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ZAAR Beiträge zum Arbeitsrecht 2 Arbeitnehmereinsatz im Ausland – Anzuwendendes Recht und Internationale Zuständigkeit

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ZAAR Beiträge zum Arbeitsrecht 2

Arbeitnehmereinsatz im Ausland – Anzuwendendes Recht und Internationale Zuständigkeit

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ZAAR Beiträge zum Arbeitsrecht

Herausgegeben von Volker Rieble und Abbo Junker

Band 2

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Abbo Junker

Arbeitnehmereinsatz im Ausland – Anzuwendendes Recht und Internationale Zuständigkeit

ZAAR Verlag München 2007

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Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliographie;

detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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© 2007 Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht

Infanteriestraße 8 | 80797 München

www.zaar.uni-muenchen.de | [email protected]

Druck: Lipp GmbH Graphische Betriebe

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany

ISSN 1863-0871

ISBN 978-3-939671-01-5

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Vorwort

Der vorliegende Band ist aus Seminaren zum Thema „Arbeitnehmereinsatz im Ausland“ hervorgegangen, die ich vor Praktikern gehalten habe. Er möchte je-doch nicht in Konkurrenz zu den zahlreichen Praktikerwerken zu diesem Thema treten, die auch besondere Vertragsgestaltungen (Rumpfarbeitsverhältnis – Lo-kalarbeitsverhältnis), Probleme der betrieblichen Altersversorgung sowie steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragen einbeziehen.

Der Band beschränkt sich vielmehr, wie dem Untertitel zu entnehmen ist, auf die Fragen des anwendbaren Rechts und der internationalen Zuständigkeit. Er bringt keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesen beiden Gegenständen, sondern möchte – in möglichst prägnanter Form – den von Rechtsprechung und Wissenschaft erarbeiteten Status quo dieser beiden Rechtsgebiete der Praxis vermitteln. Besonderer Dank gilt Frau Cornelia Sebode, die das Manuskript betreut hat.

München, im Juni 2007

Professor Dr. Abbo Junker

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6 Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Seite

Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. 8

A. Anzuwendendes Recht ........................................................... 11

I. EGBGB als Rechtsgrundlage ................................................................ 11 1. Staatsvertraglicher Ursprung ......................................................... 11 2. Einheitliche Auslegung ................................................................. 12 3. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................ 13 II. Rechtswahlvereinbarung ...................................................................... 13 1. Form der Rechtswahl...................................................................... 14 2. Teilbarkeit der Rechtswahl .............................................................. 15 3. Zeitpunkt der Rechtswahl ............................................................... 16 III. Grenzen der Rechtswahl....................................................................... 17 1. Fehlende Auslandsberührung........................................................... 17 2. Günstigkeitsvergleich ..................................................................... 18 a) Begriff der zwingenden Bestimmungen........................................ 19 b) Durchführung des Günstigkeitsvergleichs .................................... 20 c) Praktische Bedeutung ............................................................... 20 3. Eingriffsnormen............................................................................. 21 IV. Objektiv anzuwendendes Recht ............................................................. 21 1. Gewöhnlicher Arbeitsort ................................................................. 22 a) Begriff des gewöhnlichen Arbeitsorts .......................................... 22 b) Bedeutung der Ausgangsbasis („base“) ....................................... 23 c) Vorübergehende Entsendung ..................................................... 24 2. Einstellende Niederlassung.............................................................. 24 3. Engere Verbindung ........................................................................ 26 V. Grenzen des Arbeitsstatuts................................................................... 27 1. Deutsche Eingriffsnormen ............................................................... 28 a) Begriff der Eingriffsnormen........................................................ 28 b) Abstrakte Anforderungen .......................................................... 29 c) Praktische Anwendungsfälle? ..................................................... 29 2. Ausländische Eingriffsnormen .......................................................... 31 3. Betriebsverfassung ........................................................................ 32 VI. Künftige „Rom I“-Verordnung................................................................ 33

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Inhaltsverzeichnis 7

B. Internationale Zuständigkeit .......................................35 I. EuGVVO als Rechtsgrundlage................................................................ 35 1. Räumlicher Anwendungsbereich ...................................................... 36 a) Maßgeblichkeit des Beklagtenwohnsitzes..................................... 36 b) Erweiterung durch Art. 18 Abs. 2 EuGVVO................................... 37 c) Praktische Konsequenzen.......................................................... 38 2. Vorrang anderer Rechtsakte............................................................ 39 3. Sachlicher Anwendungsbereich ....................................................... 40 a) Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag .......................................... 41 b) Arbeitnehmerähnliche Personen ................................................. 42 c) Streitigkeiten aus Aufhebungsverträgen...................................... 42 II. Gerichtsstandsvereinbarung ................................................................. 43 1. Nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung........................................ 44 2. Gerichtsstandsklauseln in Aufhebungsverträgen ................................ 44 3. Vorbeugende Gerichtsstandsvereinbarung......................................... 45 III. Gerichtsstand für Klagen des Arbeitgebers ............................................. 46 1. Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers............................ 46 a) Bestimmung des Wohnsitzes ..................................................... 48 b) Örtliche Zuständigkeit .............................................................. 49 c) Maßgebender Zeitpunkt ............................................................ 49 2. Ausnahmevorschrift für Widerklagen ................................................ 50 3. Konkurrierende deliktische Ansprüche .............................................. 50 IV. Gerichtsstände für Klagen des Arbeitnehmers ......................................... 51 1. Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Arbeitgebers .............................. 51 2. Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes .................................... 52 3. Gerichtsstand der einstellenden Niederlassung .................................. 54 V. Weitere Gerichtsstände der EuGVVO...................................................... 55 VI. Gerichtsstände außerhalb der EuGVVO................................................... 56 1. Brüsseler Übereinkommen (EuGVÜ) ................................................. 56 2. Luganer Übereinkommen (LugÜ) ..................................................... 57 3. Autonomes deutsches Prozeßrecht................................................... 57 Literaturverzeichnis...................................................................................... 59 Sachregister….............................................................................................. 63 Anhang….………............................................................................................. 67

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8 Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a.E. ................. am Ende ABlEG .............. Amtsblatt der Euro-

päischen Gemein-schaften

ABlEU .............. Amtsblatt der Euro-päischen Union

Abs. ................ Absatz AEntG.............. Arbeitnehmer-

Entsendegesetz AGG ................ Allgemeines Gleich-

behandlungsgesetz Anm. ............... Anmerkung AP................... Arbeitsrechtliche

Praxis ArbGG ............. Arbeitsgerichtsgesetz AR-Blattei......... Arbeitsrechtsblattei

(Loseblattsammlung) Art. ................. Artikel Aufl. ................ Auflage Aufs. ............... Aufsatz BAG ................ Bundesarbeitsgericht BAGE............... Entscheidungen des

Bundesarbeitsge-richts

BB................... Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd................... Band BGB ................ Bürgerliches Gesetz-

buch BGBl................ Bundesgesetzblatt BGH ................ Bundesgerichtshof BGHZ .............. Entscheidungen des

Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

Bl.................... Blatt d.h. ................. das heißt ders. ............... derselbe

EFZG ...............Entgeltfort-zahlungsgesetz

EG ...................Europäische Gemein-schaften

EGBGB .............Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EU ...................Europäische Union EuGH ...............Europäischer Ge-

richtshof EuGVÜ .............Europäisches Ge-

richtsstands- und Vollstreckungs-Übereinkommen

EuGVVO ...........Europäische Ge-richtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung

EVÜ .................Europäisches (Schuld-) Vertrags-übereinkommen

f., ff. ................folgende FS ...................Festschrift i.d.F. ................in der Fassung i.S. ..................im Sinne i.V.m................in Verbindung mit IPR ..................Internationales Pri-

vatrecht IPRax...............Praxis des Interna-

tionalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift)

IPR-NG.............Gesetz zur Neurege-lung des Internatio-nalen Privatrechts

IZVR ................Internationales Zivil-verfahrensrecht

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Abkürzungsverzeichnis 9

KSchG ............. Kündigungsschutzge-

setz LAG ................ Landesarbeitsgericht lit. .................. litera (Buchstabe) Ltd. ................ Limited LugÜ ............... Luganer Überein-

kommen m. Anm. .......... mit Anmerkung m. Aufs. .......... mit Aufsatz n.F. ................. neue Fassung NJW ................ Neue Juristische Wo-

chenschrift (Zeit-schrift)

