“Warum mache ich das hier eigentlich?“ · Egal! Ich fahre jetzt mein Tempo! Schnauf! Ich hasse...

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W a r u m m a c h e i c h d a s h i e r e i g e n t l i c h ? ...diese Frage habe ich mir auf den 46 Kilometern der diesjährigen Tour d’Energie am 24. April des Öfteren gestellt. 45 Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, unser Schulleiter und unser Hausmeister sind für das Max-Planck-Gymnasium angetreten und haben den zweiten Platz in der Schulwertung dieses Radrennens gewonnen. So viele Gedanken gingen mir an diesem Tag durch den Kopf: „Was? Schon 8 Uhr? Vielleicht hätte ich gestern doch ein bisschen früher ins Bett gehen sollen!“ Ich gucke aus dem Fenster. Es regnet. „Na toll! Da steigt ja meine Motivation, bei 10 Grad den Hohen Hagen hoch zu fahren rasant an.“ Nach dem Frühstück fuhr ich zum Parkplatz der Eiswiese. „Verdammt, ich bin viel zu spät dran, das Gruppenfoto war schon vor einer Viertelstunde. Na ja, dann muss ich mich wenigstens nicht jeden Morgen am gelben Trikot in der Schule in mehreren Schichten Jacken und mit garantiert blödem Gesichtsausdruck sehen.“ Ich verabschiede mich von einem Vater und fahre zur Sparkassenarena. „Kalt, kalt, kalt. Wo sind die denn jetzt alle? Ahh, da leuchten mir doch schon blaue Trikots entgegen. Na, immerhin bin ich nicht zu spät (außer fürs Gruppenfoto).“ Ich begrüße einige und gehe anschließend mit Frau Runte und Frau Luers, die im selben Startblock starten, los. „Dieser Stadionsprecher die ganze Zeit, der hat gut reden, der fährt ja auch nicht mit. Was macht der denn jetzt? Der interviewt jetzt nicht ernsthaft noch wahllos Starter des ersten Blocks, oder? Doch, leider schon und noch schlimmer: Ich steh’ ja auch im ersten Block. Warum überhaupt? Um mich bereits auf den ersten Kilometern überholen zu lassen? Egal, Hauptsache, der interviewt mich jetzt nicht!“ Er kommt immer näher und befragt jetzt einen Starter direkt vor mir. „Okay jetzt bloß beschäftigt wirken. Also Schuhe nochmal zumachen. Mist, er ist immer noch da! Ähh, 21

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“Warum mache ich das hier eigentlich?“ ...dieseFragehabeichmiraufden46KilometernderdiesjährigenTourd’Energieam24.AprildesÖfterengestellt.45SchülerinnenundSchüler,LehrerinnenundLehrer,Eltern,unserSchulleiterundunserHausmeistersindfürdasMax-Planck-Gymnasiumangetreten und haben den zweiten Platz in der Schulwertung dieses Radrennensgewonnen.SovieleGedankengingenmirandiesemTagdurchdenKopf:

„Was? Schon 8 Uhr? Vielleicht hätte ich gestern doch ein bisschen früher ins Bettgehen sollen!“ Ich gucke aus dem Fenster. Es regnet. „Na toll! Da steigt ja meineMotivation, bei 10 Grad den Hohen Hagen hoch zu fahren rasant an.“ Nach demFrühstückfuhrichzumParkplatzderEiswiese.„Verdammt,ichbinvielzuspätdran,das Gruppenfoto war schon vor einer Viertelstunde. Na ja, dann muss ich michwenigstensnichtjedenMorgenamgelbenTrikotinderSchuleinmehrerenSchichtenJacken undmit garantiert blödemGesichtsausdruck sehen.“ Ich verabschiedemichvoneinemVaterund fahrezurSparkassenarena. „Kalt, kalt, kalt.Wosinddiedennjetztalle?Ahh,daleuchtenmirdochschonblaueTrikotsentgegen.Na,immerhinbinich nicht zu spät (außer fürs Gruppenfoto).“ Ich begrüße einige und geheanschließendmit Frau Runte und Frau Luers, die im selben Startblock starten, los.„DieserStadionsprecherdieganzeZeit,derhatgutreden,derfährtjaauchnichtmit.Wasmachtderdennjetzt?Der interviewt jetztnichternsthaftnochwahllosStarterdeserstenBlocks,oder?Doch,leiderschonundnochschlimmer:Ichsteh’jaauchimersten Block. Warum überhaupt? Um mich bereits auf den ersten Kilometernüberholen zu lassen? Egal, Hauptsache, der interviewtmich jetzt nicht!“ Er kommtimmer näher und befragt jetzt einen Starter direkt vor mir. „Okay jetzt bloßbeschäftigtwirken.AlsoSchuhenochmalzumachen.Mist,eristimmernochda!Ähh,

