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Projektgruppe (Hg.) Antifa Diskussionen und Tips aus der antifaschistischen Praxis Edition ID-Archiv Eine große Anzahl von Linken hat sich in den letzten Jahren in antifaschistischen Gruppen or- ganisiert. Viele, vor allem auch jüngere Leute, reagieren damit auf einen immer aggresiver und offener auftretenden Neofaschismus in der (neuen) Bundesrepublik und arbeiten der staat- licherseits betriebenen Verharmlosung rechts- extremer Terrorbanden entgegen. Es ist nicht zuletzt dem direkten praktischen Engagement autonomer Antifa-Gruppen zu verdanken, daß Neo-Nazis ihrem mörderischen Handwerk auf der Straße nicht unbehelligt nachgehen kön- nen. Denn nicht erst seit dem Rostocker Po- grom bestehen erhebliche Zweifel an der ›de- mokratischen‹ Gesinnung staatlicher Behörden und der Polizei. Die Herausgeber dieses Buches haben in den letzten Monaten Gespräche mit verschiedenen antifaschistischen Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland geführt. Die Gruppen wurden nach ihrer Entste- hungsgeschichte, ihrer aktuellen politischen Ar- beit, ihren politischen Einschätzungen und Zie- len befragt. Die Antworten vermitteln einen leb- haften und repräsentativen Querschnitt von dem derzeit wohl aktivsten Teil der linken »Sze- ne«. Projektgruppe (Hg.) Antifa ISBN: 3-89408-016-7 Edition ID-Archiv

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Eine große Anzahl von Linken hat sich in den

letzten Jahren in antifaschistischen Gruppen or-

ganisiert. Viele, vor allem auch jüngere Leute,

reagieren damit auf einen immer aggresiver und

offener auftretenden Neofaschismus in der

(neuen) Bundesrepublik und arbeiten der staat-

licherseits betriebenen Verharmlosung rechts-

extremer Terrorbanden entgegen. Es ist nicht

zuletzt dem direkten praktischen Engagement

autonomer Antifa-Gruppen zu verdanken, daß

Neo-Nazis ihrem mörderischen Handwerk auf

der Straße nicht unbehelligt nachgehen kön-

nen. Denn nicht erst seit dem Rostocker Po-

grom bestehen erhebliche Zweifel an der ›de-

mokratischen‹ Gesinnung staatlicher Behörden

und der Polizei.

Die Herausgeber dieses Buches haben in den

letzten Monaten Gespräche mit verschiedenen

antifaschistischen Gruppen aus dem gesamten

Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland

geführt. Die Gruppen wurden nach ihrer Entste-

hungsgeschichte, ihrer aktuellen politischen Ar-

beit, ihren politischen Einschätzungen und Zie-

len befragt. Die Antworten vermitteln einen leb-

haften und repräsentativen Querschnitt von

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Vorwort

Eine große Anzahl von Linken hat sich in den letzten Jahrenin antifaschistischen Gruppen organisiert. Viele, vor allemauch jüngere, Menschen reagieren damit auf einen immeraggressiver und offener auftretenden Neofaschismus in der(neuen) Bundesrepublik und arbeiten der staatlicherseits be-triebenen Verharmlosung nazistischer Gruppen entgegen.Es ist nicht zuletzt dem direkten praktischen Engagementautonomer Antifa-Gruppen zu verdanken, daß Neonazisihrem mörderischen Handwerk nicht unbehelligt nachge-hen können. Denn nicht erst seit dem Rostocker Pogrombestehen erhebliche Zweifel an der »demokratischen« Ge-sinnung staatlicher Behörden und der Polizei.Als Herausgeber dieses Buches haben wir im Herbst 1993Gespräche mit verschiedenen antifaschistischen Gruppenaus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich ge-führt. Sie wurden nach ihrer Enstehungsgeschichte, ihreraktuellen politischen Arbeit, ihren politischen Einschätzun-gen und Zielen befragt. Die von den Gruppen autorisiertenInterviews vermitteln einen lebhaften und repräsentativenQuerschnitt von dem derzeit wohl aktivsten Teil der auto-nomen Linken. Die Gespräche mit AntifaschistInnen ausBern, Zürich, St. Gallen, Winterthur und Wien wurden mitaufgenommen, weil wir wissen wollten, wie Linke mit ähnli-chen Problemen im benachbarten Ausland damit umgehen.Freilich hätten wir auch antifaschistische Gruppen aus Po-len oder Frankreich besuchen können. Diesen Gedankenmußten wir aber verwerfen, da es zum jetzigen Zeitpunktunsere materiellen und personellen Kräfte überfordert hät-te. Die Auswahl der bundesdeutschen Gruppen erfolgte nachder Maßgabe, den verschiedenen in der autonomen Antifaexistierenden Strömungen und Ansätzen einigermaßen ge-

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risiert die ihnen Mißliebigen. An anderen Orten konnte sienach zum Teil sehr heftigen Auseinandersetzungen in dieSchranken gewiesen werden. Die Arbeit ostdeutscher Anti-fa-Gruppen ist im Westen kaum bekannt. In den Ge-sprächen wurde deutlich, daß von den westdeutschen Grup-pen weiterhin wenig Kontakte zu ostdeutschen Antifas exi-stieren.Die Erfahrungen ost- wie westdeutscher Antifa-Gruppenzeigen sehr deutlich, daß es offensichtlich Situationen gibt,in denen man sich die Mittel des Widerstandes nicht freiaussuchen kann. Von Ort und Zeitpunkt verschieden, habensich Antifa-Strukturen zumeist als Reaktion auf fortwähren-de Naziangriffe gebildet. In Westdeutschland kam es ab An-fang der 80er Jahre in allen möglichen Regionen zu direktenAuseinandersetzungen zwischen Linken und der neuen Ge-neration der Nazis. Trauten sich die Altfaschisten in derBundesrepublik bis dahin zumindest nicht allzu öffentlich anLinke und MigrantInnen heran, versuchten die Neonazisnun auch direkt in den großstädtischen Hochburgen der lin-ken bzw. alternativen Szene und in den Vierteln mit hohemMigrantInnen-Anteil Fuß zu fassen. Ähnlich war es in derSchweiz, als Nazis neben den MigrantInnen auch immerwieder die einst dort sehr starke 80er-Bewegung angriffen;in Österreich war eines der faschistischen Angriffsziele dieautonomen Demonstrationen zum Wiener Opernball.Der gewalttätig vorgehenden Neofaschisten konnte sich al-lerorten nur selbstorganisiert und militant erwehrt werden.In Jugendklubs, bei Konzerten, in Kneipen, auf der Straßeoder an den Schulen stehen gerade Jugendliche oftmals vorder Frage, Neofaschisten das Feld zu überlassen oder sich,mit allen Konsequenzen, dagegen zusammenzuschließen.Diese existentiell überlebensnotwendigen Auseinanderset-zungen finden, von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert,an allen (un)möglichen Orten in der gesamten Republikstatt. Nazis tauchen aber nicht aus dem Nichts auf. Die staatli-cherseits betriebene Verschiebung der Gesellschaft nachrechts findet auf gesellschaftlicher Ebene ihre Entspre-

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recht zu werden. Neben den übergreifend ideologischen,sollten die Besonderheiten, die sich aus Unterschieden dersozialen Zusammensetzung nach Alter, Geschlecht und Re-gion möglicherweise ergeben, exemplarisch repräsentiertsein. Die von uns befragten Gruppen sind nun nicht als die»Speerspitze der Bewegung« mißzuverstehen. Selbstredendhätten wir andere Gruppen aus der ehemaligen DDR, Fanti-fa-Gruppen aus anderen Orten, »Alt«-Antifas oder »Ju-gendfrontler« aus anderen westdeutschen Städten usw. be-fragen können. Wir hoffen, daß sich ein Großteil der auto-nomen Antifa-Gruppen in der einen oder anderen geäußer-ten Position wiederfindet; dem Umfang jedes Buchprojektessind einfach auch quantitativ Grenzen gesetzt.

Durch die Wahl der Interviewform sind in diesem Buchauch aktive Antifas vertreten, die ansonsten keine umfang-reichere Textproduktion betreiben. Die aufgezeichnetemündliche Kommunikation schien uns das beste Mittel, da-mit über einen subjektiven Zugang möglichst viele der Be-teiligten zu Wort kommen, also nicht von vornherein be-stimmte Personen und Gruppen ausgeschlossen sind.Schon vor dem Zusammenbruch der DDR bildeten sichdort gegen die immer aggressiver auftretenden Nazis antifa-schistische Strukturen heraus. Nicht erst seit 1989 mischtensich Linke da ein, wo es den offiziellen »Antifaschismus«schlichtweg nur auf dem Papier gab. Schließlich kam es wie-derholt im Verlauf der 80er Jahre zu Schändungen jüdischerFriedhöfe und zu rassistischen Angriffen vor allem auf ausanderen »sozialistischen« Staaten kommende »Vertragsar-beiter«. In den Interviews schildern Gruppen aus der ehe-maligen DDR die Schwierigkeiten, die sie speziell in den er-sten beiden Jahren nach dem Anschluß mit dem aufkom-menden Neofaschismus hatten. Die »West-Linke« verhieltsich weitgehend passiv, während neofaschistische Reiseka-der in den letzten Winkeln der DDR auftauchten. In etli-chen Städten der ehemaligen DDR gewann die Neonazi-Szene mit der völkischen Welle, die den Anschluß der DDRbegleitete, unter den Jugendlichen die Oberhand und terro-

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wüstesten Schlägerführer vor den Augen seiner »Kamera-den« herauszugreifen, um deren Mannes- und Überlegen-heitskult zu brechen. Nur wer sich nüchtern darauf einstellt,die verschiedenen Sprachen auch zu sprechen, kann damitrechnen, von schlagenden Nazis ernst genommen zu werdenund Einfluß auf ihr Verhalten ausüben zu können. Das istnicht schön, läßt sich aber bei einem überwiegend brutalvorgehenden Gegner nicht ändern.Die Frage nach einem sinnvollen militanten Auftreten ziehtsich durch alle Gespräche der von uns befragten Gruppen.Viele kritisieren hierbei die einseitige Fixierung mancherAntifas auf unreflektierte, oftmals machistische Aktionen.Ältere autonome Antifas sehen im Vergleich zu den 80erJahren ein Schwinden der politischen Qualität und einenRückfall hinter bereits geführte Diskussionen um Militanz.In den Gesprächen wird auch deutlich, daß militantes Vor-gehen für die meisten Antifa-Gruppen nur ein Bestandteilihrer Politik ist. Viele Gruppen organisieren politische undkulturelle Veranstaltungen, erstellen Broschüren und Zeit-schriften, machen Jugendarbeit, arbeiten noch in anderenlinken Projekten oder haben theoretische Schwerpunktset-zungen. Allgemein hat sich eine Akzeptanz verschiedenerArbeits- und Ausdrucksformen durchgesetzt – allerdings un-ter dem voraussetzenden Anspruch, je nach den persönli-chen Möglichkeiten gegen Neonazis auch praktisch im öf-fentlichen Raum zu intervenieren.Wie eine solche Praxis aussieht, ist von Fall zu Fall verschie-den. In letzter Zeit bemühen sich einige Antifa-Gruppen umeine bessere öffentliche Darstellung ihrer Politik. Die regio-nalen Medien werden nun immer öfter mit Material zu denörtlichen Neonazi-Szenen versorgt, da erkannt wurde, daßein guter Artikel manchmal mehr politischen Druck ausü-ben kann als eine klandestine Aktion.Im Gegensatz zur übrigen autonomen Szene hat die autono-me Antifa in den letzten Jahren gerade einen enormen Zu-lauf von Jüngeren erfahren. In den Gesprächen machen An-tifas neben den allgemeinen politischen Konjunkturen dieälteren Autonomen dafür selbst verantwortlich. Sie hätten

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chung. Die Toleranzschwelle staatlicher Behörden gegen-über nazistischer Gewalt ist hierzulande traditionell sehrhoch. Bevor Neonazis Häuser anzünden und Menschen ver-brennen, hat sich in der Regel schon alltäglich einiges weni-ger »Sensationelles« ereignet, ohne daß dagegen energischeingeschritten worden wäre. Und selbst wenn es richtig zusein scheint, Justizbehörden und Polizei weiterhin an ihre»demokratische« Verfaßtheit zu erinnern, hilft das weniggegen ein blaues Auge oder einen antisemitischen »Witz«.Selbst bei weitaus drastischeren Vorkommnissen muß häu-fig erst ein öffentlicher Druck entfacht werden, damit dieBehörden gegen die neonazistischen Täter überhaupt straf-rechtliche Ermittlungen einleiten.Aus den unmittelbaren und aufgezwungenen Konfrontatio-nen mit Neonazis haben sich in der alten Bundesrepublik inden 80er Jahren dauerhafte Strukturen der Abwehr, die au-tonome Antifa, herausgebildet. Relativ früh wurde entgegenden offiziellen Verlautbarungen klar, daß hinter den plötz-lich auftauchenden Nazischlägern straff organisierte Kaderneofaschistischer Organisationen standen (und stehen).Zwangsläufig mußten die Organisationsstrukturen der Neo-nazis aufgedeckt werden, um sie bekämpfen zu können. Inder autonomen Antifa hat sich durchgesetzt, zwischen fa-schistischen »Führern« und Mitläufern einer mittlerweileentstandenen Nazi-Szene zu differenzieren und, sofern esdie Situation zuläßt, mit unterschiedlichen Mitteln gegen sievorzugehen. Gewalt wird von den meisten organisierten An-tifas als letztes und abschreckendes Mittel befürwortet.Nach Möglichkeit wird es dosiert gegen die Drahtzieher desbraunen Netzes eingesetzt, um diese von ihrem Rekrutie-rungsfeld zu isolieren und so weitere Gewalttaten zu verhin-dern. Der Einsatz von Gewalt ist in der Regel zielgerichtetund soll auch für den faschistischen Gegner einschätzbarbleiben. Er dient der Abschreckung und soll den Neofaschi-sten deutlich machen, daß es auch für ihre persönliche Exi-stenz von Vorteil ist, sich zu mäßigen. Die praktischen Aus-einandersetzungen haben gezeigt, daß Nazigruppen sehr au-toritär verfaßt sind und es oftmals ausgereicht hat, sich den

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Dieser Interviewtermin sollte der letzte auf unserer Reise-route sein. Ein paar Tage bevor wir es führen wollten, ver-haftete der Staatsschutz fünf Leute aus dem Umfeld der kur-disch-türkischen Antifa-Gruppe. Der Staatsschutz wirft ih-nen eine Beteiligung an der Ermordung des Führungsfunk-tionärs Gerhard Kaindl von der faschistischen »DeutschenLiga für Volk und Heimat« vor. Kaindl war im April 1992von einer vermummten Person in einer Berliner Gaststätteerstochen worden. Insgesamt stellte der Staatsschutz in die-sem Zusammenhang 18 Haftbefehle gegen überwiegendkurdische und türkische Linke aus. Der Vorwurf lautet aufVerabredung zum Mord, wobei bis zur Niederschrift dieserZeilen noch keine Erkenntnisse vorlagen, worauf sich dieseBehauptung stützen will. Antifascist Genclik war bei denBehörden seit längerem äußerst unbeliebt, weil diese Grup-pe gute Kontakte zur bundesdeutschen Linken unterhieltund versuchte, die vom Rassismus bedrohten türkischen Ju-gendlichen in der Antifa zu organisieren.

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den Umschlag vom klapprigen Altfaschismus zu einem ag-gressiven Neonazismus in der Bundesrepublik nicht erkanntund die davon Bedrohten allein gelassen. Subjektivistischerevolutionäre Flausen, kombiniert mit einer alternativen Be-liebigkeit, hätten vielleicht für einen gemütlichen Kneipen-abend gereicht, aber, die antirassistischen autonomen Grup-pen ausgenommen, mit antifaschistischer Praxis wenig zutun. Auch hätte die autonome Bewegung sich nicht mitihren Niederlagen auseinandergesetzt, geschweige dennFormen gefunden, wie sie die gemachten Erfahrungen anjüngere Leute hätte vermitteln können. Durch die Organi-sierung in autonomen Antifa-Gruppen seien eine größereVerbindlichkeit und die konkrete Arbeit wenigstens an ei-nem zentralen Punkt im Kontext linksradikaler Politik ge-währleistet worden.Mag man der allgemeinen Kritik an den desolaten Struktu-ren autonomer Politik vielleicht zustimmen, so ist dochfraglich, inwiefern die Antifa davon weniger betroffen seinsoll. Momentan gibt es zwei Hauptströmungen, die perspek-tivisch verschiedene Organisationsmodelle vertreten. Dieeinen versuchen über die Antifaschistische Aktion/Bundes-weite Organisierung (AA/BO) eine überregionale, hand-lungsfähige Organisation zu schaffen. Die KritikerInnendieses Modells, und das ist nicht gerade die Minderheit un-ter den Antifas, befürchten einen zentralistischen, hierarchi-schen und autoritären Wasserkopf, der die verschiedenenAntifa-Gruppen nur auf eine ideologische Linie bringenwill. Die Kritik entzündet sich insbesondere an einer dertreibenden Kräfte in der AA/BO, der Antifa (M) aus Göttin-gen. Sie propagiert einen »Antifaschismus auf antiimperiali-stischer Grundlage«, den andere Antifa-Gruppen als eineNeuauflage der Philosophie des Klassenkampfes auf partei-kommunistischer Grundlage betrachten und deswegen ab-lehnen. Wie auch immer dieser ideologische Richtungsstreitausgeht, in diesem Band kommen Antifa-Gruppen mit un-terschiedlichen inhaltlichen Ansätzen zu Wort. Nicht mehr zustande kam das vorgesehene Gespräch mit ei-ner Nachfolgegruppe von Antifascist Genclik aus Berlin.

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Als die Skin-Bewegung noch in denAnfängen war

Gespräch mit Hamburger Antifas

Neben Städten wie Nürnberg, Westberlin und Frank-furt/M. hat sich auch in Hamburg bereits sehr früh ein kon-tinuierlich tätiger autonomer Antifa-Zusammenhang her-ausgebildet. Die Hamburger Antifa entstand aus den Aus-einandersetzungen mit Neonazis Anfang der 80er Jahre inder Stadt. Die »Alt«-Antifas schildern in dem Gespräch dieEntstehung und Entwicklung norddeutscher Antifa-Struk-turen, inhaltliche Brüche, die es gab, und äußern ihre Skep-sis, mit der sie die Antifa in den 90er Jahren betrachten.

Könnt ihr vielleicht eingangs die Situation in Hamburg Anfangder 80er Jahre schildern, die zur Herausbildung von Antifa-Gruppen führte?

Achim: Es gab da ein ehemaliges Kino, in dem sich regel-mäßig Typen von der »Savage Army« getroffen haben. Die»Savage Army« war eine Gruppe ohne großen politischenHintergrund, die aber rechts einzuordnen war. Die habenzusammen mit den »Löwen«, einem damaligen rechtenFußballfanclub des HSV, Leute verprügelt, als schlagenderAnhang der ANS1. Anfangs waren die aber schwer einzuord-nen gewesen.

Benno: Rechte wie Linke kannten sich damals alle und hat-ten in Hamburg einen gemeinsamen Punk-Hintergrund.Und die Diskussion entfachte sich dann erst an der Punk-Musik, daran, welche Bands nun rechts und welche links wa-ren. Aus der Punk-Szene heraus entstand auch die »SavageArmy«, aus der sich dann später viele Hamburger Faschistenrekrutierten. Die »Savage Army« war eine der ersten me-dienwirksamen Schlägertruppen in der BRD. Anfangs hat-

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sehr bedeutsam. Ein Fotograf hatte Fotos von der Auseinan-dersetzung zwischen DemonstrantInnen und den Bullen ge-macht und auch veröffentlicht. Aufgrund dieser Bilder gabes dann den ersten bedeutsamen Versuch, Leute von uns zukriminalisieren. Auf den Fotos konnten einzelne genau er-kannt werden. Zudem kam dieser Fotograf aus KB-Zusam-menhängen, und daran entwickelte sich auch ein Konfliktzwischen der autonomen Antifa und dem KB.

Der Fotograf hatte die Fotos einfach weiterverkauft?

Achim: Nein, die sind damals in der Zeitung des KB, demAK, veröffentlicht worden. Diese Veröffentlichung zeigtedeutlich, wie wenig die mit diesen militanten Auseinander-setzungen zu tun hatten. Da sie selber eher legalistische Po-litik betrieben, haben sie die Kriminalisierungsgefahr für an-dere eben überhaupt nicht in Erwägung gezogen.Der KB ist letztendlich aus dem Antifaschistischen Bündnisausgeschieden. Das hatte vor allem damit zu tun, daß sie die-sen »Verhandlungs«-Antifaschismus immer weiter betrie-ben: also Material sammeln, eine Broschüre machen, einenNazi outen und hoffen, daß der Staat dann schon was ma-chen wird. Unsere Überlegungen beim Kampf gegen Nazisgingen eher dahin, nicht so sehr auf die bürgerliche Öffent-lichkeit oder den Staat zu vertrauen. Aus den Kontroversenum die Aktion in Fallingbostel hat sich dann ein überregio-naler Antifa-Zusammenhang entwickelt.Dieses norddeutsche Antifa-Plenum bestand überwiegendaus autonomen Gruppen. Es gab so einen Minimalkonsens,eine von traditionellen Gruppen wie der VVN und dem KBunabhängige Antifa-Politik entwickeln zu wollen.

Und was gehörte noch zu dem Minimalkonsens?

Achim: Militanz.

Christine: Auf jeden Fall konkret eingreifen. Das was dieautonome Antifa lange bestimmt hat, war eben, gegen ir-gendwelche Faschistentreffen direkt vorzugehen oder ge-fährdete Orte wie Jugendzentren gegen Fascho-Angriffe zuverteidigen.

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ten die noch Kontakte ins links anpolitisierte Punk-Spek-trum. Erst im Laufe der Jahre hat sich das polarisiert undeindeutig auseinanderentwickelt. Führende Hamburger Fa-scho-Schläger, Figuren wie Wacker, Grashoff oder Burk-hardt, kamen alle mal aus der Punk-Szene.2

War das eine Hamburger Besonderheit, daß zunächst alle einfachPunks waren und sich dann bald in Nazi-Punks und linke Punksteilten und aufeinander losgegangen sind?

Benno: Mehr aufeinander eingedroschen haben.

Achim: Das war zu dem Zeitpunkt, als die Skin-Bewegungnoch in den Anfängen war. Wacker ist später der führendeSkin hier gewesen. Und da gab es viele, die sich an den Skinsorientierten und die schon sehr früh rechts waren. Das waraber zunächst eher ’ne Clique als ein fester ideologischerZusammenschluß.In der Auseinandersetzung mit dieser rechten Szene hat sichdas »Antifaschistische Bündnis« herausgebildet. Das warAnfang der 80er ein sehr breites Bündnis. Es setzte sich zu-sammen aus Mitgliedern vom damals in Hamburg sehr star-ken Kommunistischen Bund (KB), dem DKP- und demVolksfront-Spektrum, aus autonomen Gruppen und diver-sen anderen Organisationen. Später, als das Bündnis seineTätigkeit ausweitete, kamen noch weitere dazu. Das war, alswir versuchten, den Bundesparteitag der NPD in Fallingbo-stel zu verhindern.

Christine: Fallingbostel ist ein Kaff in der Heide, und dieAktion dort bedeutete für den norddeutschen Raum das Co-mingout der autonomen Antifa. Obwohl auch Gruppen ausdem traditionellen Spektrum wie die VVN hinmobilisierten,bestimmte die autonome Antifa eindeutig das Bild undkonnte ihre militanten Formen durchsetzen, als es zu Aus-einandersetzungen um die Erstürmung der Halle kam.

Ist die Halle gestürmt worden?

Achim: Nein, sie ist nicht gestürmt worden, das haben dieBullen verhindert. Aber etwas anderes wurde im nachhinein

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Bedrohung der Hafenstraße dazu, daß es auch zu einer Ein-bindung von Leuten kam, die damit eigentlich wenig zu tunhatten, vor allem von Punks, die so mehr aus der Häuser-kampfszene waren. Also, bei mir war das auch so, es gab haltdiese Konfrontation mit den Rechten, man hing halt auchim Viertel um den Hafen rum, und da mußten wir uns dazuverhalten.In der Folgezeit ist man dazu übergegangen, in den jeweili-gen Stadtteilen sich zu organisieren und die Faschisten undihre Treffpunkte dort anzugreifen. Es gab ja Kneipen, vondenen man wußte, daß sie als Nazi-Treffpunkte fungierten.Und da sind dann eben Antifas rein, mit Haßkappen undKeulen usw. ...

Haben die Faschisten in den frühen 8Oer Jahren vorwiegendJagd auf Linke gemacht, sind sie nicht von Anfang an auch aufMenschen losgegangen, die sie für Ausländer hielten?

Achim: 1985 ist Ramazan Avczi am Landwehrbahnhof imOsten Hamburgs ermordet worden. Er ist dort an einer be-kannten Faschistenkneipe vorbeigegangen und von Nazisangefallen worden. Er war noch mit zwei anderen Leutenunterwegs, die entkommen konnten. Die Nazis haben Avczierst niedergeschlagen und sind dann noch mit dem Autoüber ihn drübergefahren. Das war das erste Mal, an das ichmich erinnern kann, daß die Nazis für alle unübersehbar mitdieser Brutalität gegen MigrantInnen vorgegangen sind.

Gab es in der Folge eine nennenswerte Zusammenarbeit zwischender (deutschen) Linken und verschiedenen Migranten-Gruppenhier in der Stadt? Wie haben denn die MigrantInnen in Ham-burg auf die Angriffe der Faschisten reagiert?

Benno: Es gab ziemlich starke Jugendgangs von Einwande-rern in vielen Stadtteilen. Eine nannte sich die »Champs«und hat sich wohl auch aus der Notwendigkeit zur Selbstver-teidigung gegründet. Die waren ziemlich stark, in Bergedorfgab es die »Red Bombers« ... Anläßlich der Ermordung vonAvczi gab es eine Demonstration von etwa 15 000 Men-schen. Punktuell gab es einzelne, mit denen man was ma-

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Gleichzeitig sollte das mehr sein als nur ein Anti-Nazi-Kampf, also ein ewiges Den-Nazis-Hinterherlaufen. Wirrichteten uns auch gegen den Staat, und von daher war eswidersinnig, an den Staat irgendwelche Appelle zu richten,Nazi-Organisationen zu verbieten, wie das die VVN tat.

Achim: Unterschiedliche Vorstellungen gab es bei uns vorallem um die Frage, inwieweit eine Bündnispolitik mit refor-mistischen Kräften aus der Linken sinnvoll ist.

Aber zunächst hat sich in Hamburg das, was sich später Antifa-schistisches Bündnis nannte, aus einer sehr unmittelbaren Ausein-andersetzung, dem sehr offenen Auftreten von Neonazis auch inden sogenannten Szene-Stadtteilen, entwickelt?

Benno: Ja, die waren sehr offensiv.

Achim: Einmal ist Wacker angetrunken in die Kneipe »On-kel Otto« in die Hafenstraße gekommen und hat sich dadreist hingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war allen bereits klar,daß das ein rechter Skinhead ist. Der kam ursprünglich ausder Wiking-Jugend und hat hier versucht, systematisch zuagitieren. Wacker ist ins »Onkel Otto« gekommen und hatoffensichtlich nicht einmal damit gerechnet, daß er da uner-wünscht sein könnte.

Benno: Genau, das ging dann so weit, daß er erst eine Keu-le auf den Kopf bekam und so einen mittleren Schädelbasis-bruch hatte. Und am darauffolgenden Wochenende spielteder HSV gegen die Dortmunder Borussia. Da ging das losmit diesem »Am-Wochenende-ist-Fußball-und-da-greifen-wir-die-Hafenstraße-an«. Da schrien die Rechten dann»Rache für Wacker«. Damals gab es die »Borussen-Front«unter der Führung von Siegfried Borchardt3 noch, die ka-men dann alle, und auch andere Fußballfanclubs solidari-sierten sich mit den Nazis und mobilisierten zum Sturm aufdie Hafenstraße. Die waren dann auch etwa 300 Leute, nurhaben die Bullen die dann an den Landungsbrücken abge-fangen.Das ist auch so ein Punkt, den man relativ rasch vergißt: derHafen als das ewige Angriffsziel. Unter Linken führte die

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Was für Erklärungen hattet ihr, warum ausgerechnet Anfangder 80er Jahre so ein Erstarken der neonazistischen Szene festzu-stellen war?

Benno: Also, ein ganz einfaches Erklärungsmodell war, dieFaschos als den illegalen Arm des rassistischen und kapitali-stischen Staates zu verstehen. Das war ja auch die Zeit, alsder KB seine große und von vielen Linken aufgegriffeneStaatsfaschismus-Diskussion4 geführt hat. Aber von einereinheitlichen Einschätzung der verschiedenen Gruppenkann eigentlich kaum gesprochen werden.

Achim: Allgemein ist in der Analyse der gesellschaftlichenSituation aber davon ausgegangen worden, daß sich einestarke personelle und strukturelle faschistische Kontinuitätdurch die Geschichte der BRD zieht. Von daher unterbliebeine genauere Einschätzung, warum die Nazis in den 80erJahren nun aktiver wurden. Das erstaunte nicht weiter.Unsere Antifa-Arbeit orientierte sich eher daran, z.B. syste-matisch Informationen über Nazis zusammenzutragen, umüberhaupt herauszukriegen, wie sie sich organisieren und anwelchen Punkten man sie am besten treffen kann. Es gabnatürlich Gruppen, die stärker inhaltlich arbeiteten undüber den Faschismusbegriff und eine revolutionäre Perspek-tive diskutierten, und andere, die ihren Anti-Nazi-Kampfeher sehr praktisch begriffen und nicht viel diskutierten.

Benno: Auf der praktischen Ebene hat das auch ganz gut ge-klappt. Für die Faschisten ist das zu einem relativen Problemgeworden. Wenn die sich hier auf dem Kiez blicken ließen,haben die wirklich damit rechnen müssen, auf die Fresse zubekommen. Die konnten sich nur verdeckt bewegen und ha-ben es auch nie geschafft, den Hafen zu knacken. Und wennsie mal jemanden erwischt haben, dann konnten sie davonausgehen, es umgehend zurückzubekommen. Die Faschi-sten sind ausgespäht worden und konnten sich auch privatnicht sicher fühlen. Es gab Hausbesuche ... Diese 35 Vorfäl-le in der Anklageschrift hat der Staatsschutz später ja nichterfinden müssen.

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chen konnte. Die Jugendgangs haben sich mit den Glatzenrichtig gebeult, sind aber ganz schnell von den Bullen ausge-hebelt und kriminalisiert worden. Zum Teil lief das überdiese Drogenschiene und dann aber eben auch über den§ 129. Die Bombers in Bergedorf sind tierisch schnell platt-gemacht worden. Nachdem sie sich ein paarmal so richtigmassive Schlägereien mit Rechten geliefert hatten, mit so di-rekten Ansagen wie »wir machen Bergedorf Skinhead-frei«,ist da ganz schnell der Staatsschutz gekommen und hat de-nen wahnsinnig eins reingewürgt. Und das lief auch untereiner ziemlichen Ignoranz der linken Öffentlichkeit, von ei-ner solidarischen Zusammenarbeit kann da keine Rede sein.

Christine: Es fehlten aber auch einfach die Kontakte unter-einander, und so gab es in dem Sinne keine klare Zusam-menarbeit.

Benno: Es gab nur eine gewisse Sympathie.

Achim: Es gab schon Versuche, sie anzusprechen, obwohldie Gangs für uns politisch schwer einzuschätzen waren.Punktuell gab es Kontakte und eine Zusammenarbeit. Beimehreren Angriffen auf die Hafenstraße waren sie präsentund haben den Hafen mit verteidigt. Versuche, eine ge-meinsame kontinuierlichere Praxis zu entwickeln, habensich aber als sehr schwierig herausgestellt. Die Gangs wareneher hierarchisch organisiert, wir mußten halt den Chef an-sprechen, und der hat dann gesagt »so machen wir das« undhat das dann nach unten weitergegeben.Die intensivste Zusammenarbeit hatten wir mit den»Champs«. Aber leider haben Teile der »Champs« dannversucht, hier in St. Pauli in die Zuhälterei reinzukommen,und haben ihre Gang-Struktur dazu benutzt. Wir haben die Zusammenarbeit mit den »Champs« dannschnell eingestellt. Einerseits standen die Gruppen unterstarkem Druck vom Staatsschutz und waren nicht mehr soeinfach zu kontaktieren, andererseits haben sie Interessenentwickelt, die mit unseren Vorstellungen nicht zu vereinba-ren waren.

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An dieser Stelle des Gespräches folgte eine längere Passage über dieStellung und die Politik des Antifaschistischen Bündnisses zu an-deren Gruppen in der Stadt. Nach einer Reihe von internen Aus-einandersetzungen, deren politischer Gehalt aber während des In-terviews nicht zu klären war, löste sich das AntifaschistischeBündnis Ende der 80er Jahre auf. Dem Bündnis, der »Combo«,wurde von anderen Linken vorgeworfen, sehr instrumentell undautoritär ihre Sachen durchzuziehen. Während sich neue Antifa-Zusammenhänge in der Stadt herausbildeten, isolierte sich dasBündnis und wurde praktisch arbeitsunfähig.

Achim: Wenn wir die persönlichen Gründe, die intern zurSpaltung beigetragen haben, einmal weglassen, dann glaubeich, daß sich im wesentlichen ein Widerspruch herausgebil-det hatte, an dem Ansatz, der so Mitte der 80er Jahre in Ber-lin mit dieser Antifa-Jugendfront entwickelt wurde, einKonzept, das so eher eine Massenarbeit beinhaltete und dasvon Teilen der Autonomen in Hamburg übernommen wur-de. Beim Bündnis gab es aber die Tendenz, Gruppen zu ver-kleinern und die Arbeit zu intensivieren, auch die theoreti-sche. Die Diskussionen waren nicht mehr so angelegt, daßneue Leute sich daran hätten beteiligen können, und wir wa-ren nicht mehr in der Lage, zwischen verschiedenen Erfah-rungen zu vermitteln.Parallel zu unserer Spaltung und Isolation hatten sich mitder Jugendfront, der Antifaschistischen Koordination, derAntifa-Hamburg neue Zusammenhänge entwickelt, die imPrinzip die Arbeit machten, die einst das Bündnis leistete.Das antifaschistische Bündnis löste sich dann endgültig auf,als die GenossInnen, die wegen der Worch-Geschichte inU-Haft saßen, wieder rauskamen.

Benno: Das war halt schon so in anderen Gruppen, also, ichwar auch in einer anderen Gruppe, daß es hieß, da kommtjemand aus dem Bündnis, das ist eine persona non grata(ohne Stellung und ohne Würde), die mißtrauisch beäugtwerden mußte. Bei Leuten aus dem Bündnis wurde immersofort eine üble Taktik vermutet, bei der man irgendwieüber den Tisch gezogen werden sollte. Man darf auch die

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Anklageschrift?

Benno: Ja, das war nach dieser Aktion gegen Worch5 derVersuch vom Staatsschutz, eine Antifa-Gruppe als terroristi-sche Vereinigung dingfest zu machen.

Achim: Das war ein Einschnitt in Hamburg. Der Staatsap-parat ist zum ersten Mal richtig massiv gegen AntifaschistIn-nen vorgegangen.

Was ist denn dem Worch damals widerfahren?

Benno: So viel war gar nicht passiert.

Achim: Der Presse war zu entnehmen, daß ein Kommandoin die Wohnung der Worchs eingedrungen war und dort di-verse Akten enteignete. Körperlich war denen weiter nichtsgeschehen.

Christine: Das Ehepaar Worch ist festgesetzt worden.

Wie festgesetzt worden?

Christine: In der Erklärung des Antifa-Kommandos stand,man sei in die Wohnung reingegangen, habe die Worchsüberwältigt und gefesselt, um gezielt dort die Unterlagenmitzunehmen, die Aufschluß über die faschistische Organi-sierung lieferten.

Das war sozusagen eine Recherche-Aktion?

Achim: Sozusagen. Sieht so aus.

Christine: Ja, das Ziel war eben, an Informationen über diefaschistische Organisationsstruktur heranzukommen. Dasist eben nicht immer ganz einfach.

Benno: Sofern ich mich richtig erinnere, tauchte das Mate-rial dann aber nie auf und konnte, wie es von dem Komman-do angekündigt worden war, nie in die Antifa-Arbeit ein-fließen.

Christine: Ich würde davon ausgehen, daß die »Recher-cheure« sich sehr wohl überlegt haben, was sie mit dem ge-wonnenen Material anfangen konnten.

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nicht mehr geführt. Mit der Zeit hat sich eine Struktur her-ausgebildet, zu fünft oder sechst Aktionen durchzuziehen,die halt keiner gerne macht, die aber gemacht werden müs-sen. Mit der Zeit gerätst du in so eine beschissene Dienstlei-stungsstruktur und stehst da als der harte Hauer, der du garnicht bist, vielleicht mit ein paar Jährchen mehr Erfahrung,mehr aber auch nicht. In Wirklichkeit ist aber so eine Grup-pe auch Ausdruck einer Schwäche dieser ganzen autonomenund antifaschistischen Linken. Bei diesen 100-Personen-Demos läuft das darauf hinaus, daß die 15 »Härtesten« haltstehen bleiben, und der Rest kann dann irgendwie sehen,wie er klarkommt. Zu einer inhaltlichen Auseinanderset-zung, einer Hinterfragung der eigenen Rolle als Vorausset-zung für eine verantwortliche Handlungsweise, kommt es inder Regel weder vorher noch hinterher.

Kannst du die politischen Vorstellungen, die du mit dem Mili-tanzbegriff verbindest, genauer umreißen?

Benno: Militanz gibt es einmal als ganz einfache Anti-Nazi-Politik, also drauf und gut. Und dann gibt es Militanz alsAusdruck einer grundsätzlichen Opposition gegenüber demkapitalistischen Staat, die in Relation zu anderen Aktionsfor-men oder Kampfformen steht, die eben mehr beinhalten alsdie »Knüppel auf den Kopf«-Politik. Ansonsten wirst du imGrunde wie dein Gegner, fängst an abzustumpfen und hin-terfragst nicht mehr die Bedeutung deines Handelns.Es gab so eine Tendenz in den 80er Jahren, daß ganz vielevon uns angefangen haben, Kampfsport zu machen. Das warauch durchaus sinnvoll, nur der interessante Effekt war, daßder weitaus größere Teil dann aus dem antifaschistischenKampf ausgestiegen ist. Und das hängt mit diesem Fixierenauf die körperliche Auseinandersetzung zusammen; derKampf wird nicht mehr konkret und kollektiv für etwas ge-führt, sondern du fängst eben wirklich selbst an, die Weltunter paramilitärischen Vorzeichen zu betrachten. Dutrachtest danach, deine sonderbaren Fähigkeiten immerweiter zu perfektionieren, wirst immer »stärker«, und amEnde machst du nichts mehr, weil in deiner Vorstellung

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Kraft der linken Gerüchteküche nicht vergessen, und nachdem Prozeß, den merkwürdigen Erklärungen und dem be-absichtigten Hungerstreik hielt sich das recht lange.Zum Bündnis muß man schon sagen: Das war eine Gruppe,die gesagt hat, da geht es lang. Eine nach außen hin ge-schlossene Gruppe, die gegenüber den anderen so aufgetre-ten ist wie: Ihr habt kein Recht, diese Politik zu machen, ihrmüßt das so machen, oder ihr seid einfach Idioten. DieseStruktur war ja nicht unbedingt ein Sieg antifaschistischerOrganisationsleistung und hat dazu geführt, daß viele nichtnur inhaltlich, sondern auch persönlich mit denen enormeProbleme hatten. Diese ganzen sich daraus ergebenden Ver-haltensweisen, die Gerüchte und Unterstellungen sind jaauch heute noch ein Ausdruck viel allgemeinerer Organisa-tionsprobleme.

Achim: Die Frage nach einer sinnvollen Organisierung istaber bis heute ungelöst. Die offenere Form von Antifa-Ar-beit, die sich bundesweit durchgesetzt hat, ist auch verant-wortlich dafür, daß die Antifa-Politik inhaltsloser gewordenist, die inhaltlichen Auseinandersetzungen auf einem flache-ren Niveau stattfinden, als das etwa Mitte der 80er der Fallwar.

Woran machst du das fest?

Achim: Innerhalb der norddeutschen Antifa und auch imBündnis gab es beispielsweise eine intensive Diskussion umpatriarchale Strukturen und das Mackergebaren6 besondersin linken Zusammenhängen. Wenn ich sehe, wie sich dieJungs heute auf Antifa-Demos wieder aufführen, dann istvon diesen Diskussionen wenig übriggeblieben.

Benno: Das, was wir unter Militanz verstanden, gibt es soheute nicht mehr, nur noch ein Bedürfnis, militant sein zuwollen. Es gibt die Auseinandersetzungen und Diskussionennicht mehr, die zu so einer Militanz führen könnten, wieman inhaltlich zu Aktionsformen findet, die militant sindund auch »Schwächere« mit ihren jeweiligen Fähigkeiteneinbinden können, solche Diskussionen werden erst gar

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die Bilder für das Fernsehen, für das beliebte Links-rechts-Schema geliefert. Entweder du bist durch die Qualität desVorgehens in der Lage, diese Bilder inhaltlich und symbo-lisch aufzulösen, oder du mußt dich fragen, was die ganzeAktion, der ganze Aufwand denn soll. Oder diese Geschichte in Halstenbek. Diese Demo war auchals Unterstützung für die AntifaschistInnen vor Ort gedacht.Da liefen 1 500 GroßstadtkämpferInnen mit Haßkappendurch ein Kuhdorf, keine Bullen weit und breit, dafür dreiKühe links und Wasser rechts. Und was denkt man, was dasfür eine Politikform sein soll? Einfach Quatsch.

Christine: Ja, sicher. Aber deine Art von Kritik ist mir ein-fach zu destruktiv. Du verlierst dabei die Zielvorstellungenderjenigen, die so etwas machen, aus den Augen. Ich finde esnach wie vor wichtig, auch wenn mal was mißlingt, da dieseAntifa-Demos eine erstaunliche Mobilisierungskraft haben,die sonst nicht so ohne weiteres existiert. Also müßte eherdarüber nachgedacht werden, wie gerade die, die längerzurückreichende Erfahrungen haben, versuchen, damit um-zugehen.Die Stärke der AA/BO, der Antifa (M), besteht ja darin, daßsie diejenigen sind, die handlungsfähig sind, die sich Vor-stellungen machen, mit denen sich auch andere auseinan-dersetzen können.

Spielt denn bei euren Diskussionen und euren unterschiedlichenPositionen, was die weitere Vorgehensweise anbetrifft, so ein Be-griff wie »antifaschistische Kultur« eine Rolle?

Achim: Ein Problem ist sicherlich, daß es keinen Organisie-rungsansatz gibt, der einen Austausch herstellen könnte,zwischen denen, die in Politgruppen fest drinnen stecken,und denen, die anpolitisiert sind und z.B. ein entsprechendesKonzert besuchen. Die Antifa-Jugendfront ist so ein Ansatz gewesen, aber auchhier hat es sich als schwierig erwiesen, sie später in eine wei-tergehende politische Arbeit zu integrieren. Es sind doch re-lativ wenige, die am Ball bleiben.

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dein Gegner ständig mitwächst, übermächtig ist. Das glei-che praktizieren die Faschisten ja seit 20 Jahren. Pro formabeziehen die einen Großteil ihrer Identität aus Wehrsportü-bungen. Und eigentlich sind die auf der paramilitärischenEbene den Linken haushoch überlegen, und trotzdem krie-gen die auf der Ebene kein Bein auf den Boden. Die kriegendoch alle irgendwie eine Paranoia und dämonisieren denGegner. So eine Wehrsportübung ist oftmals eine Endlos-schleife, immer ist man noch nicht gut genug, alles wird un-ter militärischen Aspekten gedacht, und am Ende ist allesIdiotismus. Und genau diese Tendenz ist derzeit auch wie-der ganz massiv bei linken Gruppen zu beobachten.

Wie bewertet ihr, nach dem, was ihr an Antifa-Politk hier kriti-siert, den derzeitigen Versuch einiger Gruppen, eine bundesweiteOrganisation, die AA/B0, zu schaffen?

Achim: Ich kritisiere daran, daß sie versuchen, eine Organi-sation von oben nach unten durchzuorganisieren. Da wirdein Wasserkopf bundesweit installiert, in dem Glauben, daswürde sich schon irgendwie nach unten durchsetzen und in-haltlich füllen. Das widerspricht eigentlich jeder linken undautonomen Praxis und Lebenserfahrung. Natürlich scheinteine straff geführte Organisation erstmal Vorteile zu brin-gen, aber die Nachteile sind bekannt.

Benno: Diese Organisationsdebatte hat mit dem realen Le-ben und den Erfahrungen der einzelnen, mit denen ich zutun habe, nichts zu tun. Sie kostet viel Zeit, und es kommtwenig bei raus.Inhaltlich kann ich mit den Aktionsformen vieler Antifa-Gruppen wenig anfangen. Da gibt es eine Demo zu irgend-einem FAP-Dings oder wie in Halstenbek so ein symboli-sches Muskelspielen, was real überhaupt nicht eingehaltenwerden kann. Ich habe, wie viele andere auch, keine Lust,wie in Wunsiedel alljährlich den Nazis hinterherzueiern.Was soll das für eine Qualität haben, was soll das für eineGegenpräsenz sein, wenn 2000 Antifas zusammen mit 2000Bullen 2000 Nazis hinterherziehen. Damit werden doch nur

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Benno: Es ist ja auch so, daß es bei der autonomen Linkennie ein Weitergeben von Erfahrungen gegeben hat. Umreinzukommen, hat es immer gereicht, ein entsprechendesOutfit zu haben, an den entsprechenden Orten rumzuhän-gen und halt irgendwie dabei zu sein. Das nervt seit Jahren,ohne das eine Lösung gefunden wäre. Im Grunde gibt esmittlerweile ein richtiges Generationenproblem, ein Riesen-gefälle an Auseinandersetzungen und Inhalten. Dazwischenliegen oftmals 10 bis 15 Jahre politische Erfahrung, ohnedaß es einen öffentlichen Austausch gäbe. Und dann steht man da und fragt sich: »Warum reden dieso, warum treten die so auf, müssen die alle Fehler wieder-holen, die man selber gelernt hat zu vermeiden?« Und:»Wieso sagt das denen denn keiner?« Das ist ein Schuh, densich alle anziehen müssen.GenossInnen, die Kritik an der autonomen Linken oder derAntifa-Politik haben, haben sich seit Jahren eher still undleise rausgezogen oder sich eben so am Rande, an der Seiteder Szene positioniert und arbeiten nur noch mit denen zu-sammen, die auf dem gleichen Level sind. Das gilt für sehrviele, und für mich selbst gilt das auch. Ich habe mit den Au-tonomen nichts zu tun, außer mit denen, die ich persönlichkenne und einschätzen kann.Irgendwann wird dir das einfach zu blöd, irgendeine Diskus-sion anzuleiern, dann wackeln alle mit dem Kopf, finden daswichtig, und das nächste Mal ist gleich nur noch die Hälfteda, und so geht das weiter. Die Diskussionsbereitschaft istauch unter autonomen Linken nicht so groß und schon garnicht die Fähigkeit, sich selbst einmal zur Disposition zustellen. Es gibt gewisse Verhaltensweisen, die werden sichangeeignet, der Rest wird ausgesessen. All diese Billigkritikin den Flugzetteln, »Scheiß-Staat«, »Scheiß-Bullen«, über-all Nazis und alles Kacke, und fünf Jahre später machen siedann ihr Hausprojekt, haben halt Kinder und abonnieren»Psychologie heute« plus »Ökotest«.