Nr. .................. Nummer NVwZ .............. Neue Zeitschrift für

Verwaltungsrecht NZA ................ Neue Zeitschrift für

Arbeitsrecht NZA-RR ........... NZA-

Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift)

OGH................ Oberster Gerichtshof R .................... Rückseite RabelsZ ........... Rabels Zeitschrift für

ausländisches und internationales Pri-vatrecht

RdA................. Recht der Arbeit (Zeitschrift)

RIW................. Recht der Internatio-

nalen Wirtschaft (Zeitschrift)

Rn................... Randnum-mer/Randnummern

Rs. .................. Rechtssache S. ................... Seite SAE ................. Sammlung Arbeits-

rechtlicher Entschei-dungen (Zeitschrift)

SGB ................ Sozialgesetzbuch Slg. ................. Sammlung TVG................. Tarifvertragsgesetz U.S. ................ United States VO .................. Verordnung z.B. ................. zum Beispiel ZfA.................. Zeitschrift für Ar-

beitsrecht ZIAS................ Zeitschrift für aus-

ländisches und inter-nationales Arbeits- und Sozialrecht

ZPO................. Zivilprozessordnung ZZPInt ............. Zeitschrift für Zivil-

prozeß International

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A. Anzuwendendes Recht 11

A. Anzuwendendes Recht

[1] Die Frage, welches Recht auf ein Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung anzu-wenden ist, beantwortet das Internationale Privatrecht (IPR), auch „Kollisionsrecht“ genannt (im Unterschied zum „materiellen Recht“). Soweit das Internationale Privatrecht nicht durch völkerrechtliche Übereinkommen (Staatsverträge) oder Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft (EG) vereinheitlicht ist, hat jeder Staat „sein“ eige-nes, von ihm selbst gesetztes („autonomes“) Internationales Privatrecht.

Durchblick: Es gibt demnach, soweit keine Staatsverträge oder EG-Verordnungen bestehen, nicht „das“ IPR, sondern jeweils das deutsche, französi-sche, spanische etc. Internationale Privatrecht. Jedes Gericht wendet „sein“ In-ternationales Privatrecht an, der deutsche Richter also das deutsche IPR, der französische Richter das französische IPR und der spanische Richter das spani-sche IPR.

I. EGBGB als Rechtsgrundlage

[2] Das deutsche IPR ist geregelt im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Ge-setzbuch (EGBGB). Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB enthält eine Definition des IPR und beschreibt das kollisionsrechtliche Prinzip der Anknüpfung eines Sachverhalts (z.B. eines Arbeitsverhältnisses) an eine Rechtsordnung: „Bei Sachverhalten mit einer Verbin-dung zum Recht eines ausländischen Staates bestimmen die folgenden Vorschriften, welche Rechtsordnungen anzuwenden sind (Internationales Privatrecht).“

[3] Das Kollisionsrecht der Arbeitsverträge (= Internationales Arbeitsrecht im enge-ren Sinne) ist ein Teilgebiet des Internationalen Schuldvertragsrechts. Das Interna-tionale Schuldvertragsrecht regeln in Deutschland die Art. 27-37 EGBGB.1 Diese Vor-schriften erlauben grundsätzlich die Rechtswahl auch für einen Arbeitsvertrag (Art. 27 EGBGB). Unter bestimmten Voraussetzungen wird das gewählte Recht allerdings einem Günstigkeitsvergleich mit den zwingenden Vorschriften des Rechts unterzogen, das ohne die Rechtswahlklausel anzuwenden wäre (Art. 30 EGBGB).

1. Staatsvertraglicher Ursprung

[4] Die Vorschriften der Art. 27-37 EGBGB sind, obwohl sie in ein deutsches Gesetz „inkorporiert“ wurden, kein „autonomes“ deutsches Recht. Sie beruhen vielmehr auf dem 1980 in Rom geschlossenen Europäischen (Schuld-) Vertragsübereinkommen (EVÜ), das nach seinem Abschlußort auch „Römisches Übereinkommen“ genannt

1 In das EGBGB eingefügt durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts

(IPR-Neuregelungsgesetz, IPR-NG) vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I, S. 1142.

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12 A. Anzuwendendes Recht wird.2 Das Römische Übereinkommen (EVÜ) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der in allen Mitgliedstaaten der EU gilt.

2. Einheitliche Auslegung

[5] Nachdem am 1.8. 2004 die sog. Auslegungsprotokolle – völkerrechtliche Verein-barungen zwischen den EVÜ-Vertragsstaaten – in Kraft getreten sind,3 sorgt der Euro-päische Gerichtshof (EuGH) für die einheitliche Auslegung des Übereinkommens. Als einheitliches europäisches Kollisionsrecht müssen auch die aus dem EVÜ stammenden Vorschriften des deutschen Rechts so ausgelegt und angewandt werden, daß die er-strebte Rechtseinheit mit den anderen Vertragsstaaten gewahrt bleibt. Deshalb be-stimmt Art. 36 EGBGB:

„Bei der Auslegung und Anwendung der für vertragliche Schuldverhältnisse gel-tenden Vorschriften dieses Kapitels … ist zu berücksichtigen, daß die ihnen zugrunde liegenden Regelungen des [EVÜ] in den Vertragsstaaten einheitlich ausgelegt und angewandt werden sollen.“

[6] Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher sinngemäß für alle Mitgliedstaa-ten der EU. Zweck des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens ist es, das Kollisi-onsrecht der Arbeitsverträge zu vereinheitlichen: Jedes Gericht in der EU soll nach den gleichen Regeln darüber entscheiden, welches Recht auf ein Arbeitsverhältnis anzuwen-den ist. Das soll ein Forum Shopping verhindern, d.h. die Auswahl eines Gerichtsstan-des („Forums“) unter dem Gesichtspunkt klägerfreundlicher Kollisionsregeln.

Durchblick: Da die Vorschriften über die Zulässigkeit und die Grenzen der Rechtswahl (Art. 27, 30 EGBGB) in allen Mitgliedstaaten identisch sind, stellt sich jedenfalls innerhalb der EU nicht die in der Praxis häufig aufgeworfene Frage, ob eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts von ausländischen Gerichten anerkannt werde. Ein Gericht in einem anderen Mitgliedstaat der EU muß über die Wirksamkeit und die Wirkung einer Rechtswahlklausel nach den gleichen Re-geln entscheiden wie ein deutsches Gericht. Zweifelsfragen bei der Anwendung der Kollisionsnormen müssen, wenn die Vorlagevoraussetzungen gegeben sind, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.

2 Europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende

Recht vom 19.6.1980, BGBl. 1986 II, S. 810 i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 14.4.2005, BGBl. 2006 II, S. 348.

3 Erstes Brüsseler Protokoll betreffend die Auslegung des [EVÜ] durch den EuGH vom 19.12.1988 i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 14.4.2005, BGBl. 2006 II, S. 348; Zweites Brüsseler Protokoll zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung des [EVÜ] auf den EuGH vom 19.12.1988 i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 14.4.2005, BGBl. 2006 II, S. 348. Einzelheiten bei MünchKomm/Martiny, Art. 36 EGBGB Rn. 5, 32-36.

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A. Anzuwendendes Recht 13

3. Sachlicher Anwendungsbereich

[7] Die einschlägige Kollisionsnorm – Art. 30 EGBGB – gilt nach ihrer amtlichen Über-schrift für „Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen“. Diese Begriffe beschreiben den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift. Der Begriff des Ar-beitsvertrags ist nicht nach deutschem Recht, sondern europäisch einheitlich auszule-gen.4 Das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses besteht nach der Rechtspre-chung des EuGH zur Arbeitnehmerfreizügigkeit darin, daß jemand während einer be-stimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er eine Vergütung als Gegenleistung erhält5 (siehe zum Begriff des Arbeitsvertrags auch unten B I 3, Rn. [71]).

