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Dr. Alexander Gratopp Antibiotic Stewardship. Klinische Implikationen auf der Kinder- Intensivstation

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Dr. Alexander Gratopp

Antibiotic Stewardship. Klinische Implikationen auf der Kinder-Intensivstation

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Hintergrund

Warum brauchen wir ein ABS-Programm in der Pädiatrie?• Ambulanter Bereich: 38% aller Kinder bis zum 18. Lj. erhalten 

pro Jahr mindestens einmal ein Antibiotikum (in der Altersklasse 3‐6 Jahre sogar 51%) 1

• Am häufigsten verschrieben: 25% Breitspektrum‐Penicilllineund 18% Cephalosporine (Cefuroxim), 16% Schmalspektrum‐Penicilline

• Klinischer Bereich: Punktprävalenzstudie 2012 an 23 dt. Kinderkliniken: ca. 33% Kinder mit Antibiotikatherapie, Neugeborene 21,8% 2

1 Gaeske et al Antibiotika‐Verordnungen bei Kindern 20122  Schuster et al Monatsschr Kinderheilkd 2014

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Hintergrund

Warum brauchen wir ein ABS-Programm in der Pädiatrie?

• Klinischer Bereich & Verordnungsfehler: 

61% Dosierung betreffend (z.B. Vancomycin 29%) 1

49% der Fehler klinisch bedeutsam 2

15% aller Verordnungsfehler auf PICU => Antibiotika‐Dosis 3

1 Di Pentima MC Antimicrobial prescription errors in hospitalized children: role of antimicrobial stewardshipprogram in detection and intervention. Clin Pediatr (Phila) 2009; 48: 505–12.2 Di Pentima MC, Benefits of a pediatric antimicrobial stewardship program at a children’s hospital. Pediatrics2011; 128: 1062–70.3 Glanzmann C, Analysis of medication prescribing errors in critically ill children. Eur J Pediatr 2015; 174: 1347–55.

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Unkritischer und ungezielter Einsatz von Antibiotika

Zunahme multiresistenter Infektionserreger

Gesucht wird einProgramm zur rationalen Antibiotikatherapie

mit personeller und strukturell-organisatorischer Einbindung in das Gesamtkonzept der

Patientenversorgung

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Antibiotic Stewardship in der Pädiatrie

I Resistenzentwicklung

II ABS: Ziele, Team, Maßnahmen

III ABS auf St. 25i

IV Outcome/Ergebnisse

V Perspektiven

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Resistenzentwicklung

• Warum brauchen wir ein ABS-Programm?

E.Coli Wildtyp

- Ampicillin

- Piperacillin

- Ampicillin/Sulbactam

- Piperacillin/Tazobactam

- Cefazolin

- Cefuroxim

- Ceftriaxon, Cefotaxim

- Ceftazidim

- Imipenem, Meropenem, Ertapenem, Doripenem

E.Coli: seit 1965 bekannte β-Lactamasen

- Ampicillin

- Piperacillin

- Ampicillin/Sulbactam

- Piperacillin/Tazobactam

- Cefazolin

- Cefuroxim

- Ceftriaxon, Cefotaxim

- Ceftazidim

- Imipenem, Meropenem, Ertapenem, Doripenem

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Resistenzentwicklung

• Warum brauchen wir ein ABS-Programm?

E.Coli: seit 1982 bekannte ESBL

- Ampicillin

- Piperacillin

- Ampicillin/Sulbactam

- Piperacillin/Tazobactam

- Cefazolin

- Cefuroxim

- Ceftriaxon, Cefotaxim

- Ceftazidim

- Imipenem, Meropenem, Ertapenem, Doripenem

E.Coli: => fast immer Multiresistenz (MRGN)

- Aminoglykoside

- Tetrazykline

- Fluorochinolone

- Sulfamethoxazol/Trimethoprim

- Tigecyclin

- Colistin

- Fosfomycin

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Klebsiella pneumoniaeMean: 20,4% 3MRGN, Trend steigend in Deutschland