Christine: Der zieht aber hier vom Leder, da kommt manüberhaupt nicht mehr mit.

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Benno: Das ist aber ein Problem, welches die gesamte auto-nome Linke betrifft: eine deutlich zunehmende Unattrakti-vität. In den 80ern waren die Autonomen für viele attraktiv,weil es ein Modell zu sein schien, in der es ein Zusammen-gehen von einer unmittelbaren Lebensform und einem in-haltlichen Anspruch, von Alltag und politischer Positiongab. Im Häuserkampf wurde potentiell der Raum für einegrundsätzliche Opposition aufgemacht, an denen alle mögli-chen Leute leicht ’rankamen und auch in der Szene Erfah-rungen weitergegeben werden konnten. Es bedarf ebenmehr als einer im strengen Sinne politischen Arbeit, mehrals Referate, Demos und Veranstaltungen organisieren. Esmuß einen emanzipatorischen Ansatz von Leben geben, et-was, was sich hier und jetzt umsetzen läßt, etwas Attraktives,was die Menschen agitiert, etwas, wo Politik und Alltagsan-sprüche zusammengeführt werden. Es ist offensichtlich, daßdas im Laufe der 80er immer schlechter hingehauen hat undals Modell in den Köpfen nicht mehr vorhanden ist.

Bedeutet das, daß Jüngere vor zehn Jahren im Kontext einer all-gemeinen linken Szene anpolitisiert wurden und dann zu autono-men oder Antifa-Gruppen kamen und sie heute direkt von denGruppen anpolitisiert werden müßten und daß darin ein Haupt-problem liegt?

Achim: Ende der 70er, Anfang der 80er war es so, daß sehrviele versuchten, sich Freiräume zu erkämpfen, erst in derJugendzentrumsbewegung, später im Häuserkampf. Denenging es darum, kleinere utopische Vorstellungen eines bes-seren Lebens konkret umzusetzen. Das war vom Anspruchher viel offensiver, als wenn sie sich heute in einer Antifa-Ju-gendfront zusammenschließen, da sie in der Regel direktvon der faschistischen Repression betroffen sind. Die sind inder Regel schon damit konfrontiert, daß sie aus einer defen-siven Situation heraus agieren müssen. Oft ist es dann auchso gewesen, daß Jüngere, die in Vororten oder irgendwel-chen Käffern unter Druck standen und sich organisierten, indie sogenannte, Szene-Viertel nach Berlin oder Hamburgzogen und dann im Szene-Sumpf verschwanden.

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Achim: Der Schwerpunkt hat sich bei den meisten verla-gert, hin zu antirassistischer Politik. Es wurde stärker ver-sucht, mit MigratInnen-Gruppen zusammenzuarbeiten, ge-gen die Abschaffung des Asylrechts agitiert und versucht,Kontakte in Flüchtlingsunterkünfte zu bekommen. Diewurden gegen Angriffe vor Ort geschützt, und gleichzeitigwurde versucht, mit Flüchtlingen zu kommunizieren, um,soweit vorhanden, eine Selbstorganisierung zu unterstützen.

Benno: Obwohl das auch unabhängig von der Antifa lief.Bei der Flüchtlingsarbeit taten sich dann schnell verschiede-ne Probleme auf. Neben dem Sprachproblem waren wir vorallem mit den sehr verschiedenen Interessen der Flüchtlingekonfrontiert. Da gab es welche, Aussiedler aus Polen oderRußland, die sich auf Teufel komm raus als Deutsche ver-standen und mit den »Zigeunern« oder den »Negern« undMenschen aus dem Trikont nichts zu tun haben wollten.Wo Menschen waren, die als Politische geflüchtet waren,konnten wir gemeinsame Feste und Diskussionen organisie-ren. Aber die ständige Fluktuation in den Heimen und dieSchikanen der Behörden erschweren zudem die Entfaltungeiner kontinuierlichen Arbeit. Zu einzelnen Flüchtlingsun-terkünften wurde über sehr lange Zeiträume hinweg gear-beitet. Ein weiteres Problem bestand darin, weder in einereine Sozialarbeiterrolle zu rutschen, noch aus den sehr he-terogen zusammengesetzten Flüchtlingen irgendein »revo-lutionäres Subjekt« der weltweit Marginalisierten zu kon-struieren.

Noch eine ganz andere Frage: Habt ihr Kontakt zu Antifa-Grup-pen aus der ehemaligen DDR?

Achim: Hhm, ja seit kurzem.

Warum erst seit kurzem, die DDR ist ja schon länger angeschlos-sen?

Achim: Das ist so weit weg.

So weit weg?

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Achim: Ich glaube aber schon, daß es möglich ist, diese Ent-wicklung umzudrehen. Natürlich fällt es auf und machttraurig, wie viele GenossInnen sich gerade in letzter Zeitstillschweigend verabschieden. Mich nervt das auch, aber ichhabe keine Lust, mich dauernd mit Typen rumzuschlagen,die frustriert sind und alles niederreden. Wenn ich selber alsälterer autonomer Linker irgendwo aufkreuze und höre daeinen alten resignierten Laberkopf, da habe ich auch keineLust drauf, und auf Jüngere wirkt das bestimmt noch weni-ger motivierend. Dabei gibt es eine ganze Menge Jüngere,die Elan haben und zu gewinnen wären.

Wir würden jetzt ganz gern das Gespräch an dieser Stelle unter-brechen, um noch auf einen anderen Kontext zu sprechen zu kom-men. Und zwar würde uns interessieren in welcher Weise sich, daswas sich seit 1989 hier verändert hat, auf eure Politik ausgewirkthat?

Christine: Also, ich könnte eure Frage auch umdrehen undfragen, was hinter dieser Frage steckt. Mit dem Anschluß der DDR und dem Zusammenbruch derSowjetunion sind wir mit einer weltweit veränderten Situati-on konfrontiert, mit einem völlig veränderten Kräfteverhält-nis und einem neuen Großdeutschland. Und bei der Ausein-andersetzung mit der ehemaligen DDR muß man hier schondarauf achten, nicht in ein bestimmtes Schema zu fallen, diereaktionären Totalitarismusthesen sind ja mittlerweile wie-der hochaktuell, diese Gleichsetzung von Kommunismusund Faschismus. Das muß ich mitbedenken, wenn ich michmit diesem Kontext beschäftige. Und ich finde es schonschwierig, wenn ich vorher keine Kontakte in die DDR hat-te, daß ich jetzt sofort welche haben soll, das finde ichzwanghaft. Sicherlich ist das in Berlin was anderes, wo dieSzenen unmittelbar miteinander konfrontiert sind. Abergeographisch bin ich davon in Hamburg weiter weg, und dieDDR hat eine andere Geschichte und war ein anderer Staat.Und auch wenn man die gleiche Sprache spricht, ist mir daserstmal fremd und eben weniger zugänglich.

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und ich hatte, außer persönlich, keinen Kontakt zur autono-men Szene. Also, für mich gab es den Konflikt mit »ge-mischten« Gruppen schon gar nicht, weil ich einfach in kei-ner vorher drin war.

Bettina: Aber was für Frauen, die vorher schon autonomeAntifa-Arbeit gemacht haben, bestimmt eine Rolle gespielthat, war diese langjährige Erfahrung, daß frauenspezifischeThemen in »gemischten« Gruppen immer nur einen gewis-sen Raum einnehmen konnten. Das wird dann irgendwannnervig, wenn das allein durch die Zusammensetzung schonimmer feststeht.

Ulla: Vielleicht ist jetzt noch wichtig zu sagen, daß wir abernach wie vor verschiedene Sachen mit »gemischten« Antifa-Gruppen zusammen machen. Also, wir ziehen jetzt nichteinfach nur unser eigenes Ding durch ...

Also, ihr nehmt getrennt von »gemischten« Antifa-Gruppen eineeigenständige Positionsbildung vor, tauscht euch aber schon wei-terhin mit denen aus und entscheidet bei Aktionen von Fall zuFall, mit wem ihr wann und wie was zusammen machen wollt, istdas so einigermaßen richtig interpretiert?

Anette: Es ist schon so, daß einige von uns auch noch zu-sätzlich in »gemischten« Gruppen mitmachen. Also, ein be-ständiger Kontakt und Austausch ist schon da.Ulla: Kassel ist ja auch schon ’ne ziemlich kleine Stadt. Unddie Szene ist insgesamt auch ziemlich klein, und da kennensich halt viele. Und das macht natürlich eine Trennung sehrschwer.Bettina: Das macht es nicht nur schwer, sondern erleichtertauch einiges. Von unserer politischen Position her würdeich das schon eher so definieren, daß wir uns halt als ein Teilvon zwei Szenen empfinden, also einerseits zur Frauen- undLesbenszene gehören und andererseits Bestandteil der »ge-mischten« Antifa-Szene sind. Wir gehen auch zu den allge-meinen Antifa-Plenen, allein schon weil Antifa für die Frau-en- und Lesbenszene hier ein Nebenthema ist. Von unseremSelbstverständnis gehören wir in beide Strukturen rein.

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auch darum, daß gerade auch Frauen und Lesben Opfer vonfaschistischen Umtrieben sind. Aus diesen Diskussionen hatsich die Fantifa in Kassel dann entwickelt.

Ulla: Also, ich kam zum Beispiel nicht direkt aus Antifa-Zu-sammenhängen dazu. Ich war zuvor in einer »gemischten«Gruppe, die zu den politischen Gefangenen gearbeitet hat.Die Arbeit in dieser Gruppe ist auch persönlich sehr gut ge-laufen, aber es war natürlich schon ein sehr eingrenzendesThema. Und als ich dann angesprochen wurde, bei der Fan-tifa mitzumachen, fand ich das total gut. Der persönlicheDraht spielt bei so Entscheidungen natürlich immer einegroße Rolle, und Antifa-Arbeit im Zusammenhang mit einerFrauengruppe leuchtete mir ein.

Bettina: Bei mir war es so, daß ich die ganzen Jahre vorherschon Antifa-Arbeit gemacht habe, seit der Schulzeit schon,und auch die ganze Zeit schon parallel dazu Frauenarbeit.Für mich waren das die zwei Bereiche, die mir immer schonam wichtigsten waren, die aber normalerweise von getrenn-ten Szenen bearbeitet werden. Ich habe immer nach einerOrganisierung gesucht, bei der sich das verknüpfen läßt, unddeswegen kam das für mich mit der Fantifa auch keineswegszufällig.

Welche »Frauenarbeit« meinst du?

Bettina: Damit meine ich Politik in Gruppen der autono-men Frauenbewegung, also zum Paragraphen 218 oder zurGen- und Reprotechnik, aber auch in »sozialen Bereichen«wie den Frauenhäusern, das ganze autonome Spektrum haltder Aktivitäten in den 80er Jahren.

Gab es irgendwelche gravierende Vorfälle, die euch veranlaßt ha-ben, euch nicht, oder nicht mehr direkt, über »gemischte« Antifa-Strukuren zu organisieren?

Miriam: Also, es gab wirklich eine Vielfalt von Entwick-lungsgründen, und jetzt darauf rumzureiten, was unterschei-det uns von den »gemischten« Gruppen, fände ich verkürzt.Ich habe zum Beispiel früher im Frauenhaus mitgemacht,

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Ulla: Den Reader haben wir gemacht, nachdem wir bei Ver-anstaltungen gemerkt haben, daß ein großes Interesse be-steht, aber es gar nicht so viel Arbeit ist, sich diese Texte zu-sammenzusuchen.

Bettina: Inhaltlich ging es uns darum, daß wir gemerkt hat-ten, daß die populären Erklärungsmuster für den Neofa-schismus sich überhaupt nicht auf Mädchen und Frauen an-wenden lassen. Es gibt ja so ein weitverbreitetes Schema, mitdem behauptet wird, daß es durch eine fortschreitende Mo-dernisierung und Individualisierung in der Gesellschaft zueiner zunehmenden Orientierungslosigkeit und Verunsiche-rung bei vielen Menschen käme, die als Gegenreaktion zueinem aggressiven und rassistischen Gewaltweg führt. Obdieser Ansatz überhaupt etwas erklärt, sei mal dahingestellt.Für Frauen erklärt er gar nichts, weil sonst müßten, was Per-spektivlosigkeit, schlechtere Arbeitsmarktsituation usw. an-geht, gerade die Frauen jetzt reihenweise loslegen und dieMenschen zusammenschlagen und abmurksen. Das ist abernicht so. Der Prozentsatz von Frauen, die sich an neonazisti-schen Angriffen beteiligt haben, liegt bislang bei etwa vierProzent. So sind zumindestens die offiziellen Zahlen in denStraftatstatistiken des Verfassungsschutzberichts.Wir haben daraus aber jetzt nicht den Schluß gezogen, wieeinige andere, daß Frauen weniger rassistisch und faschi-stisch seien, von wegen Frauen seien von Natur aus irgend-wie netter und friedfertiger oder so. Statt dessen haben wiruns gefragt, ob es für Frauen andere Motivationen gibt, fa-schistisch draufzukommen, und ob es für Frauen nicht auchandere Formen gibt, rechtsextreme Einstellungen auszu-agieren, als für Männer. Die Arbeiten von Birgit Rommel-spacher haben uns da ziemlich weitergeholfen. Also, wir ge-hen halt schon davon aus, daß viele Frauen für ihren Rassis-mus andere Ausdrucksformen wählen, was es nicht besser alsbei Männern macht. Freilich müssen wir etwas über das hin-ausschauen, was von männlicher Seite normalerweise als Po-litik definiert wird. Also zu gucken, wo sind die Räume, diein der Gesellschaft üblicherweise den Frauen zugewiesen

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In Kassel existieren also mehrere Antifa-Gruppen?

Bettina: Ja.

Seid ihr denn hier in der Stadt mit offen auftretenden Neonazisunmittelbar konfrontiert? Und wie ist die Situation im Umland?

Anette: Also, im Umland mehr als in der Stadt selbst. DieNeonazis ziehen nicht in Horden durch die Stadt. Aber ver-einzelt treten Glatzen auf. So wurde neulich ein Punk tags-über von zwei Glatzen mit einer Eisenstange bedroht. Inletzter Zeit tauchen auch vermehrt rechte Flugblätter undFAP-Aufkleber auf.

Ulla: Faschisten, die im Hintergrund arbeiten, gibt’s hierauch, beispielsweise das Thule-Seminar.

Bettina: Ja, die haben ihren Sitz hier. Das Thule-Seminarist eine der Ideologiefabriken der Neuen Rechten. Auch dieGesellschaft für freie Publizistik (GfP) oder andere solcherVereine (wie die DKEG) machen schon öfter hier Veran-staltungen. Aber oft ist das so, daß wir das erst hinterhermitkriegen, und offen faschistisch auftretende Gangs sindhier nicht an der Tagesordnung.

Wenn ihr das erst hinterher mitkriegt, heißt das, so was wie Re-cherche-Arbeit wird hier nicht gemacht?

Anette: Doch.

Bettina: Einige wenige machen das schon, also, wenn es An-haltspunkte gibt, wird natürlich recherchiert. Von unsererGruppe aus haben wir aber in letzter Zeit darauf wenig Zeitverwendet.

Und worauf habt ihr mehr Zeit verwendet, was waren eure Ar-beitsschwerpunkte?

Anette: Wir haben uns ziemlich intensiv mit dem ThemaMädchen/Frauen und Rechtsextremismus beschäftigt. Wirhaben dazu zwei Jahre lang diskutiert und Material gesam-melt und dann einen Reader mit den brauchbaren Texten,die wir gefunden haben, veröffentlicht.

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organisiert worden, wir hatten vor dieser Demo auch schonzu Gruppen »ausländischer« Frauen in der Stadt Kontakt.Also, bei solchen Sachen oder wenn es Anschläge gibt, wie inSolingen oder Mölln, läuft das immer so in einer Art Bünd-nis.

Habt ihr euch auswärts in diesem Zusammenhang in letzter Zeitan was beteiligt?

Bettina: Nein, wir haben, wenn was anstand, das hier ge-macht. Also, so fahrfreudig sind wir nicht, nicht mehr.

Warum nicht mehr?

Clara: Das ist einfach ziemlich kräfteverschleißend, überallhinzufahren. Aber es ist schon so, daß einige von uns nachRostock oder zur Bundestagsblockade nach Bonn gefahrensind. Wir müssen halt jeweils für uns schauen, was für jedeeinzelne leistbar ist, und manchmal sind für uns lokale Ak-tionen auch sinnvoller.Bettina: Daß wir nicht einfach blind überall hinrennen, istauch ein Grund für die Stabilität und Kontinuität unsererGruppe. Wir orientieren uns an unseren eigenen Kapazitä-ten und vermeiden damit diesen permanenten Druck zurSelbstüberforderung. Für uns ist das sehr produktiv, undmanchmal gibt es Sachen, die wir gut finden, an denen wirhalt trotzdem nicht teilnehmen können, und punktum.

Wie ist eure Arbeit vor Ort eingebunden, gibt es Zentren, öffent-liche Orte, über die ihr euch organisiert?Anette: Es gibt das Frauenzentrum, wo wir uns treffen, mitverschiedenen Diskussionsräumen, Frauendisco usw. Danngibt es noch das Autonome Zentrum, wo die offeneren Sa-chen laufen. Also die allgemein zugänglichen Veranstaltun-gen oder einmal in der Woche das Antifa-Café. Wir neh-men, wie gesagt, als Gruppe an den allgemeinen Plenen teilund machen halt sonst so unsere Sachen, Flugis verteilen,Veranstaltungen usw.Miriam: Seit wir den Reader gemacht haben, kriegen wirauch ab und zu Einladungen, da und dort zu sprechen.

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werden, und wie drückt sich da eine rassistische Einstellungaus. Und natürlich, für uns spielt es eine Rolle, wie wir dage-gen arbeiten können.

Anette: Also, ein praktischer Ansatz war dann, mit Mädchenan einer Schule zu diskutieren. Während einer Woche ge-gen AusländerInnenfeindlichkeit haben wir in einer Arbeits-gruppe darüber geredet, wie das neofaschistische Frauenbildhalt so ausschaut.

Miriam: Ja, das war aber nur ein kleiner Teil. Es ging auchdarum, rauszuhören, was sie selber für Erfahrungen mitrechten Jugendlichen haben. Und da kam schon einiges überso spezifische Rollenverhalten heraus, also, in was für ge-schlechtstypische Festlegungen Mädchen gegenüber männ-lichen Jugendlichen oft gedrängt werden. Aber das hat mehrmit der Struktur der gesamten Gesellschaft zu tun als mitNeofaschismus. Viele Mädchen wachsen so auf, daß sie sichauf die Männer fixieren und sich ihre Orientierung bei denMännern holen, die sie gerade toll finden, in die sie verknalltsind. Wer verhindern will, daß Mädchen rechts draufkom-men, muß genau da eingreifen und dies knacken.

Also ist eine Konsequenz aus eurer theoretischen Beschäftigung,jetzt mehr auf Jugendarbeit mit Mädchen zu setzen, stärker inderen Alltagssituationen hineinzuwirken, und so eine tradiertePolitik wie mit einer Demo durch die Stadt zu ziehen, ist für eucheher zweitrangig ...?

Bettina: Nein. Beides. Hier in Kassel ging es in letzter Zeitoft gegen die Republikaner, die hier mit 5,4 Prozent derStimmen im Rathaus sitzen.

Clara: Dann gab es die Demo gegen die Wahl von Lewan-dowski von der CDU zum Oberbürgermeister. Der hat vie-le rechte Sprüche gegen AusländerInnen, BettlerInnen undJunkies losgelassen. Der hat mit seinem Gefasel den Zusam-menhang von Kriminalität und AusländerInnen hergestellt,also im Grunde die ganzen REP-Themen bedient.

Anette: Diese Demo ist zum gößten Teil von MigrantInnen

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schlecht finden. Manchmal kannst du dir die Situation nichtaussuchen. Aber wenn du die Möglichkeit hast, dir selberüberlegen zu können, wie du die Faschos angehen kannst,suchen wir doch nach anderen Möglichkeiten.

Und wenn sie wie in Wunsiedel oder Fulda aufmarschieren?

Bettina: Ich erzähle jetzt mal eine Geschichte, die vielleichtverständlich macht, warum ich auf so was wenig Lust habe. Als die Urne von Michael Kühnen in Kassel beigesetzt wur-de, kamen natürlich viele Faschos. (Später ist die Urne jadann geklaut und vernichtet worden.) Von der Antifa istauch überregional mobilisiert worden, und es gab ziemlicheKeilereien. Das wäre ja an und für sich nicht schlecht gewe-sen, aber es war ziemlich chaotisch. Und es sind Sachen pas-siert, die vielen Leuten hier nicht gepaßt haben. Ohne ge-meinsame Absprache sind halt die schnellsten und lautestendraufgegangen, und alle anderen sind dringehangen. Es gabnur die Möglichkeit, mit drin zu hängen oder sich in einerScheißsituation zu entsolidarisieren, was auch unmöglich ist. Bei lokalen Kasseler Demonstrationen kann so etwas nor-malerweise nicht passieren, da kann ich die Situation in etwaeinschätzen und weiß, was wohl laufen wird. Bei einer Anti-fa-Bundesmobilisierung ist das oft unberechenbar, und aufeine Auseinandersetzung mit Leuten in der eigenen Demo,die außer Zusaufen und Draufschlagen nichts im Kopf ha-ben, darauf habe ich keine Lust mehr.

Aber man muß doch auf Bundesebene weiter aktionsfähig sein,auch wenn es dabei Situationen geben kann, wo man sich dieWahl der Mittel nicht mehr aussuchen kann. Das würde dochsonst heißen, den Nazis die Straße zu überlassen, bzw. wenn sichdie Bullen einmal nicht dazwischenschieben, hast du doch gar kei-ne andere Möglichkeit, als zu drastischen Mittel zu greifen. DasProblem ist doch nicht so einfach aus der Welt zu schaffen.

Bettina: Ich will auch aktionsfähig sein, wenn ich ungewolltin so eine Situation komme, aber ich muß sie nicht suchen,wenn ich sie eigentlich ziemlich schrecklich finde und weiß,daß ich da so furchtbar viel nicht ausrichten kann. Wenn

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Werdet ihr vorwiegend von anderen Fantifa-Gruppen angespro-chen, oder wer lädt euch ein?

Miriam: Das sind vorwiegend andere, Schulen ...

Bettina: Oder ein alternativer Arbeitskreis oder das Frauen-forum, die halt an dem Thema Frauen und Faschismus in-teressiert sind. Das war halt der theoretische Schwerpunktunserer Arbeit, was jetzt nicht heißt, daß wir sonst nichtsmachen würden. Wir unterschreiben ja nicht alles, was wirtun, wenn wir uns z.B. bei einer Demo oder Aktion gegenFaschos einklinken, dann steht da nicht immer unten aufdem Flugblatt Fantifa mit drauf. Manchmal ist es ja, aus na-heliegenden Gründen, klüger, anonym zu bleiben, undmanchmal, wenn die ganze Szene an was dranhängt, spieltdie Namensnennung auch keine besondere Rolle mehr.

Habt ihr denn in letzter Zeit Schwierigkeiten mit den staatlichenRepressionsapparaten gehabt?

Bettina: Wir speziell nicht. Aber es gibt ein Problem in derRegion. Das war, als die Faschos für ihren alljährlichenHeß-Aufmarsch nach Wunsiedel mobilisierten. Da gab esein Aufeinandertreffen von Antifas hier im Umkreis undNazis. Dabei wurde der Führer der faschistischen Sauerlän-der Aktionsfront sehr heftig, ich glaube lebensgefährlich,verletzt. Danach gab es unter Antifas viele Festnahmen, wo-bei jetzt noch unklar ist, ob das noch weitere Kreise ziehenwird.

Gab es denn unter euch eine Diskussion, inwieweit ihr solche Ak-tionen für sinnvoll haltet?

Bettina: Von unseren eigenen, selbstbestimmten Aktions-formen her ist das erstmal nicht unsere Linie. Also, es istschon klar, wenn jetzt Alarm ist, Faschos wollen ein Flücht-lingsheim überfallen oder so, dann gehen wir, soweit irgendmöglich, hin. Aber jetzt ganz gezielt die körperliche Kon-frontation mit Nazis zu suchen, ist weniger unser Ding. Wiewir das bewerten, wenn andere das machen, ist allerdingseine andere Sache, also, das heißt nicht, das wir das immer

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Militanz ohne die Männer für mich erstmal viel besser zudiskutieren.

Anette: Von den »gemischten« Antifa-Zusammenhängenwird doch auch kaum thematisiert, warum z.B. so wenigFrauen nachts alleine rumrennen können. Daß Frauen indieser Gesellschaft allgemein schon in so eine Ohnmachts-rolle gedrängt werden, das wird doch kaum gesehen. Und dakann ich auch nicht einfach losrennen und Vergewaltigersuchen gehen, das können schließlich ziemlich viele sein,und ich kann ja wohl nicht alle vorher finden und plattma-chen.Bei der Antifa gibt es diesen Mythos, man müsse ständig be-reit sein, ständig was machen. Gut, wenn ich weiß, da sitzteiner, okay, aber das allein löst noch nicht das Problem.Frauen generell, und »ausländische« Frauen, schwarzeFrauen noch viel mehr, sind sehr alltäglich mit einer struk-turellen, patriarchalen Gewalt konfrontiert.

Bettina: Auch bevor wir Antifa-Arbeit gemacht haben, ha-ben wir uns damit rumschlagen müssen. Das ist jetzt nichtsspezifisch Neues für uns, und entsprechend der jeweiligenBefindlichkeit gehe ich jetzt damit um. Wenn ich als Frauz.B. gut drauf bin, dann gehe ich auch mal alleine einen ris-kanten Weg, ein andermal kann es sein, daß ich nachts da-heim bleibe oder mir ein Taxi nehme, oder ich sehe zu, daßich in Begleitung bin. Bei Konfrontationen mit den Faschosmachen wir das auch nicht viel anders. Wenn wir die Wahlhaben, überlegen wir halt, ob wir uns eine Auseinanderset-zung zutrauen oder eben nicht.

Miriam: Um in diesem Zusammenhang vielleicht noch ein-mal auf die Kühnen-Demo in Kassel zurückzukommen: EinProblem war, daß wenige mit ihrem Vorpreschen die ganzeDemo in eine brenzlige Situation, mit Wasserwerfern undso, brachten. Aber vorher gab es schon aus dem Antifa-Blockunheimlich viele bescheuerte Sprüche in Richtung Faschosund Bullen wie »schwule Sau«, »dumme Fotze« etc. Alsoabsolut schwulen- und frauenfeindliche Sprüche; und diegleichen Typen waren nachher auch dabei, als die Situation

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sich einige dem eher gewappnet fühlen, sich entsprechenddarauf vorbereiten, sollen sie es tun, aber nicht vergessen,daß es da auf einer Demo auch noch andere Menschen gibt.Mein Schwerpunkt ist das nun mal nicht. Gerade bei der Antifa-Arbeit ist es notwendig, ganz ver-schiedene Formen zu wählen und zu akzeptieren. Bei denNeuen Rechten gab es in den letzten 15 Jahren eine Intel-lektualisierungswelle, der du nicht allein mit Aktionen aufder Straße beikommst. Die sind heute viel etablierter, gebensich nicht mehr als die schlagenden Nazi-Hohlköpfe undkönnen mit ihren Positionen viel breiter über die Massen-medien in die allgemeine Bewußtseinsbildung eingreifen.Und dem muß auch was entgegengesetzt werden. Also, esreicht nicht, nur den Faschos auf der Straße auf’s Maul zuhauen, und es reicht leider auch nicht, nur theoretische Ar-beit zu machen. Und ich kann mir schon ein bißchen aussu-chen, wo ich für mich meinen eigenen Schwerpunkt setze,genauso wie ich eine Position zu Antifa-Aktionen findenkann, ohne an allem selbst unmittelbar beteiligt gewesen zusein. Also, das, was hier in der Region am Wunsiedel-Taggeschehen ist, war ein Grenzfall, der diskutiert werden muß.Also, ich finde es nicht richtig, Tote in Kauf zu nehmen.Aber das müssen wir als Fantifa erst selbst noch diskutieren.

Ulla: Neben diesen allgemeinen Kriterien, also, wo dieGrenze bei militantem Vorgehen liegt, gibt es noch denPunkt mit der eigenen Ohnmacht bei gewissen Aktionen.Antifa-Gruppen, in denen Männer das Sagen haben, vermit-teln oft den Eindruck, als hätten sie kein Problem mit so di-rekten Aktionen, keinen Schiß usw. obwohl ich weiß, daßdas nicht stimmt. Und dann komme ich daher, und ich habeeinfach Angst vor bestimmten Sachen, egal, was es nun ist,auch wenn ich zu einer Demo fahre, das kostet oft viel Über-windung und Energie. Da muß ich nicht erst einem Faschodirekt gegenüberstehen, da reicht mir schon ein ganz nor-males Arschgesicht oder irgendein Bulle. In unserer Fantifa-Gruppe kann ich darüber, wieviel ich mir persönlich zu-traue, offen reden, und deswegen sind gerade Fragen über

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nach rechts und die allgemeine Vereinzelung gehen ja auchan der Linken nicht spurlos vorbei ...

Könnt ihr diese allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen mitihren Auswirkungen für autonome Antifa-Politik noch etwaspräzisieren? Inwiefern werden Jugendliche heute anders soziali-siert bzw. politisiert als in den 80er Jahren?

Miriam: Die die Zeit nach ’68 noch ein bißchen mitgekriegthaben, Anti-Atomkraft- oder Friedensbewegung, die habennoch andere Formen und Möglichkeiten der Politik erlebt.Natürlich auch den Frust, als dann nichts geklappt hat. Also,mit der Friedensbewegung haben wir nichts verhindert.Aber trotzdem war es so eine Form der Kultur mit großerAusstrahlung, an der sich oppositionelle Jugendliche erstmalorientieren konnten. Man hat sich zusammengesetzt, um diePershings zu verhindern, ob das nun geklappt hat odernicht. Und danach kam für viele ein Loch, das zu Vereinze-lung und Einzelaktionen führte.

Meintest du eben Friedensbewegung oder autonome Antikriegsbe-wegung?

Miriam: Antikriegsbewegung gab es in den 50ern.

Die nationalistische und pazifistische Friedensbewegung wurdedoch sehr zwiespältig betrachtet, und die autonome Organisierungstand links davon und hat sich nie mit den allgemein apokalypti-schen Vorstellungen der Friedensbewegung vereinbaren lassen.Das waren zwei getrennte Spektren, die mit unterschiedlichenZielen auf die Straße gingen.

Miriam: Ich meine die Friedensbewegung, da sie meinerMeinung nach für das Gros der Jugendlichen eher das gewe-sen war, was sie beeinflußt hat.

Bettina: Das Loch kam aber nicht für alle. Also, im Antifa-Bereich war das so: Nach der Abgrenzung der autonomenAntifa von der KB-orientierten Antifa-Politik war es schonklar, daß es um linksradikale Politik geht und nicht um ir-gendein Blümchen-Heiteitei wie bei den Friedensbewegten.Es ging auch nicht mehr so ausschließlich wie noch bei den

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eskalierte. Also, solche Männer, mit denen will ich nicht zu-sammen auf eine Demo gehen noch sonst irgendwas.

Clara: Ich weiß von einigen Frauen, die nach dieser Ge-schichte nichts mehr mit den »gemischten« politischen Zu-sammenhängen zu tun haben wollten. Für mich war das ge-nauso, ich hab mich erstmal von allem zurückgezogen.

Worauf führt ihr denn solche Entwicklungen zurück? Anschei-nend habt ihr ja mit so üblen Erscheinungen auch nicht unbedingtgerechnet?

Bettina: Woran das liegt? Also, ich denke, es gab so was wieeinen Zusammenbruch von überregionalen autonomenStrukturen, die in den 80er Jahren so einigermaßen funktio-niert haben, gerade was die Antifa betrifft. Früher hatte ichauf militanten Demos ein sicheres Gefühl. Auch wenn es im-mer mal Panikaktionen gab, waren die Demos in Blöckenorganisiert, und ich konnte relativ sicher sein, daß Abspra-chen eingehalten wurden. Heute habe ich das Gefühl, daßdie Eigenverantwortung nachgelassen hat, und auch wenndas blöd klingt, daß es ein Disziplinproblem gibt, mit derSauferei und dem Wenig-aufeinander-Achten. Auf der an-deren Seite reagiere ich aber total allergisch auf diese Vor-schläge von Antifa (M) & Co, also, etwas überspitzt ausge-drückt, alles bundesweit straff durchzuorganisieren, am be-sten in Reih und Glied mit Ausweis und Fahne ... Ein Pro-blem ist sicherlich, daß viele Erfahrungen und Diskussionen,die in den 80ern mit militanten Aktionen gemacht wurden,von den älteren AktivistInnen nicht weitervermittelt wurdenund halt viele jetzt einfach weggeblieben sind oder anderehalt auf so Organisationsideen wie Antifa (M) kommen. Dasliegt alles ziemlich im argen.Allgemeine Gründe spielen dabei sicherlich auch eine Rolle.Die gesellschaftliche Situation hat sich in den letzten Jahrenziemlich verändert, und die Jüngeren erfahren wahrschein-lich eine völlig andere Sozialisation als die, die heute um die30 sind. Der Zusammenbruch der Sowjetunion, der An-schluß der DDR und die Verschiebung der Gesellschaft

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Was haltet ihr von der Losung der Göttinger Antifa (M), die jaeine wichtige Kraft in der AA/BO ist: »Antifaschismus auf anti-imperialistischer Grundlage«?

Bettina: Wir machen Antifa-Arbeit auf antipatriarchalerBasis, und da gehört der Antiimperialismus selbstredend mitdazu. Aber ich würde sagen, daß wir unter Antiimperialis-mus was anderes verstehen, als so in den einschlägigen Bro-schüren zu lesen ist. Das scheint doch eine sehr verkürzteKapitalismuskritik zu sein, antipatriarchale Aspekte sindkaum eingebunden, also, das ist nicht unsere Linie.

Wenn ihr euch bundesweit stärker auf Fantifa-Gruppen bezieht,würde es mich interessieren, ob ihr denn zu vergleichbaren Grup-pen im Gebiet der ehemaligen DDR Kontakte habt oder, wenn esdort keine Fantifas gibt, dann zu »gemischten« Gruppen? Kasselliegt ja ziemlich nahe an der alten Grenze ...

Clara: Wir haben weder zu Antifa- noch zu Fantifa-Grup-pen im Osten Kontakt, obwohl ich schon denke, daß es daauch Fantifas gibt. Wir sollten uns vielleicht in nächster Zeitmal darum kümmern ...

Habt ihr euch mit dem Anschluß der DDR an die BRD beschäf-tigt, oder war das für euch kein Thema?

Miriam: Kaum.

Bettina: Komisch, nicht? Aber das war irgendwie kein The-ma.

Also, das hat eure Arbeit in den letzten drei Jahren gar nicht be-einflußt, das hat euch überhaupt nicht tangiert?

Clara: Natürlich haben wir darüber schon mal geredet, aberunsere Fantifa-Arbeit hat das kaum beeinflußt, daß das jetztein Schwerpunkt der Auseinandersetzung geworden wäre,oder so.

Bettina: Bei Einzelpunkten taucht das immer mal auf. ZumBeispiel wenn wir über die soziale Verschärfung oder dieVerschiebung nach rechts in der BRD diskutieren, oder dieVerschärfung beim 218, da spielt der Kontext der Vereini-

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kommunistischen Gruppen um Antikapitalismus, sondernder Gedanke nach einer emanzipatorischen Selbstorganisa-tion war ein ganz wichtiger Punkt. Der Gedanke einer spon-tan möglichen, autonomen Selbstorganisierung ist auch bisheute ganz gut weitergetragen worden. Aber obwohl einegewisse Handlungsfähigkeit bewahrt wurde, ist auf der an-deren Seite so ein politisches Umfeld weggebrochen. Also,die Orte, wo alle möglichen Leute zusammengekommensind, ob sie nun organisiert waren oder nicht, und sich überalles mögliche unterhielten, wo du verschiedene Ansichtenund auch verschiedene linke Traditionen kennengelernthast, von denen du Sachen übernehmen oder dich dagegenabgrenzen konntest, das existiert heute weniger, glaube ich.Für mich war zum Beispiel die Auseinandersetzung aus ei-nem Lebenszusammenhang heraus oder mit denen, dieschon länger linksradikale Politik in Antifa-Strukturenmachten, oder mit älteren Frauenzusammenhängen, einmalsehr wichtig. Heute scheint mir der Austausch zwischen denverschiedenen Szenen weniger zu funktionieren; und ob-wohl die Antifa viel mehr Thema als früher ist, hat sich dieQualität der Arbeit inhaltlich und strukturell nicht unbe-dingt verbessert. Was nicht heißt, daß es »früher« nur tollwar. Zum Beispiel taten sich die Antifas in den 80ern sehrschwer mit der Patriarchatsdiskussion.

Von dem Versuch verschiedener Antifa-Gruppen, mit einer bun-desweiten Organisierung in der AA/B0 aus dem Dilemma her-auszukommen, davon haltet ihr gar nichts? Beteiligt ihr euchüberhaupt an dieser Diskussion?

Bettina: Nein. Der erste Punkt ist schon mal, daß sie dieFantifas erst gar nicht eingeladen hatten. Dann hatten wirhier zur BO auch inhaltlich diskutiert, und dabei kam einerelativ einheitliche Position heraus, daß wir gewisse Anteilean der BO, diese straffe Organisationsrichtung, ablehnen.Wir sind für eine bundesweite Organisierung, aber nicht un-ter diesen Vorzeichen. Dazu kommt noch, daß für uns einebundesweite Fantifa-Organisierung erstmal Vorrang hat.

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Antifaschismus auf antiimperialistischer Grundlage

Gespräch mit der Göttinger Antifa (M)

Die Antifa (M) aus Göttingen gilt als Motor einer straffenantifaschistischen Organisierung in der BundesrepublikDeutschland. Mit der Initiative zu einer »AntifaschistischenAktion – Bundesweite Organisierung« (AA/BO) wirdhauptsächlich diese Gruppe in Verbindung gebracht. Dasvon den GöttingerInnen vorgeschlagene Organisationsmo-dell ist jedoch nicht unumstritten.Kaum einer der KritikerInnen hat sich allerdings mit der Ar-beitsweise, den Zielen und dem politischen Selbstverständ-nis der Antifa (M) auseinandergesetzt. So mutet der Streitinnerhalb der bundesdeutschen Antifa-Szene über weiteStrecken abgehoben an und ist von Mißverständnissen ge-prägt.

Vielleicht könnten wir zunächst darüber sprechen, wie eure Grup-pe entstanden ist.

Jürgen: Die Gruppe besteht aus sehr unterschiedlichenLeuten, von daher läßt sich das nicht in zwei Sätzen sagen.Einige von uns sammelten ihre ersten Erfahrungen bereitsAnfang der 80er Jahre durch die Mitarbeit im Zusammen-schluß norddeutscher Antifa-Gruppen. Die Politik, die siedort mittrugen, scheiterte endgültig im Herbst 1987. Eineaufwendige Kampagne gegen das Nazi-Jugendlager in He-tendorf erwies sich damals als ziemlicher Schlag ins Wasser.Das lag vor allem daran, daß die Politik, die zu Beginn der80er Jahre – mit der erfolgreichen Demonstration gegenden NPD-Parteitag in Fallingbostel1 – entwickelt wurde,unverändert fortgesetzt worden war. Diese Politik bestandim wesentlichen darin, bei allen Bündnissen und Absprachen

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gung schon eine Rolle. Aber es ist jetzt nicht so, daß dies derAufhänger für unsere Politik geworden wäre.

Ulla: Daß die DDR für uns so ein weißer Fleck auf derLandkarte ist, ist uns schon aufgefallen. In unserem Readersind ja auch keine Texte von Frauen aus der ehemaligenDDR drin, einfach weil wir keine für uns brauchbaren ge-funden haben. Wir hatten aber auch nicht so gezielt danachgeguckt. Und natürlich tangiert mich dieser ganze Vereini-gungskram. Ich empfinde das als Bestätigung der herrschen-den Politik in der BRD, so daß was vorher hier schon be-schissen war, sich jetzt nochmal verstärkt hat. Und das istmir logischerweise nicht egal.

Gibt es jetzt noch etwas, was wir vergessen haben, was ihr jetzt amEnde dieses Gespräches noch gerne loswerden möchtet?

Bettina: Ich möchte noch einmal betonen, daß das, was wirerzählt haben, nicht heißen soll, daß jede Fantifa-Arbeit soaussieht oder so aussehen sollte wie die unsere. Gerade zurFrage der direkten Konfrontation wird es von anderenGruppen sicherlich auch andere Positionen geben. Auch zurFrage einer Zusammenarbeit mit »gemischten« Gruppen.Wir sprechen ausschließlich für unsere Gruppe und nicht alsRepräsentantinnen bundesweiter Zusammenhänge. An einem bundesweiten Selbstverständnis wird ja erst nochgearbeitet, und dazu kann vielleicht ein solches Gespräch et-was beitragen, mehr nicht.

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wollten wir bei diesem Bündnis nicht unser Gesicht verlie-ren und hatten deshalb immer auch ein taktisches Verhältniszu den reformistischen Gruppen, der Gewerkschaft vor al-lem. Das Konzept ist unseres Erachtens damals voll aufge-gangen. Innerhalb der autonomen Szene Göttingens bliebdieser Ansatz trotzdem umstritten, und daraus resultiertedann letztendlich eine Differenzierung der Szene. Die einenwaren der Meinung, diese Politik ist falsch, wir müssen stär-ker eigene Positionen klarmachen und die harte Linie in derAbgrenzung zu anderen Gruppen fahren. Andere wolltennicht weiter im eigenen Sud braten und traten für eine Öff-nung zu anderen Gruppen ein. Im September 1988 endetein Göttingen das Bündnis dann und trennte die alte Antifa inzwei große Lager. Aus der einen Strömung ist die autonomeAntifa (M) entstanden, allerdings zuerst noch nicht unterdiesem Namen. Uns war sehr wichtig, daß eine Politik ebenauch Kontinuität zeigen muß, daß klar gesagt werden muß,wo bestimmte Sachen – Erklärungen oder Demo-Aufrufe –herkommen. Eine Gruppe muß nach unseren Vorstellungenansprechbar sein, braucht also auch einen Namen und eineAdresse, damit Interessierte sich auch an sie wenden kön-nen. Deswegen war es notwendig, daß wir einen eigenenNamen haben, und wir sind halt auf das M verfallen. Ein tie-ferer Sinn steckt nicht dahinter. Erstmals aufgetaucht istdieses M bei der Nie-wieder-Deutschland-Kampagne 1991.Damit waren wir eine der ersten autonomen Gruppen, dieimmer unter einer klaren Adresse ansprechbar war. Das warauch unerläßlich, wenn wir gegenüber anderen Gruppen alsernstzunehmende Bündnispartner auftreten wollten. Wennman kontinuierliche Politik macht, muß man sie auch öf-fentlich vertreten.

Welche Bündnispartner hattet ihr im Auge, als ihr dieses Konzeptentwickelt habt?

Jürgen: Wer dem anwachsenden Faschismus etwas entge-gensetzen will, muß gesellschaftlich relevante Impulse set-zen können. Das gelingt nicht, wenn man als kleine Gruppeherumwurschtelt, sondern nur in Zusammenarbeit mit

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mit anderen Gruppen zu allererst auf die eigene Kraft zuvertrauen. Dahinter stand auch die Erfahrung, daß reformi-stische Gruppen bis dahin entweder nicht an den Orten ge-gen Faschisten demonstrierten, an denen die auch waren,oder aber keine Leute mobilisieren konnten. Mit dieser Politik gelang es autonomen AntifaschistInnenerstmals, von der linken Öffentlichkeit überhaupt wahrge-nommen zu werden. Die ideologische und praktische Öff-nung zu anderen Gruppen blieb jedoch mit der Zeit auf derStrecke. Außerdem war der Höhepunkt der autonomen Be-wegung insgesamt Mitte der 80er Jahre überschritten. Soführte dieser Weg trotz einiger Erfolge nach und nach in diepolitische Isolation, die jedoch von vielen nicht als solchebegriffen wurde. Das Fiasko von Hetendorf – trotz bundesweiter Mobilisie-rung kamen nur 300 DemonstrantInnen – markierte denBeginn von Überlegungen, über den engen Szene-Horizonthinaus Bündnisse mit Gruppen einzugehen, die Antifa-Ar-beit machten. Etliche GenossInnen hatten erkannt, daß2000 entschlossene Menschen zusammenzutrommeln nichtausreichte, um der faschistischen Entwicklung in der Ge-samtgesellschaft, die damals auch schon gesehen worden ist,etwas entgegenzusetzen. Bei diesen neuen Bündnisplänenging es nicht um militante Demos, sondern um eine Veran-kerung antiimperialistischer Politik in weiten Bereichen dessich als Widerstand oder Opposition verstehenden Potenti-als in der Gesellschaft. In Göttingen gab es damals Berüh-rungspunkte mit fortschrittlichen Gewerkschaftern, dieSchwierigkeiten mit Faschisten in Betrieben hatten. Vor al-lem daraus hat sich 1987 das Antifa-Bündnis in Göttingenentwickelt. An dieser Bündnispolitik gab es von Teilen deralten Antifa-Szene in Göttingen von Anfang an Kritik. Zu-nächst einmal gelang es jedoch, für den 7.5.88 eine breiteBündnisdemo gegen das FAP-Zentrum in Mackenrode2 zuorganisieren. Dazu mußten natürlich gewisse Kompromisseeingegangen werden. Für uns war dabei ganz wichtig, nachder politischen Niederlage von Hetendorf überhaupt wiederals politischer Faktor in Erscheinung zu treten. Natürlich

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Welche Rolle spielt Symbolik bei eurer Arbeit? Bei eurem öffentli-chen Auftreten – bei Demonstrationen im geschlossenen Schwar-zen Block – vermittelt ihr nach außen eine gewisse Militanz. Fürviele entsteht auch der Eindruck einer Neuauflage der KPD-Poli-tik vom Anfang der dreißiger Jahre. Uns würde interessieren,welche Intention dahinter steckt und was für ein ästhetischesSelbstverständnis ihr habt.

