wertpapierdienstleistungs-unternehmen ist weiter verpflichtet, sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter im Einklang mit den Verhaltensregeln verfahren und über die erforderlichen Sach-kenntnisse verfügen. Dazu sind regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter vorzu-nehmen.732 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen soll auch Sicherungs-vorkehrungen im Hinblick auf die elektronische Datenverarbeitung sowie den Schutz seines Vermögens und des Vermögens seiner Kunden treffen.733 Wie daraus ersichtlich ist, sind durch diese Pflicht zum Teil Elemente des Gebots der ordnungsgemäßen Verwaltung nach Art. 13 Abs. 5 (2) WPD-RL n.F. (Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 1 WPD-RL a.F.) erfasst.734 III. Aufzeichnungspflicht Eine weitere Organisationspflicht war in Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 4 WPD-RL a.F. enthalten. Hier geht es um die Aufzeichnungen über die ausgeführten Transaktionen. Der Inhalt/Umfang solcher Aufzeichnungen sowie deren Aufbe-wahrungszeit bestimmen sich danach, was erforderlich ist, um den zuständigen Behörden die Kontrolle der Einhaltung der Aufsichtsregeln durch die Wertpa-pierfirmen zu ermöglichen.735 Der deutsche Gesetzgeber hat diese Pflicht in § 34 WpHG umgesetzt. Zwar stellt diese Pflicht einen wichtigen Baustein im System der aufsichtsrechtlichen Kontrolle und Durchsetzung der Verhaltens- und Organisationspflichten dar, doch trägt sie weder mittelbar noch unmittelbar zum Anlegerschutz bei. Art. 13 Abs. 6 WPD-RL n.F. erweitert die Aufzeichnungspflicht und erstreckt sie auf sämtliche Verpflichtungen der Wertpapierfirma, zu denen u.a. Verhal-tenspflichten des Artikels 19 WPD-RL n.F. gehören. Die Einhaltung dieser Pflicht, ausgenommen durch die ausländischen Zweigniederlassungen (Art. 13 Abs. 9 WPD-RL n.F.), ist der Kontrolle der Aufsichtsbehörde des Herkunfts-staats unterstellt. Die WPD-RL n.F. enthält keine Regelung zur Aufbewahrungs-

730 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 54. 731 Vgl. Kümpel in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 220. 732 Vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rdnr. 78; Koller in Ass-

mann/Schneider, § 33 Rz. 5. 733 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 33 Rz. 7 ff. 734 Vgl. auf S. 208, I. Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung. 735 Vgl. Kümpel in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rdnr. 215 f.

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zeit der Aufzeichnungen. Eine solche könnte allerdings noch im Laufe der Durchführungsmaßnahmen eingeführt werden. IV. Schutz der Eigentumsrechte der Anleger Art. 10 Abs. 1 S. 2 Spiegelstr. 2 und 3 WPD-RL a.F. verlangten geeignete Vor-kehrungen zum Schutz der Eigentums- und Forderungsrechte an den den Anle-gern gehörenden Wertpapieren und Geldern. Solche Vorkehrungen sollen ver-hindern, dass eine Wertpapierfirma die Wertpapiere und Gelder ihrer Kunden für eigene Rechnung verwendet und gewährleisten, dass die Gläubiger der Wertpapierfirma im Falle ihrer Insolvenz auf die Wertpapiere und Gelder der Kunden keinen Zugriff nehmen können. Eine der üblichen organisatorischen Maßnahmen, die diesem Zweck dienen soll, ist die getrennte Verwaltung der Wertpapiere und Gelder, die der Firma und dem Kunden gehören. Während die Verwendung der Wertpapiere des Kunden für eigene Rechnung der Wertpapier-firma unter ausdrücklicher Zustimmung des Kunden möglich ist, gilt dieser Vorbehalt für die Gelder der Kunden nicht. Indem die WPD-RL a.F. eine Aus-nahme von dieser Regel für Kreditinstitute schaffte und ihnen erlaubte, die Kun-dengelder für eigene Rechnung zu verwenden, trug sie dem Universalbanken-system Rechnung. Die Umsetzung dieser Vorschriften in das deutsche Recht erfolgte im Rahmen des § 34a WpHG. Allerdings ist die Vollständigkeit dieser Umsetzung sowie des dadurch erreichten Anlegerschutzes zweifelhaft.736 Die vorgenannten Bestimmungen werden in Art. 13 Abs. 7 und 8 WPD-RL n.F. mit einigen terminologischen Änderungen beibehalten. Es besteht die Möglich-keit, dass die vollständige Umsetzung dieser Bestimmungen in das deutsche Recht bei der Umsetzung der neuen Fassung der WPD-RL nachgeholt wird. Der Schutz der Eigentumsrechte der Anleger spielt für ihre Bereitschaft, am Ka-pitalmarkt zu investieren, und für ihr Vertrauen in das ordnungsgemäße Funkti-onieren der Institutionen des Kapitalmarkts eine bedeutende Rolle.

736 Koller in Assmann/Schneider, § 34 a Rz. 1

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V. Vermeidung von unnötigen zusätzlichen Geschäftsrisiken bei der Ausla-gerung In der WPD-RL a.F. ist die Frage der Auslagerung/Outsourcing unangesprochen geblieben. Allerdings gewinnt diese Problematik zunehmend an Bedeutung, weil Wertpapierdienstleistungsunternehmen zunehmend vom Outsourcing Gebrauch machen und gewisse Bereiche an andere Unternehmen oder sogar ins Ausland auslagern. Der deutsche Gesetzgeber hat dieser Problematik in § 33 Abs. 2 WpHG dennoch Rechnung getragen und die Voraussetzungen der Auslagerung festgelegt. Grundsätzlich darf ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen die für die Durch-führung der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen wesentlichen Bereiche auslagern. Dabei trägt das Wertpapierdienstleistungsun-ternehmen dafür Sorge, dass durch die Auslagerung weder die Ordnungsmäßig-keit der Durchführung der Dienstleistungen noch die Wahrnehmung der Organi-sationspflichten noch die Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten der BAFin beeinträchtigt werden. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist verpflich-tet, die ausgelagerten Bereiche in seine internen Kontrollverfahren einzubezie-hen. Es muss auch die Weisungsbefugnisse an das Auslagerungsunternehmen vertraglich absichern. Diese Maßnahmen dienen dazu, dass das Wertpapier-dienstleistungsunternehmen den Einfluss über die ausgelagerten Bereiche behält sowie die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der gesamten Dienstleistungen tragen kann. Insofern als die im § 33 Abs. 2 WpHG enthalte-nen Voraussetzungen der Auslagerung sicherstellen, dass die Auslagerung die Einhaltung der Verhaltens- und Organisationspflichten durch das Wertpapier-dienstleistungsunternehmen sowie ihre Kontrolle und Durchsetzung durch die BAFin nicht beeinträchtigt, dienen sie unmittelbar dem Schutz der Anleger. Art. 13 Abs. 5 (1) WPD-RL n.F. trägt den aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet des Managements der Wertpapierfirmen Rechnung und regelt Outsour-cing bzw. Auslagerung. Zwar ist die Auslagerung grundsätzlich gestattet, jedoch ist dabei darauf zu achten, dass die Qualität der internen und externen Kontrolle (durch die beaufsichtigende Stelle) nicht beeinträchtigt wird. Dies entspricht grundsätzlich dem aktuellen deutschen Regelungsstand. Art. 13 Abs. 5 (1) WPD-RL n.F. führt eine neue Pflicht ein, gemäß der die Wertpapierfirma sicherstellen soll, dass beim Outsourcing unnötige zusätzliche Geschäftsrisiken vermieden werden. Zu diesem Zweck sind angemessene Vor-kehrungen zu treffen. Damit sind die Vorkehrungen gemeint, die für die Wert-papierfirma keinen unverhältnismäßigen Aufwand im Verhältnis zu den dadurch gewonnenen Vorteilen für ihre Kunden darstellen. Dabei versucht die neue Fas-

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sung der WPD-RL, das Gleichgewicht zwischen den Interessen der Anleger und der Wertpapierfirma beizubehalten. Diese Regelung beschränkt sich auf die be-trieblichen Aufgaben, die für die Erbringung kontinuierlicher und zufrieden stel-lender Dienstleistungen für den Kunden und die Anlagetätigkeit ausschlagge-bend sind. Welche Dienstleistungen, wenn es solche überhaupt geben könnte, dadurch nicht erfasst sind, sowie welche Maßnahmen als vernünftig anzusehen sind, ist im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen nach Art. 13 Abs. 10 WPD-RL n.F. zu klären. § 3 Schlussfolgerungen In diesem Kapitel wurden der Inhalt und Umfang der Verhaltens- und Organisa-tionsregeln, die auf Marktintermediäre Anwendung finden, nach dem europäi-schen und deutschen (sowohl öffentlichen als auch privaten) Recht dargestellt. Es wurde im Laufe der Darstellung gezeigt, dass die Verhaltensregeln unmittel-bar den Zweck des Anlegerschutzes verfolgen, indem sie an das Verhalten der Marktintermediäre Anforderungen stellen, die gezielt die Gefahren und Risiken, denen die Anleger ausgesetzt sind, abwägen oder minimieren. Die Organisati-onsregeln dienen zwar demselben Zweck, erreichen ihn allerdings unmittelbar. Sie betreffen die interne Organisation und Verfahren der Marktintermediäre und setzen auf die Gewährleistung ihres ordnungsgemäßen Funktionierens, das den Marktintermediären erlaubt, ihren Verhaltenspflichten nachzukommen, und das das Vertrauen der Anleger in die Solvenz und Stabilität der institutionellen Teil-nehmern des Kapitalmarkts stärkt. Die Verhaltensregeln wirken den konkreten Gefahren und Risiken entgegen, de-nen die Anleger als informationell und wirtschaftlich unterlegene Teilnehmer am Kapitalmarkt ausgesetzt sind. Die Reichweite dieser Regeln ist sehr breit und erfasst alle Handlungen des Marktintermediäres. Sie erlegen den Marktinterme-diären die Pflicht auf, generell bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im bestmögli-chen Interesse ihrer Kunden zu handeln und sorgen dafür, dass den Kundeninte-ressen Priorität vor denen des Marktintermediäres eingeräumt wird. In diesem Sinne werden auch die Interessenkonflikte behandelt. Auch bei unvermeidbaren Interessenkonflikten sollen bei der Auftragsausführung die Kundeninteressen möglichst weitgehend berücksichtigt werden. Die Informationslücken, die einer risikobewussten Entscheidung des Anlegers im Wege stehen, werden dadurch beseitigt, dass der Marktintermediär der Informationspflicht unterworfen wird. Dabei wird weder die Entscheidungsfreiheit des Anlegers beeinträchtigt noch das Risiko der Anlage auf den Marktintermediär abgewälzt. Damit er den Ver-haltenspflichten ordnungsgemäß nachkommen kann, muss der Marktintermediär

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seinen Kunden kennen und sich an den individuellen Umständen jedes einzelnen Kunden orientieren. Dieses Ziel wird durch die Erkundigungspflicht erreicht. Den Verhaltenspflichten werden Grenzen gesetzt, so dass sie für die Marktin-termediäre nicht mit einem unverhältnismäßigen Aufwand sowie wirtschaftli-chen Nachteilen, die eine Gefahr für die Solvenz des Marktintermediäres und Stabilität des Kapitalmarkts darstellen, verbunden werden dürfen. Ein weiterer Vorteil dieser doppelten Struktur der Verhaltensregeln besteht dar-in, dass die Marktintermediäre, die nicht Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des WpHG sind und deswegen nicht den öffentlich-rechtlichen Verhal-tenspflichten unterliegen, durch deren privatrechtliche „counterparts“ aufgefan-gen werden. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Verhaltenspflichten we-sentlich ergänzt und die Basis für den Schutz der Anleger entscheidend erwei-tert. Die Verhaltensregeln stützen sich auf die Organisationsregeln. Letztere finden allerdings nur auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.v. WpHG Anwen-dung, so dass ein Teil der auf dem Kapitalmarkt tätigen Marktintermediäre durch die Organisationspflichten nicht erfasst ist. Die Organisationsregeln zielen darauf ab, dass das Wertpapierdienstleistungsun-ternehmen über eine interne Struktur und interne Verfahren verfügt, die es ihm ermöglichen, u.a. seinen Verhaltenspflichten nachzukommen und die Stabilität seines Funktionierens und seine Solvenz sicherzustellen. So wird durch das Ge-bot der erforderlichen Infrastruktur gewährleistet, dass der Marktintermediär ü-ber die für den erfolgreichen Abschluss seiner Tätigkeit erforderlichen Mittel und Verfahren verfügt. Diese Tätigkeit schließt die Einhaltung der Verhaltens-regeln ein. Der Durchsetzung und der Kontrolle der Einhaltung von Organisati-ons- und Verhaltenspflichten dient das Gebot der ordnungsgemäßen Verwal-tung. Auf diese Weise tragen die Organisationspflichten unmittelbar zum Anle-gerschutz bei. Die Organisationspflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten stellt auf die Einführung von internen Strukturen und Verfahren ab, die die Interessenkonflik-te minimieren und dient insofern direkt dem Zwecke des Anlegerschutzes.

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4. Kapitel: Inhalt und Umfang der Verhaltens- und Organisationsregeln nach russischem Recht Die im russischen Recht enthaltenen Verhaltens- und Organisationsregeln, de-nen die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts unterliegen, entspre-chen inhaltlich grundsätzlich den im europäischen bzw. deutschen Recht be-gründeten Verhaltens- und Organisationspflichten der Marktintermediäre. Nach russischem Recht können die Verhaltenspflichten der Marktintermediäre nach ihrem Regulierungszweck, wie im deutschen Recht auch, in allgemeine und besondere Pflichten unterteilt werden. Zu den allgemeinen Verhaltens-pflichten zählt die Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, die von ihrer Ziel-richtung und vom Inhalt her mit der europäischen bzw. deutschen Interessen-wahrungspflicht vergleichbar ist, die Erkundigungspflicht, die Informations-pflicht sowie die Pflicht zum Schadensersatz bei Interessenkonflikten. Bei be-sonderen Verhaltenspflichten handelt es sich, ähnlich wie im deutschen Recht, um Verbotsnormen. Allerdings kann inhaltlich zwischen den deutschen und den russischen besonderen Verhaltenspflichten keine Ähnlichkeit festgestellt wer-den. So untersagt das russische Recht den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts, Geschäfte mit Wertpapieren vor deren Registrierung oder bei mangelhafter Offenlegung der Informationen über diese Wertpapiere sowie, falls dem Geschäftspartner die Erlaubnis des professionellen Teilnehmers fehlt oder das Wertpapier auf dem Wertpapiermarkt angeboten wird, ohne den Krite-rien eines Emissionswertpapiers zu entsprechen, abzuschließen. Die Organisationsregeln sind hauptsächlich in den durch die FWpMK erlasse-nen Normativakten enthalten.737 Die Organisationsregeln beziehen sich auf die Sicherstellung der ausreichenden Kapitalisierung des professionellen Teilneh-mers des Wertpapiermarkts, auf die getrennte Verwaltung der Kundengelder und -wertpapiere von denen des Brokers (es sei denn, dass der Broker ein Kreditin-stitut ist), auf die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Führungs-kräfte und Mitarbeiter der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts sowie auf die Errichtung einer internen Überwachungsstelle, Durchführung der internen Kontrolle u.a., der Einhaltung der Verhaltenspflichten sowie der Be-richterstattung. Allerdings spielen die Organisationsregeln nach russischem Recht nicht so eine wichtige Rolle wie im deutschen Recht. Erstens sind sie

737 Art. 3 WpMG legt die Anforderungen an die getrennte Verwaltung der Kundengelder

und -wertpapiere durch Broker fest. Ansonsten beauftragt der Gesetzgeber die FWpMK mit der Entwicklung und Durchsetzung der Organisationspflichten und er-teilt der FWpMK in Art. 42 und 44 WpMG die entsprechenden Befugnisse. Vgl. S. 126, 1. Föderale Wertpapiermarktkommission.

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grundsätzlich nicht im Gesetz, sondern lediglich in den untergeordneten Norma-tivakten der FWpMK enthalten. Zweitens sind sie nicht so weitgehend entwi-ckelt wie es im europäischen oder deutschem Recht der Fall ist. Sie werden nur zum Teil als eine organisatorische Grundlage für die Einhaltung der Verhaltens-pflichten betrachtet und werden daher in dieser Dissertation nicht separat, son-dern nur im Zusammenhang mit denjenigen Verhaltenspflichten ausgeführt, de-ren Einhaltung sie sicherstellen sollen. In diesem Kapitel werden der Inhalt und der Umfang der Verhaltens- und Orga-nisationsregeln, denen die Marktintermediäre nach dem russischen Recht unter-liegen, untersucht und deren Effizienz beim Schutz der auf dem russischen Wertpapiermarkt tätigen Anleger sowie bei der Sicherstellung eines funktions-fähigen Wertpapiermarkts bewertet. Da nach dem russischen Recht die Grenzen zwischen den öffentlich- und privatrechtlichen Verhaltensregeln fließend sind (ausführlich zur doppelten Natur der gesetzlichen Verhaltensregeln siehe auf S. 103, 1. Verhaltensregeln des WpMG, des ASchG und Normativakte der FWpMK), wird im Laufe der Darstellung auf die systematische Einordnung ein-zelner Verpflichtungen nur dann hingewiesen, wenn es für das Verständnis ihrer anlegerschützenden Funktion von Bedeutung ist. § 1 Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln Die Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissenhaftigkeit (dobrosovestno) zu handeln, betrifft grundsätzlich alle Handlungen der Marktintermediäre bzw. die Erfüllung aller ihnen sowohl in der Gesetzgebung als auch in den internen Re-geln der Selbstregulierungseinrichtungen und in einzelnen Verträgen mit Anle-gern auferlegten Verpflichtungen und kann deswegen als Generalnorm betrach-tet werden. I. Kundeninteresse als Regelungsziel der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln Die Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, ist in der Rechtssetzung zum Wertpapiermarkt – zu der in erster Linie das WpMG gehört – ausschließlich in Bezug auf Broker ausgeführt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Vermö-gensverwalter schon auf der Grundlage des ZGB der Pflicht, im Interesse des Treugebers zu handeln, unterstellt sind.738

738 Der Definition des Vermögensverwaltungsvertrages (siehe Art. 1012 Nr. 1 Abs. 1

ZGB) ist die Pflicht des Vermögensverwalters zu entnehmen, die ihm überreichten

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Das Handeln im Interesse des Kunden bzw. des Anlegers stellt das Regulie-rungsziel der Pflicht der Broker, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, dar. So führt die FWpMK in Ziff. 3.1. Spiegelstr. 2 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit aus, dass es dem Broker bei Erfüllung seiner ver-traglichen Verpflichtungen obliegt, „mit Gewissenhaftigkeit und ausschließlich im Interesse des Kunden zu handeln“. Solche vertraglichen Verpflichtungen ent-springen gemäß Ziff. 2.1. Spiegelstr. 1 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit sowohl den Wertpapierkauf-/Wertpapierverkaufsverträgen als auch anderen Verträgen, die mit der Ausübung der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt eng verbunden sind und erfassen daher alle vom Bro-ker erbrachten Dienstleistungen.739 Auf diese Weise stellt die FWpMK sicher, dass die Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln und die Interessen des Kun-den zu wahren, auch auf die Beratungsdienstleistungen des Brokers Anwendung findet, obwohl die Beratungstätigkeit als solche nicht innerhalb des Anwen-dungsbereichs des WpMG liegt. Der Gesetzgeber ist offensichtlich davon ausgegangen, dass sowohl die Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, als auch die Pflicht des Vermögensverwal-ters, im Interesse des Treugebers zu handeln, das Handeln im Interesse des An-legers bezwecken, und hat sie aus diesem Grund als so ähnlich eingeschätzt, dass er die Auferlegung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, auf Vermögensverwalter in der Rechtssetzung zum Wertpapiermarkt für überflüssig gehalten hat. Obwohl diese beiden Pflichten unterschiedliche rechtliche Quellen haben, sind sie berufen, den Anleger zu schützen, indem sie die Marktintermedi-äre zur Wahrung der Kundeninteressen verpflichten. Insofern sind diese Pflich-ten mit der Interessenwahrungspflicht, die dem europäischen und deutschen Recht bekannt ist, vergleichbar.740 Ebenso wie im deutschen Recht stellt das russische Recht sicher, dass der Bro-ker Gefahren für die Kundeninteressen, die er noch vor dem Kunden erkannt

Vermögensgegenstände im Interesse des Treugebers oder des von ihm genannten Drit-ten zu verwalten. Auch gemäß Art. 1012 Nr. 2 Abs. 1 ZGB ist der Vermögensverwal-ter verpflichtet, sich bei allen von ihm unternommenen, sowohl juristischen als auch sachlichen Handlungen nach den Interessen des Treugebers zu richten. Vitrjanskij, Hozjajstvo i Pravo Nr. 10 (2001), S. 31 und 35, weist darauf hin, dass das Vertrauen, das zwischen einem Vermögensverwalter und dem Treuegeber entsteht, faktischer Na-tur ist und keine juristische Bedeutung hat. Trotzdem obliegt es dem Vermögensver-walter, grundsätzlich Interessen des Treugebers zu wahren. Vgl. Meteleva, Pravo i ė-konomika Nr. 9 (1998), S. 23.

739 Zu den Vertragsarten, die zwischen einem Broker und einem Anleger abgeschlossen werden können, siehe S. 110, b) ZGB und Verträge als Quellen der privatrechtlichen Verhaltensregeln.

740 Siehe S. 149, I. Interessenwahrungspflicht.

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hat, abwendet. Zu diesem Zweck lässt das Zivilrecht Ausnahmen von der Pflicht des Brokers, gemäß den Weisungen des Anlegers zu handeln, zu. Sowohl der Vertreter (Art. 973 Nr. 2 S. 1 ZGB) als auch der Kommissionär (Art. 995 Nr. 1 Abs. 1 ZGB) dürfen von den Weisungen des Kunden abweichen, wenn dies im Interesse des Kunden erforderlich ist.741 Die Erforderlichkeit wird auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls bestimmt. Das Recht des Brokers, von den Wei-sungen des Kunden abzuweichen, gibt ihm die Möglichkeit, seiner Pflicht, den Auftrag des Anlegers zu den bestmöglichen Bedingungen zu erfüllen, nachzu-kommen, da der Broker kraft seiner informationellen Überlegenheit sowie infol-ge des unmittelbaren Marktzugangs in der Lage ist, die Änderungen der Markt-situation als erster zu erkennen und ihnen im Interesse des Anlegers bei der Auf-tragsausführung Rechnung zu tragen. Dies ist für den Anlegerschutz von heraus-ragender Bedeutung. II. Inhalt der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln Die Pflicht der Broker, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, ist in erster Linie bei der Ausführung der Kundenorders maßgeblich. Genau wie im europäischen bzw. deutschen Recht sieht der Gesetzgeber bei der Ausführung der Kundenauf-träge die Gefahr, dass der Broker seine Stellung als professioneller Teilnehmer des Wertpapiermarkts sowie seine informationelle und professionelle Überle-genheit ausnutzen kann und versucht dieser Gefahr dadurch vorzubeugen, dass er den Broker bei der Ausführung der Kundenaufträge der Gewissenhaftigkeits-pflicht unterstellt (Art. 3 Nr. 2 Abs. 1 WpMG).742 Das bedeutet, dass der Broker für die Ausführung der Kundenaufträge zu den bestmöglichen Bedingungen Sorge zu tragen hat (Ziff. 3.1. Spiegelstr. 3 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit).743 Die NAUFOR-Regeln legen Kriterien fest, de-nen die bestmögliche Ausführung der Kundenaufträge entsprechen muss.744 An-

741 Grundsätzlich soll der Broker versuchen, den Kunden zu erreichen und die Abwei-

chung mit ihm abzustimmen. Ohne Zustimmung des Kunden darf er nur dann handeln, wenn er den Kunden nicht erreichen konnte oder der Kunde auf seine Anfrage nicht innerhalb einer tragbaren Frist geantwortet hat (Art. 973 Nr. 2 S. 1 ZGB). Der Kunde ist dann umgehend über die abweichende Auftragsausführung zu informieren. Der Kommissionsvertrag kann einen Verzicht auf diese Anforderungen enthalten (Art. 995 Nr. 1 Abs. 2 ZGB).

742 In Russland wird damit die Stellung des Brokers als Nominalhalters im Kommissions-verhältnis gemeint. Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999), S. 23 f.; Mar-kov/Černobaj, Vestnik NAUFOR Nr. 6 (1999), S. 53 f.

743 Auch gemäß Art. 992 Abs. 1 ZGB ist der Broker, der als Kommissionär auftritt, ver-pflichtet, den Kundenauftrag zu den bestmöglichen Bedingungen auszuführen.

744 Siehe S. 225, III. NAUFOR-Regeln.

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sonsten setzt der Gesetzgeber die rechtlichen Mechanismen ein, die die Ausfüh-rung der Kundenorders durch Broker zu den bestmöglichen Bedingungen si-cherstellen sollen. So ist der Broker verpflichtet, Kundenorders selbst auszuführen (Ziff. 3.1. Spie-gelstr. 1 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit; Art. 187 Nr. 1, Art. 974 Abs. 1 Spiegelstr. 1, Art. 976 Nr. 1, Art. 994 Nr. 1 Abs. 1 ZGB).745 Grundsätzlich darf ein Broker einen anderen Broker mit der Ausfüh-rung einer Kundenorder nur dann beauftragen, wenn dies im Vertrag mit dem Kunden vorgesehen oder wenn es unter den Umständen zur Wahrung der Kun-deninteressen erforderlich ist. Zudem ist er verpflichtet, den Kunden darüber zu benachrichtigen.746 Der Prioritätsgrundsatz und der Grundsatz des Vorrangs der Interessen der An-leger vor den eigenen Interessen des Brokers stellen einen weiteren Mechanis-mus dar, auf Grund dessen sichergestellt wird, dass die Kundenaufträge zu den bestmöglichen Bedingungen ausgeführt werden (Art. 3 Abs. 1 und 2 WpMG). Demgemäß sind jeweils die Orders mehrerer Kunden eines Brokers von diesem in der Reihenfolge ihrer Erteilung abzuwickeln und den Kundeninteressen ist Vorrang vor den eigenen Interessen des Brokers einzuräumen, wenn der Broker zugleich als Dealer tätig wird und seine Aufträge mit denen des Kunden kolli-dieren (vgl. Ziff. 2.1 Spiegelstr. 6 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit).747 Wenn ein Broker zugleich Dealertätigkeit ausübt und seine Aufträge sowie die-jenigen seiner Kunden dieselben Wertpapiere betreffen, entsteht die Gefahr ei-nes Interessenkonflikts.748 Sollte der Broker dem Auftrag seines Kunden keinen Vorrang vor den eigenen Interessen eingeräumt oder die Aufträge unterschiedli-

745 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 25; Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’

predprinimatelja Nr. 10 (1998), S. 37. 746 Auch der Vermögensverwalter ist der Pflicht unterstellt, selbst die Verwaltung des ihm

anvertrauten Vermögens vorzunehmen, es sei denn, dass die Interessen des Treugebers die Einbeziehung Dritter erfordern. Siehe Art. 1021 ZGB. Vgl. auch Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 6 f.; Tkač, Bankovskoje pravo Nr. 1 (2002), S. 23; Vitrjanskij, Hosjajstvo i Pravo Nr. 10 (2001), S. 30 f.

747 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999), S. 25. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Spie-gelstr. 4 der NAUFOR-Regeln ist der Marktintermediär verpflichtet, auch bei der Be-urteilung, worin die Interessen des Kunden bestehen, und ob diese mit seinen eigenen Interessen kollidieren, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln. Diese Regel verstärkt den Schutz der Kundeninteressen im Falle eines Interessenkonflikts.

748 Vgl. Teljukina, Zakonodatel’stvo Nr. 11 (2001), S. 70. Siehe auch S. 264, § 4 Pflicht zum Schadensersatz bei Interessenkonflikten.

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cher Kunden nicht in der Reihenfolge ihres Eingangs ausgeführt haben, führt dies allerdings nach russischem Recht nicht zum Schadensersatz bei Interessen-konflikten, sondern stellt einen Verstoß gegen die Pflicht, mit Gewissenhaftig-keit zu handeln, dar.749 Indem er die Marktintermediäre dem Prioritätsgrundsatz und dem Grundsatz des Vorrangs der Kundeninteressen vor den eigenen Interes-sen unterstellt und die Einhaltung dieser Grundsätze im Rahmen der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, sicherstellt, sieht der russische Gesetzgeber verhaltensmäßige Maßnahmen vor, die der Vorbeugung von Interessenkonflik-ten dienen. Allerdings macht es das Fehlen der entsprechenden organisatori-schen Maßnahmen für Broker schwer (um einen Vergleich mit den Mechanis-men der Vorbeugung nach europäischem bzw. deutschem Recht zu ziehen, siehe S. 194, IV. Vermeidung von Interessenkonflikten), dieser Pflicht nachzukom-men, sowie für externe Prüfer (z.B. Selbstregulierungseinrichtungen oder die FWpMK), ihre Einhaltung nachzuvollziehen.750 Insofern ist die Effizienz der Vorbeugung der Interessenkonflikte im Rahmen der Pflicht, mit Gewissenhaf-tigkeit zu handeln, nach russischem Recht zweifelhaft und der dadurch gewähr-leistete Anlegerschutz unzureichend. Der Inhalt der Pflicht des Vermögensverwalters, in den bestmöglichen Interes-sen seines Kunden zu handeln, ist stark durch die Anlagerichtlinien751 geprägt. Diese legen die Zielrichtungen und die Art und Weise der Anlage fest und schränken die Freiheit des Vermögensverwalters ein, über das ihm anvertraute

749 In diesem Fall ist die Zielrichtung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, mit

der im deutschen Recht begründeten Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten vergleichbar. Beide Pflichten haben zum Ziel, die Gefahr eines Interessenkonflikts ab-zuwenden. Siehe S. 194, IV. Vermeidung von Interessenkonflikten.

