#anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

11
1 MEDIENWANDEL Einstiegsvortrag zum Publizieren-Wochenende des VCP von Hanno Terbuyken, 22. Februar 2014 FOLIE 1: Kommunikation Journalismus PR Medienwandel Kommunikation. „Kommunikation ist intentional, d.h. ein zielgerichteter, zur Verwirklichung bestimmter Absichten und Zwecke bestimmter Vorgang. Die Intentionalität geht sowohl vom Kommunikator als auch vom Rezipienten aus. Dabei können sich die Ziele beider durchaus unterscheiden; tatsächlich unterscheiden sie sich oft ganz erheblich. Dass Mitteilungen von den Rezipienten mitunter in ganz anderer Weise wahrgenommen, interpretiert und genutzt werden als vom Kommunikator beabsichtigt, ist ein Faktum, das die Kommunikationsforschung zeitweise sehr überraschte und das in der Praxis, etwa bei Werbe-, Informations- und Aufklärungsmaßnahmen, immer wieder große Schwierigkeiten macht. (Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, 2003) Journalismus. „Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte oder Vorgänge öffentlich zu machen, deren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist. Durch ein umfassendes Informationsangebot in allen publizistischen Medien schaffen Journalisten die Grundlage dafür, dass jede/r die in der Gesellschaft wirkenden Kräfte erkennen und am Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen kann. Dies sind Voraussetzungen für das Funktionieren des demokratischen Staates.“ (Deutscher Journalisten-Verband, „Berufsbild Journalismus“)

description

Vom 21. – 23.02 trafen sich 15 Pfadfinderinnen und Pfadfinder des VCP zu einer Schulung zum Thema "digitales publizieren". Einen Einblick in die aktuelle Arbeit von Journalisten gab Hanno Terbuyken, Portalleiter von http://www.evangelisch.de in dieser Keynote.

Transcript of #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

Page 1: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

1

MEDIENWANDEL

Einstiegsvortrag zum Publizieren-Wochenende des VCP

von Hanno Terbuyken, 22. Februar 2014

FOLIE 1: Kommunikation – Journalismus – PR – Medienwandel

Kommunikation.

„Kommunikation ist intentional, d.h. ein zielgerichteter, zur Verwirklichung

bestimmter Absichten und Zwecke bestimmter Vorgang. Die Intentionalität geht

sowohl vom Kommunikator als auch vom Rezipienten aus. Dabei können sich die

Ziele beider durchaus unterscheiden; tatsächlich unterscheiden sie sich oft ganz

erheblich. Dass Mitteilungen von den Rezipienten mitunter in ganz anderer Weise

wahrgenommen, interpretiert und genutzt werden als vom Kommunikator

beabsichtigt, ist ein Faktum, das die Kommunikationsforschung zeitweise sehr

überraschte und das in der Praxis, etwa bei Werbe-, Informations- und

Aufklärungsmaßnahmen, immer wieder große Schwierigkeiten macht. (Fischer

Lexikon Publizistik Massenkommunikation, 2003)

Journalismus.

„Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte oder Vorgänge

öffentlich zu machen, deren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner,

politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist. Durch ein umfassendes

Informationsangebot in allen publizistischen Medien schaffen Journalisten die

Grundlage dafür, dass jede/r die in der Gesellschaft wirkenden Kräfte erkennen und

am Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen kann. Dies

sind Voraussetzungen für das Funktionieren des demokratischen Staates.“ (Deutscher

Journalisten-Verband, „Berufsbild Journalismus“)

Page 2: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

2

Public Relations.

„Public Relations bezeichnet Kommunikationsmaßnahmen im Interesse von

Organisationen wie z.B. Unternehmen, Verbänden, staatlichen Einrichtungen. Der

Ausdruck ist international – oft auch in der Abkürzung PR – verbreitet.“ (Fischer

Lexikon Publizistik Massenkommunikation, 2003)

Medienwandel.

