Antoni Riera

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Antoni Riera Aleman

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Antoni Riera„Der Ausweg aus der Rezession hängt nicht von der wirtschaftlichen Erholung in Deutschland ab“

Antoni Riera Font ist Direktor des Zentrums für Wirtschaftsforschung CRE (Centre de Recerca Econò-mica, UIB • SA NOSTRA). Mit Who is Who Mallorca spricht er über die ökonomische Realität der Inseln und die wirtschaftlichen Aussichten für 2011. Für ihn liegt die Lösung der Krise in der Erkennung der Ursachen, die zu den Ungleichgewichten im Finanzsektor, in der Wirtschaft und im Arbeitsmarkt geführt haben. „Was heute verändert werden muss, ist genau das, was bereits im Jahr 2007 auf den Balearen verändert werden sollte, das Jahr, als sich der Zyklus zu ändern begann.“

Nicht nur die Wirtschaft muss sich verändern, sondern es muss sich auch das Niveau der Wettbewer-bsfähigkeit verbessern, was Produktivität, Bildung und Innovation bedeutet. Allerdings ist das Szenario, in dem die Wirtschaft sich dieser Transformation unterziehen muss, jetzt anders als vor drei Jahren. Aus die-sem Grund hat sich diese Aufgabe, die wir als langfristig betrachtet haben, in eine kurzfristige Verpflichtung und eine Notwendigkeit verwandelt, um das Wohlbefinden und den Wohlstand in der Gesellschaft zu gewährleisten. Glücklicherweise gibt es einen breiten Konsens über diese Notwendigkeit, eine Reihe von tief greifenden Veränderungen zu unternehmen, von denen einige viel zu lange hinausgezögert wurden.

tinationen gibt, die immer näher heranrücken, wettbewer-bsfähiger und moderner sind als die Balearen, verursacht einen Verlust an Intensität dieser Parallelität. Deshalb hängt der Ausweg aus der Rezession eher von endogenen Fakto-ren ab als von exogenen wie die Erholung unserer Herkun-ftsmärkte wie Deutschland und Großbritannien oder von einem Rückgang der konkurrierenden Märkte wie Ägypten oder Tunesien.

Was sollten wir aus Ihrer Sicht ändern, um uns einem positi-ven Wachstum anzunähern?

Die Balearen haben strukturelle Probleme, vor denen bereits am Anfang des neuen Jahrtausend gewarnt wur-de, und dass, - wobei man allgemein sogar nur von einem langsamen Reifungsprozess ausging - , hierfür ein starker Einsatz von Forschung, Entwicklung und Innovation erfor-derlich sei, um eine Antwort auf die zu geringe Produkti-vität zu geben, einen Inlandsmarkt zu gewährleisten und eine Stärkung der Wettbewerbsposition des Archipels gegenüber ausländischen Märkten. Was sich ändern muss, ist genau das, was sich bereits im Jahr 2007 hätte ändern sollen. Die Balearen müssen ihre Attraktivität gegenüber dem Rest der Welt verbessern und regionalen Wohlstand sicherstellen. Dabei gibt es nur einen Weg, dies zu errei-chen: mit Wettbewerbsfähigkeit, die gleichzeitig Produktivi-tät, Bildung und Innovation bedeutet.

Das wirtschaftliche Szenario hat sich in den letzten Jahren aber stark verändert.

In der Tat ist der Hintergrund, vor dem die Wirtschaft diese Transformation vollziehen sollte, anders als vor drei Jahren. Heute prägt der Markt die Dinge und der Weg führt ohne Umwege in Richtung Sanierung der Wirtschaft und der Unternehmen. Und es ist deutlich geworden, dass die Fundamente der letzten Expansionsphase keine Kontinui-tät haben und, was noch wichtiger ist, bis jetzt auch keinen Ersatz gefunden wurde. Und ein Ersatz für den Beitrag der Bauwirtschaft zum BIP der Balearen und zur Beschäftigung wie im letzten Jahrzehnt ist nur möglich, wenn die Inseln fähig sind, Güter und Dienstleistungen zu exportieren, wel-che die Vorstellung ablehnen, dass sie mit einem Modell der Massenproduktion von geringem Wert und den ents-

Wie ist die wirtschaftliche Lage der Balearen?Die Wirtschaft der Inseln begann sich Ende 2007 zu

verlangsamen, so dass im Jahr 2008 daraus eine Rezession wurde. Im Frühjahr 2011 befindet sich der Archipel noch im Rezessionsteufelskreis verstrickt, aber anders als im Jahr 2009, als die Wirtschaft noch im freien Fall war - ist sie jetzt an der Grenzlinie angekommen, die ein positives von negativen Wachstum trennt (0%).