750 Siehe S. 264, § 4 Pflicht zum Schadensersatz bei Interessenkonflikten. Makeeva, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 35, weist auch darauf hin, dass die juristischen Mechanismen fehlen, die es erlauben würden, die Priorität der Ausführung nachzu-vollziehen. Dies stellt ein Hindernis bei der Überwachung und Durchsetzung der Ein-haltung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, im Hinblick auf den Prioritäts-grundsatz dar.

751 Ziff. 7.1 bis 7.8 der Bestimmung über treuhänderische Vermögensverwaltung un-terstellen die Parteien eines Vermögensverwaltungsvertrages der Pflicht, Anlagericht-linien zu vereinbaren, die einen Teil des Vertrages über treuhänderische Vermögens-verwaltung darstellen und gemäß Art. 432 Nr. 1 Abs. 2 ZGB und Ziff. 7.2 der Be-stimmung über treuhänderische Vermögensverwaltung zu den zwingenden Bedingun-gen dieses Vertragtyps gehören. Fehlt eine der zwingenden Bedingungen, ist der Ver-trag nichtig (Art. 168 ZGB). Vgl. Jakovlev, S. 22 f.; Vitrjanskij, Hozjajstvo i Pravo Nr. 11 (2001) S. 54 f. Dies stellt einen grundlegenden Unterschied zum deutschen Recht dar, weil Letzteres keine Pflicht zur Vereinbarung der Anlagerichtlinien enthält. Siehe S. 194, IV. Vermeidung von Interessenkonflikten.

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Vermögen zu verfügen.752 Dabei müssen sich die Parteien über die folgenden Sachverhalte einigen (Ziff. 7.3 der Bestimmung über treuhänderische Vermö-gensverwaltung): (1) die Bestimmung des Zwecks der treuhänderischen Vermö-gensverwaltung, wie z.B. die ertragsträchtige Verwendung der Gelder des Treu-gebers, (2) die Liste der Anlageobjekte, in die der Vermögensverwalter die Kundengelder investieren darf, (3) die Anlagestruktur (d.h. das Verhältnis zwi-schen unterschiedlichen Wertpapierarten oder -emittenten oder zwischen den Wertpapieren und Geldern des Treugebers), an die sich der Vermögensverwalter innerhalb der Laufzeit des Vertrages halten muss, sowie (4) die Gültigkeitsdauer der Anlagerichtlinien. Daraus kann entnommen werden, dass bei der Vereinba-rung der Anlagerichtlinien den Kundeninteressen Rechnung getragen werden soll. Allerdings ist der Vermögensverwalter nicht der Pflicht unterworfen, diese Interessen aktiv zu erkunden. Deswegen trägt der Kunde dafür Sorge, dass seine Interessen möglichst vollständig in den Anlagerichtlinien berücksichtigt werden. Zwar entspricht dieser Ansatz dem Prinzip der Vertragsfreiheit, kann aber zur Senkung des Anlegerschutzniveaus führen, weil insbesondere die unerfahrenen Privatanleger ihre Interessen nicht immer werden erkennen oder durchsetzen können. III. NAUFOR-Regeln Der Inhalt und Umfang der Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissenhaftig-keit zu handeln, wird in den NAUFOR-Regeln weitgehend konkretisiert.753 Die Gewissenhaftigkeit gehört zu den grundlegenden Prinzipien der professionellen Ethik der NAUFOR-Mitglieder (Art. 4 der NAUFOR-Regeln). Art. 5 Abs. 1 der NAUFOR-Regeln definiert den Begriff „Gewissenhaftigkeitspflicht“ als die Pflicht der NAUFOR-Mitglieder, bei der Ausübung ihrer professionellen Tätig-keit mit der erforderlichen Sorgfalt und Umsicht zu handeln. Die Erforderlichkeit wird am Inhalt des Verhältnisses zwischen dem Marktin-termediär und seinem Kunden sowie an den Umständen des Geschäftsverkehrs gemessen. Dadurch erhält sie jeweils einen subjektiven und einen objektiven Aspekt. Zu den Umständen des Geschäftsverkehrs (objektiver Aspekt) zählen die Situation auf dem Wertpapiermarkt insgesamt sowie die Umstände, die die Informationen und die Risiken einzelner Anlageprodukte betreffen. Der Markt-

752 Vgl. Vitrjanskij, Hozjajstvo i Pravo Nr. 12 (2001) S. 36 f.; Inšev, Bankovskoe pravo

Nr. 3 (2000), S. 14; Markov/Černobaj, Vestnik NAUFOR Nr. 6 (1999), S. 54. 753 Zum Teil wurde darauf bereits auf S. 222, II. Inhalt der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit

zu handeln, eingegangen.

226

intermediär kommt seiner Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, nach, wenn er unter Berücksichtigung der Umstände des Geschäftsverkehrs handelt. Was den subjektiven Aspekt anbelangt, handelt der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts mit der erforderlichen Sorgfalt, wenn er die Interessen je-des einzelnen seiner Kunden berücksichtigt. Das bedeutet, dass der professionel-le Teilnehmer des Wertpapiermarkts in erster Linie wissen muss, worin die Inte-ressen des konkreten Anlegers bestehen. Das kann er auf Grundlage der Anga-ben zur Person des Kunden beurteilen. Zu diesem Zweck darf der Marktinter-mediär gemäß Art. 5 Abs. 2 Spiegelstr. 5 der NAUFOR-Regeln alle legitimen und vernünftigen Maßnahmen ergreifen, um von seinem Kunden die Informati-onen über seine Verhältnisse (z.B. seine Kenntnisse und Erfahrungen im Wert-papiergeschäft und finanziellen Möglichkeiten) und Anlageziele zu erhalten, in-sofern dies zur Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber dem Kunden erforder-lich ist.754 Dieser Bestimmung der NAUFOR-Regeln kann entnommen werden, dass die Ermittlung der Kundeninteressen eine Voraussetzung für die Einhaltung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, darstellt. Art. 5 Abs. 2 Spiegelstr. 1 der NAUFOR-Regeln stützt die Gewissenhaftigkeits-pflicht auf die Grundsätze der Professionalität und Neutralität. Diese Grundsätze sind nicht nur auf die Ausführung der Kundenorder, sondern auch auf die Hand-lungen des Marktintermediäres, die der Ausführung der Kundenorder oder sogar der Anlageentscheidung des Kunden vorausgehen (z.B. Erteilung einer Empfeh-lung oder Informationen über eine Anlagemöglichkeit an den Kunden), anwend-bar. Gemäß dem im Art. 5 Abs. 2 Spiegelstr. 1 der NAUFOR-Regeln enthaltenen Professionalitätsgrundsatz ist ein NAUFOR-Mitglied zur professionellen Ein-schätzung aller wertpapiermarktrelevanten Tatsachen und Umstände verpflich-tet. Eine solche professionelle Einschätzung soll den Marktintermediär in die Lage versetzen, die Situation auf dem Wertpapiermarkt sowie die Risiken des Anlageprodukts, an dem der Kunde Interesse hat, richtig einzuschätzen. Das Professionalitätsgrundsatz stützt sich auf die in Art. 8 der NAUFOR-Regeln enthaltene Organisationspflicht, gemäß der der Marktintermediär dafür sorgen muss, dass seine Mitarbeiter über die entsprechende Qualifikation verfügen, zu-verlässig sind sowie die Ressourcen und Verfahren einsetzen, die für die Aus-übung der professionellen Tätigkeit von grundlegender Bedeutung sind.755 Er

754 Siehe S. 230, § 2 Erkundigungspflicht. 755 Diese in den NAUFOR-Regeln enthaltenen Anforderungen gehen über die in der zivil-

rechtlichen Gesetzgebung enthaltenen Anforderungen hinaus. Vgl. Bestimmung über

227

darf seinen Kunden auch keine anderen Dienstleistungen, die nicht mit der pro-fessionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt verbunden sind, anbieten, wenn dies negative Auswirkungen auf seine professionelle Tätigkeit hat oder mit den föderalen Gesetzen, anderen Rechtssätzen der Russischen Föderation oder der NAUFOR nicht vereinbar ist. Der Neutralitätsgrundsatz ist in Art. 9 der NAUFOR-Regeln geregelt. Demge-mäß darf ein NAUFOR-Mitglied keine Voreingenommenheit oder Druck seitens Dritter oder Abhängigkeit von Dritten, die Kundeninteressen beeinträchtigen können, zulassen. Dieses Erfordernis, die professionelle Unabhängigkeit auf-rechtzuerhalten, ist mit der in Art. 10 Abs. 5 der NAUFOR-Regeln festgelegten Pflicht der NAUFOR-Mitglieder, den Kunden über die verbundenen Personen bzw. Unternehmen und über die Beziehungen, die einem Dritten erlauben, die Entscheidungen des NAUFOR-Mitglieds zu bestimmen oder zu beeinflussen, offen zu legen, eng verbunden. Sollte das NAUFOR-Mitglied gegen den Neutra-litätsgrundsatz verstoßen und dadurch dem Kunden Schaden zugefügt haben, würde eine solche Offenlegung dem Kunden helfen, eine Kausalität zwischen dem Schaden und dem seitens einer solchen verbundenen Person auf das NAU-FOR-Mitglied ausgeübten Druck nachzuweisen. Art. 5 Abs. 1 der NAUFOR-Regeln erstreckt die Reichweite der Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, auf alle Handlungen, die auf den Schutz der Gelder und des Vermögens des Kunden gerichtet sind. Diese Regel scheint sich in erster Linie auf die in Art. 5 Abs. 2 Spiegelstr. 2 der NAU-FOR-Regeln genannten organisatorischen Maßnahmen, wie die getrennte Ver-waltung der Gelder und Wertpapiere des Kunden und denen des Marktinterme-diäres, zu beziehen.756 Gleichwohl spricht ihre Stellung in Art. 5 Abs. 1 der NAUFOR-Regeln dafür, dass sie auch andere Handlungen erfasst. So schützt der Marktintermediär die Gelder und das Vermögen des Kunden, wenn er dem Kunden für ihn geeignete Anlageprodukte empfiehlt oder durch die Aufklärung des Kunden bei einer Anlage einer falschen Einschätzung des Produkts durch den Kunden und den damit verbundenen Verlustrisiken vorbeugt sowie dem Kunden eine informierte und risikobewusste Anlageentscheidung ermöglicht.

Anforderungen an Qualifikation der Führungskräfte und Spezialisten des professionel-len Teilnehmers des Wertpapiermarkts. Letztere konzentriert sich sehr stark auf die Anforderungen an die professionelle Qualifikation der Mitarbeiter und scheint die an-deren organisatorischen Grundlagen, die dem Marktintermediär erlauben, seinen Ver-haltenspflichten ordnungsgemäß nachzukommen, zu übersehen.

756 Die Organisationspflicht zur getrennten Verwaltung der Kundengelder und -wertpapiere von denen des Brokers ist ursprünglich in Art. 3 Nr. 3 WpMG begründet und ausführlich geregelt worden. Vgl. Vajpan, S. 11 f.

228

Die NAUFOR-Regeln behandeln ausführlich die Pflicht der Marktintermediäre zur bestmöglichen Ausführung der Kundenaufträge, die, wie bereits oben auf S.222, II. Inhalt der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, erwähnt, den Kern der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, darstellt. Sie bieten eine Auslegung der Pflicht zur bestmöglichen Ausführung der Kundenaufträge an, die über die gesetzlichen Anforderungen an diese Pflicht hinausgeht. Erstens ob-liegt es dem Marktintermediär gemäß Art. 14 Abs. 2 der NAUFOR-Regeln, die Kundenorders in Übereinstimmung mit dem Kundenauftrag sowie mit den ver-traglichen Bedingungen auszuführen.757 Diese Anforderung beruht auf den ZGB-Vorschriften, die sich auf den Vertretungs- sowie Kommissionsvertrag be-ziehen. Art. 973 Nr. 1 S. 1 ZGB und Art. 992 Abs. 1 ZGB verpflichten den Bro-ker, der für einen Anleger auf Grund eines Vertretungs- oder Kommmissions-vertrages tätig wird, bei der Auftragsausführung die Weisungen des Kunden zu befolgen.758 Zweitens stellen die NAUFOR-Regeln Anforderungen an die Ausführung des Kundenauftrags. Gemäß Art. 15 Abs. 5 der NAUFOR-Regeln erfolgt die Auf-tragsausführung zu den bestmöglichen Bedingungen, wenn der Marktintermedi-är dabei die folgenden Faktoren berücksichtigt hat: (1) den Charakter des Dea-lermarkts für diese Art der Wertpapiere, der sich auf Grund des Preises pro Wertpapier, der Stabilität der Preise, der Anzahl der Dealer, die in diesen Wert-papieren im Handelssystem handeln sowie der besten Kauf- und Verkaufspreise für diese Art von Wertpapieren zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses ein-schätzen lässt; (2) die Anzahl der Wertpapiere, die der Kunde für die Ausfüh-rung des Geschäfts vorgesehen hat, im Verhältnis zu dem Gesamtvolumen der Wertpapiere, auf die die besten Preise vor dem Geschäftsabschluss anwendbar sind, sowie (3) die Bedingungen, die zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses auf dem Wertpapiermarkt gelten.

757 Bei der Erfüllung der Vertragsbedingungen muss der Marktintermediär gemäß Art. 5

Abs. 2 Spiegelstr. 3 der NAUFOR-Regeln mit der erforderlichen Sorgfalt vorgehen. 758 Beim Vertreterverhältnis unterstellt Art. 973 Nr. 1 S. 2 ZGB die Weisungen des Anle-

gers bestimmten Anforderungen. Sie müssen legitim, ausführungsfähig und konkret sein. Diese Anforderungen treffen nicht auf die Weisungen des Kommittenten zu. Beim Kommissionsverhältnis geht der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass die Weisungen des Kunden nicht in Bezug auf einen konkreten Auftrag in jedem Einzel-fall erteilt werden, sondern dass sie generell in den Kommissionsvertrag gehören (Art. 992 Abs. 1 ZGB). Fehlen die Weisungen des Anlegers auch im Kommissionsvertrag, so soll der Kommissionär gemäß den Handelsgepflogenheiten oder anderen üblichen Anforderungen handeln. Vgl. Markov/Černobaj, Vestnik NAUFOR Nr. 6 (1999) S. 53 f.

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Drittens verbietet Art. 5 Abs. 3 und 4 der NAUFOR-Regeln den NAUFOR-Mitgliedern, beim Geschäftsabschluss mangelhafte Kenntnisse und Informati-onsstände oder die Unerfahrenheit der Kunden auszunutzen. Das NAUFOR-Mitglied darf seine Rechte (und damit ist wohl in erster Linie seine Machtstel-lung gemeint) nicht dazu ausnutzen, um für sich Vorteile zu gewinnen oder die Interessen der Kunden zu beeinträchtigen. Diese Vorschriften zeigen, dass auch in Russland die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts die Schutzbe-dürftigkeit der Anleger, die sich aus ihrer wirtschaftlichen und informationellen Unterlegenheit ergibt, erkennen und durch Selbstregulierung versuchen, die An-legern vor Missbräuchen seitens der Marktintermediäre zu schützen. IV. Durchsetzung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln Grundsätzlich unterliegen die Broker und die Vermögensverwalter, die gegen die Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, verstoßen haben, einer Haftung in den Fällen und nach den Verfahren, wie sie im Straf-, öffentlichen oder Zivil-recht vorgesehen sind (Art. 51 Nr. 1 Abs. 1 WpMG). Weder das Strafrecht noch das öffentliche Recht enthalten Sanktionen für eine Verletzung dieser Pflicht. Das Zivilrecht (Art. 1022 ZGB) sieht vor, dass der Vermögensverwalter, der ohne die erforderliche Sorgfalt gehandelt und dadurch gegen die Interessen des Treugebers verstoßen hat, dem Treugeber sowohl die entgangenen Gewinne als auch die erlittenen Verluste erstatten muss, es sei denn, dass er nachweisen kann, dass die Verluste kraft höherer Gewalt oder we-gen Handlungen des Treugebers eingetreten sind.759 Ansonsten unterliegen so-wohl die Broker als auch die Vermögensverwalter der deliktischen Haftung (Art. 51 Nr. 1 Abs. 2 WpMG; Art. 1064 ZGB).760 Allerdings scheitert der Scha-densersatzanspruch auf Grundlage der deliktischen Haftung oftmals, weil der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, die organisatorischen Grundlagen fehlen und die Kausalität daher schwer nachgewiesen werden kann. Insofern sind die gesetzlichen Schutzmechanismen im Hinblick auf die Pflicht der Markt-intermediäre, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, sehr schwach ausgeprägt. Das reduziert die anlegerschützende Wirkung dieser Pflicht und senkt das allgemeine Anlegerschutzniveau in der Russischen Föderation. Gleichwohl kommen in die-ser Situation den Anlegern die internen Regeln der Selbstregulierungseinrich-tungen zugute. So unterstellen die NAUFOR-Regeln die Marktintermediäre den disziplinarischen Maßnahmen für die Nichteinhaltung der Pflicht, mit Gewis-

759 Vgl. Inšev, Bankovskoe pravo Nr. 3 (2000), S. 10; Meteleva, Pravo i ėkonomika Nr. 9

(1998), S. 22; Tkač, Bankovskoje pravo Nr. 1 (2002), S. 24. 760 Vgl. Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’ Predprinimatelya Nr. 10 (1998), S. 38.

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senhaftigkeit zu handeln, und verpflichten ihre Mitglieder, dem Anleger den wegen Verstößen gegen seine Interessen zugefügten Schaden zu ersetzen (Art. 14 Abs. 9 und Abs. 10 der NAUFOR-Regeln). V. Zusammenfassung Zwar stellt die Pflicht des Brokers, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, eine Ge-neralnorm dar und bietet den Anlegern einen umfassenden Schutz, indem sie bei allen Handlungen der Marktintermediäre, insbesondere bei der Auftragsausfüh-rung, die Berücksichtigung der Interessen der Anleger sicherstellt. Gleichwohl wird die praktische Bedeutung dieser Pflicht dadurch abgeschwächt, dass dem russischen Recht sowohl die organisatorischen Grundlagen ihrer Einhaltung als auch die wirksamen Durchsetzungsmechanismen fehlen. Auch die Kenntnis der Kundeninteressen durch die Marktintermediäre als Voraussetzung der Einhal-tung dieser Pflicht wurde mangels der gesetzlichen Erkundigungspflicht der Marktintermediäre durch die Rechtssetzung nicht gewährleistet. Der Gesetzgeber setzt diese Pflicht auch zum Zwecke der Vermeidung von Inte-ressenkonflikten ein und stützt sie dabei auf den Prioritätsgrundsatz sowie den Grundsatz des Vorrangs der Kundeninteressen vor den eigenen Interessen. Auch die Erreichung dieses Ziels sowie der dadurch beabsichtigte Anlegerschutz wer-den durch die fehlenden organisatorischen Grundlagen erheblich beeinträchtigt. Die NAUFOR-Regeln haben hinsichtlich der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, die Lücken in der gesetzlichen Regulierung zum Teil beseitigt und die Anleger, die Kunden ihrer Mitglieder sind, weitgehend geschützt. Sie gewähr-leisten die Ermittlung der Kundeninteressen durch die Marktintermediäre und legen sowohl die verhaltensmäßigen als auch die organisatorischen Grundlagen der Wahrung der Kundeninteressen durch ihre Mitglieder fest. § 2 Erkundigungspflicht Die Erkundigungspflicht der Marktintermediäre, wie sie dem europäischen bzw. deutschen Recht bekannt ist, ist weder in der russischen Zivilgesetzgebung noch in den anderen Rechts- und Normativakten begründet. Gleichwohl gewährt Ziff. 3.2. der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit den Brokern das Recht, den Kunden zu seiner finanziellen Lage sowie zu seinen Anlagezie-

231

len zu befragen.761 Der Reichweite dieses Rechts sind zugleich insofern Grenzen gesetzt, als sich die zu ermittelnden Informationen auf diejenigen beschränken lassen, die für die richtige und zeitgemäße Erfüllung der Verpflichtungen des Brokers gegenüber dem Kunden erforderlich sind. Ähnlich wie im deutschen Recht spielen die im Rahmen der Erkundigungspflicht ermittelten Kundenanga-ben bei der Erfüllung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, sowie bei der Informationspflicht eine hervorzuhebende Rolle. Wie im deutschen Recht ist der Anleger nicht verpflichtet, dem Broker solche Informationen zur Verfügung zu stellen. Da die Ermittlung der Kundenangaben nach russischem Recht als Recht und nicht als Pflicht des Marktintermediäres ausgestaltet ist, fehlen jegli-che rechtliche Mechanismen ihrer Durchsetzung. Unter diesen Voraussetzungen ist es interessant, dass die Gerichte doch die Pro-fessionalität des Anlegers in einigen ihrer Entscheidungen berücksichtigt haben. So beschloss das Wirtschaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, in einer Entscheidung, dass der Kläger, der schon vorher Erfahrungen mit Futures-handel gemacht hatte und daher über die mit diesen hoch spekulativen Geschäf-ten verbundenen Risiken Bescheid wusste, nicht behaupten könne, dass seine Verluste alleine einen Beweis für das rechtswidrige Verhalten des Marktinter-mediäres darstellten.762 Auf Grund seiner Erfahrungen sollte es ihm bewusst sein, dass auch bei einem rechtskonformen Verhalten des Marktintermediäres Verluste aus Futuresgeschäften auf Grund ihres hochspekulativen Charakters entstehen können. Als Pflicht ist allerdings die Ermittlung der Kundenangaben in den NAUFOR-Regeln ausgestaltet.763 Die NAUFOR-Regeln verbinden die Erkundigungspflicht sowohl mit der Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissenhaftigkeit zu han-deln (Art. 5 Abs. 2 Spiegelstr. 5 der NAUFOR-Regeln),764 als auch mit der Be-ratungspflicht (Art. 15 Abs. 4 der NAUFOR-Regeln)765. Mit Blick auf diese bei-den Pflichten bestehen bei der Ausgestaltung der Erkundigungspflicht sowohl Gemeinsamkeiten als auch einige Unterschiede zwischen dem russischen und deutschen Recht.

761 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 26; Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’

predprinimatelja Nr. 10 (1998), S. 37. 762 Vgl. Wirtschaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, Entscheidung

Nr. KG-A40/6531-02 v. 10.10.2002, www.consultant.ru/full, S. 2 f. 763 Vgl. Fn. 754. 764 Siehe S. 220, § 1 Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln. 765 Siehe S. 253, II. Beratungspflicht.

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Die Erkundigungspflicht ist in den NAUFOR-Regeln im Hinblick auf den Inhalt der zu ermittelnden Informationen sehr flexibel ausgestaltet. Sowohl Art. 5 Abs. 2 Spiegelstr. 5 als auch Art. 15 Abs. 4 der NAUFOR-Regeln erlauben ei-nem Marktintermediär, von seinem Kunden grundsätzlich jegliche Informatio-nen zu verlangen, die er für erforderlich hält, um seinen Verpflichtungen vor dem Kunden nachkommen sowie beurteilen zu können, welche Anlageprodukte sich für diesen Kunden eignen. Art. 15 Abs. 4 der NAUFOR-Regeln konkretisiert die Erkundigungspflicht der NAUFOR-Mitglieder im Hinblick auf ihre Beratungspflicht. Sie verpflichten die Marktintermediäre, „bevor sie einem Kunden die Ausführung eines Geschäfts empfehlen“, von ihm die folgenden Angaben zu ermitteln: (1) Informationen über die finanziellen Verhältnisse des Kunden, der eine na-

türliche Person ist. Diese Informationen sind zu ermitteln, damit der Marktintermediär beurteilen kann, ob der Kunde nicht sein Gesamtver-mögen (nach dem Wortlaut der NAUFOR-Regeln – „seine letzten Erspar-nisse“) in Wertpapiere investieren will. Diese Maßnahme soll präventiv wirken und die Gefahr der Kundeninsolvenz, die zur Destabilisierung des Wertpapierhandels führen kann, abwenden.

(2) Informationen über die Bereitschaft des Kunden (natürliche Person), das

Verlustrisiko zu tragen, das sowohl mit den Geschäften mit den Wertpa-pieren als auch mit dem möglichen Wertverlust der Wertpapiere verbun-den ist. Mit der „Bereitschaft“ ist gemeint, dass der Kunde versteht, dass die Verluste eintreten können und finanziell in der Lage ist, diese zu ver-kraften.

(3) Informationen, auf Grund derer der Marktintermediär sich vergewissern

kann, dass der Kunde (natürliche Person) geschäftsfähig ist. (4) Bestätigung, dass derjenige, der im Namen einer juristischen Person han-

delt, berechtigt ist, die Interessen dieser juristischen Person bei Vertrags-abschluss zu vertreten.

(5) Informationen über die Anlageziele des Kunden. (6) Andere Informationen, auf Grund derer der Marktintermediär beurteilen

kann, ob eine konkrete Anlage sich für diesen Kunden eignet. Dieser Ansatz ist zu begrüßen. Dank dieser flexiblen Regelung ist der Marktin-termediär in die Lage versetzt, grundsätzlich selbst zu bestimmen, welche In-

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formationen er vom Kunden für die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber Letzterem benötigt, und sich dabei unmittelbar am Inhalt der entsprechenden Verpflichtungen zu orientieren.766 Bei der Erkundigungspflicht, die sich auf Empfehlungen bezieht (Art. 15 Abs. 4 der NAUFOR-Regeln), tragen die NAUFOR-Regeln dem unterschiedlichen Schutzbedürftigkeitsgrad der Anleger Rechnung (vgl. Nr. 1 bis 4, oben). Sie stellen unterschiedliche Anforderungen an die Informationen, die von einer na-türlichen Person oder von anderen Kunden, sprich von juristischen Personen, zu ermitteln sind. Allerdings richten sich die NAUFOR-Regeln bei der Bestim-mung der Schutzbedürftigkeit eines Anlegers nach formalen Kriterien: Sie un-terstellen einer natürlichen Person einen höheren Grad an Schutzbedürftigkeit als einer juristischen Person. Dieser formelle Ansatz weist wesentliche Mängel auf, weil er die tatsächlichen Erfahrungen und Kenntnisse des Anlegers unbe-rücksichtigt lässt. Demgemäß wird einer natürlichen Person, die keine Erfahrung mit dem Investmentgeschäft hat, derselbe Schutz wie einer natürlichen Person, die über reichliche Erfahrungen und Kenntnisse über das Anlagegeschäft ver-fügt, gewährt. Auch einer juristischen Person, die mangels der entsprechenden Kenntnisse nicht in der Lage ist, die Risiken einer Anlage richtig einzuschätzen, wird nicht mehr an Schutz als eine in Anlagegeschäften erfahrene juristische Person genießen können. Das NAUFOR-Mitglied muss vom Kunden die oben genannten Informationen im Vorfeld seiner Empfehlung ermitteln. Im Zusammenhang mit Art. 11 Abs. 3 der NAUFOR-Regeln gesehen, bedeutet diese Anforderung, dass der Marktin-termediär die von ihm ermittelten Kundenangaben u.a. zur Grundlage seiner Empfehlung machen muss. Auf diese Weise sorgen die NAUFOR-Regeln dafür, dass der Grundsatz der anlegergerechten Beratung (Empfehlung) durch die Marktintermediäre eingehalten wird. Ähnlich wie im deutschen Recht kennt das russische Recht keine entsprechende Pflicht des Anlegers, dem Marktintermediär die Angaben zu seiner Person zur Verfügung zu stellen.767 Allerdings unterstellt sowohl Art. 5 Abs. 2 Spiegelstr. 5 als auch Art. 15 Abs. 4 der NAUFOR-Regeln den Marktintermediär der Anfor-derung, alle legitimen Maßnahmen zu ergreifen, um vom Kunden Angaben zu seiner Person zu erlangen. 766 Der Inhalt seiner Verpflichtungen kann variieren, je nachdem, ob die Verpflichtungen

aus einem Vertretungs-, Kommissions-, Vermögensverwaltungs- oder Beratungsver-hältnis entstehen.

767 Die NAUFOR-Regeln sind lediglich für NAUFOR-Mitglieder verbindlich und können daher die Anleger nicht dazu verpflichten, dem NAUFOR-Mitglied Informationen zur eigenen Person mitzuteilen.

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Zwar wird diese Anforderung weder in den NAUFOR-Regeln noch in der Rechtsliteratur näher erläutert, jedoch ist m.E. damit gemeint, dass der Marktin-termediär vertragliche Mechanismen einsetzen muss, um sicherzustellen, dass er die erforderlichen Informationen vom Anleger erhält.768 Diese richten sich nach dem Vertragstyp. So kann der Beratungsvertrag den Kunden zur Mitteilung der Angaben zur eigenen Person verpflichten.769 Kommt der Anleger dieser Pflicht nicht nach, können für ihn die in Art. 718 Nr. 1 und Nr. 2 Art. 719 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Art. 781 Nr. 2 ZGB vorgesehenen negativen Folgen eintreten: Än-derung der vertraglichen Bedingungen zum Preis der Beratungsdienstleistungen, Zahlung des Preises der Beratungsdienstleistungen trotz ihrer Nichterbringung, Auflösung des Vertrages oder Ersatz des dem Marktintermediär in Folge der Auflösung entstandenen Schadens.770 Gemäß Art. 977 Nr. 1 Spiegelstr. 2 ZGB (Vertretungsvertrag) und Art. 1002 Abs. 1 Spiegelstr. 2 ZGB (Kommissionsver-trag) darf der Broker sich seinen vertraglichen Verpflichtungen entziehen, wenn der Anleger ihm die Informationen, die für die Erfüllung der vertraglichen Ver-pflichtungen des Brokers notwendig sind, einschließlich der Angaben zu seiner Person, verweigert. Beim Kommissionsverhältnis muss dieses Recht des Bro-kers im Vertrag vorgesehen werden, während beim Vertretungsverhältnis dieses Recht dem Broker auch ohne eine vertragliche Abrede zusteht. Die dem Marktintermediär durch das Gesetz gewährte Möglichkeit, die Erfül-lung seiner vertraglichen Verpflichtungen von der Mitteilung der Kundenanga-ben abhängig zu machen, dient auch dem Schutz der Anlegerinteressen. Wenn der Marktintermediär über ausreichende Kenntnisse zur Person seines Kunden verfügt, kann er die Informationen oder Empfehlungen, die er dem Anleger auf Grund des Beratungsvertrages schuldet, besser an die individuellen Bedürfnisse des Anlegers anpassen. Infolgedessen erhält der Anleger die Empfehlung, die auf ihn zugeschnitten ist. Auf diese Weise werden die Risiken der Anlageent-scheidung wesentlich reduziert. Auch beim Vertretungs-/Kommissionsverhältnis

768 Grundsätzlich darf der Marktintermediär einen Vertrag mit dem Anleger nicht unter

die auflösende Bedingung des Nichterhalts der Kundenangaben bis zu einem gewissen Zeitpunkt oder unter die aufschiebende Bedingung des Erhalts solcher Informationen stellen, weil solche Bedingungen gemäß der russischen Rechtsmethodik vom Willen der Vertragsparteien unabhängig sein müssen (Art. 157 ZGB). Vgl. Sadikov in Sadi-kov/Kommentar zum ZGB, S. 402 f.