„Für die Zukunft der Presse heißt das zweierlei: Erstens, kein Geschäftsmodell und

keine Gattung sind sicher. Zweitens, die Presse wird auch zukünftig so lange ihre

gesellschaftliche Bedeutung behalten, wie sie sich unter dem Druck neuerer Medien

auf Funktionen und Leistungen konzentriert, die sie besser erbringt als die jüngere

Konkurrenz. Ob die Zukunft der Tagespresse dabei in Tabloid-Formaten oder bei den

Gratiszeitungen oder in E-Paper liegt, ist nicht so entscheidend. Wichtig ist, ob

moderne Gesellschaften weiterhin Bedarf an einer funktionalen Presse haben.“

(Rudolf Stöber, Deutsche Pressegeschichte, 2. Auflage 2005)

Noch vor nicht einmal zehn Jahren war zwar schon die Rede vom Internet, aber das

E-Paper galt noch als die zukunftsweisende Form des digitalen Journalismus. Damals

war an das iPad und andere Tablets noch gar nicht zu denken, die Dinger existierten

nur in Star Trek.

FOLIE 2: Star-Trek-Tablets

Das erste iPad wurde am 27. Januar 2010 vorgestellt – das ist gerade mal vier Jahre

her! Heute sind die flachen Tafeln und seine Android-Geschwister aus dem Alltag

nicht mehr wegzudenken. Im Oktober 2013 machte außerdem die Nachricht die

Runde, dass erstmals die Hälfte aller Facebook-Nutzer sich über ihr Smartphone

Page 3: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

3

einloggten. Und in diesem Februar (2014) ergab die Second-Screen-Studie von

Anywab, dass 45 Prozent aller Internetnutzer zwischen 14 und 49 Jahren parallel zum

Fernsehen einen zweiten Bildschirm nutzen – entweder Tablet oder Smartphone.

Für uns alle ist das inzwischen normal, das ist nämlich unser Alltag. Kurze Frage:

Wer von euch hat ein Smartphone dabei? --- Wer besitzt kein Smartphone? --- (ggf.:

Warum nicht?)

Für Medienmacher führt diese Gerätevielfalt auch automatisch zu einer Kanalvielfalt.

Denn ob ich meine Nachrichten oder meine Katzen-GIFs oder meine YouTube-

Videos auf dem Telefon, auf dem Tablet, dem Laptop oder dem Fernseher

konsumiere, macht einen Unterschied. Die Präsentation muss zum Gerät passen, und

optimalerweise muss auch der Inhalt zur jeweiligen Nutzungssituation passen. Auf

dem Telefon in der U-Bahn schaue ich mir keine 45-Minuten-Dokus an (schon allein

aus Empfangsgründen). Abends auf dem Sofa will ich auf dem Fernseher keine

Katzenbilder durchscrollen.

Ganz besonders die Zeitungen stehen vor diesem Problem. Als die Nachrichten noch

jeden Morgen auf toten Bäumen in den Briefkasten geworfen wurden, hatten wir

wenig Auswahl – wer nicht Radio hören oder Fernsehen gucken wollte, musste lesen,

was die Redaktion ihm zugeliefert hatte. Dabei hatte jeder Leser mit ziemlich viel

Altpapier zu kämpfen. Denn nur die allerwenigsten Menschen lesen Zeitungen

komplett! Viel eher nimmt sich einer den Sportteil, einer den Lokalteil und man

tauscht sich gegenseitig aus, was der jeweils gerade andere gelesen hat. Nur eben am

Küchentisch und nicht im Internet, so wie wir das heute via Facebook, Twitter und

allen anderen verfügbaren so genannten „sozialen Medien“ tun.

Wer von euch ist bei Facebook?

Wer von euch liest regelmäßig eine auf Papier gedruckte Tageszeitung? (Lest ihr sie

Page 4: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

4

komplett?)