[8] Die Doppelung „Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse“ soll deutlich ma-chen, daß Art. 30 EGBGB auch für nichtige, aber in Vollzug gesetzte Arbeitsverträge („fehlerhafte Arbeitsverhältnisse“) gilt. Der Zusatz „von Einzelpersonen“ schließt we-der Formulararbeitsverträge noch die Gruppenarbeit aus. Er dient lediglich der Abgren-zung von Arbeitsverträgen und Kollektivverträgen, in Deutschland also vor allem Tarif-verträgen und Betriebsvereinbarungen.

Durchblick: Das Internationale Tarifvertragsrecht behandelt unter anderem die Frage, welche Rechtsordnung auf einen Tarifvertrag mit Auslandsberührung anzuwenden ist. Diese Frage, die jedenfalls nicht Gegenstand des Art. 30 EGBGB („Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen“) ist, kann hier nicht vertieft werden.6 Die Kernfrage des Internationalen Arbeitskampfrechts (Welches Recht ist auf einen Arbeitskampf mit Auslandsberührung anzuwenden?) wird künftig in Art. 9 der Verordnung über das auf außervertragliche Schuldver-hältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) geregelt sein.7 Das Internationale Betriebsverfassungsrecht wird, soweit für den Auslandseinsatz von Arbeit-nehmern relevant, später behandelt (unten A V 3, Rn. [52]-[55]).

II. Rechtswahlvereinbarung

[9] Art. 30 EGBGB, die Kollisionsnorm für Arbeitsverträge, setzt voraus, daß die Ar-beitsvertragsparteien das anzuwendende Recht nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB selbst bestimmen dürfen. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB („Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht.“) gilt auch für Arbeitsverträge der Grundsatz der freien Rechtswahl (Parteiautonomie). Eine wirksame Rechtswahl entfaltet die sog.

4 MünchKomm/Martiny, Art. 30 EGBGB Rn. 17; Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 30 EGBGB

Rn. 7. 5 EuGH vom 3.7.1986 – Rs. C-66/85 – Slg. 1986, 2139, 2144 Rn. 17 = NVwZ 1987, 41 – Law-

rie Blum/Land Baden-Württemberg. 6 Einzelheiten bei Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 301-323; Hergenröder, AR-Blattei

SD 1550.15, Rn. 41-101. 7 Zum bisherigen Recht umfassend Hergenröder, Der Arbeitskampf mit Auslandsberührung,

S. 17 ff.

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14 A. Anzuwendendes Recht kollisionsrechtliche Wirkung: Die gewählte Rechtsordnung ist „das auf den Vertrag anzuwendende Recht“ („Vertragsstatut“); die zwingenden Bestimmungen aller anderen Rechtsordnungen spielen grundsätzlich keine Rolle (zu einer Ausnahme unten A III 1, Rn. [17], [18]).

Durchblick: Während eine vorbeugende Gerichtsstandsvereinbarung für Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen nur unter ganz engen Voraussetzungen zuläs-sig ist (dazu unten B II, Rn. [87]-[89]), ist eine Rechtswahlvereinbarung für Arbeitsverträge nach den für alle Arten von Schuldverträgen geltenden Regeln grundsätzlich zulässig und wirksam (zu den Grenzen unten A III, Rn. [16]-[25]).

1. Form der Rechtswahl

[10] Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB kann die Rechtswahl explizit erfolgen (aus-drückliche Rechtswahl) oder sich „mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben“ (stillschweigende Rechts-wahl). Wenn die Parteien sich der Auslandsberührung des Arbeitsverhältnisses bewußt und wenn sie rechtlich beraten sind, wird in aller Regel eine ausdrückliche Rechts-wahlvereinbarung in den Arbeitsvertrag aufgenommen. Häufig geschieht dies sogar auf Verlangen des Arbeitnehmers.8 Eine solche Rechtswahlklausel könnte z.B. lauten:

„(1) Für alle Rechtsbeziehungen, die sich aus diesem Arbeitsvertrag ergeben, gilt das deutsche Recht. (2) Änderungen der getroffenen Rechtswahl bedürfen der Schriftform. (3) Auch die Aufhebung dieses Schriftformerfordernisses bedarf der schriftlichen Form.“9

Praxis: Gelegentlich wird die Besorgnis geäußert, der Arbeitgeber könne ange-sichts der strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis mit Hilfe einer standardisierten Rechtswahlklausel einseitig eine nur den Arbeit-geberinteressen dienende Rechtswahl durchsetzen.10 Zwei Entscheidungen aus neuerer Zeit, in denen der 2. Senat des BAG eine ausdrückliche Rechtswahl beja-hen konnte, stützen diese Besorgnis nicht, da die Rechtswahl ausweislich des Parteivortrags beiden Parteien zugute kam. In dem einen Fall hatte ein Lud-wigshafener Chemieunternehmen mit einem nach Brasilien entsandten Inge-nieur die Fortgeltung des deutschen Arbeitsrechts vereinbart;11 in dem anderen Fall hatte ein italienisches Kulturinstitut in Stuttgart mit einer deutschen

8 Siehe dazu Junker, RIW 2006, 401, 405. 9 Zum Sinn einer solchen „doppelten Schriftformklausel“ siehe BAG vom 24.6.2003 – 9 AZR

302/02 – BAGE 106, 345, 350 f. = AP Nr. 63 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = NZA 2003, 1145 – „Stella Musical GmbH Hamburg“.

10 Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1875; zurückhaltender Schlachter, NZA 2000, 57, 58.

11 BAG vom 21.1.1999 – 2 AZR 648/97 – BAGE 90, 353, 360 f. = AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Konzern = NZA 1999, 539 = SAE 1999, 267 m. Anm. Kraft = IPRax 2000, 540 m. Aufs. Fran-zen (506) - Chemieingenieur.

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A. Anzuwendendes Recht 15

Ortskraft, einem Büroangestellten, die Geltung des deutschen Arbeitsrechts ver-abredet.12

[11] Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ermöglicht es dem Gericht im Streitfall auch, aus den Umständen auf eine stillschweigende Rechtswahlvereinbarung zu schließen. Da Gerichte in der Regel am liebsten ihr eigenes materielles Recht anwenden, besteht die Gefahr, daß das Institut der stillschweigenden Rechtswahl eingesetzt wird, um ein „Heimwärtsstreben“ zum eigenen Recht zu erreichen. Damit eine stillschweigende Rechtswahl von den Gerichten nicht mit bloßen Leerformeln begründet wird, verlangt Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, daß sich eine konkludente Rechtswahl „mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles er-geben“ muß. Diese Formulierung verbietet die Erforschung eines bloß hypothetischen oder vermuteten Parteiwillens: „Vage Anhaltspunkte genügen nicht, die Rechtswahl muß mit Bestimmtheit aus konkreten Umständen folgen.“13

Praxis: Wie eine Rechtsprechungsanalyse ergeben hat,14 machen die deutschen Gerichte von der Möglichkeit, nach den Umständen des Falles eine konkludente Rechtswahl anzunehmen, in der Regel einen sachgerechten Gebrauch. Das wich-tigste Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl bildet in der Praxis die arbeits-vertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge, die in einem bestimmten Staat gelten, oder die Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen eines bestimmten Staates.15

Empfehlung: Da die Gefahr eines Heimwärtsstrebens – sei es durch ein auslän-disches Gericht, sei es durch ein deutsches Gericht – nie auszuschließen ist, emp-fiehlt sich schon aus Gründen der Rechtssicherheit die Aufnahme einer aus-drücklichen Rechtswahlklausel in den Arbeitsvertrag.