769 Der Beratungsvertrag kann sowohl mit einem professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts als auch mit einem reinen Anlageberater abgeschlossen werden. Letzterer kann insofern auch zivilrechtliche Mechanismen zur Ermittlung der Kundenangaben einsetzen.

770 Diese im ZGB festgelegten rechtlichen Folgen der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Anleger können im Beratungsvertrag geändert werden. Vgl. Art. 719 Nr. 2 und Art. 781 Nr. 2 ZGB.

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kann der Broker seine Handlungen tatsächlich nach den Interessen des Anlegers richten, wenn er diese ermittelt hat. Gleichwohl besteht bei dieser Regelung die Gefahr, dass der Broker seine Machtposition und sein Fachwissen ausnutzt und in den Vertrag unnötig belastende Pflichten des Anlegers zu persönlichen Anga-ben hineinschreibt, die nicht die Interessen des Anlegerschutzes verfolgen, son-dern ihm die Möglichkeit geben, sich seinen Verpflichtungen aus dem Bera-tungsvertrag zu entziehen. Leider hat der russische Gesetzgeber keine Maßnah-men getroffen, um ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Anleger-schutzes und der Vertragsfreiheit zu schaffen. Bei dem Vermögensverwaltungsvertrag scheint die Durchsetzung der Pflicht des Anlegers, dem Vermögensverwalter Angaben zur eigenen Person mitzuteilen, eine nicht so große Rolle zu spielen, weil er sich bei der Erfüllung seiner ver-traglichen Verpflichtungen an den Anlagerichtlinien orientieren soll. Diese sol-len allerdings unter Berücksichtigung der Kundeninformationen festgelegt wer-den.771 Das in der Rechtssetzung enthaltene Recht der Broker, vom Kunden persönliche Angaben zu verlangen, ist grundsätzlich unzureichend, um eine informationelle Grundlage für ein kundeninteressengerechtes Verhalten der Broker zu gewähr-leisten. Selbst die vertraglichen Mechanismen, die dem Broker im ZGB zur Ver-fügung gestellt werden, um die Mitteilung der notwendigen Informationen durch den Anleger sicherzustellen, verfehlen mangels der Pflicht der Broker zur Er-mittlung der Kundenangaben das Ziel, die Berücksichtigung der Interessen jedes konkreten Kunden durch die Broker bei der Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich der Anlageberatung, zu gewährleisten. Die NAUFOR-Regeln beseitigen teilweise diesen Mangel im Anlegerschutz in Bezug auf die NAUFOR-Mitglieder. Die Reichweite und flexible Ausgestaltung der in den NAUFOR-Regeln begründeten Erkundigungspflicht der Marktinter-mediäre ist zu begrüßen. Ihre anlegerschützende Wirkung könnte allerdings er-höht werden, wenn sie die Schutzbedürftigkeit eines Anlegers nicht mechanisch, nach seiner Eigenschaft als private oder juristische Person bestimmen, sondern auf seine tatsächlichen Erfahrungen und Kompetenzen abstellen würden. Dies scheint insbesondere in Russland wichtig zu sein, weil der Wertpapiermarkt sich erst im Aufbaustadium befindet und nur wenige Anleger über die entsprechen-den Erfahrungen verfügen. Eine verstärkte Berücksichtigung der konkreten Er-fahrungen des Anlegers, unbeschadet der Frage, ob er private oder juristische

771 Siehe S. 222, II. Inhalt der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln.

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Person ist, kann aber zumindest als Tendenz der russischen Gesetzgebung fest-gestellt werden.772 § 3 Informations- und Beratungspflicht Ähnlich wie das deutsche Recht unterscheidet das russische Recht zwischen der Information und Empfehlung einerseits und der Beratung, die der Marktinter-mediär dem Anleger schuldet, andererseits. Grundsätzlich ist die Informations-pflicht in der Rechtssetzung der Russischen Föderation zum Wertpapiermarkt und Anlegerschutz geregelt, während die Beratungspflicht den zivilrechtlichen Regelungen, die im ZGB festgelegt sind und die auf den Beratungsvertrag An-wendung finden,773 den internen Regeln der Selbstregulierungseinrichtungen sowie der vertraglichen Abrede der Geschäftsparteien, nämlich des Anlegers und des Marktintermediäres (Beratungsvertrag), zu entnehmen sind. Es wird in diesem Paragraphen separat auf die Informations- und die Beratungspflicht ein-gegangen. I. Informationspflicht Im Gegensatz zur im europäischen bzw. deutschen Recht enthaltenen Informati-onspflicht ist der Umfang der in der Gesetzgebung der Russischen Föderation zum Wertpapiermarkt begründeten Informationspflicht viel breiter. Nach dem russischen Recht werden mit der Informationspflicht, die den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts auferlegt wird, zwei Hauptziele verfolgt. Nicht nur wie im deutschen Recht soll der professionelle Teilnehmer des Wert-papiermarkts dem Anleger Informationen mitteilen, die Letzterer seiner Anlage-entscheidung zu Grunde legen wird.774 Der Inhalt der Informationspflicht der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts ist so ausgestaltet, dass die Transparenz sowohl im Hinblick auf den rechtlichen Status des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts, der dem Anleger seine Dienstleistungen an-bietet (seine staatliche Registrierung, seine Erlaubnis, professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt auszuüben etc.), als auch auf die Tätigkeit dieses pro-fessionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts insbesondere bei der Erfüllung 772 Vgl. Wirtschaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, Entscheidung

Nr. KG-A40/6531-02 v. 10.10.2002, www.consultant.ru/full, S. 2 f. 773 Siehe S. 110, b) ZGB und Verträge als Quellen der privatrechtlichen Verhaltensregeln. 774 Die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts sind verpflichtet, den Anleger

über die Wertpapiere, ihre Emittenten sowie die Lage des Wertpapiermarkts zu infor-mieren und somit dem Anleger eine risikobewusste eigenständige Anlageentscheidung zu ermöglichen. Vgl. S. 242, 2. Informationen als Grundlage der Anlageentscheidung.

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seiner vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Anleger (die aus dem Ver-trag zur Erbringung der Brokerdienstleistungen, dem Vermögensverwaltungs- oder dem Beratungsvertrag hervorgehen können) sichergestellt wird.775 Im euro-päischem Recht wurde vor kurzem die Pflicht des Marktintermediäres zur Mit-teilung ähnlicher Informationen vor dem Vertragsabschluss durch die FernARL-FinanzDL eingeführt.776 Gleichwohl entsteht diese Pflicht nur, wenn der Vertrag mit einem Kleinanleger und nur im Fernabsatz abgeschlossen wird, was die Reichweite dieser Pflicht im Vergleich zur russischen Transparenzpflicht we-sentlich einschränkt. Unten wird der Inhalt der in der Rechtssetzung zum Wertpapiermarkt enthalte-nen Informationspflicht unter Berücksichtigung dieser Ziele – dem Anleger eine informierte, risikobewusste Anlageentscheidung zu ermöglichen und Transpa-renz mit Blick auf den rechtlichen Status des Marktintermediäres und auf seine Handlungen sicherzustellen – dargestellt und die Effizienz dieser Informationen für den Schutz der Anleger bewertet. Dabei wird den in den NAUFOR-Regeln enthaltenen Auslegungen und Konkretisierungen Rechnung getragen. 1. Informationelle Transparenz als Zielrichtung der Informationspflicht Gemäß der russischen Rechtssetzung zum Wertpapiermarkt beruht die informa-tionelle Transparenz als Zielrichtung der Informationspflicht, die die professio-nellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts den Anlegern schulden, auf zwei Arten von Informationen: a) Informationen über den Marktintermediär selbst (sein rechtlicher Status) und b) Informationen betreffend der Einhaltung der vertragli-chen Verpflichtungen durch den Marktintermediär (seine Handlungen). Wäh-rend die unter a) genannten Informationen dem Anleger im Vorfeld des Ver-tragsabschlusses mitzuteilen sind, werden die unter b) erwähnten Informationen dem Anleger nachträglich zur Verfügung gestellt. Die NAUFOR-Regeln (Art. 4 Spiegelstr. 6) spiegeln diese Tendenz wieder und ordnen die informationelle Transparenz unter den Grundprinzipien des professionellen Verhaltens der NAUFOR-Mitglieder ein. Unten wird auf den Inhalt der beiden Informationsar-ten unter dem Gesichtspunkt ihrer anlegerschützenden Funktion eingegangen. 775 Vajpan; S. 39 ff., schlägt einen anderen Ansatz vor. Er spricht von der Informations-

pflicht im „engen“ und im „weiten“ Sinne. Im ersten Fall meint er die Offenlegung der Informationen gegenüber der FWpMK. Mit der Informationspflicht im „weiten“ Sinne wird die Mitteilung der Informationen an die Anleger gemeint.

776 Siehe S. 34, 2. FernARL-FinanzDL und S. 189, dd) Vorvertragliche Auskunftsertei-lung beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen.

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a) Informationen über den Marktintermediär Die Pflicht des Marktintermediäres, dem Anleger Informationen über seinen rechtlichen Status zur Verfügung zu stellen, trifft sowohl auf Broker als auch auf Vermögensverwalter zu und ist Art. 6 ASchG zu entnehmen. Grundsätzlich ist der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts zur Ertei-lung von Informationen über seinen rechtlichen Status dann verpflichtet, wenn er den Anlegern seine Dienstleistungen (Vermögensverwaltungs-, Broker- oder die damit verbundenen Beratungsdienstleistungen) anbietet (Art. 6 Nr. 2 ASchG). Allerdings setzt das ASchG voraus, dass die Informationen über den rechtlichen Status des Marktintermediäres dem Anleger erst auf Anfrage des Letzteren übermittelt werden müssen. Der professionelle Teilnehmer des Wert-papiermarkts muss seinerseits auf jeden Fall den Anleger auf sein Recht, die In-formationen zu verlangen, hinweisen (Art. 6 Nr. 5 ASchG). Fordert der Anleger vom professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts keine Informationen an, trägt er die damit verbundenen Risiken (Art. 6 Nr. 8 ASchG). Gemäß Art. 6 Nr. 2 ASchG soll der Marktintermediär dem Anleger die folgen-den Informationen und Dokumente zu seinem rechtlichen Status offen legen: (1) eine Kopie der Erlaubnis, professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt auszuüben, (2) eine Kopie des Dokumentes, das den Status des professionellen Teilnehmers als juristische Person oder Unternehmer bestätigt,777 (3) Informati-onen über das Organ, das die Erlaubnis zur Ausübung der professionellen Tätig-keit erteilt hat, sowie (4) Informationen über das Stammkapital, das Eigenkapital und die stillen Reserven.778

777 Die Zulässigkeit der Registrierung eines professionellen Teilnehmers als Unternehmer

nach Art. 6 Nr. 2 ASchG widerspricht der neuen Fassung des WpMG. Art. 2 Abs. 18 WpMG legt fest, dass ausschließlich juristische Personen professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ausüben dürfen. Siehe ausführlich S. 117a) Ausübung der pro-fessionellen Tätigkeit nur durch juristische Personen. Da das WpMG aktueller ist, sind seine Vorschriften nach der russischen Rechtsmethodik vorrangig. Daher sind entspre-chende Änderungen des ASchG zu erwarten.

778 Die NAUFOR-Mitglieder sind nach Art. 10 Abs. 1 der NAUFOR-Regeln verpflichtet, Informationen über ihren rechtlichen Status, ihre finanzielle Lage und ihre Wertpa-piertransaktionen in den Fällen und gemäß dem Verfahren, das in den föderalen Ge-setzen, anderen Rechts- und Normativakten sowie in den NAUFOR Dokumenten vor-gesehen ist, offen zu legen. Die Offenlegung dieser Informationen erfolgt u.a. gegen-über den Kunden der NAUFOR-Mitglieder. Sie müssen allerdings auch in bestimmten Fällen gegenüber den potentiellen Kunden sowie den in der Rechtssetzung genannten anderen Personen oder Behörden offen gelegt werden.

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Dieser Liste kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber den professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts zur Erteilung von Informationen über seine Erlaubnis und die Behörde, die ihm diese Erlaubnis erteilt hat, verpflichtet, da-mit der Anleger feststellen kann, ob der Marktintermediär als professioneller Teilnehmer das Recht hat, auf Grund der entsprechenden Erlaubnis die angebo-tenen Dienstleistungen zu erbringen, und ob seine Erlaubnis abgelaufen ist oder ausgesetzt oder entzogen wurde. Auf diese Weise kann der Anleger sich verge-wissern, dass er die Wertpapierdienstleistungen von einer ordnungsgemäß zuge-lassenen juristischen Personen erhält, die den Verhaltens- und Organisationsre-geln unterliegt und für ihre Einhaltung durch den Staat bzw. die FWpMK beauf-sichtigt wird. Dadurch wird der Anleger vor dem Kauf von Wertpapierdienst-leistungen von einem auf dem Wertpapiermarkt illegal tätigen Vermittler, der weder den gesetzlichen Verhaltensstandards noch den Organisations- noch Sol-venzanforderungen entspricht, geschützt. Die Informationen über die Struktur des Kapitals des professionellen Teilneh-mers des Wertpapiermarkts sind für den Schutz der Anleger insofern wichtig, als sie es dem Anleger erlauben, einen Eindruck zu gewinnen, wie gut die Kapitali-sierung des professionellen Teilnehmers ist, ob er die gesetzlichen Anforderun-gen an das Eigenkapital erfüllt, und auf Grundlage dieser Informationen die Sta-bilität seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Lage zu beurteilen. Der Gesetzge-ber ignoriert allerdings dabei vollkommen das Problem, dass Privatanleger oft mangels der notwendigen juristischen und wirtschaftlichen Kenntnisse solche Informationen nicht bewerten können. Dies stellt eine Lücke im Anlegerschutz dar, weil es die Erteilung solcher Informationen an Kleinanleger faktisch sinnlos macht. Gleichwohl sind die Anlegerinteressen durch diese Regulierungslücke nicht ernsthaft gefährdet. Solange der professionelle Teilnehmer des Wertpapier-markts über eine gültige Erlaubnis verfügt, unterliegt er der staatlichen Aufsicht, die nicht nur für die Einhaltung der Verhaltens- und Organisationsregeln durch den professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts sorgt, sondern auch die Erfüllung der Anforderungen zum Stamm- und Eigenkapital überprüft.779 Inso-fern stellt die Vorlage einer gültigen Erlaubnis einen Beweis dafür dar, dass der Marktintermediär die Solvenzanforderungen erfüllt.

779 Siehe S. 117, 1. Begriff des „professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts“ nach

russischem Recht.

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b) Informationen über vertragliche Verpflichtungen des Marktintermediä-res Die Pflicht zur Erteilung von Informationen über die Erfüllung der Verpflich-tungen aus einem Wertpapierkauf-/-verkaufvertrag ist nicht direkt im Gesetz, sondern in einem Normativakt der FWpMK begründet.780 Gemäß Ziff. 2.1. Spiegelstr. 2 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit so-wie gemäß Art. 1020 Nr. 4 ZGB sind die Broker und die Vermögensverwalter jeweils verpflichtet, dem Anleger Berichte über die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen vorzulegen.781 Die dem Anleger auf Grundlage dieser Pflicht zu übermittelnden Informationen sollen ihm eine Überwachung der Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Marktintermediär – in erster Linie die Beurteilung, dass sein Auftrag zu den bestmöglichen Bedingungen erfüllt wur-de – ermöglichen.782 Mit dieser Regel versucht die FWpMK, die allgemeine Transparenz der Geschäfte, die von dem Broker abgeschlossen werden, zu ge-währleisten. Diese durch die FWpMK eingeführte Informationspflicht wurde in die NAU-FOR-Regeln übernommen. Art. 14 Abs. 4 S. 1 der NAUFOR-Regeln erlegt ei-nem NAUFOR-Mitglied die Pflicht auf, dem Kunden alle erforderlichen Infor-mationen sowohl über die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vertrag als auch über die Ausführung der Kundenaufträge mitzuteilen. Die NAUFOR-Regeln unterstellen diese Informationen den Anforderungen der Vollständigkeit und Objektivität.783 Diese Informationspflicht verfolgt das Ziel, dem Kunden Transparenz im Hin-blick auf die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen des Marktintermediä-res zu gewährleisten und ihm damit die Beurteilung zu ermöglichen, ob der Marktintermediär unter Wahrung seiner Interessen gehandelt hat. Sie gewähr-leistet eine Garantie der Stabilität der vertraglichen Beziehung zwischen dem Anleger und dem Marktintermediär.

780 Bei der Festlegung dieser Informationspflicht handelte die FWpMK im Rahmen der

ihr in Art. 42 Abs. 1 Spiegelstr. 3 WpMG gewährten Befugnis, einheitliche Anforde-rungen an die Regeln der Durchführung der professionellen Tätigkeit auf dem Wert-papiermarkt festzulegen. Vgl. S. 126, 1. Föderale Wertpapiermarktkommission.

781 Vgl. Tkač, Bankovskoje Pravo Nr. 1 (2002), S. 23. 782 Zu den praktischen Schwierigkeiten solcher Beurteilung siehe Makeeva, Vestnik

NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 35. 783 Auch Art. 10 Abs. 2 S. 2 der NAUFOR-Regeln verpflichtet das NAUFOR-Mitglied

zur Erstattung eines Berichts über die Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Kun-den. Der Bericht soll den Kriterien der Vollständigkeit und Objektivität entsprechen. Art. 15 Abs. 3 der NAUFOR-Regeln. Vgl. auch Art. 15 Abs. 3 der NAUFOR-Regeln.

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c) Andere Informationen Die informationelle Transparenz kommt den professionellen Anlegern und den Kleinanlegern gleichermaßen zugute. Sollte es sich allerdings um einen Privat-anleger handeln, obliegt es dem professionellen Teilnehmer des Wertpapier-markts, einen solchen Anleger zusätzlich über die Rechte und Garantien zu un-terrichten, die ihm aus dem ASchG sowie anderen föderalen Gesetzen und Rechts- und Normativakten zugute kommen (Art. 6 Nr. 5 ASchG),784 einschließ-lich seines Rechts, die in Art. 6 ASchG vorgesehenen Informationen zum recht-lichen Status des Marktintermediäres sowie über das beabsichtigte Geschäft zu verlangen.785 Das ist eine der wenigen Stellen in der russischen Rechtssetzung, an der dem Unterschied zwischen einem professionellen Anleger und einem Kleinanleger Rechnung getragen wird und die erhöhte Schutzbedürftigkeit des Letzteren Anerkennung findet. Interessant ist auch, dass der professionelle Teil-nehmer des Wertpapiermarkts den Anleger in dieser Situation juristisch berät. d) Zwischenergebnis Die russische Gesetzgebung sorgt für die Herstellung der informationellen Transparenz auf dem Wertpapiermarkt u.a. dadurch, dass sie dem professionel-len Teilnehmer des Wertpapiermarkts weitgehende Informationspflichten ge-genüber dem Anleger auferlegt. Im Rahmen dieser Pflichten muss der professi-onelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts vor allem den Kleinanleger auf seine Anfrage über sein Recht, im Vorfeld der Anlageentscheidung Informationen ü-ber den rechtlichen Status des professionellen Teilnehmers des Wertpapier-markts und über die Wertpapiere, an denen er interessiert ist, zu verlangen, so-wie über die anderen ihm auf Grundlage der Rechtssetzung zum Anlegerschutz zugute kommenden Rechte und Garantien unterrichten. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass institutionelle Anleger sich mit der Gesetzgebung ausken-nen und keine Auskunft über ihnen daraus zugewachsene Rechte und Garantien brauchen. Diese Informationspflicht besteht nicht per se, sondern erst auf Anfrage des An-legers. Sie bezweckt die Herstellung der informationellen Transparenz im Hin-blick auf die auf dem Wertpapiermarkt tätigen Unternehmen und trägt effektiv

784 Ähnlich Ziff. 2.1 Spiegelstr. 11 und 12 und Ziff. 3.1 Spiegelstr. 6 der Regeln zur

Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit sowie Art. 16 Abs. 1 der NAUFOR-Regeln.

785 Siehe ausführlich auf S. 238, a) Informationen über den Marktintermediär und S. 242, 2. Informationen als Grundlage der Anlageentscheidung.

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zum Anlegerschutz bei, weil sie dem Anleger die Möglichkeit gewährt, sicher-zustellen, dass er ausschließlich die Dienstleistungen eines ordnungsgemäß zu-gelassenen professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts, der durch die entsprechende staatliche Behörde in Bezug auf das Eigenkapital sowie die Ein-haltung der Organisations- und Verhaltensregeln beaufsichtigt wird, in An-spruch nimmt. Die Informationspflicht des Marktintermediäres dient auch der Herstellung von Transparenz im Hinblick auf den Abschluss der Geschäfte und die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Anleger. Da-durch erhält der Anleger die Möglichkeit, die Handlungen des Marktintermediä-res zu kontrollieren und sich zu vergewissern, dass der Marktintermediär seinen vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen ist und in Über-einstimmung mit seinen Interessen gehandelt hat. 2. Informationen als Grundlage der Anlageentscheidung Ähnlich wie das europäische bzw. deutsche Recht beinhaltet das russische Recht das Konzept, dass der Anleger für seine Anlageentscheidung bestimmte Infor-mationen braucht und dass ihm diese durch den Marktintermediär im Vorfeld seiner Anlageentscheidung zur Verfügung gestellt werden müssen. a) Weitergabe der Informationen Das ASchG (Art. 6 Nr. 3) verpflichtet den Marktintermediär, dem Anleger, der von ihm Wertpapiere kaufen will oder diesen Marktintermediär beauftragt, für ihn Wertpapiere zu erwerben,786 die folgenden Informationen zur Verfügung zu stellen: (1) Informationen über die staatliche Registrierung der Emission der Wertpapiere sowie ihre Registrierungsnummer, (2) die in der Entscheidung über die Emission sowie im Prospekt enthaltenen Daten, (3) Informationen über die Preise und Börsenkurse der Wertpapiere im Laufe der letzten sechs Wochen o-der Informationen darüber, dass diese Wertpapiere nicht auf dem organisierten Markt gehandelt wurden, (4) Informationen über die Preise, zu denen diese Wertpapiere vom Marktintermediär innerhalb der letzten sechs Wochen gekauft oder veräußert wurden oder eine Bestätigung, dass der Marktintermediär mit

786 Auch diese Informationspflicht trifft den Marktintermediär gemäß Art. 6 Nr. 3 ASchG

erst nach der Anfrage des Anlegers. Vgl. S. 238, a) Informationen über den Marktin-termediär.

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diesen Wertpapieren nicht gehandelt hat, (5) Bewertung dieser Wertpapiere durch eine zugelassene Ratingagentur.787 Die Erteilung dieser Informationen soll dem Anleger einen Eindruck vom Anla-geprodukt verschaffen. Insoweit entspricht die Zielrichtung dieser Informations-pflicht der in § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG begründeten Informationspflicht.788 Wäh-rend allerdings die in § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG enthaltene Informationspflicht per se besteht, entsteht die in Art. 6 Nr. 3 ASchG begründete Informationspflicht erst auf Anfrage des Anlegers. Auch der Inhalt der nach russischem Recht mit-zuteilenden Informationen unterscheidet sich vom Inhalt der im WpHG enthal-tenen Informationspflicht. Es stellt sich die Frage, ob die im ASchG vorgesehe-nen Informationen tatsächlich als Grundlage einer informierten, risikobewussten Anlageentscheidung ausreichen. Dies scheint nicht ganz der Fall zu sein. Erstens reicht die Weitergabe des Prospekts und der in der Emissionsentscheidung ent-haltenen Informationen an den Anleger nicht aus, um den Anleger in die Lage zu versetzen, die Risiken einer Anlage einzuschätzen. Insbesondere die Kleinan-leger, die nicht über hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, brau-chen über diese Angaben hinausgehende Informationen (z.B. über die Situation auf dem Wertpapiermarkt) sowie Aufklärung (z.B. zu den besonderen Risiken, die mit dem konkreten Anlageprodukt oder mit einer bestimmten Art der Wert-papiere verbunden sind [die ihnen allerdings mangels entsprechender Erfahrung verborgen bleiben]). Die informationellen Grundlagen dieser Pflicht müssen, wie es im deutschen Recht der Fall ist, um die Informationen zur wirtschaftli-chen Lage des Emittenten sowie die Informationen über die Marktsituation und das Anlageprodukt ergänzt werden.789 Auch Art. 30 Abs. 18 WpMG gleicht die-sen Mangel der Informationspflicht nur teilweise aus (siehe ausführlich unten). Zweitens scheinen die Informationen über die Preise und Kurse der Wertpapiere innerhalb der sechs Wochen vor deren Kauf nicht ohne weiteres aussagekräftig zu sein. Die Stabilität oder die Schwankungen der Preise bzw. des Kurses eines Wertpapiers können von mehreren Faktoren abhängen. Wenn der Anleger diese Faktoren nicht kennt oder mangels entsprechender Kenntnisse und Erfahrungen nicht richtig einschätzen kann, ist er nicht in der Lage, alleine auf Grund der Preise bzw. des Kurses einen objektiven Eindruck über die Wirtschaftlichkeit seiner Anlage zu gewinnen. Außerdem stellt sich die Frage, ob diese Informati-

787 Gemäß Art. 6 Nr. 4 ASchG muss der Marktintermediär dem Anleger die unter (3) und

(4) genannten Informationen auch beim Verkauf der Wertpapiere durch Letzteren mit-teilen.

788 Siehe S. 200, a) § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. 789 Siehe S. 168, a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31

Abs. 2 Nr. 2 WpHG.

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onen den gleichen Wert für unterschiedliche Anlagestrategien haben. Zwar mö-gen sie bei Spekulationsgeschäften eine wichtige Rolle spielen, jedoch ist ihre Aussagekraft bei langfristigen Anlagestrategien kaum beachtenswert. Daher stellen die Informationen über Preise und Börsenkurse auf dem russischen Kapi-talmarkt, der immer noch sehr instabil ist und dem es oft an Liquidität fehlt, kei-ne zuverlässige Grundlage für eine Anlageentscheidung dar. In diesem Zusammenhang erscheint die Anforderung, dem Anleger Informatio-nen über die Bewertung der Wertpapiere durch eine Ratingagentur zur Verfü-gung zu stellen, sehr wichtig. Sie stellt einen Versuch dar, die durch die Mängel anderer Informationen im Anlegerschutz entstandenen Lücken auszugleichen. Gemäß Art. 6 Nr. 3 und Nr. 4 ASchG sind die in diesem Artikel vorgesehenen Informationen, die der Marktintermediär einem Anleger im Vorfeld eines Wert-papierkaufs/-verkaufs mitteilen muss, dem Anleger zusätzlich zu den in anderen Gesetzen sowie Rechts- und Normativakten vorgesehenen Informationen mitzu-teilen.790 In erster Linie gehören zu den Informationen, die die professionellen Teilneh-mer des Wertpapiermarkts den Anlegern auf Grundlage anderer Gesetze über-mitteln müssen, die in Art. 30 Abs. 18 WpMG vorgesehenen Informationen. Art. 30 Abs. 18 WpMG verpflichtet den professionellen Teilnehmer des Wert-papiermarkts, beim Angebot oder bei der Mitteilung des Preises eines Wertpa-piers seinem Kunden die vom Emittenten dieses Wertpapiers offen gelegten In-formationen mitzuteilen oder zu offenbaren, dass ihm solche Informationen feh-len. Grundsätzlich ähnelt der Inhalt dieser Informationspflicht derjenigen des Art. 6 Nr. 3 Spiegelstr. 2 ASchG. Beide Gesetze stellen in erster Linie sicher, dass der Anleger die im Prospekt und in der Entscheidung über die Emission enthaltenen Informationen über die Wertpapiere sowie ihren Emittenten erhält. Allerdings geht die im WpMG begründete Informationspflicht über die des ASchG insofern hinaus, als sie auch die in den regelmäßigen (z.B. Quartals-) Berichten des Emittenten enthaltenen sowie anderen Informationen (z.B. Pres-semitteilungen) erfasst.791 Außerdem sind die in Art. 30 Abs. 18 WpMG vorge-sehenen Informationen (im Gegensatz zu den im Art. 6 Nr. 3 Spiegelstr. 2 ASchG festgelegten Informationen) dem Anleger auch ohne Anfrage (solange 790 Diese Pflicht betrifft nicht nur den Marktintermediär, sondern auch den Emittenten.

Art. 89 Aktiengesetz verpflichtet den Emittenten, die Dokumente betreffend u.a. seine Gründung, seine Inhaber und Unternehmen, die zu derselben Unternehmensgruppe gehören, sowie seine Finanzberichte aufzubewahren und den Anlegern zur Verfügung zu stellen. Vgl. auch Krapivin/Vlasov; S. 389 ff.

