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Nürnberger Nachrichten - 28/02/2017 Seite : 11 Copyright (c) 2017 Verlag Nuernberger Presse, Ausgabe 28/02/2017 März 1, 2017 7:03 am (GMT -1:00) Powered by TECNAVIA Verkleinert auf 71% (Anpassung auf Papiergröße) VON ANDREAS FRANKE Die Stadt kehrt mit ihrer Gesundheits- beratung in die Stadtteile zurück. In Gostenhof (mit Muggenhof und Eber- hardshof), St. Leonhard/Schweinau, Langwasser sowie Röthenbach-Ost und -West werden Gesundheitskoordi- natorinnen eingesetzt. Sie sollen hel- fen, die „gesundheitliche Situation von Menschen in sozial schwierigen Lagen“ zu verbessern. Maßgeblich unterstützt wird das auf vier Jahre an- gelegte Projekt von der AOK Bayern. „Es ist ein großer gesellschaftspoliti- scher Skandal, dass der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen armen und reichen Menschen zehn Jahre beträgt“, sagt Fred-Jürgen Bei- er, Chef des Nürnberger Gesundheits- amts. Das habe nicht nur etwas mit der Gesundheitsversorgung zu tun, sondern auch mit den Lebensumstän- den, betont der Mediziner. Er hat sich schon lange auf die Fah- ne geschrieben, die „Folgen sozialer Ungleichheit“ zu reduzieren. Als Nürnberg 1990 drei stadtteilbezogene Projekte in der Gesundheitsförderung startet, beginnt seine Karriere bei der Stadt. „Damals war Nürnberg Trend- setter“, schwärmt Beier. Doch dann fiel das Angebot zur Jahrtausendwen- de dem Sparkurs zum Opfer. Jetzt, fast zwei Jahrzehnte später, knüpft die Stadt wieder an die alte Idee an. „Wir wollen die Gesundheitspräven- tion zu den Menschen bringen“, er- klärt Oberbürgermeister Ulrich Maly. Die vier Stadtteile seien bewusst aus- gewählt worden, weil dort überdurch- schnittlich viele Menschen mit Migra- tionshintergrund leben und/oder Transferleistungen bezögen, so Beier. In jedem Stadtteil wird eine Gesund- heitskoordinatorin eingesetzt. Sie sol- len die Kontakte knüpfen zwischen Kindergärten und Schulen, Vereinen, Organisationen und anderen Bera- tungsangeboten, die bereits vor Ort sind. Das Projekt „Gesundheit für alle im Stadtteil“ läuft über vier Jahre. Star- ker Partner ist die AOK Bayern, die mit 1,7 Millionen Euro den Löwenan- teil der Kosten trägt. Die Stadt zahlt 230 000 Euro. „Das neue Bundesprä- ventionsgesetz bietet uns die Möglich- keit“, erklärt Hubertus Räder vom AOK-Vorstand das Engagement. Das Ziel sei, die Menschen „in ihren Lebenswelten abzuholen“. Auf die Bürger hören Mehr Bewegung, gesündere Ernäh- rung, das sind nur zwei Themen, die aufgegriffen werden. Umwelt- und Gesundheitsreferent Peter Pluschke mahnt, den Menschen in den Stadttei- len den Raum für Bewegung zu geben, etwa in Parks. „Wir schauen auch nach den Hotspots der Einsamkeit“, sagt Beier. Vereinsamung sei eine Krankheitsursache, so der Mediziner. Die Frage: Wie könne man diese Men- schen wieder aus der Isolation holen? Zunächst einmal wollen die Initiato- ren das Projekt in den Stadtteilen bekanntmachen. Dann werden „Stadt- teildiagnosen“ über den Gesund- heitszustand erstellt, unter anderem durch Befragungen von Bürgern. Bei- er: „Gesundheitsförderung ist kein Fertiggericht. Wir müssen sie auf die Stadtteile abstimmen.“ Man wolle zuhören, was die Bürger vor Ort sich wünschen. (Siehe StandPunkt unten) Wer sich bewegen will, braucht auch den Platz dazu. Eine Möglichkeit sind generationenübergreifende „Bewegungsparks“ — wie hier im Pegnitztal-West in Nürnberg. Foto: Roland Fengler Armut macht krank Ein neues Gesundheitsprojekt in vier Stadtteilen ANZEIGE NEUER WICHTIGER SICHERHEITSHINWEIS

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Nürnberger Nachrichten - 28/02/2017 Seite : 11

Copyright (c) 2017 Verlag Nuernberger Presse, Ausgabe 28/02/2017März 1, 2017 7:03 am (GMT -1:00) Powered by TECNAVIA

Verkleinert auf 71% (Anpassung auf Papiergröße)

VON ANDREAS FRANKE

Die Stadt kehrt mit ihrer Gesundheits-beratung in die Stadtteile zurück. InGostenhof (mit Muggenhof und Eber-hardshof), St. Leonhard/Schweinau,Langwasser sowie Röthenbach-Ostund -West werden Gesundheitskoordi-natorinnen eingesetzt. Sie sollen hel-fen, die „gesundheitliche Situationvon Menschen in sozial schwierigenLagen“ zu verbessern. Maßgeblichunterstützt wird das auf vier Jahre an-gelegte Projekt von der AOK Bayern.