2. Teilbarkeit der Rechtswahl

[12] Eine partielle (teilweise) Rechtswahl ermöglicht Art. 27 Abs. 1 Satz 3 EGBGB: „Die Parteien können die Rechtswahl für den ganzen Vertrag oder nur für einen Teil tref-fen.“ Die Möglichkeit einer partiellen Rechtswahl ist in erster Linie für komplexe Wirt-schaftsverträge gedacht (z.B. unterschiedliche Rechtswahl für die Vertragsteile „Her-stellung“ und „Endmontage beim Kunden“).16

[13] Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes wollen manche Autoren für Arbeitsver-träge in teleologischer Reduktion des Art. 27 Abs. 1 Satz 3 EGBGB die Teilrechtswahl

12 BAG vom 23.4.1998 – 2 AZR 489/97 – BAGE 88, 287, 290 = AP Nr. 19 zu § 23 KSchG 1969

= NZA 1998, 995 – Kulturinstitut. 13 MünchKomm/Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 47. 14 Junker, RIW 2001, 94, 96-98. 15 BAG vom 26.7.1995 – 5 AZR 216/94 – AP Nr. 7 zu § 157 BGB = NZA 1996, 30 – Bankdirek-

tor; BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130 = AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB n.F. m. Anm. Schlachter = NZA 2002, 735 = SAE 2002, 253 m. Anm. Junker = IPRax 2003, 258 m. Aufs. Franzen (239) – Flugbegleiterin.

16 MünchKomm/Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 70.

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16 A. Anzuwendendes Recht gänzlich ausschließen,17 während die herrschende Meinung die Teilrechtswahl im Ar-beitsverhältnis auf Ausnahmebereiche beschränken will, die ein abtrennbares rechtliches Eigenleben führen und deren Abtrennung sinnvoll ist; das gängige Beispiel ist die be-triebliche Altersversorgung.18

[14] Das BAG hat in einem Urteil vom 20.11.1997 allein aus der Aufnahme einer kün-digungsrechtlichen Bestimmung in einen Vertrag auf eine teilweise Rechtswahl nur in bezug auf deutsches Kündigungsschutzrecht geschlossen.19 Diese Entscheidung wird in der Literatur kritisiert.20 Überzeugender ist eine Entscheidung des BAG vom 20.4. 2004, in der das Gericht – allerdings im konkreten Sachverhalt mit negativem Ergebnis – eine stillschweigende Teilrechtswahl nur für die betriebliche Altersversorgung prüft:

„Das Versorgungsverhältnis ist trotz seiner arbeitsvertraglichen Grundlage eine vom Arbeitsverhältnis klar abgrenzbare Rechtsbeziehung, die einer darauf be-schränkten Rechtswahl zugänglich ist. Die Versorgungsansprüche setzen den Ein-tritt des Versorgungsfalles voraus. Das Versorgungsverhältnis schließt sich dem-entsprechend – zumindest in aller Regel – an das Arbeitsverhältnis an und hat auch einen eigenständigen Inhalt. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob der U.S. Pension Plan eine ausdrückliche Rechtswahl für das Versorgungsverhältnis ent-hält.“21

3. Zeitpunkt der Rechtswahl

[15] Für den Zeitpunkt der Rechtswahlvereinbarung bestimmt Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB: „Die Parteien können jederzeit vereinbaren, daß der Vertrag einem anderen Recht unterliegen soll als dem, das zuvor aufgrund einer früheren Rechtswahl oder auf-grund anderer Vorschriften dieses Unterabschnitts für ihn maßgebend war.“ Diese Vor-schrift hat drei praktische Konsequenzen: Erstens kann eine bei Vertragsschluß ver-säumte Rechtswahl später – auch mit Rückwirkung22 – von den Parteien nachgeholt

17 Gamillscheg, ZfA 1983, 307, 328: „Gestattet man den Parteien, sich aus mehreren Rechts-

ordnungen die genehmen Stücke herauszubrechen und nach eigenem Dafürhalten zusam-menzufügen, setzt man den Arbeitnehmer all den Gefahren aus, die gegenüber der Parteiau-tonomie insgesamt beschworen werden. Die Wahl des deutschen Rechts für alle anfallenden Fragen und des Rechts von X für die Regelung der Arbeitnehmer-Erfindung: Diese Vorstel-lung verbietet sich.“

18 Däubler, RIW 1987, 249, 253; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1877.

19 BAG vom 20.11.1997 – 2 AZR 631/96 – BAGE 87, 144, 149 = AP Nr. 1 zu § 18 GVG = NZA 1998, 818 = IPRax 1999, 174 m. Aufs. Krebber (164) = AR-Blattei ES 920 Nr. 7 m. Anm. Mankowski – Aufzugsmonteur.

20 Nachweise bei Junker, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 1197, 1201. 21 BAG vom 20.4.2004 – 3 AZR 301/03 – BAGE 110, 182, 185 = AP Nr. 21 zu § 38 ZPO Inter-

nationale Zuständigkeit m. Anm. Mankowski = NZA 2005, 297 = IPRax 2006, 254 m. Aufs. Franzen (221) – Radio Freies Europa. Siehe dazu auch Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 119; Mankowski, RIW 2005, 481, 495-496.

22 MünchKomm/Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 80; Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 27 EGBGB Rn. 29.

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A. Anzuwendendes Recht 17

werden (nachträgliche Rechtswahl). Zweitens steht es den Parteien frei, eine ur-sprüngliche Wahl des anwendbaren Rechts später zu ändern oder aufzuheben (Wan-delbarkeit der Rechtswahl). Drittens können die Parteien auch noch während eines Rechtsstreits, z.B. wenn sie sich erst in diesem Stadium der Problematik des anzuwen-denden Rechts bewußt werden, von ihrer Parteiautonomie Gebrauch machen (Rechts-wahl im Prozeß).

Praxis: Eine Rechtswahl im Prozeß ist auch stillschweigend möglich (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Wenn die Parteien in einem Arbeitsrechtsstreit mit Aus-landsberührung übereinstimmend unter Zugrundelegung eines bestimmten mate-riellen Rechts vortragen, müssen sie sich darüber im klaren sein, daß das Ar-beitsgericht aus diesem prozessualen Verhalten auf eine stillschweigende Rechtswahl schließen könnte (zum sog. „Heimwärtsstreben“ siehe oben A II 1, Rn. [11]).

III. Grenzen der Rechtswahl

[16] Das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl beur-teilen sich gemäß Art. 27 Abs. 4 EGBGB i.V.m. Art. 31 Abs. 1 EGBGB nach dem in Aus-sicht genommenen Recht: Zwar sind Arbeitsvertrag (= Hauptvertrag) und Rechts-wahlvereinbarung (der „kollisionsrechtliche Verweisungsvertrag“) zwei voneinander unabhängige Verträge, auch wenn sie – wie meist – in derselben Urkunde niedergelegt sind. Aber trotzdem werden die Fragen, ob z.B. eine Willenseinigung der Parteien vor-liegt oder ob eine formularmäßige Rechtswahl Vertragsbestandteil geworden ist, nicht nach dem Recht des Gerichtsortes (lex fori), sondern nach dem von den Parteien ge-wählten Recht beurteilt:23 „Das für die Rechtswahlvereinigung geltende Recht wird so-zusagen im Vorgriff bestimmt.“24 Die Zulässigkeit und die kollisionsrechtliche Wir-kung der Rechtswahl beurteilen sich dagegen nicht nach dem gewählten Recht, son-dern nach dem Recht des Gerichtsortes (lex fori). Dabei ist folgendes zu beachten:

1. Fehlende Auslandsberührung

[17] Aus Art. 27 Abs. 3 EGBGB ergibt sich, daß eine Rechtswahl auch wirksam ist, wenn es sich um einen reinen Inlandssachverhalt handelt; sie ist allerdings in ihren Wirkungen begrenzt. Die Vorschrift lautet:

„Ist der sonstige Sachverhalt im Zeitpunkt der Rechtswahl nur mit einem Staat verbunden, so kann die Wahl des Rechts eines anderen Staates – auch wenn sie durch die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Staates ergänzt ist – die Bestimmungen nicht berühren, von denen nach dem Recht jenes Staates durch Vertrag nicht abgewichen werden kann (zwingende Bestimmun-gen).“

23 BGH vom 26.10.1993 – XI ZR 42/93 – BGHZ 123, 380, 382 = NJW 1994, 262 = IPRax 1994,

449 m. Aufs. W. Lorenz (429) – Hausanteilscheine. 24 MünchKomm/Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 100.