791 Vgl. Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’ predprinimatelja Nr. 6 (1998), S. 83. Ausführlich zum Inhalt der Offenlegungspflicht des Emittenten Vajpan, S. 40 ff.

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der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts über solche Informationen verfügt) mitzuteilen. Dies ähnelt der im europäischen bzw. deutschen Recht ent-haltenen Informationspflicht. Es ist enttäuschend, dass sich auch der Inhalt der in Art. 30 Abs. 18 WpMG be-gründeten Informationspflicht auf eine reine Weitergabe der vom Emittenten of-fen gelegten Informationen an den Anleger beschränkt und den professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts nicht verpflichtet, dem Anleger diese Infor-mationen und ihre Bedeutung für seine Anlageentscheidung näher zu erläutern. Die Mitteilung solcher Informationen findet ohne Berücksichtigung der Schutz-bedürftigkeit einzelner Anleger statt. Gemäß der sowohl im WpMG als auch im ASchG enthaltenen Informationspflicht stehen den professionellen Anlegern und den Kleinanlegern dieselben Informationen in demselben Maße zu. Es fehlt auch die Pflicht des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts, dem Anleger über die vom Emittenten offen gelegten Informationen hinausgehende Informationen zur Verfügung zu stellen, sofern solche Informationen für die An-lageentscheidung von Bedeutung sein können. Damit übersieht der Gesetzgeber, dass der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts kraft seiner Stellung und Machtposition in der Lage ist, dem Anleger die für seine Anlageentschei-dung wesentlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, zu denen der Anle-ger selbst keinen Zugang hat. Nur die nach Art. 30 Abs. 18 WpMG mitzuteilen-den Informationen stellen einen Mindeststandard dar, auf den die Anleger nicht verzichten können. Der Verzicht auf die im Art. 6 ASchG begründete Informati-onspflicht besteht darin, dass der Anleger von der Anfrage, ihm die entspre-chenden Informationen mitzuteilen, absieht. Insofern überlässt es der Gesetzge-ber dem Anleger, ob er sich für erfahren genug hält und von seinem Recht, die für seine Anlageentscheidung relevanten Informationen zu erhalten, Gebrauch machen will. Dabei besteht die Gefahr, dass gerade die unerfahrenen Anleger auf die Informationen verzichten, weil sie diese eher nicht verstehen und inso-fern für überflüssig halten. Eine weitere Schwäche dieser Informationspflicht stellt die dem professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts gewährte Mög-lichkeit dar, sich dieser Pflicht durch einen Hinweis an den Anleger, dass ihm die vom Emittenten offen gelegten Informationen fehlen, zu entledigen. b) Aufklärungspflicht des Brokers Es scheint nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen zu sein, die Informati-onspflicht alleine auf die Weitergabe bestimmter Daten und Dokumente begren-zen zu wollen. Er hat der FWpMK in Art. 30 Abs. 19 WpMG die Befugnis er-teilt, den Inhalt dieser Informationspflicht sowie die Fristen und Verfahren, ge-mäß denen die Informationen durch die professionellen Teilnehmer des Wertpa-

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piermarkts offen zu legen sind, zu konkretisieren. Die FWpMK hat bislang diese Aufgabe nur zum Teil erfüllt. Sie hat die entsprechenden Erläuterungen ledig-lich in Bezug auf Broker erlassen.792 Die FWpMK hat in Ziff. 3.1 Spiegelstr. 4 und 5 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit dem Broker eine Pflicht auferlegt, die darauf ab-zielt, dem Anleger zu ermöglichen, die mit der Anlage in Wertpapiere verbun-denen Risiken zu verstehen und einzuschätzen. Diese Vorschrift begründet eine Aufklärungspflicht, die über die im WpMG und im ASchG im Zusammenhang mit dem Angebot oder Kauf bestimmter Wertpapiere enthaltene Informations-pflicht hinausgeht.793 Gemäß Ziff. 3.1 Spiegelstr. 4 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit muss ein Broker einem Anleger vor dem Abschluss des Vertra-ges zur Erbringung der Brokerdienstleistungen Informationen über die mit der Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt verbundenen Risiken übermitteln.794 Diese Pflicht ähnelt der im deutschen Recht begründeten Pflicht, den Anleger über die allgemeinen, mit der Anlage verbundenen Risiken zu unterrichten.795 Diese vor-vertraglichen Informationen bedürfen der Schriftform. Dies ist insofern zu be-grüßen, als es insbesondere einem unerfahrenen Anleger erlaubt, die ihm über-mittelten Informationen besser zu verstehen: Er kann zu jeder Zeit in der ent-sprechenden Informationsbroschüre nachlesen und sich vom professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts eine Aufklärung über schwer verständliche Informationen besorgen. Mit dieser Regelung stellt die FWpMK sicher, dass der Anleger, bevor er Verpflichtungen aus dem Brokervertrag übernimmt, ausrei-chende Informationen erhalten hat, die ihm ermöglichen, selbst seine Bereit-schaft, diese mit der Anlage auf dem Wertpapiermarkt verbundenen Risiken 792 Dies könnte daran liegen, dass der Broker, unabhängig davon, ob er als Vertreter oder

als Kommissionär handelt, vor dem Abschluss eines jeden Geschäfts Kontakt mit dem Anleger aufnehmen muss und daher am besten in der Lage ist, den Anleger über das konkrete Geschäft aufzuklären, während der Vermögensverwalter auf eigene Initiative handelt und Geschäfte ohne Kundenorders bzw. ohne Absprache mit dem Anleger ab-schließt. Insofern braucht der Vermögensverwalter dem Anleger keine Aufklärung zu den Risiken der von ihm abgeschlossenen Geschäfte zu geben. Dem Schutz der Anle-ger bei der Vermögensverwaltung wird dadurch Rechnung getragen, dass der Vermö-gensverwalter verpflichtet ist, Geschäfte nach Anlagerichtlinien im Interesse seiner Kunden abzuschließen, und er der zivilrechtlichen Haftung unterliegt, falls er gegen diese Pflicht verstößt und dem Anleger Schaden zufügt. Vgl. Markov/Černobaj, Vestnik NAUFOR Nr. 6 (1999), S. 53 f.

793 Siehe S. 242, 2. Informationen als Grundlage der Anlageentscheidung. 794 Vgl. Jakovlev, S. 18. 795 Siehe S. 1, a) Inhalt und Umfang der gesetzlichen Informationspflicht des § 31 Abs. 2

Nr. 2 WpHG.

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einzugehen, einzuschätzen und unter Berücksichtigung seiner finanziellen Mög-lichkeiten eine auf ihn zugeschnittene Anlagestrategie zu entwickeln. Leider ist die Reichweite der durch die FWpMK eingeführten Informations- bzw. Aufklärungspflicht mangels konkretisierender Vorschriften schwer einzu-schätzen. Es liegen keine weitere Ausführungen vor, die den Umfang und den Inhalt solcher Informationen näher konkretisieren. Insbesondere wird nicht der Gefahr entgegengewirkt, dass die Wertpapierfirmen Informationen auf zu all-gemeine und oberflächliche Aussagen über die typischen Risiken des Anlagege-schäfts beschränken und damit die anlegerschützende Rolle solcher Informatio-nen senken. Ziff. 3.1. Spiegelstr. 5 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertä-tigkeit erlegt dem Broker die Pflicht auf, dem Anleger kein Geschäft zu empfeh-len, ohne Maßnahmen dafür getroffen zu haben, dass der Anleger die mit diesem Geschäft verbundenen Risiken einschätzen kann.796 Diese Aufklärungspflicht entspricht zum Teil der im deutschen Recht begründeten Pflicht des Marktin-termediäres, den Anleger über die besonderen Risiken einer Anlage aufzuklären. Allerdings geht die im russischen Recht enthaltene Aufklärungspflicht über die-se Pflicht in zweifacher Hinsicht hinaus. Erstens können auch die allgemeinen Risiken einer Anlage nicht außer Acht bleiben, es sei denn, dass der Broker den Anleger über diese Risiken schon vorher informiert hat (vgl. Ziff. 3.1. Spie-gelstr. 4 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit). Zwei-tens muss der Broker den Anleger über die Risiken nicht nur aufklären, sondern sicherstellen, dass Letzterer die Aufklärung verstanden hat. Diese Anforderung impliziert den Grundsatz der anlegergerechten, nämlich auf den konkreten An-leger unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Erfahrungen zugeschnitte-nen Aufklärung. Sie richtet sich nach der individuellen Schutzbedürftigkeit des einzelnen Anlegers, die grundsätzlich dem im europäischen Recht enthaltenen Professionalitätsgrundsatz entspricht. Der Broker schuldet dem Anleger eine Aufklärung über die besonderen Risiken der Anlage nur, wenn er auf den Anleger mit einer Empfehlung zukommt.797 Sollte der Anleger aus eigener Initiative den Broker mit dem Kauf bestimmter Wertpapiere beauftragen, steht ihm keine Aufklärung über die Risiken der von ihm gewünschten Anlage zu. Das entspricht anscheinend dem im deutschen

796 M.E. bezieht sich die in Ziff. 3.1. Spiegelstr. 5 der Regeln zur Durchführung der Bro-

ker- und Dealertätigkeit begründete Aufklärungspflicht sowohl auf Empfehlung, die eine Dienstleistung gemäß dem Beratungsvertrag darstellt, als auch auf ein einfaches Angebot im Rahmen der Brokerdienstleistungen.

797 Vgl. Markov/Černobaj, Vestnik NAUFOR Nr. 6 (1999), S. 53 f.

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Recht enthaltenen Ansatz: Der Anleger, der gezielte Orders gibt und sich als er-fahren geriert, ist nicht schutzbedürftig und braucht über die besonderen Risiken der Anlage nicht aufgeklärt zu werden.798 Allerdings fehlt dem russischen Recht an dieser Stelle die Berücksichtigung der Erfahrenheit des Anlegers. Das wider-spricht dem Sinn der Entlastung des Marktintermediäres von der Aufklärungs-pflicht und stellt die anlegerschützende Funktion der Aufklärung in Frage. c) Konkretisierung der Informationspflicht in den NAUFOR-Regeln Die Informationspflicht der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts wird in den NAUFOR-Regeln im Hinblick auf die NAUFOR-Mitglieder (Bro-ker und Vermögensverwalter) weitgehend konkretisiert. Art. 10 S. 1 der NAU-FOR-Regeln erstreckt den Inhalt dieser Pflicht auf alle Informationen, die für die Anlageentscheidung des Kunden eines NAUFOR-Mitglieds erforderlich sind. Grundsätzlich darf der Marktintermediär mangels weiterer Konkretisierungen selbst beurteilen, welche Informationen jeder konkrete Kunde benötigt, um eine informierte, risikobewusste Anlageentscheidung zu treffen. Dabei kann er sich an den in Art. 14 Abs. 4 der NAUFOR-Regeln festgelegten Anhaltspunkten für solche Informationen orientieren. Art. 14 Abs. 4 S. 1 der NAUFOR-Regeln ver-pflichtet den Broker, alle angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, die dem An-leger eine adäquate Einschätzung des Charakters der Risiken ermöglichen. Art. 14 Abs. 4 S. 2 der NAUFOR-Regeln nennt beispielsweise einige Informati-onen, die für die Einschätzung der mit einem Geschäft verbundenen Risiken von Bedeutung sein können. Zu diesen zählen u.a. die Informationen über die Um-stände auf dem Wertpapiermarkt, über Preise und Kurse der Wertpapiere sowie über den Emittenten. Dabei dürfen dem Anleger nur objektive Informationen übermittelt werden. Das Kriterium der Objektivität sollte m.E. bedeuten, dass die dem Anleger mitzuteilenden Informationen nicht auf der subjektiven Dar-stellung des Emittenten beruhen, sondern unabhängigen Quellen (Presse, Mittei-lungen des Emittenten, Informationssysteme der FWpMK) entnommenen wur-den. Insofern sind die informationellen Grundlagen der Informationspflicht nach den NAUFOR-Regeln breiter als die gesetzlichen Grundlagen gefasst. Die NAUFOR-Regeln (Art. 15 Abs. 5) verbieten es dem Marktintermediär, dem Kunden Informationen zu verweigern, die seine Anlageentscheidung beeinflus-sen oder beeinflussen können. Die einzige in diesem Artikel vorgesehene Aus-

798 Siehe S. 186, cc) Die gesetzliche Aufklärungspflicht.

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nahme bezieht sich auf Informationen, die ein Geschäfts- oder Dienstgeheimnis darstellen. Im Gegensatz zu den im ASchG vorgesehenen Informationen sind diejenigen, die der Marktintermediär dem Anleger auf Grund der NAUFOR-Regeln schul-det, sowohl auf Anfrage des Letzteren als auch ohne eine solche Anfrage zur Verfügung zu stellen. Um dieser Pflicht nachzukommen, muss das NAUFOR-Mitglied alle legitimen und vernünftigen Maßnahmen treffen. Insofern erweitern die NAUFOR-Regeln die Grundlagen der Informationspflicht im Vergleich zur Rechtssetzung. Sie stellen auch sicher, dass der Anleger ein Minimum an Infor-mationen auf jeden Fall unabhängig davon erhält, ob er sein Recht, vom Markt-intermediär Informationen zu verlangen, geltend macht oder nicht. 3. Organisatorische Grundlagen der Informationspflicht Die Einhaltung der in Art. 6 ASchG enthaltenen Informationspflicht der Markt-intermediäre (siehe S. 237, 1. Informationelle Transparenz als Zielrichtung der Informationspflicht und S. 242, 2. Informationen als Grundlage der Anlageent-scheidung) wird nach russischem Recht durch eine entsprechende Organisati-onsregel sichergestellt. Ziff. 2.1 Spiegelstr. 10 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit verpflichtet den Broker zur Einführung eines inter-nen Verfahrens, dessen Zweck ist, die erforderlichen Informationen und Doku-mente dem Anleger zu übermitteln. Bei der Festlegung dieses Verfahrens soll den Mitteln und der Art und Weise der Übermittlung von Informationen sowie der Höhe und dem Verfahren der Kostenerstattung Rechnung getragen werden. Dadurch, dass sie die Informationspflicht auf eine entsprechende Organisations-pflicht stützt, stellt die FWpMK sicher, dass sie die Möglichkeit hat, dieses Ver-fahren zu prüfen und dadurch die Einhaltung der Informationspflicht durch Marktintermediäre sicherzustellen. Eine solche Regelung wirkt präventiv und trägt effektiv zum Schutz der Anleger bei. Allerdings beschränkt sich die in Art. 6 ASchG enthaltene Organisationsregel auf das Verfahren der Übermittlung der Informationen. Im Gegensatz zum deut-schen Recht kennt die russische Rechtssetzung keine Pflicht des Marktinterme-diäres, den Informationsfluss innerhalb des Unternehmens so zu organisieren, dass der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts in die Lage versetzt wird, den Anleger über das ihn interessierende Anlageprodukt zu informieren.799 Es bleibt den Marktintermediären selbst überlassen, wie sie die notwendigen In-formationen beschaffen. Dies stellt eine Schwachstelle im Anlegerschutz dar.

799 Siehe Fn. 540.

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4. Durchsetzung der Informationspflicht Die gemäß Art. 6 ASchG dem Anleger mitzuteilenden Informationen (siehe S. 237, 1. Informationelle Transparenz als Zielrichtung der Informationspflicht und S. 242, 2. Informationen als Grundlage der Anlageentscheidung) müssen gemäß Art. 6 Nr. 7 ASchG wahr, vollständig und nicht irreführend sein. Sollte der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts diese Anforderungen nicht eingehalten haben, darf der Anleger gemäß Art. 6 Nr. 7 ASchG die Ände-rung oder Auflösung des mit dem Marktintermediär abgeschlossenen Vertrages verlangen. Der Anleger befindet sich gegenüber dem Marktintermediär wegen seiner intellektuellen und wirtschaftlichen Unterlegenheit sowie mangels eines direkten Zugangs zum Wertpapiermarkt in einer schwachen Position. Art. 6 Nr. 7 ASchG zielt auf den Ausgleich dieser Schwäche ab, in dem er der schwä-cheren Vertragspartei zusätzliche Rechte gewährt und dadurch das Gleichge-wicht in der Beziehung zwischen einem Marktintermediär und einem Anleger wieder herstellt. Ein Anspruch des Anlegers auf einseitige Änderung oder Auf-lösung des Vertrages stellt eine Ausnahmeregelung800 sowie eine Einschränkung der zivilrechtlichen Freiheiten des Marktintermediäres dar, die gemäß Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 ZGB zum Schutz der Rechte und legitimen Interessen des Anlegers erforderlich ist.801 Die Effizienz dieser Regelung für den Anlegerschutz ist fraglich, da die nach-trägliche Änderung oder Auflösung des Vertrages eine bereits eingetretene Ver-letzung der Rechte des Anlegers weder wieder gutmachen noch den ihm zuge-fügten Schaden ersetzen kann. So kann z.B. der Anleger vor Gericht eine Klage auf Aufnahme einer Klausel, die den Marktintermediär zur Zahlung der vertrag-lichen Bußgelder verpflichtet, in den Vertrag erheben, wenn die ihm mitgeteilten Informationen unvollständig, falsch oder irreführend waren. Die Vertragsauflö-sung ist oft mit finanziellen Verlusten für die Anleger verbunden. Diese müssen ihm durch den Marktintermediär ersetzt werden.802 Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob diese Rechtsnorm ausreichend für den Schutz der Anlegerinteres-sen sorgt. Wie Sinenko zu Recht anmerkt, hat diese Norm einen präventiven Charakter und bedeutet keine negativen finanziellen Folgen für den professio- 800 Grundsätzlich ist nach Art. 450 Nr. 2 und Art. 452 ZGB die Änderung oder Auflösung

eines Vertrages nur nach gegenseitiger Einigung der Vertragsparteien zulässig. Eine einseitige Änderung oder Auflösung des Vertrages ist nur ausnahmsweise möglich und bedarf gemäß Art. 450 N. 2 Spiegelstr. 2 ZGB einer Gerichtsentscheidung, die nur in den im ZGB, in einem anderen Gesetz oder im Vertrag selbst ausdrücklich vorgesehe-nen Fällen getroffen werden darf. Art. 6 Nr. 7 ASchG stellt einen dieser Fälle dar.

801 Siehe S. 100, 4. Geschichte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. 802 Vgl. Sinenko, S. 186 f.

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nellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts.803 Seines Erachtens erfordern die Inte-ressen des Anlegerschutzes, dass in Folge der Auflösung des Vertrages zwi-schen einem Anleger und einem Marktintermediär der Letztere nur verpflichtet wird, dem Ersten alle Leistungen nach dem Vertrag sowie als Strafe alle Gewin-ne dem Staat zu gewähren. Anleger, denen die Informationen auf ihre Anfrage nicht zur Verfügung gestellt wurden, können sich über diesen Missstand bei der FWpMK beschweren, die ih-rerseits dem Marktintermediär eine schriftliche Anweisung, die ihn zur Erteilung solcher Informationen verpflichtet, erteilen kann.804 So hat das Wirtschaftsge-richt des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, in einer Entscheidung805 die An-weisung der FWpMK für rechtskonform gehalten und bestätigt, dass die FWpMK befugt ist, bei der Feststellung eines Verstoßes gegen die Rechte des Anlegers (in diesem Fall sein Recht, Informationen zu erhalten) dem Marktin-termediär schriftliche Anweisungen zu geben, und ihn zu verpflichten, den Ver-stoß zu beheben, sowie gegen ihn disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen und die Durchführung der professionellen Tätigkeit durch diesen Marktintermediär für die Dauer von nicht länger als sechs Monaten einzugrenzen oder zu untersa-gen (Art. 11 Nr. 2 Abs. 2 ASchG).806 Grundsätzlich unterliegt der Marktintermediär der deliktischen Haftung, wenn er gegen seine gesetzlichen Informationspflichten verstoßen und dadurch dem An-leger Schaden zugefügt hat.807 Z.B. unterliegt der Marktintermediär der Pflicht, die im Emissionsprospekt enthaltenen Informationen zu prüfen, bevor er diesen Prospekt unterschreibt.808 Sollten im Prospekt doch falsche Informationen ent-halten sein, ist er zum Schadensersatz gegenüber den geschädigten Anleger sub-sidiär verpflichtet. Das Recht des Anlegers, die in der Rechtssetzung vorgesehenen Informationen zu erhalten, wird sowohl auf dem Wege des Zivilrechts als auch des öffentlichen Rechts durchgesetzt. So sieht Art. 15.19 Nr. 1 des Gesetzbuchs über Verstöße gegen öffentliches Recht vor, dass Bußgelder in Höhe von 20 bis 30 Mindestge-

803 Sinenko, S. 187. 804 Vgl. S. 126, 1. Föderale Wertpapiermarktkommission. 805 Das Wirtschaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, Entscheidung

Nr. KA-A40/3902-03, v. 20.6.2003, www.consultant.ru/full, S. 2. 806 Ähnlich Oberstes Wirtschaftsgericht, Entscheidung Nr. 944/02 v. 15.3.2002, Con-

sul’tant plus/Arbitraž, S. 1 f. 807 Ähnlich Art. 14 Abs. 4 der NAUFOR Regeln. Vgl. auch Treušnikov; S. 78 f. 808 Vgl. Sinenko, S. 203 f.

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hältern809 (entspricht ungefähr Euro 353 bis 529) auf die Geschäftsführung so-wie in Höhe von 200 bis 300 Mindestgehältern (entspricht ungefähr Euro 3.529 bis 5.294) den juristischen Personen auferlegt werden können, die dem Anleger auf seine Anfrage falsche oder gar keine Informationen mitgeteilt haben. Solche Bußgelder stellen ein wirksames Instrument des Anlegerschutzes dar, mit dem die FWpMK gegen die Verstöße der Marktintermediäre gegen ihre Informati-onspflichten effektiv vorgeht und auf diese Weise die Einhaltung dieser Pflich-ten durchsetzt. Eine böswillige Verweigerung der Informationen gegenüber einem Anleger kann auch zur Auferlegung von strafrechtlichen Sanktionen auf den Geschäfts-führer des professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts nach Art. 185.1 Strafgesetzbuch führen.810 Die strafrechtliche Haftung stellt einen weiteren Durchsetzungsmechanismus dar, der auf die Gewährleistung der informationel-len Transparenz auf dem Wertpapiermarkt abzielt. 5. Zwischenergebnis Ähnlich wie das europäische und das deutsche Recht verfolgt das russische Recht mit der Einführung der Informationspflicht der Marktintermediäre das Ziel, den Anleger vor Verlusten aus Fehlentscheidungen in Bezug auf den Wert-papiererwerb zu schützen. Zu diesem Zweck verpflichtet das russische Recht die Marktintermediäre, dem Anleger Informationen mitzuteilen, die ihm eine infor-mierte, risikobewusste und eigenverantwortliche Anlageentscheidung ermögli-chen. Dabei stellt der Gesetzgeber sicher, dass der Anleger ein Minimum an In-formationen, die genau im ASchG und im WpMG bestimmt sind, erhält. Auf Grundlage dieser Informationen wird dem Anleger ein Mindestniveau an Schutz gewährleistet. Teilweise darf der Anleger selbst bestimmen, ob er die ihm auf Grund des Ge-setzes zugute kommenden Informationen braucht, weil die Informationspflicht des Marktintermediäres in den in Art. 6 ASchG vorgesehenen Fällen erst auf Anfrage des Anlegers entsteht. Der Gesetzgeber stellt in Bezug auf Kleinanleger sicher, dass sie über die Notwendigkeit, Informationen zu verlangen, informiert sind. Allerdings mach er damit die Anleger selbst dafür verantwortlich, dass sie keine Informationen erhalten haben, wenn sie diese vom Marktintermediär nicht

809 Ab dem 1.10.2003 beträgt die Höhe des Mindestgehalts gemäß Art. 1 des Gesetzes

über Mindestgehälter 600 Rubel. Der offizielle Wechselkurs nach Angaben der Zent-ralbank der Russischen Föderation am 7.11.2003 war: Euro 1: Rubel 34 (www.cbr.ru).

810 Vgl. Kamynin, Zakonnost’ Nr. 7 (2002), S. 6 und 9 f.

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verlangen. Diese Regelung stellt eine Schwachstelle im russischen Recht dar, weil insbesondere die besonders schutzbedürftigen Kleinanleger in der Praxis dazu neigen, von der Anforderung solcher Informationen abzusehen, wenn sie befürchten, solche Informationen nicht verstehen zu können, und sich mit diesen überfordert fühlen. Gleichwohl beinhaltet auch das russische Recht eine zwin-gende unabdingbare Informationspflicht, die zum Zweck hat, die Übermittlung der Informationen über die vom Anleger gewünschte Anlage an den Anleger unabhängig von seiner Anfrage sicherzustellen. Allerdings ist der Inhalt dieser Pflicht auf die Weitergabe der durch den Emittenten offen gelegten Informatio-nen begrenzt. Die gesetzliche Informationspflicht, gemäß der der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts dem Anleger im Vorfeld der Anlageentschei-dung des Letzteren Informationen über die Wertpapiere zur Verfügung stellen muss, ist in der russischen Zivilgesetzgebung zu eng gefasst und verfehlt deswe-gen das Ziel, die Informationsdefizite des Anlegers auszugleichen. Das russische Recht enthält auch eine Aufklärungspflicht des Brokers. Diese soll dem Anleger eine risikobewusste Anlageentscheidung dadurch ermöglichen, dass sie sicherstellt, dass der Anleger sowohl über die allgemeinen als auch über die besonderen Risiken der Anlage aufgeklärt wird und diese Risiken versteht. Damit sorgt die russische Rechtssetzung dafür, dass die besondere Stellung und die Kenntnisse des Marktintermediäres, der als Vermittler zwischen dem Anle-ger und – bei der Erstplatzierung – dem Emittenten oder – wenn die Wertpapiere auf dem Sekundärmarkt gehandelt werden – einem anderen Anleger auftritt, zu Gunsten des Anlegers eingesetzt werden. Leider ist diese Aufklärungspflicht auf die Situationen beschränkt, in denen der Broker dem Anleger ein Wertpapier empfiehlt oder anbietet. Sie entfällt, wenn der Anleger dem Broker einen geziel-ten Auftrag erteilt. II. Beratungspflicht Ähnlich wie im deutschen Recht811 stellt die Beratung nach dem russischem Recht keine erlaubnispflichtige professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapier-markt dar.812 Sie darf nicht nur durch professionelle Teilnehmer des Wertpa-piermarkts, sondern auch durch juristische Personen und Unternehmer, die un-ternehmerische (nach WpMG nicht erlaubnispflichtige) Tätigkeit auf dem Wert-papiermarkt ausüben, erbracht werden. Wie im deutschen Recht auch lässt sich die Beratungspflicht nach russischem Recht einem Beratungsvertrag entnehmen.

811 § 2 Abs. 3 Nr. 3 WpHG ordnet Anlageberatung unter die Wertpapiernebendienstleis-

tungen ein. Siehe Fn. 245. 812 Vgl. Fn. 375.

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Dieser wird in erster Linie durch das ZGB geregelt. Unten wird zunächst die Be-ratungspflicht unter Berücksichtigung der ZGB-Vorschriften, die auf den Bera-tungsvertrag Anwendung finden, dargestellt und ihre Rolle für den Anleger-schutz erläutert. Sodann wird auf die in den NAUFOR-Regeln enthaltene Bera-tungspflicht der Marktintermediäre insofern eingegangen, als diese die gesetzli-chen Vorschriften erläutert oder ergänzt. Dabei ist zu beachten, dass die ZGB-Vorschriften für Beratungsverträge einschlägig sind, die sowohl mit den profes-sionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts als auch mit den reinen Anlagebe-ratern abgeschlossen werden, während die NAUFOR-Regeln ausschließlich für NAUFOR-Mitglieder, zu denen nur die professionellen Teilnehmer des Wertpa-piermarkts gehören, gelten. 1. Beratungspflicht nach Zivilgesetzgebung Die russische Rechtssetzung sieht ausdrücklich vor, dass die Anlageberatung den Anlegern durch Broker angeboten wird.813 In der Praxis werden Beratungs-dienstleistungen oft auch durch reine Anlageberater, die keine professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts sind, erbracht. Ob auch Vermögensverwalter die Anleger im Hinblick auf die mögliche Ausgestaltung der Anlagerichtlinien beraten müssen, kann weder der Rechtsliteratur noch der Rechtssetzung ent-nommen werden. Sollte zwischen einem Anleger und einem Vermögensverwal-ter oder einem Anlageberater ein Beratungsvertrag zustande kommen, würde er denselben Vorschriften des ZGB wie ein mit einem Broker abgeschlossener Be-ratungsvertrag unterliegen und daher keine grundlegenden Unterschiede zum Letzteren aufweisen. Aus diesem Grund wird hier auf die Beratungspflicht der Vermögensverwalter oder der reinen Anlageberater nicht separat eingegangen und von der Beratungspflicht, die einem Vertrag zwischen einem Anleger und einem Marktintermediär zu entnehmen ist, gesprochen. Nach der russischen Rechtsmethodik unterliegt ein zwischen einem Marktinter-mediär und einem Anleger abgeschlossener Beratungsvertrag in erster Linie den Bestimmungen des ZGB über entgeltliche Dienstleistungsverträge (Art. 779 bis 783 ZGB).814 Der Abschluss eines entgeltlichen Dienstleistungsvertrages bedarf einer ausdrücklichen Einigung der Vertragsparteien über zumindest den Gegens-

813 Vgl. Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’ predprinimatelja Nr. 10 (1998), S. 38. 814 Im Gegensatz zum deutschen Recht stellt der Beratungsvertrag nach dem russischen

Recht eine entgeltliche Vereinbarung dar (Art. 779 Nr. 1 ZGB). Vgl. Suhanov, Kapitel 43 § 2 (2). Sollten die Parteien im Vertrag selbst weder den Preis noch die Methodik seiner Berechnung festgelegt haben, wird die Höhe des Entgeltes auf Grundlage des Art. 424 Nr. 3 ZGB berechnet.

