„PFLANZEN INTERESSIEREN MICH NICHT, FÜR MICH SEHEN DIE … · 2018. 11. 15. · „PFLANZEN...

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„PFLANZEN INTERESSIEREN MICH NICHT, FÜR MICH SEHEN DIE ALLE GLEICH AUS!“ Amélie Tessartz Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Fachdidaktik Biologie Naturinteresse wird als Prädiktor für die Handlungsbereitschaft zum Biodiversitätsschutz verstanden (Leske & Bögeholz 2008). Das Interesse an Natur nimmt jedoch im Laufe der Sekundar- stufe I ab (Berck & Graf 2018). Darüber hinaus finden Schüler*innen Pflanzen deutlich weniger interessant als Tiere (u. a. Wandersee & Schussler 1999; Elster 2007). Daher sind Untersuchungen zur Interessenförderung an botanischen Themen von besonderer Bedeutung. Außerschulische Lernorte , wie botanische Gärten, besitzen das Potential, Interesse an Pflanzen durch den direkten Kontakt zu fördern (Allan 2003) und werden daher in dieser Studie fokussiert. HINTERGRUND Zur Prüfung dieser und weiterer Designhypothesen werden Interventionen, u. a. im Rahmen einer AG, durchgeführt und evaluiert. Um ein umfassendes und valides Bild vom Untersuchungsgegenstand zu erhalten, werden verschiedene Methoden kombiniert und Daten aus unterschiedlichen Perspektiven (Hilfskräfte; Lehrende; Lernende etc.) in die Untersuchung einbezogen. AUSBLICK METHODE Methodisch folgt die Arbeit dem PIB-Ansatz (Scheersoi & Hense 2015). Nach der Voruntersuchung, die aus einer Literatur- recherche, leitfadengestützten Interviews (N=4), Beobachtungen (N>150) und einer Fragebogenerhebung (N=507) bestand, finden zurzeit erste Interventionen zur Prüfung der Designhypothesen statt. A LLAN , W. (2003). Plant Blindness. BioScience , 53(10), 926. Berck, K.H. & Graf, D. (2018). Biologiedidaktik. Grundlagen und Methoden.Wiebelsheim, Quelle & Meyer. E LSTER , D. (2007). In welchen Kontexten sind naturwissenschaftliche Inhalte für Jugendliche interessant? Ergebnisse der ROSE Erhebung in Österreich und Deutschland. Plus Lucis , 3, 2-8. L ESKE , E. & B ÖGEHOLZ , S. (2008). Biologische Vielfalt regional und weltweit erhalten – Zur Bedeutung von Naturerfahrung, Interesse an der Natur, Bewusstsein über die Gefährdung und Verantwortung. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften , 14, 185-200. S CHEERSOI , A. & H ENSE , J. (2015). Kopf und Zahl – Praxisorientierte Interessenforschung in der Biologiedidaktik (PIB). Biologie in unserer Zeit , 45, 214-216. W ANDERSEE , J.H. & S CHUSSLER , E.E. (1999). Preventing Plant Blindness. The American Biology Teacher , 61(2), 82-86. LITERATUR Abb. 3: Eingehende Betrachtung von Pflanzen in den Botanischen Gärten der Universität Bonn FRAGESTELLUNG Unter welchen Bedingungen eignen sich Angebote an außerschulischen Lernorten dazu, das Interesse von Schüler*innen der Sekundarstufe I an botanischen Themen zu fördern? ERSTE ERGEBNISSE Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung bestätigen das geringe Interesse an Pflanzen, v. a. bei Schüler*innen im Alter von 14 15 Jahren. Allerdings konnten pflanzenspezifische Unterschiede festgestellt werden (Abb. 1). Interviewergebnisse zeigen, dass diese auf besondere Eigenschaften der Pflanzen zurückzuführen sind (vgl. Abb. 2). Außerdem spielen Bewegungsphänomene eine Rolle („ Eigentlich mag ich ganz gerne Dinge, die sich bewegen. Deswegen finde ich auch die fleischfressende Pflanze so interessant “) und ihr Nutzen für den Menschen („ Die Pflanzen müssen irgendwas besonderes haben, dass man daraus z. B. irgendwas machen kann. Das finde ich interessant “). Weiterhin zeigt sich, dass sich der direkte Umgang mit Pflanzen (Abb. 3) ebenfalls positiv auf das Interesse auswirkt: „ Ich würde eher praktische Sachen mit Pflanzen machen wollen und keine Arbeitsblätter. “; „ Es macht Spaß zu sehen, wie die Pflanze in echt aussieht. Man sieht sie von ganz nah und manchmal sieht man auch noch bestimmte Strukturen, die man so nicht im Film oder nicht im Buch sieht. Die man halt einfach richtig sehen muss, um sie zu erkennen “. Um das Interesse an Pflanzen zu fördern, sollten Schüler*innen daher Primärerfahrungen mit Pflanzen ermöglicht werden, die besondere Phänomene und Eigenschaften der Pflanzenwelt ‚erfahrbar‘ machen. Wie interessant findest du.... gar nicht interessant eher nicht interessant weder/ noch etwas interessant sehr interessant 3,8 3,4 3,7 2,8 2,5 2,4 2,4 2,9 3,3 2,8 3,0 1,9 2,1 1,9 1 2 3 4 5 Weiblich (N=231) Männlich (N=257) *** *** *** * Abb. 1: Ergebnisse der Fragebogenerhebung zum Interesse an Pflanzen von Schüler*innen im Alter von 10 18 Jahren ( *: p < 0.05; ***: p < 0.001) „Es sind fast überall Bäume. Es gibt fast überall Linden und es ist halt irgendwie ein bisschen langweilig“ Abb. 2: Auszüge eines Schülerinterviews mit Pflanzenbildkarten (Mädchen 12 Jahre) Wie interessant findest du... 1 2 4 3 Ich find‘s interessant wie die es hinkriegen, dass sie die Tiere zum Austrocknen bringen oder so, dass die sterben in diesem Raum. Und wie die automatisch die Blätter zusammen machen, wenn eine Fliege kommt.“ „Und ich find‘s halt interessant, wie man aus dieser Pflanze Drogen machen kann, was sie in sich hat, dass irgendwie, sie Drogen hat, sozusagen. Es ist interessant zu wissen, dass diese Pflanze nicht normal ist, wie alle anderen Pflanzen.“ „Die Erdbeere finde ich ganz interessant, aber irgendwie auch nicht soooo wichtig.“ „Was findest du an der Erdbeere interessanter als an der Linde?“ „Die kann man essen“ Foto: A. Tessartz