Das ist genau der Grund, warum die allermeisten Zeitungen in Deutschland

irgendeine Form der Online-Präsenz haben. Die bekanntesten Vertreter sind natürlich

Spiegel Online, BILD, Welt, Zeit und Süddeutsche.de.

FOLIE 4: Similarweb Top 50

Aber selbst die haben es schwer: In den Top 50 der meistbesuchten Webseiten in

Deutschland ist die meistbesuchte Nachrichtenseite – noch vor bild.de –

überraschenderweise T-Online. Warum? Weil T-Online viele Telekomkunden direkt

anzieht und eines der am besten suchmaschinen-optimierten Inhaltsangebote in

Deutschland ist. Allerdings ist der Social-Media-Bereich inzwischen anders

aufgestellt, da liegen klassische Nachrichten-Seiten nach wie vor weit vorne.

FOLIE 5: 10000flies Top-Ranking Januar

Wir haben hier also mindestens zwei technische Faktoren, die den sogenannten

Medienwandel antreiben: Das Internet und mobile Endgeräte. Dass technischer

Fortschritt den Umgang mit Medien verändert, ist nicht neu.

FOLIE 6: 1548 – 1962 – 1989 – 2048?

Als 1548 Gutenberg die erste Bibel druckte, hatte er damit eine der größten

Umwälzungen der Geschichte in Gang gesetzt, die bis heute unser Leben prägt. Die

Erfindung des Internets durch J.C.R. Licklider, der 1962 erstmals das Konzept des

„Galactic Network“ beschrieb – und zwar nicht als Science-Fiction-Geschichte,

sondern als ernsthaftes Forschungsprojekt – könnte einen ähnlichen Einfluss haben.

Und seit der Erfindung des World Wide Web 1989 durch Tim Berners-Lee sind auch

Page 5: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

5

erst 25 Jahre vergangen. Was das WWW wirklich verändert hat, können wir heute

noch nicht absehen.

Aber eines ist klar: Einem Leser einfach eine Zeitung auf den Tisch zu klatschen, von

der ihn nicht mal ein Drittel wirklich interessiert und die mit ihrem Verkaufspreis

nicht einmal die Druckkosten decken kann, funktioniert auf Dauer nicht mehr. Die

Verleger müssen sich also etwas Neues einfallen lassen, nämlich eine Antwort auf die

Frage: Wie bekomme ich die Menschen dazu, zu lesen, was wir anbieten – und wie

bezahle ich das alles?

FOLIE 7: VIDEO: http://www.youtube.com/watch?v=5xpMJ52YHes

Während die Verlage in Deutschland im Prinzip ihr altes gedrucktes Content-Modell

einfach ins Internet übertragen und entweder über Paywalls oder das unselige

Leistungsschutzrecht auf die Refinanzierung hoffen, sind die ausländischen Medien

schon weiter, insbesondere die USA. Denn der Zeitungsmarkt in Deutschland ist –

allen Unkenrufen zum Trotz – immer noch einer der stabilsten der Welt, auch wenn

hier bereits die Financial Times Deutschland und die Frankfurter Rundschau

aufgeben mussten. (Die FR gibt es noch, aber nur noch als Hülle, die von der FAZ

mitbestückt wird.)

In den USA hat Jeff Bezos, der Amazon-Gründer, für 250 Millionen Dollar im

Oktober 2013 die Washington Post, eine der renommiertesten Zeitungen des Landes,

gekauft. Die alten Eigner sahen keine Möglichkeit mehr, die Zeitung rentabel zu

betreiben. Geld ist sowieso immer das Problem. Auch der „Guardian“, Hort der

Snowden-Enthüllungen und hinter der Daily Mail und der New York Times die

meistgeklickte Zeitungswebseite der Welt, ist in finanziellen Schwierigkeiten. Ohne

die Stiftung im Hintergrund hätte die Zeitung längst aufgeben müssen – und das bei

84 Millionen Besuchern pro Monat! (Quelle: „Audit Bureau of Circulations“, 2013) Im

Page 6: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

6

Print hat der Guardian übrigens noch eine Auflage von 190.000 Exemplaren,

ungefähr die Hälfte der Süddeutschen Zeitung.