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tand des Vertrages.815 Deswegen ist zwischen einem Marktintermediär und ei-nem Anleger eine Vereinbarung zur Form (ob die Dienstleistung mündlich oder schriftlich erbracht wird)816 und zum Inhalt (was im Rahmen der Dienstleistung gewährleistet werden soll) der Beratung zu treffen.817 Nach russischem Recht ist ein Beratungsvertrag ausdrücklich abzuschließen und bedarf der Schriftform.818 Ein konkludenter Abschluss eines Beratungsvertra-ges – wie es im deutschen Recht der Fall ist – ist zwar gemäß dem russischen Recht theoretisch möglich, kommt allerdings in der Praxis so gut wie nie vor. Außerdem besteht nach russischem Recht beim konkludenten Vertragsabschluss ein substantieller Unterschied zum deutschen Recht: Da die Schriftform ein-gehalten und der Gegenstand des Vertrages bestimmt werden muss, muss das Angebot schriftlich erfolgen und die wesentlichen Bedingungen des Beratungs-vertrages – nämlich zu Inhalt und Form der Beratung – enthalten.819 Insofern liegt beim Abschluss eines Beratungsvertrages, unabhängig davon, ob dieser

815 Art. 432 Nr. 1 Abs. 1 ZGB macht den Abschluss eines Vertrages von der Einigung der

Parteien über „wesentliche“ Bestimmungen abhängig. Vgl. Braginskij/Vitrânskij, S. 238 ff. Sollten weder die Vertragsparteien noch das Gesetz für einen bestimmten Vertrag (bzw. Vertragstyp) Bestimmungen als „wesentlich“ einstufen, verbleibt zu-mindest die Bestimmung über den Gegenstand des Vertrages als wesentlich. Suhanov, Kapitel 43 § 2 (2), nennt den Gegenstand des Vertrages als die einzige wesentliche Bestimmung der entgeltlichen Dienstleistungsverträge. Abweichend Guev, S. 395.

816 Z.B. verpflichtet Art. 16 Abs. 2 der NAUFOR-Regeln die NAUFOR-Mitglieder, Emp-fehlungen immer in Schriftform abzugeben.

817 Grundsätzlich finden auf einen Beratungsvertrag die Regeln über den Dienstleistungs- und Werkvertrag (Art. 702 bis 729 ZGB) nur insofern Anwendung, als diese den Be-stimmungen des ZGB über den entgeltlichen Dienstleistungsvertrag nicht widerspre-chen (siehe S. 110, b) ZGB und Verträge als Quellen der privatrechtlichen Verhaltens-regeln). Sollte zwischen den Parteien die Erstellung eines schriftlichen Gutachtens vereinbart werden, nimmt der Beratungsvertrag einen gemischten Charakter an und unterliegt den Regeln über den entgeltlichen Dienstleistungsvertrag und über den Dienstleistungs- und Werkvertrag (Art. 702 bis 729 ZGB) im gleichen Maße. Sollte der Kunde eine natürliche Person sein, sind auf ihn zugleich auch die in Art. 730 bis 739 ZGB enthaltenen Vorschriften anwendbar. Suhanov, Kapitel 43 § 4 (5).

818 Vgl. Braginskij/Vitrânskij, S. 275 ff.; Guev, S. 395; Suhanov, Kapitel 30 § 4 (8). Das neue ZGB sieht grundsätzlich ein schriftliches Angebot bei Verträgen vor, bei denen eine der Vertragsparteien eine juristische Person (oder Unternehmer) ist. Da der Marktintermediär immer eine juristische Person ist (während ein Anlageberater ent-weder eine juristische Person oder ein Unternehmer sein kann), muss der Beratungs-vertrag, dessen Partei er ist, vorbehaltlich einiger Ausnahmen schriftlich fixiert sein. Siehe Art. 23 Nr. 3; Art. 161 und Art. 434 Nr. 1 ZGB.

819 Vgl. Braginskij/Vitrânskij, S. 276 ff. Die Vertragspartei, die das Angebot in Schrift-form erhalten hat, muss es zumindest durch konkludente Handlungen – wenn auch nicht schriftlich – annehmen.

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ausdrücklich oder konkludent abgeschlossen wurde, immer ein schriftliches Do-kument vor, das die Vereinbarung der Geschäftsparteien über die unter diesem Vertrag zu erbringenden Beratungsdienstleistungen enthält. Eine nachweisbare vertragliche Abrede zu Inhalt und Form der durch den Marktintermediär zu erbringenden Beratungsdienstleistung dient der Stabilität des Geschäftsverkehrs: Im Streitfall lassen sich die Rechte und Pflichten beider Parteien auf Grund des Vertrages einfacher feststellen, als wenn sie, wie es im deutschen Recht der Fall ist, durch die Gerichte bestimmt werden müssen. Diese vertragliche Sicherheit fehlte bislang im deutschen Recht und soll jetzt bei der Umsetzung der neuen WPD-RL eingeführt werden. Als Gegenstand des entgeltlichen Dienstleistungsvertrages wird in Art. 779 Abs. 1 ZGB die Verpflichtung des Dienstleisters genannt, bestimmte Handlun-gen vorzunehmen oder eine gewisse Tätigkeit auszuüben.820 Leider enthalten weder die Gesetzgebung noch die NAUFOR-Regeln Erläuterungen zum Inhalt der Beratungspflicht der Marktintermediäre. Allerdings beziehen sich sowohl die Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit (Ziff. 3.1. Spie-gelstr. 5) als auch die NAUFOR-Regeln (z.B. Art. 11 Abs. 3, Art. 16) überwie-gend auf eine Empfehlung („rekomendacija“) und nicht auf die eigentliche Bera-tung („konsultirovanije“ oder „konsul’tacionnye uslugi“).821 Daraus kann gefol-gert werden, dass der Begriff „Beratung“ in der russischen Gesetzgebung auf ei-ne ergebnisorientierte Dienstleistung angewandt wird.822 Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der Regulierung der Beratungsdienstleistung bei dem Ergeb-

820 Ausführlich zur in der russischen Rechtsliteratur geführten Diskussion über den Ge-

genstand des entgeltlichen Dienstleistungsvertrages Kozlova, Zakonodatel’stvo Nr. 3 (2002), S. 41 ff.

821 Die Verwendung dieser beiden Begriffe („Beratung“ und „Empfehlung“) scheint in der russischen Gesetzgebung beliebig zu sein. Art. 2 Abs. 19 WpMG spricht von ei-nem Broker als Finanzberater („finansovyj konsul’tant“), meint jedoch damit die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Emissionsprospekts erbrachten Dienstleis-tungen. Ähnlich Pustovalova, Jurist Nr. 9 (1998), S. 27. Gleichwohl bezieht sich Ziff. 3.2 Abs. 1 Spiegelstr. 4 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit auf die Beratung beim Wertpapiererwerb sowie bei den anderen Investitionen („kon-sul’tacionnye uslugi“) und ordnet diese unter die Dienstleistungen, die durch Broker im Zusammenhang mit ihrer Haupttätigkeit erbracht werden (ähnlich wie die Wertpa-piernebendienstleistungen nach europäischem oder deutschem Recht) ein. Das ist al-lerdings die einzige Stelle in der Gesetzgebung, an der der Begriff „Beratung“ in Be-zug auf die gegenüber dem Anleger durch Broker erbrachten Dienstleistungen ange-wandt wird; ansonsten wird sowohl in der Rechtssetzung als auch in den NAUFOR-Regeln ausschließlich von „Empfehlung“ gesprochen.

822 Vgl. Zavidov, Jurist Nr. 3 (1998), S. 22.

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nis, nämlich der Erteilung eines Rates bzw. einer Empfehlung.823 Auch die NAUFOR-Regeln (Art. 16 Abs. 2) tragen zur Vorstellung bei, dass der Marktin-termediär dem Anleger die Dienstleistung schuldet, bei der er ein bestimmtes Anlageprodukt mit Blick auf die Marktsituation und die persönlichen Umstände seines Kunden analysiert und deren Ergebnis die Erstellung eines schriftlichen Gutachtens mit Handlungsvorschlag ist.824 Insofern werden die Anforderungen der anleger- und objektgerechten Beratung in den Begriff „Empfehlung“ per se übernommen und müssen nach russischem Recht nicht weiter ausgelegt werden. Zwar beschränkt sich der Inhalt der Beratungspflicht nach russischem Recht auf die Abgabe einer schriftlichen Empfehlung, die einen Handlungsvorschlag dar-stellt, doch sehen sowohl die Rechtssetzung zum Wertpapiermarkt als auch das ZGB jeweils eine Aufklärungs- und Informationspflicht des Marktintermediäres vor, die mit der Empfehlung eng verbunden ist und ihr vorgeht. So verpflichtet Ziff. 3.1 Spiegelstr. 5 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertä-tigkeit den Broker zu einer außervertraglichen, über die Empfehlung hinausge-henden Information bzw. Aufklärung.825 Mit einer solchen Information bzw. Aufklärung ermöglicht der Broker dem Anleger, sich unabhängig von der Emp-fehlung eigenständig eine Meinung zu den Risiken des empfohlenen Geschäfts zu bilden. Dieser Pflicht werden lediglich Broker unterstellt. Der in Art. 726 ZGB begründeten Pflicht zur vorvertraglichen Information, die unmittelbar mit der Empfehlung verbunden ist, werden sowohl die professionel-le Teilnehmer des Wertpapiermarkts als auch die Anlageberater unterworfen. Auf Grundlage dieses Artikels werden die Dienstleister verpflichtet, dem Kun-den die Informationen zu übermitteln, die für den Gebrauch des Vertragsgegens-tandes notwendig sind, wenn das im Vertrag vorgesehen ist oder wenn der Ver-tragsgegenstand ohne solche Informationen für die vertraglichen Zwecke un-brauchbar wäre. Auf den Beratungsvertrag angewandt bedeutet m.E. diese Vor-schrift, dass dem Anleger alle Informationen, die er benötigt, um die Empfeh-lung zu verstehen oder eine eigenständige Anlageentscheidung auf Grundlage einer solchen Empfehlung treffen zu können, zu übermitteln sind. Vermutlich gehören zumindest die Informationen dazu, die der Marktintermediär zur Grund-lage seiner Empfehlung gemacht hat. Auch die Erläuterungen, die der Anleger 823 Sollte zwischen einem Anleger und einem Vermögensverwalter ein Beratungsvertrag

zustande kommen, würde er denselben Vorschriften des ZGB wie ein mit dem Broker abgeschlossener Beratungsvertrag unterliegen und daher keine grundlegenden Unter-schiede zu Letzterem aufweisen. Aus diesem Grund wird hier auf die Beratungspflicht des Vermögensverwalters nicht separat eingegangen und vom Beratungsvertrag zwi-schen einem Anleger und einem Marktintermediär gesprochen. Siehe Fn. 817.

824 Vgl. Kabalkin, Rossijskaya justicija Nr. 3 (1998), S. 14. 825 Ausführlich siehe S. 242, 2. Informationen als Grundlage der Anlageentscheidung.

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braucht, damit er die Bedeutung solcher Informationen versteht, müssen ihm im Rahmen dieser Informationspflicht angeboten werden. Leider enthält weder die Rechtssetzung noch das Schrifttum Erläuterungen zum Inhalt dieser Pflicht. In-soweit wird der Inhalt der dem Anleger im Vorfeld einer Empfehlung mitzutei-lenden Informationen von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Es besteht auch die Möglichkeit der vertraglichen Festlegung. Der Zweck der vorvertraglichen Information, nämlich die Erläuterung der Emp-fehlung, spricht für die Notwendigkeit, ihren Inhalt anlegergerecht auszugestal-ten. Zwar wird die Anforderung der Anlegergerechtheit der Empfehlung nicht ausdrücklich aufgeführt, sondern kann nur aus dem Sinn der vorvertraglichen Informationspflicht gefolgert werden, doch stützt sie sich auf das Erkundigungs-recht sowie auf die vertraglichen Mechanismen ihrer Gewährleistung.826 Grundsätzlich unterliegt der Beratungsvertrag gesetzlichen Anforderungen an die Qualität der unter diesem Vertrag zu erbringenden Beratung sowie der damit verbundenen zivilrechtlichen Haftung. Diese Anforderungen sind in Art. 721 und 723 ZGB (jeweils Qualität der Dienstleistung und Haftung für mangelhafte Qualität in Bezug auf den Werk- und Dienstleistungsvertrag) und, wenn der An-leger eine natürliche Person ist, in Art. 737 und 739 ZGB (jeweils betreffend die Folgen der aufgedeckten Mängel und der mangelhaften Erbringung oder Nicht-erbringung der Dienstleistung) auch im Verbraucherschutzgesetz enthalten.827 Die Anforderungen an die Qualität der Beratungsdienstleistungen können im Beratungsvertrag selbst festgelegt werden, dürfen allerdings den Mindeststan-dard, der im Gesetz oder auf Grundlage des Gesetzes festgelegt wurde, nicht un-terschreiten (Art. 721 Nr. 1 ZGB). So können z.B. die Parteien im Beratungsver-trag den Marktintermediär verpflichten, aktuelle, wahre Informationen, die aus

826 Siehe S. 230, § 2 Erkundigungspflicht. 827 Es ist nicht sicher, dass das Verbraucherschutzgesetz auf die Beziehung zwischen ei-

nem Broker und einem Anleger auf Grund eines Beratungsvertrags anwendbar ist. Zwar liegen zurzeit keine Gerichtsentscheidungen zur Frage vor, ob ein Anleger als Kunde des professionellen Teilnehmers des Wertapiermarkts als Verbraucher der Dienstleistungen des Letzteren klassifiziert werden kann. Dennoch beschloss eines der Moskauer Bezirksgerichte, dass ein Aktieninhaber kein Verbraucher ist, weil der Be-ziehung zwischen einem Anleger und einer Aktiengesellschaft Investitionstätigkeit zugrunde liegt und dem Anleger aus diesem Grund Schutz nach dem Verbraucher-schutzgesetz zu versagen ist. Siehe Gerichtspraxis der Moskauer Bezirksgerichte, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2004, S. 2. Das Schrifttum stellt einen Anleger einem Verbraucher auch nicht gleich. Vgl. Bessarabov, Konsul’tant plus/Sudebnaya praktika 2002, S. 1. Allerdings wird anerkannt, dass einem Kleinanleger dieselben ver-fahrensrechtlichen Instrumente des gerichtlichen Schutzes wie einem Verbraucher zu-gute kommen.

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zuverlässigen Quellen stammen, und die fair, objektiv und vollständig sind, zur Grundlage seiner Empfehlung zu machen. Allerdings können die anderen in der Rechtssetzung begründeten Regelungen, die die Qualität einer Dienstleistung betreffen, auf die Beratung kaum anwend-bar sein. Grundsätzlich versuchen das ZGB und das Verbraucherschutzgesetz si-cherzustellen, dass der Kunde das Werk oder die Dienstleistung, die den im Ver-trag festgelegten Qualitätsanforderungen entspricht, erhält. Deswegen richten sich die gesetzlichen Bestimmungen in erster Linie auf die möglichst frühzeitige Entdeckung und Behebung dieser Mängel. In Bezug auf die Empfehlung können nicht dieselben Prinzipien angewandt werden, weil die Mängel der Empfehlung sich erst auf Grund der durch den Anleger erlittenen Verluste feststellen lassen. Insofern können solche Mängel nicht mehr beseitigt werden. Selbst wenn der Anleger bei Erhalt der Empfehlung feststellt, dass diese mit wesentlichen und unbehebbaren Fehlern behaftet ist, darf er zwar gemäß Art. 723 ZGB den Ver-trag auflösen und Schadensersatz verlangen, jedoch lassen sich solche Fehler vor Gericht schwer nachweisen.828 Sollte allerdings der Anleger auf Grund mangelhafter Empfehlung Schaden er-litten haben oder sollte der Marktintermediär die Beratungsdienstleistung, die er dem Anleger auf Grundlage des Beratungsvertrages schuldete, nicht erbracht haben, kann der Anleger Anspruch auf Schadensersatz und Konventionalstrafe erheben.829 Die im russischen Recht begründete Beratungspflicht der Marktintermediäre be-zieht sich auf die Beratungsdienstleistungen, die gegenüber einem Anleger auf Grundlage eines Beratungsvertrages erbracht werden und beschränkt sich grund-sätzlich auf die Abgabe einer schriftlichen Empfehlung. Die Empfehlung selbst besteht aus einem Handlungsvorschlag, der auf den konkreten Anleger zuge-schnitten ist. Die Verpflichtung des Marktintermediäres, die Empfehlung anle-gergerecht zu gestatten, soll gesetzlich festgelegt und mit der Erkundigungs-pflicht verbunden werden.

828 Šablova, Žurnal Rossijskogo Prava Nr. 1 (2002), S. 64, weist auf die Schwierigkeiten

der Übertragung der Anforderungen an die Qualität der Dienstleistungen, die im Rah-men der im russischen Recht definierten allgemeinen Dienstleistungs- und Werkver-träge erbracht werden auf die Qualität der Dienstleistungen, die im Rahmen eines ent-geltlichen Dienstleistungsvertrages erbracht werden, hin. Um diese Unstimmigkeiten zu lösen, schlägt sie vor, Kapitel 39 ZGB (Entgeltliche Dienstleistungen) um eigen-ständige Vorschriften zu ergänzen, die die Qualität der Dienstleistungen, die den Vor-schriften dieses Kapitels unterliegen, regeln würden.

829 Diese Sanktionen sind in Art. 505 und 739 ZGB vorgesehen und gelten lediglich für einen Anleger, der eine natürliche Person ist.

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Um die Interessen der Anleger vertraglich besser zu schützen, muss der Bera-tungsvertrag die Anforderungen an die Qualität der Empfehlung festlegen. So kann der Vertrag z.B. vorsehen, dass der Marktintermediär seine Empfehlung auf Grundlage von aktuellen, wahren und objektiven Informationen unter Be-rücksichtigung der Marktsituation erstellt. Ein zusätzliches Schutzniveau der Anleger wird durch die mit der Empfehlung verbundene und ihr vorausgehende Informations-/Aufklärungspflicht der Markt-intermediäre gewährleistet. Dadurch wird sichergestellt, dass der Anleger die Empfehlung nachvollziehen kann und ihr nicht blind folgt, sondern auf ihrer Grundlage eine eigenständige Anlageentscheidung trifft. 2. Beratungspflicht in den NAUFOR-Regeln Auch die NAUFOR-Regeln können bei der Feststellung des Umfangs und des Inhalts der Beratungspflicht der Marktintermediäre nicht außer Acht bleiben. Art. 11 Abs. 3 sowie Art. 16 Abs. 1 der NAUFOR-Regeln verpflichten den Marktintermediär zur objektiven und professionellen Einschätzung der Situation auf dem Wertpapiermarkt, bevor er dem Kunden ein Geschäft empfiehlt. Der Professionalitätsgrundsatz lehnt sich an die in Art. 8 der NAUFOR-Regeln ent-haltenen Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter des Marktintermediäres sowie an die internen Mechanismen und Verfahren an, die für die Ausübung der professionellen Tätigkeit erforderlich sind, denen die ent-sprechenden, in der Rechtssetzung begründeten Organisationsregeln, zu Grunde liegen.830 Dem Objektivitätsgrundsatz liegen zwei Prinzipien zugrunde. Erstens soll der Marktintermediär gemäß Art. 9 der NAUFOR-Regeln seine Unabhän-gigkeit aufrechterhalten, damit seine Empfehlungen nicht seitens Dritter beein-flusst werden können. Zweitens darf er nach Art. 11 Abs. 3 der NAUFOR-Regeln einzelne Kunden, aus welchen Gründen auch immer, nicht diskriminie-ren (z.B. einem Kunden mit einer konservativen Anlagestrategie, der geringe Umsätze macht und wenig Provisionen zahlt, schlechter als einen institutionel-len Kunden mit großen Umsätzen, durch die hohe Provisionen anfallen, behan-deln). Abweichend vom deutschen Konzept, gemäß dem sich der Grundsatz der ob-jektgerechten Beratung auf die mit dem konkreten Anlageprodukt verbundenen

830 Die Organisationspflicht, die sich mit der Ausbildung der Mitarbeiter sowie der Fest-

stellung deren fachlicher Kompetenz befasst, ist in der Bestimmung über die Anforde-rungen an die Qualifikation der Führungskräfte und Spezialisten des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts enthalten.

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Risiken konzentriert, legen die NAUFOR-Regeln den Schwerpunkt der Empfeh-lung auf die Einschätzung der Risiken eines konkreten Anlageprodukts im Hin-blick auf die gesamte Wertpapiermarktsituation. Dies kann damit gerechtfertigt werden, dass die Stabilität des russischen Wertpapiermarkts durch die mangeln-de Liquidität gefährdet ist und die Risiken einer Anlage viel mehr als in Deutschland von der gesamten Marktsituation abhängen. In der Regel werden solche Risiken einem Laien, der sich mit den Tendenzen und der Entwicklung dieses Marktes nicht auskennt, verborgen bleiben. Durch die in Art. 11 Abs. 3 und in Art. 16 Abs. 1 enthaltene Regelung versuchen die NAUFOR-Regeln die Kenntnisse der professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarktes über dessen Entwicklung und Tendenz bei der Kundenberatung zum Schutz der Anleger auf die effektivste Weise einzusetzen und verlangen, dass der Marktintermediär eine professionelle und objektive Analyse der gesamten Marktsituation zur Grundla-ge seiner Empfehlung macht.831 Trotz der inhaltlichen Unterschiede, die zwi-schen dem russischen und deutschen Recht in Bezug auf den Schwerpunkt der Informationen, die der Empfehlung zu Grunde gelegt werden und die sich durch unterschiedliche Bedingungen auf dem Wertpapiermarkt erklären lassen, ist dem deutschen und russischen Recht – zumindest gemäß den NAUFOR-Regeln – der Grundsatz der objektgerechten Beratung („know-your-produkt“-Prinzip) ge-meinsam. Auch das „Know-your-customer“-Prinzip ist in Art. 11 Abs. 3 der NAUFOR-Regeln begründet. Dieser Artikel – zusammen mit Art. 15 Abs. 4 NAUFOR-Regeln – verpflichtet den Marktintermediär, seine Empfehlung unter Berück-sichtigung der vom Kunden ermittelten Angaben zu seiner Person zu erteilen.832 Auch Art. 16 Abs. 3 bis 5 der NAUFOR-Regeln ergänzt den Inhalt der anleger-gerechten Empfehlung. Er verbietet den NAUFOR-Mitgliedern, dem Kunden Geschäfte zu empfehlen, wenn keine Gründe vorliegen, die die Vermutung zu-lassen, dass eine solche Anlage im Interesse des Kunden liegt und im Hinblick auf die finanziellen Möglichkeiten des Kunden, auf seinen offensichtliche Wunsch und seine Bereitschaft, das Verlustrisiko einzugehen und die damit ver-bundenen Konsequenzen zu tragen, für diesen Kunden geeignet ist, sowie den Kauf der Wertpapiere in den Mengen zu empfehlen, die über die finanziellen Möglichkeiten des Kunden hinausgehen. Generell verlangen die NAUFOR-Regeln, dass bei der Empfehlung die Kundeninteressen berücksichtigt werden

831 Dabei bleibt die gesetzliche Informationspflicht, die einen Mindeststandard darstellt

und gemäß der der Anleger über die Eigenschaften des Anlageprodukts informiert wird, unberührt. Siehe S. 242, 2. Informationen als Grundlage der Anlageentschei-dung.

832 Siehe S. 230, § 2 Erkundigungspflicht.

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und unterstellen damit die Empfehlung der Interessenwahrungspflicht der Marktintermediäre. Die Investmentfähigkeit des Anlegers als Grundlage der Empfehlung wird nach der in Art. 15 Abs. 4 der NAUFOR-Regeln enthaltenen Erkundigungspflicht be-stimmt.833 Die flexible Ausgestaltung dieser Pflicht ist zu begrüßen. Einerseits erlaubt sie grundsätzlich dem Marktintermediär selbst, die Investmentfähigkeit des Kunden zu bestimmen. Andererseits sorgt sie für den Mindestschutz der An-leger dadurch, dass sie Mindestanforderungen an die Angaben stellt, die der Marktintermediär bei der Feststellung der Investmentfähigkeit eines Kleinanle-gers berücksichtigen muss, nämlich die Informationen über seine finanzielle La-ge und Risikobereitschaft. Auf diese Weise gewährleisten die NAUFOR-Regeln, dass die durch den Marktintermediär abgegebene Empfehlung auf die persönli-chen Verhältnisse des Anlegers zugeschnitten wird. Gemäß Art. 16 Abs. 2 der NAUFOR-Regeln bedürfen alle Empfehlungen der Schriftform. Mit dem Erfordernis der Schriftform wird der Versuch unternom-men, den Nachweis für den Streitfall herzustellen. Eine schriftliche Empfehlung ist auch für den Anlegerschutz wichtig. Der Anleger kann eine schriftliche Emp-fehlung jeder Zeit nachlesen und den Marktintermediär um die Erläuterung der ihm unklar gebliebenen Stellen bitten. Allerdings trägt diese Anforderung zur Form der Empfehlung der Realität nicht in allen Fällen Rechnung. Je nach der Art des beabsichtigten Wertpapiergeschäfts kann der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielen. In diesem Fall wäre es kontraproduktiv, vom Marktintermediär die Erstellung der Empfehlung in Schriftform zu verlangen. Deswegen erscheint es sinnvoll, die Schriftformanforderung flexibel auszugestalten und von der Ge-schäftsart abhängig zu machen. Die NAUFOR-Regeln ergänzen die privatrechtliche Beratungspflicht. Sie zielen in erster Linie darauf ab, die Anleger durch Gewährleistung einer hohen Qualität der Beratungsdienstleistung zu schützen. Dies wird dadurch sichergestellt, dass die Beratungspflicht dem Professionalitätsgrundsatz unterliegt, dessen Einhal-tung durch die entsprechende Organisationspflicht gewährleistet wird. Außer-dem unterstellen die NAUFOR-Regeln die Beratung der Anforderung der Ob-jekt- sowie der Anlegergerechtigkeit. Letztere wird durch die Erkundigungs-pflicht der NAUFOR-Regeln gewährleistet. Grundsätzlich schaffen die NAU-FOR-Regeln Klarheit in Bezug auf die informationellen Grundlagen der Emp-fehlung. Allerdings ändern sie nichts Entscheidendes an dem Anlegerschutzni-veau, das durch die Rechtssetzung bereits gewährleistet wurde.

833 Siehe S. 230, § 2 Erkundigungspflicht.

263

III. Zwischenergebnis Die im russischen Recht enthaltene Informationspflicht ist sehr weitgehend. Sie zielt darauf ab, die Anleger vor dem Erwerb der Dienstleistungen vor nicht ord-nungsgemäß zugelassenen und beaufsichtigten Marktintermediären sowie vor Verstößen der Marktintermediäre gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen da-durch zu schützen, dass sie Transparenz in Bezug auf den rechtlichen Status der Marktintermediäre sowie auf die Erfüllung der Vertrags sicherstellt. Sie ermög-licht auch den Anlegern eine informierte, eigenständige, risikobewusste Anlage-entscheidung, indem sie für die Mitteilung der dafür notwendigen Informationen durch den Marktintermediär gegenüber dem Anleger sorgt, und wird zu diesem Zwecke unter bestimmten Umständen durch eine Aufklärung ergänzt. Die ge-setzliche Informations-/Aufklärungspflicht ergänzt auch die Empfehlung, die der Marktintermediär einem Anleger auf der Grundlage des Beratungsvertrages er-teilt und sorgt dafür, dass der Anleger der Empfehlung des Marktintermediäres nicht blind folgt, sondern diese zur Grundlage seiner Anlageentscheidung macht. Trotz ihrer Reichweite enthält die in der russischen Rechtssetzung begründete Informationspflicht einige Schwachstellen. Die Rechtssetzung verweist lediglich auf die vom Emittenten offen gelegten Informationen (in erster Linie den Pros-pekt und die Emissionsentscheidung) als informationellen Grundlagen dieser Pflicht. Diese scheinen unzureichend zu sein. Die gesetzliche Festlegung bzw. Ausdehnung der informationelle Grundlagen dieser Pflicht sowie die Einführung der Nachforschungspflicht der Marktintermediäre würde sich auf den Anleger-schutz positiv auswirken. Dem russischen Recht fehlt auch die Verbindung zwischen der Informations- und der Erkundigungspflicht (die zurzeit als Erkundigungsrecht in den Norma-tivakten der FWpMK existiert) der Marktintermediäre. Insofern kann in Bezug auf die in der Rechtssetzung enthaltene Informationspflicht nicht vom Grundsatz der Anlegergerechtigkeit gesprochen werden. Der Gesetzgeber sollte dafür sor-gen, dass der Inhalt der Information bzw. Aufklärung, die der Marktintermediär dem Anleger schuldet, sowie die Umstände, die seine Informations- bzw. Auf-klärungspflicht auslösen, unmittelbar an die tatsächliche Schutzbedürftigkeit des Anlegers anknüpfen. Zu diesem Zweck muss im Gesetz die Erkundigungspflicht der Marktintermediäre eingeführt sowie die Informationspflicht der Anforde-rung der Anlegergerechtigkeit unterstellt werden. Dieser Mangel ist schon jetzt zum Teil dadurch ausgeglichen, dass die Marktin-termediäre zur Aufklärung der mit der Anlage verbundenen Risiken verpflichtet sind und den Inhalt ihrer Aufklärung in jedem Einzelfall so ausgestalten müssen,

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dass dem konkreten Anleger die mit der bestimmten Anlage verbundenen Risi-ken ersichtlich werden. Allerdings sind dieser Pflicht lediglich die Broker unter-stellt und ihre Anwendung ist auf den Fall beschränkt, in dem der Broker mit dem Anlagevorschlag aus eigener Initiative auf den Anleger zukommt. Der Zweck des Anlegerschutzes erfordert, dass diese Pflicht auch auf die Vermö-gensverwalter und die Anlageberater erstreckt wird und dass sie auch dann greift, wenn der Anleger mit einem konkreten Anlagewunsch auf den Marktin-termediär zukommt – vorausgesetzt, dass er eine Aufklärung über die Risiken, die mit der von ihm gewünschten Anlage verbunden sind, braucht. Die Erforder-lichkeit der Aufklärung soll auf Grund objektiver Kriterien seiner Schutzbedürf-tigkeit bestimmt werden und darf nicht vom Wunsch des Anlegers abhängen. Die gesetzliche Informationspflicht soll den Anleger mit einem obligatorischen Minimum an für seine Anlageentscheidung erforderlichen Informationen ver-sorgen und gewährleistet dadurch ein Mindestschutzniveau für die Anleger. Die-ses bleibt von der Beratungspflicht unberührt. Die Beratungspflicht entsteht auf der Grundlage eines Vertrages und obliegt sowohl den professionellen Teilneh-mern des Wertpapiermarkts als auch den reinen Anlageberatern, die unterneh-merische Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt ausüben. Dadurch, dass sich diese Pflicht stark an dem Ergebnis orientiert – Abgabe der Empfehlung, nämlich des konkreten Handlungsvorschlags – wird die Anleger- sowie Objektgerechtigkeit der Beratung indirekt sichergestellt. Auch die Pflicht zur vorvertraglichen In-formation, die die Empfehlung erläutert und dafür sorgt, dass der Anleger dem Rat nicht blind folgt, sondern ihn zur Grundlage seiner eigenständigen, infor-mierten und risikobewussten Entscheidung macht, wird auf Grundlage der ZGB-Vorschriften auf die unternehmerisch tätigen Anlageberater erstreckt. § 4 Pflicht zum Schadensersatz bei Interessenkonflikten Die Regelungen, die Interessenkonflikte betreffen, sind sowohl im WpMG als auch in den Normativakten der FWpMK enthalten.834 Ihnen lässt sich die Pflicht zum Schadensersatz bei Interessenkonflikten entnehmen. Der Inhalt dieser Pflicht sowie ihre anlegerschützende Wirkung werden in diesem Paragraphen unter Berücksichtigung der NAUFOR-Regeln dargestellt.