Wann geht es wieder aufwärts? Die meisten Indikatoren zeigen daraufhin, dass wir das

Schlimmste hinter uns haben, doch es sollte darauf hin-gewiesen werden, dass es nach wie vor eine Reihe von Ungleichgewichten gibt, die in diesem Moment jegliche Wachstumsvorhersagen kompromittieren. Und dabei sei nicht die Gefahr vergessen, dass sich die Rezession ver-längern kann - festgefahren in einem Prozess der geringen Produktivität, starken Verschuldung, mangelnden Flexibilität des Arbeitsmarktes und Ineffizienzen in der öffentlichen Verwaltung und sich langfristig bei geringer Wettbewer-bsfähigkeit, geringem Wachstum, niedrigen Löhne und ho-her Arbeitslosigkeit einpendelt. Ein Szenario, das gar nicht wünschenswert ist.

Die spanische Wirtschaft sieht sich mit einer langen Periode der Stagnation konfrontiert. Wie verhält sich die balearische Wirtschaft im Vergleich zu anderen spanischen Regionen?

In der Tat steht Spanien vor einer Stagnationsgefahr, die sehr ähnlich der des Archipels ist. Doch während die Balea-ren und Spanien viele strukturelle Schwächen gemein ha-ben, ist es eine Tatsache, dass die Inseln den Vorteil haben, viel offener und wesentlich exportorientierter als andere spanische Regionen zu sein.

DAS VERHÄLTNIS ZU DEUTSCHLAND

Wie betrifft uns das Wachstum der deutschen Wirtschaft? Der Staatssekretär für Finanzen und Haushalt, Carlos Ocaña, hat gesagt, dass die Balearen noch vor dem Rest der Provin-zen aus der Wirtschaftskrise herausfinden werden und zwar dank der wirtschaftlichen Erholung Deutschlands und Groß-britanniens. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich habe schon immer gesagt, und zwar zu Recht, dass die balearische Wirtschaft sich mehr an Großbritannien und Deutschland orientiert als am spanischen Festland. Die Tatsache jedoch, dass es für diese Märkte jetzt andere Des-

„Um wettbewerbsfähiger zu werden brauchen wir viele Reformen und eine

Veränderung in der Einstellung“

„Wir haben jahrelang vor uns hin gelebt, ohne auf die wirklichen Probleme der Balearen-Wirts-

chaft einzugehen“

„Zu konkurrieren bedeutet nach außen attraktiv zu sein“

prechend negativen Auswirkungen assoziiert werden, eine Tatsache, die bis heute nicht der Fall ist.

Was bedeutet diese Aussage? Dem Balearen-Modell des Produzierens und Konsumie-

rens, mit einer starken Abhängigkeit von einer Auslands-verschuldung und billigen Arbeitskräften, fällt es schwer, sich an das neue Szenario anzupassen. Es hängt sich an der Möglichkeit auf, verstärkt Güter und Dienstleistungen zu produzieren und dabei gleichzeitig zu konsumieren. Aus diesem Grund führt diese Aufgabe, die wir als langfristig betrachtet haben, zu einer kurzfristigen Verpflichtung und der Notwendigkeit, Wohlbefinden und Wohlstand in der Gesellschaft zu gewährleisten.

Länder wie Deutschland haben die Rezession bereits überwunden.

Die Rezession hat die makroökonomische Stabilität alle Länder zersetzt, eine der Ur-Säulen der Wettbewerbsfähi-gkeit, und zu einem Verlust des Kapitals, in der Beschäf-tigung und in der Produktivität in allen Ländern geführt. Allerdings konnten einige Länder, darunter Deutschland, diese Schwierigkeiten dank ihrer besseren und wettbewer-bsfähigen Basis ausgleichen. Alle Länder rutschten praktisch gleichzeitig in die Rezession, aber nicht alle kamen oder kommen zur gleichen Zeit oder in der gleichen Weise wie-der heraus.

Wir müssen an Produktivität zu gewinnen. Tatsächlich hängt das Überleben der Unternehmen auf

den Balearen und damit der Wohlstand des Archipels ents-cheidend von der Fähigkeit ab, sich an dieses neue Umfeld anzupassen, und unsere Technik – im weitesten Sinne - in neue Produkte zu investieren oder in günstigere Produk-te oder in erweiterte Produkte als die Bestehenden. Nur wenn dies geschieht, können wir sagen, dass die Technolo-gie sich in ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) verwandelt hat und auch nur wenn das eintritt, kann man sicher sein, dass die Balearen die Krise überwunden haben, die sie derzeit als Folge des Zusammenbruchs des Bausektors erleiden. Zu diesem Zweck sollte der öffentliche Sektor das Bil-dungsniveau in der Gesellschaft stärken und die Qualität in der Forschung vorantreiben, um die Kapazität eines Tech-nologietransfers zu fördern. Auf der anderen Seite sollten in der Privatwirtschaft Technologie und Bildung eine zu-nehmend wichtige Rolle in den Unternehmensstrategien spielen, da sie einen echten Wettbewerbsvorteil darstellen.