FOLIE 8: Zeitungsauflage in Deutschland

Auf der anderen Seite hat Facebook jetzt gerade für 16 Milliarden Dollar WhatsApp

gekauft – dafür hätte es 64 Washington Posts gegeben! Aber daran hat Mark

Zuckerbergs Netzwerk-Imperium kein Interesse. (Facebook entwickelt lieber eine

eigene App zum Transport von Informationen - Paper.)

Scott Lamb, der bei BuzzFeed für die internationale Expansion zuständig ist, hat dem

Blog LousyPennies jüngst ein Interview gegeben, aus dem ich hier eine Antwort

zitieren möchte, nämlich auf die Frage, warum in Deutschland noch niemand ein

ähnliches Konzept wie BuzzFeed aufgebaut hat

(http://www.lousypennies.de/2014/02/12/scott-lamb-von-buzzfeed-traditionelle-

medien-in-deutschland-sind-gar-nicht-gezwungen-innovativ-zu-sein/). Zitat: „Ich

glaube, ein Grund ist die große Stärke der traditionellen Medien in Deutschland. Es

gibt hier viele journalistisch gut gemachte und finanzstarke Zeitungen, Magazine,

Fernsehsender und Radiostationen, die aufgrund ihres andauernden Erfolges gar nicht

dazu gezwungen sind, innovativ zu sein. Und da ihre Kernmarken so stark sind, ist

auch ihr Ansatz, das Netz als Business zu nutzen, recht konventionell. Ihre

Verkaufsteams können Display-Anzeigen im Paket mit Anzeigen in den Kern-Medien

verkaufen, und so die Kosten für die Digital-Abteilungen decken. Solange sich die

Demographie ihrer Leser nicht umfassend ändert, wird es nicht ihr Hauptbestreben

sein, sich mit dem Digitalen zu beschäftigen.“ Das, was wir da an absteigendem

Trend sehen, ist ein Jammern auf hohem Niveau, zumal die Zeitschriften in

Deutschland nach wie vor profitabel sind.

Und so tasten sich die deutschen Verlage erst allmählich in die Welt des

Page 7: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

7

Geldverdienens im Netz vor. Allen voran ausgerechnet der Springer-Verlag, der im

vergangenen Jahr alle Regionalzeitungen und Zeitschriften für 920 Millionen Euro

der Funke-Gruppe überlassen hat und nur noch die „Bild“ und die „Welt“ als

Printprodukte behalten hat. Wir werden sehen, was dabei rumkommt.

Aber in anderen Bereichen ist dieser demographische Wandel längst angekommen.

FOLIE 9: Girl Scout Cookie gif

Ich erinnere nochmal an die Aufgabe des Journalismus, die ich eingangs zitierte:

„Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte oder Vorgänge

öffentlich zu machen, deren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner,

politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist.“ Damit auch Leser zu

erreichen, ist für viele Kollegen immer noch eine Selbstverständlichkeit, oder

zumindest etwas, mit dem sie sich nicht befassen müssen oder wollen – denn sie sind

ja wichtig für die Demokratie, da wird das schon mit der Reichweite.

Aber im Bereich der PR ist das Bewusstsein dafür schon viel stärker etabliert.

Logisch – ich erinnere an die Aufgabe von PR: „Kommunikationsmaßnahmen im

Interesse von Organisationen“.

Eine der größten Getränkemarken hat das längst für sich entdeckt (natürlich nicht als

einzige).

FOLIE 10: Beispiel Coca-Cola

Coca-Cola hat eine Produktwebseite (http://www.coke.de/), auf der es auf den ersten

Blick nicht um das Produkt selbst geht, sondern derzeit um kuschelige Polarbären,

einschließlich "lustiger Chat-Bilder", mit denen du deine Freunde überraschen sollst.