834 Die FWpMK hat im Zusammenhang mit den Interessenkonflikten von ihrem durch

Art. 42 Nr. 3 WpMG begründeten Recht, einheitliche Anforderungen an die Regeln der Ausübung der professionellen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt zu erstellen, Gebrauch gemacht und das Verhalten der Marktintermediäre im Hinblick auf Interes-senkonflikte in ihrer Verordnung zur Vorbeugung von Interessenkonflikten sowie in den Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit und in der Bestimmung über treuhänderische Vermögensverwaltung geregelt.

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I. Definition des Interessenkonflikts Das WpMG erlegt sowohl dem Broker (Art. 3 Nr. 2 Abs. 2) als auch dem Ver-mögensverwalter (Art. 5 Abs. 6) die Pflicht zum Schadensersatz bei Interessen-konflikten auf. Der Begriff „Interessenkonflikt“ ist im WpMG nicht definiert.835 Art. 3 Nr. 2 Abs. 2 WpMG spricht von den konfligierenden Interessen eines Brokers und seiner Kunden, während sich Art. 5 Abs. 6 WpMG auf die konfli-gierenden Interessen eines Vermögensverwalters und seines Kunden sowie auf den Konflikt der Interessen unterschiedlicher Kunden desselben Vermögens-verwalters bezieht.836 Es bleibt unklar, ob der Gesetzgeber den Konflikt von Interessen unterschiedli-cher Kunden desselben Brokers als unmöglich ausschließt oder ob er die Inte-ressen eines Kunden dem Broker zuschreibt. Die Stellung der Regelung von In-teressenkonflikten im Gesetzestext spricht eher für die erste Vermutung. Der Gesetzgeber hat die Interessenkonflikte der Broker in Art. 3 Nr. 2 WpMG zu-sammen mit der zeitgemäßen Priorität der Ausführung von Kundenaufträgen ge-regelt. In diesem Kontext wäre ein Konflikt von Interessen unterschiedlicher Kunden eines Brokers lediglich in Folge der Ausführung der Kundenorders un-ter Verstoß gegen die Beachtung der zeitlichen Priorität ihres Eingangs möglich. Eine solche Ausführung wäre allerdings rechtswidrig und würde einen Verstoß gegen den Prioritätsgrundsatz sowie gegen die Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, darstellen.837 Ziff. 1 der Verordnung zur Vorbeugung von Interessenkonflikten enthält eine Definition des Interessenkonflikts. Demgemäß erfasst ein Interessenkonflikt „Widersprüche zwischen den [...] Interessen des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts und (oder) seiner Mitarbeiter [...] und den Interessen des Kunden des professionellen Teilnehmers [...]“. Auch diese Definition lässt die konfligierenden Interessen verschiedener Kunden des professionellen Teilneh-mers des Wertpapiermarkts außer Acht. Der Konflikt kann sich sowohl aus den Vermögensinteressen als auch aus anderen Interessen ergeben, die allerdings in der Verordnung nicht genannt sind. Gemäß dieser Definition kann ein Interes-senkonflikt nicht nur Schaden838, sondern auch andere negative Auswirkungen, 835 Dies wird in Schrifttum kritisiert. Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 2 (1999),

S. 19; Homenko, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 6. 836 Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 8, weist darauf hin, dass Interessenkon-

flikte im Rahmen der Vermögensverwaltung besonders häufig bei den Banken vor-kommen und sowohl durch eigene Interessen der Bank als auch die ihrer Mitarbeiter ausgelöst werden können.

837 Siehe S. 222, II. Inhalt der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln. 838 Gemäß Art. 15 ZGB ist Schaden sowohl der Verlust als auch der entgangene Gewinn.

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wie z.B. die entgangene Möglichkeit, gewisse Wertpapiere zu erwerben, zur Folge haben. Diese Definition des Interessenkonflikts ist sehr vage und bedarf weiterer Konkretisierung. Eine solche Konkretisierung wäre in den NAUFOR-Regeln zu erwarten (Ziff. 4 der Verordnung zur Vorbeugung von Interessenkonflikten). Art. 17 Abs. 1 der NAUFOR-Regeln sieht vor, dass ein Interessenkonflikt vorkommen kann, wenn ein NAUFOR-Mitglied ein Interesse an einem Geschäft hat, das mit dem Kun-den oder für den Kunden ausgeführt wird. Allerdings sind die konfligierenden Interessen verschiedener Kunden eines Brokers auch durch diese Definition nicht erfasst. Trotz ihren Schwächen spielt die Informationspflicht für den Anlagerschutz eine wichtige Rolle. Schon die Auferlegung der Informationspflicht gegenüber dem professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts durch das Gesetz ist dafür kennzeichnend, dass der Gesetzgeber die durch informationelle Defizite ent-standenen Lücken vor Augen hat und diese schließen will. Insofern kommt der Informations-/Aufklärungspflicht auch nach russischem Recht beim Anleger-schutz eine zentrale Bedeutung zu.839 II. Vermeidung von Interessenkonflikten Es wäre ungenau, in Bezug auf das russische Recht von der Pflicht zur Vermei-dung von Interessenkonflikten zu sprechen. Es wäre allerdings auch nicht rich-tig, zu behaupten, dass das russische Recht die Pflicht zur Vermeidung von Inte-ressenkonflikten gar nicht kennt. Die Besonderheit des im russischen Recht ver-tretenen Ansatzes liegt allerdings darin, dass die Situation, in der Interessenkon-flikte auftreten können, lediglich auf die Ausführung der Kundenorders begrenzt wird. Die Orderausführung durch Broker wird dem Prioritätsgrundsatz sowie dem Grundsatz des Vorrangs der Kundeninteressen vor den eigenen Interessen des Marktintermediäres unterworfen.840 Die Einhaltung dieser Grundsätze wird mit Hilfe der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, sichergestellt.841 Das bedeutet, dass der Marktintermediär, der die Orders unterschiedlicher Kunden 839 Vgl. Ikonnikov/Filatov, Rynok cennyh bumag, www.rcb.ru, S. 1. 840 Siehe Ziff. 3 der Verordnung zur Vorbeugung von Interessenkonflikten. Vgl. Teljuki-

na, Zakonodatel’stvo Nr. 4 (2001), S. 70. Die Anforderung, den Kundeninteressen Vorrang vor den eigenen Interessen des professionellen Teilnehmers des Wertpapier-markts einzuräumen, ist auf die Anforderung, Kundenorders zu den bestmöglichen Bedingungen auszuführen, zurückzuführen. Siehe S. 222, II. Inhalt der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln.

841 Losev/Mirkin, www.rcb.ru, S. 7; Makeeva, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 35.

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nicht nach der Priorität ihres Eingangs ausführt oder der den Kundeninteressen keinen Vorrang vor den eigenen Interessen einräumt, gegen die Pflicht, mit Ge-wissenhaftigkeit zu handeln, verstößt.842 Diese Anforderungen an das Verhalten der Marktintermediäre zielen auf die Vorbeugung von Interessenkonflikten ab und sind mit den verhaltensmäßigen Maßnahmen zur Vermeidung von Interes-senkonflikten, die in der neuen WPD-RL vorgesehen sind, vergleichbar.843 In der russischen Rechtssetzung sind keine organisatorischen Maßnahmen zur Vorbeugung von Interessenkonflikten festgelegt. Das stellt ein wesentliches De-fizit im Anlegerschutz dar. Die Notwendigkeit, die Marktintermediäre der ei-genständigen Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu unterstellen und ihre Einhaltung auf Grundlage der wirksamen organisatorischen Maßnah-men sicherzustellen, wird von einigen Rechtswissenschaftlern angesprochen.844 Im Gegensatz zur Gesetzgebung verpflichten die NAUFOR-Regeln die NAU-FOR-Mitglieder zur Vermeidung von Interessenkonflikten (Art. 5 Abs. 2 Spie-gelstr. 4 der NAUFOR-Regeln). Allerdings schreiben diese Regeln keine kon-kreten Maßnahmen vor, die NAUFOR-Mitglieder zur Vorbeugung von Interes-senkonflikten einsetzen müssen. III. Behandlung von Interessenkonflikten In Bezug auf Broker sieht die FWpMK gemäß Ziff. 2.1. Spiegelstr. 5 und Ziff. 5 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit zwei Situationen vor, die zu Interessenkonflikten mit den Anlegern führen können: (1) Der Bro-ker wird zugleich als Dealer tätig und hat eigene Interessen am Geschäft mit be-stimmten Wertpapieren, die sein Kunde erwerben bzw. veräußern will (Ziff. 2.1. Spiegelstr. 5) und (2) der Broker tritt als Finanzberater oder Underwriter auf (Ziff. 5). Im ersten Fall ist der Broker verpflichtet, den Kunden unverzüglich über den Interessenkonflikt zu informieren und alle erforderlichen Maßnahmen zur Lösung des Konflikts im Interesse des Kunden (unter Wahrung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln) zu ergreifen. Im zweiten Fall ist der Broker

842 Makeeva, Vestnik NAUFOR Nr. 7 (1999), S. 35, weist auf die mit dem Nachweis sol-

cher Verstöße verbundenen praktischen Schwierigkeiten hin, die die Durchsetzung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, erschweren. Siehe S. 229, IV. Durchset-zung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln.

843 Siehe S. 194, IV. Vermeidung von Interessenkonflikten. Nach dem aktuellen Stand des deutschen Rechts werden die organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und verfahrensmäßigen Maßnahmen beim Auftreten von Interes-senkonflikten (bei den unvermeidbaren Interessenkonflikten) eingesetzt. Letzteren be-zwecken die Abmilderung der Folgen eines Interessenkonflikts für den Anleger.

844 Vgl. Pavlova, Juridičeskij Bjulleten’ predprinimatelja Nr. 9 (1998), S. 37.

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verpflichtet, die FWpMK über seine Absicht, als Finanzberater tätig zu werden, zu benachrichtigen. Dabei obliegt es ihm, der FWpMK u.a. eine Liste der Maß-nahmen zu übermitteln, die sich auf die Vermeidung von Interessenkonflikten, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Finanzberater entstehen können, richten. Im Hinblick auf die Vermögensverwalter legt die FWpMK die Verbotsnormen fest, die Interessenkonflikte ausschalten sollen. So darf der Vermögensverwalter gemäß Ziff. 8.1.3. der Bestimmung über treuhänderische Vermögensverwaltung keine Geschäfte abschließen, wenn er für die Gegenpartei als Broker tätig wird. Ziff. 8.1.4. der Bestimmung über treuhänderische Vermögensverwaltung verbie-tet es dem Broker, mit den ihm anvertrauten Geldern die Wertpapiere seiner In-haber bzw. Gesellschafter zu erwerben, es sei denn, dass diese Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind.845 Das WpMG verpflichtet sowohl den Broker als auch den Vermögensverwalter, dem Kunden den in Folge eines Interessenkonflikts zugefügten Schaden gemäß dem in der Zivilgesetzgebung festgelegten Verfahren zu ersetzen.846 Diese Schadensersatzpflicht entsteht lediglich in dem Fall, wenn der Broker bzw. der Vermögensverwalter den Kunden über den Interessenkonflikt nicht rechtzeitig unterrichtet hat.847 Art. 3 Nr. 2 Abs. 2 WpMG sieht vor, dass der Broker den Kunden vor der Abgabe des entsprechenden Auftrages durch den Kunden über den Interessenkonflikt informieren muss. Art. 5 Abs. 6 WpMG spricht grund-sätzlich von der vorherigen Unterrichtung aller beteiligten Parteien durch den Vermögensverwalter.848 Nachdem er den Anleger über den Interessenkonflikt benachrichtigt hat, darf er den Auftrag des Anlegers (solange dieser seine Order nicht zurückzieht) unter der Einhaltung der Pflicht, mit Gewissenhaltigkeit zu handeln, ausführen. Dieses Konstrukt stellt sicher, dass der Marktintermediär, der den Interessenkonflikt nicht lösen kann, selbst aber vom Geschäft nicht Ab-stand nehmen will, trotz eigenem Interesse die Order seines Kunden zu den bestmöglichen Bedingungen ausführt und die negativen Folgen des Interessen-konflikts so weit wie möglich minimiert. Dies dient dem Schutz der Anleger.849

845 Vgl. Vitrjanskij, Hozjajstvo i Pravo Nr. 12 (2001), S. 37. 846 Vgl. Treušnikov, S. 73 f. 847 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 8. 848 Art. 17 Abs. 3 der NAUFOR-Regeln erlegt dem Broker die Pflicht auf, den Kunden

nicht nur über den Interessenkonflikt selbst, sondern auch über das Ausmaß und die Natur seines Interesses zu unterrichten.

849 Auch gemäß Art. 17 Abs. 2 der NAUFOR-Regeln ist das NAUFOR-Mitglied ver-pflichtet, den Kunden über den Interessenkonflikt zu informieren und alle erforderli-chen und vernünftigen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Konflikt im Interesse des

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Insofern ähnelt es den verhaltensmäßigen Maßnahmen, die nach deutschem Recht im Falle eines unlösbaren Interessenkonflikts zu ergreifen sind. Leider stößt die Durchsetzung der Pflicht zum Schadensersatz bei Interessen-konflikten auf einige praktische Probleme. So kann es z.B. sein, dass der Anle-ger, der über den Interessenkonflikt nicht unterrichtet wurde, nie erfährt, dass der entstandene Schaden durch einen Interessenkonflikt verursacht wurde. Inso-fern wird er keine Klage beim Gericht auf Grundlage der ihm aus Art. 3 Nr. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 6 WpMG zugute kommenden Rechte einreichen können. Sollte der Kunde über den Interessenkonflikt trotz mangelnder Unterrichtung durch den Marktintermediär erfahren (z.B. aus dem Bericht des Marktintermedi-äres über die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen bzw. Orderausfüh-rung) und vor dem zuständigen Gericht eine Klage erhoben haben, kommt ihm gemäß Art. 401 Nr. 3 S. 1 ZGB die Kausalitätsvermutung zugute. So wird der Marktintermediär verpflichtet, dem Kunden Schadensersatz zu leisten, es sei denn, dass der Marktintermediär nachweisen kann, dass er seinen Verpflichtun-gen aus Art. 3 Nr. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 6 WpMG auf Grund höherer Gewalt nicht nachkommen konnte, was in diesem Fall kaum möglich ist. IV. Zwischenergebnis Das russische Recht lässt die konfligierenden Interessen einzelner Kunden des Marktintermediäres im Rahmen der Pflicht zum Schadensersatz bei Interessen-konflikten unberücksichtigt. Offensichtlich ist der russische Gesetzgeber der Auffassung, dass die Möglichkeit solcher Interessenkonflikte mit der Anwen-dung des Prioritätsgrundsatzes entfällt. Nach russischem Recht wird Interessenkonflikten lediglich durch verhaltensmä-ßige Maßnahmen im Rahmen der Pflicht der Marktintermediäre, mit Gewissen-haftigkeit zu handeln, vorgebeugt. Eine eigenständige Pflicht der Marktinterme-diäre zur Vermeidung von Interessenkonflikten, die sich auf die organisatori-schen Vorkehrungen (interne Abläufe und Struktur des Unternehmens) stützt, fehlt im russischen Recht. Dieser Mangel macht es für die Aufsicht nahezu un-möglich nachzuvollziehen, ob die Marktintermediäre sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten ordnungsgemäß bemühen, und dadurch die Anleger präventiv vor dem Auftreten von Interessenkonflikten sowie vor deren Lösung ohne Berücksichtigung der Interessen der Anleger schützen.

Kunden zu lösen. Leider enthalten die NAUFOR-Regeln keine Leitlinien dazu, welche Maßnahmen als erforderlich und vernünftig angesehen werden können.

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Gleichwohl stehen den Anlegern zivilrechtliche Schutzmechanismen zur Verfü-gung, auf Grundlage derer sie Schaden, der in Folge des Interessenkonflikts ent-standen ist (vorausgesetzt, dass der Interessenkonflikt dem Anleger nicht offen gelegt wurde), ersetzt bekommen können. Zwar werden in diesem Fall die ver-letzten Rechte einzelner Anleger geschützt, doch ist dieser Mechanismus unzu-reichend, um umfassenden Anlegerschutz zu gewährleisten. Dafür ist die Ein-führung der Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten sowie der öffent-lich-rechtlichen Mechanismen, die ihre Einhaltung und Durchsetzung sicherstel-len, erforderlich. § 5 Besondere Verhaltensregeln Besondere Verhaltensregeln der Marktintermediäre stellen Verbotsnormen dar, die unter bestimmten Umständen das Angebot von und das Handeln in Wertpa-pieren, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen, untersagen. Diese Regeln spielen beim Anlegerschutz eine wichtige Rolle und sind nicht nur im WpMG sondern auch im ASchG enthalten. I. Geschäfte mit Wertpapieren vor deren Registrierung Die Wertpapiere, deren Emission gemäß dem im WpMG festgelegten Verfahren nicht registriert wurde, dürfen nach Art. 19 Nr. 1 Abs. 2 und Art. 27.6 WpMG (und ihnen folgend nach Ziff. 2.2. Spiegelstr. 2 und 3 der Regeln zur Durchfüh-rung der Broker- und Dealertätigkeit) sowie nach Art. 5 Abs. 1 ASchG nicht veräußert werden, es sei denn, dass es sich um die Gründung oder Reorganisati-on einer juristischen Person handelt.850 Gemäß Art. 27.6 WpMG und Art. 5 Nr. 2 ASchG dürfen die Wertpapiere, deren Platzierungspreis noch nicht voll-ständig einbezahlt851 und bezüglich derer der Bericht über die Ergebnisse deren Erstplatzierung durch die FWpMK nicht registriert wurde, nicht weiter, nämlich auf dem Sekundärmarkt, verkauft werden.852 Dieses Verbot bezieht sich auf alle

850 Art. 5 Abs. 1 ASchG geht noch weiter und verbietet nicht nur eine Veräußerung, son-

dern auch ein öffentliches Angebot, Werbung sowie ein Angebot in einer anderen Form an eine unbegrenzte Anzahl von Personen für Wertpapiere, deren Emission noch nicht registriert wurde. Vgl. Vajpan, S. 29.

851 Eine der Voraussetzungen für die Anerkennung des Vollzugs der Platzierung und Re-gistrierung des Berichts über die Emission nach dem russischen Recht stellt die Zah-lung des Kaufpreises der Wertpapiere durch die Anleger dar. Die Aktien, deren Kauf-preis nicht vollständig gezahlt wurde, müssen dem Emittenten zurückgegeben werden. Siehe Verordnung Nr. 21.

852 Vgl. Tjunin, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 3 ; Vajpan, S. 37 ff.

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Besitzer der Wertpapiere bzw. Emittenten, Anleger sowie die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts und betrifft das öffentliche Angebot der Wertpapiere sowie deren Umlauf.853 Die FWpMK hat in ihrem Brief Nr. IB-2171 die Anwendung dieser Norm erläu-tert und die damit erfassten Sachverhalte präzisiert. Nr. 2 des Briefs Nr. IB-2171 betont die anlegerschützende Zielrichtung dieser Vorschriften. Sie sollen die Anleger vor dem Erwerb der Wertpapiere auf dem Sekundärmarkt für den Fall schützen, dass die Registrierung des Berichts über die Ergebnisse der Platzie-rung durch die FWpMK verweigert und deren Emission für ungültig erklärt wurde.854 Art. 15.17 und Art. 15.18 des Gesetzbuchs über Verstöße gegen öffentliches Recht stellen die Einhaltung dieser Pflicht jeweils durch die Emittenten855 und die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts sicher. Art. 15.18 des Ge-setzbuchs über Verstöße gegen öffentliches Recht verpflichtet sowohl den pro-fessionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts als auch seine Führungskräfte zur Zahlung von Bußgeldern, wenn sie Wertpapiere vor Registrierung ihres Platzie-rungsberichts auf dem Sekundärmarkt veräußern. Bußgelder betragen jeweils 200 bis 300 (entspricht ungefähr Euro 3.529 bis 5.294) und 20 bis 30 (entspricht ungefähr Euro 353 bis 529) Mindestgehälter.856 Sollte in Folge der Veräußerung von Wertpapieren, deren Emission nicht regist-riert wurde, den Anlegern großer Schaden zugefügt worden sein, haftet der pro-fessionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts, der in diesen Wertpapieren ge-

853 Art. 2 Abs. 22 WpMG definiert das öffentliche Angebot der Wertpapiere als deren

Freigabe zur Zeichnung durch eine unbegrenzte Zahl von Anlegern, einschließlich de-ren Platzierung an der Börse und/oder anderen Handelsplattformen (die auch im WpMG geregelt sind). Unter „Umlauf“ oder „öffentlichem Umlauf“ versteht Art. 2 Abs. 23 WpMG den Handel mit Wertpapieren an einer Börse und/oder auf anderen Handelsplattformen sowie ein öffentliches Angebot der Wertpapiere einschließlich der Werbung dafür.

854 Gemäß Anlage zum Informationsbrief des Präsidiums des Höchsten Wirtschaftsge-richts der Russischen Föderation Nr. 63 v. 23.4.2001 sind Wertpapierkäufe, die vor der Registrierung der Wertpapiere vollzogen wurden, nichtig.

855 Nach Art. 15.17 des Gesetzbuchs über Verstöße gegen öffentliches Recht sind die E-mittenten und deren Führungskräfte grundsätzlich zur Zahlung von Bußgeldern wegen Verstößen gegen das Emissionsverfahren verpflichtet. Die Bußgelder betragen jeweils 400 bis 500 (entspricht ungefähr Euro 7.059 bis 8.824) und 40 bis 50 (entspricht unge-fähr Euro 705 bis 882) Mindestgehältern. Vgl. Fn. 809.

856 Vgl. Fn. 809.

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handelt hat, nach Art. 185 Strafgesetzbuch.857 Da nach russischer Rechtsmetho-dik lediglich natürliche Personen der strafrechtlichen Haftung unterliegen (Art. 19 Strafgesetzbuch), wird nach Art. 185 Strafgesetzbuch der Geschäftsfüh-rer des professionellen Teilnehmers des Wertpapiermarkts haften.858 Das Gesetz unterstellt die professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts dem Verbot, die Wertpapiere, deren Registrierung nicht vollständig ist, weiter an die Anleger zu veräußern und gewährleistet dadurch einen effektiven Schutz der Anlegerinteressen.859 Einerseits ist der Marktintermediär am besten in der Lage, den rechtlichen Status der Wertpapiere und deren Registrierung zu verfol-gen und Missstände aufzudecken. Andererseits stellt die staatliche Registrierung der Wertpapiere eine bestimmte Sicherheit für die Gewährleistung der Vermö-gensinteressen der Anleger sicher.860 Insofern werden die Anleger durch diese Norm vor dem Erwerb von Wertpapieren geschützt, die nicht den gesetzlichen Anforderungen an Emissionswertpapiere entsprechen bzw. nicht durch das Vermögen des Emittenten gedeckt sind oder bei denen die finanzielle Stabilität des Emittenten zweifelhaft ist.861 Dadurch, dass der Staat sicherstellt, dass sich nur die registrierten Wertpapiere, deren Emittent die gesetzlichen Anforderun-gen an die Offenlegung der Informationen im Hinblick auf diese Wertpapiere er-füllt hat, auf dem Wertpapiermarkt im Umlauf befinden, trägt er zur Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts effektiv bei.862 Gleichwohl scheint die Anwendung dieser Norm in einigen Fällen den Anleger-interessen zu widersprechen. Werden die Wertpapiere vor deren Registrierung veräußert, ist das Geschäft nichtig, da es gegen das gesetzliche Verbot verstößt. Damit ist die Eigentumsübertragung endgültig gescheitert.863 Eine Art „Anwart-

857 Vgl. Tjunin, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 1. Unter „großem“ Schaden

versteht Art. 185 Strafgesetzbuch den Schaden, dessen Höhe 2.000 Mindestgehälter (ungefähr Euro 35.300) überschreitet.

858 Vgl. Lebedev/Skuratov, S. 27 f. 859 Vgl. Tjunin, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 5. 860 Vgl. Sinenko, S. 82 ff. 861 Vgl. Tjunin, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 4, nennt einige Missstände,

die die Anlegerinteressen gefährden können. Zu diesen zählen mangelnde Kapitalisie-rung des Emittenten, Kontrolle einer bestimmten Person über die Entscheidungen des Emittenten usw.

862 Vgl. Sinenko, 86 f. 863 Das Wirtschaftsgericht des Moskauer Bezirks, Berufungsinstanz, Entscheidung

Nr. KG-A40/5155-01, v. 20.9.2001, www.consultant.ru/full, S. 2, hat geurteilt, dass die Registerstelle die Eigentumsübertragung zu Recht verweigert hat, weil die Aktien noch nicht registriert worden waren, als der Kaufvertrag abgeschlossen wurde und das

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schaftsrecht“ kennt das russische Recht in diesem Fall nicht. Es wäre allerdings sinnvoll, die Wertpapierkaufgeschäfte nachträglich als rechtskonform anzuse-hen, sobald die Wertpapiere ordnungsgemäß registriert wurden. Dies wäre gera-de zum Schutz der Anleger notwendig. Im anderen Fall kann der Verkäufer die Wertpapiere zum zweiten Mal zu einem besseren Preis verkaufen. Der Anleger dagegen erhält lediglich den Kaufpreis zurück, was unter Berücksichtigung der Inflation in Russland für ihn finanzielle Verluste bedeuten kann. Weitere Prob-leme können auftreten, wenn der Anleger das Wertpapier weiterverkauft hat. In diesem Fall wird die Stabilität des Geschäftsverkehrs auf dem Wertpapiermarkt in Frage gestellt und damit das Vertrauen der Anleger in den Wertpapiermarkt ruiniert oder zumindest stark verletzt.864 Insbesondere unerfahrene Kleinanleger sind davor zu schützen, gutgläubig Geschäfte abzuschließen, wenn sie sich der fehlenden Registrierung nicht bewusst waren. II. Geschäfte mit Dokumenten, die keine Wertpapiere sind Art. 5 Nr. 1 ASchG verbietet ein öffentliches Angebot, Werbung sowie ein An-gebot in einer anderen Form an eine unbegrenzte Anzahl von Personen für Do-kumente, die zwar finanzielle und andere Verpflichtungen verbriefen, jedoch keine Wertpapiere i.S. der russischen Gesetzgebung darstellen. Mit dieser Norm zielt der Gesetzgeber darauf ab, die Wertpapiere, die keine Emissionswertpapie-re sind bzw. nicht den Anforderungen an die Offenlegung von Informationen über Wertpapiere und deren Emittenten unterliegen, nicht zum Umlauf auf dem Wertpapiermarkt zuzulassen und dadurch Schwindel auf dem Wertpapiermarkt zu unterbinden.865 Art. 15.24 des Gesetzbuchs über Verstöße gegen öffentliches Recht erlegt den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts und deren Mitarbeitern Bußgelder in Höhe von jeweils 400 bis 500 Mindestgehältern (entspricht unge-fähr Euro 7.059 bis 8.824)866 und 40 bis 50 Mindestgehältern (entspricht unge-fähr Euro 705 bis 882) für Angebot, Werbung oder Platzierung solcher Doku-mente auf. Damit stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Marktintermediäre le-diglich Wertpapiere, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und der staatlichen Aufsicht unterliegen, auf dem Wertpapiermarkt in Umlauf bringen.

Geschäft daher nach Art. 168 ZGB nichtig war. Die nachträgliche Registrierung der Aktien ändert nichts daran.