Resistenzentwicklung

ECDC Surveillance Atlas EARS‐NET

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Fallbeispiel

17 jährige Patientin, bilineare ALL, komplizierter Verlauf, Z.n. Sepsis in Aplasie (Spanien) jetzt 4MRGN-Besiedlung (Klebsielle pneumoniae)

- Erneute systemische Infektion in Aplasie

- SIRS mit Multiorganversagen- Kardiale Insuffizienz- Niereninsuffizienz- Respiratorische

Insuffizienz- Encephalopathie

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Fallbeispiel

Therapeutische Optionen bei Multiresistenz

Empfehlung zur Kombinationstherapie

Carbapeneme (trotz in-vitro Resistenz)(+ Aztreonam oder Ceftazidim bei Oxa-Carbapenemasen und in-vitro Wirksamkeit)+ Colistin/Tigecyclin/Fosfomycin+ Aminoglykoside

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ABS: Ziel

1. Bestmögliche antiinfektive Behandlung der Patienten Effektivität und Sicherheit => Reduktion unerwünschter 

Nebenwirkungen, Morbidität und Mortalität2. Eindämmung des unangemessenen Verbrauchs von 

Antibiotika Optimale Nutzung von Antibiotika in Bezug auf 

Indikationsstellung, Dosierung und Dauer der Behandlung Verzicht auf nicht indizierte Behandlungen 3. Erhalt des therapeutischen Potenzials von Antibiotika gezielten und zurückhaltenden Antibiotika‐Einsatz in 

Kombination mit Infektionsprävention / Hygienemaßnahmen 

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ABS-Leitlinie

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ABS: Maßnahmen

Rationaler Antibiotika-Einsatz

? Indikation

? Auswahl

? Dosis

? Applikation

? Dauer

? Interaktion© Colorado Hospital Association

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ABS: Team (25i)

• Empfehlung Etablierung von ABS‐Teams: 

(pädiatrischer) Infektiologe (Pfäfflin, Stegemann, Martin)

Apothekermit Zugriff auf stationsspezifische Verbrauchsdaten von Antibiotika (Theloe)

hygienebeauftragte Ärzte (Varnholt)

Krankenhaushygieniker (Schöne)

Mikrobiologenmit Zugriff auf abteilungsinterne Erreger‐ und Resistenzstatistiken (Labor Berlin)

IT‐Spezialist (PDMS‐Support: Copra‐Team)

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ABS: Strategien

• Restriktion von Reserveantibiotika (Freigabe der Substanzen nach RS mit ABS-Team => Etablierung einer infektiologischen Rufbereitschaft)

• Prospektive Audit und Feedback: 48-72 h nach Beginn der Infektion Festlegung der Behandlungsstrategie nach Erhalt der Befunde im Zusammenhang mit der klinischen Situation

• Infektiologische Visiten am Krankenbett: gezielte Intervention, Deeskalationsstrategien, Optimierung der Dosis…

• Regelmäßige Mitarbeiterschulung, Erstellung von Evidance-basedStandardarbeitsanweisungen (Implementierung von ABS ins PDMS)

• Standardisierung der empirischen antibiotischen Therapie für die Akutversorgung der Patienten in der Kinderklinik / Kindernotaufnahme => (z.B. Anwendung einer Antibiotika-Karte)=> damit einheitliche Verordnung (Auswahl, Dosierung) angepasst an die mikrobiologisch-epidemiologische Situation im Sinne einer lokalen Leitlinie

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Patientenzahlen Station 25i

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Patientencharakteristik:Diagnosen 2010 – 2018 (n = 7276)

Station 25i

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Station 25i: Resistenzentwicklung

multiresistente Erreger (Besiedelung oder Infektion): Mehrfachnachweis, MRSA, MRGN, VRE, kein MRE

2013 2014 2015

201820172016

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Besonderheiten in der Pädiatrie