Jürgen: Daß der Schwarze Block auf Demos an die 30erJahre erinnern soll, ist ein bißchen seltsam. Ich werde abermal versuchen, unser Auftreten zu erklären. Es gibt für jedeDemonstration, die wir durchführen, ein politisches Kon-zept, das auch unser praktisches Auftreten bestimmt. Wirhaben dieses Vorgehen in den Auseinandersetzungen, diewir führen mußten, entwickelt, und es hat sich bewährt.Ein Beispiel: Am 17. November 1991 wurde die Mahnwachefür Connie4 von der Polizei unter Einsatz von Wasserwer-fern und Knüppeln aufgelöst. Wir haben daraufhin gesagt,wir werden Silvester aus Anlaß des Todes von AlexanderSelchow mit Helm und Knüppel demonstrieren, weil diePolizei hier angegriffen hat und sie natürlich auch diese De-monstration angreifen wird. Dazu kam erstens, daß zu jenerZeit die Atmosphäre durch eine Reihe von Brandanschlägenziemlich aufgeheizt war.5 Und zweitens ermittelte das Lan-deskriminalamt in Göttingen in einem 129a-Verfahren ge-gen autonome Antifas. Unter diesen Bedingungen ohneMasken, mit Palmzweigen in der Hand und einem weißenBüßerhemd durch Göttingen zu gehen, wäre der helleWahnsinn gewesen. Also haben wir demonstriert, wie wir esfür richtig hielten: Wir haben uns und unsere Identität ge-schützt. Und Polizei und Staatsapparat hatten das zu akzep-tieren. Diese Überlegungen haben wir von vornherein öf-fentlich gemacht, damit klar wurde, unter welchen Aus-gangsbedingungen wir demonstrieren und wir durch dieseÖffentlichkeit Druck auf den Polizeiapparat ausüben konn-ten. Dieses Konzept ist dann auch aufgegangen. Später hatman oft versucht, uns nachzusagen, wir hätten Absprachenmit der Polizei getroffen. Es gab aber keine Absprachen, es

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möglichst vielen fortschrittlichen Kräften, wobei es natür-lich auch Grenzen gibt. Wir arbeiten in erster Linie mit an-deren Antifa-Gruppen zusammen, aber auch mit Gewerk-schafterInnen und Grünen, Uni- und SchülerInnengruppenoder fortschrittlichen Christen. Dabei müssen die politi-schen Inhalte bei einer konkreten Aktion immer wiederüberprüft werden. Bei jeder einzelnen Aktion stellt sich dieFrage, ob sie in dem konkreten Bündnis mitgetragen werdenkann. Für uns gibt es klare inhaltliche Knackpunkte für eineZusammenarbeit. Zum einen tragen wir keinen proklamier-ten Gewaltverzicht mit, zum anderen ist für uns unerläßlich,daß bei Aktionen unser antiimperialistischer Ansatz erhaltenbleibt. Wenn das akzeptabel ist, gibt es eigentlich keineGruppe, mit der wir nicht zusammenarbeiten können.

Wie weit seid ihr in dem Spektrum, dem ihr euch bündnispolitischöffnen wollt, akzeptiert?

Jürgen: In der Region Göttingen eigentlich voll und ganz.Bei unserer letzten Aktion – einer Demonstration in Ade-lebsen3 – haben von Antifa-Gruppen bis zum DGB und zurSPD-Ortsgruppe alle möglichen Gruppen mitgemacht.

Welche anderen, aktuellen Schwerpunkte hat eurer Arbeit, abge-sehen von der Bündnispolitik?

Ulla: Momentan bereiten wir unsere Aktionen für den2. Oktober vor. Da werden wir – in diesem Jahr zum viertenMal – dem nationalen Feiertag am 3. Oktober antinationaleFeierlichkeiten entgegensetzen. Wir bereiten wieder Publi-kationen, Veranstaltungen und Agitprop-Aktionen vor.

Jürgen: Ein weiterer Schwerpunkt 1993 war auch die Arbeitmit ehemaligen RAF-Gefangenen. Wir haben eine Veran-staltung zum Paragraphen 129a unter dem Motto »Zusam-men gehört uns die Zukunft« organisiert. Und ein drittes ak-tuelles Thema, das wir eher arbeitsgruppenmäßig bearbeitethaben, war die Verschärfung des Paragraphen 218. Wir ha-ben uns auch an einer Aktion gegen einen an der 218-Ent-scheidung beteiligten Bundesverfassungsrichter beteiligt,der an der Göttinger Uni ein Seminar abhalten wollte.

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einmal an der Macht, wieder zu neuer nationalstaatlicher Herr-schaft führten. Und linksradikale und damit auch Antifa-Politikist ja gerade antistaatliche Politik.

Ulla: Die antiimperialistische Politik, die wir machen, ist si-cher nicht die klassische antiimperialistische Politik. Wir be-ziehen uns nicht vordergründig auf nationale Befreiungsbe-wegungen im Trikont, das ist nicht der Schwerpunkt unse-rer politischen Arbeit. Wir sehen unsere Politik zwar im in-ternationalen Zusammenhang, verorten uns aber hier.

Jürgen: Wir können das Machtgefüge des internationalenImperialismus nur verändern, wenn wir auch mit Bewegun-gen aus anderen Ländern zusammenarbeiten. Denn wirkämpfen, wenn auch unter unterschiedlichsten Vorausset-zungen, gegen das gleiche System. Und das gemeinsameZiel muß sein, dieses System aus den Fugen zu bringen,durch linke und emanzipatorische Verhältnisse zu ersetzen.Unsere Antifa-Politik muß sich diesem Ziel unterordnen,das ist der gemeinsame Anknüpfungspunkt mit anderenGruppen, denn in diesem Kampf haben alle einen gemeinsa-men Feind. Der gleiche Imperialismus, der hier bürgerlicheFreiheiten zubilligt, organisiert in Lateinamerika beispiels-weise faschistische Regime und organisiert die Vernichtungpolitischer Gefangener.

Bei befreiungsnationalistischen Gruppen wie den Roten Khmer,beim Sendero Luminoso oder bei der PKK kann doch nicht per sevon einem Kampf für »emanzipatorische Verhältnisse« die Redesein?

Jürgen: Die Roten Khmer, die PKK und der Sendero kön-nen so nicht über einen Kamm geschoren werden. Inwieweitemanzipatorische Prozesse im kurdischen Befreiungskampfvorangetrieben werden, darüber können wir diskutieren.Die nationale Frage, so wie sie sich bei vielen Befreiungsbe-wegungen stellt, wird von uns natürlich auch kritisch be-trachtet. Uns geht es eher darum, über Alternativen zu in-formieren. Auch in Peru, einem Land, das kaum wie ein an-deres zum revolutionären Pulverfaß geworden ist, kämpfen

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gab keinen Kontakt zur Polizei. Diese Gerüchte entstanden,weil sich viele nicht vorstellen konnten, daß solch ein offen-sives Konzept funktioniert.Außer dieser Demonstration haben wir in den letzten Jahrenaber lediglich eine weitere in derartig militantem Outfitdurchgeführt. Man kennt Autonome meist nur als Klischee,entweder als Schwarzen Block oder als Autoren von Flug-blättern. Unsere Aktionen sollen sich phantasievoll von die-sen Klischees unterscheiden. Bei unseren Aktionen zum2. Oktober haben wir in einem Jahr falsche Hundertmark-scheine, versehen mit entsprechenden inhaltlichen Er-klärungen, an die Bevölkerung verteilt, sozusagen als Verar-schung dieses Begrüßungsgeldes für ehemalige DDR-Bür-ger. Ein Jahr später haben wir einen Umzug veranstaltet, beidem ein großer Überwachungskrake von DemonstrantIn-nen, die sich als Polizisten verkleidet hatten, getragen undam Ende verbrannt wurde. Das sind Beispiele für Bilder, diewir öffentlich produziert haben, weil wir denken, die »Be-völkerung« denkt in Bildern, ist über solche Bilder schnellerund besser für Gespräche erreichbar.

Wenn ihr in euren Papieren von Antifaschismus redet, ist das im-mer an den Antiimperialismusbegriff gekoppelt. Was ist unter ei-ner antiimperialistischen Politik eurer Meinung nach zu verste-hen?

Jürgen: Wenn wir Faschismus bekämpfen wollen, müssenwir natürlich die Ursachen für Faschismus bekämpfen. Füruns ist Faschismus nur eine bestimmte Spielart des imperia-listischen Machtapparates. Damit ist Faschismus Teil desökonomischen Unterdrückungsapparates, der heute welt-weit herrscht. Gegen Faschismus zu kämpfen, heißt also, dasSystem zu bekämpfen, das eigentlich dahinter steht, das Fa-schismus erst möglich macht, das ist für uns auch immer miteinem internationalistischen Ansatz verflochten.

In den letzten Jahren ist aber gerade innerhalb der linksradikalenSzene der alte Antiimperialismusbegriff weggebrochen, da er sichsehr stark an nationalen Befreiungsbewegungen orientierte, die,

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Jürgen: Mir kommt es immer etwas vorschnell vor, wenngesagt wird, wir stricken hier nur an alten Schwarz-Weiß-Mustern. Man kann nicht von einem Plakat oder einer Akti-on verlangen, daß damit alles ausdrückt wird, was an gesell-schaftlich komplexen Fragen und Wirkungsmechanismenbesteht. Das ist unmöglich. Das können nur Schlaglichtersein, mit denen wir versuchen, der Bevölkerung klarzuma-chen, daß gesellschaftliche Widersprüche sich eben nichtmit dem Polizeiapparat erschöpfen, sondern daß es auch an-dere wichtige Punkte – beispielsweise die patriarchale Ge-sellschaftsstruktur oder das Drogenproblem – gibt. Damitsetzen wir uns auseinander und versuchen, das umzusetzen.Das gelingt mal gut, mal weniger gut.Und wenn man in diesem Zusammenhang die SchlagworteKunst oder Kultur benutzt, dann heißt das natürlich für uns,sich auseinandergesetzt zu haben mit Tendenzkunst, mitNeuer Sachlichkeit, mit den Kunstdebatten in den20er/30er Jahren, mit den Kunstdebatten in der Oktoberre-volution. In diesen Traditionen sehen wir uns schon – unddieser Bezug unterscheidet uns von der herrschenden Kul-tur.

Auf einem eurer Plakate ist im Mittelpunkt ein stilisierter Rotar-mist wiedergegeben. Mit dieser Darstellung wurde historisch fürdie Oktoberrevolution und dann für den Bürgerkrieg geworben.Ihr bezieht euch eindeutig positiv auf dieses Symbol. Für viele an-dere ist der historische Prozeß, aus dem dieses Symbol stammt,keineswegs als ein rein emanzipatorischer zu begreifen. Die ausdiesem Prozeß hervorgegangenen sozialistischen Staaten waren janicht frei von Repression. Ist das nicht ein etwas laxer Umgangmit der Geschichte, oder genauer gefragt: Seht ihr euch in derpartei-kommunistischen Tradition stehend, wenn ihr mit solchenSymbolen arbeitet?

Jürgen: Wir verwenden ganz bewußt in unserem kulturel-len und politischen Ausdruck Symbole aus der Vergangen-heit, und wir beziehen uns auch auf Daten und auf Aussagender Vergangenheit. Wir sehen uns nicht als Korken, der imWasser schwimmt und sonst mit nichts zusammenhängt,

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fortschrittliche bewaffnete Gruppen, die neben dem mehrals zweifelhaften Kampf von Sendero Luminoso von derdeutschen Linken kaum beachtet werden. Wir meinen dieMRTA, die seit Jahren einen guevarisch orientierten Befrei-ungskampf organisiert. Wir haben über Kampf und Ge-schichte dieser Gruppe ein Video und Veranstaltungen erar-beitet. Derartige Aktivitäten verstehen wir unter differen-ziert beurteilender Internationalismusarbeit. Unsere einzigeHoffnung besteht darin, das weltweit organisierte Systemdes Imperialismus durch eine weltweite Gegenbewegung zuüberwinden. Wenn du in dem Zusammenhang Pol Pot er-wähnst, reden wir einfach von zwei verschiedenen Welten.

Das mag wohl sein. Inwieweit schließt eure antiimperialistischePolitik auch Flüchtlingsarbeit mit ein?

Jürgen: Wir finden diese Arbeit richtig und sinnvoll, aberdurch die Struktur unserer Gruppe können wir so etwas mo-mentan nicht leisten. Außerdem ist es ein etwas anderer An-satz als unserer. Bei unsrem Ansatz antiimperialistischer Po-litik geht es vor allem um den Kontakt zu Bewegungen vorOrt.

Wie steht ihr zu Überlegungen, unter den aktuellen Bedingungenin der Bundesrepublik müßte auch so etwas wie eine »antifaschi-stische Kultur« entwickelt werden?

Jürgen: Das propagiert »Kunst und Kampf« ja schon seitJahren. Auch wir versuchen, das umzusetzen. Unsere Plaka-te haben durchaus künstlerischen Anspruch, und unsere De-monstrationen sind auch Ausdruck unserer Kultur. Kulturund Kulturfähigkeit sind für uns Grundbedingungen für re-volutionäre Identität. Andernfalls wären wir nur ein Abzieh-bild der Gesellschaft.

Euch wird häufig vorgehalten, daß ihr euch sehr am vorgegebenenRahmen orientiert und zum Teil auch negativ darauf fixiert seid.Vor dem Hintergrund dieser Kritik: Mit welchen Inhalten undFormen denkt ihr, die herrschende Kultur durchbrechen zu kön-nen, um eben kein Abziehbild derselben zu werden?

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Sachen falsch gesehen oder falsch dargestellt werden. DasProblem sehen wir auch. Ich glaube nicht, daß uns Propa-ganda oder platte Geschichtsschreibung unterstellt werdenkann. Mit verschiedenen Aktionen, beispielsweise indem wirzu historischen Stätten des Bauernkrieges fahren, versuchenwir, daß sich die Menschen ein eigenes Bild von der Ge-schichte machen können.

Ich würde euch gerne mit einem Zitat aus einer eurer Broschürenkonfrontieren. Da heißt es: »Trotz aller Kontinuitäten wäre esaber falsch, die heutige Polizei der BRD mit der des Hitler-Fa-schismus einfach gleichzustellen. Dazu haben sich die Bedingun-gen und vor allem der technische Fortschritt zu sehr verändert.Die heutige Gesellschaft ist vor allem durch ihre Durchtechnisie-rung auf sehr hohem Niveau von Geheimdiensten und politischerÜberwachung regelrecht durchseucht.« Mir scheint, daß ihr ander Stelle, wo ihr die Unterschiedlichkeit der Verhältnisse betont,im Grunde noch eins draufsetzt.

Jürgen: Wenn die gesellschaftlichen Bedingungen aktuelleskalierten, würde das Wissen der Sicherheitsapparate diffe-renziert eingesetzt werden. Gegen bestimmte Teile des Wi-derstandes in abgeschwächter Form, gegen andere Teile invollem Umfang. Auf jeden Fall aber hätte dieser Apparat ausdem Stand viel größere Macht, als er von ’33 bis ’45 je hatte.Von den personellen Kontinuitäten der bundesdeutschenSicherheitsbehörden mit denen des Dritten Reiches ganz zuschweigen. Es wäre also eine Bagatellisierung zu sagen, daßdieser Staat überhaupt nichts mit diesem faschistischen Re-gime zu tun hat. Praktisch sind wir schon heute in den Klau-en dieses Systems, es bräuchte nur noch zuzupacken.

In der Vergangenheit gab es mehrere Strafverfahren gegen eureGruppe, unter anderem auch ein 129a-Verfahren.

Jürgen: Sie haben jetzt zum wiederholten Male bei Redak-tionen von Zeitungen, die mit uns Interviews gemacht ha-ben, nach dem Material gefragt. Wenn wir eine Veranstal-tung machen, jagen sie uns hinterher. Observation und Er-mittlungen laufen mit unverminderter Wucht.

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sondern wir sind Teil einer langen historischen Entwick-lung. Unsere Geschichte fängt nicht einfach an dem Punktan, an dem wir uns plötzlich politisiert haben, sondern wirhaben uns politisiert über andere Menschen, die vorher vonanderen Menschen politisiert worden sind, über Ideale, diein den jeweiligen Zeiten wichtig waren. Egal wo ich anfange,mich mit Geschichte und Kultur zu befassen, ob beim Bau-ernkrieg oder bei der 1848er Revolution, überall ist es auchdie Geschichte von Widerstand. Jetzt zu sagen, bloß weil ge-wisse Dinge in die Sackgasse geführt haben, weil Experi-mente eben danebengegangen sind oder weil Widerstandmit einer Niederlage endete, ist das schlecht – das ist Un-sinn. Es gab in diesen Bewegungen immer auch positiveemanzipatorische Prozesse, die bis heute weitergewirkt ha-ben und mit denen es lohnt, sich auseinanderzusetzen. Werdas nicht tut und sich quasi von der eigenen Geschichte ab-schneidet, kann unmöglich daraus lernen und auch nichtmehr analysieren, warum bestimmte Entwicklungen in be-stimmte Richtungen gegangen sind. Wir benutzen heutzutage vor allen Dingen das Symbol derAntifaschistischen Aktion, aber in einer modifizierten Form.Allein schon die Modifikation macht klar, wir beziehen unszwar auf einige Inhalte der historischen AntifaschistischenAktion, aber verbinden damit ganz andere Sachen aus unse-rer Geschichte. Das Organisationsmodell der 20er Jahrebeispielsweise, den demokratischen Zentralismus und diestalinistischen Methoden lehnen wir absolut ab.

Wenn ihr euch aus der Geschichte und der Kunstgeschichte nur dieeuch positiv erscheinenden oder für eure heutigen Zwecke ver-wendbaren Dinge heraussucht, könnte man euch ein rein instru-mentelles Verhältnis zur Historie unterstellen.

Jürgen: Wer Kunst nur als ein x-beliebiges Medium be-greift, dessen sich bedient werden kann, ohne es verstandenzu haben, muß natürlich ein instrumentelles Verhältnis dazuhaben. Instrumentelle Kunst aber wäre platte Propaganda,und die taugt nichts. Und wenn Geschichte in großen Di-mensionen abgegrast wird, besteht immer die Gefahr, daß

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Ulla: Die Größe der Gruppe ist in den letzten vier Jahrenstark angewachsen, was auf die generelle Öffnung der Grup-pe zurückzuführen ist. In der letzten Zeit sind vermehrtLeute, die nicht so aus der klassischen autonomen Szenestammen, zu uns gestoßen. Wir organisieren uns in Arbeits-gruppen, die zu bestimmten Themenbereichen arbeiten, seidas die Arbeit zu politischen Gefangenen, die Gestaltungdes Organisierungsprozesses, Arbeitsgruppen, die Vorträgeausarbeiten, oder Arbeitsgruppen zu bestimmten aktuellenEreignissen. Die Arbeitsgruppen treffen sich einmalwöchentlich im Plenum, wo die Arbeitsergebnisse ausge-tauscht werden und Dinge, die die ganze Gruppe betreffen,besprochen und abgeglichen werden.

Jürgen: Pflicht jedes einzelnen ist die Teilnahme an diesemwöchentlichen Gesamtplenum und die Arbeit in mindestenseiner Arbeitsgruppe.

Das bedeutet klassische Mitgliedschaft?

Ulla und Jürgen: Ja.

Habt ihr eine Art Hierarchie in der Gruppe?

Jürgen: Nein.

Ulla: Entscheidungsinstanz ist die Gesamtgruppe. Wir hal-ten das Arbeitsgruppenprinzip für eine relativ gute Möglich-keit, Hierarchien vorzubeugen. Auf diese Weise könnenneue Leute auch besser integriert werden, weil sie ihre un-terschiedlichen Erfahrungen und ihren unterschiedlichenWissensstand gut in die Arbeit einbringen können, ohne daßsie bei Entscheidungen hintanstehen müssen.

Habt ihr auch eine Jugendgruppe im Sinne der Antifa-Jugend-front?

Ulla: Es gibt in der Stadt eine Antifa-Jugendfront, mit derwir auch sehr gut zusammenarbeiten, aber sie gehört nichtzu unserer Gruppe.

Und wie ist es mit der Beteiligung von Frauen in eurer Gruppe?

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Ulla: Wir ziehen uns unter diesen Bedingungen allerdingsnicht in die Konspirativität zurück, sondern machen alle In-formationen, die wir über die Ermittlungen kriegen, sofortüber Flugblätter oder Presseerklärungen öffentlich.

Hat sich in dem Maße, wie sich eure Gruppe für Bündnisse öffne-te, die Repression verstärkt?

Jürgen: Es gibt Aussagen von Verfassungsschützern, daßunser Konzept gefährlicher sei als das der RAF, weil es aufeine Verbindung mit anderen gesellschaftlichen Gruppenzielt. Das sind sehr große Worte, aber sie zeigen, daß sie dieEntwicklung, die wir angestoßen haben, wahrnehmen. Wirerfahren jedenfalls, daß bei jeder Aktion, die wir machen, einziemlich massiver Kriminalisierungsdruck aufgebaut wird.

Unterscheidet ihr in euren Schriften zwischen Faschismus undNationalsozialismus?

Jürgen: Nationalsozialismus ist für uns eine spezifische hi-storische Form, die eng zusammenhängt mit der NSDAPund den Verhältnissen in den 20er und 30er Jahren inDeutschland. Das ist eine Phase, die sich in dieser Art undWeise nicht wiederholen wird, weil sich die gesellschaftli-chen Verhältnisse seitdem verändert haben. Faschismus hin-gegen betrachten wir als eine Spielart der imperialistischenHerrschaft, was nicht platt verstanden werden darf nach derFormel: Imperialismus ist gleich Faschismus. Das wäre Un-sinn. Faschismus ist für uns auch der computerüberwachteStaat; er muß nicht immer mit Hakenkreuzfahne undMarschkolonne daherkommen. Es gab einen Franco-Fa-schismus, es gab einen Mussolini-Faschismus, es gab das fa-schistische Regime der griechischen Generäle oder das Pi-nochets. Wenn ich Faschismus und Nationalsozialismusgleichsetze, laufe ich in die Falle bürgerlicher Reformisten.Deren Parole »Nie wieder Faschismus« bedeutet nur: Niewieder Drittes Reich. Aber das wird es sowieso nicht mehrgeben.

Wie organisiert sich eure Gruppe?

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in einem Grundlagenpapier festgelegt. Im wesentlichen istdas eine regionale Verankerung der Gruppen. Hinzukommt, daß die Gruppen gefestigt sein müssen, eine politi-sche Kontinuität besitzen und regelmäßig nach außen tre-ten. Inhaltliche Kriterien sind bislang eher unkonkret for-muliert. Es gab eine große Auseinandersetzung um den Be-griff Antiimperialismus innerhalb der Organisation. So wiewir ihn füllen, hätten staatstragende oder reformistischeGruppen keinen Platz in der AA/BO. Bislang gibt es zweiBroschüren, die die AA/BO gemeinsam herausgegeben hat.Die eine heißt »Einsatz« und stellt die Grundlagen der Or-ganisation und die beteiligten Gruppen vor. Die andere er-schien begleitend zu der Kampagne zum 9. November. Bei-de sind über unsere Adresse erhältlich.

Mit der AA/BO seid ihr harter Kritik ausgesetzt. Wie geht ihrdamit um?

Ulla: Ein Problem ist, daß die AA/BO sehr stark mit unsererGruppe identifiziert wird. Das mag daran liegen, daß wir dieGruppe sind, die in dieser Organisation am meisten öffent-lich in Erscheinung tritt. Und es liegt sicherlich an dem Or-ganisierungspapier, das wir vor zwei Jahren vorgestellt ha-ben, das aber längst überholt ist.

Jürgen: Teilweise haben wir uns an den Kopf gefaßt, welchabsurde Befürchtungen in diesem Zusammenhang an dieWand gemalt worden sind. Das ging so weit, daß man unsunterstellte, wir wollten eine KPD nach historischem Vor-bild aufbauen. Diese Absurdität hat uns das Reagieren aufKritik teilweise unmöglich gemacht, weil wir das Gefühlhatten, daß die Papiere gar nicht richtig gelesen wurden,und uns so die politische Glaubwürdigkeit abgesprochenwurde.

In den Erwiderungen auf eure Position kann man in der Tat häu-fig zwei Vorwürfe finden. Zum einem wird euch vorgehalten, ihrwolltet eine Organisation mit Parteicharakter aufbauen, undzum anderen würdet ihr für euch einen Avantgarde-Anspruchreklamieren.

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Ulla: Über ein Drittel der Gruppenmitglieder sind Frauen.Durch die Öffnung unserer Politik, durch die Abkehr vonklassischer Anti-Nazi-Politik ist die Gruppe verstärkt fürFrauen attraktiv geworden.

Welche Kontakte habt ihr zu anderen Antifa-Gruppen?

Ulla: Das Rückgrat solcher Kontakte ist die Arbeit hier inder Region. Überregional sind wir in die AntifaschistischeAktion – Bundesweite Organisation, AA/BO, eingebunden.Parallel dazu sind wir noch in einem zweiten bundesweitenOrganisierungsprozeß eingebunden, die beteiligten Grup-pen treffen sich unter dem Namen »fels« seit dem Frühjahr1993 regelmäßig und streben ebenfalls die Bildung einerOrganisation an.

Jürgen: Wie man ja überall lesen kann, ist das ein sehr um-strittener Prozeß. Unser Engagement fußt auf unserer Ana-lyse autonomer Politik in den 80er Jahren, die wir ja schonbeschrieben haben. Wir hatten den Anspruch, daß wir,wenn wir diesen Kampf gegen Faschismus ernst nehmen,überhaupt erst wieder als politische Kraft in Erscheinungtreten müssen. Die sattsam bekannten autonomen Plenender Vergangenheit waren am Ende ein unerträglicher Zu-stand. Um wieder zu verbindlichen Strukturen zu kommen,um ansprechbar zu sein, schien uns ein bundesweiter Zu-sammenschluß verschiedener Gruppen, der über die lockereVernetzung, den Infoaustausch, hinausgeht, unumgänglich.

Könnt ihr kurz erläutern, wie die Organisierung in der AA/BOaussieht?

Ulla: Zur Grundstruktur ist zu sagen, daß zehn bis zwölfGruppen aus verschiedenen Städten regelmäßig bundeswei-te Treffen veranstalten, zu denen die Gruppen Delegierteschicken. Da es in den einzelnen Gruppen keine Spezialistenfür bundesweite Treffen gibt, rotieren die Delegierten. Die-se Treffen sind das Entscheidungsgremium für die Organi-sation. Es gibt noch keine Pressesprecher, Ansprechpartnerfür die Organisation sind die jeweiligen Gruppen vor Ort.Die Kriterien für eine Mitgliedschaft in der AA/BO wurden

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logische Ausgangspunkte haben als wir, müssen sie sich auchanders organisieren.

Euer Organisierungskonzept mit einem festen Rahmen unter-scheidet sich ja deutlich von den autonomen Organisierungen der80er Jahre. Da wurden ja, wenn ich beispielsweise an die IWF-Kampagne oder die vielen »Nie-wieder-Deutschland«-Demosdenke, bundesweite Initiativen organisiert, ohne daß es dauerhaf-te Strukturen gab. Ist eurer Ansicht nach die traditionelle autono-me Organisierung überholt?

Jürgen: Objektiv ist sie das. Gut, die Unberechenbarkeit hatauch Vorteile. Relativ schnell viele Menschen zu mobilisie-ren, vermittelt Stärke. Die Beispiele, die ihr hier ansprecht,waren doch letztlich der hilflose Reflex auf einen Zug, derschon längst abgefahren war. Die meisten Gruppen existie-ren in autonomen Zusammenhängen zwei bis vier Jahre,und dann sind sie von der Bildfläche verschwunden. Natür-lich gibt es Gruppen, die für eine gewisse Zeit einen relativhohen organisatorischen Grad entwickeln. Aber irgendwannist diese Politik am Ende, weil sie keine politische Perspekti-ve mehr bieten kann und auch keine persönliche mehr fürdie Leute. Was ist übriggeblieben von der Bundestagsblok-kade, was ist übriggeblieben von »Nie-wieder-Deutsch-land«, was ist übriggeblieben vom IWF? Es gab Aktionen,doch selbst von den AktivistInnen sind sie ein, zwei Jahrespäter schon fast wieder vergessen. Dabei wäre wichtig, einekontinuierliche Politik zu betreiben.

Was wäre euch zum Abschluß des Gespräches noch wichtig?

Jürgen: Ich möchte nochmal ein paar Thesen zusammen-fassen.Neue Politikfelder müssen erschlossen werden und alte neubesetzt werden.Neue Methoden der Arbeit müssen entwickelt werden. Esist beispielsweise wichtig, ein vernünftiges politisches Ver-hältnis zu den Medien zu gewinnen, um sie zu nutzen. Dasmeint vor allem bürgerliche Medien, denn linke Mediensind in ihren Möglichkeiten relativ begrenzt.

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Jürgen: Ich glaube, das ist eine Frage, was aus bestimmtenTexten herausgelesen und dabei unterstellt wird. Das hörtsich jetzt zwar polemisch an, wenn ich sage, das sind Unter-stellungen, aber ich kann das nur so empfinden. Was wirvorschlagen, wird nicht als offene Möglichkeit – die mandiskutieren kann – gesehen, sondern es wird als fertigesKonzept betrachtet, nachdem jetzt alle zu verfahren hätten.Das kann natürlich nur in eine katastrophale Richtung ge-hen.

Im Laufe der Diskussion um die AA/BO sind eine ganze MengeStädte abgesprungen. Wie seid ihr damit umgegangen?

Ulla: Im wesentlichen sind die Städte abgesprungen, diesich nicht organisieren wollten.

Der Vorbehalt gegen Organisierung wird häufig auch von Grup-pen aus der ehemaligen DDR vorgebracht. Zieht ihr daraus be-sondere Schlüsse?

Jürgen: Im Grunde genommen gibt es dort mittlerweileeine ähnliche Situation wie hier. Es gibt einige Gruppen, diesich in den AA/BO-Ansatz einbringen oder mit ihm sympa-thisieren, und es gibt auf der anderen Seite Gruppen, die ihnvöllig ablehnen.

Nun gibt es aber seit einiger Zeit DDR-weite Vernetzungstreffen,die deutlich in Abgrenzung zu eurem Modell entstanden sind.

Jürgen: Ich will mir kein Urteil über diese reichsbahnweitenTreffen anmaßen. Ich sehe aber, daß sie dort politisch ande-re Ansätze als wir vertreten. Die Gruppen haben eher eineanarchistische Grundposition, wie ja überhaupt der anarchi-stische Ansatz aktuell in der alten DDR eine wesentlichgrößere Rolle spielt als hier. Bei konkreten Aktionen arbei-ten wir mit allen Gruppen und allen Zusammenschlüssenzusammen. Uns geht es darum, daß begriffen wird, daß soeine Organisierung nur einer kontinuierlichen Arbeit dient.Wenn sich andere antifaschistische Organisationen grün-den, ist das um so besser. Es geht ohnehin um den Prozeßder Organisierung. Und wenn andere Gruppen andere ideo-

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Sich abzuschotten, nützt nichts

Gespräch mit einer Antifa-Gruppe aus Guben

Neben größeren Städten wie Berlin und Potsdam, in denenAntifa-Gruppen unter dem Dach der evangelischen Kirchenoch zu DDR-Zeiten entstanden, gehörten Jugendliche inder brandenburgischen Kleinstadt Guben zu den ersten, dieeine eigenständige autonome Antifa-Gruppe aufbauten.Dies ist um so erstaunlicher, weil Guben – 35 000 Einwoh-ner, unmittelbar an der polnischen Grenze gelegen – immerabseits des aktuellen politischen Geschehens lag. Aus einer diffusen linken Orientierung, ausgelebt in Haus-besetzungen und ähnlichem, entwickelte sich hier unter demDruck der Verhältnisse schnell eine durchsetzungsfähigeAntifa-Szene, die seit fast vier Jahren trotz aller Widerstän-de kontinuierlich arbeitet.

Wann und aus welcher Situation heraus ist eure Gruppe entstan-den?

Axel: Am Ende der DDR waren wir in Guben ein Kreis vonvielleicht 30, 40 Leuten, die sich regelmäßig in einer Kneipegetroffen haben. Ursprünglich machten wir nichts Politi-sches, nur eben lustige Abende, bißchen Trouble mit denBullen und so. Im Juli oder August ’89 haben wir dann aufeiner Reise in Potsdam in einem kircheninternen Blatt daserste Mal von Übergriffen auf ausländische Arbeiter in derDDR gelesen. Gerüchteweise hatten wir zwar das eine oderandere gehört, gerade aus dem Süden der DDR. Aber wirhatten nicht gewußt, daß es damals in der DDR schon rich-tig organisierte Gruppen von Faschisten gab. Dazu kamnoch, was wir selber mitgekriegt haben, bei Konzerten inCottbus oder in Berlin. Einige von uns hatten da die Nasevoll und haben gesagt: Wir machen jetzt Antifa-Arbeit. AmAnfang haben wir uns gesagt, um eine gute Antifa-Arbeit

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Wir müssen aus unserem Ghetto herauskommen und unsmit anderen Gruppen und Initiativen verzahnen. Aber nichtdogmatisch, sondern wir müssen ein politisches Verhältniszu anderen finden. Wir müssen verstärkt eine Kulturfähigkeit zurückgewinnen,wozu auch gehört, sich gegenseitig in dem Prozeß, in demwir alle gemeinsam stehen, ernst zu nehmen. Was zur Zeitbei vielen Gruppen passiert, ist die Selbstdefinition durchAbgrenzung von anderen Gruppen. Und das finden wirfalsch.

Anmerkungen:1 Rund 2 000 autonome AntifaschistInnen behinderten im Oktober

1982 massiv den NPD-Parteitag in Fallingbostel und versuchtenden Veranstaltungsort zu stürmen.

2 In dem 14 Kilometer von Göttingen entfernten Dorf besaß der nie-dersächsische FAP-Landesvorsitzende Karl Polacek ein Haus, biser 1992 nach Österreich ausgewiesen wurde.

3 Eine Demonstration vor dem Haus eines dort ansässigen Nazi-Funktionärs

4 Conni Wissmann wurde am 17.9.89 bei einer Antifa-Aktion vonPolizisten vor ein fahrendes Auto gehetzt und kam dabei um.

5 Später stellte sich heraus, daß die Brände von einem Patienten despsychiatrischen Landeskrankenhauses gelegt worden waren, derunter Pseudonym eine »autonome Gewaltherrschaft« forderte.

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Außerdem haben wir versucht, aus unserem damaligen Ju-gendklub rechte Politik völlig rauszuhalten. Leute, die ir-gendwie rechts eingestellt waren, oder ausgewiesene Fa-schos sind dort nicht mehr reingekommen. Da gab es dannöfter mal handfeste Auseinandersetzungen.

Gab es denn schon organisierte neofaschistische Strukturen?Axel: Das ging erst im Dezember ’89 los. Einige von denen,die damals schon rechts eingestellt waren, sind rüber undhaben aus Westdeutschland immer fleißig Propagandazeuggeschickt, vor allem von der DVU. Dadurch fühlten sich dieHiergebliebenen ganz doll bemüßigt, hier ihre GubenerHeimatfront, Gubener Hitlerjugend und Bund deutscherMädchen zu gründen.

Wie war denn damals das Kräfteverhältnis zwischen Rechten undLinken?Axel: In Guben hatten wir damals einen sehr schwerenStand. Aktive, die uns nahestanden, gab es vielleicht 30. Undbeim Häuserkampf standen uns fast 200 Nazis gegenüber.Die wenigen, die sich zu uns bekannt haben, hatten ziemlichviel Streß. Unser damaliger Jugendklub wurde angegriffen,weil wir Jugendliche mit Nazi-Aufnähern nicht mehr rein-gelassen haben. Einige von uns wurden von Rechten abge-griffen und haben ziemlich heftig was auf’s Maul bekom-men. Du konntest nicht mehr abends auf die Straße gehen.Die haben dich geohrfeigt, wie sie lustig waren.

Wie habt ihr unter diesen Bedingungen über Militanz diskutiert?Axel: Für uns hat sich natürlich die Frage gestellt, ob wir beidiesem ganzen Aufrüstungswahn mitziehen wollen. Einigeunserer Leute sind schon voll durchgeknallt, rannten mitzwei Knarren, ein paar Messern und Knüppeln rum und ha-ben voll den Harten markiert. Der Höhepunkt war dann dieAuseinandersetzung um unser Haus.

Du erwähnst das jetzt zum zweiten Mal ... Axel: Im Frühjahr ’90 hatten wir ein Haus besetzt und be-gonnen, es zu einer Art Zentrum für uns hier in Guben aus-

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machen zu können, müssen wir das Ganze als Gruppe auf-ziehen und nicht bloß so als lose Sache. Wir haben uns soeine Art Statut gegeben und dann ein Grundlagenpapierrausgegeben, um in Guben auch öffentlich präsent sein zukönnen. Wir haben dann zunächst Vorfälle gesammelt, diein Guben passiert sind, und über Aushänge und Flugblätterpublik gemacht.

Was war in Guben passiert?

Axel: 1985, zur 750-Jahr-Feier, gab es zwei, drei Tage Aus-schreitungen in Guben, ziemlich rabiat. In einem Bierzeltsind Arbeiter aus Mosambique und Vietnam, von denenziemlich viele im größten Betrieb hier, dem Chemiefaser-kombinat, gearbeitet haben, von Einheimischen verprügeltworden.

Von organisierten Rechten?

Axel: Nein, eher so Otto-Normal-Verbraucher. Das hattesich irgendwie aufgestachelt. Erst haben sie sich untereinan-der geschlagen, dann haben sie alle gemeinschaftlich die an-rückenden Bullen plattgemacht, und dann haben sie sichwieder untereinander beharkt. Am Ende ist dann sogar dasWohnheim, in dem die Arbeiter aus Mosambique gewohnthaben, angegriffen worden. Zu DDR-Zeiten ist das nie großpublik gemacht worden. Wir haben versucht, im nachhineinnachzufragen und zu recherchieren. So fing das damals an.Aber eigentlich sind wir an die Sache ziemlich pimpelig’rangegangen. Also leger. Und dann kam die Wende.

Kannst du kurz skizzieren, was ihr euch anfangs vorgenommenhattet?

Axel: Das wichtigste war, zu versuchen, die Menschen, diehier als Vertragsarbeiter arbeiteten, irgendwie zu integrie-ren. Die wurden wirklich wie in einem Ghetto gehalten,konnten nirgends hin. In Kneipen wurden sie rausgeschmis-sen. Da haben wir sie mal eingeladen zu uns nach Hause, Es-sen für sie gemacht, sie besucht, gemeinsam Sport getriebenund all so’n Zeug.

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Axel: Die Stärke, die wir gewonnen hatten, hat uns noch imselben Jahr sehr genützt. Für Dezember ’90 hatten die Nazishier eine Demo angekündigt, an der auch Michael Kühnenteilnehmen sollte. Da sind drei von uns zum Bürgermeistergegangen und haben dem kraft unserer Wassersuppe ge-droht, wenn er diese Demo nicht verbietet, holen wir unshier weiß ich wieviel tausend Autonome her und schlagendie ganze Stadt kaputt. Das muß man sich mal vorstellen.Der hätte uns unter normalen Umständen sofort eingekna-stet, bloß der wußte damals auch nicht Bescheid. Gut, es hatfunktioniert. Die Bullen haben die Faschos abgegriffen, ei-nige von denen haben bei den Bullen sogar um Schutzhaftgebettelt. Und wir saßen zu zehnt in einer Wohnung undhaben uns total wohl gefühlt. Das hat uns auch ein paar guteKritiken eingebracht, damals.

Welche Folgen hatte das?

Martin: Die Hochzeit der Nazis war vorbei. Die Faschoskonnten ihre Mitläufer nicht weiter mobilisieren, da kamnichts mehr. Ihr Führer ist damals zu ein oder zwei Jahrenauf Bewährung verurteilt worden. Der mußte sich danachvöllig aus politischen Sachen raushalten. Unsere Leute ha-ben ihre Waffen verkauft, weil sie sinnlos geworden waren.

Du hast erwähnt, daß ihr auch mit Gruppen aus anderen Städtenzusammengearbeitet habt. Kannst du näher beschreiben, wie dieZusammenarbeit aussah?

Axel: Was uns ziemlich geprägt hat, war das Auftreten vonBerliner Antifas bei diesem Häuserkampf hier. In den Jahrenvorher hatte man ja vieles irgendwie glorifiziert, vor allemdie jahrzehntelangen Erfahrungen der Westler im Kampfgegen diesen neuen Staat. Wir dachten immer: Wenn dieherkommen, werden die uns Armen und Dummen schonwas erzählen. Dann kamen sie, haben hier ihren Kleinkriegveranstaltet, sich dabei ziemlich mackerhaft benommen undsind wieder abgehauen. Ich meine, wir mußten das schließ-lich ausbaden. Wir hatten uns die letzte Akzeptanz bei derBevölkerung verspielt, weil die nur gesehen haben: Wir

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zubauen. Kurz darauf haben sich auch die Faschos ein Hausgenommen, da haben sie zweimal eine Orgie gemacht, aberdann stand das Ding mehr oder weniger leer. Abgesehen da-von, daß da noch monatelang eine Reichskriegsflagge raus-hing. Berliner Antifas hatten davon gehört, kamen einesschönen Tages im September ’90 mit so einem alten Polizei-Lkw und haben das Haus zerdroschen von oben bis unten.Als Reaktion kamen abends dann 200 Nazis und haben un-ser Haus angegriffen. Die Faschos haben dabei zwar ziem-lich derb auf die Fresse gekriegt, aber hinterher, als die Ber-liner wieder weg waren, standen wir wieder alleine in Gu-ben.

Welche Konsequenzen hatte das für euch?

Axel: Negativ war, daß wir das Haus losgeworden sind undin Guben erstmal eine wirkliche Niederlage hatten. Alle, dieirgendwie mit uns sympathisierten, haben sich schwer gehü-tet, das danach noch in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wirselbst waren öffentlich im Grunde nicht mehr sichtbar.Zwei, drei Monate haben wir uns ganz zurückziehen müs-sen. Ich mußte mich damals mit meiner Freundin ver-stecken, zwei Monate mehr oder weniger konspirativ. Ichbin aus meiner Wohnung ausgezogen, weil die Nazis mir dieScheiben eingeschmissen haben.Das Positive war, daß wir dadurch notgedrungen körperlichmehr Widerstand leisten mußten, und das hat uns als Grup-pe zusammengeschweißt. Jeder hat den anderen gedeckt, sogut es ging. Dadurch sind wir eigentlich ziemlich stark ausder ganzen Sache rausgegangen. Unter uns haben wir natür-lich versucht, den Schlamassel, so gut es ging, auszuwerten.Wir haben eingeschätzt, daß wir das Haus damals nie hättenhalten können. Auch ohne diese Auseinandersetzung wäre esein dauerhafter Kleinkrieg geworden, der uns von allen an-deren Sachen abgelenkt hätte. Wir hätten nur noch damit zutun gehabt, das Haus zu verteidigen. Unter solchen Bedin-gungen könntest du keine vernünftige Arbeit mehr machen.

Und wie habt ihr dann weitergemacht?

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Axel: Wir sind mehr oder weniger vom Standpunkt desKräfteverhältnises ausgegangen. Einen Krieg konnten wiruns nicht leisten mit den paar Hanseln, die wir waren. DieFaschos waren eindeutig mehr. Darum haben wir versucht,uns an einen Tisch zu setzen. Wenn man miteinanderquatscht, kriegt man keins auf’s Maul. Und die Zeit, die duda verquatschst, kannst du gut nutzen, um für dich was klarzu machen. Für uns war damals wichtig, Zeit zu gewinnen.

Das heißt, ihr wolltet nur die Luft aus der Situation rausnehmen?

Martin: Das haben wir auch geschafft.

Axel: Bei den Faschos muß es immer Aktionen geben, sonsthauen denen die Leute ins sogenannte bürgerliche Milieuab. Viele, die damals voll dabei waren, sind jetzt Modetypengeworden, so mit Cowboy-Stiefeln und goldenen Schnallen,die teure Autos fahren.

Hattet ihr Streß mit Bullen?

Axel: Nein. Die haben sich nichts getraut. Es gab in Gubenein paar Vorkommnisse, und seitdem waren die Bullen völ-lig ruhig. Sie haben immer versucht, sich bei uns einzu-schleichen, aber das haben sie nicht geschafft.

Wie sind die Bullen mit den Rechten umgegangen?

Martin: Na, dem Anführer haben sie ins Bein geschossen.Mit denen haben sie sich schon ein bißchen rumgeprügelt.

Wie war denn damals die Struktur eurer Gruppe?

Axel: Es gab zwei, drei von uns, die aufgrund besserer Vor-aussetzungen – weil sie ein Auto hatten und Telefon – da-mals ziemlich viel an sich gezogen haben. Die hatten Zeit,rumzufahren und irgendwelches Zeug zu organisieren, odersind auf überregionalen Treffen gewesen. Nach denen ha-ben sich die anderen weitgehend gerichtet. Dadurch ent-stand in der Gruppe eine gewisse Rangordnung. Hinzu kam,daß wir damals, das muß ich zu unserem Nachteil sagen,ziemlich elitär waren. Für Linke, die auch Antifa-Arbeit ma-chen wollten, war es sauschwer, in die Gruppe reinzukom-

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schleppen hier irgendwelche bunthaarigen Typen in dieStadt rein, und die verwüsten dann alles. Ich durfte Wochenspäter bei den Bullen antanzen, die haben mir alle Fotos vor-gelegt, die sie von uns geschossen haben. Sinnigerweise hat-ten sie die Fotos den Faschos auch gezeigt, und da wurde esnatürlich ein bißchen kraß.