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„PFLANZENINTERESSIERENMICHNICHT,FÜRMICHSEHENDIEALLEGLEICHAUS!“

AmélieTessartzRheinischeFriedrich-Wilhelms-UniversitätBonn,FachdidaktikBiologie

Naturinteressewird als Prädiktor für dieHandlungsbereitschaftzum Biodiversitätsschutz verstanden (Leske & Bögeholz 2008).Das Interesse an Natur nimmt jedoch im Laufe der Sekundar-stufe I ab (Berck & Graf 2018). Darüber hinaus findenSchüler*innenPflanzendeutlichwenigerinteressantalsTiere(u.a. Wandersee & Schussler 1999; Elster 2007). Daher sindUntersuchungen zur Interessenförderung an botanischenThemenvonbesondererBedeutung.AußerschulischeLernorte,wiebotanischeGärten,besitzendasPotential, Interesse anPflanzendurchdendirektenKontakt zufördern (Allan 2003) und werden daher in dieser Studiefokussiert.

HINTERGRUND

Zur Prüfung dieser und weiterer Designhypothesen werdenInterventionen, u. a. im Rahmen einer AG, durchgeführt undevaluiert. Um ein umfassendes und valides Bild vomUntersuchungsgegenstand zu erhalten, werden verschiedeneMethoden kombiniert und Daten aus unterschiedlichenPerspektiven (Hilfskräfte; Lehrende; Lernende etc.) in dieUntersuchungeinbezogen.

AUSBLICK

METHODEMethodischfolgtdieArbeitdemPIB-Ansatz(Scheersoi&Hense2015). Nach der Voruntersuchung, die aus einer Literatur-recherche,leitfadengestütztenInterviews(N=4),Beobachtungen(N>150)undeinerFragebogenerhebung(N=507)bestand,findenzurzeit erste Interventionen zur PrüfungderDesignhypothesenstatt.