Dies muss von einer entschlossenen Verpflichtung zur Qualität begleitet werden, aufgrund einer zunehmenden Internationalisierung und Präsenz aufstrebender Märkte, und zwar durch eine Priorität in Forschung, Entwicklung und Innovation, begleitet von einer Erhöhung der Unter-nehmensinvestitionen in diesen Gebieten.

AUSGABENKÜRZUNG

Der Inselrat des Präsidiums, Albert Moragues, hat angekün-digt, dass die Regierung starke Ausgabenkürzungen in der re-gionalen Verwaltung plant. Wie bewerten Sie das?

Wir müssen eine makroökonomische Stabilität gewähr-leisten, auch wenn das alleine noch keine Wettbewerbs-fähigkeit garantiert. Aus dieser Perspektive ist es wichtig, die Kosten zu senken, aber der Einschnitt sollte sich daran orientieren, Ressourcen zur Förderung und Verbesserung von Produktionsfaktoren frei zusetzen (Land, Arbeit, Kapi-tal, Technologie, Unternehmertum ...) und die auf den In-seln produzierten Waren und Dienstleistungen aufwerten. Alles andere wäre Zeitverschwendung und würde eine Rezessionsverlängerung fördern.

Außerdem muss wieder ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden und das Problem der Auslandsverschul-dung gelöst werden. Wir müssen zahlreiche Maßnahmen ergreifen, viele unserer Einstellungen und Prioritäten verän-dern, unsere Rechnung bezahlen, die Hausaufgaben nicht rechtzeitig gemacht zu haben und uns vor allem bewusst werden, was heute alles auf dem Spiel steht.

Wir müssen die Art, wie wir produzieren und kon-sumieren verändern, und definitiv, wie wir wachsen. Und wenn wir mit all dem noch fähig sind, im Ausland ein gutes Bild abzugeben, dann werden wir es geschafft haben. Im Moment haben wir das noch nicht erreicht und deshalb sind wir, wo wir sind.

Welches sind derzeit die dynamischsten Sektoren der balea-rischen Wirtschaft? Wie bewerten Sie die Umgestaltung der Playa de Palma und den Bau des Kongresszentrums?

Die aktuelle Krise hat nicht nur Zweifel an den mit dem Bau verbundenen Wirtschaftszweigen hervorgerufen – und zwar sowohl an der Immobilienbranche als auch an öffentlichen Bauten – und den standardisierten Dienst-leistungen des Massenkonsum als wichtigste Quelle des Wachstums, sondern auch die Marktsegmente wurden in Mitleidenschaft gezogen, die klar und deutlich auf Innova-tion gesetzt haben.

Der drastische Rückgang in den Märkten hat den globa-len Wettbewerb zugunsten der dynamischsten Marktadern verschärft, eine Tatsache, die zu ernsthaften Schwierigkeiten

„Wir stehen vor einem Szenario von niedrigerem Wachstum und geringer Beschäftigung“

für Unternehmen aller Größen und Branchen geführt hat.Was die Playa de Palma und den Kongresspalast betrifft

– einmal abgesehen von den Schwierigkeiten -, so glaube ich, dass sie eindeutige Beispiele für eine Angebotspolitik sind, die der Archipel dringend benötigt. Die Balearen ha-ben kein Problem der touristischen Nachfrage, sondern ein Problem im Angebot, in den Produkten. Sie brauchen keine Anstrengung in der Bewerbung, sondern im Produkt selbst.

DAS BUSINESS PARKETT

Was würden Sie den Unternehmern empfehlen? Ich würde Ihnen empfehlen zu investieren und ihre Un-

ternehmen mit Technologie und Wissenstransfer auszus-tatten. Nur durch Investitionen in produktive Tätigkeiten, in die Ausrüstung, die Anlagen und in Technologie können

Unternehmen die notwendigen Kapazitäten entwickeln, um an Wert zu gewinnen. Es ist daher unerlässlich, den intensiven Einsatz von ungelernten Arbeitskräften durch ausgebildete zu ersetzen.

Es ist wichtig, dass Unternehmen einen neuen Pro-duktionsweg finden, der eher von einer nicht-konventione-llen Technologie abhängt. Das Ziel ist nicht, die Produktion von dem, was produziert wird, einzustellen, sondern die gleiche Sache anders zu machen.

Was würden Sie den Bürgern raten, um diese schwierige wirtschaftliche Situation besser zu überstehen?

Dass sie viel mehr Zeit in Bildung investieren, denn Ausbildung und Wissen sind die Wettbewerbsvorteile der Zukunft. Wir stehen vor einem Szenario von niedrigerem Wachstum und daher weniger Arbeit. Wir leben schon eine lange Zeit mit unseren Arbeitslosenquoten. Wenn jemand ausgesucht werden will und Arbeit haben möch-te, dann muss er sich vom Rest unterschieden. Und der einzige Weg, das zu erreichen, sind beste Qualifikationen, Bildung und Wissen.

„Wir sind an der Grenzlinie, die ein positives von negativem Wachstum trennt (0%)“