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18 A. Anzuwendendes Recht [18] Das bedeutet: Auch wenn der Arbeitsvertrag – abgesehen von einer etwaigen Ge-richtsstandsvereinbarung der Parteien – keine Auslandsberührung aufweist, ist eine Rechtswahl zulässig und wirksam; sie verdrängt allerdings nicht die zwingenden Be-stimmungen des Staates, mit dem der Sachverhalt allein verbunden ist. In der Termi-nologie des IPR wird das so ausgedrückt: Die Rechtswahl hat keine kollisionsrechtliche Wirkung (dazu oben A II, Rn. [9]), sondern nur materiellrechtliche Wirkung, d.h. sie wirkt nur in den Grenzen der zwingenden Bestimmungen des inländischen Rechts.

Praxis: Zwar ist die Vorschrift des Art. 27 Abs. 3 EGBGB theoretisch gerade beim Arbeitsvertrag von Bedeutung, weil die Arbeitsrechtsordnungen der einzelnen Staaten ganz überwiegend aus zwingenden Bestimmungen bestehen. Aber in der Praxis spielt die Vorschrift des Art. 27 Abs. 3 EGBGB kaum eine Rolle, denn die Anforderungen an eine Auslandsberührung sind denkbar gering:25 Schon der alleinige Umstand, daß die Muttergesellschaft der deutschen Arbeitgeberin eines in Deutschland eingesetzten deutschen Arbeitnehmers ihren Sitz im Ausland hat, kann eine hinreichende Auslandsberührung des Sachverhalts darstellen.26

Durchblick: Von der Frage, ob das zu beurteilende Vertragsverhältnis (der „Sachverhalt“ i.S. des Art. 27 Abs. 3 EGBGB) einen für Art. 27 Abs. 3 EGBGB hin-reichenden Auslandsbezug hat, ist die Frage zu unterscheiden, ob die gewählte Rechtsordnung in irgendeinem Zusammenhang zum Arbeitsvertrag stehen muß. Diese Frage ist zu verneinen:27 Hat das Arbeitsverhältnis eine für Art. 27 Abs. 3 EGBGB hinreichende Auslandsberührung, so können die Parteien mit kolli-sionsrechtlicher Wirkung eine beliebige Rechtsordnung wählen, also z.B. für eine Entsendung von Deutschland nach Frankreich das schweizerische, das New Yor-ker oder das brasilianische Recht. Wegen des Günstigkeitsvergleichs nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB wäre eine solche Rechtswahl allerdings wenig sinnvoll (dazu sogleich).

2. Günstigkeitsvergleich

[19] Die wichtigste Grenze der Rechtswahl markiert Art. 30 Abs. 1 EGBGB: Die Rechtswahl darf dem Arbeitnehmer nicht den Schutz entziehen, den ihm die zwingenden Bestimmungen des objektiv – ohne die Rechtswahl – nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB anzu-wendenden Rechts gewähren. Die zwingenden Bestimmungen des ohne Rechtswahl an-zuwendenden Rechts (des sog. objektiven Arbeitsstatuts) bilden demnach einen Min-deststandard; durch die Rechtswahlvereinbarung darf kein für den Arbeitnehmer un-günstigeres materielles Ergebnis erzielt werden (kollisionsrechtliches Günstigkeits-prinzip).28

25 Allgemein BGH vom 26.10. 1993 – XI ZR 42/93 – BGHZ 123, 380, 384 – Hausanteilscheine. 26 Gamillscheg, ZfA 1983, 307, 327-328; Däubler, RIW 1987, 249, 250; Martiny, in:

Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1880. 27 Siehe nur Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 118. 28 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 121; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern,

S. 258; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 457.

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A. Anzuwendendes Recht 19

[20] Im Günstigkeitsvergleich gegenüberzustellen sind die zwingenden Bestimmun-gen des objektiven Arbeitsstatuts (dazu unten A IV, Rn. [26]-[40]), die dem Arbeit-nehmer Schutz gewähren, und die Bestimmungen des gewählten Rechts, gleichgültig, ob sie zwingender oder nicht zwingender („dispositiver“) Natur sind.29 Das gewählte Recht bleibt „das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht“ (= das Arbeitsstatut). Es wird jedoch durch den Günstigkeitsvergleich eingeschränkt.

a) Begriff der zwingenden Bestimmungen

[21] Der Begriff der zwingenden Bestimmungen i.S. des Art. 30 Abs. 1 EGBGB ent-spricht zwar im Grundsatz demjenigen des Art. 27 Abs. 3 EGBGB: Es muß sich um Be-stimmungen handeln, von denen nach dem materiellen Recht eines Staates durch einen Arbeitsvertrag nicht oder jedenfalls nicht zu ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann (sog. intern zwingende Bestimmungen). Speziell bei Art. 30 Abs. 1 EGBGB muß aber hinzukommen, daß die fragliche zwingende Bestimmung dem Schutz des Arbeitnehmers dient.30 Diese zweite Voraussetzung ist in der Regel unproblema-tisch, da der Schutz des Arbeitnehmers der Daseinszweck der meisten arbeitsrechtlichen Bestimmungen ist.

[22] Die Qualifikation einer Vorschrift als „Arbeitsrecht“ ist nicht entscheidend: Auch eine bürgerlich-rechtliche Vorschrift, die in irgendeiner Weise dem Schutz des Ar-beitnehmers dient (z.B. das Recht des Arbeitnehmers, einen Aufhebungsvertrag nach § 123 BGB anzufechten), kann eine zwingende Bestimmung i.S. des § 30 EGBGB sein.

Beispiele: Das BAG hat beispielsweise den Allgemeinen Kündigungsschutz nach § 1 KSchG31 und den Übergang eines Arbeitsverhältnisses bei einem Betriebs-übergang nach § 613a BGB32 als zwingende Bestimmungen i.S. des Art. 30 Abs. 2 EGBGB eingestuft. Auch zwingende Bestimmungen eines Tarifvertrages fal-len unter Art. 30 Abs. 1 EGBGB, wenn der Tarifvertrag kraft Tarifbindung oder kraft staatlicher Anordnung (Allgemeinverbindlicherklärung) kraft objektiver An-knüpfung – also mangels einer Rechtswahl – im Arbeitsverhältnis anzuwenden wäre.33

29 Däubler, RIW 1987, 249, 253; Schlachter, NZA 2000, 57, 60; Thüsing, NZA 2003, 1303,

1307. 30 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 121; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Ver-

tragsrecht, Rn. 1882; ausführlich Junker, IPRax 1989, 69. 31 BAG vom 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 – BAGE 63, 17, 31 f. = AP Nr. 30 zu Internationales Privat-

recht, Arbeitsrecht = NZA 1990, 841 = SAE 1990, 317 m. Anm. Junker = IPRax 1991, 407 m. Aufs. Magnus (382) – Kanalfähre.

32 BAG vom 29.10.1992 – 2 AZR 267/92, BAGE 71, 297, 316 ff. = AP Nr. 31 zu Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht = NZA 1993, 743 = SAE 1994, 28 m. Anm. Junker = IPRax 1994, 123 m. Aufs. Mankowski (88) – Berlinflugverkehr. Siehe auch Franzen, Der Betriebsinhaber-wechsel nach § 613a BGB im internationalen Arbeitsrecht, S. 59 ff.

33 Palandt/Heldrich, Art. 30 EGBGB Rn. 4; Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 30 EGBGB Rn. 14; Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 125; Gamillscheg, ZfA 1983, 307, 336. Anders (zu Unrecht) der österreichische OGH vom 12.7.2006 – 9 ObA 103/05w – IPRax 2007 m. Aufs. Junker (im Erscheinen) – Vertriebsbeauftragter.

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20 A. Anzuwendendes Recht b) Durchführung des Günstigkeitsvergleichs

[23] Die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB ge-schieht ähnlich wie die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs nach § 4 Abs. 3 TVG:34 Anzulegen ist – wie bei § 4 Abs. 3 TVG – ein objektiver Maßstab. Bei der Vornahme des Vergleiches gemäß dem objektiven Maßstab ist unter dem Stichwort „Rosinentheo-rie“ ein Einzelvergleich abzulehnen (in dem z.B. dem gewählten Recht die Kündigungs-frist und dem objektiven Arbeitsstatut der Kündigungstermin entnommen wird). Wegen Unpraktikabilität verworfen wird ein Gesamtvergleich der beiden betroffenen Rechtsord-nungen.35 Vielmehr müssen sachlich abgrenzbare Teilbereiche miteinander verglichen werden (Sachgruppenvergleich).