Es gab dazu eine Diskussion in der Berliner BesetzerInnen-Zei-tung ...

Axel: Da haben sich einige aus Berliner Zusammenhängenziemlich derb dagegen verwahrt und gefordert, daß so was inZukunft nicht mehr passiert. Also, daß Antifas und Autono-me in andere Städte fahren und dort einfach so auftrumpfen.

Martin: Nach diesem Ereignis war so ein bißchen der Lackab von der Vorstellung von den »Berlinern«. Und dann kamnoch dieser komische Buchschreiber, dieser Burkhard Schrö-der, und hat Interviews mit uns gemacht und sie dann völligsinnentstellt wiedergegeben. Im Grunde hat der behauptet,wir wären nur die kleinen dummen Zonis, die von dengroßen Kämpfern aus Kreuzberg erst alles lernen mußten.

Axel: Interessant war allerdings: Aufgrund des Wirbels, dendieses Buch in Guben verursachte, kamen dann Gesprächs-runden mit den Rechten zustande.

Mit welcher Absicht habt ihr diese Gespräche geführt, und was istdabei herausgekommen?

Axel: Wir wollten vorrangig die Militanz aus der Situationrausnehmen. Das ist schon eigenartig in einer Kleinstadt ...Du kennst jeden, du warst mit einigen von denen zusammenim Kindergarten, in der Schule, hast alles mit denen zusam-men gemacht. Und auf einmal stehst du dir gegenüber undhaust dir auf die Fresse. Das ist völlig unsinnig. Das habenwir damals versucht zu erklären, und eigentlich haben wirdas auch ziemlich gut hingekriegt.

Wenn man böswillig ist, könnte man ja sagen, ihr habt sowas wieeine friedliche Koexistenz vereinbart.

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hat sich das aufgebaut. Es gab dann einige, die aus der Anti-fa wirklich ausgetreten sind und höchstens noch zu irgend-welchen Anlässen aufgelaufen sind. Das ging dann so weit,daß Leute schreiend die Plenen verlassen haben. Das gröb-ste Ding – das ich bis heute nicht verstehe – war die Sachemit der Frauengruppe.Die war auf einmal da. Gut. Muß sein, haben wir alles einge-sehen. Die Frauen wollten sich natürlich auch im Infoladenpräsentieren. Aber sie haben erstmal Ansprüche gestellt,wollten einen eigenen Raum haben, mit den Männern imInfoladen nichts direkt zu tun haben. In den Streitereiendarüber kamen wir das erste Mal darauf, daß die Meinungeines einzelnen nicht immer die Meinung der Gruppe seinmuß. Ich zum Beispiel habe die Forderungen der Frauenvöllig abgelehnt. Bis wir das geklärt hatten, sind zwei Mona-te ins Land gegangen. Der Streit war schrecklich gewesen.

Worum ging es denn inhaltlich?

Axel: Etliche von den älteren Antifas haben zu dem Zeit-punkt abgelehnt, daß die Frauengruppe in den Infoladenzieht, weil sie als Gruppe überhaupt noch nicht gefestigtwar. Die haben nur Absichten erklärt, hatten aber noch garnichts gemacht. Aufgrund dieser Streitigkeiten haben wirpraktisch den letzten Anspruch verspielt, überhaupt politi-sche Arbeit zu machen. Und weil wir uns zwei Monate langletztlich über Mißverständnisse in der Wolle hatten, habendann einige gesagt: Nein, bei uns ist jetzt Pumpe, wir steigenaus.

Martin: Der Streit war übertrieben, und wir waren auch to-tal überreizt, da braucht man gar nicht diskutieren. Was ichaber nach wie vor gut finde, ist, daß die Frauen durch dieAuseinandersetzung Selbstbewußtsein gekriegt haben. Siewurden da meines Erachtens das erste Mal so richtig akzep-tiert. Was für Antifa-Gruppen im Osten typisch ist, war jaauch hier so: männerdominiert – und die wenigen Frauenzurückhaltend oder nur als Begleitung ihres Freundes.

Wie löste sich diese Situation?

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men. Es gab Beispiele, wo sich einige von uns wieder abge-wandt haben, weil wir uns zu wenig um sie gekümmert odersie überfordert haben. Wir haben außerdem wegen unsererhohen Ansprüche sehr stark unter den Interessenten an un-serer Arbeit gesiebt.

Was waren denn das für Ansprüche?

Axel: Das Wesentlichste war, daß wir von denen, die bei unsmitmachen wollten, verlangten, daß sie die Antifa-Arbeitnicht nur so nebenbei machen. Es reichte uns nicht, wennsie mal zur Versammlung kamen und da das Maul aufmach-ten, sondern sie sollten auch die sogenannte normale Arbeitmitmachen. Und dann haben wir neue Leute nicht sofort inalles reingucken lassen.

Stefan: Ich war damals mehr oder weniger Sympathisant. Inmeinem damaligen Freundeskreis sind wir zuerst auf dieHausbesetzung aufmerksam geworden. Ich ging damals zurPenne, in eine linke Klasse, wenn man das so sagen kann,und da wurde das erstmal begrüßt und unterstützt. Aberdann war die Sache mit den Berlinern, und das hat danndoch ein bißchen abgeschreckt. Und nachdem die Antifa ei-nige Zeit nicht in Erscheinung getreten war, hatten wir denEindruck, daß das doch bloß eine Gruppe ist, die in Kneipenabhängt.

Axel: Was wir gemacht haben, wenn wir nicht in der Kneipewaren, haben die Außenstehenden ja nie mitgekriegt.

Stefan: Deswegen habe ich auch erst ziemlich spät dazu ge-funden.

Welche Konsequenzen hatte die Entwicklung für eure spätere Ar-beit?

Axel: Es gab einen ziemlich harten Bruch aufgrund dieserHierarchie-Diskussion. Auch die »Alt-Antifas«, also, dievon Anfang an dabei waren, sich aber irgendwann zurückge-zogen hatten, äußerten herbe Kritik an der Situation. Wirwaren sauer, weil sie sich mehr und mehr raushielten, undsie warfen uns vor, daß wir sie nicht ranlasssen würden. So

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sich die Deutsche Liga hier in der Gegend einnistet oder garin den Gubener Kreistag einzieht. Das wollen wir erreichen,indem wir vor allem die Bevölkerung über den Charakterder DL aufklären.

Martin: Wir sind auch zeitweise regelmäßig in dem etwasaußerhalb gelegenen Neubauviertel Spucke spazierengegan-gen, in dem diese Fascho-Kids zu Hause sind. Wir haben daoben Flugblätter verteilt und waren einfach präsent. Das warsehr umstritten in der Jugendfront, denn bei diesen Spazier-gängen ging es darum, den Faschos Angst zu machen. Wasauch funktionierte. Die sind regelrecht vor uns weggerannt.

Ist eure Arbeit bei Gleichaltrigen akzeptiert, oder seid ihr isoliertund werdet wie Exoten behandelt?

Barbara: Ich kann nur über die Schule reden, auf die ichgehe. Wir sind in meiner Klasse zwei, die linksgerichtetsind. Die anderen nehmen uns nicht so ganz für voll, dieMehrheit orientiert sich doch mehr nach rechts. Wenn wirDiskussionen anfangen, versuchen sie das immer abzu-blocken. Dann kommen natürlich Sprüche, daß wir aus derKlasse raus sollen, weil wir halt links sind, oder es wird ei-nem »linke Sau« hinterhergerufen. Einigen aus der Jugend-front wurde von Faschos gedroht: Wenn ihr – also die Ju-gendfront – uns stört, dann seid ihr dran, dann machen wireuch fertig.

Martin: Früher war es irgendwie extremer. Jetzt ist das Grosder Schüler eher prollig, spießbürgerlich drauf. Die ziehenMarkenklamotten an und vertreten die normale Bürger-Meinung, eben daß Ausländer kriminell sind und nur »unse-re« Wirtschaft belasten. Sie sind auch nicht so organisiertwie früher. Meistens hängen sie rum, lassen sich vollaufenund markieren den Starken, aber wenn’s hart auf hartkommt, verpissen sie sich.Sechzehnjährige Fascho-Kids haben mal beim Penny-Marktan der Grenze Polen angemacht, die da einkaufen gegangensind. Irgendwann sind dann polnische Heavy Metals rüber-gekommen und haben die ordentlich verdroschen.

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Axel: Indem sich die älteren Antifas praktisch aus dem Ge-schehen rausgezogen haben. Das lag vor allem auch daran,daß wir unser ursprüngliches Verständnis von Antifa-Arbeitverlassen hatten. Wir haben in diesen Diskussionen ge-merkt, daß wir völlig abgehoben waren. Wir waren ja schonwie blöde vor lauter Politik. Dazu kam, daß der Streit internaufbrach, als der äußere Druck auch nicht mehr so stark dawar, als wir nicht mehr so mit Faschos beschäftigt waren.Wir mußten feststellen, daß die Antifa-Arbeit zwar ein über-geordnetes und einigendes Ziel war, aber daß bei vielen dieBereitschaft fehlte, sich auch bei übergeordneten politischenSachverhalten zu einigen. Zum Beispiel war es nicht mög-lich, Einigung darüber herzustellen, daß man gegen den Ka-pitalismus kämpfen muß. Ein paar haben gesagt: Das istdoch Quatsch, ich lebe doch hier ganz gut, ich habe bloß wasgegen Faschos.

Gab es unter euch auch eine Diskussion über den Anschluß derDDR?

Martin: Größtenteils wurde das abgelehnt. Andererseits hates uns aber nicht so tangiert. Was sollten wir auch machen?Du mußtest einfach erkennen, daß eh alles in den Arschgeht, du bist einer, und die ganze Stadt um dich herum ju-belt.

Womit habt ihr eure Arbeit fortgesetzt?

Barbara: Wir haben begonnen, eine Jugend-Antifa aufzu-bauen. Da arbeiten ungefähr zehn Jugendliche im Alter zwi-schen 16 und 18. Wir stecken aber noch ziemlich in den An-fängen. Ich weiß nicht, ob das bei Neugründungen immer soist, aber wenn wir keine Erfolge sehen oder keine Ideen ha-ben, sind wir oft kurz davor, uns gleich wieder aufzulösen.

Wie hattet ihr euch die Arbeit der Jugend-Antifa denn vorge-stellt?

Barbara: Das große Ziel war, die Fascho-Kids und die Hob-byfaschos von der Straße wegzubringen, bevor sie richtigeFaschos werden. Dann versuchen wir zu verhindern, daß

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halten ihre Jugend voll unter der Fuchtel. Es hat ein paarmalKonzerte gegeben, organisiert von den Städten Gubin undGuben zusammen, da kamen auf 100 Leute 20 Bullen, diebeim Konzert mitten unter den Leuten rumstanden, mitHelm und Knüppel. Also, was soll sich da schon entwickeln?

Fahren deutsche Faschos rüber nach Polen?

Stefan: Die werden sich schwer hüten.

Ihr habt vorhin davon erzählt, daß nach eurem Streit vieles in dieBrüche gegangen ist. Andererseits baut ihr wieder neue Struktu-ren auf. Was ist dazwischen passiert? Fangt ihr wieder bei Nullan?

Axel: Es ist ja nicht alles zu Ende gewesen. Den Infoladengab es die ganze Zeit über weiter, wir haben uns nach wievor an überregionalen Sachen wie Wunsiedel beteiligt. Unddann hatten wir natürlich das Café. Das ist für die politischeArbeit, die wir jetzt machen, enorm wichtig geworden. Mei-ner Meinung nach kommen wir so viel besser an die Kidsran, als wenn wir die Stadt mit irgendwelchen Pamphletenvollkleben. Wir lassen jeden rein, außer bekannte Sexistenund Führungskader der Faschos. Natürlich sind bei denen,die kommen, auch welche dabei, die früher bei den Naziswaren. Wir hatten deswegen intern ernsthafte Auseinander-setzungen, weil einige sich davon gestört gefühlt haben.Nach Diskussionen sind wir dann übereingekommen, daßwir die Betreffenden reinlassen, solange sie weder hier nochanderswo Stunk machen, und das funktioniert auch.

Ihr habt also gute Erfahrungen damit gemacht, daß ihr euchgeöffnet habt und nicht mehr so abschottet?

Axel: Die Ausgrenzung nutzt uns ja nichts. So haben wir jaauch viel mehr Akzeptanz gefunden. Auch wenn da jetztwelche mit Anti-Nazi-Aufnähern hier ins Café kommen,wissen wir doch, daß da politisch nicht unbedingt was dahin-tersteht. Die sind nicht von heute auf morgen große Antifa-schisten geworden, aber sie haben für sich was klargekriegt.Und das werte ich erstmal als Erfolg.

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Wie war die Stimmung in Guben, als die Grenze zu Polen geöff-net wurde?Axel: Eigentlich ruhig. In Städten wie Frankfurt/Oder wares wesentlich schlimmer. Hier hat das Interesse der Deut-schen überwogen, in Polen billig einkaufen zu können. Gut,bei einer Arbeitslosenquote von 18 bis 20 Prozent in Gubenist das auch zu verstehen. Da macht es sich schon bemerk-bar, wenn du drüben tanken fahren kannst oder dort deineLebensmittel für ein Viertel des Preises kriegst.Stefan: Bemerkenswert ist höchstens, daß sich kurz nach derGrenzöffnung der Abgeordnete der DSU aus dem GubenerStadtparlament nicht erblödet hat, mit den Faschos gemein-same Sache zu machen. Die haben einen richtigen Auf-marsch veranstaltet, sind mit Reichskriegsfahnen durch Gu-ben gezogen und haben einen Schlagbaum beschädigt. DerDSU-Mann ist dafür verurteilt worden, trotzdem sitzt erimmer noch im Stadtparlament.

Habt ihr Kontakte zu polnischen Linken auf der anderen Seite?Axel: Wir haben das mal versucht, aber die polnische Seite,die Stadtverwaltung in Gubin, hat da schnell einen Riegelvorgeschoben. Wir hatten zum Beispiel mal eine Band ein-geladen, hier bei uns zu spielen, war auch alles fix und fertigvorbereitet, und dann bekam die Band die Auflage vom pol-nischen Zoll, daß sie keine Instrumente mitnehmen dürfen.Da ist das natürlich gestorben. Wir waren mal drüben, damußten wir mehr oder weniger flüchten.

Wieso?Axel: Es gibt gerade in Gubin ein paar Skins, die ziemlichantideutsch sind. Die sind auch faschistoid, haben Sprüchedrauf wie: Polen den Polen und so. Letztens waren rund 50polnische Glatzen in Cottbus und haben die Autos von einpaar Führungsmackern der DA plattgemacht. Aber eigent-lich differenzieren sie nicht zwischen Linken und Rechten.Für die sind alle Deutschen gleich negativ und müssen weg.Martin: Wir wissen im Grunde nichts über die polnischeSzene. Mal abgesehen von den Sprachschwierigkeiten, die

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mich hinstelle mit meinem Vierteljahrhundert und so einemVierzehnjährigen was erzählen will, sagt der doch, verpißdich, Alter.

Ihr macht in eurem Café auch Veranstaltungen?

Stefan: Unser Anwalt hat hier beispielsweise ein Seminargemacht. Wir machen aber auch einen Haufen kulturelleSachen, Konzerte, zeigen kritische Filme. Wobei das allesnicht auf Kommerz ausgerichtet ist.

Wie ist heute das Verhältnis zur Stadt?

Stefan: Wir sind jetzt salonfähig. Wir sind anerkannterTräger der Jugendarbeit, nur Geld kriegen wir von der Stadtnicht. Wir müssen alles selber erwirtschaften. Aber wir sinderstmal akzeptiert und können jetzt auch aus einer ganz an-deren Position irgendwelche Sachen verklickern. Vor allemwas die Deutsche Liga angeht. Der Extremismusausschußder Stadt Guben hat mal hier getagt, da haben wir denenerstmal ein paar Sachen gegeben, Filme, Fotos, ein paarBücher, ein paar Zeitungen. Damit die sich erstmal damitbeschäftigen, was für ein Volk hier in der Stadt herumläuft.

Martin: Aufschlußreich für den Grad der Akzeptanz der An-tifa ist auch, wie die Miete für das Café getragen wird. Stadt-verordnete aller Fraktionen bestreiten die nämlich aus ihrenAufwandsentschädigungen.

Stefan: Interessant ist auch, daß in dem alten, kurz nach derWende gegründeten Stadtjugendring ohne die Antifa garnichts geht. Darin sind neben freien Gruppen wie uns dieJugendorganisationen von allen möglichen bürgerlichenParteien zusammengeschlossen.

Haben sich die Kontakte zu anderen Antifa-Gruppen verändert,nachdem ihr eure Arbeit fortgesetzt habt?

Axel: Die eigentliche Regionalorganisierung geht ursprüng-lich von Guben aus. Das ist uns zwar auf die Füße gefallen,weil wir deswegen oft als arrogant verschrien wurden. Dieanderen haben uns vorgeworfen, daß wir nur noch Kopfar-

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Martin: In der Jugendfront gibt es nach wie vor eine Dis-kussion darüber. Wir fragen uns, ob man den rechten Ju-gendlichen militant Angst machen sollte, damit man sie erst-mal rankriegt, oder nicht. Ich glaube schon, wenn wir indem Neubaugebiet militant Präsenz zeigen, werden die sichüberlegen, ob sie überhaupt noch was machen. Neulich wareine Reporterin bei uns, die bei den Kids im Neubauviertelrumgefragt hat. Der haben die Kids von einer riesengroßen,starken autonomen Szene in Guben erzählt. Da weißt du jaungefähr, was die für einen Eindruck von uns haben.

Stefan: Auch nicht unberechtigt. Im vorigen Jahr, ich arbei-tete damals im hiesigen Asylbewerberheim, hatten Cottbus-ser, Eishenhüttenstädter und Gubener Faschos geplant, dasHeim hier anzugreifen. Am Ende tauchte der Gubener Ba-bysturm alleine vor dem Heim mit Steinen in der Hand auf.

Babysturm?

Stefan: So Sechzehn- bis Achtzehnjährige. Wir haben dasHeim geschützt, obwohl auch der BGS da war. Erst habendie Faschos von den Bullen Prügel bezogen, und dann vonuns.

Axel: Als wir militant waren, hat uns das in den Augen deranderen Seite aufgewertet. Es war überhaupt die Vorausset-zung, um an die Jugendlichen ranzukommen, von ihnenernst genommen zu werden. Wir haben gezeigt, daß wirauch diese Sprache sprechen, uns körperlich auseinanderset-zen können. Deshalb sind die gekommen, aus Angst.

Stefan: Du mußt dir mal so einen Vierzehnjährigen an-gucken. Wir haben mal einen auf den Kopf gestellt, und daist ihm ein ganzes Waffenarsenal aus der Tasche gefallen.

Axel: Also, ich sehe mich da selber wieder, bloß eine Spurschlimmer. Die sind noch jünger als wir, als wir anfingen,und sind noch härter drauf. Dagegen muß was gemacht wer-den und dabei hat dieses Café eine wichtige Funktion, schonweil Gespräche relativ einfach möglich sind. Und auch dieJugendfront hat dabei eine wichtige Aufgabe. Wenn ich

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die Beine zu stellen. Was die sich für Festivitäten leistenwollten ...

Martin: ... um als gesellschaftlicher Faktor anerkannt zuwerden ...

Axel: Ich will in dieser Gesellschaft ja gar nicht anerkanntwerden.

Stefan: Mir hat bei diesem Bundestreffen vor allem dermenschliche Faktor gefehlt. Von daher habe ich nur negati-ve Erinnerungen daran. Die haben mit so vielen Fremdwör-tern rumgeknallt, da haben mir nur die Ohren geschlackert.Und dann, wenn jemand aus anderen Zusammenhängen ge-sprochen hat, mußte er sich von Göttingern fragen lassen:Wo kommst du eigentlich her? Da ist mit glatt die Luft weg-geblieben. Insgeheim habe ich mich gefreut, daß da immermehr Städte abgesprungen sind.

Martin: Charakteristisch für das Ost-West-Verhältnis beidem Treffen war auch, daß die Gruppe aus Forst1 abgehau-en ist. Sie haben gesagt: Die streiten sich hier über einzelneWorte, und wir wissen nicht, ob wir von Faschos was auf’sMaul kriegen, wenn wir nach Hause kommen.

Ist euch noch etwas wichtig, was bisher noch nicht angesprochenwurde?

Axel: Wir machen über das Café eine ganze Menge sozial-politischer Arbeit. Neben den erwähnten Gruppen wie Info-laden oder Jugendantifa hat auch die Schwulengruppe vonGuben hier bei uns ihre Räume. Es passiert schon mal, daßeine Schulklasse ihren Unterricht bei uns abhält. Aber umrichtig gute Jugendarbeit zu machen, müßte das natürlichdort stattfinden, wo die Jugendlichen den größten Teil ihrerZeit verbringen: in der Schule oder in den Jugendklubs. Dasjedoch hat uns die Stadtverwaltung strikt untersagt. An städ-tischen Einrichtungen dürfe nirgends in der neuen Bundes-republik politische Arbeit gemacht werden. Die herrschenderechte Pöbelmeinung jedoch ist dort natürlich präsent. Undwird mit Geldern der Regierung noch gefördert. Wir haben

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beit machen und uns nicht mehr rumprügeln. Und nachdemwir die Diskussion um unsere Frauengruppe geführt hatten,haben wir wieder kritisiert, wie in anderen Gruppen mitFrauen umgegangen wird. Es gibt bis jetzt einen gewissen Konkurrenzstreit. Vor allemdurch diese AA/BO-Geschichte. Durch unsere Beteiligungdaran sind wir auch über die Region hinaus bekannter ge-worden.

Welche Position habt ihr dazu?

Martin: Es gibt keine einheitliche Meinung über die bun-desweite Organisierung hier in Guben. Erst waren wir totalbegeistert, aber dann sind wir zu dem Schluß gekommen,daß es ein großer Fehler war, daß wir uns daran beteiligt ha-ben. Wir als Antifa sind immer zu den Treffen gefahren,aber hier in Guben haben wir nichts mehr klargekriegt. Ei-nige wollten mitmachen, weil es eine Organisationsform ist,über die du gute Pressearbeit machen kannst.

Ihr hattet ja hier ein Bundestreffen ...

Axel: Das war gut und schön, aber es sollte auch das letzte inGuben gewesen sein. Ich für mich sehe keinen Sinn darin,sich dermaßen überregional zu strapazieren, dafür sind wirzu klein. Wir sollten da eine Rolle spielen, die wir gar nichthätten abdecken können. Irgendwelche bundesweiten Orga-nisationen lehne ich sowieso eher ab. Das funktioniert bes-ser, wenn der Osten alleine was untereinander klarkriegt.

Martin: Auf alle Fälle ist für uns die Ostvernetzung besser,wichtiger. Trotzdem begrüße ich immer noch eine bundes-weite Organisation. Es gibt im Westen viel mehr Diskussio-nen als im Osten, und aus der Entwicklung der linken Szenein Westdeutschland läßt sich auch eine Menge lernen.Außerdem organisieren sich die Faschos ja auch in Ost-West-Zusammenhängen. Die Nazi-Parteien, die es hiergibt, die sind ja nur Ableger von Westparteien.

Axel: Bei uns wurde vor allem der Aufwand kritisiert, dendie Westler betreiben wollten, um so eine Organisation auf

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Wir brauchen eine verbindlichere Struktur

Interview mit der Antifa Bonn/Rhein-Sieg

Die Antifa Bonn/Rhein-Sieg ist in den letzten Jahren zu ei-ner festen Organisation gewachsen. Sie ist aus einem antifa-schistischen Plenum und den seit 1989 in der Region ent-standenen autonomen Antifa-Jugendfront-Gruppen hervor-gegangen. Mit der Organisierung von Antifa-Gruppen ant-worteten linke Jugendliche auf die überaus starke FAP-Prä-senz und die Untätigkeit autonomer Gruppen in den 80erJahren im Bonner Raum.

Wann kam es zur Herausbildung von Antifa-Strukturen inBonn?

Uli: Die Antifa Bonn hat sich Mitte der 80er Jahre wegender zunehmenden Nazi-Angriffe gebildet. Den letzten Aus-schlag gab ein brutaler Nazi-Überfall auf Punks, 1984. Indem Jahr danach begann sich die Antifa zu gründen. Das wareigentlich eine Entwicklung neben der bestehenden linkenSzene in Bonn. Unser Schwerpunkt war erstmal, den mili-tanten Nazis entgegenzuarbeiten. Die FAP ist in Bonn sehrstark. Sie hat hier einen ihrer größten »Gaue« und hat denStraßenterror in Bonn gesteuert.

Was meinst du mit »Entwicklung neben der Szene«?

Uli: Die Antifa hat sich damals parallel zu den autonomenInfoladenstrukturen entwickelt. Es gab natürlich vielfältigeBeziehungen, auch gemeinsame Demos und Aktionen, aberes war schon eine eigenständige Organisierung.

Gibt es dafür Gründe?

Uli: Die autonome linke Szene war von einem enorm hohenAnspruch geprägt, am liebsten alles auf einmal verändern zuwollen. Dabei ist dann praktisch aber so gut wie gar nix her-

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überhaupt kein anderes Feld mehr als die Straße. Und wodas hinführen kann ...

Anmerkung:1 Kleinstadt im Süden des Landes Brandenburg, etwa 40 Kilometer

von Guben entfernt und auch an der Grenze zu Polen gelegen.

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dieser Schwerpunkt, gegen die gewalttätigen Neofaschistenvorzugehen. Es wurde Recherche-Arbeit gemacht, also dieNazi-Strukturen ausgeleuchtet, und sich den Nazis militantentgegengestellt. Neben diesen ganzen Demos gegen Rep-Veranstaltungen und kleineren Scharmützeln war es beson-ders wichtig, gegen die bekannten Nazi-Kneipen in derStadt was zu tun. Es gab Nazi-Kneipen, von denen aus re-gelmäßig normale Passanten, Linke und Ausländer angegrif-fen und zusammengeschlagen wurden. Es wurde dann imGegenzug versucht, sich die Nazi-Führer rauszugreifen. Dagibt es symbolisch sehr wichtige Geschichten, daß sich dreiAntifas z.B. einen Nazi-Chef herausnehmen und verprü-geln, und sein ganzer Anhang von zehn Mitläufern schaut zuund traut sich nicht einzugreifen. Bei deren autoritärerSruktur war das sehr wirkungsvoll.

Rainer: Etwas anderes sehr Wichtiges war, daß die Nazis alsKristalisationspunkt bestimmte Uni-Feste wählten, um daauch von auswärts einzufallen. Die sind da offen aufgetretenund haben das Publikum richtig tyrannisiert. Wir haben unsdann, ich glaube, das war 1988, auch mit anderen Antifas zu-sammengetan, sind da hingegangen, haben Flugblätter ver-teilt und Nazi für Nazi rausgeprügelt.

Uli: Die Nazis liefen da in Montur und Abzeichen rum,nicht nur Bonner, sondern auch von der FAP aus Dort-mund. Die haben ganz direkt versucht zu rekrutieren, undbis 1990 haben die in Bonn auch jedes Jahr einen immergrößer werdenden Aufmarsch am 17. Juni veranstaltet.

Hat die starke FAP-Präsenz in Bonn etwas damit zu tun, daßKühnen aus Beuel kam?

Rainer: Hier in Bonn war immer der Busse-Flügel1 aus-schlaggebender. Das sind Figuren wie Ralf Tegethoff ausBad Honnef-Aegidienberg, der hier einen starken »Gau«leitet.

Haben die Nazis eine nennenswerte Bastion an der Universität,oder wie kommt es, daß sie ausgerechnet auf Uni-Festen agierten?

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ausgekommen. Antifa hatte im Gegensatz dazu ein klar ab-gegrenztes Themenfeld (das damals vielleicht noch nicht sowichtig war wie heute) und die eigenen Ansprüche etwas tie-fer gehängt.Die linksradikale Szene war zu diesem Zeitpunkt hauptsäch-lich mit internen Diskussionen beschäftigt, diesen lähmen-den Richtungsauseinandersetzungen zwischen Antiimps undAutonomen, und das nicht nur hier in Bonn. Natürlich gabes noch inhaltliche Debatten, die wir auch aufgegriffen ha-ben, z.B. über Vergewaltiger, Sexismus und Patriarchat,aber die Form solcher Diskussionen war oftmals total de-struktiv, so daß im Endeffekt viele Gruppen daran zerbro-chen sind. Es hat Jahre gebraucht, daraus resultierende Spal-tungen wieder aufzuheben.Außerdem gibt es ein Problem mit dem linken Szene-An-spruch, wie man sich ausdrückt und gibt, den können ei-gentlich nur wenige erfüllen. Jugendliche, die von derHauptschule kamen und sich nicht so geschliffen aus-drücken konnten und diesen ganzen sexistischen Scheiß z.B.viel direkter ausdrückten, die waren von vornherein ausge-grenzt.

Und das war bei der Antifa nicht der Fall?

Uli: Es wurde versucht, die unterschiedliche soziale Her-kunft nicht zu so einem Spaltpilz werden zu lassen, sonderndie Diskussionen so zu führen, daß auch neue Leute ohnegroße Erfahrungen einen Zugang finden können. Denenwurde nicht gleich das ganze Glaubensbekenntnis abver-langt, »ja, ich bin gegen Rassismus, Sexismus, Faschismususw.«. Diese Überlegungen führten dann später auch zurEntstehung einer Antifa-Jugendfront in Bonn.

Eurem Anspruch nach habt ihr also erstmal Antifa als direkteAnti-Nazi-Arbeit verstanden?

Uli: Für uns bedeutet Antifa, als Teil einer linksradikalenBewegung einen Schwerpunkt zu setzen, an dem eine konti-nuierliche Arbeit möglich ist, und nicht einer Kampagnenach der anderen hinterherzulaufen. Für uns in Bonn war

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Also, das war richtig heftig, mit Straßenschlachten um achtUhr abends im Sommer, wo total viele Bürger auf der Straßewaren. Das war eigentlich auch unser erster größerer Erfolg,weil die Wirte des Lokals wegen dieser andauernden Randa-le dann die Konzession entzogen bekamen.

Uli: Viel von unserem Gruppenzusammenhalt kam zunächstvon diesen gemeinsamen Patrouillen und den direkten Ak-tionen. Aber es gab auch schon so erste Ansätze einer Öf-fentlichkeitsarbeit. Als Vorläufer von dem jetzigen Antifa-Info Rhein-Sieg haben wir bereits für das Berliner Jugendin-fo einen Bonner Lokalteil gemacht, der dann kostenlos anden Schulen verteilt wurde. Die Antifa ist dann relativ raschangewachsen, was natürlich auch zu einigen internen Wi-dersprüchen führte.

Was für Widersprüche meinst du?

Uli: Ja, dadurch, daß auch mehr Leute kamen, gab es auchgrößere Unterschiede und verschiedene Bedürfnisse. Einigewaren bereits politisiert, mit einem inhaltlichen Hinter-grund und mehr Erfahrung, weil sie eben schon vorher wasgemacht hatten. Aber es gab auch andere, für die erstmal dieAktion der Anreiz war mitzumachen und die auch zum Teilschulisch einen anderen Hintergrund hatten. Mit einem ein-zigen gemeinsamen Plenum war das nicht mehr zu fassen.Da fühlten sich auch die Jüngeren oftmals einfach überfor-dert und bevormundet. Als Ergebnis daraus entstandenmehrere Gruppen, oft auch nach lokalen Gesichtspunkten,in denen die unterschiedlichen Bedürfnisse besser geregeltwerden konnten. Da gab es eine Gruppe mit Älteren, diestärker inhaltlich arbeiten wollte, und es gab eine Gruppemit den Jüngeren, Unerfahreneren, und aus einem gegensei-tigen Bedürfnis sind da zwei von den Älteren reingegangen,um konkrete Aufbauarbeit zu leisten und die bisher gemach-te Erfahrung weiterzuvermitteln.

Und das hat funktioniert?

Rainer: Ja, es gab ein gemeinsames Vertrauenverhältnis.Wichtig war, daß auch total viel über die private Schiene

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Rainer: Also, die Feste hat der AStA organisiert und vieleNazischläger sind da so hingekommen wie vor zehn Jahrenetwa die Rocker.Aber zur Uni wäre dennoch zu sagen, daß es hier sehr vieleBurschenschaften gibt, die viele Veranstaltungen machenund auch Verbindungen zu organisierten Neonazis unter-halten. Eine schillernde Figur in diesem Spektrum ist sicherder »Extremismus-Forscher« Professor Knütter, der am Se-minar für politische Wissenschaften lehrt. Er ist einer derintellektuellen Wegbereiter des »Anti-Antifaschismus«. Sei-ne Bücher haben Titel wie »Deutschfeindlichkeit«, und un-ter seinem Mentorat hat ein Uni-Arbeitskreis Veranstaltun-gen mit dem Geschichtsfälscher David Irving und demrechtsradikalen Barden Frank Rennicke in der Universitätabgehalten.2

Wie gehen denn die Bonner Stadtpolitiker mit ihren Nazis um?

Uli: Bonn wird von der CDU regiert. Der ging eshauptsächlich darum, militante Auseinandersetzungen erstgar nicht sichtbar werden zu lassen. Die Auseinandersetzun-gen mit Neonazis wurden bis Anfang der 90er auch von derPresse konsequent verschwiegen, außer es ging gar nichtmehr. Man konnte nichts darüber lesen, ob nun Nazis Mi-grantInnen angriffen oder sie umgekehrt auf’s Maul beka-men. Das hat auch ein bißchen mit dieser Hauptstadt-Dis-kussion zu tun. Die Bonner hatten immer die Strategie ge-habt, einen auf heile Welt zu machen, und in Berlin tobt derMob ...

Rainer: Dabei war das eigentlich nicht zu übersehen. Dagab es zum Beispiel diese Kellerkneipe. Die hieß erst»Schlüssel« und später dann »Night-and-Day« hier mittenin der Innenstadt. Da hingen am Wochenende regelmäßigNazis rum. Das ging dann so weit, daß man mit roten Haa-ren an der Kneipe nicht mehr vorbeilaufen konnte, ohne Är-ger zu bekommen. Und da sind wir dann halt mit jugendli-chen Antifas auch jedes Wochenende Patrouille gelaufen,ein halbes Jahr lang, und haben uns mit denen rumgekloppt.

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Standardlook 1986 hieß: Bundeswehrhosen, Bundeswehr-stiefel, Lederjacke und eine möglichst ausgefallene Frisur zuhaben. Dazu dann noch das überkorrekte Szenegehabe: Al-les schön gerade reden und sich schön ducken, dann kannstdu auch nicht anecken ... Und da gab es halt auch welche, diedas nicht gemacht haben und zum Teil auch gar nicht konn-ten, weil sie auch anders sozialisiert waren, und die kamendann in der autonomen Antifa zusammen. Aber der Knack-punkt war die Gewalt auf der Straße, das Sich-Einlassen aufdie offene Auseinandersetzung mit den Faschos, mit allem,was an Vorbereitung dazugehört, auch Kampfsport, das warder Knackpunkt.

Also wurde euch von den älteren Autonomen eine Militarisierungvorgeworfen?

Manfred: Ja, Streetfightertum. Die Antifas waren nun maldie jüngeren und unerfahreneren in der Szene, und so wurdeeine mangelnde ideologische Grundlage für die militantenAktionen unterstellt. Konkret sah das dann so aus, daß dieJugendfrontlerInnen sich die Stadt alleine freiprügeln muß-ten.

Uli: Die linke Szene wohnt ja gerne in der Altstadt. Die be-wegen sich vielleicht 100 Meter am Tag zwischen Wohnungund Stammkneipe hin und her, und es stimmt schon, da be-gegnet man wahrscheinlich keinem Fascho. Aber was um dieEcke los ist, an den Schulen oder in anderen Stadtteilen ...

Nun sind die Autonomen in den 80er Jahren, von denen ihr euchabgrenzt, ja nicht gerade als die großen TheoretikerInnen ver-schrieen ... ?

Manfred: Naja, das war eben sehr stark aufgesetzt, hat abergewirkt. Und um keine Mißverständnisse aufkommen zulassen: Diejenigen, die in Bonn die Antifa aufgemacht ha-ben, kamen alle aus der autonomen Szene. Also, wir warenzum Teil an der Startbahn West oder in Wackersdorf aktivdabei. Aber wir brauchten eine verbindlichere, wenigeroberflächliche Struktur, gerade auch im Umgang unterein-ander, das war uns eben sehr wichtig, ob jetzt für Diskussio-

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lief, daß man auch sonst etwas zusammen gemacht hat undsich eben nicht nur auf den Treffen gesehen hat. Also, daß eskeine solche Trennung von privat und politisch gab. Ohnedas Umfeld, das die Antifa-Jugendfront damals geboten hat-te, wären die Leute auch wohl schnell wieder verschwunden.

Und wie haben sich die Gruppen untereinander koordiniert?

Uli: Als Modell ist dann ein Delegiertentreffen entstanden.Alle zwei Wochen treffen sich die Vertreter der Gruppen,um Diskussionen und Aktionen zu koordinieren. In denletzten Jahren konnten so nach dem oben beschriebenenMuster laufend neue arbeitsfähige Gruppen entstehen. Ge-rade im Zuge des Golfkrieges sind wieder viele neue dazuge-kommen ... Dieses Gruppenmodell ermöglicht einfach, dieverschiedenen Interessen stärker zu berücksichtigen. Es istauch gelungen, erheblich ältere Linke, die einmal Autonomewaren und dann aus Mangel an Perspektiven ausgestiegensind, für Antifa-Arbeit zu gewinnen. Also auch einige aus derautonomen Infoladenszene, die vorher in der Antifa keinenSinn gesehen haben, aber im Zuge der immer stärker wer-denden Faschisierung auch konkreter was tun wollten.

Was war denn die Kritik der anderen autonomen Linken an euchin den 80er Jahren, was machte denn den Unterschied zwischenBonner Antifa und Bonner Autonomen genauer aus?

Manfred: Wir hatten hier in Bonn konkret das Problem,daß die Faschos sichtbar wurden und offenen Straßenterrorausübten und wir damit vor der Frage standen, was wir jetztmachen. Es hat sich dann schnell eine kleine Gruppe heraus-gebildet, die das mit militanten Aktionen anging. Es gab halteine Diskrepanz zwischen dem eher praktischen, militantenAnsatz gegenüber den Faschos und dem eher theoretischender alten autonomen Zusammenhänge.Die waren ja alle sehr autonom, hatten ihre Kleiderkonven-tion, ihren Sprachkodex ... Du brauchtest ja nur ein paar Re-dewendungen draufzuhaben, dich auf eine bestimmte Artund Weise bei Treffen zu verhalten, und dann warst du Au-tonome/r. Diese ganze Oberflächlichkeit ... autonomer

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daß wir uns die Anerkennung mühsam erarbeiten mußten,so klopfen die Übriggebliebenen inzwischen auch mal anunsere Tür. Das hängt aber auch mit unserem verändertenOrganisationsansatz zusammen, daß wir langsam undschrittweise eine sichtbare Organisation wurden, die in derLage ist, öffentlich so zu agieren, daß niemand mehr dranvorbeikommt.

Manfred: Es gibt so einen nie eingelösten, aber in den 80erJahren oft ausgesprochenen Anspruch der Autonomen: glo-bal denken, lokal handeln. Das wurde nie verwirklicht, unddas versuchen wir jetzt zu ändern.

Aber gab es nicht anfangs ein Mißtrauen, auch aus anderen Städ-ten, gegenüber dem, wie ihr linke Organisierung betreibt, was ihrAufbauarbeit nennt, daß dies wieder zu autoritären Anleitungenführt?

Anne: Also, vielleicht sollte ich mal dazu was sagen. Ich binin einer Gruppe, die nun so seit einem dreiviertel Jahr exi-stiert. Wir waren alles Schülerinnen und Schüler, und dazukamen eben zwei von den erfahreneren Antifas. Da habenwir uns erstmal mit so allgemeinen Fragen auseinanderge-setzt wie Militanz und staatliche Repression. Wir haben Fil-me angeschaut und darüber diskutiert, was für uns sinnvollist, was wir selbständig gegen Faschos machen können. Undim Moment macht unsere Gruppe bei einer Kampagne ge-gen Kioske mit, die faschistische Zeitungen verkaufen. Mitt-lerweile ist es so, daß die Gruppe auch ohne die Älterenfunktionieren würde. Das sieht man schon, wenn die malfehlen. Und warum sollen schon gemachte Erfahrungennicht weitergegeben werden, warum sollen alle, die wie wirneu anfangen, die alten Fehler wiederholen?

Manfred: Ich glaube, es war ein prinzipieller Fehler der au-tonomen Szene, Selbstorganisierung damit zu verwechseln,daß sich alle vom Nullpunkt aus alles selbst erarbeiten müs-sen.

Uli: Im Grunde hat sich die autonome Szene teilweise ein-fach selbst belogen. Es gibt einfach immer schon Hierarchi-

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nen oder Aktionen. Diese autonomen Plenen waren immeroffen, so offen, daß wir gar nicht bemerkt hatten, daß da z.B.auch ein Bulle in der ersten Reihe mit dabei saß, der sich ir-gendwann durch seine Sachkenntnis selbst geoutet hat, undda fiel uns allen die Kinnlade runter. Der war eigentlich keinSpitzel, der machte halt beruflich was anderes als in seinerFreizeit, und da hat es uns erstmal gelangt, und wir habendie Gruppe dichtgemacht und uns klarere Kriterien über-legt.

Griffen die Nazis zu jener Zeit schon massiv MigrantInnen oderandere diskriminierte Bevölkerungsgruppen wie Obdachlose an?So, wie ihr es bisher dargestellt habt, waren es vor allem Linke ...

Manfred: Zu der Zeit gab es vor allem Angriffe auf Jugend-liche aus der Punk- und Independent-Szene. Alle Leute, diesich schwarz kleideten, waren potentielle Opfer. Das Feind-bild der Faschos konzentrierte sich auf Linke und Punks.

Uli: Ja, und gerade an den Schulen gab es harte Auseinan-dersetzungen mit den Rechten, und das hat die autonomeSzene gar nicht wahrgenommen.

Manfred: Weil sie eben auf die Autonomen in ihren Ghet-tos nicht rechnen konnten, sind die Jugendlichen zu uns ge-kommen und haben uns erzählt, wie übel es an den Schulenabgeht. Das ist so ein Bereich gewesen, wo wir als autonomeAntifa gesagt haben, wir organisieren jetzt eine Antifa-Ju-gendfront.

Hat sich denn, um auf die Gegenwart zu kommen, das Verhältniszwischen den übriggebliebenen Autonomen und der Antifa mitt-lerweile normalisiert?

Uli: Also, das ist ziemlich drastisch. Eine autonome Szenegibt es in dem Sinne eigentlich hier gar nicht mehr. Die An-tifa ist inzwischen die größte linksradikale Gruppe in derStadt, und natürlich gibt es noch andere kleine Gruppen, diegute Arbeit machen, aber etwas Faßbares, so eine autonomeSzene-Struktur mit öffentlichen Orten wie Infoläden undVolxküche, gibt es einfach nicht mehr. Und so bitter das ist,

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rücksichtigen. Gerade wenn Leute körperliche Auseinan-dersetzungen bislang nicht so gewohnt sind und selber zumersten Mal an etwas teilnehmen wollen, wo es möglich ist,daß was passiert. Mittlerweile gibt es aber ein ganz anderes Problem. So vieleAuseinandersetzungen mit den Faschos auf der Straße gibtes gar nicht mehr. Die laufen jetzt lieber so rum, daß man sienicht gleich erkennt, und ein Teil der Bonner FAP-Szenearbeitet inzwischen auf einem viel höheren Niveau, bundes-weit und mit guten Auslandskontakten. Die machen immernoch Sachen wie in anderen Städten auch, bloß laufen diehalt nicht mehr so rum ...

Manfred: Es gibt ein ausgesprochenes Innenstadtverbot vonder Antifa an die Faschos, an das sie sich die nächsten 2 000Jahre zu halten haben. Und dadran halten die sich auch, dasist ja eine Frage des Kräfteverhältnisses, und das ist eindeu-tig. Die können hier nicht mit kleineren Gruppen durch dieStadt ziehen und sich eine Kneipe nehmen. Was sie aber im-mer noch können, ist hier eine Demonstration anmelden.Bei ihrem letzten Versuch am 8.2.1993 waren sie mit 120Hanseln aufmarschiert, und die Antifa hat die Demonstrati-on verhindert. Und im Rahmen der Verhinderung ist hier inBonn auch zum ersten Mal die Polizei angegriffen worden.

Uli: Unsere Öffentlichkeitsarbeit ist ja mittlerweile viel bes-ser, die militante Demo hat den Bullen ziemlich Druck ge-macht, und die Auseinandersetzungen sind in der Stadt vielsichtbarer geworden. So sind die Bullen nun halt gezwun-gen, Naziaufmärsche im vornherein zu verbieten. Gegen dieRechten machen die überhaupt nur was, wenn sich die Ge-schichten nicht mehr totschweigen lassen.

Spielen Ereignisse, wie sie in Rostock passiert sind, eine Rolle,wenn es hier erstmals auch zu größeren Auseinandersetzungenmit der Polizei kam?

Manfred: Die Stimmung hat sich, gerade für viele Jugendli-che, nach Rostock ganz klar geändert. Eine auf den Demosganz oft gegen die Bullen gerichtete Parole ist ja dieses »Wo

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en, dadurch, daß ein paar erfahrener sind, dadurch, daß esLeute gibt, die mehr wissen, und das mußt du erstmal über-haupt feststellen, bevor du so was abbauen kannst. Es bringtnichts, einfach zu sagen: Weil wir alle ohne Hierarchien le-ben wollen, sind wir schon gleich. Damit lügt man sich nurin die eigene Tasche. Im Endeffekt hat die autonome Szenedadurch nur diejenigen ausgeschlossen, die eben nicht aufihrem Niveau reden konnten, die nicht einem gewissenÄußeren entsprachen ...

Und wie vermittelt ihr denn zum Beispiel die gemachten Erfah-rungen, wie sieht das aus etwa in bezug auf militantes Vorgehen?