ALLAN,W.(2003).PlantBlindness.BioScience,53(10),926.Berck,K.H.&Graf,D.(2018).Biologiedidaktik.GrundlagenundMethoden.Wiebelsheim,Quelle&Meyer.ELSTER,D.(2007).InwelchenKontextensindnaturwissenschaftlicheInhaltefürJugendlicheinteressant?ErgebnissederROSEErhebunginÖsterreichundDeutschland.PlusLucis,3,2-8.LESKE,E.&BÖGEHOLZ,S.(2008).BiologischeVielfaltregionalundweltweiterhalten–ZurBedeutungvonNaturerfahrung,Interessean der Natur, Bewusstsein über die Gefährdung und Verantwortung. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 14,185-200.SCHEERSOI,A.&HENSE,J.(2015).KopfundZahl–PraxisorientierteInteressenforschunginderBiologiedidaktik(PIB).BiologieinunsererZeit,45,214-216.WANDERSEE,J.H.&SCHUSSLER,E.E.(1999).PreventingPlantBlindness.TheAmericanBiologyTeacher,61(2),82-86.

LITERATUR

Abb.3:EingehendeBetrachtungvonPflanzenindenBotanischenGärtenderUniversitätBonn

FRAGESTELLUNGUnter welchen Bedingungen eignen sich Angebote anaußerschulischen Lernorten dazu, das Interesse vonSchüler*innen der Sekundarstufe I an botanischen Themen zufördern?

ERSTEERGEBNISSEDieErgebnissederFragebogenerhebungbestätigendasgeringeInteresseanPflanzen,v.a.beiSchüler*innenimAltervon14–15Jahren. Allerdings konnten pflanzenspezifische Unterschiedefestgestellt werden (Abb. 1). Interviewergebnisse zeigen, dassdieseaufbesondereEigenschaftenderPflanzenzurückzuführensind(vgl.Abb.2).AußerdemspielenBewegungsphänomeneeineRolle („Eigentlichmag ichganzgerneDinge,die sichbewegen.Deswegen finde ich auch die fleischfressende Pflanze sointeressant“) und ihrNutzen für denMenschen („Die Pflanzenmüssen irgendwas besonderes haben, dass man daraus z. B.irgendwasmachenkann.Das finde ich interessant“).Weiterhinzeigt sich, dass sich derdirekteUmgangmit Pflanzen (Abb. 3)ebenfalls positiv auf das Interesse auswirkt: „Ich würde eherpraktische Sachen mit Pflanzen machen wollen und keineArbeitsblätter.“;„EsmachtSpaßzusehen,wiediePflanzeinechtaussieht.MansiehtsievonganznahundmanchmalsiehtmanauchnochbestimmteStrukturen,diemansonichtimFilmodernichtimBuchsieht.Diemanhalteinfachrichtigsehenmuss,umsiezuerkennen“.Umdas InteresseanPflanzenzufördern,solltenSchüler*innendaher Primärerfahrungenmit Pflanzen ermöglicht werden, diebesondere Phänomene und Eigenschaften der Pflanzenwelt‚erfahrbar‘machen.

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Weiblich(N=231) Männlich(N=257)

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Abb.1:ErgebnissederFragebogenerhebungzumInteresseanPflanzenvonSchüler*innenimAltervon10–18Jahren(*:p<0.05;***:p<0.001)

„EssindfastüberallBäume.EsgibtfastüberallLindenundesisthaltirgendwieeinbisschenlangweilig“

Abb.2:AuszügeeinesSchülerinterviewsmitPflanzenbildkarten(Mädchen12Jahre)

Wieinteressantfindestdu...

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„Ichfind‘sinteressantwiedieeshinkriegen,dasssiedieTierezumAustrocknenbringenoderso,dassdiesterbenindiesemRaum.UndwiedieautomatischdieBlätterzusammenmachen,wenn

eineFliegekommt.“

„Undichfind‘shaltinteressant,wiemanausdieserPflanzeDrogenmachenkann,wassieinsichhat,dassirgendwie,sieDrogenhat,sozusagen.Esistinteressantzuwissen,dassdiese

Pflanzenichtnormalist,wiealleanderenPflanzen.“

„DieErdbeerefindeichganzinteressant,aberirgendwieauchnichtsoooowichtig.“

„WasfindestduanderErdbeereinteressanteralsanderLinde?“

„Diekannmanessen“

Foto:A.Tessartz