864 Vgl. Sinenko, S. 182 ff. 865 Vgl. Homenko, Consul’tant plus/Sudebnaja praktika 2003, S. 1. 866 Vgl. Fn. 809.

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III. Geschäfte mit Wertpapieren bei fehlender Erlaubnis des professionel-len Teilnehmers des Wertpapiermarkts Die FWpMK hat in Ziff. 2.2. Spiegelstr. 1 und 5 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit eine weitere Verbotsnorm vorgesehen. Sie ver-pflichtet Broker und Dealer, Abstand von Geschäften mit Wertpapieren zu neh-men, bei denen der Depositar oder die Person, die die Tätigkeit der Führung des Registers der Wertpapierinhaber867 oder der Organisation des Handels auf dem Wertpapiermarkt ausübt, nicht über die entsprechende Erlaubnis verfügt. Das bedeutet, dass Broker und Dealer verpflichtet sind, sich vor der Ausführung der Geschäfte zu erkundigen, ob die Person, von der die ordnungsgemäße Ausfüh-rung des Geschäfts abhängt, über die Erlaubnis zur Ausführung der entspre-chenden Tätigkeit verfügt und das Geschäft nach den gesetzlichen Anforderun-gen durchgeführt werden kann, so dass seine Gültigkeit unbestritten ist. Sollte die Person, die an der Ausführung des Geschäfts beteiligt ist, nicht über die Er-laubnis verfügen, die für die von dieser Person ausgeübte Tätigkeit nach der rus-sischen Rechtssetzung erforderlich ist, müssen Broker und Dealer vom Geschäft absehen. Diese Pflicht, die Geschäftsfähigkeit der anderen professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts zu kontrollieren, obliegt den Brokern und Dealern kraft ihrer Stellung und ihrer Kompetenz. Sie zielt darauf ab, die dem Broker anver-trauten Gelder und Wertpapiere der Anleger zu schützen und ist mit der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, verbunden.868 Dies ist auch für den Schutz der Anleger von herausragender Bedeutung. Diese Kontrolle des rechtlichen Status der Personen, die bei der Ausführung und Legitimierung der Wertpapier-geschäfte sowie bei der Übertragung der Rechte an den Wertpapieren eine ent-scheidende Rolle spielen, soll von den Anlegern die Gefahr abwenden, dass ihre Rechte an den erworbenen Wertpapieren von Dritten bestritten werden können oder das Geschäft (Erwerb oder Veräußerung) mit den Wertpapieren für ungül-tig erklärt wird. IV. Angebot der Wertpapiere bei mangelhafter Offenlegung Art. 4 Nr. 1 ASchG und Ziff. 2.2. Spiegelstr. 4 der Regeln zur Durchführung der Broker- und Dealertätigkeit untersagen die Werbung und/oder ein öffentliches Angebot der Wertpapiere von Emittenten, die ihren in der russischen Gesetzge-

867 Ausnahmsweise dürfen Emittenten der Wertpapiere in den in der Rechtssetzung vor-

gesehenen Fällen Register der Wertpapierinhaber ohne Erlaubnis führen. 868 Vgl. Habarov, Pravo i ėkonomika Nr. 3 (1999), S. 26.

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bung festgelegten Offenlegungspflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen. Mit dieser Regel wird ein Versuch unternommen, von den Anlegern die Gefahr abzuwenden, dass ihnen Wertpapiere angeboten werden, deren Risiken in Folge mangelhafter Offenlegung nicht richtig eingeschätzt werden können und deren Emission aus diesem Grund durch die FWpMK gemäß Art. 26 Abs. 4 WpMG angehalten oder für ungültig erklärt werden kann. V. Zusammenfassung Die besonderen Verhaltenspflichten des professionellen Teilnehmers des Wert-papiermarkts schützen die Anleger vor dem Abschluss von Geschäften, deren Gültigkeit im Nachhinein angefochten werden kann, und dienen der Gewährleis-tung der Stabilität und Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts. Demgemäß obliegt es den professionellen Teilnehmern des Wertpapiermarkts sicherzustel-len, dass auf dem Wertpapiermarkt lediglich mit Wertpapieren gehandelt wird, die ordnungsgemäß registriert worden sind, den gesetzlichen Anforderungen entsprechen sowie der staatlichen Aufsicht unterliegen sowie dass die Geschäfte ordnungsgemäß abgeschlossen werden und nachträglich nicht beanstandet wer-den können. Der professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarkts ist am besten in der Lage, die mangelhafte Registrierung der Wertpapiere und andere oben genannte Missstände aufzudecken und vom Anleger die mit dem Abschluss der entsprechenden Geschäfte verbundenen Gefahren (z.B. Betrug) abzuwenden. Schlussfolgerungen zu den Kapiteln 3 und 4 Der Vergleich zwischen den im europäischen bzw. deutschen und russischen Recht enthaltenen Verhaltensregeln der Marktintermediäre lässt sich einfach ziehen, weil es sich grundsätzlich um dieselben Regeln handelt. Dies liegt in ers-ter Linie daran, dass der jeweilige Gesetzgeber die schwache Position des Anle-gers gegenüber dem Marktintermediär erkannte und versuchte, durch die Ein-führung der Berufsregeln der Marktintermediäre die Unterlegenheit des Anle-gers auszugleichen und ihn zu schützen. So sorgen beide Rechtssysteme dafür, dass die Marktintermediäre ihre Dienstleistungen unter Wahrung der Kundenin-teressen erbringen und Interessenkonflikte im Interesse des Anlegers lösen bzw. negative Folgen eines unvermeidbaren Interessenkonflikts für den Kunden so-weit wie möglich abmildern. Den Kern der Verhaltenspflichten nach beiden Rechtsordnungen bildet die Informationspflicht: Diese richtet sich darauf, dem Anleger, dem Erfahrungen und Informationen im Hinblick auf das Anlagege-schäft fehlen, in die Lage zu versetzen, eine eigenständige, informierte, risiko-bewusste Anlageentscheidung zu ermöglichen.

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Zwar ähneln sich die Zielrichtungen der gesetzlichen Regulierung nach europäi-schem bzw. deutschem und russischem Recht, doch werden diese Ziele mit un-terschiedlichen rechtlichen Mitteln erreicht. Auch das weitgehende Fehlen von Organisationsregeln im russischen Recht und die unzureichende Verbindung zwischen den existierenden Organisations- mit den Verhaltensregeln spielen für die Reichweite und die inhaltliche Ausgestaltung der Verhaltenspflichten eine wichtige Rolle. Daraus ergeben sich Unterschiede beim Inhalt und beim Umfang der Verhaltensregeln nach europäischem bzw. deutschem und russischem Recht, auf die nachfolgend unter 1. bis 5. hingewiesen wird. 1. Die Pflicht des russischen Rechts, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, ent-spricht grundsätzlich der im europäischen und deutschen Recht begründeten In-teressenwahrungspflicht, da die Wahrung der Kundeninteressen den Kern dieser jeweiligen Pflichten bildet. Wie die Interessenwahrungspflicht nach europäi-schem und deutschem Recht stellt sie eine Generalpflicht dar, die sich auf alle Handlungen der Marktintermediäre erstreckt. Gleichwohl ist die Rolle, die diese Pflicht beim Anlegerschutz spielt, auf Grund mehrerer gesetzlicher Regulie-rungslücken schwach. So fehlen dem russischen Recht die organisatorischen Mechanismen, die die Einhaltung dieser Pflicht durch die Marktintermediäre si-cherstellen würden. Das Fehlen solcher Mechanismen macht es für die Anleger zudem schwer, die entsprechenden Verstöße nachzuvollziehen und in einem Ge-richtsverfahren nachzuweisen. Diese Mängel der gesetzlichen Regulierung in Russland werden zum Teil durch die internen Regeln der Selbstregulierungseinrichtungen ausgeglichen. Die NAUFOR-Regeln sind ein Beispiel dafür, wie die internen Regeln einer Selbst-regulierungseinrichtung die gesetzlichen Anforderungen konkretisieren, ihre Reichweite und ihre Durchsetzbarkeit verbessern und auf diese Weise das Anle-gerschutzniveau erhöhen. Insofern sollte sich der russische Gesetzgeber an den NAUFOR-Regeln ein Beispiel nehmen und sowohl die organisatorischen Grundlagen für die Einhaltung der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, als auch effektive Mechanismen ihrer Durchsetzung, einschließlich der Sanktio-nen für ihre Nichteinhaltung, schaffen. 2. Die Erkundigungspflicht der Marktintermediäre nach europäischem bzw. deutschem Recht spielt für den Anlegerschutz eine herausragende Rolle. Sie sorgt dafür, dass die Marktintermediäre die Schutzbedürftigkeit jedes einzelnen Anlegers ermitteln und – je nach dem Professionalitätsgrad des konkreten Anle-gers – den Inhalt ihrer Dienstleistungen einrichten. Dies schafft einen differen-zierten Ansatz, der insbesondere bei der Erfüllung der Interessenwahrungs-, der Informations-/Aufklärungs- sowie der Beratungspflicht der Marktintermediäre den Schutz der Interessen des konkreten Anlegers sicherstellt.

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Zwar erkennen in der Russischen Föderation die Rechtsliteratur, die Selbstregu-lierungseinrichtungen sowie, im Ansatz, auch die Rechtssetzung an, dass sich die Anleger in einer intellektuell und wirtschaftlich unterlegenen Position befin-den und dass manche Anleger (z.B. natürliche Personen) besonders schutzbe-dürftig sind, doch ist dieses Problem in der Rechtssetzung bislang unberücksich-tigt geblieben. Das den Brokern durch die FWpMK gewährte Recht, Kundenan-gaben zu ermitteln, reicht nicht aus, um sicherzustellen, dass die Marktinterme-diäre die Interessen und Schutzbedürfnisse ihrer Kunden kennen und diese bei der Erfüllung jeglicher Verpflichtungen gegenüber den Anleger berücksichtigen. Mangelhafte Kenntnisse der Kundeninteressen machen es für den Marktinter-mediär schwer, diese im Rahmen der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu han-deln, zu wahren und die dem Anleger mitzuteilenden Informationen oder Emp-fehlungen anlegergerecht auszugestalten. Dies senkt die anlegerschützende Funktion sämtlicher im russischen Recht enthaltenen Verhaltensregeln und stellt ein Defizit des russischen Anlegerschutzes dar. 3. Sowohl im europäischen/deutschen als auch im russischen Recht bildet die In-formationspflicht den Kern der Verhaltenspflichten der Marktintermediäre und spielt für den Anlegerschutz eine wichtige Rolle. Mit der Auferlegung der In-formationspflicht auf die Marktintermediäre werden sowohl nach dem russi-schen als auch nach dem europäischen bzw. deutschen Recht zwei Ziele ver-folgt: (1) die Herstellung von Transparenz im Hinblick auf die Marktintermediä-re und ihre Dienstleistungen sowie (2) die Gewährleistung einer informierten, ri-sikobewussten Anlageentscheidung durch den Anleger. Trotz mehrerer Anhaltspunkte, die dem russischen und dem europäischen bzw. deutschen Recht gemeinsam sind, liegen unterschiedliche Schwerpunkte in der gesetzlichen Regulierung vor. Während die russische Rechtssetzung sich inten-siv mit der Herstellung der informationellen Transparenz im Hinblick auf die Marktintermediäre und ihre Handlungen befasst, sieht der europäische Gesetz-geber die Notwendigkeit der Gewährleistung einer solchen Transparenz nur im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapierdienstleistungen durch Privat-anleger im Fernabsatz, damit sich dieser Anleger zumindest auf dem Informati-onsstand eines Anlegers, der dieselben Dienstleistungen außerhalb des Fernab-satzes erwirbt, befindet. Nach russischem Recht sorgt der Gesetzgeber durch die Herstellung der informationellen Transparenz dafür, dass die Dienstleistungen auf dem Wertpapiermarkt nur durch diejenigen professionellen Teilnehmer des Wertpapiermarkts, die den gesetzlichen Verhaltens- und Organisationsregeln sowie den Solvenzanforderungen unterliegen (die durch die FWpMK beaufsich-tigt werden), erbracht werden.

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Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen dem russischen und dem europäi-schen bzw. deutschen Recht besteht darin, dass nach deutschem Recht der Marktintermediär grundsätzlich zur Mitteilung der für die Anlageentscheidung des Anlegers erforderlichen Informationen verpflichtet ist. Die Einhaltung der gesetzlichen Informationspflicht ist u.a. durch die Nachforschungspflicht sowie durch die eingeschränkten Möglichkeiten des Verzichts auf die Informationen sichergestellt. Ausnahmen von dieser Pflicht sind nur bei fehlender Schutzbe-dürftigkeit des Anlegers möglich. Im Lichte dieser hohen Anforderungen ist die in der russischen Rechtssetzung enthaltene Möglichkeit des Verzichts des Anle-gers auf Informationsverschaffung durch den Marktintermediär und damit der Verzicht auf die für seine Anlageentscheidung wesentlichen Informationen (le-diglich die vom Emittenten offen gelegten Informationen sind nach Art. 30 Abs. 18 WpMG dem Anleger ohne Anfrage zu übermitteln) sowie das Recht des Marktintermediäres, sich der Informationspflicht durch die Offenlegung des Umstands, dass ihm die entsprechenden Informationen fehlen, zu entledigen, für den umfassenden Schutz der Anleger unzureichend. Der Umfang und Inhalt der Informationspflicht nach europäischem bzw. deut-schem und russischem Recht ist ebenfalls unterschiedlich: Während das europä-ische bzw. deutsche Recht die Marktintermediäre verpflichtet, dem Anleger mit-zuteilende Informationen aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen und objek-tiven Quellen zu schöpfen und ihm diese in einer verständlichen Form zu prä-sentieren bzw., wenn nötig, zu erläutern, beschränkt sich das russische Recht grundsätzlich auf die Weitergabe der vom Emittenten offen gelegten Informati-onen.869 Dies verfehlt den Zweck, die besondere Stellung des Marktintermediä-res und seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen zum Schutz der Anleger effektiv einzusetzen. Auch die organisatorischen Grundlagen der Informationspflicht nach russischem und deutschem Recht sind unterschiedlich. Zwar zielen beide Rechtsordnungen auf die Gewährleistung der Einhaltung der Informationspflicht durch den Markt-intermediär ab, doch stellt das deutsche Recht dabei auf die Organisation des In-formationsflusses innerhalb des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ab, während das russische Recht die Einhaltung dieser Pflicht mittels Sicherstellung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter des Marktintermediäres gewährleistet.

869 Dies ähnelt der reduzierten Informationspflicht, die für „execution-only“ Geschäfte in

der deutschen Rechtsliteratur diskutiert wird, obwohl sie den Anlegerschutz reduziert. Im russischen Recht werden die „execution-only“ Geschäfte nicht separat berücksich-tigt und die Online-Broker unterliegen zur Zeit derselben Informationspflicht.

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Sowohl nach europäischem als auch nach russischem Recht stellt die Informati-onspflicht ein Mindestschutzniveau der Anleger dar und bleibt durch die privat-rechtliche Beratungspflicht unberührt. Die Beratungspflicht entsteht aus einem Beratungsvertrag und obliegt nicht nur den Wertpapierdienstleistungsunterneh-men (nach deutschem Recht) oder den professionellen Teilnehmern des Wertpa-piermarkts (nach russischem Recht). Ihre Reichweite geht über die der gesetzli-chen Informationspflicht hinaus. Sie trifft auch auf die reinen Anlageberater, die der gesetzlichen Informationspflicht nicht unterliegen, zu. Die Beratungspflicht sowohl nach russischem als auch nach deutschem Recht schließt eine Empfehlung bzw. einen Rat sowie die Erteilung der mit ihm ver-bundenen Informationen bzw. eine Aufklärung, die dem Anleger die Empfeh-lung erläutert und ihm eine eigenständige risikobewusste Anlageentscheidung ermöglicht, ein. Zwar ist im russischen Recht das Konzept der anlegergerechten Beratung mangels einer Erkundigungspflicht schwach ausgeprägt, jedoch richtet sich der Inhalt der Empfehlung und der mit ihr verbundenen Informationen nach den Bedürfnissen des konkreten Anlegers. Auch die Anforderung der Objektge-rechtigkeit der Beratung ist sowohl im russischen als auch im deutschen Recht begründet und dient dem Zwecke des Anlegerschutzes. 4. Die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten spielt beim Anleger-schutz eine wichtige Rolle. Sie stellt sicher, dass die Interessen einzelner Anle-ger nicht durch die eigenen Interessen des Marktintermediäres beeinträchtigt werden und trägt zur Stärkung des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt erheblich bei. Das europäische und deutsche Recht zielen darauf ab, in erster Linie die Gefahr des Interessenkonflikts auszuschalten und schreiben den Marktintermediären de-taillierte Anforderungen an die organisatorischen Maßnahmen vor, die zu die-sem Zweck getroffen werden müssen. Die russische Rechtssetzung enthält keine Organisationsregeln, die die Marktintermediäre zur Vorbeugung von Interessen-konflikten befolgen müssen. Sie stellt dabei auf das Handeln mit Gewissenhaf-tigkeit ab, was den verhaltensmäßigen Vorkehrungen nach der neuen WPD-RL entspricht (bislang wurden zur Vermeidung von Interessenkonflikten nur die or-ganisatorischen Mechanismen nach europäischem und deutschem Recht einge-setzt). Gleichwohl sind die verhaltensmäßigen Maßnahmen alleine unzurei-chend, um Anleger effektiv vor der Gefahr von Interessenkonflikten zu schüt-zen. Dies führt zur Senkung des allgemeinen Anlegerschutzniveaus in der Rus-sischen Föderation. Sowohl das russische als auch das neue europäische Recht verpflichten den Marktintermediär zur Offenlegung der Interessenkonflikte. Die Zielrichtung der

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Offenlegungspflicht nach europäischem Recht ist noch im Rahmen der Durch-setzungsmaßnamen zu klären. Nach russischem Recht löst die mangelnde Offen-legung einen Anspruch des Anlegers auf Schadensersatz aus, wenn infolge des Interessenkonflikts dem Anleger Schaden zugefügt wurde. Diese zivilrechtliche Haftung schützt effektiv die Rechte und Interessen einzelner Anleger. Gleich-wohl besteht sowohl nach russischem als auch nach europäischem bzw. deut-schem Recht trotz der Offenlegung die Pflicht des Marktintermediäres, sich um die bestmögliche Ausführung des Kundenauftrages zu bemühen und soweit wie möglich die negativen Folgen von Interessenkonflikten abzumildern. Auf diese Weise wird den Anlegern weitreichender Schutz gewährt. 5. Zwischen den besonderen Verhaltenspflichten der vorliegend verglichenen Rechtsordnungen können nur wenige Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Im deutschen Recht konkretisieren sie die allgemeinen Verhaltensregeln. Im russi-schen Recht verfolgen sie überwiegend den Zweck, Regulierungslücken aufzu-fangen. Sie knüpfen an die besondere Stellung und die Kenntnisse des Marktin-termediäres an, um so eine (letzte) gesetzliche Schranke für unzulässige rechts-widrige Geschäfte zu errichten. 6. Grundsätzlich kann aus diesem Vergleich gefolgert werden, dass die vom rus-sischen Gesetzgeber intendierten Zielrichtungen des Anlegerschutzes denen des europäischen und deutschen Rechts nahe kommen. Das erklärt die Ähnlichkeit zwischen den Verhaltensregeln. Gleichwohl ist der Inhalt der russischen Verhal-tensregeln mit mehreren Regulierungslücken behaftet. Diese lassen sich auf das Fehlen der entsprechenden Organisationsregeln, auf die mangelhaften Durchset-zungsmechanismen sowie auf die Besonderheiten der Entwicklung des Wertpa-piermarkts in der Russischen Föderation zurückführen. Dies führt dazu, dass das vom russischen Gesetzgeber beabsichtigte hohe Anlegerschutzniveau trotz der weitgehenden gesetzlichen Regulierung sowie der Kontrolle seitens der FWpMK nicht gewährleistet werden kann. Letztlich stellt dies auch eine Schwachstelle für die Sicherung der Stabilität und der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts dar. Die europäische Regulierung des Wertpapiermarkts ist hoch entwickelt und ge-währleistet ein wesentlich höheres Schutzniveau für die Anleger als die russi-sche Rechtssetzung. Gerade mit der Verabschiedung der neuen WPD-RL wur-den die aktuellsten Erfahrungen in das Recht übernommen und der Schutz der Anleger wesentlich verbessert. Um dieses Niveau zu erreichen, muss der russi-sche Gesetzgeber die Verhaltensregeln auf solide organisatorische Grundlagen stellen, die Erkundigungspflicht als Grundlage für die Erfüllung anderer Verhal-tenspflichten einführen und verfahrensmäßige Maßnahmen treffen, die für die Anleger den Schutz ihrer Rechte und legitimen Interessen vor Gerichten verein-

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fachen. Im Lichte dessen ist die Rolle der Selbstregulierungseinrichtungen in Russland besonders hervorzuheben. Sie dienen nicht nur dem Zweck der Libera-lisierung der Regulierung des Wertpapiermarkts, sondernd stellen auch einen flexiblen, praxisnahen Regulierungsmechanismus dar, der aktuelle Entwicklun-gen regelmäßig schneller erfassen kann, als es der Gesetzgeber vermag. Damit gewährleisten diese ein, verglichen mit den gesetzlichen Vorgaben, höheres An-legerschutzniveau.

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Schlusskapitel Diese Dissertation befasst sich mit den Verhaltenspflichten der Marktintermedi-äre, die sowohl nach europäischem und deutschem als auch nach dem russi-schem Recht einen der wichtigsten Mechanismen des Anlegerschutzes darstel-len. Sie ist in vier Kapitel aufgeteilt. Das 1. Kapitel befasst sich mit dem Vergleich des im europäischen, deutschen und russischen Rechts enthaltenen Konzepts des Anlegerschutzes. In diesem Kapitel wurde auf die Systematik der anlegerschützenden Rechtsvorschriften eingegangen und der Platz der Verhaltensregeln im System der Maßnahmen und Mechanismen, die die Gewährleistung des Anlegerschutzes sicherstellen, be-stimmt. Sowohl in der Europäischen Union und in Deutschland als auch in der Russi-schen Föderation wird die Gewährleistung des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt zur Zielrichtung des Anlegerschutzes erklärt. Dieses Vertrauen ist für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der nationalen Kapitalmärkte, die ihrerseits eine wichtige Voraussetzung der Stabilität und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft darstellt, unentbehrlich. Zugleich dient der funktionsfähige Kapitalmarkt der Stärkung des Vertrauens der Anleger und fördert das Investment. Das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt hängt unmittelbar vom allge-meinen Anlegerschutzniveau ab, das auf dem Wege der rechtlichen Regulierung in jedem Land errichtet wird. Einen bedeutsamen Teil dieser Regulierung stellen die Verhaltens- und Organisationsregeln der Marktintermediäre dar. Allerdings wird das Anlegerschutzniveau in Deutschland schon auf der europäischen Ebene vorgegeben. Die Europäische Union hat seit langem Vorgaben zum Zwecke des Anlegerschutzes erlassen und für die Erhöhung des Anlegerschutzniveaus in den Mitgliedstaaten gesorgt. Zu diesem Zweck wurden rechtliche Maßnahmen im Hinblick auf den Anleger als Teilnehmer des Kapitalmarkts (WPD-RL) sowie als Verbraucher der Finanzdienstleistungen, der eine besonders schutzbedürftige Vertragspartei darstellt (FernARL-FinanzDL), getroffen. Die neue Fassung der WPD-RL baut auf den europaweiten Erfahrungen auf dem Gebiet des Anleger-schutzes auf und sorgt im Hinblick auf die Verhaltensregeln für eine maximale Rechtsangleichung sowie eine einheitliche Anwendung des Herkunftslandprin-zips. Diese Schritte werden den Anlegerschutz in allen Mitgliedstaaten der Eu-ropäischen Union auf ein qualitativ neues, höheres Niveau bringen sowie zur Er-reichung des gemeinschaftlichen Ziels – Schaffung eines gemeinsames Binnen-markts – beitragen.

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Das Anlegerschutzkonzept in Deutschland und in der Russischen Föderation be-ruht auf zwei Säulen. Erstens werden öffentlich-rechtliche Normen und Mecha-nismen zur Herstellung eines anlegerfreundlichen Klimas auf dem Wertpapier-markt eingesetzt. Dieser Schutzmechanismus wird in Deutschland als „Schutz des allgemeinen Anlegerpublikums“ und in der Russischen Föderation als „Maßnahmen zur Vorbeugung der Verletzungen von Anlegerinteressen“ be-zeichnet. Zweitens erhalten die Anleger auf dem Wege des Privatrechts rechtli-che Mittel zum Schutz ihrer Rechte und Interessen im Falle deren Verletzung sowie entsprechende Schadenersatzansprüche. Nach dem deutschem Anleger-schutzkonzept wird dieser Schutzmechanismus als individueller Anlegerschutz und gemäß russischer Rechtswissenschaft als Mechanismus zur Beseitigung von Beeinträchtigungen der Rechte und Interessen einzelner Anleger charakterisiert. Gleichwohl kann nach der russischen Rechtsmethodik – im Gegensatz zur deut-schen Rechtsmethodik – keine scharfe Trennung zwischen den beiden Schutz-mechanismen festgestellt werden: Die gesetzlichen Normen weisen doppelte öf-fentlich- sowie privatrechtliche Natur auf und können Schadenersatzansprüche der Anleger unmittelbar begründen. Der erste Schutzmechanismus setzt voraus, dass sowohl die Marktintermediäre als auch die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Finanzinstrumente der staatli-chen Regulierung und Beaufsichtigung unterstellt werden. Dies ist in der Russi-schen Föderation erst Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mit der Ver-abschiedung des WpMGs und Errichtung der FWpMK erfolgt. Der Umfang der staatlichen Regulierung in Bezug auf den Wertpapiermarkt der Russischen Fö-deration sowie die Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörden wurden im Detail im 2. Kapitel dargestellt und mit denen der deutschen BAFin verglichen. Zwar lassen sich viele Ähnlichkeiten feststellen, doch gehen die Befugnisse der FWpMK über die der BAFin insofern hinaus, als die FWpMK befugt ist, die Verhaltensregeln selbst zu entwickeln und den Marktintermediären aufzuerle-gen. Auch die Ausdehnung bzw. Übertragung der aufsichtsrechtlichen Funktio-nen und Befugnisse der FWpMK auf die Selbstregulierungseinrichtungen – die eine über die öffentlich- und privatrechtlichen Schutzmechanismen hinausge-hende dritte Ebene des Anlegerschutzes darstellen – trägt zur Erhöhung des An-legerschutzniveaus in der Russischen Föderation effektiv bei. Da die Reichweite der öffentlich-rechtlichen Verhaltenspflichten durch den An-wendungsbereich der entsprechenden Gesetze (WpHG in Deutschland und WpMG in Russland) begrenzt ist, kommt den privatrechtlichen Schutzmecha-nismen eine desto wichtigere Rolle zu. Sie können als „Auffangregelungen“ be-zeichnet werden. Z.B. haben sie bislang sowohl im deutschen als auch im russi-schen Recht Grundlagen für den Schutz gegen die Verletzung von Anlegerrech-ten durch Anlageberater gewährleistet. Dies wird sich allerdings mit der Umset-

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zung der neuen WPD-RL in das deutsche Recht und der Aufnahme der Anlage-berater in den Anwendungsbereich des WpHG ändern. Das 1. Kapitel schildert nicht nur den Platz der Verhaltensregeln der Marktin-termediäre im Anlegerschutzsystem, sondern begründet die Notwendigkeit sol-cher Regeln. Das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt hängt erheblich von ihrem Vertrauen in die finanzielle Stabilität und die fairen Geschäftsprakti-ken seiner Teilnehmer ab. Diese Teilnehmer sind in erster Linie die Marktinter-mediäre, die einem Anleger Zugang zum Kapitalmarkt und seinen Anlagepro-dukten ermöglichen. Die Marktintermediäre befinden sich gegenüber den Anle-gern in einer Machtposition, die sich aus dem Wissensvorsprung sowie dem di-rekten Zugang zum Handel ergibt. Zum Schutz der Anleger ist es erforderlich, die professionelle Tätigkeit der Marktintermediäre gewissen beruflichen Verhal-tenspflichten zu unterstellen, die eine faire und Interessen wahrende Behandlung der Anleger sicherstellen. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Interessen wahrende Ausführung der Aufträge, den Schutz der Interessen einzelner Anleger bei Interessenkonflikten sowie den Ausgleich der informationellen Unterlegen-heit der Anleger. Die Intensität und Reichweite der Schutzmaßnahmen werden sich vom Fall zu Fall nach der Schutzbedürftigkeit des konkreten Anlegers bzw. seines Professionalitätsgrades, der hauptsächlich auf den Kenntnissen und Er-fahrungen des Anlegers beruht, unterscheiden. Dieses Konzept hat im europäi-schen Recht eine sehr weitgehende Entwicklung und Konkretisierung mit der Verabschiedung der neuen Fassung der WPD-RL erfahren. Leider wird der Pro-fessionalitätsgrad des Anlegers nach dem russischen Recht bei der Bestimmung des Inhalts der Verhaltenspflichten nicht in Erwägung gezogen. Dadurch werden in einigen Fällen die Interessen insbesondere der Kleinanleger beeinträchtigt. Der Inhalt und Umfang der Verhaltens- und Organisationsregeln nach europäi-schem und deutschem sowie nach russischem Recht werden jeweils im 3. und 4. Kapitel dargestellt. Die europäischen/deutschen Verhaltens- und Organisations-regeln sind in Artt. 13, 16 und Art. 19 WPD-RL n.F. und §§ 31 ff. WpHG fest-gelegt sowie dem deutschen Privatrecht zu entnehmen. Zu „allgemeinen“ Ver-haltenspflichten der Marktintermediäre nach europäischem/deutschem Recht zählen die Interessenwahrungs-, Erkundigungs-, Informationspflicht sowie die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten. Da das Regulierungsziel der Verhaltensregeln nach russischem Recht grundsätzlich dem des europäi-schen/deutschen Rechts entspricht, können die jeweiligen allgemeinen, im euro-päischen/deutschen Recht enthaltenen Verhaltensregeln im russischen Recht nachvollzogen werden. Es lassen sich allerdings grundlegende inhaltliche Unter-schiede feststellen, die zum Teil durch die Besonderheiten des russischen Wert-papiermarkts und seiner Entwicklungsgeschichte bedingt sind, zum Teil aber auch an einer mangelhaften rechtlichen Regulierung liegen. Im Laufe der Dar-

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stellung einzelner Pflichten wurde im 4. Kapitel der Vergleich zu den im euro-päischen/deutschen Recht begründeten Verhaltenspflichten gezogen. Ihr Inhalt wurde unter dem Blickwinkel bewertet, ob die Verhaltenspflichten das Ziel des Anlegerschutzes erreicht haben und ob das auf ihre Grundlage errichtete Anle-gerschutzniveau dem internationalen Standard (am Beispiel des europäischen bzw. deutschen Standards) entspricht. Schlussfolgerungen zu den Kapiteln 3 und 4 fassen die Unterschiede der rechtlichen Regulierung im Hinblick auf die Ver-haltensregeln der Marktintermediäre nach russischem und europäi-schem/deutschem Recht zusammen und enthalten Änderungsanregungen, die auf die Erhöhung des Anlegerschutzniveaus abzielen. Sowohl im deutschen als auch im russischen Recht werden die allgemeinen Verhaltenspflichten durch die „besonderen“ Verhaltenspflichten ergänzt und konkretisiert. Diese Verhaltenspflichten sind zwar eng mit den allgemeinen Verhaltenspflichten verbunden, jedoch wirken sie gezielt bestimmten Risiken und Gefahren, denen die Anleger auf dem Kapitalmarkt ausgesetzt sind, entge-gen und sind jedem Rechtssystem eigen. Die besonderen Verhaltenspflichten nach deutschem Recht begründen das Verbot, Kunden den An- oder Verkauf von Wertpapieren zu empfehlen, die nicht den Interessen des Kunden entspre-chen, oder den Kurs der Wertpapiere zu lenken sowie das Verbot des Vor-, Mit- und Gegenlaufens. Nach russischem Recht zählen zu den besonderen Verhal-tenspflichten das Verbot, Geschäfte mit Wertpapieren vor deren Registrierung oder bei fehlender Erlaubnis des Marktintermediäres abzuschließen, das Verbot, auf dem Wertpapiermarkt mit Dokumenten zu handeln, die keine Wertpapiere sind, sowie das Verbot, Wertpapiere bei mangelhafter Offenlegung den Anlegen anzubieten. Zwar spielen auch die Organisationsregeln für den Anlegerschutz eine wichtige Rolle, jedoch wurden sie separat und ausführlich im 3. Kapitel im Hinblick auf das europäische/deutsche Recht behandelt. Diese Regeln können als organisato-rische Grundlagen der Verhaltensregeln betrachtet werden. Sie stellen nicht nur die Erfüllung, sondern auch die Überwachung und Durchsetzung der Verhal-tensregeln sicher. Der Vergleich zwischen europäischem/deutschem und russi-schem Recht konnte allerdings im Hinblick auf die Organisationspflichten der Marktintermediäre nicht durchgeführt werden, da die Organisationspflichten im russischen Recht weitgehend fehlen. Auch die Verbindung zwischen den Orga-nisations- und Verhaltensregeln ist nach russischem Recht schwächer als nach europäischem/deutschem Recht ausgeprägt. Dies stellt ein Problem für den An-legerschutz in der Russischen Föderation dar, weil durch diesen Mangel die Me-chanismen der Sicherstellung, Überwachung und Durchsetzung der Verhaltens-regeln abgeschwächt sind.