Manfred: Gerade anfänglich, als es klar war, daß es einegrößere Häufigkeit an direkten Auseinandersetzungen ge-ben wird, haben wir in den Gruppen besonders darauf ge-achtet, verbindlich zu klären, wie weit wir hier gehen. ImKlartext: Daß wir es hier in Bonn nicht verantworten kön-nen und es auch ideologisch für falsch halten, Faschisten sozu verprügeln, daß sie danach nicht mehr aufstehen können.Wir gehen eben davon aus, daß du eine Gesinnung ändernkannst, aber eine körperliche Behinderung vielleicht niemehr. Und ein verantwortlicher Umgang mit Gewalt sollteuns auch immer von den Rechten unterscheiden. Wie ihreuch vorstellen könnt, ist das bei militanten Auseinanderset-zungen in der Praxis oft sehr schwer einzuhalten. Umgrößere Schäden zu vermeiden, gibt es so ein paar Kriterien,zum Beispiel kein Holz, wenn, dann Gummiknüppel usw. ...Manchmal läuft das auch auf einem recht niedrigen Niveau,aber dadurch, daß darüber Gespräche stattfinden, wird demim nachhinein wenigstens beigekommen. Dazu gehört aucheine gute körperliche Ausbildung. Wir haben unseren eige-nen Trainingsraum, und bei uns sind genug erfahrene Leu-te, die ihr Wissen und den richtigen Einsatz von verschiede-nen Techniken auch an Neue weitergeben können.

Uli: Es bleibt aber eine Gratwanderung, die auch nicht im-mer gelingt. Aber es wird sich auch viel Mühe gegeben, dieunterschiedlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse zu be-

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linken Hochschulgruppen gebildet, an dem die Antifa betei-ligt war. Darüber ist die übliche antirassistische Arbeit ge-laufen, also Flüchtlingsheime beschützen, Aktionstage in derInnenstadt usw. Wir stehen dieser Form von »Feuerwehr«-Politik aber kritisch gegenüber und haben versucht, etwasWeitergehendes zu entwickeln. Wir versuchen jetzt gerade,ein antirassistisches Infotelefon mit aufzubauen.

Inwiefern beinhaltet ein solches Infotelefon mehr als das, was ihrohnehin schon macht?

Anne: Es soll offener sein, damit es auch Leute benutzen,die sich nicht so organisiert haben wie wir. Damit alle leich-ter an wichtige Informationen herankommen, auch wir.

Was für Informationen sollen das denn sein?

Manfred: Das geht vom Nachbarn, der sonntags ein brau-nes Hemd anzieht und Marschmusik hört, über Beamte inden Ämtern, die AusländerInnen schlecht behandeln, hin zurassistischen Lehrern und Professoren; alles, was wichtig istund den Alltag vieler beeinflußt, damit man das auch malnamhaft machen und thematisieren kann.

Arbeitet ihr denn direkt mit Flüchtlingsgruppen oder organisier-ten MigrantInnen zusammen, sind in euren Gruppen auch Men-schen ohne deutschen Paß ... ?

Manfred: Ja. Und zu den Flüchtlingsheimen haben einigeaus der Antifa kontinuierlich gearbeitet. Manchmal ging esdabei auch um ganz praktische Sachen. Z.B., die Stadt hattesich geweigert, die Flüchtlingsheime mit ausreichend Feuer-löschern zu versorgen. Die wurden dann nachts besorgt.Oder daß überall ein Telefon ist. Es wurde geschaut, daß eskonkrete Ansprechpartner in den Unterkünften gibt, undgemeinsam für einfache Schutzmöglichkeiten gesorgt. Fallses zu Angriffen kommen sollte, gibt es Telefonketten, umfür eine Verteidigung mobilisieren zu können.Es gibt auch eine Sondernummer des Antifa-Jugendinfos zuRassismus und Flüchtlingspolitik in der BRD.

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wart ihr in Rostock?«. Denen nimmt niemand mehr was ab,und es wird eher von einer stillschweigenden Koalition aus-gegangen, die dann an solchen Punkten wie der Demonstra-tion, also wenn die Polizei Faschisten schützt, sichtbar wird.Uli: Nach Rostock gab es auch zum ersten Mal nach langerZeit wieder eine Scherbendemo, die auch konkret gegenEinrichtungen wie das Landgericht gerichtet war, wo Pro-zesse gegen Antifas stattfinden, während so Schweinereienwie in Rostock passieren. Für uns war es auch selbstver-ständlich am Tag X, bei der Abschaffung des Asylrechts, ander Blockade des Bundestages teilzunehmen.

Sichtbar als Antifa-Gruppe oder einfach als linke Demonstran-tInnen?Uli: Letzteres.

Warum nicht erkennbar als Antifa?Manfred: Regierungsviertel und Bannmeile sind eine »no-go-area«. Das ist Bullenzone, und wer da hinfährt und etwasbekannter ist, kriegt schnell was ab oder hat ein Verfahrenam Hals. Da sind wir etwas zurückhaltender geworden.

Seid ihr denn allgemein einem stärkeren Repressionsdruck ausge-setzt?Manfred: Die Behörden leiten mit großer RegelmäßigkeitVerfahren gegen Linke aus der Antifa und der autonomenSzene ein. Wegen den Demos gegen den Golfkrieg gab’seine ganze Latte von Prozessen. Zur Zeit stehen Prozessewegen Aktionen gegen die Reps in Bad Godesberg an, im-mer kleinere und größere Sachen, Landfriedensbruch, Kör-perverletzung und so weiter. Bonn ist halt eine kleine Stadtmit großer Bullendichte, da wirst du schon schnell mal er-wischt, beim Sprühen oder sonst irgendwas.

Um nochmal auf den vorigen Kontext zurückzukommen: Ihrgehört doch zu den Antifa-Gruppen, die in letzter Zeit auch ver-stärkt antirassistische Arbeit machen?Uli: Ja, nach Rostock hat sich in Bonn ein antirassistischesBündnis mit verschiedenen linken Gruppen, Linksradikalen,

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Wieder Soldaten und die dazugehörigen Kriegsberichter-statter in alle Welt schickt ...

Manfred: Oder als erstes Kroatien anzuerkennen ...

Uli: Und natürlich kommt auch der Aspekt dazu, daß jetztdie Verelendung in der DDR bewußt in Kauf genommenwird und der Rassismus der Bevölkerung von der westdeut-schen Regierung auch dazu benutzt wurde, wie man in Ro-stock sah, um das Asylrecht abzuschaffen. Aber es gibt ei-gentlich niemand, der die DDR toll findet und meint, daßalles wieder wie früher werden soll.

Manfred: Naja, es gibt schon welche, für die die DDR keinverteidigenswerter Staat war, die aber jetzt anfangen, diesemSystem hinterherzuheulen, von wegen der Kinderhorte undden anderen schönen sozialen Errungenschaften. Es ist dochtotaler Quatsch, die Legitimation eines Staates am Vorhan-densein oder Nicht-Vorhandensein von Kinderhortplätzenfestzumachen.

Nun gibt es ja Antifa-Gruppen wie die Antifa (M), denen eine ge-wisse Nähe zu orthodox kommunistischen Vorstellungen nachge-sagt wird. Mit denen arbeitet ihr zusammen. Tun sich da keineideologischen Schwierigkeiten auf?

Manfred: Also, erstens erkennen wir bei der »M« keine or-thodox kommunistischen Vorstellungen. Zweitens verste-hen wir nicht, wie man auf so was kommen kann, wenn manihre Veröffentlichungen liest. Und drittens gibt es an einzel-nen Punkten schon unterschiedliche Analysen und Vorstel-lungen, aber die sind Gegenstand gemeinsamer Diskussio-nen mit der »M« und in der AA/BO und nicht eines solchenInterviews.

Ihr beteiligt euch also an dem, was sich AA/BO (AntifaschistischeAktion/Bundesweite Organisierung) nennt?

Uli: Ja. Allerdings beteiligen wir uns nicht nur an derAA/BO, wir sind Teil der AA/BO. Wir haben zwar bei unskeinen einheitlichen ideologischen Ansatz, also, nicht weilwir jetzt darin den kommunistischen, anarchistischen, sonst-

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Haben sich nach 1989 und dem Anschluß der DDR eure politi-schen Positionen verändert, gab es bei euch eine Diskussion überdie alte DDR, oder ist das für euch ganz weit weg?

Uli: Das ist schwierig. Also, geographisch sind wir hier erst-mal näher an Brüssel als an Dresden dran, aber es spieltnatürlich schon eine große Rolle, weil die ganzen Entwick-lungen, die das ausgelöst hat, ja auch nicht vor dir haltma-chen.

Manfred: Es ist ja nicht so, daß nur die Mauer und die DDRweg ist, der ganze Ostblock und die Sowjetunion als politi-scher Gegenpol zum Westen sind verschwunden. Das gehtnicht an uns vorbei, das hat Konsequenzen, ob es nun umBosnien oder Somalia geht, und da kommen wir als Linkenicht drum ’rum, eine Position zu finden ...

Uli: Also, praktisch heißt das für uns auch, daß wir in denOsten gefahren sind, um da antifaschistische Aktionen zuunterstützen oder um sich einfach zu informieren. Es gibtauch Kontakte zu Antifa-Gruppen in der alten DDR.

Haben sich eure politischen Vorstellungen mit dem Ende der DDRverändert, oder ist für euch alles relativ gleich geblieben?

Uli: Es hat sich viel verändert, allerdings sind auch viele undsehr existentielle Sachen gleich geblieben. Es gab vorher aufder Welt Armut, Hunger, Ausbeutung, Unterdrückung,Kriege, Faschismus usw. Das alles gibt es auch heute noch,und das ist das Entscheidende. Deshalb können wir auch dieweinerlichen Linken, die in Hunderten von Reden undSchriften bejammern, daß seit 1989 alles ganz anders ist,nicht verstehen. Die Ausgangslage ist heute eine andere, un-sere politischen Vorstellungen haben sich dadurch nichtgeändert. Wie die DDR als Staat zu beurteilen ist, da gab esbei uns vor ihrem Ende unterschiedliche Positionen, und diesind heute immer noch unterschiedlich. Es gibt aber nie-manden, der die DDR als anstrebenswertes Gesellschaftssy-stem gesehen hat. Aber daß die BRD die DDR einfach mit übernommen hatund jetzt auch weltpolitisch eine ganz andere Rolle spielt ...

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Gruppen nur in etwas größeren Städten aktiv sind und hierauch mehr Möglichkeiten haben als in anderen Regionen,wo oftmals nur ganz wenige, manchmal nur Einzelpersonen,was machen. Über einen besseren Austausch können wir unsstärker unterstützen, so daß z.B. für alle Druckmöglichkei-ten vorhanden sind oder auch Leute, die nicht auf jedesTreffen fahren, über Mailboxen schnell an wichtige Infor-mation rankommen können und nicht aus der Struktur raus-fallen. Inhaltlich wollen wir weg davon, daß diese Auseinanderset-zungen um »Antiimperialismus«, »Kommunismus« oder»Anarchismus« weiterhin so schlagwortartig geführt wer-den. Wir unterstellen einigen, die mit diesen Begriffen her-umwerfen, gar nicht so genau über deren Inhalt Bescheid zuwissen. In der BO wollen wir lieber an konkreten Beispielenunsere Position klären. Natürlich können und werden wiruns nicht auf Dauer auf eine rein antifaschistische Arbeit be-schränken. Wie und in welchen Schritten dies geschieht,wird sowohl hier in Bonn als auch in der BO aktuell disku-tiert. Wir werden uns über die gesamten gesellschaftlichenAuseinandersetzungen Gedanken machen und auch an Ge-genentwürfen zum bestehenden kapitalistischen System ar-beiten, aber an eine inhaltliche Erweiterung werden wir unslangsam, und von unserer bisherigen Praxis ausgehend, her-antasten.

Haben wir jetzt noch etwas vergessen, was ihr noch unbedingt los-werden wollt?

Manfred: Ja, ich möchte nochmal auf die Frage zur DDRzurückkommen. Da müssen wir wohl alle Selbstkritik lei-sten, denn vor 1989 war die DDR schon recht weit von unsweg. Das hat uns aber nicht daran gehindert, sie zu beurtei-len. Die einen von uns haben die DDR (den Nebel derWestpropaganda im Hirn, Minenfelder an jeder Kreuzungusw.) für ein illegitimes Unrechtssystem gehalten, für dieanderen war sie bei aller Kritik ein, im positiven Sinne, so-zialistisches Land. Grundlagen für die eine oder andere Be-wertung gab es wenige, denn beide Positionen kamen durch

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was-istischen Ansatz sehen, sondern weil die AA/BO diekonsequente Weiterentwicklung unserer Politik ist. Also,sich erst lokal, dann regional und dann bundesweit zu orga-nisieren, betreiben wir aus praktischen Erwägungen heraus.

Und was ist mit dem »Antifaschismus auf antiimperialistischerGrundlage«, wie das die »M« zu formulieren pflegt? Schließlichist sie ja keine unwesentliche Kraft in der AA/BO, und eine ganzeReihe von Antifa-Gruppen haben ja auch schon abgewunken ...?

Manfred: Naja, wir finden nicht, daß die »M« »zu formu-lieren pflegt«, sie beschreibt lediglich einen Aspekt ihrerHerangehensweise. Das Wegbleiben einiger Antifa-Grup-pen mit dem »Antiimperialismus« der »M« oder andererAA/BO-Gruppen zu begründen, wäre recht einäugig. Erst-mal bleiben Gruppen weg, weil sie eine panische Angst ha-ben, sich überhaupt zu organisieren. Es gibt auch die Be-fürchtung, daß die Gruppen, die die BO machen, unter demDeckmantel des Antifaschismus jene antiimperialistischePolitik weiterbetreiben, die die Antiimps schon früher ein-mal in den Sand gesetzt haben. Wer allerdings die Politikder AA/BO verfolgt, wird sehen, daß diese Befürchtungenkeine Grundlage haben. Wer das heute der AA/BO weiter-hin vorwirft, führt anderes im Schilde. In der BO sind vieleverschiedene Gruppen, viele jüngere, die an diese ideologi-schen Auseinandersetzungen viel pragmatischer rangehenkönnen. Die wissen, warum eine bundesweite Organisierungnotwendig ist, und die wissen vor allem auch, wie man ver-hindert, daß irgendeine Gruppe ideologisch alles in eineRichtung lenkt.

Uli: Diese ganzen Auseinandersetzungen um Antiimperia-lismus oder sonstwie revolutionäre Organisation sind dochbloß so Scheingefechte, anstatt daß wirklich geguckt wird,was denn da dahinter steckt und wer sich da alles beteiligt.Einfach auf die »M« als eine der Gruppen zu schielen, istnatürlich viel bequemer.Ich denke, es geht darum, eine bundesweit sichtbare Orga-nisation aufzubauen. Es ist nun mal Realität, daß Antifa-

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Uli: Wir hatten es satt, in den Zeitungen immer von derguten Mitte, der Polizei und von diesen Gleichsetzungenvon rechten und linken Extremisten zu lesen. Und da habenwir halt begonnen, Presseerklärungen zu Aktionen der Anti-fa, zu Prozessen und Demos zu schreiben. Inzwischen ver-sorgen wir die Medien vor Ort regelmäßig mit unseren Pu-blikationen, und es hat sich gezeigt, daß zu einzelnen Jour-nalisten sich sehr wohl ein Vertrauensverhältnis entwickelnläßt. Es gibt ja immer welche, denen es auch zu wenig ist,den Polizeibericht, angereichert mit der Stimme einer An-wohnerin, als einzige Meldung zu bringen. Also, du läßt dasmit dem »imperialistischen Schweinesystem« mal weg undlieferst journalistisch verwertbare Hintergrundinformation.Dann gibt es zumindest auf der unteren Ebene der PresseJournalistInnen, die damit was anfangen können.Etwas anderes ist es mit dem Fernsehen und bundesweitenZeitschriften. Da haben wir schlechte Erfahrungen ge-macht, die sind doch meistens nur an den Jungs und Mädelsmit der Sturmhaube interessiert, die am besten noch vor derKamera die Keule schwingen. Da muß man eher vorsichtigsein.

Anmerkungen:1 Nach einem zweieinhalbjährigen Streit spaltete sich die FAP 1989

in einen sogenannten Kühnen-Flügel und einen Busse-Flügel. DieFAP von Busse steht für die dumpfe Version einer Hitler-Nachfol-gepartei. Sie hat 24 von 25 Punkten aus dem NSDAP-Programmvon 1920 übernommen.

2 David Irving leugnet die Massenvernichtung in Auschwitz und hatmittlerweile in der BRD Einreiseverbot, Rennicke ist ein neofaschi-stischer Liedermacher.

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indirekte und ideologisch gefärbte Informationen zustande,die nicht kritisch hinterfragt wurden. Wegen dieser Ig-noranz konnten wir natürlich auch nie erfahren, daß es inder DDR eine Opposition gab, Menschen wie Silvio Meier(den Nazis umbrachten), und eine Geschichte, mit der unsals AntifaschistInnen vieles verbindet.

Uli: Ich würde gerne nochmal was zur Öffentlichkeitsarbeitsagen, weil die für uns eine sehr wichtige Rolle spielt. Daseine ist zum Umgang mit den bürgerlichen Medien und dasandere zu den Antifa-Jugendinfos.Im Gegensatz zu autonomen Fanzines setzen wir auf ein an-sprechendes Layout, eine Vielfältigkeit von Texten, die in-haltlich noch nicht total ausgearbeitet sein müssen, dafüraber allein, wie sie geschrieben sind, schon interessant sind.Wichtig ist uns ein einfacher Zugang zu den Texten, also, esmuß nicht immer möglichst kompliziert und mit vielenFrendwörtern sein.

Und eure relativ professionell gemachten Zeitschriften werden vonden Jugendlichen auch gelesen?

Manfred: Ja. Wir kriegen viel Resonanz, und ohne jetzt an-geben zu wollen, beim Verteilen werden die uns aus denHänden gerissen.

Ihr verteilt die umsonst?

Uli: Ja, in einer Auflage hier von glaub’ ich so 3 500 Stück.

Anne: Also, bei uns auf der Schule werden wir zumindestimmer alle los. Und das siehst du schon, wenn’s nicht gele-sen würde, wären die Mülleimer voll.

Wie groß ist denn deine Schule?

Anne: Die hat rund 1 200 Schüler.

Und wie viele Jugendinfos verteilt ihr da?

Anne: 200. Mehr geht nicht, sonst kommen die anderenSchulen zu kurz.

Und der andere Aspekt, der Umgang mit den bürgerlichenMedien?

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Was hast du denn mit 14 im Kopf gehabt?

Interview mit den Edelweißpiraten aus Berlin

Antifa-Gruppen als Teil der bundesdeutschen autonomenSzene sind, wenn sie nur lange genug bestehen, auch den all-gemeinen Entwicklungstendenzen dieser Szene unterwor-fen. Am Hinderlichsten erweist sich dabei immer wieder,daß sich die Gruppen nach einer relativ offenen Gründungs-phase (auch der Not gehorchend) immer weiter abschottenund es besonders für Jüngere schwierig wird, in einem solchgeschlossenen Mikrokosmos ihren Platz zu finden. Ende der 80er Jahre trug dieser Erscheinung das Konzeptder Antifa-Jugendfront Rechnung. Zu Beginn der 90er Jah-re öffnen sich Gruppen, die sich »Edelweißpiraten« nennen,vor allem für 12- bis 15jährige. An manchen Orten wurdendiese Gruppen anfangs von den »Älteren« mit einem gewis-sen Mißtrauen betrachtet. Im November 1993 sprachen wir mit Berliner Edelweißpi-raten über die Grundidee und die Ziele dieser Organisie-rung.

Wer und was sind die Edelweißpiraten?

Sebastian: Entstanden ist die Gruppe aus einer Clique, diezusammen rumgehangen hat. Zum Teil waren das Leute,die vorher bei der Jugendfront waren und nun was Neuesmachen wollten. Das Pogrom in Hoyerswerda im Herbst1991 war für uns der Anlaß, gemeinsam mehr politisch zuarbeiten. Bei der Suche nach einem Namen für die Gruppesind wir auf die Edelweißpiraten aus der ersten Hälfte der40er Jahre gestoßen. Deren Konzept – gegen Nazis zu arbei-ten, aber auch daraüber hinaus zusammenzuhalten – ent-sprach dem, was auch wir wollten. Darum haben wir uns sogenannt. Der Altersdurchschnitt der Gruppe liegt bei unge-fähr 15 Jahren, nur wenige von uns sind bereits volljährig.

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organisieren. Ab dem nächsten Jahr werden wir in einem Ju-gendzentrum in der Innenstadt Räume nutzen können, woLeute abhängen und – wenn sie sich dafür interessieren –Antifas kennenlernen können. Dies wollen wir dann auchfür Jugendliche offenhalten, die sich nicht unbedingt vonvornherein als antifaschistisch oder links verstehen. Im Um-feld des Jugendzentrums gibt es sehr viele Hooligans. Wirwollen versuchen, auch mit einigen von denen zusammen-zukommen, um ihnen zu zeigen, daß man auch anders mit-einander umgehen kann. Viele Jugendliche sind doch froh,wenn sie mal für ein paar Stunden oder für ein Wochenendenicht bei ihren Eltern zu Hause abhängen müssen. Da ist soeine Möglichkeit eine Menge wert.

Thomas: Bis es die Eltern dann verbieten.

Den Umgang mit euch?

Sebastian: Es gab Eltern, die versucht haben, uns beim Sek-tenbeauftragten der Kirche anzuzeigen. Und nachdem dasnicht geklappt hat, sind sie zum Staatsschutz gegangen undhaben dort ihr Herz ausgeschüttet, haben alles, was sie überTreffpunkte und Mitglieder unserer Gruppe wußten, ausge-plaudert.

Hatte das Folgen?

Sebastian: Es gibt eine Kampagne gegen den Verkauf vonNazi-Zeitungen. Im Zusammenhang damit ermittelte dieStaatsanwaltschaft wegen einer angeblichen Bedrohung vonZeitungshändlern gegen uns. Die Verfahren sind zwar ein-gestellt worden, weil keine Nötigung vorlag, aber die Bullenhaben von sich aus weiterermittelt. Seit zwei Jahren wird dieAntifa-Demonstration in Halbe unter anderem mit der Be-gründung verboten, daß wir dazu mit aufgerufen haben –wir hätten schließlich die Händler bedroht.

Im Zusammenhang mit dem Namen eurer Gruppe habt ihr vor-hin von den Edelweißpiraten der vierziger Jahre gesprochen. Istmit der Namensgleichheit auch ein dirktes Anknüpfen an derenTradition verbunden?

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Worin unterscheidet ihr euch von anderen Antifa-Gruppen?

Sebastian: Auch wenn uns die Antifa-Arbeit sehr wichtig istund wir uns klar als Linke sehen, geben wir uns doch nichtals revolutionäre Jugendbewegung aus. Dafür ist einerseitsdie Zusammensetzung der Gruppe zu unterschiedlich, undandererseits würden Interessenten, die damit zunächst malnichts am Hut haben, nur abgeschreckt. Außerdem warenviele von uns mit der politischen Arbeit, die von sogenann-ten revolutionären, autonomen Antifa-Gruppen gemachtwird, ziemlich unzufrieden.

Warum?

Sebastian: Nach außen hin sind diese Gruppen oft sehr ab-geschottet und basteln an ihrem Mythos, ohne daß die ei-gentliche Arbeit viel Substanz hätte. Es werden große Revo-lutionsreden geschwungen, aber wenn du fragst, inwieweitantifaschistische, antirassistische Inhalte tatsächlich in dieBevölkerung getragen werden, sieht das oft mau aus. Dasliegt unserer Meinung nach vor allem an einer gewissen Ar-roganz den sogenannten Normalbürgern gegenüber, diesich dann in der Sprache dieser Gruppen ausdrückt. Bei-spielsweise halten wir »Deutschland, verrecke« für einefalsche Losung, weil dieses Land auch unser Land ist, indem wir was verändern wollen. Und das geht eben nicht ge-gen 99,9 Prozent der Bevölkerung. Diese Parole bedeutetdoch praktisch, sich als Szene völlig vom Rest der Bevölke-rung abzunabeln – und genau diesen Eindruck vermittelnviele Veröffentlichungen der Szene, deren Sprache die mei-sten gar nicht mehr kapieren. Vom Äußeren ganz zu schwei-gen. Wir wollten das anders machen.

Wie?

Sebastian: Unsere Arbeit ist nicht auf rein politische Dingebeschränkt. Mindestens genauso wichtig sind uns Kulturund Lebensweise. Jugendliche haben ja noch mehr im Kopfals nur Antifaschismus. Wir gehen oft gemeinsam zu Kon-zerten, einige von uns machen auch selbst Musik. Wir habenvor, demnächst Konzerte oder auch Straßentheater selber zu

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Gruppen unter dem Namen »Edelweißpiraten« gibt es ja nichtnur in Berlin.

Jörg: Es gibt größere Gruppen in zehn bis fünfzehn Städten.Insgesamt existieren bundesweit 30 bis 40 Gruppen – die so-genannten »Stämme« –, zu denen nochmal rund hundertEinzelmitglieder kommen. So sind die Epis in rund 150Städten präsent.

Arbeiten diese Gruppen unabhängig voneinander?

Jörg: Sie sind völlig autonom, trotzdem aber in ein bundes-weites Netzwerk eingebettet. Darüber wird vor allem diegegenseitige Unterstützung in technischen Fragen organi-siert. Was die Stämme im einzelnen machen, bleibt ihnenselbst überlassen, da gibt es keine übergeordnete Ebene oderso.

Wie arbeitet ihr mit anderen Gruppen zusammen?

Thomas: Wir haben einige Kontakte zu den »Falken«, weilsich da ein paar Mitgliedschaften überschneiden. Es gibtFalken, die bei den Epis sind, und umgekehrt. Unsere Grup-pe ist halt bunt durcheinandergewürfelt, der einzige ge-meinsame Nenner ist der Antifaschismus. Dabei ist der eineeben Christ, ein anderer glaubt an Anarchie, ein dritter fin-det alles beides doof. Die meisten sehen sich aber schon alsAnarchistInnen.

Jörg: Viele Eltern sehen lieber, daß ihre Kids bei den »Fal-ken« sind, quasi »unter Aufsicht« der SPD. Bei uns hättensie eher Angst, daß ihre Kids radikalisiert und in eine be-stimte politische Richtung gedrängt werden. Für die mei-sten Eltern ist ein autonomer Zusammenhang einfach kri-minell. Und »Antifa« wird eben oft mit »autonom« gleich-gesetzt. »Falken« – das hört sich halt eher nach Pfadfindernan, und da erlauben die Eltern dann auch mehr.

Und wie verhält es sich mit Antifa-Gruppen?

Sebastian: Das ist schwierig, denn viele aus der »Erwachse-nen-Antifa« behandeln die Edelweißpiraten wie einen Kin-

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Sebastian: Am Anfang hatten wir ein zu verklärtes, romanti-sches Bild der damaligen Edelweißpiraten. Nach 1945 gabes ja im Grunde zwei offizielle Bilder dieser Gruppen. In derDDR kamen sie überhaupt nicht vor, da gab es nur denkommunistischen und ansatzweise den sozialdemokrati-schen Widerstand gegen die Nazis. Im Westen wurdehauptsächlich der bürgerliche Widerstand um Stauffenbergwahrgenommen. Die Edelweißpiraten wurden in der BRD –wenn überhaupt – als kriminelle Gruppen dargestellt. Ande-rerseits gab es in der Bundesrepublik auch Veröffentlichun-gen, in denen die Edelweißpiraten als ganz toller antifaschi-stischer Zusammenhang dargestellt wurde, der zwar nichtprimär aus einem bestimmten politischen Bewußtsein her-aus entstand, sich aber aus der Situation entwickelt hat, qua-si der Not gehorchend. Dieses Bild ist vor allem von Linkengezeichnet worden.Wir haben uns eigentlich nie richtig in der Tradition dieseralten Gruppen stehend begriffen, aber bestimmte Überein-stimmungen mit unserer Situation und unseren Zielen sahenwir schon. Wir haben dann zu einigen alten Edelweißpira-ten und zu Menschen, die sich damit beschäftigt haben,Kontakt bekommen, und da hat sich das Bild doch relati-viert. Es gab damals auch Epi-Gruppen, die politisch be-wußt gehandelt haben, die Flugblätter gemacht haben, dieParolen gemalt haben und so weiter. Es gab aber auchGruppen, die nach damaligen Maßstäben wirklich eher demZuhältermilieu angehörten. Dazu kommt, daß die Gestapoab 1941 im Prinzip alle unkontrollierten Jugendgruppenpauschal als Edelweißpiraten bezeichnet hat. Uns wurdeklar, daß der alte Name »Edelweißpiraten« eher eine Be-zeichnung der damaligen Repressionsorgane war. Deswegenkann man sicher nicht sagen, daß wir in so einer Traditionstehen. Ganz bestimmten Grundzügen, nämlich dem Cli-quengedanken, fühlen wir uns aber schon verwandt. Auchdamals ging es nicht nur um Politik. Wobei natürlich unserepolitischen Möglichkeiten ganz andere sind. Deswegen läßtsich das auch schwer vergleichen.

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Handtasche fest ... Es gibt immer das Risiko, daß du mal einsauf die Nase kriegst. Mir ist es allerdings angenehmer, einbißchen aus der Rolle zu fallen. Das wiegt das Risiko auf.

Sebastian: Fast alle von uns mußten schon die Erfahrungmachen, selber angegriffen zu werden. Unter uns sind vielmehr von denen, die schon mal auf’s Maul gekriegt habenoder oder sich prügeln mußten, als solche, die es noch nichtmußten.

Worin liegen die aktullen Schwerpunkte eurer Arbeit?

Sebastian: Wir arbeiten in vier Bereichen. Der erste ist Öf-fentlichkeitsarbeit in verschiedensten Formen. Neben Flug-blättern machen wir auch eine eigene Zeitung, eigene Plaka-te und Graffities. Der zweite Bereich umfaßt unsere Bemühungen, mit rech-ten Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Dazu kommen drittens die Diskussionen, die wir unter unsführen. Indem wir unsere jeweils eigenen Erfahrungen auf-arbeiten, aber auch durch Gespräche mit Gästen versuchenwir herauszubekommen, wohin wir als Guppe wollen. Dasist für uns praktisch wie eine Weiterbildung. Und viertens beteiligen wir uns an Aktionen – Demos,Kundgebungen, Platzbesetzungen und ähnlichem. Je nach-dem, wie wir uns dazu in der Lage fühlen.

Mit rechten Jugendlichen zu sprechen, ist ja nicht ganz unum-stritten. Was versprecht ihr euch davon?

Sebastian: Es gibt zwei Voraussetzungen für solche Ge-spräche. Erstens mußt du eine Position der Stärke haben,von der aus du in so ein Gespräch gehst. Es ist wichtig, daßdu zeigst: Hier sind wir, wir sind gesprächsbereit, aber wirlassen uns nichts gefallen. Wir könnten euch halbtot schla-gen, wenn wir wollen, aber wir sind nicht so’ne Arschlöcher,und wir sind sogar bereit, mit euch zu reden. Nur so kommstdu in eine Position moralischer Stärke. Ohne sie machenrechte Jugendliche mit dir, was sie wollen.Und die zweite Voraussetzung ist, nicht mit organisiertenNazis zu reden. An die, die in der Nazi-Szene so weit drin-

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dergarten. Dagegen kannst du dich eigentlich nur durchSprüche zur Wehr zu setzen. Ich frage immer: Was hast Dudenn mit 14 im Kopf gehabt? Da werden viele Großmäulerschon verdammt ruhig.

Und bei der Antifa-Jugendfront ist das genauso?

Thomas: In Berlin ist der Kontakt nicht so toll, und bun-desweit gab es in der Vergangenheit auch einige Streitigkei-ten.

Warum ?

Thomas: Sie werfen uns zum Beispiel vor, daß wir gegenü-ber Rechten zu offen seien.

Sebastian: Im Grunde genommen stehen die Epis faktischzwischen Autonomen und Falken. Wobei wir für die Falkenoffiziell die autonomen Gewalttäter sind, und für einige Au-tonome haben wir halt eine viel zu offene Struktur. Trotz al-lem versuchen wir, mit möglichst vielen Gruppen zusam-menzuarbeiten. Allerdings nur auf lokaler Ebene. Einigevon uns gehen allerdings auch zu den Treffen der Abspal-tung von der »Antifaschistischen Aktion – Bundesweite Or-ganisierung« und zu Treffen der Jugendfront, aber mehr ausinformellen Gründen. Wenn es möglich ist, sind wir für einepunktuelle Zusammenarbeit immer offen. Das kann abernur gleichberechtigt laufen.

Habt ihr auch Kontakte zu Gruppen im Ausland?

Jörg: Ja, schon. Mit Gruppen in etwa 7 bis 8 Ländern gibt eseinen Austausch.

Wenn ihr so offensiv auftretet, mit euren »Edelweißpiraten«-T-Shirts an euren Schulen herumlauft, bekommt ihr dann Schwie-rigkeiten?

Thomas: Kommt drauf an. An rechten Schulen sicher. Diemeisten Jugendlichen machen sich darum aber keinen Kopf.Die meisten tragen ein »49-Shirt«, und wenn du das nichthast, bist du halt ein Linker. Aber es ist schon so, daß manviel mit Vorurteilen zu tun hat: Da, der Dreckige, halt die

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wenigstens, daß du manche zum Denken angeregt hast, inwelche Richtung auch immer.

Die Mitglieder eurer Gruppe kommen ja aus beiden Stadthälften.Schafft das Probleme?

Jörg: Politisch gar nicht. Es tauchen schon Unterschiedeauf, aber die sind, denke ich, eher eine Bereicherung. Ich er-fahre da neue Sachen, wie es halt im Westen so war. So er-gänzt sich das eben gegenseitig.

Gibt es noch etwas, was euch wichtig wäre, bisher aber noch nichtangesprochen wurde?

Sebastian: Wichtig ist innerhalb der Gruppe, daß die Ju-gendlichen Selbstvertrauen kriegen. Die meisten, die zu unskommen, sind noch sehr jung. Wir versuchen, sie in dieLage zu versetzen, Dinge selbst einzuschätzen. Sie dürfenSachen nicht einfach nachplappern, sondern sie sollen ler-nen, selber zu Ergebnissen zu kommen, indem sie eigeneErfahrungen machen. Ihre Persönlichkeit soll sich ent-wickeln und/oder weiterentwickeln, das ist für uns wichtig.Im Laufe der Zeit müssen sie zu der Situation um sie herumeinen eigenen Standpunkt finden. Da passiert es dann auchöfter, daß einige sagen, das ist mir zu wenig, oder sie wollenmit unserer Arbeit gar nichts mehr zu tun haben, wollen lie-ber Musik machen und die Gruppe verlassen. Das ist auch inOrdnung so. Ich wundere mich ehrlich gesagt darüber, daßdoch so viele in der Gruppe bleiben. Denn wenn Jugendli-che sich entwickeln, müßte ihnen eigentlich unsere politi-sche Arbeit ab einem gewissen Punkt nicht mehr ausreichen.Andererseits hilft uns das natürlich, unter uns zu ernsthafte-rer Organisierung und größerer Verbindlichkeit zu kom-men.

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stecken, daß sie dort die Ideologie bereits gefressen haben,kommst du nicht mehr ran.Es geht ja im Grunde darum, den Rechten nicht die ganzeJugendorganisierung zu überlassen. Es gibt eine rechtsradi-kale Jugendbewegung in Ost- und immer stärker auch inWestdeutschland. In vielen Dörfern und Kleinstädten do-minieren Rechte die Jugendeinrichtungen. Dem muß mansich stellen.

Habt ihr konkrete Erfahrungen mit solchen Gesprächen?

Sebastian: In einem Vorort von Berlin hatten einige vonuns an der Schule Ärger mit Hools und unorganisiertenRechten. Da sind wir dann mit ein paar Epis hin und habenden Glatzen klargemacht, daß so etwas nicht akzeptiertwird. Es ist ihnen nichts passiert, aber Angst hatten sieschon. Gleichzeitig haben wir aber auch angeboten, sich malzusammenzusetzen und vernünftig miteinander zu reden.Das Ziel war, in der konkreten Situation die Eskalationzurückzunehmen, denn unsere Leute dort hätten das aufDauer einfach nicht ausgehalten. Und es hat funktioniert.Die Zahl von rechtsorientierten Jugendlichen geht an dieserSchule zurück. Die immer noch so drauf sind, haben zwarimmer noch eine große Klappe, aber sie machen keine Ak-tionen mehr.

Was habt ihr in den anderen Bereichen eurer Arbeit erreicht?

Jörg: Unsere Kampagne gegen Nazi-Zeitungen war relativerfolgreich. In Berlin werden diese Zeitungen seit einemhalben Jahr von über der Hälfte der Kioske nicht mehr ver-kauft beziehungsweise nicht mehr offen verkauft. In dieKampagne haben sich mittlerweile auch so viele verschiede-ne Gruppen eingeschaltet, daß es längst keine Epi-Aktionmehr ist, auch wenn wir das angeleiert haben.

Sebastian: Der Erfolg von Öffentlichkeitsarbeit hingegenist kaum meßbar. Wenn du ein Flugblatt verteilst, und dukriegst hinterher zehn oder zwanzig Antworten, die Hälftedavon zustimmend, die andere Hälfte sind zerrissene odermit Hakenkreuzen beschmierte Flugblätter, dann weißt du

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Auch im Alltag gegen Rassismus kämpfen

Gespräch mit einer Hamburger Fantifa-Gruppe

In Hamburg existieren mehrere Fantifa-Gruppen. Mit ei-ner, die sich erst 1992 gegründet hat, führten wir dieses Ge-spräch. Für die Hamburger Fantifas bedeutet es nicht mehrals eine »Momentaufnahme«, von deren Abdruck sie sicherhoffen, Frauen und Mädchen zu erreichen, die sich in »ge-mischten« Gruppen nicht wiederfinden und in der Fantifavielleicht eine Möglichkeit sehen, sich politisch eigenständigzu organisieren.

Erzählt doch einfach mal, wann, wie und warum ihr eure Grup-pe gegründet habt.

Beate: Wir haben uns im Herbst 1992 gegründet, das warkurz nach Rostock.

Petra: Die meisten von uns hatten aber vorher schon in »ge-mischten« Antifa-Zusammenhängen oder in Flüchtlings-gruppen mitgearbeitet. Meiner Meinung nach hat es keinenunmittelbaren Zusammenhang mit dem Rostocker Pogromgegeben ...

Beate: Ja, vielleicht ist das bei den einzelnen auch unter-schiedlich. Also, bei mir waren die Ereignisse von Rostockausschlaggebend. Vorher hatte ich in Richtung Antifa-Ar-beit nicht mehr allzuviel gemacht.

Was habt ihr denn vorher gemacht, und warum habt ihr euchdann als Frauen-Antifa organisiert?

Petra: Also, das ist bei allen unterschiedlich gewesen.

Renate: Aber bei fast allen war es so, daß in den »gemisch-ten« Gruppen, in denen sie vorher gearbeitet haben, sichziemlich starke Hierarchien herausgebildet hatten. Oft wares so, daß die Männer agiert haben, die Themen vorgaben,

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auch in anderen Frauenzusammenhängen, ist es eher so, daßimmer mal andere etwas übernehmen, einzelne etwas ein-bringen und auch mal mehr machen, sich das dann aber wie-der ändert und sich die Frauen abwechseln. Das halte ich fürziemlich wichtig, weil so hat jede die gleiche Verantwortungfür die Politik der Gruppe.

Beate: Mir geht es nicht darum, jetzt nur zu gucken, was daalles schiefgelaufen ist, oder jetzt zu sagen: Uh, ich will kei-ne »gemischte« Gruppe mehr, weil das Scheiße war und dasScheiße war. Wir waren einfach so und so viele Frauen, und wir wollenjetzt einfach ausprobieren, ob wir so vielleicht nicht besserzusammenarbeiten können. Uns geht es vor allem darum,für alles, was wir tun, unsere eigenen Maßstäbe zu setzen.Wir wollen uns als Frauen nicht mehr länger an irgendwel-chen Ansprüchen orientieren, die uns von außen, von einer»gemischten« Szene, vorgegeben werden.

Was meint ihr mit »irgendwelchen Ansprüchen einer ›gemisch-ten‹ Szene«, auf die ihr keine Lust mehr hattet, einzugehen?

Renate: Damit ist zum Beispiel auch diese »Feuerwehrpoli-tik« gemeint, also, irgendwo brennt es, oder irgendwas solllos sein, und dann müssen eben alle hinrennen. Ziemlich oftfühlst du dich dazu gedrängt, bei Aktionen mitzumachen,denen du in dem Moment vielleicht gar nicht gewachsenbist. Also immer »wichtig-wichtig-Handschuhe-anziehen-und-los«, und bloß nicht drüber nachdenken, was da eigent-lich warum gerade passieren soll ...

Ist das eine generelle Kritik an »Militanz«? Oder an der Art undWeise, was unter Militanz von bestimmten, ihr sagt »gemisch-ten«, Gruppen verstanden wird?

Renate: Also, für uns ist es so, daß wir meinen, es solltenicht darum gehen, wer am besten Kampfsport kann; daskann nicht das einzige Kriterium für eine militante linke Po-litik sein. Militant zu sein, heißt auf allen möglichen Ebe-nen, eben auch im Alltag, zum Beispiel gegen Rassismus zukämpfen. Direkte Konfrontation ist nur eine von vielen

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und daß sie allein für kritische Nachfragen schon kein Ver-ständnis hatten. Wenn ich in Frauengruppen was gemachthabe, war das viel einfacher; man konnte auf einer viel besse-ren Ebene diskutieren und seine Vorstellungen entwickeln.

Claudia: Die Arbeit in »gemischten« Gruppen orientiertsich häufig an irgendwelchen Leistungsmaßstäben, die oftvon Männern vorgegeben werden. Du hast dann die Wahl,an den vorgegebenen Sachen mitzumachen, oder du läßt eseben bleiben, aber dann hast du in der Gruppe auch nichtviel zu suchen und kannst es eigentlich gleich bleiben lassen.Und andere Themen, mit denen ich mich als Frau andersauseinandergesetzt habe, fallen dort kaum ins Gewicht. Eswird meistens nicht offen gesagt, aber die Unterteilung inHaupt- und Nebenwiderspruch, wichtig und unwichtig,scheint es da immer noch zu geben.

Du hast gerade von Leistungsdruck geredet ...?

Claudia: Ja, Leistungsdruck, durch den mögliche Entwick-lungen genommen werden.

Und wie vermeidet ihr den unter euch? Oder ist das eine blödsin-nige Frage?

Petra: Blödsinnig ist sie wahrscheinlich nicht, aber irgend-wie haben wir den nicht. Das ist uns gleich bei unseren er-sten Treffen aufgefallen, daß sich keine mehr lächerlich vor-kam, weil sie eine Frage gestellt hat, die ihr selbst saudoofvorkam, die sie woanders nicht gestellt hätte, weil knallrotwerden und ...

Beate: Ich finde es schwer, das kurz zu beantworten, weildas schon ausführlich beantwortet werden müßte, warumviele Frauen nicht mehr mit Männern in einer Gruppe zu-sammenarbeiten wollen.

Renate: In den »gemischten« Gruppen gab es immer so einMacker- und auch Mackerinnenverhalten. Einzelne habensich die ganzen Sachen, die es so zu tun gab, gekrallt unddurchgezogen, so daß du irgendwann gar nicht mehr hinter-herkommen konntest und rausgefallen bist. Bei uns, und

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Renate: Vielleicht wäre es wichtig, hier zu erwähnen, daß esunter den Fantifa-Gruppen eine Vernetzung mit regelmäßi-gen Treffen gibt. Hier werden auch Vorschläge für anste-hende Aktionen gemacht und darüber diskutiert, ob sich be-teiligt wird oder nicht.

Arbeitet ihr auch mit »gemischten« Zusammenhängen zusam-men? Oder arbeitet ihr generell nicht mehr mit Männern zusam-men?Petra: Bei uns läuft das eher zweischienig: Also, es gibt Sa-chen, die wir ausschließlich mit Frauen zusammen und an-dere, die wir in »gemischten« Zusammenhängen machenkönnen.Renate: Deshalb sind wir auch nicht unbedingt repräsenta-tiv für die bundesweiten Fantifa-Gruppen. Es gibt Fantifas,bei denen das ganz anders ist.

Wie anders?Petra: Die sich ausschließlich auf Frauen und Lesben bezie-hen. Die auch mit den »gemischten« Zusammenhängennichts mehr zu tun haben.

Und warum ist das bei euch nicht so?Petra: Erstmal lebe ich hier in der Szene, ich lebe mit Män-nern und Frauen zusammen, ich würde das für mich alsmerkwürdige Trennung ansehen, wenn ich politisch nur wasmit Frauen machen würde, obwohl ich in meinem Alltag mitMännern zu tun habe. Das würde für mich nicht hinhauen,zumindest im Momemt nicht.Beate: Einerseits haben wir viel Kritik an der »Szene«, an-dererseits gibt es aber auch Strukturen, die für uns nützlichsein können. Und wenn es halt von »gemischten« GruppenAktionen gibt, die wir gut finden, dann ist es ja auch sinnvollmitzumachen. Ich halte es schon für richtig, eigene Struktu-ren mit anderen Frauengruppen aufzubauen und trotzdemnicht die ganzen bereits vorhandenen außer acht zu lassen.Claudia: Einige von uns wollen auch inhaltlich noch wasmit »gemischten« Gruppen zusammen machen.

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Möglichkeiten, etwas zu verändern. Manchmal kannst duauch mit einer öffentlichen Aktion viel bewirken.

Beate: Was nicht heißen soll, daß es nicht Situationen gibt,in denen spontan gehandelt werden muß. Dabei ist es unsaber wichtig, die Grenzen, die jede von uns hat, einzuhalten.Daß du über Ängste offen reden kannst, macht einen Teilunseres guten Gefühls in der Gruppe aus.

Welche Konsequenzen hatte diese Kritik für eure Politik?

Claudia: Wichtig war für uns, erstmal zu sehen, wie wir unseigene Kriterien und Standpunkte erarbeiten können, unsdafür Zeit zu nehmen und eben nicht in allen aktuellen Dis-kussionen mitzumischen.

Renate: Um da voranzukommen, mußten wir uns erstmalauch theoretisch mit den anstehenden Fragen auseinander-setzen. Dabei haben wir in der Gruppe möglichst Texte vonfeministischen Frauen diskutiert, mit dem thematischenSchwerpunkt auf Rassismus und Nationalismus.