„Es ist ein großer gesellschaftspoliti-scher Skandal, dass der Unterschiedin der Lebenserwartung zwischenarmen und reichen Menschen zehnJahre beträgt“, sagt Fred-Jürgen Bei-er, Chef des Nürnberger Gesundheits-amts. Das habe nicht nur etwas mitder Gesundheitsversorgung zu tun,sondern auch mit den Lebensumstän-den, betont der Mediziner.

Er hat sich schon lange auf die Fah-ne geschrieben, die „Folgen sozialerUngleichheit“ zu reduzieren. AlsNürnberg 1990 drei stadtteilbezogeneProjekte in der Gesundheitsförderungstartet, beginnt seine Karriere bei derStadt. „Damals war Nürnberg Trend-setter“, schwärmt Beier. Doch dannfiel das Angebot zur Jahrtausendwen-de dem Sparkurs zum Opfer. Jetzt,fast zwei Jahrzehnte später, knüpftdie Stadt wieder an die alte Idee an.

„Wir wollen die Gesundheitspräven-tion zu den Menschen bringen“, er-klärt Oberbürgermeister Ulrich Maly.Die vier Stadtteile seien bewusst aus-gewählt worden, weil dort überdurch-schnittlich viele Menschen mit Migra-tionshintergrund leben und/oder

Transferleistungen bezögen, so Beier.In jedem Stadtteil wird eine Gesund-heitskoordinatorin eingesetzt. Sie sol-len die Kontakte knüpfen zwischenKindergärten und Schulen, Vereinen,Organisationen und anderen Bera-tungsangeboten, die bereits vor Ortsind.

Das Projekt „Gesundheit für alle imStadtteil“ läuft über vier Jahre. Star-ker Partner ist die AOK Bayern, diemit 1,7 Millionen Euro den Löwenan-teil der Kosten trägt. Die Stadt zahlt230000 Euro. „Das neue Bundesprä-ventionsgesetz bietet uns die Möglich-keit“, erklärt Hubertus Räder vomAOK-Vorstand das Engagement. DasZiel sei, die Menschen „in ihrenLebenswelten abzuholen“.

Auf die Bürger hörenMehr Bewegung, gesündere Ernäh-

rung, das sind nur zwei Themen, dieaufgegriffen werden. Umwelt- undGesundheitsreferent Peter Pluschkemahnt, den Menschen in den Stadttei-len den Raum für Bewegung zu geben,etwa in Parks. „Wir schauen auchnach den Hotspots der Einsamkeit“,sagt Beier. Vereinsamung sei eineKrankheitsursache, so der Mediziner.Die Frage: Wie könne man diese Men-schen wieder aus der Isolation holen?

Zunächst einmal wollen die Initiato-ren das Projekt in den Stadtteilenbekanntmachen. Dann werden „Stadt-teildiagnosen“ über den Gesund-heitszustand erstellt, unter anderemdurch Befragungen von Bürgern. Bei-er: „Gesundheitsförderung ist keinFertiggericht. Wir müssen sie auf dieStadtteile abstimmen.“ Man wollezuhören, was die Bürger vor Ort sichwünschen. (Siehe StandPunkt unten)

Wer sich bewegen will, braucht auch den Platz dazu. Eine Möglichkeit sind generationenübergreifende „Bewegungsparks“— wie hier im Pegnitztal-West in Nürnberg. Foto: Roland Fengler

Armut macht krankEin neues Gesundheitsprojekt in vier Stadtteilen

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NEUER WICHTIGER SICHERHEITSHINWEIS

Nürnberger Nachrichten - 28/02/2017 Seite : 11

Copyright (c) 2017 Verlag Nuernberger Presse, Ausgabe 28/02/2017März 1, 2017 12:06 pm (GMT -1:00) Powered by TECNAVIA

Hat die Stadt fast 20 Jahre ihrerGesundheitsarbeit in den Stadttei-len verschlafen? „Nein“, sagen Ober-bürgermeister Ulrich Maly undGesundheitsamtschef Fred-JürgenBeier. 1990 gestartet, fielen die dreistadtteilbezogenen Gesundheitspro-jekte um 2000 wieder dem Rotstiftzum Opfer (sieheoben). Wenn heute,17 Jahre danach,solche Angebotewieder ins Lebengerufen werden sollen, dann sindfast zwei Jahrzehnte verschenktworden, allen Beschwichtigungenzum Trotz.