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zum fünftenMal überprüfen, ob ich genug zu trinken habe,Müsliriegel aufreißen,und nochmal Schuhe zumachen. Jetzt ist er weg, Glück gehabt!“ „Noch dreiMinuten“,ruftderStadionsprecher.„Alsoderträgtheuteaberauchnichtdazubei,dass sichmeineAufregungverringert.“ „Noch 0Sekunden!“Klick. Ichklicke schonmal meine erste Pedale ein. „Noch 10, , 8, , 6, 5, 4, , 2“, klick, jetzt auch diezweite,„1undLOOOOOOSSS!“„Okayjetztgibt’skeinZurückmehr.Aufgeht’s, arla!Bloßnicht gleichamAnfanghinfallen.“Nochvorder Zeitnahme fahre ichnatürlichfastgleichzweiFahrerum.„Ohh,Mist,wokommendiedennaufeinmalher?Kurzentschuldigen und dann schnell weiterfahren, nicht länger drüber nachdenken.“Zeitnahme!„Binicheigentlichblind?Wiekonnteichdiedennnichtsehen?Ach, ichwolltejanichtlängerdrübernachdenken!“DieerstenKilometerbiszumBergJühndehoch verlaufen dann recht entspannt, abgesehen davon, dass ich fast meineHandschuhe verloren habe beim Versuch, mein Halstuch höher zu ziehen. DerAnstiegbeginnt.„Okay,ganzlangsamanfangen.Einatmen,Ausatmen...Huch,derist

dochnochviel jüngerals ich,dakannichjamalversuchen,dranzubleiben.Keuch!Jünger,abertrotzdemschneller.Egal!IchfahrejetztmeinTempo!Schnauf!Ichhassediesen Berg!“ Irgendwann hatte ich es dann geschafft und war kurz vorm HohenHagen.„Na,klasse,jetztfängtesanzuhageln!Toll,echtangenehm,wenneinemdieHagelkörnersoumdieOhrenpfeifen!Naja,wassoll’s!Jetztgehteseherstmalnurbergauf, da fahr ich ja nicht so schnell.“ Ich fahre unter der Zeitmessung für die

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Bergwertung durch und genau diese Bergwertung scheint bei manchen nochmalungeahnte Kräfte freizusetzen. „Sind die denn verrückt, die fahren ja plötzlich hierhochalsgäbeesnichtsLeichteres!Schnauf!DerersteAnstieg istechthart!Keuch!Was tue ich mir und meinen Oberschenkeln hier eigentlich gerade an?“ Immerwiedergucke ichaufdieStraße,wo inbunterFarbesoetwaswie„ ualitätkommtvon uälen“oder „Zieeeeh!“ steht. „Einerseits ja schonnett, aber irgendwiehabendiejaauchgutreden,wennsienichtmitfahren!Ohh,dastehtjameinName! ool!Okay,dassporntmichjetztdochan.Los, arla!Holnochmalallesraus!Obengeht’serstmallangebergab.Gleichhabeich’s,daistschondasZiel.Okay,das„schon“kannman getrost streichen. Was macht der denn da am Rand? Doch wohl nicht etwaFotos,oder?Doch,genaudastutder!Achegal,hierobensehenehalleausalshättensiedenMarathon ihresLebenshintersich.Noch5Meter...Geschafft!!! Jetztgeht’srunter.“DieAbfahrtunddieletztenkleinenAnstiegeverliefendanntatsächlichechtgut,undschonbaldbin ichamRosdorferKreisel.Nurnoch500MeterbiszumZiel.„Gleichgeschafft!UnddasBestekommt janoch:DieEinfahrtaufdieBürgerstraße.LetzteKurve!Bloßnichtnoch sokurz vormZiel aufdieKlappe legen!“AuchdiesesJahr wieder jubelten einem die Zuschauer an der Bürgerstraße zu. „Das ist echteinfach unbeschreiblich schön hier! Alleine für diese letzten Meter lohnt sich derganzeSchmerz!Man fühlt sich,alshättemandieTourdeFrancegewonnen.Okay,vielleichtnichtganz,aberegal:Esisteinfachfantastisch!!!“

CarlaDornbusch(9l)

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