Beate: Wir streben eine andere Form von Antifa-Arbeit an.Uns geht es halt nicht nur darum, sich nur mit Faschogrup-pen auseinanderzusetzen, über die Recherche-Arbeit zu ma-chen. Wir fassen Antifa-Arbeit viel weiter, gegen die viel all-täglicheren Formen rassistischer und nationalistischer Poli-tik. Wir wollen nicht nur gegen offen auftretende Faschoswas machen, sondern eben auch gegen den Alltags-Rassis-mus der sogenannten Normalbevölkerung, und das hat danneben auch unsere theoretischen Diskussionen bestimmt.

Gibt es andere Fantifa-Gruppen, auf die ihr euch stärker bezieht,die bereits eine Praxis entwickelt haben, die dem, was ihr wollt, inetwa nahe kommt? Oder agiert ihr da auch in stärkerer Abgren-zung zu anderen Fantifa-Gruppen?

Petra: Na, in Abgrenzung schon mal auf jeden Fall nicht.Und stärker dadrauf beziehen ...? Also, es ist schon so, daß,wenn einzelne Gruppen einen Aktionsvorschlag machen,sich die anderen daran beteiligen, oder zumindest mehrereandere Gruppen.

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vom Zaun brichst, dir das vorher überlegt hast. Wenn dualso vor Bananen aus Südafrika stehst, und die eine steht daund will welche kaufen, und die andere kommt wie zufälligdaher und verwickelt dich in eine Diskussion und es ent-spinnt sich eine Kontroverse über Südafrika. Halt mit derZielrichtung, daß andere in dem Supermarkt das mitkriegenund sich eine allgemeine Debatte entwickelt. Also, über ei-nen einfachen simulierten Streit ein politisches Thema an-reißen und reintragen.

Claudia: Solche Aktionsformen werden doch immer nochvon vielen Polit-Leuten belächelt. So nach dem Motto: Dassind doch irgendwelche Kultursachen ... Sobald etwas nichtin die traditionellen Schemata paßt, kommt die Frage, wasdas mit Politik zu tun hätte. Demos und Flugblätter vertei-len sind okay, aber daß du mit solchen Aktionsformen wiedem »unsichtbaren Theater« vielleicht mal mehr erreichenkannst, das kommt den meisten erst gar nicht in den Sinn.

Es gibt ja aus Berlin das Papier »Ich bin doch kein Kampagnen-heinz«, was sich genauer ... Kennt ihr das?

Alle: Nein.

Das hat weniger mit Antifa-Zusammenhängen zu tun, sondernda wird, allgemein bezogen auf autonome Organisierung, dasbemängelt, was auch ihr kritisiert. Daß also immer hinterherge-laufen wird, daß Nazis immer hinterhergelaufen wird, von denAutonomen wie den Antifas. Und wenn es irgendein besonderesEreignis gibt, dann entsteht wieder eine Organisierung, mal sozwischendurch wie NOlympics in Berlin, aber wenn nichts ist,dann ist auch nichts. Dann fahren alle auf’s Land und lassen denlieben Gott einen guten Mann sein. Das habt ihr doch vorhin kri-tisiert und als »Schmoren-im-eigenen-Saft« bezeichnet?

Beate: Ich glaube, bei einigen Antifas liegt ein Problem dar-in, daß Antifa-Politik nur als »antifaschistisch« verstandenwurde und nicht auch als »antirassistisch« und »antisexi-stisch« und alle Aktionen daran orientiert waren, was du ge-gen Faschos machst. In dem Moment, wo du auch gegenden alltäglichen Rassismus vorgehen willst, mußt du ja

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Was heißt denn »eigene Strukturen aufbauen«?

Beate: Eigene Vernetzungstreffen haben, eigene Telefon-ketten, einfach, daß du halt selbst Bezugsgruppen hast, unddas nur unter Frauen.

Das geht also eher in Richtung Austausch mit schon bestehendenGruppen?

Beate: Ja, das habe ich gemeint, aber um dadurch auch nachaußen treten zu können, damit auch noch andere dazukom-men können. Ich weiß jetzt nicht, ob ich deine Frage richtigverstanden habe, aber im Moment geht es um einen Aus-tausch mit anderen vorhandenen Gruppen.

Du hast vorhin von der Kritik an »der Szene« gesprochen undhast das relativ weit gefaßt ... Renate: Unsere Kritik richtet sich ja dagegen, daß die auto-nome Szene und auch die Antifa-Bewegung doch so ziem-lich im eigenen Saft schmort. Das drückt sich auch durch dieArt, wie Aktionen oft durchgeführt werden, aus. Zum Teilist es ja notwendig, daß Politik wegen der staatlichen Re-pression auch konspirativ ablaufen muß, aber vieles könntedoch öffentlicher passieren. Wir haben Lust darauf, und dasgerade in den Frauen-Antifa-Zusammenhängen, daß daeben auch spektakuläre und mobilisierende Aktionen ge-macht werden. Insgesamt fällt es der Szene viel zu schwer,offensiver in die Öffentlichkeit zu treten. Beate: Es war auch so, daß wir keine Lust mehr hatten,ständig dieses Schema zu haben, auf Demos zu gehen, um ir-genwas zu blockieren, sondern daß wir uns auch mal wasüberlegen, was uns auch Spaß machen kann. Allein das Ele-ment Spaß bei politischer Arbeit ist den meisten doch relativfremd. Wir hatten zum Beispiel die Idee, so ein »unsichtba-res Theater« zu machen, um damit zu versuchen, unsere In-halte in einer alltäglichen Situation zu vermitteln.

Was versteht ihr unter »unsichtbarem Theater«?Beate: Das ist, wenn du in einer ganz alltäglichen Situation,z.B. in einem Supermarkt, halt eine Diskussion, einen Streit

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Habt ihr über über eine bundesweite Organisierung, etwa in derBO, geredet?

Petra: Nein.

Renate: Ich glaube, für uns steht auch erstmal die bundes-weite Organisierung der Frauen-Antifa im Vordergrund.

Petra: Allerdings bin ich auch bei einer bundesweiten Orga-nisierung dafür, zweischienig zu fahren, also einerseits nurmit Frauen und andererseits zusammen mit »gemischten«Gruppen. Aber so weit sind wir noch gar nicht.

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schon zu ganz anderen Aktionsformen schreiten. Du kannstja nicht irgendeinen alten Menschen verprügeln, weil er ei-nen doofen Spruch gebracht hat. Bei Leuten, die diese Pro-bleme sehen, hat sich natürlich auch der Faschismusbegriffverändert.Sehr viel Kraft und Zeit hat auch immer die Verteidigungder eigenen Orte und Zentren aufgefressen und auch zu ei-ner permanenten Selbstbeschäftigung geführt. So stand oft-mals das Gefühl, bedroht zu sein, im Vordergrund, und aufdas, was außerhalb der Szene-Welt passierte, wurde ebennur reagiert.

Kommen wir nochmal auf den Ausgangspunkt des Gesprächeszurück, auf die Gründung eurer Gruppe, zumindest zeitlich,nach Rostock. Habt ihr euch eigentlich mit der alten DDR, demAnschluß und der daraus resultierenden Veränderung der innen-politischen Lage in der alten BRD detaillierter beschäftigt?

Beate: So direkt eigentlich nicht.

Renate: Wenn, dann haben wir das eher in anderen Zusam-menhängen diskutiert.

Und habt ihr Kontakte zu Frauen oder anderen Antifas in derDDR?

Renate: Nein.

Ist das Zufall, oder habt ihr dafür Gründe?

Petra: Die Niederlande oder Dänemark sind von Hamburgaus auch nicht viel weiter weg. Ich könnte mir auch die Fra-ge stellen, warum ich in diese Richtung nicht mehr Kontak-te habe.

Beate: Ein Grund ist auch, daß wir als Gruppe noch nicht solange existieren und erstmal ziemlich damit beschäftigt wa-ren, zu anderen Frauen-Zusammenhängen in HamburgKontakte aufzubauen. Wir waren bisher auch nicht auf denbundesweiten Treffen. Solange wir vor Ort keine vernünfti-ge Organisierung hatten, wußten wir nicht, was wir auf sol-chen Treffen sollten.

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Der nationalistischen Stimmungentgegenstellen

Gespräch mit einer Antifa-Gruppe aus Halle/Saale

Ein eindeutiger Ursprung für die Hallenser Antifa läßt sichnicht benennen. Einerseits gab es in der größten Stadt Sach-sen-Anhalts bereits zu DDR-Zeiten junge AntifaschistInnenmit eindeutig autonomem Anspruch. Andererseits warenviele der heute noch aktiven Antifas in der sogenannten Auf-bruchphase der DDR mit der bürgerbewegten DDR-Oppo-sition verbunden. Wie häufig in der DDR der Zwischenzeit, differenziertesich auch in Halle diese allgemeine Opposition gegen »den(DDR-)Staat«. Während die »klassisch« Bürgerbewegtennach rechts rückten, politisierten sich die Ursprünge derheutigen Hallenser Antifa quasi zwangsläufig nach links.Diese Entwicklung vollzog sich natürlich immer vor demHintergrund der gesamten »Noch-DDR«-Gesellschaft, die,indem sie bundesdeutschen Bauernfängern nachrannte, denAnschluß der DDR an die BRD beschleunigte. Wie für viele andere Linke in der DDR, war dieser An-schluß auch für Hallenser Antifas ein persönlicher Rück-schlag, von dem sie sich bis heute nicht ganz erholt haben.Hinzu kommt die immer stärker werdende Konfrontationmit einer Staatsmacht, die in der alten DDR ihresgleichengesucht hätte.

Wie, wann und warum habt ihr euch gegründet?

Hans: Es war so, daß es in Halle schon zu DDR-Zeiten An-tifa-Aktivitäten gab und auch Leute, die gesagt haben: Ei-gentlich müßten wir eine Gruppe gründen, um die Sache soein bißchen zu organisieren. Als es möglich war, so eineGruppe offiziell zu gründen, haben wir gesagt, okay, das ma-

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Andererseits hatte Halle in der alten Republik den Ruf, daß hierein Rechter nicht unbedingt ein Bein auf den Boden kriegte.

Hans: Das stimmt auch. Aber dieses Skinhead-Vernich-tungskommando ist für mich schon wirklich ein Phantom.

Dirk: Soweit ich das beurteilen kann, war das wahrschein-lich mehr eine Sache nach dem Muster autonomer Kiez-Mi-lizen. So Grüppchen, die sich darauf konzentrieren, den Na-zis kräftig auf die Fresse zu hauen, und sich pro forma einenNamen geben, der so abschreckend wie möglich wirkt. Dashat ja immer ganz gut funktioniert bei den Faschos, wennman da so einen Namen erwähnt oder sie den irgendwo le-sen.

Ralf: Auf jeden Fall kann klargestellt werden, daß die Grün-dung unseres Vereins nichts mit dem SVK zu tun hatte.

Es spielte also für euch auch nie eine Rolle?

Hans: Das ist schwierig. Zu der Zeit damals, ’89, hatte ichProbleme damit. Ich dachte damals: Irgendwie hat eine neueZeit angefangen, und wir können es jetzt ja erstmal mit de-mokratischen Mitteln versuchen, so blöd das jetzt klingt. In-zwischen bin ich aber zu der Überzeugung gelangt, daß wirdie Faschos einfach militant bekämpfen müssen, weil es an-ders wahrscheinlich nicht möglich ist.

Warum hast du nicht mehr an die Möglichkeit der vorgeblich de-mokratischen Mittel geglaubt?

Hans: Das war ein Entwicklungsprozeß, den, so oder ähn-lich, viele durchgemacht haben. In der konkreten Situationdamals haben wir zum großen Teil versagt, weil wir Illusio-nen hatten. Wir haben praktisch in so einer Wolke gelebtund mußten erst begreifen, in was für eine Scheiße wir jetztreingeraten waren. Das mußten wir wirklich erst selbst erle-ben. Ich habe erleben müssen, daß in diesem Reformhausdrei, vier Bürgerbewegte saßen, die jetzt Landespolitik ma-chen. Die haben die Bürgerbewegungen eindeutig nur alsSprungbrett benutzt, um ihre Karriere zu starten. Dann hatman natürlich gemerkt, daß linke Inhalte immer schlechter

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chen wir jetzt. Um damit auch in die Öffentlichkeit zu kom-men, haben wir dann am 1. November 1989 einen richtigen,eingetragenen Verein gegründet, die Antifaschistische Akti-on Halle (AFA).Direkt in der Wendezeit gab es hier in Halle eine Mahnwa-che, bei der sich so ziemlich alles gesammelt hat, was sichOpposition nannte. Da waren wir von Anfang an auch mitdabei. Als die Bürgerbewegungen dann in Halle ein eigenesHaus, das Reformhaus, bekamen, sind wir da mit eingezo-gen und hatten deshalb schon Anfang ’90 als Antifa-Gruppeein Büro mit Telefonanschluß, was recht ungewöhnlich war.Zu der Zeit waren wir noch ein recht großer Kreis von rund30 Antifas. Dann wurden wir immer weniger, die Arbeit ver-teilte sich auf immer weniger Schultern. Es gab auch schonfrüh Streit mit denen, die sich Autonome nannten.

Worin bestand der Streit?

Hans: Zu dieser Zeit eindeutig die Gewalt. Die Autonomensagten: Wir müssen den Nazis auf die Fresse hauen. Wir alsAFA dagegen wollten das damals nicht. Gewalt gegen Men-schen, militantes Vorgehen gegen Nazis, fanden wir damalsganz, ganz schlimm. Wir waren in der Anfangszeit dochnoch ziemlich blauäugig. Wir wollten ganz klar nur politi-sche Arbeit machen, so mit all den Idealen, die man damalsso hatte.

Gerade in autonomen Zusammenhängen ist aber damals das soge-nannte Skinhead-Vernichtungskommando über Halle hinaus be-kannt gewesen.

Hans: Ich habe über das Skinhead-Vernichtungskommandodas erste Mal schwarz auf weiß in dem Buch von Farin gele-sen. Und habe dann krampfhaft überlegt, auch mit anderen,älteren Leuten, die das eigentlich alles hätten kennen müs-sen. Im Endeffekt war es so: Der Name ist zwar irgendwannmal rumgegeistert, es gab dann auch ein paar aus der Szene,die gesagt haben, sie wären das, aber erstens war das ’87 oder’88, und zweitens hat das, soweit ich das beurteilen kann,kaum eine Rolle gespielt.

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schon spürbar, und es gab eben auch schon einige, die be-wußt als Faschos auftraten. Ich persönlich war aber damalsnoch zu jung, um dagegen etwas machen zu können und umdie antifaschistische Heuchelei und offensichtlichen Wider-sprüche im DDR-Staat zu durchschauen.

Wurde es denn ’89 schlimmer in Halle, was Faschos anbelangt?

Hans: Eigentlich nicht. Ich denke aber auch, daß man dasnicht so trennen kann, in eine Zeit vor der Wende und ineine Zeit danach. Genau wie man die jetzige Situation inHalle, wo es ja anders ist als in vielen anderen Städten, nichtwiederum anders bewerten kann. Ich kann nicht sagen, ichmache nur dann Antifa-Arbeit, wenn mir das eigene Dachüber dem Kopf zusammenbrennt.

Dirk: Hinzuzufügen ist aber schon, daß mit der offiziellenVereinigungsdebatte und insbesondere ab 1989 eine natio-nalistische Stimmung, eine Identifikation mit Doitschland,allgegenwärtig war. Es war schon sehr schwierig, linke In-halte überhaupt rüberzubringen und sich offensiv gegen die-se nationalistische Stimmung zu stellen. Für die Nazis war essehr einfach, und sie konnten sogar Massenpropaganda be-treiben, wie zum Beispiel auf den Montagsdemos. Da konn-ten Reps und FAPler in aller Ruhe ihre Flugblätter an dieMenge verteilen.

Aber eure Politik hat sich von Anfang an nicht auf Antifa-Arbeitbeschränkt. Uns würde in diesem Zusammenhang interessieren,warum ihr euch dann nicht einfach als autonome (oder irgendeineandere linksradikale) Gruppe bezeichnet habt?

Hans: Die Zeit damals war nicht so, daß man überlegt hat:Werde ich nun Autonomer, oder werde ich jetzt linksradi-kal, oder werde ich vielleicht das, oder werde ich jetzt Anti-fa. Es gab zum Beispiel ’88 hier in Halle einen Fall, wo einFreund von mir ziemlich übel zusammengelegt wurde vondrei Nazis, die sich damals auch schon als solche bezeichnethatten. Gut, das wäre einer der Gründe gewesen. Es ist aberauch nicht so, daß ich nun unbedingt so ein Erlebnis brauch-te, denn es war im Osten ziemlich klar, daß sich eine ziem-

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rüberkamen. Anfangs lief es noch recht vernünftig im Re-formhaus, wir waren vollwertiges und gleichberechtigtesMitglied, doch irgendwann hieß es dann: Naja, das sind die,da muß man langsam vorsichtig werden. Da habe ich dann irgendwann gesagt, das ist nicht die De-mokratie, die ich mir vorgestellt habe.

Wart ihr ’89 gegen die Vereinigung?

Hans: Da gab es ziemlich krasse Auseinandersetzungen.Wir haben an diesen Montagsdemos teilgenommen – es wa-ren schon recht große Demos –, sie auch mit organisiert alsAFA und dort auch geredet. Dann gab es einen Zwischen-fall. Wir waren mit einem eigenen Block da, und irgendje-mand trug ein Schild »Kohl, dein Scheißfaschistenstaatkannste für dich behalten« oder so, ziemlich plump, aberdoch eine ziemlich klare Aussage. Daraufhin gab es übelsteAuseinandersetzungen, einige von uns wurden fast zusam-mengeschlagen auf der Demo, und ich glaube, am selbenTag haben wir dann auch ganz klar vor diesen vielen Men-schen gesagt: Wir sind gegen die Wiedervereinigung. Wirwurden natürlich ausgepfiffen, das war völlig klar. Es warhalt wirklich die Zeit, wo die Deutschlandfahnen dominierthaben.

Was hat euch schon zu DDR-Zeiten dazu bewogen, Antifa-Ar-beit zu machen?

Hans: Im Grunde war für jeden, der im Osten gelebt hat,die Entwicklung ziemlich klar abzusehen. Man wußte, daßsich Nazis in verschiedenen Städten organisierten, daß esmassenhaft Probleme mit Faschos gab, eben auch in Halle,die man zwar noch – ob nun Vernichtungskommando odernicht – relativ gut im Griff hatte, daß aber trotzdem gesagtwurde: Wir müssen irgendwie versuchen, was dagegen zumachen.

Dirk: Alle von uns haben ihren ganz persönlichen Weg, wiesie zur Gruppe gekommen sind. Die ganze Mahnwachenki-ste habe ich nur so am Rande erlebt, aber auch zu DDR-Zei-ten war eine aggressive Stimmung gegen alles »Fremde«

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wenig genutzt wurde. Da sind die Menschen endlich aufge-wacht – es wurden beispielsweise die ersten Häuser besetzt.Das war auch eine völlig witzige Zeit, ’89, weil man die Bul-len bei überhaupt nichts einplanen mußte, weil sie einfachnicht da waren. Ich denke, bis Mitte/Ende ’90 war das so,daß die Bullen einfach nicht reagiert haben. Die nächsteVeränderung kam dann Ende 1990, als die westdeutschenVerhältnisse hier eingeführt wurden. Ab da war natürlichauch die Bullensituation kraß verändert. Halle wird schonziemlich stark überwacht. Mittlerweile gibt es hier, sei esduch die Bullenpräsenz oder anderes, genauso viel Repres-sion wie im Westen.

Dirk: Illusionen gab es natürlich in der Einschätzung, wieder neue Staat mit politisch Andersdenkenden umgehenwürde. Doch das hat sich schnell geklärt, nach den erstenund massiven Auseinandersetzungen mit Bullen und Justizbei den Antifa-Demos in Wunsiedel 1990 oder bei denSchlachten um die Mainzerstraße in Ostberlin. Die Gewalt-frage hat sich auch durch praktische Notwendigkeit ent-schieden. Man mußte mit dem permanenten Faschostreß aufden Straßen fertigwerden und die Schläger aus der Innen-stadt vertreiben. Das ist uns in Halle ja auch ganz gut gelun-gen. 1991 gab es in Halle ein von Nazis besetztes Haus inder Kammstraße. Das war Anfang 1991 in Halle noch eineandere Situation als heute. Die Kammstraße war Anlaufpunkt für alle möglichen Fa-schos, vor allem auch für Kadernazis. Am 9.11.91 hatte dieAuseinandersetzung mit den Nazis in Halle ihren Höhe-punkt erreicht. An diesem Tag mobilisierten die verschiede-nen Nazi-Parteien und Gruppen im Bündnis zu einergroßen Demo nach Halle. Fast alle ihrer Führer waren ge-kommen, Küssel, Worch, Reisz, Althans, Irving usw. Wirkonnten zur Gegendemo ca. 2 000 AntifaschistInnen mobi-lisieren, die Faschos waren »nur« 400. Das war natürlich füruns sehr wichtig und ein enormer Erfolg. Ich glaube, dieseDemo war eine der wichtigsten in dieser Zeit und hat dasKräfteverhältnis klargelegt.

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lich starke Fascho-Szene entwickelt und daß schon in dieserWendezeit zu befürchten war, daß sich das weiterentwickelt.Darum gab es vorher schon einen Zusammenschluß vonLeuten, die gesagt haben, wir machen Antifa-Arbeit, wie im-mer das aussieht. Als wir damit auch öffentlich auftretenkonnten, wollten wir zunächst erreichen, daß diese Fascho-Szene keinen Zulauf mehr hat. Wir wollten zum Beispiel anSchulen gehen und dort aufklären. Auch aus der Motivationheraus, daß es eine ehrliche Aufarbeitung der Geschichte inder DDR ja nie gegeben hat. Im Grunde lief das aber bei unsalles ziemlich theoretisch zu der Zeit.Das Problem war damals doch, daß man auf der einen Seitewußte, daß es Kungeleien zwischen Stasi und Nazis gab, daswaren ja ziemlich offene Geheimnisse. Und auf der anderenSeite gab es solche Horrorurteile, daß jemand, der einenGrabstein umgeschmissen hatte, sechs oder sieben Jahre inden Knast mußte. Damals haben wir gesagt: Das ist Blöd-sinn, man muß ehrlich damit umgehen. Bei der Geschichte,die ich vorhin erwähnt habe, sind die Faschos verurteilt wor-den und in den Knast gegangen, aber natürlich nur wegenRowdytum. Der eindeutig rassistische Hintergrund hat beider Urteilsverkündung überhaupt keine Rolle gespielt. Mitdem Phänomen Neofaschismus wurde zu DDR-Zeiten ei-gentlich nicht umgegangen.

Dirk: Wichtig in dieser Zeit war eigentlich nur, daß unserAusgangspunkt ein antinationalistischer und antifaschisti-scher war und daß wir in einer unabhängigen Gruppe aktivwerden wollten. Der Name ist doch vom bloßen Wortlauther völlig egal.

Ihr habt davon gesprochen, daß ihr eure Illusionen verlieren muß-tet. Gibt es denn jemand von euch, der diesen Prozeß skizzierenkann?

Hans: Das Problem ist ja – und das kennt hier eigentlichauch jeder –, daß sich unser Leben praktisch zweimal verän-dert hat. Zunächst, nach dem Ende der DDR, gab es dieseoffene Zeit, wo jeder alles machen konnte, die aber viel zu

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Evelyn: Halle ist natürlich keine Insel im braunen Sumpf.Täglich werden auch hier Menschen aus rassistischen, sexi-stischen und faschistischen Gründen beleidigt und angegrif-fen. Im September 1993 sind zwei Obdachlose in Halle er-mordet worden. Aber wir haben in letzter Zeit keine stärke-re Organisierung hinter solchen Angriffen feststellen kön-nen. Im größeren Rahmen sind sie hier zuletzt nicht öffent-lich aufgetreten. Aber es gibt Hallenser Nazis, die immerwieder bei Angriffen in der Region und anderen Städtenauffallen.

Was sind denn momentan die Schwerpunkte eurer Arbeit, alsojetzt gegen Ende ’93, Anfang ’94?

Dirk: Zum einen gehen natürlich diese sogenannten Per-spektivdiskussionen nicht spurlos an uns vorbei. Aber dieseganzen Auseinandersetzungen um staatliche Repression,Nazismus, herrschende Europa- und BRD-Politik, geeigne-te Widerstandsformen, Anspruch und Wirklichkeit, Konti-nuität antifaschistischer Politik laufen oftmals leider nichtsehr offen. Vielleicht ist dafür auch der Rahmen noch nichtvorhanden, aber ein Haufen Leute haben daraus schon ihreKonsequenzen gezogen und arbeiten einfach nicht mehr mitAnsonsten versuchen wir uns natürlich besser zu organisie-ren. Bald sollen verschiedene Projekte anlaufen wie Theater,Begegnungsabende mit älteren AntifaschistInnen vom BdA,Veranstaltungen an Schulen. Wichtig ist auch die Öffent-lichkeitsgruppe, die politische Ansätze nach außen tragensoll, wodurch wir breitere und mögliche Bündnisse anstre-ben. Es ist ein Versuch, die Auseinandersetzung um Faschis-mus in all seinen Formen möglich zu machen, gerade auchin links-alternativen Kreisen.

Hans: Wir haben zum Beispiel auch gemeinsam mit demWehrdienstverweigererkreis, mit Frauen aus dem Frauen-café in Halle – das läuft über den UFV – und mit dem BdAgemeinsam eine Aktionswoche organisiert, wo jeden Abendzu einem bestimmten Thema eine Diskussion war oder einFilm lief.

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Hans: Das ist auch so was typisch Hallesches. Es gibt immermal Zeiten, wo die Nazis relativen Aufschwung haben, sichirgendwelche Sachen ausdenken. Dann gibt es aber auch ei-nen entsprechend starken Widerstand, was dann meistensdazu führt, daß die Fascho-Aktivitäten wieder abklingen.Das Manko in Halle ist, daß viel zu wenig kontinuierlich ge-arbeitet wird. In so einer Phase sind wir gerade jetzt wieder.Es ist so, daß wir damals, als die Kammstraße sich etablierthatte, relativ wenig Gefahr drin gesehen haben. Als dannaber klar war, das wird ein Kommunikationszentrum für dieNazis, darüber laufen überregionale Kontakte, haben dannviele Linke plötzlich sehr aktiv was dagegen gemacht. Eswurden massenhaft Flugblätter in der Stadt verklebt. Dannhatten die Nazis angekündigt, die größte Demo seit Dres-den hier zu veranstalten, zu der angeblich 2 000–3 000 Naziskommen sollten. In der Zeit haben wir unheimlich viel gear-beitet, vor allem, um die Antifa-Demo vorzubereiten. Aberim Endeffekt hat sich die Kammstraße von alleine aufgelöst.

Gab es in letzter Zeit hier in Halle Angriffe von Neonazis aufLinke, auf Obdachlose, auf Ausländer?

Hans: Nein, nicht in größerem Stil; kleinere Sachen dafürum so mehr.

Ralf: Und das sind Sachen, die unheimlich nerven. Es mußja jetzt nicht unbedingt ein 20köpfiger Faschotrupp sein,sondern es reicht ja aus, wenn ein Schwarzer mit seinerFreundin ins Kino rein will, und dann steht ein Fascho da-vor. Da passiert erstmal nicht groß was, aber das sind Dinge,die sich absolut häufen. Dazu kommt, daß das nicht dieüberzeugten Faschos sind, sondern häufig Jugendliche, dieeinfach nur so drauf sind.

Dirk: Vor zwei Jahren wußte man ganz genau, der Fascholäuft da, der hat eine grüne Bomberjacke an und Springer-stiefel und irgendwelche Nazischeiß-Aufnäher. Jetzt rennenganz viele Jugendliche in einem Fascho-Outfit herum, unddu erkennst nicht mehr auf den ersten Blick: Ist das nun nurMode, oder sind die wirklich faschomäßig drauf.

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Was war das für eine Geschichte?

Dirk: Das war, als von einem Mann aus Halle auf der Demoder Spruch kam: »Ob Ost oder West – nieder mit der Frau-enpest«. Wo es dann natürlich auf der Demo eine Auseinan-dersetzung gab, die in der Situation schon berechtigt war.Die Diskussion allerdings, die danach geführt wurde, nahmAuswüchse an, die wir nicht gerechtfertigt fanden. Wo Pa-piere mit einem Boykottaufruf für Halle im Umlauf waren,oder solche Geschichten, wo von zahlreichen anderen –westdeutschen – Antifa-Gruppen quasi ein Exempel statu-iert wurde nach dem Motto: Halle, das sind gänzlich allesSexisten. Der Tenor unserer Diskussion war, wir können diedogmatische Sexismus-Diskussion aus dem Westen nichteinfach so übernehmen.

Was verstehst du darunter?

Hans: Es gab ein Papier, das war kurz nach der Hof-Sacheverfaßt worden, die Initiative ging wohl von norddeutschenAntifaschistInnen aus, das kursierte, ohne daß wir davonwußten. Wir haben es jetzt erst vor kurzem gekriegt, als dieDiskussion schon hochgekocht war und wir überhaupt kei-nen Einfluß darauf hatten, außer zu sagen: Ja klar, das Dingist passiert ... Es war sicher Scheiße, daß wir nicht sofort reagiert haben,dort bei der Demo, daher war es für mich auch verständlich,daß die Frauen an Ort und Stelle versucht haben, den betref-fenden Typen da rauszuhauen, das ist keine Frage. Daß abereigene Leute von den Frauen auf die Fresse gekriegt haben,die damit wirklich nichts zu tun hatten, die danebenstandenund selber völlig geschockt waren, finde ich nicht gut, dasollte man auch drüber diskutieren. Allerdings wird in demerwähnten Papier auch eine Menge Unsinn behauptet. Esstimmt nicht, daß Hallenser schon lange vorher den Frauen-block provoziert hätten, es stimmt auch nicht, daß dann zweiReihen Machos aus der Demo rausgehauen worden wären.Als die handfesten Auseinandersetzungen begannen, war derMann, der diesen blöden Spruch abgelassen hatte, schon gar

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Heißt das, ihr arbeitet jetzt weniger direkt gegen Nazis?

Hans: Ich denke, wir sind an einem Punkt, wo wir gesagthaben, wir müssen eigentlich beide Sachen machen. Esreicht nicht, den Nazis, so weit wie es geht, auf die Fresse zuhauen und sich dann zu freuen, wenn sie mal wieder ein paarTage verschwunden sind, sondern wir müssen versuchen,öffentlich klarzumachen, warum wir das tun. Wir müssenrüberbringen, daß linke Politik nicht nur daraus besteht,Nazis zu hauen, sondern daß man damit was erreichen will.

Wie organisiert ihr euch selbst?Hans: Wir haben jetzt angefangen, ansatzweise eine Art Ar-beitsteilung zu entwickeln. Zum Beispiel eine Gruppe, dieÖffentlichkeitsarbeit macht, dann eine Gruppe, die sich ver-stärkt darum kümmert, Infos über Faschos zu sammeln, alsoschon eine klassische Recherche-Gruppe. Jetzt muß sich zei-gen, ob es gelingt, die Arbeit, die anliegt, wirklich zu vertei-len, weil es anders nicht möglich ist, oder nicht mehr mög-lich ist.

Ihr seid ja eigentlich eine »gemischte« Gruppe. Gibt es denn aucheine Frauen-Antifa-Gruppe in Halle?Ricarda: Es gibt keine reine Frauen-Antifa, und ich sehe esauch nicht als notwendig an, denn ich glaube, daß sich sowas nur aus persönlichen Erfahrungen heraus bildet. Ichhabe einfach kein Bedürfnis danach, in einer Frauen-Antifawas zu machen. Ich finde es eigentlich ziemlich gut in Halle,daß die unterschiedlichen Szenen miteinander können. Unddann gibt es ja auch noch das Frauencafé in Halle. Natürlichspielen auch feministische Diskussionen unter uns eine Rol-le, aber eher im Allgemeinen. Denn es ist nicht so, daß wirbeispielsweise mit den Männern in unserer Gruppe irgend-welche Probleme hätten. Und deswegen ist halt nicht so dieNotwendigkeit gegeben, sich damit so konkret auseinander-zusetzen. Dirk: Ich möchte mal zwei Sachen sagen. Zum einen gab eszwangsläufig eine große Sexismus-Diskussion nach der Ge-schichte in Hof im letzten Jahr.

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Habt ihr Kontakte zu Antifa-Gruppen aus dem Osten?

Dirk: Seit etwa einem halben Jahr versuchen wir, so eine Artregionale Struktur auf die Reihe zu kriegen. Innerhalb derRegion gibt es eine sehr gute Zusammenarbeit. Was natür-lich über die Region hinaus reger laufen müßte, ist der Er-fahrungsaustausch. Und da hat die westdeutsche Restlinkeirgendwie versagt.

Inwiefern versagt?

Hans: Ich denke, die Westlinke bzw. die westautonomeSzene muß sich den Vorwurf gefallen lassen, die sogenannteWende verpennt zu haben. Zu der Zeit gab es zu denen imEndeffekt keine politischen Kontakte. Nach meiner Mei-nung war das in Berlin am deutlichsten zu sehen. Wenn ichan den 20. April 1990 denke, wo der ganze Alex mit Faschosbevölkert war, das hätte einfach nicht sein müssen. DieWestler wohnten schließlich nur ein paar Hundert Meterentfernt.

Dirk: Klar waren auch die Linken in den Westzusammen-hängen nach ’89 total schockiert. Aber auf uns ist einfachniemand zugegangen. Niemand hat mit uns die Diskussiongesucht, und auf den ersten Treffen mit Westlern hatten wiroftmals den Eindruck, daß die überhaupt kein Interesse aneiner Zusammenarbeit hatten. Wahrscheinlich wollten dieWestler die veränderte Situation einfach nicht wahrhabenund einfach so weitermachen wie bisher. Aber Fakt wardoch, daß sich die Situation auch in Westdeutschland mit ’89wesentlich verschlechtert hatte. Jedenfalls hätte für uns vie-les leichter sein können, wenn wir auf Erfahrungen und Ein-schätzungen der westdeutschen Linken hätten zurückgreifenkönnen. Gerade im Hinblick der Hausbesetzungen und Ver-handlungen mit der neuen Staatsmacht wäre ein theoreti-sches Wissen über die zuvorigen Kämpfe und die Entwick-lung der Linken im Westen von Vorteil gewesen. Aber bisheute wird ja über diese Zeit kaum ein Wort verloren.

Wie stellt ihr euch zur Diskussion um eine bundesweite Antifa-Organisierung?

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nicht mehr da. Und daß dann auch noch behauptet wurde,daß es danach immer noch irgendwelche Anmachen gab, istabsurd, denn unsere Leute liefen nur noch mit gesenktemKopf. Diejenigen, die mit einzelnen Diskussionen Problemehatten, die gesagt haben, die Frauen spinnen doch alle undso, die haben sich doch sowieso verpißt, um ja nicht mehrdamit konfrontiert zu werden. Am Schluß des Flugblatteshieß es dann an unsere Adresse: Erklärt euch, nehmt Stel-lung, aber das Ziel kann nur so aussehen, daß ihr unsere An-satzpunkte übernehmt, ansonsten arbeiten wir nicht mehrmit euch zusammen.

Wie seid ihr damit umgegangen?

Dirk: Obwohl wir das Papier erst ziemlich spät gekriegt ha-ben, war die Diskussion natürlich nicht davon abhängig. Aufder einen Seite gab es einige, die gesagt haben, klar, wir müs-sen darüber diskutieren, müssen Stellung beziehen, weil esnun einfach mal 100 Prozent Scheiße war, was da lief. Es gababer auch welche, die gesagt haben: Na, da habt ihr’s doch,die Frauen spinnen doch sowieso alle. Ich denke, daß es de-nen durch das Papier und seine ultimative Forderung wirk-lich recht leicht gemacht wurde, zu sagen: Ja, die aus demWesten wollen doch sowieso nur, daß wir genau das sagen,was sie hören wollen, und daß dadurch nur ganz, ganz schwerwahrgenommen wird, was die Frauen eigentlich wirklichwollen. Das ist ein ganz blöder Punkt an der ganzen Sache.

Wie sehen denn ansonsten eure Kontakte zu Westgruppen aus?

Hans: Zum großen Teil läuft das über private Kontakte, diedann wieder in die Gruppe zurückgetragen werden. Es istnatürlich prima, wenn sich daraus über die Zeit eine politi-sche Zusammenarbeit der Gruppen entwickelt. Ab und ankommt das schon vor. Es ist halt sehr interessant zu sehen,wie sich die Antifa-Arbeit im Westen entwickelt hat, wiedort die Notwendigkeit entstand, antifaschistische Arbeit zumachen, oder zu sehen, wie sich dort die Bullensituationverändert hat. Also, das sind so Punkte, die sind für uns in-teressant.

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hen, und die schon mal bei den Wohnungen, zumeist jünge-rer Leute, vorbeischauen. Im Oktober 1992 gab es eine Raz-zia im Zentrum in der Kellnerstraße. Dabei haben sie gleich124 von uns »erkennungsdienstlich« mißhandelt. Aber un-ter Repression darf man nicht nur solche Geschichten ver-stehen. Der Druck durch die Medien, die permanenteGleichmacherei rechter und linker Gewalt, die offensichtli-che ungleiche juristische Behandlung von rechter und linkerGewalt, die öffentliche Denunziation und Kriminalisierungvon Antifa-Aktionen gehören ja zur Repression genausodazu, wie dann der direkte Zugriff selbst. Dagegen müssenunsere Strategien natürlich weiterentwickelt werden.

Inwieweit ist eure politische Praxis von eurem Alltag getrennt?

Dirk: Das geht doch gar nicht, bei der Menge an Alltagsfa-schismus, mit dem man sich tagtäglich auseinandersetzenmuß. Ich finde zum Beispiel am Kiosk die Nationalzeitung,haue die Verkäuferin an, was das soll. Hinter mir steht so einalter Opa, der dann auf einmal rumerzählt, ja, du hast ja garkeine Ahnung von Faschismus, wir haben an der Front alsdeutsche Wehrmacht gekämpft, und in Buchenwald saßennur Kommunisten und Juden. Und hinter ihm steht eineReihe von acht Bürgern, und keiner sagt was dazu. In derUni ist es auch schon Normalität, daß mir Burschenschaftlerbegegnen. Und nationalistische Wertediskussionen und de-ren Folgen spiegeln sich im Alltag doch fast überall wider.Außerdem: Was soll das für ein Antifaschismus sein, der ander Wohnungstür aufhört?

Wie stellt ihr euch die Perspektiven eurer Arbeit vor? Wo wolltihr hinkommen, mit dem, was ihr macht?

Ralf: In ein blühendes Land.

Hans: Ich wünsche mir, daß sich unter uns so eine Art Ar-beitsteilung entwickelt, um besser verhindern zu können,daß die Nazis hier Fuß fassen. Und dann natürlich auch dieArbeit mit anderen Vereinen, die muß sich unbedingt ver-bessern. Ohne daß wir uns anbiedern müssen oder politischePositionen um eines Bündnisses willen aufgeben.

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Hans: In Halle spielt das zur Zeit eigentlich keine Rolle.Wir waren zwar eine Zeitlang an den Bundestreffen betei-ligt, aber irgendwann hatte sich das erledigt. Ursprünglichfanden wir die Initiative relativ vernünftig. Aber die Diskus-sion, die nun seit fast zwei Jahren läuft, halten wir für ziem-lich unproduktiv.

Dirk: Es gibt natürlich Sachen, wo eine bundesweite Orga-nisierung und Zusammenarbeit unabdingbar sind, wo wirnatürlich auch mitarbeiten. Aber eine Organisation mit Mit-gliedschaft und Statut bringt uns, glaube ich, nicht sehr vielweiter. Wichtiger ist für uns derzeit, eine bessere regionaleZusammenarbeit hinzukriegen. Da ist auch die Möglichkeiteiner direkten und wirksamen gegenseitigen Ergänzung undUnterstützung eher vorhanden als auf bundesweiter Ebene.Und die Gefahr des Sich-selber-Verlaufens, in irgendwel-chen Diskussionen, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.Bundesweite Plenen haben ja manchmal schon den Charak-ter von Selbsthilfegruppen, und von konstruktiven Mitein-ander-Diskutieren kann in der Regel keine Rede sein. Si-cherlich gibt es eine Notwendigkeit, aber dazu muß erstnoch ein geeigneter Rahmen gefunden werden. Vielleichtkann der sich aus der Zusammenarbeit einiger Städte lang-sam herausbilden.

Ihr habt vorhin einmal angedeutet, daß ihr unliebsame Erfah-rungen mit den neuen Ordnungskräften gemacht habt. Hat sichder Repressionsdruck auf euch in Halle in letzter Zeit verstärkt?

Dirk: Natürlich hat sich der Repressionsdruck seit Mitte ’92erhöht und mittlerweile dem Westniveau angeglichen. Dasist an der stärkeren Polizeipräsenz im Sraßenbild schon er-kennbar. Bei öffentlichen Anlässen, Veranstaltungen,Straßenfesten etc. wird die Stadt heute von einem massivenBullenaufgebot richtiggehend belagert. Das war zuletzt so,als Volker Rühe hier öffentlich neue Rekruten vereidigteund sie mit Störungen rechnen mußten.Dann gibt es hier in Halle auch eine Staatschutzabteilung,die selbstredend versucht, gegen AntifaschistInnen vorzuge-

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Historisch unbelastet

Gespräch mit AntifaschistInnen aus der Schweiz

In der Schweiz gibt es im eigentlichen Sinne keine überre-gional organisierte und kontinuierlich tätige Antifa. Die au-tonome Szene ist jedoch überregional lose miteinander ver-netzt und führt, den örtlich variierenden Bedingungen ent-sprechend, Antifa-Aktionen durch. In dem Gespräch disku-tieren autonome Linke aus verschiedenen Städten derdeutschsprachigen Schweiz ihre Ansätze und ihre bislanggemachten Erfahrungen.

Was für Auseinandersetzungen gab es in den 80er Jahren mitNeofaschisten in der Schweiz? Gibt es auf der linken Seite so etwaswie eine Antifa-Organisierung, oder wie sieht das aus?

Theo (Zürich): Hier in der Stadt existiert momentan keineGruppe, die sich als Antifa bezeichnet. Es hat immer malsolche Organisationsansätze gegeben. Die sind aber mit denjeweiligen negativen Anlässen gekommen und wieder ver-schwunden. Als die rechten Skins massiv in der Stadt auftra-ten oder im Laufe der Anschlagserien auf die Flüchtlingsla-ger von 1989/90 haben sich Antifa-Gruppen gebildet, undals der Spuk vorbei war auch wieder aufgelöst. Diese Grup-pen hatten die übliche Anti-Nazi-Arbeit gemacht, alsoSchutz von Veranstaltungen, Recherche und präventive In-tervention gegen Skins und andere Faschos.

Und warum haben sich die Gruppen so schnell wieder aufgelöst?Nazis dürfte es doch auch in der Schweiz noch immer geben ...

Bert (Zürich): Sicher. Die Rechten sind heute sogar besserorganisiert als vor ein paar Jahren. Sie treten zwar nichtmehr so alltäglich und sofort erkennbar in Erscheinung,aber es gibt sie schon.

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Dirk: Wir müssen es schaffen, daß es eine bessere Koordi-nierung zwischen den Städten gibt. Das fängt bei den ein-fachsten Sachen an.

Hans: Ich kann mir schlecht eine Organisation mit Mit-gliedschaft oder so was vorstellen, aber eine intensive Zu-sammenarbeit ist unumgänglich.

Was sind für euch die Faktoren, die die Zunahme von neofaschi-stischer Bewegung und Anschlägen in der letzten Zeit ausge-macht, begünstigt haben?

Hans: Zunächst einmal diese Asyldebatte. Das sieht doch je-der, der ein bißchen die Augen und Ohren aufmacht. Hierwurde über Monate durch PolitikerInnen und Medien eingemeinsamer Feind konstruiert. Und die Pogrome von Ro-stock haben deutlich gezeigt, daß Polizei und Justiz aus poli-tischen Gründen kein Interesse daran haben, diese zu ver-hindern. Zumindest nicht immer.

Dirk: Es ist dieser verinnerlichte Trend in der Politik, dereinfach immer mehr auf einen autoritären Staat, auf Faschis-mus hinausläuft. Wenn ich mir zum Beispiel die Urteile vonRostock angucke: Das ist doch lächerlich, was da passiert.Fakt ist doch – und auch für die Nazis ist das ganz offen-sichtlich –, daß der Staat eigentlich kein Interesse hat, das zuverhindern. Und daß das die Leute anspornt, ist ja logisch.

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nicht abzuwarten, bis sie wieder was tun. Also, bei denenmachen wir auch mal in der Gruppe einen Hausbesuch,klopfen halt mal an die Tür ...

Tom (St. Gallen): Also, die Stadt, wo ich herkomme, St.Gallen, liegt ja auch ziemlich in Grenznähe, und da wurdenab und zu Punkkonzerte von Faschos angegriffen. Die ka-men auch aus Deutschland und Österreich rüber. Bei unsging es direkt darum, mit denen auf der Straße fertigzuwer-den, und das hat mit der Zeit auch geklappt. Heute ist es so,daß sich die Faschos in der Öffentlichkeit eher tarnen undmir aus unserer Region vergleichsweise wenige Angriffe aufausländische Menschen oder Linke bekannt sind. Wir versu-chen durch Recherche und Aktionen in letzter Zeit stärkerauf die organisierten Hintermänner zu gehen, um diese öf-fentlich zu machen.

Ist es allgemein so in der Schweiz, daß sich die Lage auf derStraße nach dem massiven Auftreten der Faschos und der An-schlagserie von 1989/90 wieder entspannt hat?

Kurt (Winterthur): Das ist regional sehr unterschiedlich.Winterthur ist z.B. so ein Spezialfall. Wir hatten 1989 hiereine starke Skin- und Fascho-Bewegung und die Gründungeiner neuen Nazi-Partei. Nach den zum Teil heftigen Aus-einandersetzungen waren die Nazis verschwunden, aberjetzt tauchen sie wieder auf. Die gleichen Leute sind auf ein-mal wieder da und versuchen, wieder offen als Faschos aufder Straße rumzulaufen.

Womit hängt das zusammen? Etwa weil eine antifaschistischeGegenwehr nicht mehr vorhanden ist?