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Wie bereits erwähnt, entsprechen die im europäischen/deutschen Recht enthal-tenen Verhaltenspflichten der Marktintermediäre denen des russischen Rechts. Allerdings können im Hinblick auf jede einzelne Pflicht inhaltliche Unterschie-de nachvollzogen werden. So kann die Interessenwahrungspflicht nach europäi-schem/deutschem Recht mit der Pflicht des russischen Rechts, mit Gewissenhaf-tigkeit zu handeln, verglichen werden. Beide dieser Pflichten sind General-pflichten, so dass ihr Umfang sehr breit ist und sich auf alle Handlungen des Marktintermediäres, insbesondere die Auftragsausführung, erstreckt. Sowohl nach europäischem/deutschem als auch nach russischem Recht bildet die Pflicht, die Kundenorder zu bestmöglichen Bedingungen auszuführen, den Kern beider Pflichten. Allerdings fehlt dem russischen Recht die Verbindung zwischen der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, und der Erkundigungspflicht. Feh-lende Kenntnisse im Bezug auf die Person des Kunden stellen eine Gefahr für die Berücksichtigung seiner Interessen dar. Dem russischen Recht fehlen auch die organisatorischen Grundlagen, die die Einhaltung und Durchsetzbarkeit die-ser Pflicht sicherstellen. Die Interessenwahrungspflicht im europäi-schen/deutschen Recht stellt einen wirksamen Mechanismus des Anlegerschut-zes dar. Die Pflicht des russischen Rechts, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, verfehlt ihr Ziel und kann in der Praxis nicht das angestrebte Anlegerschutzni-veau gewährleisten. Die neue Fassung der WPD-RL enthält wichtige Novellierungen zum Inhalt der Erkundigungspflicht. Erstens wird der Umfang dieser Pflicht unmittelbar von der Art der in Anspruch genommenen Dienstleistung abhängig gemacht: Anla-geberater und Portfolio-Verwalter sind einer weitgehenden Erkundigungspflicht unterstellt, während Direkt-Broker unter bestimmten Umständen von dieser Pflicht sogar befreit sind. Zweitens wird die Beurteilung durch den Marktinter-mediär, ob das Anlageprodukt oder die Dienstleistung für den Kunden passend sind, zur Zielrichtung der Erkundigungspflicht erklärt. Zwar sind die Auswir-kungen der Befreiung von Direkt-Brokern von der Erkundigungspflicht für den Anlegerschutz (insbesondere im Lichte der Durchführungsmaßnahmen) noch abzuwarten, jedoch ist der in der WPD-RL n.F. vorgeschlagene Ansatz grund-sätzlich zu begrüßen, da er Klarstellung auf diesem Gebiet schafft und die anle-gerschützende Funktion der Erkundigungspflicht auf ein neues, höheres Niveau bringt. Während die Erkundigungspflicht im europäischen/deutschen Recht schon sehr weitgehend entwickelt wurde, unterliegen die Marktintermediäre nach russischer Rechtsetzung keiner Pflicht, Kundenangaben einzuholen. Ihnen wurde nur das entsprechende Recht gewährt. Diese Regulierungslücke wird teilweise durch die internen Regeln der Selbstregulierungseinrichtungen aufgefangen, was aller-dings für die Gewährleistung umfassenden Anlegerschutzes nicht ausreicht.

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Dies hindert die Einführung des individualisierten differenzierten Ansatzes zur Behandlung der Anleger hauptsächlich bei der Erfüllung der Pflicht, mit Gewis-senhaftigkeit zu handeln, sowie der Informationspflicht; m.a.W., die individuel-len Interessen und Schutzbedürfnisse jedes einzelnen Anlegers werden nicht er-mittelt und ihnen kann daher nicht Rechnung getragen werden. Dies stellt ein wesentliches Defizit des Anlegerschutzes im russischen Recht dar. Den Kern der Verhaltenspflichten der Marktintermediäre bildet die Informati-onspflicht. Sie zielt darauf ab, den Wissensvorsprung der Marktintermediäre auszugleichen, ihre Kenntnisse und Erfahrungen dazu zu nutzen, die informatio-nelle und intellektuelle Unterlegenheit der Anleger auszugleichen und diese in die Position zu versetzen, eine wohlinformierte, risikobewusste Anlageentschei-dung selbständig zu treffen. Der Schwerpunkt der im europäischen/deutschen Recht begründeten Informationspflicht liegt in der Aufklärung der mit der Anla-ge verbundenen Risiken. Da bislang die dem Anleger mitzuteilenden Informati-onen anlegergerecht im Hinblick auf ihren Inhalt und ihre Form sein mussten, ist die Informationspflicht nach europäischem/deutschem Recht eng mit der Erkun-digungspflicht verbunden gewesen. In der neuen Fassung der WPD-RL ist aller-dings diese Verbindung nicht mehr stark ausgeprägt. Die Informationspflicht scheint sich auf die Mitteilung standardisierter Informationen, die jetzt die allen Kunden in gleichem Maße geschuldeten Informationen über die Wertpapierfir-ma und ihre Dienstleistungen einschließen, zu begrenzen. Bei den Durchfüh-rungsmaßnahmen soll sichergestellt werden, dass diese Novellierung nicht zur Absenkung des europäischen Anlegerschutzniveaus führt. Gleichwohl wird der Erkundigungspflicht im Zusammenhang mit der Beratungspflicht eine herausra-gende Rolle eingeräumt. Es lässt sich auch eine weitere neue Tendenz im Zu-sammenhang mit der Informationspflicht sowohl in der europäischen Rechtset-zung als auch in der deutschen Rechtsprechung in den letzten Jahren beobach-ten: Bei der Bestimmung des Inhalts und des Umfangs der Informationspflicht wird u.a. auf den Dienstleister abgestellt. So werden Direkt-Banken unter be-stimmten Umständen einer reduzierten Informationspflicht, der sie durch die Vorlage standardisierter Informationsbroschüren nachkommen können, unter-stellt. Diese Tendenz bedeutet Abstriche an dem Anlegerschutzniveau und ge-fährdet insbesondere unerfahrene Anleger. Die russische Rechtsetzung entspricht nicht ganz der sich im europäischen Recht abzeichnenden Tendenz: Der Schwerpunkt ihrer Regulierung liegt auf der Mit-teilung der Informationen über den Marktintermediär sowie der Herstellung der informationellen Transparenz im Hinblick auf die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Marktintermediär. Das deutsche Recht kennt eine ähnliche Pflicht nur im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrages zwi-schen einem Anleger und einem Marktintermediär im Fernabsatz. Der Inhalt der

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im Rahmen dieser Pflicht zu übermittelnden Informationen ist in der Rechtset-zung festgelegt. Diese Pflicht trägt effektiv dem Anlegerschutz insofern bei, als sie dem Anleger die Beurteilung ermöglicht, ob er die Dienstleistungen eines ordnungsgemäß zugelassenen und beaufsichtigten Marktintermediäres in An-spruch nimmt, der den gesetzlichen Anforderungen u.a. an das Eigenkapital und die Einhaltung der Verhaltenspflichten genügt. Eine Schwäche dieser Regelung liegt darin, dass diese Informationspflicht erst auf Anfrage des Anlegers ausge-löst wird. Das russische Recht kennt auch die Pflicht des Marktintermediäres, dem Anleger Informationen zur beabsichtigten Anlage zur Verfügung zu stellen. Inhaltlich ist diese Pflicht allerdings auf die Weitergabe der vom Emittenten of-fen gelegten Informationen begrenzt. Ihre Sicherstellung wird im Gegensatz zum europäischen bzw. deutschen Recht nicht durch die entsprechende Ausges-taltung der Organisation und internen Verfahren des Marktintermediäres, son-dern durch die Aufstellung der Anforderungen an die Kompetenz der Spezialis-ten, die beim Marktintermediär tätig sind, gewährleistet. Auch die Möglichkeit, sich dieser Pflicht durch die Offenlegung zu entledigen, dass die entsprechenden Informationen fehlen, stellt eine Schwachstelle des Anlegerschutzes in Russland dar. Die Broker sind auch der Pflicht unterstellt, sicherzustellen, dass die Anle-ger die mit der Anlage verbunden Risiken verstehen. Diese Pflicht ähnelt am meisten der Informations-/Aufklärungspflicht nach deutschem Recht und be-rücksichtigt sogar indirekt die tatsächliche Schutzbedürftigkeit einzelner Anle-ger. Neben der gesetzlichen Informationspflicht kennen sowohl das deutsche als auch das russische Recht die vertragliche Beratungspflicht der Marktintermediä-re. Diese Pflicht entspringt aus einem Vertrag, der nach deutschem Recht kon-kludent und nach russischem Recht ausdrücklich abgeschlossen werden kann. Der Vorteil beim ausdrücklichen Abschluss eines Beratungsvertrages liegt darin, dass ein solcher Vertrag die Rechte und Pflichten der Parteien eindeutig festlegt. Dies hat der europäischer Gesetzgeber erkannt und in der neuen Fassung der WPD-RL die Pflicht zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages eingeführt. Die Beratungspflicht spielt für den Schutz der Anleger eine herausragende Rol-le. Sie ist sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht die Grundlage des Schadenersatzanspruchs des Anlegers. Die neue Fassung der WPD-RL hat den Zusammenhang zwischen den organisa-torischen Grundlagen der Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten inso-fern erweitert und verstärkt, als sie die Wertpapierfirmen verpflichtet, angemes-sene Vorkehrungen (es wird dabei nicht mehr scharf zwischen den organisatori-schen und verwaltungsmäßigen Vorkehrungen unterschieden), nicht nur, wie es bislang der Fall war, zur Beseitigung des Risikos des Interessenkonflikts, son-dern auch zur Erkennung, Vermeidung, Regelung oder Offenlegung des Interes-

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senkonflikts zu treffen. Die Vorschläge für konkrete Maßnahmen, die diesen Zwecken dienen, sind im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen zu erwarten. Auch im Hinblick auf den Inhalt dieser Pflicht lassen sich neue Tendenzen fest-stellen. Die zu treffenden Maßnahmen zielen nicht mehr auf die Vermeidung des Risikos eines Interessenkonflikts, sondern auf die Abmilderung seiner negativen Folgen für den Anleger ab. Nach der WPD-RL n.F. ist ein Interessenkonflikt (seine Art und/oder Quelle), der nicht beseitigt werden konnte, offen zu legen. Diese Regelung stellt die Kodifizierung der sich auf dem Kapitalmarkt bereits etablierten Praxis dar. Die Offenlegung schließt es nicht aus, dass der Marktin-termediär unter der Wahrung der Interessen des Anlegers handelt (Interessen-wahrungspflicht) und die negativen Folgen des Interessenkonflikts für den Letz-teren so weit wie möglich abmildert. Die Umsetzung dieser Regelung in das deutsche Recht macht entsprechende Änderungen erforderlich. Im russischen Recht sind der Prioritätsgrundsatz und der Grundsatz des Vorran-ges der Interessen der Anleger vor den eigenen Interessen des Brokers zum Zwecke der Lösung eines Interessenkonflikts zu Gunsten des Anlegers im Rah-men der Pflicht, mit Gewissenhaftigkeit zu handeln, eingesetzt. Ähnlich wie das russische Recht macht das deutsche Recht von denselben Mechanismen bei der Lösung der Interessenkonflikte Gebrauch. Da diese Maßnahmen nach russi-schem Recht sich nicht auf die entsprechenden gesetzlich vorgegebenen organi-satorischen Vorkehrungen stützen, ist es schwer, ihre Einhaltung nachzuvollzie-hen und durchzusetzen. Dadurch ist die anlegerschützende Funktion dieser bei-den Grundsätze wesentlich abgeschwächt. Die weitere Pflicht, die die Marktintermediäre nach russischem Recht im Hin-blick auf Interessenkonflikte trifft, ist die Offenlegungspflicht. Sollte der Markt-intermediär den Interessenkonflikt nicht offen gelegt haben, trifft ihn die Pflicht, dem Anleger den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Diese Regelung ähnelt der durch die Novellierung mit der WPD-RL n.F. eingeführten Regelung und kommt insbesondere dem Kleinanleger zugute. Gleichwohl macht es das Ziel des Anlegerschutzes erforderlich, organisatorische Mechanismen einzufüh-ren, die die Einhaltung der verhaltensmäßigen Maßnahmen durch den Marktin-termediär sicherstellen können sowie dem Aufsichtsorgan ermöglichen, die ord-nungsgemäße Behandlung der Anleger im Falle eines Interessenkonflikts zu ü-berwachen. Grundsätzlich kann aus diesem Vergleich gefolgert werden, dass die vom russi-schen Gesetzgeber intendierten Zielrichtungen des Anlegerschutzes denen des europäischen und deutschen Rechts nahe kommen. Das erklärt die Ähnlichkeit zwischen den Verhaltensregeln. Gleichwohl ist der Inhalt der russischen Verhal-tensregeln mit mehreren Regulierungslücken behaftet. Diese lassen sich auf das

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Fehlen der entsprechenden Organisationsregeln, auf die mangelhaften Durchset-zungsmechanismen sowie auf die Besonderheiten der Entwicklung des Wertpa-piermarkts in der Russischen Föderation zurückführen. Dies führt dazu, dass das vom russischen Gesetzgeber beabsichtigte hohe Anlegerschutzniveau trotz der weitgehenden gesetzlichen Regulierung sowie der Kontrolle seitens der FWpMK nicht gewährleistet werden kann. Letztlich stellt dies auch eine Schwachstelle für die Sicherung der Stabilität und der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts dar. Die europäische Regulierung des Wertpapiermarkts ist hoch entwickelt und ge-währleistet ein wesentlich höheres Schutzniveau für die Anleger als die russi-sche Rechtssetzung. Mit der Verabschiedung der neuen WPD-RL wurden die aktuellsten Erfahrungen in das Recht übernommen und der Schutz der Anleger wesentlich verbessert. Um dieses Niveau zu erreichen, muss der russische Ge-setzgeber die Verhaltensregeln auf solide organisatorische Grundlagen stellen, die Erkundigungspflicht als Grundlage für die Erfüllung anderer Verhaltens-pflichten einführen und verfahrensmäßige Maßnahmen treffen, die für die Anle-ger den Schutz ihrer Rechte und legitimen Interessen vor Gerichten vereinfa-chen. Im Lichte dessen ist die Rolle der Selbstregulierungseinrichtungen in Russland besonders hervorzuheben. Sie dienen nicht nur dem Zweck der Libera-lisierung der Regulierung des Wertpapiermarkts, sondernd stellen auch einen flexiblen, praxisnahen Regulierungsmechanismus dar, der aktuelle Entwicklun-gen regelmäßig schneller erfassen kann, als es der Gesetzgeber vermag. Damit gewährleisten diese ein, verglichen mit den gesetzlichen Vorgaben, höheres An-legerschutzniveau.

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305

Übersicht alte/neue WPD-RL und WpHG Alte WPD-RL WpHG Neue WPD-RL 1. Interessenwah-rungspflicht

Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstr. 7 WPF handelt bei der Ausübung ihrer Tä-tigkeit im bestmögli-chen Interesse ihrer K und der Integrität des Marktes

§ 31 Abs. 1 Nr. 1 WPDLU ist ver-pflichtet, WPDL und WPNDL mit der er-forderlichen Sach-kenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftig-keit im Interesse sei-ner K zu erbringen

Art. 19 Abs. 1 WPF handelt für ihre K bei der Erbringung von WPDL/WPNDL ehrlich, redlich, pro-fessionell und im bestmöglichen Inte-resse ihrer K

Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstr. 1 WPF handelt bei der Ausübung ihrer Tä-tigkeit recht und bil-lig im bestmöglichen Interesse ihrer K und der Integrität des Marktes

§ 32 Abs. 1 Nr. 1 – BVR Einem WPDLU ist es verboten, dem K eine Empfehlung zu ge-ben, wenn und soweit diese Empfehlung nicht mit den Interes-sen des K überein-stimmt

Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstr. 7 WPF übt ihre Tätig-keit mit der gebote-nen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewis-senhaftigkeit im bestmöglichen Inte-resse ihrer K und der Integrität des Marktes aus

§ 32 Abs. 1 Nr. 2 – BVR Einem WPDLU ist es verboten, dem K An- oder Verkauf von FI zu empfehlen und für Eigengeschäfte Prei-se in eine bestimmte Richtung zu lenken

2. Erkundigungs-pflicht („Know your Customer“-Prinzip)

Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstr. 4 WPF muss von ihren K Angaben über ihre finanzielle Lage, ihre Erfahrungen und die von ihnen verfolgten Ziele verlangen

§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WPDLU ist ver-pflichtet, von seinen K Angaben über ihre Erfahrungen und Kenntnisse, verfolg-ten Ziele und ihre fi-nanziellen Verhält-

Art. 19 Abs. 4 Erbringt die WPF AB oder PM, so holt sie vom K die notwendi-gen I über seine Kenntnisse und Er-fahrungen sowie sei-ne finanziellen Ver-hältnisse und Anla-

306

nisse zu verlangen, soweit dies zur Wah-rung der Interessen der K und im Hin-blick auf Art und Umfang der Geschäf-te erforderlich ist

geziele ein, um dem K die für ihn geeig-neten WPDL und FI zu empfehlen

Art. 19 Abs. 5 Bei DL, ausgenom-men AB und PM, ho-lt die WPF vom K Angaben zu seinen Kenntnissen und Er-fahrungen ein, um beurteilen zu können, ob die in Betracht ge-zogenen WPDL oder Produkte für den K geeignet sind Wenn die WPDL o-der Produkte für den K nicht geeignet sind oder wenn der K kei-ne bzw. unzureichen-de Angaben macht, richtet die WPF an den K eine entspre-chende Warnung. Diese kann in stan-dardisierter Form er-folgen Art. 19 Abs. 6 Die WPF holt keine Angaben vom K ein, wenn: - sich die DL auf nicht-komplexe FI bezieht - die DL auf Veran-lassung des K er-bracht wird - der K in standardi-

307

sierter Form gewarnt wurde, dass die WPF die Eignung der DL und FI nicht prüft und er nicht in den Genuss des Schutzes der einschlägigen WVR kommt - die WPF ihren Pflichten bezüglich der IK nachkommt

3. Informations-pflicht

Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstr. 5 WPF muss bei Ver-handlungen mit ihren K alle zweckdienli-chen I in geeigneter Form mitteilen

§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WPDLU ist ver-pflichtet, dem K alle zweckdienlichen I mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der K und in Hinblick auf Art und Umfang der Ge-schäfte erforderlich ist

Art. 19 Abs. 2 Alle I, einschließlich MM, müssen redlich, eindeutig und nicht-irreführend sein. MM sind als solche zu kennzeichnen Art. 19 Abs. 3 Den K/potentiellen K sind in verständlicher Form I zur Verfü-gung zu stellen über - die WPF und ihre DL - FI und Anlagestra-tegien bzw. die damit verbundenen Risiken - Ausführungsplätze - Kosten und Neben-kosten so dass die K die ge-naue Art und die Ri-siken der DL und FI verstehen und auf in-formierter Grundlage Anlageeinscheidun-gen treffen können. Dies kann in standar-disierter Form erfol-gen

308

Art. 19 Abs. 8 Die WPF erstattet dem K in geeigneter Form Berichte über die erbrachten DL, einschließlich der Kosten der Geschäfte und DL

4. Pflicht zur Ver-meidung von IK

Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstr. 6 WPF muss sich um Vermeidung von IK bemühen, und, bei unvermeidbaren IK, dafür sorgen, dass ih-re K nach Recht und Billigkeit behandelt werden vgl. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstr. 5 (Vermeidung von IK als Organisations-pflicht)

§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WPDLU sind ver-pflichtet, sich um die Vermeidung von IK zu bemühen und da-für zu sorgen, dass bei unvermeidbaren IK K-Auftrag unter der Wahrung des K-Interesses ausgeführt wird § 32 Abs. 1 Nr. 3 – BVR Einem WPDLU ist es verboten, Eigenge-schäfte auf Grund der Kenntnis vom Auf-trag eines Kunden abzuschließen, die Nachteile für den Auftraggeber zur Folge haben können (Vor-, Mit- und Ge-genlaufen)

Art. 18 Abs. 1 WPF muss alle an-gemessenen Vorkeh-rungen treffen, um IK zu erkennen Art. 18 Abs. 2 Reichen die organisa-torischen bzw. ver-waltungsmäßigen Vorkehrungen gemäß Art. 13 Abs. 3 nicht aus, so legt die WPF dem K die allgemei-ne Art und/oder die Quellen der IK dar, bevor sie Geschäfte in seinem Namen tä-tigt

5. Pflicht zum Ab-schluss eines schrift-lichen Vertrages

Art. 18 Abs. 7 Die WPF erstellt eine auf Dokumenten ba-sierende Aufzeich-nung ihrer Vereinba-rung mit dem K, in der Rechte und Pflichten der Parteien sowie die sonstigen Bedingungen der

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Erbringung der WPDL festgelegt sind

6. Organisations-pflichten

a) Gebot der erfor-derlichen Infra-struktur

Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstr. 3 WPF muss über die für einen erfolgrei-chen Abschluss ihrer Tätigkeit erforderli-chen Mittel und Ver-fahren verfügen und diese wirksam einset-zen870

§ 33 Abs. 1 Nr. 1 WPDLU ist ver-pflichtet, die für eine ordnungsgemäße Durchführung der WPDL und WPNDL notwendigen Mittel und Verfahren vor-zuhalten und wirk-sam einzusetzen

Art. 13 Abs. 2 WPF sieht angemes-sene Strategien und Verfahren vor, um sicherzustellen, dass sie selbst, ihre GL, Beschäftigten und vertraglich verbun-dene Vermittler den Verpflichtungen nach dieser RL sowie den Vorschriften über persönliche Geschäf-te dieser Personen nachkommen Art. 13 Abs. 4 WPF greift auf ge-eignete und verhält-nismäßige Systeme, Ressourcen und Ver-fahren zurück, um angemessene Vor-kehrungen und eine Kontinuität der WPDL und Anlage-strategien zu gewähr-leisten

b) Gebot der ord-nungsgemäßen Ver-waltung

Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstr. 1 WPF verfügt über - ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung

§ 33 Abs. 1 Nr. 3 WPDLU muss über angemessene interne Kontrollverfahren verfügen, die geeig-net sind, Verstößen

Art. 13 Abs. 5 (2) WPF muss über - ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung - interne Kontrollme-

870 Diese Organisationspflicht ist unter den Verhaltenspflichten aufgeführt und unterliegt

im Gegensatz zu den anderen Organisationspflichten, die durch den Herkunftsstaat be-aufsichtigt werden, der Kontrolle des Aufnahmestaats.

310

- Kontroll- und Si-cherungsverfahren in Bezug auf elektroni-sche Datenverarbei-tung - angemessene inter-ne Kontrollverfahren

gegen Verhaltens-pflichten des WpHG entgegenzuwirken

chanismen - effiziente Verfahren zur Risikobewertung - Kontroll- und Si-cherheitsmechanis-men für Datenverar-beitungssysteme verfügen

c) Schutz der Eigen-tumsrechte der An-leger

Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstr. 2 WPF verfügt über geeignete Vorkeh-rungen, um Eigen-tumsrechte der A zu schützen (Insolvenz, Verwendung der WP der A für eigene Rechnung ohne Zu-stimmung des Kun-den) Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstr. 3 WPF trifft geeignete Vorkehrungen für die dem A gehörenden Gelder, um seine Rechte zu schützen und die Verwendung für eigene Rechnung des WPF (außer wenn WPF = KI) zu verhindern

Art. 13 Abs. 7 WPF trifft geeignete Vorkehrungen, um Eigentumsrechte der K zu schützen (insb. bei Insolvenz) und deren Verwendung für eigene Rechnung ohne ausdrückliche Zustimmung des K zu verhindern Art. 13 Abs. 8 WPF, die Gelder der K hält, trifft geeigne-te Vorkehrungen, um Rechte der K zu schützen und ihre Verwendung für ei-gene Rechnung der WPF (außer wenn WPF = KI) zu ver-hindern

d) Aufzeichnungs-pflicht

Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstr. 4 WPF trägt dafür Sor-ge, dass Aufzeich-nungen der durchge-führten Transaktio-nen mindestens aus-reichen, um den zu-ständigen Behörden eine Kontrolle der

Art. 13 Abs. 6 WPF sorgt dafür, dass die Aufzeich-nungen der DL und Geschäfte ausreichen, um der zuständigen Behörde die Kontrol-le der Einhaltung der Anforderungen dieser RL sowie sämtlicher

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Einhaltung der Auf-sichtsregeln zu er-möglichen

Verpflichtungen ge-genüber dem K zu ermöglichen

e) Pflicht zur Ver-meidung von Inte-ressenkonflikten

Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstr. 5 WPF muss so aufge-baut und organisiert sein, dass das Risiko der IK möglichst ge-ring ist. Bei der Errichtung einer Zweignieder-lassung dürfen orga-nisatorische Modali-täten nicht den WVR des Aufnahmenstaats zuwiderlaufen

§ 33 Abs. 1 Nr. 2 WPDLU muss so or-ganisiert sein, dass bei der Erbringung der WPDL und WPNDL Interessen-konflikte möglichst gering sind

Art. 13 Abs. 3 WPF muss wirksame organisatorische und verwaltungsmäßige Vorkehrungen für angemessene Maß-nahmen treffen, um zu verhindern, dass IK Kundeninteressen verletzen

f) Vermeidung von unnötigen zusätzli-chen Geschäftsrisi-ken bei der Ausla-gerung

§ 33 Abs. 2 Bereiche, die für die Durchführung der WPDL und WPNDL wesentlich sind, dür-fen unter dem Vor-behalt der in § 33 Abs. 2 genannten Voraussetzungen ausgelagert werden

Art. 13 Abs. 5 (1) WPF stellt sicher, dass beim Rückgriff auf Dritte zur Wahr-nehmung der Aufga-ben, die für die Erbringung der DL ausschlaggebend sind, angemessene Vorkehrungen getrof-fen werden, um un-nötige zusätzliche Geschäftsrisiken zu vermeiden. Die Aus-lagerung wichtiger betrieblicher Aufga-ben darf nicht die Qualität der internen Kontrolle und der staatlichen Beauf-sichtigung faktisch beeinträchtigen

312

A = Anleger AB = Anlageberatung BVR = Besondere Verhaltensregeln DL = Dienstleistungen FI = Finanzinstrumente GL = Geschäftsleitung I = Informationen IK = Interessenkonflikt/e K = Kunde/n KI = Kreditinstitut MM = Marketing-Mitteilungen PM = Portfolio-Management RL = Richtlinie WP = Wertpapiere WPDL = Wertpapierdienstleistungen WPNDL = Wertpapiernebendienstleistungen WPDLU = Wertpapierdienstleistungsunternehmen WPF = Wertpapierfirma WVR = Wohlverhaltensregeln