Beispiel: Das LAG Baden-Württemberg hat in einem Fall das deutsche und das belgische Kündigungsrecht nur hinsichtlich der Kündigungsfristen, nicht aber hinsichtlich des Umfangs des Bestandsschutzes verglichen.36 Das erscheint zu eng und kommt einem Einzelvergleich nahe; es wird daher vertreten, daß alle Vorschriften des Kündigungsrechts in eine Vergleichsgruppe (Sachgruppe) einzu-bringen sind.37

c) Praktische Bedeutung

[24] In der Praxis spielt der Günstigkeitsvergleich nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB eine äußerst geringe Rolle. Das hängt mit folgendem zusammen: Art. 30 Abs. 1 EGBGB führt dazu, daß eine Rechtswahl den Arbeitnehmer nur günstiger stellen kann, als er oh-ne die Rechtswahl stünde. Die arbeitnehmerschützenden zwingenden Bestimmungen des objektiv (= ohne die Rechtswahl) anzuwendenden Rechts bilden das gesetzliche Mini-mum des Arbeitnehmerschutzes; eine vom objektiven Arbeitsstatut abweichende Rechtswahl kann folglich den Arbeitnehmer nur besserstellen. Vor diesem Hintergrund macht es für den Arbeitgeber in der Regel keinen Sinn, sich auf die Wahl eines Rechts einzulassen, das nicht schon kraft objektiver Anknüpfung auf das Arbeitsverhältnis an-zuwenden ist (dazu unten A IV, Rn. [26]-[40]). In der Praxis wird daher in aller Regel in einer Rechtswahlvereinbarung das Recht gewählt, das auch ohne die Rechtswahl anzu-wenden wäre.38

Empfehlungen: Der Arbeitgeber sollte genau überlegen, ob er sich auf die Wahl eines Rechts einläßt, das nicht schon kraft objektiver Anknüpfung anzuwenden ist. In aller Regel hat eine solche Rechtswahl für den Arbeitgeber keine Vorteile. Sinnvoller ist es, durch entsprechende Vertragsgestaltung – z.B. durch Zentrie-rung aller Arbeitsverträge des grenzüberschreitend eingesetzten Führungsperso-

34 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 126-129; Däubler, RIW 1987, 249, 253; Junker, IPRax

1989, 69, 71 f.; Krebber, Internationales Privatrecht des Kündigungsschutzes, S. 330 ff.; Thü-sing, NZA 2003, 1303, 1307.

35 Gamillscheg, ZfA 1983, 307, 339; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 267. 36 LAG Baden-Württemberg vom 15.10.2002 – 11 Sa 49/02 – BB 2003, 900, 902. 37 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 128. 38 Einzelheiten: Junker, RIW 2001, 94, 99; ders., FS 50 Jahre BAG (2004), S. 1197, 1200.

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A. Anzuwendendes Recht 21

nals bei der deutschen Muttergesellschaft (Eingliederung in einen inländischen Betrieb, dazu unten A IV 1, Rn. [30]-[35]) – im Rahmen des rechtlich Zulässigen auf das objektive Arbeitsstatut Einfluß zu nehmen. Zu empfehlen ist jedoch schon aus Klarstellungsgründen, das objektiv anzuwendende Recht auch kraft Rechts-wahlvereinbarung zur Anwendung zu berufen. Der Günstigkeitsvergleich läuft in diesem Fall ins Leere, weil nichts zu vergleichen ist.

3. Eingriffsnormen

[25] Nach Art. 34 EGBGB berühren die vorstehenden Überlegungen „nicht die Anwen-dung der Bestimmungen des deutschen Rechts, die ohne Rücksicht auf das auf den Ver-trag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln“ (sog. international zwin-gende Bestimmungen). Unter diesen Bestimmungen darf man sich vor allem Normen vorstellen, die – anders als z.B. der Allgemeine Kündigungsschutz – nicht nur das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander betreffen, sondern mittels eigens da-für eingerichteter Behörden in verwaltungsrechtlichen Verfahren durchgesetzt werden, wie z.B. der Besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen (§§ 85 ff. SGB IX). Solche Bestimmungen verdrängen nicht nur das gewählte Recht, sondern auch das kraft objektiver Anknüpfung anzuwendende Recht. Sie greifen also im Wege einer „Sonderanknüpfung“ in das Arbeitsstatut (= das auf den Arbeitsvertrag kraft Anknüp-fung nach Art. 27, 30 EGBGB anzuwendende Recht) insgesamt ein (daher auch „Ein-griffsnormen“). Sie sind deshalb später zu behandeln (dazu unten A V 1, 2, Rn. [43]-[51]).

IV. Objektiv anzuwendendes Recht

[26] Fehlt eine Rechtswahlvereinbarung (dazu oben A II, Rn. [9]-[15]) oder muß die Rechtswahl nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB am Maßstab der objektiven Anknüpfung gemes-sen werden (dazu oben A III 2, Rn. [19]-[24]), kommt Art. 30 Abs. 2 EGBGB zum Zu-ge, der zwei Regelanknüpfungen und eine Ausnahmeklausel vorsieht.39

[27] Die wichtigere der beiden Regelanknüpfungen ist diejenige an den gewöhnli-chen Arbeitsort: Mangels einer Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge dem Recht des Staates, in welchem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Ar-beit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist (Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB).

[28] Die zweite Regelanknüpfung ist diejenige an die einstellende Niederlassung: Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, unterliegt der Arbeitsvertrag mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in wel-chem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB).

39 Umfassend E. Lorenz, RdA 1989, 220.

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22 A. Anzuwendendes Recht [29] Die beiden Regelanknüpfungen des Art. 30 Abs. 2 Nrn. 1, 2 EGBGB stehen unter einem Vorbehalt: Aus der Gesamtheit der Umstände darf sich nicht ergeben, daß der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist (Art. 30 Abs. 2 a.E. EGBGB).

Durchblick: Bei Art. 30 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EGBGB handelt es sich nicht um Vermutungstatbestände, sondern um feste Regelanknüpfungen. Sie stehen zu-einander im Verhältnis der strikten Alternativität: Es kann jeweils nur eine der beiden Regelanknüpfungen erfüllt sein. Das Abgrenzungskriterium lautet, ob der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich „in ein und demselben Staat“ oder „nicht in ein und demselben Staat“ verrichtet. Dieses Kriterium ist ein komplementäres Kriterium; es kann nach den Gesetzen der Logik keinen Fall geben, der sich nicht unter eine der beiden alternativen (komplementären) Regelanknüpfungen subsumieren läßt. Deshalb stellt auch der Vorbehalt des Art. 30 Abs. 2 a.E. EGBGB keine Auffangklausel für den Fall dar, daß keine der beiden Regelan-knüpfungen eingreift, denn ein solcher Fall ist wegen des logisch geschlossenen Systems der beiden Regelanknüpfungen nicht denkbar. Es handelt sich vielmehr um eine Ausweichklausel (= Ausnahmeklausel) für den Fall, daß mehrere An-knüpfungsmomente zusammen auf ein anderes Recht als das durch die maßge-bende Regelanknüpfung berufene hinweisen.40

1. Gewöhnlicher Arbeitsort

[30] Mangels einer Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge dem Recht des Staates, in welchem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist (Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB).

a) Begriff des gewöhnlichen Arbeitsorts

[31] Das IPR kann den Arbeitsvertrag nicht an den jeweiligen („schlichten“) Arbeits-ort anknüpfen, weil dann das anzuwendende Recht (Arbeitsstatut) bei grenzüber-schreitend mobilem Personal laufend wechseln würde. Die Anknüpfung wird vielmehr verstetigt, indem der „gewöhnliche“ Arbeitsort maßgebend ist, so daß sich das Ar-beitsstatut bei vorübergehender Entsendung des Arbeitnehmers in das Ausland nicht än-dert. Den Begriff des gewöhnlichen Arbeitsortes bestimmt das BAG, indem es – im Ein-klang mit der herrschenden Literaturansicht41 – von folgender Alternative ausgeht: Ist der Arbeitnehmer organisatorisch in einen Betrieb eingegliedert, stellt der Betriebsort in der Regel den gewöhnlichen Arbeitsort dar; fehlt es an der Eingliederung in einen Be-