Kurt (Winterthur): Nein, die ist ja gerade in Winterthurvorhanden. Also das, was gemeinhin als Hau-Drauf-Antifabezeichnet wird, also, die gibt es in Winterthur. Das ist un-bestritten. Aber wieviel das nützt und ob das nicht auch einGrund ist, daß die Faschos immer uns in Winterthurknacken wollen ... Die Skinheads kommen auch von woan-ders her nach Wintherthur zum Prügeln. Wir haben halthier immer die großen Schlägereien.

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Line (Zürich): Warum sich die Antifa im Raum Zürich auf-gelöst hat, ist auch nicht so klar. Es gab darüber nie eine öf-fentliche Kontroverse. Antifa-Arbeit hieß halt hier in denletzten Jahren: Wenn bekannt wurde, daß sich irgendwoNazis treffen und was vorhaben, dann hat sich ein relativbreites Spektrum von Linken zusammengefunden und hatkonkret was dagegen gemacht. Eine weitergehende Antifa-Arbeit, also kontinuierliche Recherche neofaschistischerStrukturen usw., das war mehr Anspruch und wurde ehervon Journalisten wie Jürg Frischknecht eingelöst. Viel be-deutender war hier die antirassistische Arbeit, die wurdekontinuierlich betrieben, und die gibt es heute noch.

Also wird bei euch antifaschistische Arbeit eher als ein normalerBestandteil linksradikaler, autonomer Praxis gesehen und keinespezielle Antifa-Organisierung betrieben?

Jacob (Bern): Auf Bern trifft das genau so zu. Wenn was an-steht, wird aus dem autonomen Spektrum Antifa-Arbeit ge-macht, also zeitweise und nicht kontinuierlich.

Kurt (Winterthur): Bei uns in Winterthur ist die Situationaber doch etwas anders. Wir hatten sehr viel Ärger mit Fa-schos und machen deswegen schon sehr viel mehr Antifa-Ar-beit. Wir machen auch eine konkrete Recherche-Arbeit, da-mit wir über deren Zusammenhänge Bescheid wissen. Aberwir machen das auch aus einem autonomen Szene-Zusam-menhang heraus. Linke Zentren, Kneipen und besetzteHäuser sind durch die Faschos gefährdet gewesen und bildenauch den Hintergrund für eine organisierte Antifa-Arbeit.

Franz (Winterthur): In Winterthur gab es sehr viele Aus-einandersetzungen mit offen auftretenden Nazis, vieleÜberfälle usw. Und wir kloppen uns mit denen, wo sie auf-treten, weil es anders keine Möglichkeit gibt. Aber ich den-ke, daß man aufteilen muß zwischen irgendeinem Skin, ei-nem saufenden Mitläufer und den wirklich politisch Akti-ven. Man muß wissen, wer bei den Nazis wirklich was zu sa-gen hat, dann ist es viel einfacher, dagegen vorzugehen.

Kurt (Winterthur): Bei führenden Faschisten braucht man

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das, daß sie gesagt bekommen, wer sie sind und wo sie zustehen haben.

Wie erklärt ihr euch die regionalen Unterschiede, was die Neona-zi-Präsenz angeht, in der Schweiz? Frischknecht schildert in sei-nem Buch z.B. Schaffhausen als absolute Nazi-Hochburg.

Kurt (Winterthur): In Schaffhausen spielt sicher der Ein-fluß aus Süddeutschland eine Rolle. Ich habe gehört, daßviele Saufparties auch von drüben organisiert wurden, undwas dabei sicher eine Rolle spielt, daß sie bei kleinerenStraftaten einfach nur ausgewiesen werden, deutsche Nazissich hier also Sachen erlauben können, ohne daß ihnen vielpassiert.

Also gibt es in den Grenzregionen zur Bundesrepublik eine fest-stellbar stärkere Zusammenarbeit zwischen ...

Jacob (Bern): ... ja, aber das wird jetzt ein bißchen zu platt.Was die aus Winterthur vorhin beschrieben haben, das ist jaauch diese Szenenvermischung, die es auch woanders gab. InBern siehst du das an der Zaffaraya-Bewegung, da war auchplötzlich eine eigene Subkultur entstanden, mehr aus einemgemeinsamen Gefühl als aus einer politischen Ideologie her-aus. Da gab es 1985 diese Platzbesetzung, und zwei Jahrewurde darum gekämpft, bis sie den geräumt haben. Gegendie Räumung gab es eine gefühlsmäßige Empörung der Be-völkerung, eine breite Solidarität für die Besetzer. Die Stadtwar richtiggehend gespalten. Bern ist eine kleine Stadt, hierleben 130 000 Menschen, und davon waren 10 000 einigeTage lang auf der Straße. Und das war auch ziemlich durch-mischt. Und es gab einige darunter, die da noch neben dirstanden und die du dann später bei den Faschos wiedergese-hen hast, die sich heute als Nationalrevolutionäre bekennen.Also erstmal ziehen bestimmte Momente einer Subkulturalle möglichen Leute an. Eine Faszination an der Revolteund einem anderen Lebensstil kann es ja auch bei denen ge-ben, die dann Rechte sind.Auch in linken Zentren in Bern wird es ab und zu Faschosgeben, die wir nicht kennen, die sich da umtun und sich

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Franz (Winterthur): Dazu kommt noch, daß wir in den ei-genen Reihen aufgeräumt haben. Es gab Nazis, die in linkenWGs gewohnt haben, aber ein rechtes Outfit hatten undrechte Musik gehört haben, ohne sich als Rechte zu beken-nen. Da gab es auch welche, die in der Alternativkneipe ge-arbeitet haben, und die sind dann überall rausgeflogen. Unddie sind dann auch direkt übergelaufen.

Kurt (Winterthur): Das war quasi so, da sitzt einer bei denLinken, und dann sitzt er zugleich am nächsten Abend beiden Rechten. Das ging einfach nicht mehr. Die mußten wirrausschmeißen. Es gibt auch Leute, die in besetzten Häu-sern gewohnt haben, mit uns gegen die Faschos maschiertsind und jetzt auf der anderen Seite sind.

Franz (Winterthur): Davon haben die Nazis natürlich pro-fitiert. Sie haben jetzt viele Informationen über uns, und dashat ihnen eine gewisse Sicherheit gegeben, was sie sich trau-en können und was nicht. Da waren einfach solche bei, diesich als Sharp Skins bezeichneten und von denen wir uns di-stanzierten. Da gab es so Geschichten, daß einer von denenin Ostdeutschland war und so Kollegen mitgebracht hat.Und dann stellt sich heraus, daß die in Rostock mit dabeiwaren, und sie faselten davon, es wäre nur gegen die Bullengegangen und so die ganze übliche Scheiße.

Habt ihr irgendwelche Erklärungen, wie es dazu kam, daß diejetzt bei den Rechten gelandet sind?

Kurt (Winterthur): Also, bei den krassen Fällen ist esschon so, daß die einfach eine Bestätigung gesucht haben.Die hatten eine große Klappe, sind mit rumgezogen, undwir haben sie, solange es ging, mitgezogen und alles mitein-ander gemacht. Und irgendwie haben sie es nicht auf dieReihe gekriegt und sind von vielen auch immer belächeltworden. Und jetzt versuchen sie in der rechten Szene dassel-be, um dort ihre Bestätigung zu kriegen. Das sind schonziemlich labile Charaktere.

Franz (Winterthur): Die Führersache ist sicher auch so et-was, was diese Leute halt anzieht, die festen Regeln und all

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einzelnen Städten und Regionen. Es gibt Hochburgen derFaschos wie in Schaffhausen, wo der Einfluß aus der BRDganz nah ist, und dann gibt es die Landgegenden. Z.B. hierin der Nähe von Zürich, im Kanton Aargau, gibt es dieseMutschellen-Front. Dort sind Figuren drin, die in der Ge-sellschaft total integriert sind, da sind auch die Söhne vonPolizisten drin, angesehene Nachbarn usw. Also, dieses neo-faschistische Gedankengut, das ist von breiten Kreisen inder Schweiz abgesegnet, das ist nichts Besonderes. Undwenn Jugendliche in kleineren Städten wie in Winterthuroder Schaffhausen sich in neofaschistischen Gruppen orga-nisieren, dann haben sie eine Basis, auf der sie arbeiten kön-nen, und von den Bullen werden die normalerweise nichtangefaßt. Da sind dann Angriffe gegen Flüchtlingslager, dieüberall vorgekommen sind, halt so kleine Jugendsünden,über die muß man nicht reden.In größeren Städten mit einer linken Szene ist das für dieRechten schwieriger, weil da schneller 50 bis 100 Leute zu-sammen sind und gegen die was machen. Aber den Herr-schenden paßt das natürlich, wenn da ihre strammen Söhnemal auf die Pauke hauen.

In den gößeren Städten passiert weniger, und deswegen gibt esauch weniger arbeitende Antifa-Gruppen als in den kleinerenStädten, ist das so richtig interpretiert?

Theo (Zürich): Rassistisch motivierte Übergriffe gibt esnatürlich hier auch. Auch von Jugendgruppen und Jugend-banden. Aber sie organisieren sich nicht wie Skinheads odereine richtige Nazi-Organisation.

Sondern?

Theo (Zürich): Hier gibt es z.B. die Home-Boy-Szene. Dassind oftmals Jugendgangs, die aus den Vorstädten kommenund die zum Teil in den Fußballstadien aktiv sind. Aber so-weit ich da Bescheid weiß, haben die nicht so ein geschlosse-nes Weltbild, und treten auch nicht so wie die Skins in Er-scheinung.

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eben auch irgendein Konzert reinziehen. Es ist nicht so, daßdie automatisch sagen, da gehen wir nicht hin, das ist nichtunser Ding, es berührt sich halt schon noch. Und dann finde ich es schon problematisch, wenn ihr euchin Winterthur so als die Hau-Drauf-Antifa darstellt. Dawundern mich gewisse Sachen nicht, die ich gerade auch vondeutschen Antifas kenne. Dieses Machogehabe und das teil-weise ja selbst uniformierte Vorgehen gegen Faschos, daszieht ja auch eine gewisse Szene an, und für mich gibt es daschon Verwandtschaften zu dem, wie Rechte auftreten.

Wie weit gehen denn diese »Verwandtschaften« deiner Meinungnach?

Jacob (Bern): Damit meine ich nicht diese billige Links-rechts-Gleichsetzung. Aber bei Bewegungen, bei denen aufder Straße so revoltemäßig viel los ist, da gibt es auch immerSachen, die für Jugendliche anziehend sind, und das läuft beiden Faschos nicht viel anders. Das ist erstmal eine unbe-stimmte Kraft, die 80er Bewegung war auch einfach interes-sant, endlich mal ausbrechen usw. ...

Also so eine Revolte-Haltung, aus der Gesellschaft ausbrechen zuwollen, würdest du erstmal für politisch relativ unbestimmt hal-ten?

Jacob (Bern): In großem Maße schon. Also im Anfangssta-dium geht es doch, zumindest teilweise, um den existentiel-len Bruch mit irgendwelchen Autoritäten, und das Ideologi-sche entwickelt sich ja dann zumeist erst. Damit habe ichjetzt noch nicht erklärt, warum sich zu bestimmten Zeitenmehr Jugendliche nach rechts oder nach links entwickeln.Aber ein emotionales Aufbegehren gegen die Verhältnissekann es auch bei Rechten geben und sie für einige attraktivmachen, und da kann es gerade in der Subkultur zu Vermi-schungen kommen. Einfacher ist es sicher mit den organi-sierten Faschisten und ihrem ideologischen Ding, die findestdu ganz woanders, die haben damit wenig am Hut.

Line (Zürich): Vielleicht sollten wir nochmal auf eure vori-ge Frage zurückkommen nach den Unterschieden in den

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Schläger von der Straße, politisch und organisatorisch stär-ker einzubinden.

Ist der parlamentarische Flügel der Rechtsextremen in derSchweiz denn nicht isoliert von den anderen parlamentarischenKräften?

Line (Zürich): In keinster Weise.

Jacob (Bern): Inhaltlich kann man das an der Verschärfungder Asylgesetzgebung sehen, da sind ganz klar die Parolender Rechten übernommen worden. In verschiedenen Ge-meinden gibt es Wahlbündnisse von Konservativen undRechtsextremen, daß z.B. die SVP mit den Schweizer De-mokraten oder auch mal mit der Autopartei gegen Rot-Grün koaliert ...

Also würdet ihr wirklich sagen, daß es nicht mal einen offiziellenAnschein gibt, die Rechtsextremen parlamentarisch zu isolieren?

Franz (Winterthur): Mehr oder weniger nicht.

Tom (St. Gallen): Bei der Anschlagserie 1989/90 war das jaauch so, daß es so gut wie keine behördlichen Ermittlungengab, und daß Faschos wie in Thun verurteilt wurden, ist dieabsolute Ausnahme. Die rechten Attentäter kamen in derSchweiz immer bei Nacht und Nebel, und es gab praktischnie eine Organisation, die das für sich gebucht hätte. 1989gab es einen krassen Fall in Chur. Damals verbrannten vierMenschen nach einem Attentat im Flüchtlingsheim. Ob-wohl hier ein eindeutiges Bekennerschreiben vorlag, es Totegab, sind die Ermittlungen verschleppt und dann einfach er-gebnislos eingestellt worden. Das läßt schon einiges vermu-ten.

Jacob (Bern): Die Schweizer müssen sich ja auch keinschlechtes Gewissen machen, wenn sie eine rechtsextremePartei wie die Schweizer Demokraten wählen. Das ist ganznormal. Man fühlt sich, im Gegensatz zu den Deutschen, hi-storisch unbelastet, man war ja neutral während des zweitenWeltkriegs usw. ...

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Sind das Gruppen, an die ihr versucht ranzukommen, oder sinddie schon zu stark ins rechte Umfeld integriert?

Tom (St. Gallen): Da muß ich jetzt schon mal sagen, daß eswahrscheinlich Versuche von Nazis gibt, an die ranzukom-men. Aber viel gefährlicher scheint mir derzeit, und da binich mir nicht ganz sicher, ob das nicht ein großer Unter-schied zu den Verhältnissen in Deutschland ist, daß die ex-tremen Rechten in der Schweiz ein stabiles parlamentari-sches Standbein haben. Und da sehe ich z.B. auch in St. Gal-len, wie sich Parlamentarier jetzt wieder der faschistischenSkinhead-Szene nähern und versuchen, die nicht organisier-ten Faschos einzubinden. Das läuft ganz stark, nachdem eineoffene Fascho-Organisation wie die Patriotische Frontdurch Repression zerschlagen wurde.

Parlamentarier?

Tom (St. Gallen): Zum parlamentarische Standbein würdeich in der Schweiz die Autopartei, den rechten Flügel vonSVP und FDP, die Lega dei Ticinesi und die Schweizer De-mokraten als Nachfolgepartei der Nationalen Aktion zählen.Zwei Beispiele aus St. Gallen für die Kontakte von Parla-mentariern und militanten Faschisten: Einmal versuchtenetwa 10 bis 15 überwiegend sehr junge Faschos, eine antifa-schistische Informationsveranstaltung zu stürmen. Dies ge-schah dann zum Glück nicht. Die Angreifer erzählten hin-terher, daß sie von den örtlichen Schweizer Demokraten zudieser Aktion angehalten worden seien. In der Tat standauch einer von ihnen, den wir sehr gut kennen, damals in derNähe mit seinem Funkgerät herum. Das zweite Beispiel: In der Nähe von St. Gallen wurde ausWiderstand gegen ein Armeeprojekt von Linken ein Platzbesetzt. Nachdem es auf das Zeltlager wiederholt Brandan-schläge gab, wurden die AktivistInnen von Nazis brutalüberfallen. Und wieder war der gleiche Schweizer Demo-krat kurz zuvor auf dem Gelände rumgeschlichen. MeinerEinschätzung nach klare Anzeichen dafür, wie die parlamen-tarische Rechte dabei ist, die »Stiefelfaschos«, die Nazi-

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versteckt. Praktisch haben die sicher sehr gute Arbeit gelei-stet, aber politisch distanzieren wir uns davon. Die haben dieFlüchtlinge einzeln versteckt, ohne daß diese die Möglich-keit hatten, noch irgendwie an dieser Geschichte aktiv teil-zunehmen. Und dann haben sie auch noch damit angefan-gen, bei juristisch hoffnungslosen Fällen quasi alternativeAusschaffungen in sogenannte Drittstaaten zu organisieren.Unsere Idee war hingegen, ein Gleichgewicht von ausländi-schen und hiesigen Leuten zu schaffen, also die Flüchtlingenicht einfach zu »verwalten«, sondern gemeinsam und öf-fentlich gegen die Asylpolitik zu mobilisieren.

Theo (Zürich): In zahlreichen Lagern war es in den 80erJahren von Flüchtlingsfrauen und -männern zu Hunger-streiks gegen die unwürdigen Lebensbedingungen gekom-men. 1988 hatten diese Streiks ihren Höhepunkt, und be-sonders in reaktionären Landstrichen wie in Graubündenhetzten Administration und Presse gegen die Flüchtlinge.Man mußte mit Fascho-Angriffen rechnen, und das geschahja dann auch. In dieser Situation haben wir uns in Zürich überlegt, wie wirdie Streikbewegung unterstützen können, und haben dannein Refugium, also eine öffentliche Zufluchtsstätte, organi-siert. Einige aus der linksradikalen Szene haben als Refugi-um ein als relativ fortschrittlich geltendes Theater in Zürichbesetzt und die Flüchtlinge aus den Lagern aufgerufen,dorthin zu kommen. Es sind dann auch wirklich sehr vieledort aufgetaucht. Wir haben das Theater umfunktioniert,und es wurde dort gegessen, geschlafen, diskutiert, Presseund Öffentlichkeitsarbeit gemacht, mit den Theaterleutendebattiert usw. ...

Bert: Es war ein öffentliches Versteck, um politischenDruck gegen diese ganzen Asylverfahren und die Ausschaf-fungspraxis zu entwickeln.

Theo: Das Refugium dauerte zehn Tage, unter ständigenRäumungsultimaten. Mit der Zeit gab es eine zweite Diskus-sion, bei der öffentlich dazu aufgerufen wurde, die Flücht-linge auch zu verstecken. Das Theater hatte weiter seine

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Und wie reagiert ihr darauf, das klingt ja alles ziemlich finster ...?

Bert (Zürich): Während der Anschlagserie sind wir zu denFlüchtlingen in den Lagern gegangen und haben geschaut,was man machen kann. Es wurden Solidaritätskundgebun-gen veranstaltet und auch Flugblätter in den Dörfern ver-teilt. Die Flüchtlinge müssen ja oft in Lagern einsitzen, dieauf dem Lande liegen oder die an den Stadträndern inschrecklichen Gegenden, den Einkaufszentren-Wüsten undEinfamilienhäuser-Siedlungen, sind. Wir haben versucht, inden betreffenden Gegenden Menschen zu finden, mit denenman was machen kann. Manchmal hat das auch geklappt,und man konnte eine Diskussion in einer Gemeinde anzet-teln, EinwohnerInnen haben sich zum Teil an Kundgebun-gen beteiligt.

Theo (Zürich): In dieser Zeit ist auch das antirassistischeTelefon entstanden. Es gibt Flüchtlinge in den Lagern, diewissen, an wen sie sich nun wenden können. Wichtig waruns, mit den Leuten zusammen, und nicht über ihre Köpfehinweg, zu arbeiten. Es gab schon vorher Streikbewegungenin den Lagern, also Flüchtlinge mit einer gewissen Erfah-rung, die auch wichtig war, um jetzt einen Selbstschutz auf-zubauen, den wir unterstützen können.Wir haben ja vorher schon mal erwähnt, daß es bei uns einerelativ lange und kontinuierliche Flüchtlingsarbeit gibt, diesich seit Mitte der 80er Jahre zentral gegen die hiesige Asyl-gesetzgebung richtet.

Könnt ihr dazu vielleicht noch etwas sagen – die Flüchtlingsarbeitin der Schweiz hat ja gerade in Westdeutschland viele beeindrucktund motiviert?

Bert (Zürich): Ja, aber ich denke, da gibt es ein großesMißverständnis. Die meisten haben den Dr. Zuber im Kopf,der offenbar in ganz Deutschland erzählt hat, daß er Tau-sende von Flüchtlingen verstecken könne. Und in derSchweiz gibt es da ganz verschiedene Ansätze. Zuber undseine Mitstreiter von der AAA (Aktion für Abgewiesene Asy-lbewerber) haben rechtskräftig abgewiesene Asylbewerber

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Andrea (Zürich): Das ist jetzt auch wieder ein bißchenkurz, was du von Bern aus sagst. Vom reformistischen An-satz unterscheidet uns z.B., daß wir nicht in wirtschaftlicheoder politische Flüchtlinge aufspalten. In diesem Sinne ha-ben wir uns sehr tief auf die Widersprüche der Menscheneingelassen, die diesen Kampf in den Refugien geführt ha-ben. So platt sind die nicht zum revolutionären Subjekt er-klärt worden. Es war vielmehr ein langsames Scheitern, eineAbnutzung dadurch, daß der erhoffte Schneeballeffekt nichteintrat. Die Idee wurde halt nicht massenhaft aufgegriffenund unterstützt. Und auch wenn die meisten von uns keineguten Jobs haben, sind wir im Verhältnis zu den hierherFlüchtenden immer noch reich und können uns verhältnis-mäßig frei bewegen. Das hatten wir auch nicht vergessen.

Wenn ich euch richtig verstanden habe, ging es darum, Struktu-ren aufzubauen, die gesellschaftlich so stark sind, daß diese Ab-schottungspolitik vom Schweizer Staat nicht mehr durchsetzungs-fähig ist?

Andrea (Zürich): Neulich, als die Roma das ehemalige KZin Dachau besetzt haben und dann rausgeekelt worden sind– also, das muß man sich vorstellen, deren Eltern sind dortvergast worden, und der deutsche Staat hat die dort einfachrausgeschmissen –, da ist mir die Idee von den Refugien wie-der in den Sinn gekommen. Das war eben auch der Versuch, eine ganz beschränkte Ge-genmacht aufzubauen, die auf einen wackligen Untergrundbaute, also eine Öffentlichkeit ansprechen sollte, die sichnoch als links ausgab. Sowohl die Theater- wie auch die Ge-werkschaftsleute konnten sich nicht erlauben, einfach dieBullen zu rufen und zu sagen: Knallt die Unruhestifter hierraus. Aber eine solche Hoffnung gibt es heute nicht mehr.Es hat auch keine leeren Versprechungen an die Flüchtlingegegeben, in puncto Legalisierung usw., es gab das Verspre-chen, einen Versuch, die Hoffnung, mit Menschen von hierzusammen den Kampf gegen die Asylpolitik des Staatesführen zu können ...

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Vorführungen, und wir haben mit dem Publikum über dieNotwendigkeit geredet, Flüchtlinge zu verstecken. Das istauch geschehen. Als das Theater mit einem Großaufgebotvon Bullen geräumt wurde, haben sie keine Flüchtlingemehr gefunden.Andrea (Zürich): Es gab nachher noch ein zweites Refugi-um, da wurde eine Gewerkschaftszentrale besetzt, und dar-aus sind die Flüchtlinge zusammen mit uns offensiv auf die1. Mai-Demonstration gegangen. Da waren viele schon ille-gal. Uns ging es darum, im Unterschied zu den christlichenKreisen um diesen Dr. Zuber, eine gemeinsame autonomeund antirassistische Struktur aufzubauen, einen Kampf zuführen, bei dem die Flüchtlinge nicht zu Sozialfällen degra-diert werden. Das war ein ganz kleiner Versuch, und eigent-lich ist der, muß man schon sagen, nach zwei Jahren geschei-tert.

Woran?Andrea (Zürich): Wir sind doch selber sehr schnell in einesozialarbeiterische Rolle gerutscht ... Bert (Zürich): Darf ich schnell ergänzen? Also, wir habenbestimmt sehr früh den Fehler gemacht, die Flüchtlinge alsein Kollektiv zu verstehen. Wir sagten anfangs, wir organi-sieren euch nach Möglichkeit Jobs und Wohnungen, und ihrentscheidet dann gemeinsam, wer was von euch machen soll.Also, wir haben schon sehr hohe Ansprüche an sie gestellt,teilweise Sachen, die wir selber im Kollektiv auch nicht ein-lösen können.

Also, ihr habt in den Flüchtlingen so etwas wie das neue »revolu-tionäre Subjekt« gesehen?Bert (Zürich): Ja, quasi, muß man schon zugeben.Jacob (Bern): Es gab ja dann auch die Kritik, die es an dieAdresse der Christen auch gab, daß die Linksradikalen dieFlüchtlinge auch instrumentalisieren. Daß denen hier auchwieder so ein ideologisches Ding übergestülpt und auf dieunterschiedliche Situation, aus der die Menschen kommen,gar nicht eingegangen wurde ...

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drogensüchtige Jugendliche, einen Abschiebeknast direktam Flughafen usw. Was hat die Antifa dazu für eine Positi-on? Meiner Meinung nach müßte die Antifa auch den An-spruch haben, mit Flüchtlingen, mit direkt Betroffenen zu-sammen den Widerstand gegen Nazis zu organisieren ...

Ist für euch Flüchtlingsarbeit in Winterthur ein Thema, odermacht ihr etwas ganz anderes?

Kurt (Winterthur): Also, wir machen was ganz anderes, dasmuß ich schon sagen. Erstmal ist bei uns niemand über 25,also das ist eine Jugend-Antifa. Propagandistisch versuchenwir die Öffentlichkeit mit Klebern und Leibchen und all so’nem Zeug zu beeindrucken. Wir haben ein Nottelefon, undwenn irgendwo in der Stadt Glatzen gesichtet werden, dannsteigt man in die Montur und geht prügeln. Also, wir glau-ben schon, daß, wenn wir sie stetig angreifen, sie erst garkeine Zeit für ihre Sachen haben. So sind die stetig unterDruck und haben Angst, was zu tun. Das Spiel war vorheranders, und daraus haben wir gelernt. Unsere Vorgehens-weise hat sich bewährt, sie kommen nicht mehr dazu, Aktio-nen zu machen, sondern sie müssen schauen, wie sie von Anach B kommen.

Bert (Zürich): Nur mal schnell die Frage, hat’s bei eurerAntifa auch Frauen bei?

Kurt (Winterthur): Ja.

Bert (Zürich): Und die steigen auch in die Montur?

Kurt (Winterthur): Die steigen auch in die Montur.

Jacob (Bern): Also, das ist mir jetzt ein bißchen zu kraß, aufder einen Seite die Geschichte mit den Refugien und auf deranderen Seite Hau-Drauf-Antifa. Bei uns in Bern hat’s wel-che, die hinlangen können, wie auch ein Asylkomitee, daslandesweit vernetzt ist, also kontinuierlich arbeitet und auchso was wie die Refugien mitträgt. In der Nähe von Bern gibtes auch so ein Nest, Langenthal, wo sich so eine Fascho-Sze-ne gebildet hat, wie sie vorhin beschrieben wurde, also imZusammenhang mit so einem kleinbügerlichen Milieu, wo

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Theo (Zürich): Vielleicht muß man dazu noch sagen, daßein Teil des Spektrums, auf das wir 1989 noch setzen konn-ten, inzwischen auf die andere Seite gewechselt ist. Ein Teilder Altlinken, der ’68er, ist an dieser ganzen rassistischenHetze im Zusammenhang mit der Kampagne gegen denDrogendeal beteiligt. Der Motor war diese Gleichsetzungvon Ausländern mit Drogenhändlern. Dieser Diskurs ist vonden älteren Linken aufgenommen worden und ist auch einAusdruck von der allgemeinen Rechtsverschiebung in derSchweiz. Also das, was sich vorher bei den bürgerlichen Par-teien schon gezeigt hat, die heute eine rassistische Politikformulieren, die vor ein paar Jahren nur rechtsextremeSplittergruppen vertreten haben.

Andrea (Zürich): Das ’68er Spektrum war mit einem kriti-schen Journalismus auch in größeren Zeitungen präsent,überall waren ein paar drin, und das hat es z.B. den Bulleneine Zeitlang schwergemacht, einfach in ein gut eingebun-denes, besetztes Haus einzudringen und dort Leute aufzu-greifen. Die Alten waren schon länger nicht mehr auf derStraße dabei, aber jetzt haben sie sich zu Propagandisten ei-ner sozialdemokratisch geführten Zürcher Abgreif- undAusschaffungspolitik gemacht.

Theo (Zürich): In der Schweiz gab es schon in den 70erJahren relativ einflußreiche Organisationen der Neuen Lin-ken wie die POCH oder die SAP. Die lassen sich in etwa mitder später in Deutschland gegründeten Partei der Grünenvergleichen. Das waren für die Schweiz aber auch noch inden 80er Jahren so etwas wie die alternativen Institutionen,mit all ihren reformistischen Schattierungen.

Andrea (Zürich): Bislang war einfach die Abgrenzung ge-gen das rechte Spektrum, das auch an der Macht war, aus-schlaggebend. Nachdem in Zürich erstmals Rot/Grün ander Macht beteiligt war, ist das so langsam weggerutscht. Aber vielleicht sollten wir jetzt wieder etwas praktischer dis-kutieren, weil mich würde das schon interessieren, wie ihr inWinterthur, in St. Gallen darüber denkt. Also zu den ganzenSachen, die wir jetzt haben, einen Umverteilungsknast für

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einander aus, gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit unter denverschiedenen Städten und Gruppen?

Kurt (Winterthur): Also, wir haben so gut wie keine Kon-takte und sind ziemlich isoliert.

Bert (Zürich): Aber ich hab euch doch bei der Aktion in derZürcher Oberländer Agglomeration neulich gesehen. Dawart ihr doch bei, als es um dieses Hallenbad in Bauma ging,wo sie keine AsylbewerberInnen reinlassen wollten. Mor-gens haben die lokalen SozialdemokratInnen dagegen einPicknick gemacht, mittags kamen dann die Leute vonZürich, und am Nachmittag seid ihr doch mit einem Trans-parent da rein und habt gebadet.

Kurt (Winterthur): Aber das war nichts Gemeinsames, wirhaben das zufällig mitbekommen und uns mit Wasserfarbebraun angemalt, damit das Wasser ’ne schöne Soße wird.

Jacob (Bern): Also, ich glaube, das hat schon was mit demAlter zu tun. Es gibt schon eine ganze Menge Kontakte, gut,vieles läuft informell, über Häuser und einzelne, die sich haltschon länger kennen. Es gab ja auch schon eine große undbreit unterstützte Antifa-Demo in Winterthur.

Franz (Winterthur): Ja, das war zur Reichskristallnacht am9. November. Da wollten die Faschos einen Umzug durchWinterthur machen.

Andrea (Zürich): Und als alle antifaschistischen Kräfte inWinterthur waren, haben die sich andere Orte gesucht, inHöri oder Neuhausen. Und in Zürich haben sie am gleichenTag Jorge Gómez, einen schwarzen Brasilianer, totgeschla-gen.

Jacob (Bern): Und wir haben uns in Winterthur auf’s Ritu-al eingelassen, ja, das hat dann schon Diskussionen aus-gelöst. Wir haben uns mit den Bullen gezofft, und die sindwieder mal mit Tränengas und Gummigeschossen auf unsdraufgegangen, das Ritual halt.

Theo (Zürich): Also, um noch mal auf eure Frage zurück-zukommen, ihr seht schon, was Organisierung anbetrifft,

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die Väter teilweise die Polizisten im Dorf sind. Die Faschoshatten auch die Sympathie von vielen Normalbürgern undkonnten die anderen Jugendlichen dort einschüchtern, ob-wohl die von der Anzahl eigentlich mehr waren. Wir haben von Bern aus dann erstmal recherchiert, was dieFaschos für Kontakte haben und wer die Wortführer sind,also, an welcher Stelle sie zu knacken sind. Wir sind dannhin und haben für die Szene in Langenthal Schutz bei Kon-zerten und anderen Anlässen gemacht. Aber einzelne habensich auch anonym in die Fascho-Kneipen gesetzt und immerdann interveniert, wenn ein Fascho-Spruch fiel. Bis dahinging alles ohne Schlägereien ab. Wir sind auch mal hinge-gangen und haben mit denen diskutiert und einfach perSprache und Wortschatz Autorität spielen lassen. Also erst-mal ein anderes Klima schaffen. Und erst später, als klar re-cherchiert war, wer die Organisierten mit Kontakten nachBasel oder Süddeutschland waren, haben wir diese uns ge-zielt gegriffen und eingeschüchtert.

Aber, um den Winterthurern jetzt auch ein bißchen gerecht zuwerden, muß man schon sagen, daß sie extrem mit Nazis konfron-tiert waren und massiv angegriffen wurden. Die stehen bestimmtanders als ihr in Bern unter Druck, und das spielt doch schon eineRolle, ob du dir in aller Ruhe was überlegen kannst oder ganz un-mittelbar damit konfrontiert wirst.

Jacob (Bern): Die Militanz steht nicht zur Debatte. Mirgeht es einfach nur darum, daß das nicht zum Ritual wird,also in deinem Wortschatz: in die Montur steigen. Das istmir zuwider, du kannst kein Bild übernehmen, das einfachfür die Gegenseite steht.In Bern gab’s auch Aufmärsche von Neonazis, und wir ha-ben sie vertrieben, das ist nicht der Punkt. Und es war auchimmer der Gedanke da, daß das nicht genügt, gerade nachden Anschlägen, wie kommt man statt dem ständigen Rea-gieren wieder ins Agieren ...

Also, wir haben ja jetzt aus jeder Stadt von einem unterschiedli-chen Vorgehen gehört. Wie ist das denn, tauscht ihr euch unter-

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Franz (Winterthur): Das Fernsehen ist ja voll mit deut-schen Sendern, und da hat man schon mitverfolgt, was sichseit dem Anschluß der DDR so alles dort verändert. Das istschon Thema.

Jacob (Bern): Ich glaube auch, daß es die Fascho-Szene inder Schweiz beeinflußt und mobilisiert hat.

Tom (St. Gallen): Wobei es ja nicht so war, wie man hättedenken können, daß jetzt die Fascho-Szene in der Schweiznach Hoyerswerda und Rostock voll losgeschlagen hätte.Das war ja das Erstaunliche, es blieb hier relativ ruhig. DieAnschlagserie in der Schweiz war ja vor der großen Angriffs-welle in Deutschland erstmal vorüber. Auf der linken Seite wird viel aus den Diskussionen, die inder BRD stattfinden, rausgezogen. Also, wir stützen uns sehrstark auf Bücher ab, die dort erscheinen. Gerade das Buchvon der autonomen l.u.p.u.s.-Gruppe hat eine ziemlich star-ke Diskussion ausgelöst und zu einer Positionsfindung bei-getragen. Aber zu linker Politik und Theorie wird in derSchweiz auch einfach zu wenig publiziert.

Bert (Zürich): Also, ich kann jetzt auch nicht eine großeAnalyse liefern. Ich habe so einzelne Punkte genauer ver-folgt, der Umgang der SPD mit dem sogenannten Asylkom-promiß hat mich z.B. sehr interessiert. Und dann bin ichauch an diesem sogenannten Tag X zur Bundestagsblockadenach Bonn gefahren.

Jacob (Bern): Ich wollte noch kurz zur Antifa in Deutsch-land was sagen. Was ich von der hier mitbekomme, das istmir dann doch oft zu einseitig, zu sehr auf Anti-Nazi-Kampfbeschränkt. Und so wie das auch die Medien oft darstellen,hat man schnell das Gefühl, die Faschos sind das Problem.Und daß weniger gesehen wird, wie der Staat eigentlich dasGanze etabliert und einfach Sachen macht, die wir mit unse-rem Blick auf die Faschos gar nicht mehr mitbekommen.Die Faschos sind für die Herrschaft doch total ideal, und ichglaube nicht, daß sie irgendwo derzeit für den Staat einewirkliche Gefahr darstellen.

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gibt es größere Widersprüche. Es gibt Probleme auf derstädteübergreifenden Ebene, und dann gibt es Schwierigkei-ten, wie mit ausländischen Linken zusammen was laufenkönnte.

Kann denn von einer Zusammenarbeit unter deutsch-, franzö-sisch- und italienischsprachigen Linken in der Schweiz ausgegan-gen werden?

Jacob (Bern): Also, bei der Häuserbewegung, da lief dasnoch am besten. Da haben wir zumindest einmal im Jahr ein»nationales« Treffen immer hingekriegt. Da konnten sichauch mal jüngere und neue Leute kennenlernen und Kon-takte knüpfen. Sobald irgendwo öffentlich erreichbareStrukturen existieren, funktioniert das natürlich besser, alsoz.B. die Infoläden in Bern oder hier in Zürich geben schoneine gewisse Kontinuität. Auch für dieses Gespräch hier hat-ten wir einige aus Genf eingeladen, die konnten heute leidernicht kommen. Natürlich sind die verschiedenen Sprachenein Problem, und wir hatten dort auch die angesprochen, diedeutsch können, damit wir nicht alles so anstrengend hinund her hätten übersetzen müssen.

Welche Diskussionen aus den benachbarten Staaten fließen dennhier besonders stark ein? Wird nicht auch stärker rezipiert, was inItalien oder Frankreich passiert?

Tom (St. Gallen): Ich glaube nicht, der Haupteinflußkommt aus der BRD. Zumindest im deutschsprachigen Teilder Schweiz. Auch was fehlende theoretische Auseinander-setzungen bei Linken hier betrifft, da orientiert man sichschon primär an der BRD. Für Antifas hier ist das Bild vonder bundesrepublikanischen Antifa schon attraktiv, also mitMilitanz und Straßenkampf, platt gesagt, das zieht geradejugendliche Leute an. Auch wenn es da vielleicht vieleMißverständnisse gibt.

Wie habt ihr denn den Prozeß, der sich in den letzten drei Jahrenin Deutschland vollzogen hat, wahrgenommen: Hatte das Konse-quenzen für euch, strahlt das auf euch in der Schweiz ab?

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Eine mörderisch-harmonischeVolksgemeinschaft

Interview mit Wiener Antifaschisten

Der Zustand der österreichischen Antifa-Szene erinnert invielem an die Situation bundesdeutscher Antifas Mitte der80er Jahre. An den Brennpunkten faschistischer Organisie-rung operieren auch Antifa-Gruppen, allerdings ohne unter-einander tragfähige Strukturen aufgebaut zu haben. Zudembesteht ein relativ großer Gegensatz zwischen der Metropo-le Wien und anderen österreichischen Städten.September ’93 führten wir ein Interview mit Wiener Antifa-schisten. Zwei Monate später – unmittelbar nach den Urtei-len gegen maßgebliche Kader der faschistischen VAPO – ha-ben österreichische Nazis mit Briefbomben die Situation es-kaliert. Dadurch veränderten sich in Österreich auch die Be-dingungen für eine autonome antifaschistische Politik: Zumeinen rückt das offizielle Österreich in einhelliger Verurtei-lung des Terrors zusammen, setzt sich an »Runde Tische«,an denen auch FPÖ-Chef Jörg Haider Platz nehmen darf.Schon wird auch in Österreich, anstatt über die Ursachen,viel lieber über einen Ausbau des »Sicherheitsstaates« lautnachgedacht. Zum anderen wird sich die Antifa-Szene vordiesem Hintergrund ihrer Unzulänglichkeiten bewußt. Siemuß sich etwas einfallen lassen, will sie nicht zwischen Fa-schos und Staat aufgerieben werden. »Die Ratlosigkeit«,schrieb uns einer der am Gespräch Beteiligten, »die am Endedes Gespräches vorherrscht, ist heute mit Wut gepaart.«

Vielleicht könntet ihr zunächst etwas über die Geschichte von An-tifa-Arbeit in Österreich erzählen?

Frieder: Man muß zum Verständnis wissen, daß österreichi-sche Universitäten bis Ende der 60er Jahre zutiefst deutsch-

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sozialistischer StudentInnen-Organisationen beim Verfas-sungsgerichtshof sind die Wahlen dann annulliert worden.Mit dem Auftreten der ANR begann wieder der Terror ge-gen Linke an den Unis. Der Widerstand dagegen hatte al-lerdings mit Antifa-Arbeit nach heutigem Verständnis nichtsehr viel zu tun.

Anton: Es war aber immer klar: Wenn irgendwo eine Nazi-Veranstaltung stattfindet, sei es im Wahlkampf oder seien esdie Gründungsversammlungen irgendwelcher Gruppierun-gen, wurde militanter Widerstand dagegen organisiert. Dasist selten als Antifa-Organisierung gelaufen, sondern mei-stens allgemein in linksradikalen Zusammenschlüssen.

Worin unterscheidet sich denn euer heutiges Verständnis von Anti-fa-Arbeit von dem, was ihr über die Vergangenheit berichtet habt?

Frieder: Unsere Arbeit hat ihren Kampagnen-Charakterverloren. Vermehrt beschäftigen wir uns heute kontinuier-lich mit Faschismus und Rassismus in Österreich, mit denInhalten und Formen faschistischer Organisierung. Dasschließt durchaus ein, sich militant mit Nazis auseinander-zusetzen. Allerdings ist die Situation in Österreich im allge-meinen und speziell in Wien nicht so, daß man als Linkernicht mehr auf die Straße gehen könnte, ohne eine Prügeleizu riskieren.

Geht dieses neue Verständnis auf Veränderungen in Österreichzurück, oder gab es andere Anlässe?

Bruno: Ungefähr ab ’89 begannen Neonazis, unsere De-monstrationen gegen den Wiener Opernball bewußt undorganisiert zu stören. Schon beim Opernball 1990 haben sieversucht, in unsere Demo reinzugehen und zu provozieren.Es stellte sich heraus, daß diese Angriffe von den Nazisösterreichweit geplant worden waren. In dem Zusammen-hang hat es dann Diskussionen gegeben, wie man das ver-hindern kann, wie man einen Schutz organisieren kann. Esgab das erste Mal seit dem Terror der ANR an den Uniseine wirkliche Gegenwehr, ernsthafte Versuche, sich kör-perlich den Nazis entgegenzustellen.

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national waren. Der »Ring Freiheitlicher Studenten«, RFS,stellte in den 60er Jahren unter den Studierenden die stärk-ste Fraktion. Er war eng mit der »Freiheitlichen ParteiÖsterreichs«, FPÖ, verbunden. Damals gab es an der Welt-handelsuniversität einen Professor namens Borodajkewycz,der vor allem durch antisemitische Aussprüche bekannt war.Die Auseindersetzungen um Borodajkewycz begannen, alslinke Studenten in seinen Vorlesungen mitschrieben undseine Ausfälle anschließend öffentlich machten. Gestütztwurde Borodajkewycz vor allem durch den RFS. Die linkenFraktionen an der Hochschule haben Demonstrationen ge-gen den Professor organisiert, und bei einer solchen Demoist Ernst Kirchweger, KP-Mitglied, Spanienkämpfer, vonNazis getötet worden – das erste bekannte Opfer nazisti-scher Gewalt in der zweiten österreichischen Republik. Ausgesprochen autonom-antifaschistischer Widerstand ge-gen neofaschistische Organisierung begann eigentlich Endeder 70er Jahre vor allem an den Universitäten. Zu der Zeitkandidierte der große alte Mann der österreichischen Nazi-Szene, Norbert Burger, als Bundespräsident. Unterstütztwurde er von einer aus der Nationaldemokratischen ParteiÖsterreichs, NDP, und der Kameradschaft Babenbergerhervorgegangenen »Aktion Neue Rechte«, ANR.

Bezog sich die ANR auf die »Aktion Neue Rechte«, die seit 1971aus der Bundesrepublik bekannt ist, oder war es nur eine zufälligeGleichheit des Namens?

Bruno: Sie hatten weder etwas mit der deutschen ANR zutun noch mit der Neuen Rechten überhaupt. Sie selbst ga-ben sich zwar gern »nationalrevolutionär«, waren jedoch imklassischen Sinne nazistisch. Viele Kader der VAPO, darun-ter auch Küssel, haben sich bei der österreichischen ANRihre ersten Sporen verdient.

Frieder: Diese ANR sammelte vor allem das militante Um-feld der NDP und der Babenberger, kandidierte aber auchan der Wiener Universität zu den Hochschulschülerschafts-wahlen.1 Aufgrund von Einsprüchen kommunistischer und

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setzte Haus in der Ägidigasse in Wien gegangen ist, wurdeer zu 17 Tagen Arrest verurteilt. Bis zum diesjährigen Ur-teil4 hatte es im Prinzip für Küssel keine Auswirkungen, juri-stisch verfolgt zu werden.

Ist die österreichische Justiz gegen Neonazis generell milde in ih-rer Rechtsprechung?

Anton: Als sich früher die Neonazis offen in faschistischenOrganisationen organisiert haben, war die Justiz sehr milde.Jetzt, seit dem Auftreten der FPÖ, kann man fast sagen, daßdie Justiz nach der Methode verfährt, wer jetzt noch so blödist, daß er nicht in die FPÖ reingeht, sondern sich eigen-ständig organisiert, der bekommt eins auf den Deckel.

Bruno: Vergleichsweise interessant ist Folgendes: Es hat ei-nen Prozeß gegen vier Neonazis aus der VAPO-Kamerad-schaft Gmunden gegeben, die an einem Brandanschlag inTraunkirchen in Oberösterreich beteiligt waren. Die sind zudrei- bis vierjährigen Haftstrafen verurteilt worden, aberausschließlich wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung,also strafrechtlichen Delikten, jedoch nicht wegen Wieder-betätigung.

Frieder: Es ist auch eine parlamentarische Anfrage zurechtsextremistischem Terror an den InnenministerLöschnak gerichtet worden, die er mit einer Lüge beantwor-tet hat. Er hat gesagt, ihm sei nichts bekannt.

Bruno: In Deutschland gibt es faschistische Organisationenund staatlichen Rassismus, die sich hervorragend ergänzen.Das hat der österreichische Staat eigentlich nicht nötig.

Wie meinst du das?

Bruno: In Österreich gibt es Gesetze gegen MigrantInnen,die an Restriktivität und an Härte in Europa nicht mehr zuüberbieten sind. Die ersten Gesetze – zum Beispiel das Aus-länderbeschäftigungsgesetz oder die Tatsache, daß Auslän-derinnen und Ausländer hier in Österreich keine Sozialwoh-nung bekommen – sind unter geringer medialer Aufmerk-samkeit einfach beschlossen worden. Es gab keinen nen-

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Eine innere Notwendigkeit, kontinuierlich antifaschistischePolitik zu betreiben, entstand bei vielen allerdings erst durchdie Entwicklung in Deutschland. Nach dem Beginn derdeutschen Anschlagswelle mit dem Pogrom in Hoyerswerdaanalysierten viele erstmals die Situation hier. Ab Frühjahr’92 hat es dann auch vermehrt Anschläge in Österreich ge-geben, auf Flüchtlingsheime, Wohnheime, Gedenkstätten –einen Jüdischen Friedhof und das KZ Mauthausen. Ab die-sem Zeitpunkt sind militante faschistische Organisationenauch in Österreich verstärkt aktiv geworden. Mit dem Auf-stieg der FPÖ unter Haider haben Neonazis hierzulandeauch einen ganz anderen Spielraum gewonnen.