Von daher ist es gut, wenn – mitneueren Erkenntnissen der Präventi-on – Gesundheitskoordinatorinnenvor Ort wieder ihre Arbeit aufneh-men. Denn da hat der Leiter desGesundheitsamts und engagierte

Mediziner Beier schon recht: Esdarf nicht sein, dass viel früherstirbt, wer weniger verdient, einenniedrigen Bildungsabschluss undwomöglich noch einen Migrations-hintergrund hat und in einem Stadt-teil lebt, in dem es viel mehr Lärmund Umweltbelastung gibt.

Positiv ist, dassdas NürnbergerProjekt nicht nurviel Geld von derAOK (und damit

den Beitragzahlern) erhält, sondernauch über vier Jahre geht. Das ver-spricht eine gewisse Kontinuität.

Zu hoffen ist jedoch, dass hiernicht über einen längeren Zeitraumnur noch weitere Strukturen aufge-baut werden. Die Menschen vor Ortmüssen sehr schnell merken, dasssich hier für sie etwas zum Besserenwendet.

Rückkehr in die QuartiereGesundheitsberatung kommt zu den Menschen

V O N A N D R E A S F R A N K E

DER STANDPUNKT

Nürnberger Zeitung - 28/02/2017 Seite : 10

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Verkleinert auf 89% (Anpassung auf Papiergröße)

Es ist eine vieldiskutierte Frage in derSozialmedizin: Kann die PolitikMenschen aus niedrigen sozialenSchichten dazu bringen, gesünder zuleben? Ein großes Förderprojekt derKrankenkasse AOK soll das in vierNürnberger Stadtteilen versuchen.

Armsein macht krank. Den statis-tisch belegbaren Zusammenhang zwi-schen sozialem Status und Gesund-heit (siehe Beitrag links) hat sichNürnbergs GesundheitsamtsleiterFred-Jürgen Beier schon lange zumKampfthema erkoren. „Zehn JahreUnterschied in der Lebenserwartungvon Arm und Reich, das ist der größtegesundheitspolitische Skandal“, sagteer auch gestern wieder. Jetzt wächstBeiers Hoffnung, dass die Kommuneein wenig besser gegensteuern kann:mit dem neuen Projekt „Gesundheitfür alle im Stadtteil“.

Gestern haben die AOK und dasstädtische Gesundheitsreferat Einzel-heiten vorgestellt. Demnach gibt dieKrankenkasse 1,7 Millionen Euro För-derung, um für vier Jahre sogenannteGesundheitskoordinatoren zu finan-zieren. Diese neuen städtischen Ange-stellten bekommen auf vier Vollzeit-stellen die Aufgabe, Bürger in sozialschwierigen Lebenslagen zu gesünde-ren Lebensweisen anzuregen. WeitereAusgaben für das auf zwei MillionenEuro angesetzte Projekt will die Stadt-verwaltung übernehmen. Die Pro-gramme sollen in der Weststadt (Gos-tenhof, Muggenhof, Eberhardshof),

St. Leonhard und Schweinau, Lang-wasser und Röthenbach laufen.

Bewegung, ausgewogene Ernäh-rung und Stressabbau stehen dabei imVordergrund. „Es geht auch um dieVerankerung einer gewissen Kompe-tenz zur Gesunderhaltung“, sagteGesundheits- und UmweltreferentPeter Pluschke. „Die ist in den Famili-en teilweise verschüttet.“ Das Projektwerde sich nicht unbedingt in zusätzli-chen Kursangeboten zeigen, kündigteBeier an. Vielmehr gehe es darum,bestehende Aktivitäten besser auf einStadtviertel zuzuschneiden. Begon-nen werde mit Befragungen derBewohner.

Das Gesundheitsamt will dabei aufseine Erfahrungen etwa aus dem„Gesundheitsnetzwerk St. Leon-hard–Schweinau“ oder der „aufsu-chenden Gesundheitshilfe“ für Müt-ter zurückgreifen. Eine Herausforde-rung dabei sei es, jene sozial isoliertenMenschen anzusprechen, die auf bishe-rige Hilfen nicht eingehen.

Als „Beitrag zur Chancengleich-heit“ bezeichnete Hubertus Räde, Vor-standsmitglied der AOK Bayern, dasLangzeit-Projekt. Das Bundespräven-tionsgesetz von 2015 habe die Wei-chen dafür gestellt. Die Kampagne sei„ein Versuch, die Prävention dorthinzu bringen, wo die Menschen sind“,sagte Oberbürgermeister Ulrich Maly:in die Schulen, Kindertagesstätten,Vereine und Stadtteilgruppen – dannsei der schlechte Ruf von Präventionvöllig ungerechtfertigt. Isabel Lauer

Frauen bei der Senioren-Wassergymnastik im Post-Sportverein. Bewegung hältgesund – aber wie reicht man dabei den Menschen die Hand, die aus sozialer Isola-tion oder Geldnot nie in den Vereinen sichtbar werden? Archivfoto: Horst Linke

Stadtverwaltung und AOK planen mehr Prävention in ärmeren Stadtteilen

Neue Hausaufgabe: gesünder leben lernen