40 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 459 f., 463; ders., RabelsZ 53 (1989),

487, 490, 492. 41 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 48-55; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern,

S. 181; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1884, 1895; Schlachter, NZA 2000, 57, 59.

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A. Anzuwendendes Recht 23

trieb, kommt es auf den Ort an, an dem die Tätigkeit ihr zeitliches und inhaltliches Schwergewicht hat.42

Beispiel: Sind Piloten ganz überwiegend („regelmäßig“) auf innerdeutschen Flug-strecken eingesetzt, liegt das zeitliche und inhaltliche Schwergewicht ihrer Tätig-keit in Deutschland. Gelegentliche Auslandseinsätze der Piloten stellen sich in die-sem Fall als vorübergehende Entsendung dar, welche die Anknüpfung an den ge-wöhnlichen Arbeitsort nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB unberührt läßt.43

[32] Diese Rechtsprechung des BAG steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Begriff des gewöhnlichen Arbeitsortes i.S. des Inter-nationalen Zivilverfahrensrechts: Wenn der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag ständig wechselnd in mehreren EU-Mitgliedstaaten erfüllt, ist der gewöhn-liche Arbeitsort nach der EuGH-Rechtsprechung „der Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt.“44

b) Bedeutung der Ausgangsbasis („base“)

[33] Durch die Formulierung „oder von dem aus“ macht der Gerichtshof deutlich, daß nicht nur auf die Orte der physischen Anwesenheit, sondern – „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ auch auf die Ausgangsbasis („base“) des grenzüber-schreitend tätigen Arbeitnehmers abgestellt werden kann. In der künftigen Rom I-Verordnung (dazu unten A VI, Rn. [55]) wird in der Nachfolgeregelung zu Art. 30 EGBGB der Zusatz „oder von dem aus“ ausdrücklich enthalten sein.

Beispiele: (1) In der EuGH-Rechtssache Mulox/Geels hatte der Arbeitnehmer, ein Marketingdirektor einer englischen Firma, sein Büro an seinem Wohnsitz in Frankreich. Er betrieb von dort in umfangreicher Reisetätigkeit den Absatz der Produkte seines Arbeitgebers in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und den skandinavischen Ländern.45 – (2) In der EuGH-Rechtssache Rutten/Cross Medi-cal war der Arbeitnehmer ebenfalls bei einem englischen Unternehmen ange-stellt. Er hatte sein Büro an seinem Wohnsitz in den Niederlanden und verbrachte ein Drittel seiner Tätigkeit auf Geschäftsreisen in Großbritannien, Belgien, Deutschland und den USA.46 In beiden Fällen vermied der EuGH im Internationa-len Zivilverfahrensrecht die Anknüpfung an die einstellende Niederlassung (vgl.

42 BAG vom 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297, 311 = AP Nr. 31 zu Internationales

Privatrecht, Arbeitsrecht = NZA 1993, 743 = SAE 1994, 28 m. Anm. Junker = IPRax 1994, 123 m. Aufs. Mankowski (88) – Berlinflugverkehr.

43 BAG vom 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297, 312 – Berlinflugverkehr. 44 EuGH vom 28.2.2002 – Rs. C-37/00, Slg. 2002 I, 2032 Rn. 58 = NJW 2002, 1635 = ZZPInt 7

(2002), 220 m. Anm. Junker = IPRax 2003, 45 m. Aufs. Mankowski (21) – Weber/Universal Ogden Services.

45 EuGH vom 13.7.1993 – Rs. C-125/92 – Slg. 1993 I, 4075, 4105 Rn. 24 = IPRax 1997, 110 m. Aufs. Holl (88) – Mulox/Geels.

46 EuGH vom 9.1.1997 – Rs. C-383/95 – Slg. 1997 I, 57, 78 Rn. 25 = NZA 1997, 225 = IPRax 1999, 365 m. Aufs. Mankowski (332) – Rutten/Cross Medical.

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24 A. Anzuwendendes Recht

im IPR den Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB), indem er auch bei umfangreicher grenz-überschreitender Reisetätigkeit nach einem tatsächlichen Mittelpunkt der Be-rufstätigkeit suchte, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den wesentli-chen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt.47

c) Vorübergehende Entsendung

[34] Der Nebensatz in Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB („… selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist“) wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzun-gen von einer vorübergehenden Entsendung gesprochen werden kann, die nicht zu einer Änderung des gewöhnlichen Arbeitsortes und damit nicht zu einem Wechsel des Arbeitsstatuts führt.48 Eine vorübergehende Entsendung liegt vor, wenn der Arbeitneh-mer eine Vorbeschäftigung im Inland aufweist und die Arbeitsvertragsparteien einig sind, daß der Arbeitnehmer in das Inland zurückkehren soll (Rückkehrwille).49

[35] Es gibt insbesondere keine feste zeitliche Höchstgrenze, innerhalb derer noch von einer „vorübergehenden“ Entsendung gesprochen werden kann: Der Gegensatz zur vorübergehenden Entsendung ist nicht die „länger dauernde“ Entsendung, sondern der endgültige Übertritt des Arbeitnehmers in das Ausland.50 Entscheidend für den Begriff der vorübergehenden Entsendung ist, ob die Parteien bei dem Beginn der Auslandstätig-keit eine spätere Wiederbeschäftigung im Inland ins Auge gefaßt haben, ob also ein „a-nimus retrahendi“ des Arbeitgebers in den Vertrag aufgenommen wurde.51

2. Einstellende Niederlassung

[36] Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, unterliegt der Arbeitsvertrag mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in welchem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB).

[37] Bei hoch mobilen Arbeitnehmern soll die feste Anknüpfung an die einstellende Niederlassung verhindern, daß der permanente Wechsel des Arbeitsortes zu einer Ände-rung des auf den Arbeitsvertrag anzuwendenden Rechts (des Arbeitsstatuts) führt. Hauptanwendungsfall ist das Arbeitsverhältnis des gewöhnlich in mehreren Staaten tätigen Angestellten im Außendienst (Firmenrepräsentant, Handlungsreisender, Einkäu-fer oder Arbeitnehmer auf Außenmontage).

Beispiel 1: Das BAG hatte es mit einem in Baden-Württemberg wohnhaften, von einem belgischen Unternehmen angestellten Handlungsreisenden für Zahlungs-verkehrsterminals zu tun, der nach dem Schwerpunkt seiner Tätigkeit Kunden in

47 Siehe dazu Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 19 EuGVVO Rn. 5; Hüßtege, in:

Thomas/ Putzo, Art. 19 EuGVVO Rn. 2. 48 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 56-62; Junker, FS Heldrich (2005), S. 719, 732-738. 49 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 56; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 182. 50 E. Lorenz, RdA 1989, 220, 223; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertrags-

recht, Rn. 1888; Junker, RIW 2006, 401, 406. 51 Däubler, RIW 1987, 249, 251; Junker, ZIAS 4 (1995), 564, 586.