Anton: Zum Beispiel waren 1993 Landtagswahlen im größ-ten österreichischen Bundesland, Niederösterreich, undwenn du dir die Kandidatenliste der FPÖ angeschaut hast,waren die Hälfte der Kandidaten geeichte Rechtsradikale,die teilweise aus dem Honsik-Umfeld2 stammten. Dieführenden österreichischen Nazis haben jetzt ganz andereBetätigungsfelder gefunden. Straßenkrawalle machen in derPolitik kein gutes Image. Statt dessen geben sie sich jetzt in-tellektuell, sitzen in Uni-Hörsälen, halten dort teilweiseVorlesungen und schreiben in irgendwelchen neu-rechtenTheoriezeitschriften. Ein Operetten-Nazi wie der Küssel,der sich offen als Nationalsozialist und zur NSDAP be-kennt, ist für den österreichischen Staat absolut ein Ge-schenk. Eine größere Freude kann diesem Staat nicht ge-macht werden, denn sofort kann er festnehmen, die Straf-verfolgung aufnehmen – und der Staat kann wieder auf seine»antifaschistische« Tradition pochen ...

Bruno: Allerdings erfolgte Küssels Verhaftung auch erst un-ter öffentlichem Druck. Er hatte sich vorher ja in Fernsehin-terviews zu seiner Überzeugung bekannt.3 Gerade in denUSA hat die Ausstrahlung für einen Skandal gesorgt. Wennman sich die juristische »Karriere« von Küssel so anschaut,fällt auf, daß er bei fast allen früheren Prozessen freigespro-chen beziehungsweise auf Bewährung verurteilt wurde. Ineinem Prozeß, in dem es um den Brandanschlag auf das be-

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Heute ist es Realität. Neu ist höchstens, daß die österreichi-sche Politik mit Blick auf die EG und das Schengener Ab-kommen in einer Art vorauseilenden Gehorsams handelt.Dadurch entsteht eine andere Qualität. Jetzt redet ManfredMatzka, Staatssekretär und Flüchtlingsbeauftragter im In-nenministerium, auch nicht mehr von »freundlicher Ab-schreckung«, sondern wörtlich heißt es: »Die Situation fürFlüchtlinge muß in Österreich so unerträglich werden, daßniemand mehr hierher kommt.« In Deutschland sagt so et-was der Rechtsextremist Jürgen Rieger von der NF. Der Zy-nismus dabei ist, daß Matzka vor über zwanzig Jahren zu de-nen gehörte, die den Borodajkewycz öffentlich bloßstellten.Der Mann begreift sich heute noch als Sozialist.

Im Kampf dagegen liegt also der Schwerpunkt eurer antifaschisti-schen Politik?

Bruno: Sicher nicht. Wir haben unsere Politik in den ver-gangenen Monaten und Jahren primär an Ereignissen orien-tiert. Wichtig war dabei vor allem der Schutz von Demon-strationen gegen Neonazis und der Schutz unserer Struktu-ren vor neofaschistischen Überfällen. Mit dem Aufkommender FPÖ und speziell mit diesem rassistischen Volksbegeh-ren, das die FPÖ im Januar ’93 angeschoben hatte, rücktediese Partei als rassistische, deutschnationale Organisationin den Blickpunkt unseres Interesses. Für die wenigen anti-faschistischen Gruppen, die es in Österereich überhauptgibt, war wichtig, gegen das Volksbegehren direkt einzu-greifen. Es hat dann für österreichische Verhältnisse auchwirklich viel Widerstand gegeben, breit und in allen Facet-ten. Es hat Demonstrationen gegeben, die von einem brei-ten Bündnis getragen worden sind; es hat Infostände gege-ben; es hat Versuche gegeben, mittels WandzeitungenFPÖ-Politiker öffentlich zu machen; es hat mehrere mili-tante Aktionen gegen FPÖ-Parteilokale gegeben. Man mußaber dazu sagen, daß es bis Anfang der 90er Jahre eigentlichkeine Versuche gegeben hat, FPÖ-Veranstaltungen zustören oder anzugreifen.

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nenswerten Widerstand dagegen, weder parlamentarischnoch außerparlamentarisch. Insofern sind rassistische An-griffe als behaupteter Ausdruck eines »Volkszornes« und alsKatalysatoren für verschärfte Einwanderungsgesetze inÖsterreich nicht so notwendig wie in Deutschland. Ehermüssen die Zustände in Deutschland insgesamt als Begrün-dung für noch schärfere Asylgesetze herhalten.

Frieder: Man kann das auch drastisch mit der Haltung derSPÖ zu dem von Haider initiierten rassistischen Volksbe-gehren, auf das wir später noch kommen müssen, belegen.Innenminister Löschnak hat in einer ersten Reaktion gesagt:»Was mich vom Herrn Haider unterscheidet, ist, daß er nurredet, während ich auch handle.« Außerdem hat er gesagt,zehn der zwölf Forderungen aus dem Volksbegehren habedie SPÖ/ÖVP-Regierung ohnehin schon umgesetzt, undvon daher sei dieses Volksbegehren überflüssig.

Ihr versteht die neue Qualität von Antifa-Politik also auch alsKampf gegen diesen von Staats wegen praktizierten Rassismus?

Bruno: Unsere Politik muß sich auf jeden Fall gegen dieserassistischen Gesetze und ihre Konsequenzen richten. Bei-spielsweise sind Truppen des österreichischen Bundesheeresan der Grenze des Bundeslands Burgenland zu Ungarn sta-tioniert worden, um militärisch zu verhindern, daß Men-schen, die über die grüne Grenze flüchten, hier überhauptAsyl beantragen können. Hinzu kommt, daß unter den Par-lamentsparteien weitgehend Konsens darüber herrscht, daßes in Österreich ein »Ausländerproblem« gibt, das staatlich-regulativ gelöst werden muß. Denn auch die Grünen treten– bei aller punktuellen Kritik – für Einwanderungsquotenund die Abschiebung »krimineller Ausländer« ein. DieserRassismus ist also nicht an die Regierung gebunden, sonderndurchzieht im Grunde die gesamte staatstragende Politik.

Frieder: Schon vor fast zehn Jahren hat der sozialistischeInnenminister Blecha gesagt, man müsse die Asylantendurch »freundliche Abschreckung« davon abhalten, nachÖsterreich zu kommen. Damals ist das untergegangen.

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rassistische Initiativen vom Staatsrassismus abgelenkt undauf Haider fixiert worden. Außerdem hat es die Zusammen-arbeit linker Gruppen erschwert. Wir hatten zum Beispielunter dem Motto: »Gemeinsam gegen Haider undLöschnak« zu einer Demo aufgerufen, bei der ursprünglichauch jemand vom gewerkschaftlichen Linksblock5 hättesprechen sollen. Das haben sie dann mit der Begründungabgelehnt, man könne Haider und Löschnak nicht gleichset-zen. Und zu guter Letzt haben viele Linke irrigerweise ange-nommen, beim »Lichtermeer« handele es sich durchwegum eine antirassitische Manifestation.

Anton: Nur ein Beispiel: Eine Frau hat beim Unterschrei-ben von Haiders Volksbegehren gesagt: Ja, sie war auch letz-ten Samstag beim »Lichtermeer«, denn da war sie für dieAnständigen, und Gastarbeiter brauchen wir ja. Aber beimVolksbegehren geht es um die bösen Kriminellen, und dar-um unterschreibt sie das.Das »Lichtermeer« hatte den antirassistischen Charakter ei-nes Freiluft-Heurigen.

Frieder: Es gab immer zwei Arten von Kritik am »Lichter-meer«. Die einen haben gesagt, die OrganisatorInnen wür-den die »brave Masse« für den Staat und für LöschnaksZwecke instrumentalisieren. Und andere sagten, daß es ebendiese »brave Masse« dort nicht geben würde und nicht ge-geben hat.

Bruno: Wir haben während dieser Mobilisierung von»SOS-Mitmensch« und während des Volksbegehrens immerwieder versucht, die Rolle des österreichischen Staates zuthematisieren. Aber wir sind nie darüber hinausgekommen,auch bis jetzt, das in Flugbättern oder in Erklärungen zu sa-gen, daß der staatliche Rassismus, die Gesetze, ihre Umset-zung, das eigentlich Bedrohliche für ausländische Menschenin diesem Land sind, und derzeit weniger neonazistischeGruppen oder Haider mit seiner FPÖ. Aber das hat haltnicht gereicht. Nach der Mobilisierung zum »Lichtermeer«war dann die Luft aus den verschiedenen Initiativen raus.

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Warum nicht?

Bruno: Weil die FPÖ von weiten Teilen der Linken durchdie kurze liberale Phase unter Heide Schmidt und NorbertSteger und der kurzen Regierungskoaliton mit der SPÖnicht als rechtsextreme Partei begriffen worden ist. Auchnicht, nachdem sich der Kurs der FPÖ ab ’86 mit dem »de-mokratischen Putsch« Haiders grundlegend änderte, die na-tionalistischen Strömungen in der Partei an die Oberflächekamen und liberale Strömungen ausgegrenzt worden sind.In vielen linken Köpfen geht nicht zusammen, eine Organi-sation als rechtsradikal zu erkennen, die 20 Prozent derWählerstimmen kriegt. Das müßte Konsequenzen haben,vor denen sich aber viele Linke scheuen.

Frieder: Die FPÖ als das zu begreifen, was sie ist, war ja einProzeß.Viele Linke waren aber auch insgesamt ziemlich hilflos.Denn auch wenn die FPÖ verschärfte Asylgesetze fordert,beschlossen und durchgeführt werden sie von den staatstra-genden Parteien in der Regierung. Eine Antwort auf dieFrage, wie gegen Gesetze effektiv vorgegangen werdenkönnte, die ja längst beschlossen sind und umgesetzt wer-den, hatte kaum jemand.

Habt ihr auch in Bündnissen mit anderen linken Gruppen gegendas Volksbegehren gearbeitet?

Frieder: Es hat bereits vorher eine relativ gut funktionie-rende Zusammenarbeit gegeben, die allerdings nicht explizitlinksradikal war und sich hauptsächlich auf die Organisationvon Demos beschränkte. Aus diesem Zusammenhang herausist von Vertretern der Grünen und der KommunistischenPartei vorgeschlagen worden, jetzt eine breite Bewegung ge-gen das Haider-Volksbegehren zu etablieren. Die ist dannauch in Form von »SOS-Mitmensch« entstanden und hatschließlich das »Lichtermeer« veranstaltet. Im nachhinein denke ich aber, daß dieses »Lichtermeer« fa-tal für die antirassistische Arbeit in Österreich gewesen ist.Im Grunde genommen sind durch diese Aktion breite anti-

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dienst möglich, den Transitraum des Flughafens Wien-Schwechat zu betreten und sich dort um Flüchtlinge zukümmern. Jetzt ist er nur noch für die Grenzpolizei zugäng-lich, so daß niemand kontrollieren kann, wie viele Menschendort tatsächlich abgeschoben werden. Oder: Per Fremdengesetz ist es der Polizei möglich, Woh-nungen zu stürmen ohne Hausdurchsuchungsbefehl, wennsie den Verdacht haben, daß sich da illegal AusländerInnenaufhalten.

Wird das auch praktiziert?

Anton: Freilich. Erst im Januar ’93 sind vermummte Bullenmit kugelsicheren Westen und Maschinenpistolen ins be-setzte Ernst-Kirchweger-Haus gestürmt, haben sofort denWohnbereich aufgesucht, wo kurdische Menschen leben,haben die Türen mit Vorschlaghämmern aufgebrochen, ha-ben die Kurdinnen und Kurden teilweise mißhandelt undhaben eine Person ohne gültige Papiere gleich mitgenom-men. Der Vorwand war, daß am gleichen Tag im Bezirk einSupermarkt überfallen worden war.

Habt ihr das Gefühl, daß die Situation, die ihr beschreibt, überkurz oder lang zu einer Radikalisierung führen wird?

Anton: Bei mir persönlich schon. Du merkst es an so klei-nen Dingen, daß du Haß auf diesen Staat entwickelst, der soarg mit Menschen umgeht. Und gleichzeitig macht sich Rat-losigkeit breit, weil man es hier nicht mit einer Nazi-Sektezu tun hat, die ein leicht zu bekämpfender Gegner wäre,sondern mit einer rassistischen Staatsmaschinerie.

Ihr habt vorhin gesagt, neofaschistische Gruppen seien nicht dasHauptproblem für ausländische Menschen in Österreich. Wieschätzt ihr denn generell den Grad neofaschistischer Organisie-rung in Österreich ein?

Bruno: In Wien ist es seit ein, zwei Jahren ziemlich ruhig.Es gibt hier kaum offensiv auftretende Nazis, sei es bei De-monstrationen oder bei Angriffen auf linke Lokale und ähn-liches. In anderen Bundesländern dagegen, in Oberöster-

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Auffällig ist im Vergleich zu BRD aber, daß ein von breiten Be-völkerungsschichten getragener aggressiver Alltagsrassismus inÖsterreich weniger spürbar ist.

Bruno: In Österreich wird die Diskussion über Auslände-rInnen hauptsächlich unter dem Verwertungsaspekt geführt.Ist die Arbeitskraft eines Fremden verwertbar, ist er gernegesehen. Gehetzt wird vor allem gegen die Illegalen, diedann auch pauschal kriminalisiert werden. Durch ihre Ge-setzgebung hat es die Regierung immer verstanden, dies inkontrollierte Bahnen zu lenken und vielen Menschen dasGefühl zu geben, mit ihren aus Vorurteilen stammendenÄngsten bei den Regierenden am besten aufgehoben zu sein.Dadurch fehlt dem »Alltagsrassismus« weitgehend auch dieMilitanz. Das ist, denke ich, der entscheidende Unterschiedzu Deutschland.

Frieder: Daß der Rassismus von unten bei uns nicht so eineQualität erreicht hat wie in der BRD, liegt einfach auch dar-an, daß ihm der nationalistische Impetus gefehlt hat. Öster-reich hat sich mit nichts wiedervereinigt.

Anton: Ich würde Österreich fast als mörderisch-harmoni-sche Volksgemeinschaft beschreiben wollen. Die Parole des»Lichtermeers« war: Anständigkeit zuerst ... In dieses »sau-bere Österreich« passen weder die Neonazis noch die po-tentiellen Opfer ihres Terrors, die MigrantInnen.

Gibt es denn Versuche, Flüchtlinge zu unterstützen – legal oderillegal?

Frieder: Klassische Flüchtlingsarbeit ist in Österreich ei-gentlich Sache der Kirche und der humanitären Organisa-tionen. UnterstützerInnengruppen wie in der BRD, die ver-suchen, Forderungen für Flüchtlinge aufzugreifen, gibt es sovon linksradikaler Seite nicht. Es ist auch eine Generatio-nenfrage. Ältere machen mehr Flüchtlingsarbeit, kommenaber meist nicht aus linksradikalen Zusammenhängen.Dazu muß man sagen, daß die konkrete Flüchtlingsarbeit inÖsterreich systematisch erschwert und verunmöglicht wor-den ist. Beispiele: Früher war es für den Flughafensozial-

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Bruno: Das Problem mit Antifa-Gruppen außerhalb Wiensist oft, daß darin teilweise wirklich sehr junge Leute arbei-ten, die vorher politisch nicht aktiv waren, sich erst über An-tifa politisiert haben. Die haben noch sehr stark diese bloßeHau-drauf-Orientierung gegenüber Nazi-Glatzen. Dieseprimäre Ausrichtung auf militante Faschisten ist aber eineGefahr, die zu Fehlern führt, gerade bei Aktionen. Dazukommt eine Grauzone in solchen Städten, wo teilweiseRechte zur Antifa wechseln oder einzelne Antifas zu denNazis gehen.

Wie arbeiten denn die verschiedenen Antifa-Gruppen in Öster-reich zusammen?

Bruno: Eine kontinuierliche Zusammenarbeit ist als»schlecht« bis »nicht vorhanden« zu bezeichnen. Es hatauch Versuche gegeben, über die Infoladen-Treffen eine re-gionale Vernetzung in Österreich zu initiieren. Aber das istziemlich schnell wieder im Sande verlaufen. Was neben bei-derseitigem Desinteresse auch einer gewissen Metropolen-Mentalität der WienerInnen geschuldet ist, denen die Zu-stände in der »Provinz« oft egal sind.Es ist überhaupt ein Manko der österreichischen Linken,daß es kaum eine Diskussionskultur gibt. Eine Auseinander-setzung am Anfang einer Aktion, währenddessen und nach-her gibt es selten. Eine Zusammenarbeit läuft eher über per-sönliche Kontakte, zwischen Leuten, die sich schon längerkennen. Aber alles, was politisch diskutiert wird, ist immeran Aktionen gekoppelt.

Inwieweit habt ihr Kontakte zu Gruppen im Ausland, speziell,wenn ich an die geographische Lage Wiens denke, zu Gruppen inOsteuropa?

Anton: Nach Osteuropa haben wir eigentlich keine Kontak-te, die über lose und persönliche Bekanntschaften in derTschechoslowakai oder Ungarn hinausgehen würden.

Frieder: Organisierte Kontakte nach Osteuropa gibt es vorallen Dingen zum ehemaligen Jugoslawien. Aber diese Kon-takte haben eher antimilitaristische Gruppen.

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reich oder in Salzburg oder einem Teil von Niederöster-reich, gibt es kleinere Städte, wo Faschisten einen gewissenOrganisierungsgrad erreicht haben. Häufig sind das starkeSzenen von Hooligans und/oder rechten Skins, die zwischeneinzelnen Städten losen Kontakt miteinander halten. In Or-ten wie Linz, im Innviertel nach Salzburg herunter, sindRechte inzwischen beinahe hegemonial. Der Polatcekwohnt nach seiner Ausweisung aus Deutschland ja auch wie-der in der Nähe von Braunau am Inn. Dazu kommt eineSzene, die sich in ländlichen Bereichen entwickelt hat undvon der wir eigentlich gar keine Ahnung haben. Linke gibtes dort so gut wie nicht, denn linke Strukturen sind in Öster-reich sehr auf Wien konzentriert. Bei den Rechten ist dasgenau umgekehrt.

Aber es gibt doch auch außerhalb Wiens Antifa-Gruppen?

Bruno: Wir wissen von Antifa-Gruppen in Linz und Salz-burg. Aber eine Zusammenarbeit ist nicht immer einfach.

Was heißt das?

Frieder: Das läßt sich an einem Beispiel besser deutlich ma-chen: Jedes Jahr im Mai findet im KZ Mauthausen eine offi-zielle Gedenkfeier des Bundesstaates Österreich und vonWiderstandskämpferInnen statt. Heuer sollte daran auchein Minister der österreichischen Bundesregierung teilneh-men. Der Regierung, die für die rassistischen Asylgesetzeverantwortlich ist. Wir hatten uns deswegen mit den Lin-zern zusammengetan, weil wir dort – im Konzentrationsla-ger – gegen die Teilnahme dieses Ministers protestierenwollten. Die Linzer haben dann vorgeschlagen, mit Triller-pfeifen zu verhindern, daß der überhaupt zu Wort kommt.Wir haben eingewandt, daß so etwas in einem Konzentrati-onslager für Menschen mosaischen Glaubens vielleicht einAffront ist, immerhin ist das für sie ja eine religiöse Stätte.Daraufhin haben sie nur gesagt, darüber bräuchten wir nichtreden, wir sollten nur daran denken, was die Israelis mit derPLO machen. Also hat am Ende jede Gruppe ihre eigeneAktion gemacht.

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Der österreichische Staat hat sich jedoch nie richtig heraus-gefordert gefühlt. Außerdem gab es wenig Punkte, an denensich einerseits die Radikalisierung einer Bewegung ergebenhätte und die andererseits für ihre Kontinuität gesorgt hät-ten. Zwar gibt es autonome Geschichte, die auch hier ausHausbesetzungen besteht oder aber aus den Opernball-Pro-testen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Mo-mente von Widerstand, die bürgerlich besetzt waren, wobürgerliche Gruppierungen immer die Oberhand gehabthaben. Sei es jetzt Hainburg oder Zwentendorf gewesen.6 Indiesem Widerstand waren linksradikale Positionen nur sehrschwach vertreten.

Welche Perspektive seht ihr unter diesen Voraussetzungen füreure Arbeit?

Anton: Da sind wir ziemlich ratlos. Zunächst sollten wir vonlinksradikaler Seite her einen eigenständigen Diskussions-und Aktionszusammenhang herstellen und unter uns end-lich eine Verbindlichkeit und Kontinuität in der politischenArbeit erreichen.

Anmerkungen:

1 Vergleichbar mit den Wahlen zu den ASten an bundesdeutschenUniversitäten

2 Gerd Honsik, österreichische Nazi-Größe und Revisionist, Her-ausgeber der Nazi-Postille »HALT«; hat sich derzeit, um einerHaftstrafe zu entgehen, ins spanische »Exil« abgesetzt.

3 In einem Interview mit SPIEGEL-TV und einem zweiten mit demUS-amerikanischen Sender ABC; hinzu kommt die prominenteRolle, die Küssel im Film »Wahrheit macht frei« für das deutscheNeonazi-Netzwerk spielte, inklusive seiner Leitung einerWehrsportübung vor laufender Kamera.

4 Küssel ist im Sommer ’93 zu 10 Jahren Haft wegen Wiederbetäti-gung u.a. verurteilt worden

5 Gewerkschaft der Kommunistischen Partei

6 Widerstand gegen die Pläne für das Kernkraftwerk Zwentendorfoder die Pläne für das Donau-Kraftwerk Hainburg

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Verfolgt ihr die bundesdeutsche Antifa-Diskussion?

Bruno: Weit mehr als jede andere Diskussion.

Frieder: Polemisch könnte man sagen: In Österreich ist kei-ne Diskussion geführt worden, weil alle die der bundesdeut-schen Linken verfolgt haben.

Bruno: Von daher wissen die meisten sicher auch über denDiskussionsstand und die Zusammenhänge in der BRD beiweitem mehr Bescheid als über die Situation in Prag oderBudapest.

Oder über die Situation in Salzburg?

Bruno: Genau. Allerdings arbeiten Antifa-Gruppen in denwestlichen Bundesländern, in Salzburg oder eben in Linzeng mit süddeutschen Antifa-Gruppen zusammen. Dasfunktioniert zum Teil um vieles besser als die Zusammenar-beit mit Wien.

Frieder: Es hat hier halt ganz andere Voraussetzungen. Dukannst zwar bundesdeutsche Zeitungen lesen, aber duschaffst damit allein nicht dieselben Verhältnisse in Öster-reich. Wir lügen uns da häufig in die eigene Tasche. Ichglaube, was in Österreich lange unter »autonomer Antifa«gelaufen ist, war der Versuch, einen Grad von Auseinander-setzung in der Gesellschaft zu erreichen, den man von derBRD abgeschaut hatte.

Bruno: Es gibt in Österreich kaum eine linksradikale Ge-schichte, geschweige denn eine lange antifaschistische Orga-nisierung, auf die ich mich berufen könnte. Ich kann mit äl-teren GenossInnen kaum praktische Erfahrungen austau-schen.

Hängt das damit zusammen, daß die SPÖ bis zum Anfang der80er Jahre in der Lage war, die Linken zu integrieren?

Bruno: Es hat schon eine eigenständige Entwicklung gege-ben, aber sie war keine relevante Größe. Es hat auch inÖsterreich eine autonome Jugendzentrumsbewegung gege-ben, in Vorarlberg, in Oberösterreich und in Wien.

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Allgemein

AlbstadtAntifaschistischerArbeitskreis Albstadt(innerer Umschlag)A. Bayer (äußererUmschlag)Postfach 144172347 Albstadt

Aschaffenburg Autonome Antifac/o HannebambelKleberstr. 463739 Aschaffenburg

AurichAntifa Aurichc/o SchlachthofBreiter Weg26603 Aurich

Bargtheheidec/o AutonomesJugendhausLübecker Str. 47–4922941 Bargteheide

Bad OldesloeAntifa Bad OldesloePostfach 145523834 Bad Oldeslohe

BerlinAntifaschistische InitiativeMoabitPostfach 210235 10502 Berlin

Antifa-Kontaktstelle amAStA der FUKiebitzweg 2314195 Berlin

AFFI (AntifaschistischeFußballfan-Initiative)Brunnenstr. 710119 Berlin

Antirassistische InitiativeYorckstr. 59 HH10965 Berlin

Antifa Zehlendorfc/o Cafe ChaosMachnower Str. 19a14165 Berlin

BielefeldAntifa AGc/o AStA FachhochschulePostfach 10111333511 Bielefeld

Antifa-Westc/o BürgerinitiativeBürgerwacheRolandstr. 1633615 Bielefeld

Bochum Antifa Bochumc/o Initiativkreis fürGefangenenarbeitDüppelstr. 3544789 Bochum

BonnAntifa Bonn/Rhein Siegc/o Büro für politischeKulturarbeitFlorentinusgraben 2553111 Bonn

BraunschweigAntifaschistisches PlenumCyriaksring 5538118 Braunschweig

BremenAutonome Antifa BremenSt.-Pauli -Str. 8–1028203 Bremen

Anti-Rassismus-BüroSielwall 3828203 Bremen

Bremerhaven Antifa Fishtownc/o GrenzenlosNeubrückshelmderstr. 4527576 Bremerhaven

Autonome Antifac/o Andere BuchladenBürgermeister Smidt-Str. 19827568 Bremerhaven

BündeAntifa Bünde c/o Villa KunterbuntWinkelstr. 1432257 Bünde

CelleCeller Zündelc/o AntifaschistischerArbeitskreis CellePostfach 1591 29205 Celle

DetmoldAntifa Detmoldc/o Alte PaulineBielefelderstr. 332756 Detmold

DortmundAntifa Dortmund Nordc/o Taranta BabuHumboldstr. 4444137 Dortmund

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Adressen

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HeideAntifa Schwarze SchafePostfach 1131 25731 Heide

HeidelbergAutonome Antifa c/o Autonomes ZentrumAlte Bergheimer Str. 7a69115 Heidelberg

HusumAntifa Husumc/o SpeicherHafenstr. 1725813 Husum

KasselAutonomes Antifa-PlenumKasselc/o Infoladen BazilleSickingstr. 1034117 Kassel

KielAntifa Kielc/o Infoladen»Beau Rivage«Hansastr. 48

Autonome-Info-GruppeSchweffelstr. 624118 Kiel

KoblenzAutonome Antifac/o AStA FHAm Finkenherd 456075 Koblenz

Lörrachantifac/o InfostockwerkPostfach 2534 79515 Lörrach

LübeckAntifa-Aktion Holsteinc/o Arbeitslosen-zentrum e.V.Schwartauer Allee 39–4123554 Lübeck(auch Postverteiler fürfolgende Städte ohneKontaktadresse: Eutin, Alt-Mölln, Neustadt/H.,Trittau)

Antifa-Lübeckc/o Infoladen AssataSchwartauer Allee 39–4123554 Lübeck

MorbachAntifa Hunsrückc/o Buch- und WeinladenBirkenfelderstr. 1354497 Morbach

MünchenAntifa Münchenc/o InfoladenBreisachstr. 1281667 München

Neumünster Antifa Neumünsterc/o Infoladen OmegaBahnhofstr. 4424534 Neumünster

NordenAntifa Nordenc/o AKUBahnhofstr./Güterbahnhof26506 Norden

NürnbergAntifaplenumc/o KommKönigstr. 93 90402 Nürnberg

»... gegen rechts«c/o LibressoBuchhandlungPeter Vischer Str. 2590403 Nürnberg

OldenburgAK kein Fußbreit ...c/o AlhambraHermannstr. 8326135 Oldenburg

Passau– Feministisches Antifa-Plenum– Antifa-Plenum– Antifaschistische Aktion c/o BBSGottfried-Schäffer-Str. 694032 Passau

PaderbornAntifaAn den Kapuzinern 1033098 Paderborn

PreetzAntifa Preetzc/o LadenAn der Mühlenau 1024211 Preetz

QuickbornAntifa Quickbornc/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

RemscheidAntifac/o KraftstationHonsbergstr. 242857 Remscheid

RendsburgAntifa-Rendsburgc/o Kommunikations-zentrum T-StubePostfach 50624756 Rendsburg

181180

Antifa-Forumc/o GeschichtswerkstattAm Ölpfad 2744263 Dortmund

DüsseldorfAStA-Antifa-Referatc/o AStA FH DüsseldorfGeorg-Glock-Str. 1540474 Düsseldorf

Koordinierungskreis (KoK)antifaschistischer Gruppenaus Düsseldorf und demUmlandc/o AStA FH DüsseldorfGeorg-Glock-Str. 1540474 Düsseldorf

Informations-,Dokumentations- undAktionszentrum gegenAusländerfeindlichkeit füreine multikulturelleGesellschaft (IDA)Charlottenstr. 5540210 Düsseldorf

ErlangenInfobüro gegen Rassismusc/o Dritte Welt LadenNeustädter Kirchenplatz 791054 Erlangen

EspelkampAntifa-Gruppec/o JugendzentrumEspelkampKantstr. 2532339 Espelkamp

EssenAutonome Antifa Essenc/o APO HausMülheimer Str. 6845145 Essen

EsslingenAntifa Esslingen (2. Umschlag)Jugendhaus KommaMaille 5–973728 Esslingen

FlensburgAntifa-Kontaktadressec/o InfoladenHafermarkt 624943 Flensburg

FrankfurtAntifac/o JUZ BockenheimVarrentrappstr. 3660486 Frankfurt/M

FuldaLibertäre GruppePostfach 1541 36015 Fulda

GießenAntifaschistisches Forumc/o DGB-Jugendbildungs-referat MitteWalltorstr. 1735390 Gießen

GöttingenAntifaschistische Listec/o Rosa-Luxemburg-HausGoßlerstr. 16a37073 Göttingen

Autonome Antifa (M)c/o Buchladen Rote Strasse 1037073 Göttingen

Eine Antifa im JUZIc/o BuchladenRote Strasse 1037073 Göttingen

Verein zur Förderungantifaschistischer Kulturc/o Grünes ZentrumGeisstr. 137073 Göttingen

GreifswaldAntifa Greifswaldc/o AJZKarl Marx Platz 1917489 Greifswald

GubenAntifa GubenGrünstr. 6003172 Guben

HalleAntifa Hallec/o InfoladenKellnerstr. 10a06108 Halle

Hamburg und Umland– Antifa Norderstedt– Antifa Pinneberg– Antifa Ulzburg– Autonome Männer-Antifa HHc/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

Antifa BergedorfWentorfer Str. 2521029 Hamburg

HannoverAntifa-AG der UniHannoverc/o AStA der UniHannoverWelfengarten 130167 Hannover

HanauAutonome Antifa Hanau Metzgerstr. 863450 Hanau

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Jugend Antifa Aktion(JAA)Cyriaksring 5538118 Braunschweig

BremenAntifaschistische JugendAktion (AJA)St.-Pauli-Str. 8–1028203 Bremen

DelmenhorstAntifaschistische JugendDelmenhorstOldenburgerstr. 1327753 Delmenhorst

DresdenAntifa Jugend Frontc/o InfoladenKamenzerstr. 1701099 Dresden

EinbeckAntifaschistische JugendEinbeckPLK 068209 D37574 Einbeck

GöttingenAntifa Jugend Frontc/o BuchladenRote Strasse 1037073 Göttingen

GubenAntifa Jugend Frontc/o Infoladen GrenzfallGrünstr. 6003172 Guben

HamburgAntifa Jugend FrontKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

Hannoversch MündenAntifa Jugend Front Hann. Mündenc/o BuchladenRote Straße 1037073 Göttingen

HannoverJunge Linke in»Gleisdreieck«Borriesstr. 2830519 Hannover

HeusenstammAntifa Jugend Frontc/o F. J. RichterSchulstr. 363150 Heusenstamm

IngelheimJugend Antifa Ingelheim Postfach 1317 55206 Ingelehim

KaiserslauternAntifaschistische Jugendc/o EPI-ZentrumOttostr. 867657 Kaiserslautern

KoblenzAJF Koblenzc/o AStA FHAm Finkenherd 456075 Koblenz

AJF Höhr-Grenzhausen(innerer Umschlag)AStA FH (äußererUmschlag)Am Finkenherd 456075 Koblenz

KölnJRE – Jugend gegenRassismus in EuropaPostfach 30062950776 Köln

LeipzigAntifa Jugend Front Bernhard-Göring-Str. 15204277 Leipzig

LübeckAntifa Jugend Frontc/o AlternativeAuf der Wallhalbinsel 2723554 Lübeck

LudwigshafenAntifa JugendplenumPLK 059178 Ludwigshafen

MagdeburgAntifa Jugend MagdeburgJWPImmermannstr. 3039108 Magdeburg

MöllnAntifa Jugend Front Möllnc/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

MünchenJugend Antifa Münchenc/o InfoladenBreisachstr. 1281667 München

NeuschönningenstedtAntifa Jugend Frontc/o KG GethsemaneKirchenstieg 121465 Reinbek

NürnbergAntifa Jugend FrontNürnbergc/o KommKönigstr. 9390404 Nürnberg

OldenburgAntifa Jugend FrontOldenburgc/o AlhambraHermannstr. 8326135 Oldenburg

OsnabrückAntifa Jugend Plenumc/o Infoladen ZettAlte Münze 1249074 Osnabrück

183182

Antifa Plenum SchleswigHolsteinc/o T-StubePostfach 50624756 Rendsburg(auch Postverteiler fürStädte ohneKontaktadrese:Eckernförde,Flensburg/Umland,Linden)

ReutlingenAntifa Reutlingenc/o »Zelle«Postfach 1952 72760 Reutlingen

RosenheimAntifa RosenheimOberaustr. 283026 Rosenheim

SaarbrückenProjekt Antirassismus/Internationalismus imAStA der UniversitätSaarbrückenc/o AStAPostfach 151131 66041 Saarbrücken

SchleswigAntifaschistischer KreisPostfach 161324826 Schleswig

SoltauAntifaschistische AktionPostfach 111629614 Soltau

Stuttgart– Antifaschistische GruppeAVANTI– AutonomeAntirassistische Gruppec/o InfoladenMörikestr. 6970199 Stuttgart

Flüchtlingsunter-stützerInnengruppec/o InfoladenMörikestr. 6970199 Stuttgart

TostedtAntifa Landc/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

TübingenAvanti! AntifaschistischeGruppec/o InfocaféSchellingstr. 6 72072 Tübingen

WiesbadenAutonome AntifaMainz/Wiesbadenc/o InfoladenWerderstr. 865195 Wiesbaden

WieslochAntifa Wiesloch/WalldorfPostfach 131169154 Wiesloch

WitzenhausenBDP-AntifagruppeWitzenhausenc/o Bund deutscherPfadfinderInnenAm Frauenmarkt 1937213 Witzenhausen

WuppertalAntifaschistische Aktionc/o InfoladenBrunnenstr. 4142105 Wuppertal

Koordinationskreis derAntifa-GruppenWuppertalsc/o InfoladenBrunnenstr. 4142105 Wuppertal

Österreich

Antifa XPennersdorfergasse 42A-1100 Wien

Antifac/o Infoladen WienMargaretengürtel122–124/1 KellerA-1050 Wien

Schweiz

Infoladen KasamaKlingenstr. 23CH-8005 Zürich

Jugend Antifa

BerlinAntifa Jugend FrontGneisenaustr. 2a10961 Berlin

Jugend Antifa Spandauc/o El LoccoKreuzbergstr. 4310965 Berlin

BielefeldAntifa Jugend Frontc/o Infoladen AnschlagHeeperstr. 13333607 Bielefeld

BonnAntifa Jugend Front BonnRhein/Siegc/o Büro für politischeKulturarbeitFlorentinusgraben 2553111 Bonn

BraunschweigAntifa Jugend/AutonomeGruppec/o AStA TUKatharinenstr. 138106 Braunschweig

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Fantifas

BielefeldFantifac/o Infoladen AnschlagHeeperstr. 13333609 Bielefeld

Frankfurt/MFantifa Frankfurtc/o JUZ HeideparkSchleiermacherstr. 760316 Frankfurt/M

HamburgFantifa Olga B.c/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

KasselFantifac/o Gestochen ScharfElfbuchenstr. 1834119 Kassel

KoblenzAutonome FeministischeAntifac/o AStA FHAm Finkenherd56075 Koblenz

MarburgFantifa MarburgAutonomesFrauenLeseben-ReferatErlenring 535037 Marburg

NürnbergFeministische Antifac/o KommKönigstr. 9390402 Nürnberg

PassauFeministische AntifaGottfried-Schäffer-Str. 694032 Passau

Archive

BerlinAktives MuseumFaschimus undWiderstand BerlinKöthener Str. 4410963 Berlin

Deutsch-JüdischeArchivgruppe Kiebitzweg 2314195 Berlin

FriedensbibliothekFriedensstr. 110249 Berlin

Projekt Archivc/o AStABrunnenstr. 710119 Berlin

Antifa-Presse-Archivc/o PapiertigerCuvrystr. 2510997 Berlin

BonnBonner Institut fürFaschismus undAntifaschistische AktionPostfach 41010853023 Bonn

BielefeldVVN-Bund derAntifaschistenHerforder Str. 155a33609 Bielefeld

BremenVVN-Bund derAntifaschistenBürgermeister-Deichmann-Str. 2628217 Bremen

DortmundAntifa-Archivc/o Taranta BabuHumboldtstr. 4444137 Dortmund

DüsseldorfAntifaschistischeLeihbücherei der VVNVan-Douven-Str. 440227 Düsseldorf

DuisburgD.I.S.S.Realschulstr. 5147051 Duisburg

FlensburgAntifaschistisches ArchivPostfach 191624937 Flensburg

Frankfurt/MDokumentationsarchiv desdeutschen WiderstandesRossertstr. 960323 Frankfurt/M

HamburgHamburger Stiftung fürSozialgeschichte des 20.JahrhundertsSchanzenstr. 75–7720357 Hamburg

Projektgruppe für dievergessenen OpferLindenallee 5420259 Hamburg

MünchenAntifaschistischesInformations- undDokumentationsstelle &ArchivPostfach 430147 80073 München

NürnbergABIDoZRothenburgerstr. 10690439 Nürnberg

185184

PassauJugendantifac/o BBSGottfried Schäfferstr. 694032 Passau

Regensburgc/o InfoladenEngelburgergasse 1693047 Regensburg

StuttgartAJF-Stuttgartc/o InfoladenMörikestr. 6970199 Stuttgart

SuhlAlternativer Jugendkreisim alternativen JUZGothaer Str. 10598527 Suhl

WiesbadenJugendantifa Wiesbadenc/o InfoladenWerderstr. 865195 Wiesbaden

»Edelweiß-Piraten«

Beckum/Oelde/EnnigerlohEPIsc/o GrüneRoggenmarkt 759269 Beckum

BerlinEPIsGneisenaustr. 2a10961 Berlin

BonnEPIsc/o Le SabotBreite Str. 7653111 Bonn

CottbusEPIsStraße der Jugend 15503046 Cottbus

EinbeckEPIsPostlagerkarte 068209 D37574 Einbeck

GoslarEPIsPostfach 201238610 Goslar

GrimmaEPIsPostfach 41204668 Grimma

KaiserslauternEPIs Tachelesc/o VVN-BdALutrinastr. 667655 Kaiserslautern

Linker NiederrheinEPIsc/o Bücherladen amRathausSt. Antonstr. 8647798 Krefeld

LüneburgKampagne »Stoppt dieNazi-Zeitungen«c/o Heinrich-Böll-HausKatzenstr. 221335 Lüneburg

MagdeburgEPIsc/o JWPImermannstr. 3039108 Magdeburg

NordbadenEPIsPostfach 104671 69036 Heidelberg

RheinbachEPIsc/o Le Sabot Nr. 7Breite Str. 7653111 Bonn

RostockEPIsc/o InfoladenAugust-Bebel-Str. 9018055 Rostock

Schwäbisch HallEPIsc/o Club Alpha 60Pfarrgasse 374523 Schwäbisch Hall

WeilEPIsPostfach 133479576 Weil am Rhein

Folgende Gruppen können über:c/o »Edelweiss-Piraten«Gneisenaustr. 2a10691 Berlinkontaktiert werden:Edelweiß-Piraten – Aurich/Großefehn– Salzgitter-Bad– Baden– Brandenburg– Breuberg– Craislheim– Dresden– Heister– Henningsdorf– Kreuztal– Karlsruhe– Mindelheim– Osterburg– Rathenow– Rudolstadt– Usingen– Werne

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LübeckAZ – Antifa Zeitungc/o AkzentFleischhauerstr. 3223552 Lübeck

RecklinghausenAntifazHernerstr. 4345657 Recklinghausen

RendsburgGegengiftc/o T-StubePostfach 506 24756 Rendsburg

SaarbrückenAntifa Nachrichtenc/o Infoladen AZ Brauerstr. 3966123 Saabrücken

WuppertalAntifa-Zeitung NRWc/o InfoladenBrunnenstr. 4142195 Wuppertal

Schweiz

SCHRÄZPostfach 1031 CH-9001 St. Gallen

Antifac/o N.S.K.Postfach 1203CH-8036 Zürich

Österreich

MitteilungenDokumentationsarchiv desösterreichischenWiderstandesWipplingerstr. 8A-1010 Wien

TatblattGumpendorferstr. 157/11A-1060 Wien

Notruf- undInfotelefone

BerlinAntifa-Infotelefon030/2512277Antirassitisches Infotelefon030/8619422Antirassistisches TelefonOstberlin030/4426174

BonnAntifaschistischesInfotelefon0228/690509

BraunschweigAntirassistisches Telefon0531/341134

BremenAnti-Rassismus-BüroSielwall 3821203 Bremen0421/706444

DelmenhorstInfo-Telefonc/o AlbumOldenburgerstr. 1327753 Delmenhorst04221/17815

DuisburgAntifa Notruftelefonc/o AStA GH DuisburgLotharstr. 6547057 Duisburg

Frankfurt/MAntirassistisches/Antifa-schistisches Notruf- undInfotelefonc/o Cafe ExzessLeipzigerstr. 9160487 Frankfurt/M069/703337

GießenAntirassistisches/Antifa-schistisches Notruftelefon0641/791464

HamburgAntirassistisches Telefonc/o Haus für AlleAmandastr. 5820357 Hamburg040/431587

HeidelbergAntirassistischesNotruftelefon c/o AZAlte Bergheimer Str. 7a69115 Heidelberg06221/29082

KasselAntifaschistisches/Anti-rassistisches Notruf- undInfotelefonSickingstr. 1034117 Kassel0561/17919

MannheimAntirassistischesNotruftelefon0621/1564141Infotelefon0621/21705

MünchenAntirassistisches Telefon089/5439612

MünsterAntifa-Infotelefon0251/60256

187186

OsnabrückAntifa-Archiv OsnabrückPostfach 121149002 Osnabrück

WiesbadenBildungs- und Solidaritäts-werk Anna Seghers Werderstr. 865195 Wiesbaden

ÖsterreichDokumentationsstelle desösterreichischenWiderstands1. BezirkWipplingerstr. 8A-1010 Wien

NiederlandeID-Archiv im IISGCruquisweg 31NL-1019 AT-Amsterdam

Zeitschriften

BerlinAntifa-VersandGneisenaustr. 2a10961 Berlin

Antifaschistisches Infoblattc/o L. MeyerGneisenaustr. 2a10961 Berlin

Antifa Jugend Info BRDGneisenaustr. 2a10961 Berlin

FrontblattGNN-VerlagCzeminskistr. 510829 Berlin

PressespiegelAktion Sühnezeichen/FriedensdiensteJebenstr. 110623 Berlin

ZAGYorkstr. 59 19965 Berlin

BielefeldAntifa-Jugendinfoc/o Infoladen AnschlagHeeperstr. 13233607 Bielefeld

Schlag Nachc/o BürgerinitiativeBürgerwacheRolandstr. 1033615 Bielefeld

Bonn Antifa-Jugend-Info BonnRhein/Siegc/o Büro für politischeKulturarbeitFlorentinusgraben 2553111 Bonn

CottbusCottbusser InfoblattStraße der Jugend 15503046 Cottbus

DresdenAntifa-Info Dresdenc/o Infoladen SchlaglochKamenzerstr. 1701099 Dresden

ErfurtF.R.E.I. BriefPostfach 37599008 Erfurt

Frankfurt/MAntifa-Info FfMc/o Cafe ExzessLeipziger Str. 9160487 Frankfurt/M

AntifaschistischerBeobachterBockenheimer Landstr. 7960325 Frankfurt/M

GöttingenFight the PowerAJF-Infoc/o BuchladenRote Strasse 1037073 Göttingen

HalleSubotnik in LAc/o Initiative für eineVereinigte LinkeGroße Klausstr. 1106108 Halle

HannoverDer Rechte RandPostfach 1324 Hannover

HeidelbergHeidelberg-Infoc/o Infoladen MoskitoAlte Bergheimer Str. 7a69115 Heidelberg

KielATZE – AntifaschistischeZeitung KielSchweffelstr. 624118 Kiel

KölnKrassc/o AntifacaféLudolf Camphausenstr. 3650672 Köln

AntifaschistischeNachrichtenGNN-VerlagPostfach 260226 50515 Köln

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NürnbergAntirassistisches Telefon0911/262088

SaarbrückenAntifaschistisches/Anti-rassistisches Notruftelefonim SaarlandPostfach 10020266002 Saarbrücken0171/4021043(Funktelefon)

StuttgartAntifa-Infoteleon0711/6491629

Mailbox

SpinnenNetz Mainz/WiesbadenEuropean CounterNetwork (ECN)Werderstr. 865195 WiesbadenMailbox: 0611/9490749Tel.: 0611/440887Fax: 0611/9490751

Anmerkung der Redaktionsgruppe:

Alle aufgenommenen Adressen wurden im Januar 1994 durch Anschreiben unsererseitsund von überregionalen »Verteilern« bestätigt. Eine Gewähr für die Richtigkeit undVollständigkeit kann jedoch nicht gegeben weden. Sicherlich bestehen noch weitereInitiativen, die sich leider nicht rückgemeldet haben. Für eine Aktualisierung derAdressenliste bei einer eventuellen Neuauflage bitten wir um eine Nachricht an:

Antifa-Versand, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin

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