Page 8: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

8

Es gibt ein offizielles #Hashtag dazu, und außerdem hat Coca-Cola " die hottesten

Bilder des Polarkreises für dich aus dem Netz gefischt. Scroll & lol!" Und den

Bildern zufolge scheint das bei der Zielgruppe von Coke auch ganz gut anzukommen

- wobei mein journalistischer Skeptizismus direkt hier die Frage stellt, ob da alle

Bilder von echten Usern stammen.

Coca-Cola beschränkt sich aber nicht auf diese sehr eindeutig durch social media

getriebene Seite. Coke hat auch noch "Journey", das Online-Magazin mit

Geschichten über Menschen, die anderen eine Freude machen. Womit? Natürlich

gern auch mal mit einer kalten Cola (http://www.coca-cola-deutschland.de). Aber

nicht nur. Hier findet man auch Stories über die Elternzeit eines Konzernmitarbeiters

und obskure Sportarten - alles immer positiv. "Eine Reise in die Welt der

Lebensfreude, der Erfrischung und des verantwortungsvollen Handelns", so

beschreibt das Online-Magazin sich selbst.

Es muss aber nicht immer kommerziell sein.

FOLIE 11: Beispiel Sea Shepherd - alle Links

Die Walschutz-Organisation Sea Shepherd kommt in den deutschen Medien eher

selten vor, ist aber jedes Jahr unterwegs, um die japanische Walfangflotte am Walfang

zu hindern. Sea Shepherd begleitet jede Fangsaison mit eigenen medialen Aktionen

auf vielen Kanälen: der eigenen Webseite, dem Twitter-Kanal, der Facebook-Seite

und dem eigenen YouTube-Kanal. Sea Shepherd ist auch Thema einer eigenen

Fernsehserie namens "Whale Wars", von der inzwischen fünf Staffeln mit insgesamt

53 Folgen gedreht wurden und die vom Discovery Channel getragen wird.

In Zeiten vor dem Internet - ich weiß, das können sich die meisten von euch gar nicht

mehr vorstellen - war es Lesern praktisch unmöglich, mal so eben die Aktivitäten von

Page 9: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

9

SeaShepherd nachzuvollziehen. Wenn die Walschützer nicht in den Medien

auftauchten, hatten die meisten Leute ihre Arbeit nicht auf dem Radar. Heute

begegnet einem SeaShepherd im Facebook-Stream der Freunde, als Retweet oder

YouTube-Empfehlung - und wer es genau wissen will, kann jederzeit selbstgesteuert

auf die Informationen zugreifen, die SeaShepherd auf all diesen Kanälen ziemlich

engagiert bereitstellt. Oder eben auf die niedlichen Polarbären-Fotos von Coke.

FOLIE 12: von Push zu Pull, kein Informationsmonopol mehr

Und hier haben wir damit das entscheidende inhaltliche Merkmal des

Medienwandels, über den wir hier reden: Es gibt eine Umkehr von "Push"-Medien zu

"Pull"-Medien. Das bedeutet: Leser/Nutzer/Zuschauer suchen sich die Informationen

und die Unterhaltung, die sie wollen, zu einem Zeitpunkt und in einer

Nutzungssituation ihrer Wahl zusammen. Im Netz ist Buzzfeed mit seiner

eklektischen Mischung an Themen ein gutes Beispiel für ein Angebot, das darauf

ausgerichtet ist. Das Gawker-Netzwerk ist ein weiteres gutes Beispiel. Ganz

besonders krass wird das deutlich in den aktuellen Fernsehserien-Hits - ich nenne hier

nur mal Game of Thrones und House of Cards - die von HBO und Netflix auch on

demand zur Verfügung gestellt werden, im Falle von House of Cards sogar nur on

demand. Für das auf reinen "Push"-Konsum ausgerichtete Fernsehen ist diese

Entwicklung noch viel bedrohlicher als für die gedruckte Tageszeitung, aber in

Deutschland - das hat uns Scott Lamb ja vorhin verraten - ist der Druck einfach noch

nicht so hoch. Das US-amerikanische Phänomen des "cable cutters", also des homo

digitalis ohne Fernsehanschluss, ist hier noch nicht flächendeckend angekommen.