• anderes Erregerspektrum als in der Erwachsenenmedizin und anderes Resistenzprofil

• Patientengruppen mit hohen Anwendungsraten von Antiinfektiva: Patienten mit Cystischer Fibrose, onkologische Patienten, Patienten nach Transplantation, Patienten mit Mehrfachbehinderungen …

• bei MRE: off-label Einsatz von (neuen) Antibiotika, spezielle Dosierrichtlinien, die nicht über Fachinformationen verfügbar sind

• Optimale Dosierung und Verabreichung nicht vergleichbar mit der Erwachsenenmedizin

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ABS: Maßnahmen

• ABS-Visite 1x wöchentlich seit 09/2015 • zeitlicher Aufwand: ca. 1 Stunde Vorbereitung,

ca. 1 Stunde Visite auf Station (am Bett)• infektiologisches Konsil bei Bedarf• telefonische Rufbereitschaft tagsüber (Tele-

Monitoring über PDMS)• Erreichbarkeit am Wochenende auch über Email

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ABS: Maßnahmen

• Rationale Deeskalationsstrategie• Gezielte Therapie (Resistogramme, Risikoprofile)• Optimierung von Dosierung/Applikation: z.B. prolongierte

Gabe (3h) von Meropenem• Therapeutic drug monitoring (TDM):

- Meropenem-Spiegel- Piperacillin/Tazobactam-Spiegel

- Anpassung der angestrebtenSpiegel an aktuelle Datenlagez.B. Vancomycin 15-20 mg/l

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ABS: Maßnahmen

Datenerfassung:• Klinische Parameter

- Days of therapy (DOT), Length of stay (LOS), Mortalität, 30-day readmission rate, Toxizität/NW

• Mikrobiologische Parameter- Erregerspektrum, Resistenzentwicklung

• Verbrauchsparameter- Mengen (Antiinfektiva-Verbauchsdaten), D/RDD

(daily/recommended defined doses)• Prozess-/ Anwendungsqualität

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ABS: Maßnahmen

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ABS: Maßnahmen

Station 25i: Verbrauchsdaten (RDD/100PT)

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ABS: Maßnahmen

Weiterer Outcome-Parameter (Bsp. HaunerscheKinderklinik)

• Zusätzliche finanzielle Einsparungen

• Antibiotika‐Verordnungen => bis zu 20% des Medikamentenbudget 

• bis zu 50% der Antibiotika‐Verordnungen           medizinisch nicht indiziert

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ABS: Maßnahmen (Bsp.)

Der Einfluss der Änderung der perioperativen Antibiotikaprophylaxe (PAP) auf die Besiedlungsrate von Wunddrainagen bei Patienten nach elektiver Korrektur von Kraniosynostosen

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ABS: Maßnahmen (Bsp.)

Keine Zunahme der Wundinfektionsrate trotz reduzierter perioperativer Antibiotikaprophylaxe (PAP)

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ABS: Maßnahmen (Bsp.)

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Perspektiven

Erstellung von Standards

– Blutkultur (Blutmenge, Abnahmeort und -technik)– Dosierungen– First-line (Akut)Therapien und Therapiedauer bei

häufigen Indikationen– Perioperative Prophylaxe bei chirurgischen

Eingriffen– TDM – Applikation: Dauerinfusion, prolongierte Gaben,

rasche sequentielle Oralisierung

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Perspektiven

Erstellung und Etablierung von lokalen Standards sowiestringente Umsetzung in allenFachdisziplinen

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Perspektiven

ABS für die gesamte Kinderklinik:

Pädiatrisch-infektiologischer Konsildienst

Ausbildungsprogramm „Pädiatrischer Infektiologe“

ABS-Visiten auf allen Stationen

IT basiertes Dokumentationstool (PDMS: Copra/SAP)

Computerbasierte Restriktion/Verordnung

Automatisierte Erfassung des Verbrauchs von Antiinfektiva gewichtsbezogen

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Danke für die Aufmerksamkeit!