Wer von euch hat keinen Fernseher? Wer guckt kein Fernsehen?

Dieser Trend weg von einer linearen, wenig individualisierten Mediennutzung trifft

auch die Medienmacher. Denn Leser suchen nicht mehr nach der umfassenden

Page 10: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

10

Berichterstattung einer Redaktion, sondern zunehmend auch nach der Expertise

einzelner Autoren und Schreiber, die sich für ein spezifisches Thema einen Namen

gemacht haben. Das ist zumindest die These von Karsten Lohmeyer, der das Blog

"LousyPennies" betreibt. Der klassische Journalist muss sich an das Leben ohne

Informationsmonopol gewöhnen: "Wir haben uns gefallen in der Rolle als

“Gatekeeper”, der über den Wert einer Nachricht entscheidet. Als Hüter der

Information. Der Torwächter, der nach Gutdünken darüber urteilt, was der Leser nicht

nur zu lesen sondern auch zu glauben hat. Genauso wie den Verlagen das Monopol

der Verbreitung von Nachrichten entglitten ist, ist uns Journalisten die

Meinungshoheit entglitten. Nur genauso wie den Verlagen das Monopol der

Verbreitung von Nachrichten entglitten ist, ist uns Journalisten die Meinungshoheit

entglitten."

Und weil Journalisten eben keine besondere Elite mehr sind, die den Verbreitungsweg

absolut kontrollieren, ist auch jeder Unterschied zwischen Blogger und Journalist

hinfällig (wenn es ihn denn jemals gab). Die digitalen Kanäle sind für alle offen und

für alle gleich. Es liegt an jeder und jedem einzelnen, was er daraus macht - sei es ein

Portal mit niedlichen Softdrinkstoffteddybären, eine Aufmerksamkeitskampagne für

Schlauchbootwalschutzaktivisten oder bild.de, auf Facebook, YouTube, Twitter,

Wordpress oder wie auch immer. Wer sich in dieser bunten Welt voller User, die sich

ihren Medien- und Themenmix aus diversen Streams selbst zusammenbasteln, nur

noch auf totes Holz verlässt - was meint ihr, wie erfolgreich kann das sein?

Links:

http://www.djv.de/fileadmin/user_upload/Infos_PDFs/Flyer_Broschuren/Berufsbild_Journalistin_Jo

urnalist.pdf

http://www.newyorker.com/reporting/2013/10/07/131007fa_fact_auletta?currentPage=all

http://www.lousypennies.de/2013/09/29/aufpassen-journalisten-huffington-post-ist-erst-anfang/

http://www.lousypennies.de/2013/12/01/buzzfeed-co-doch-das-ist-journalismus/

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/72084/umfrage/verkaufte-auflage-von-tageszeitungen-in-

deutschland/

Page 11: #anp1401 Skript zur Keynote Publizieren - Hanno Terbuyken evangelisch.de

11

http://www.lousypennies.de/2014/02/12/scott-lamb-von-buzzfeed-traditionelle-medien-in-

deutschland-sind-gar-nicht-gezwungen-innovativ-zu-sein/

http://www.linkedin.com/today/post/article/20130904212907-1799428-memo-to-the-buzzfeed-team

Video: „Was läuft falsch mit den Zeitungen?“ http://www.youtube.com/watch?v=5xpMJ52YHes

SeaShepherd:

Webseite: http://www.seashepherdglobal.org/

Facebook: https://www.facebook.com/seashepherdglobal

Twitter: https://twitter.com/SeaShepherd

Google+ https://plus.google.com/+SeaShepherdConservationSociety/posts

YouTube: http://www.youtube.com/user/seashepherd

Whale Wars: http://www.dmax.de/programme/whale-wars/