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A. Anzuwendendes Recht 25

Deutschland, in der Schweiz, in Österreich und in den skandinavischen Ländern aufzusuchen hatte. – Der 2. Senat des BAG verneinte das Vorhandensein eines gewöhnlichen Arbeitsortes (Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB) und knüpfte an die in Belgien liegende einstellende Niederlassung der Arbeitgeberin an (Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB). Der Senat gelangte dann aber aufgrund einer Mehrzahl von Um-ständen (deutsche Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers, Wohnsitz in Deutsch-land, Deutsch als Vertragssprache und „Vereinbarung typisch deutscher Ver-tragsbestandteile“) durch Anwendung der Ausweichklausel des Art. 30 Abs. 2 a.E. EGBGB zum deutschen Recht.52

Beispiel 2: Eine Anknüpfung an die einstellende Niederlassung hat auch das LAG Bremen in einem Fall vorgenommen, in welchem ein Niederländer mit Wohnsitz und Büro in den Niederlanden bei einem Bremer Unternehmen als Vertreter für Parfümöle mit Reisegebiet Niederlande, Belgien und Luxemburg angestellt war.53 – Die Richtigkeit der Anknüpfung an die einstellende Niederlassung ist in beiden Fällen (Beispiele 1 und 2) zweifelhaft: Wie oben (unter A IV 1, Rn. [30]-[35]) dargestellt, bejaht der EuGH bei derartigen Fallkonstellationen einen Schwerpunkt der Tätigkeit (und damit einen gewöhnlichen Arbeitsort) an dem Wohnsitz des Handelsvertreters, an dem er gewöhnlich seinen „Papierkram“ erledigt und an den er nach seinen Reisen regelmäßig zurückkehrt.54

[38] Der EuGH vermeidet – durch Bejahung eines örtlichen Schwerpunkts der Tätig-keit – die Anknüpfung an die einstellende Niederlassung, weil sie dem Arbeitgeber die Möglichkeit der Manipulation eröffnet und eine Reihe von rechtlichen Unsicherheiten aufweist: Läßt sich der Begriff der Niederlassung noch relativ leicht bestimmen,55 so ist unklar und demzufolge umstritten, wie der Begriff der Einstellung zu verstehen ist: Reicht der bloße Vertragsschluß durch eine Niederlassung, die ansonsten keinerlei Be-ziehung zu dem Arbeitsverhältnis hat, oder muß – etwa in Gestalt einer Eingliederung – irgendeine Beziehung zwischen der Tätigkeit des Arbeitnehmers und der Niederlassung bestehen?56

Beispiel: In einem vom BAG entschiedenen Fall hatte eine deutsche Staatsange-hörige mit Wohnsitz in Deutschland bei der Fluglinie United Airlines in Chicago (USA) eine Schulung zur Flugbegleiterin (flight attendant) besucht und dort auch

52 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 – AP Nr. 6 zu Art. 27 EGBGB n.F. = NZA 2004, 680 –

Vertreter für Zahlungsverkehrsterminals. Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg vom 15.10.2002 – 11 Sa 49/02 – BB 2003, 900 m. Aufs. Thüsing (898).

53 LAG Bremen vom 17.4.1996 – 2 (3) Sa 328/94 – AP Nr. 5 zu Art. 30 EGBGB n.F. = NZA-RR 1997, 107, 108 – Vertreter für Parfümöle.

54 Siehe auch Mankowski, RIW 2005, 481, 496. 55 Vgl. zum Internationalen Zivilverfahrensrecht EuGH vom 22.11.1978 – Rs. 33/78 – Slg. 1978,

2183, 2193 = RIW 1979, 56 – Somafer/Saar-Ferngas: „Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, daß er Geschäfte mit Dritten betreiben kann.“

56 Offengelassen von BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130, 137 = AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB n.F. m. Anm. Schlachter = NZA 2002, 735 = SAE 2002, 253 m. Anm. Jun-ker = IPRax 2003, 258 m. Aufs. Franzen (239) – Flugbegleiterin.

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26 A. Anzuwendendes Recht

den Arbeitsvertrag unterschrieben. Gleich nach Vertragsschluß wurde sie der Nie-derlassung der United Airlines in London (England) zugewiesen und von dieser Niederlassung aus im internationalen Luftverkehr der United Airlines eingesetzt. – Der 5. Senat des BAG lehnt es – zu Unrecht57 – ab, das Arbeitsverhältnis an den (US-amerikanischen) Registrierungsort der Flugzeuge anzuknüpfen, und muß da-her eine Anknüpfung nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB vornehmen. Der Senat konnte es jedoch im Entscheidungsfall offenlassen, ob an die Hauptniederlas-sung in Chicago (Vertragsunterzeichnung) oder die Zweigniederlassung in London (Arbeitsaufnahme und „Einsatzbasis“) anzuknüpfen ist, weil die Klägerin ihre Ansprüche nur nach deutschem Recht geltend machen konnte und keine der beiden Varianten zum deutschen Recht führt.58

3. Engere Verbindung

[39] Die Ausweichklausel des Art. 30 Abs. 2 a.E. EGBGB eröffnet die Möglichkeit, die Regelanknüpfungen an den gewöhnlichen Arbeitsort oder die einstellende Niederlassung zu korrigieren, wenn der Arbeitsvertrag nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. Zur Anwendung dieser Ausnahmeklau-sel hat das BAG ausgeführt:

„Primäre Anknüpfungskriterien sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien und der Wohnsitz des Arbeit-nehmers, also die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimension, also Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden. Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt [als die Regelanknüpfung]. Dabei hat der gewöhnliche Arbeitsort nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ein stärkeres Gewicht als die einstellende Niederlas-sung (Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB). Die ausdrückliche und stillschweigende Rechtswahl als solche kann [zur Bestimmung der engeren Verbindung] nicht he-rangezogen werden, da es gerade auf das ohne eine Rechtswahl maßgebliche Recht ankommt.“59

[40] Die Ausnahmeklausel des Art. 30 Abs. 2 a.E. EGBGB ist demnach zurückhaltend zu handhaben: restriktiv gegenüber Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB, noch restriktiver ge-genüber Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Die Anknüpfungsmomente, die in eine andere Richtung weisen als der Regelanknüpfungspunkt „einstellende Niederlassung“ oder „ge-

57 Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 188; Mankowski, Seerechtliche Vertrags-

verhältnisse, S. 492. 58 BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130, 137-138 – Flugbegleiterin. 59 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 – AP Nr. 6 zu Art. 27 EGBGB n.F. = NZA 2004, 680 –

Vertreter für Zahlungsverkehrsterminals.

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A. Anzuwendendes Recht 27

wöhnlicher Arbeitsort“, müssen deutlich überwiegen.60 Hinzukommt, daß die Regeln über die internationale Gerichtszuständigkeit keine Ausweichklausel kennen (dazu unten B IV 2, Rn. [101]), sondern nur die beiden Grundanknüpfungen. Die Anwendung der Ausweichklausel kann daher ein Auseinanderfallen von internationaler Gerichtszustän-digkeit und anwendbarem Recht bewirken. Auch deshalb wendet die Rechtsprechung die Ausweichklausel zurückhaltend an.

Beispiel: In einem BAG-Fall war eine Flugbegleiterin an ihrem Wohnsitz in Frank-furt am Main von der Fluggesellschaft United Airlines (Sitz: Chicago) angeworben worden (siehe bereits oben A IV 2, Rn. [38]). Die Schulung und der Vertrags-schluß fanden in Chicago (USA) statt; die Einsatzbasis der Flugbegleiterin war London (England). – Der 5. Senat des BAG lehnte es ab, zugunsten der Flugbe-gleiterin die Ausweichklausel anzuwenden. Die Vertragsanbahnung in Deutsch-land, der deutsche Wohnsitz und die deutsche Staatsangehörigkeit der Flugbe-gleiterin begründeten – so der Senat – keine „engere Verbindung“ zur Bundesre-publik Deutschland: „Gerade der Wohnsitz hat nur eine geringe Bedeutung für die Tätigkeit als Flugbegleiterin. Dies zeigt sich schon darin, daß die Klägerin ih-ren Wohnsitz in Deutschland während der Zeit, als sie der Londoner Base zuge-ordnet war, beibehalten hat. Auch die bei der Base in Frankfurt eingesetzten Flugbegleiter haben nur zum Teil einen deutschen Wohnsitz. Die Staatsangehö-rigkeit ist nur dann ein wesentliches Kriterium, wenn beide Parteien der gleichen Nationalität angehören. Dies trifft hier nicht zu, weil die Beklagte ein Unterneh-men US-amerikanischen Rechts ist.“61

V. Grenzen des Arbeitsstatuts

[41] Das nach Art. 27, 30 EGBGB – sei es durch Rechtswahlvereinbarung, sei es im Wege objektiver Anknüpfung – bestimmte Arbeitsstatut ist grundsätzlich maßge-bend für alle Fragen der Begründung, des Inhalts und der Beendigung des Arbeitsver-trages und der aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Rechte und Pflichten einschließlich der Anbahnungs- und der Nachwirkungsphase; die Aufzählung in Art. 32 EGBGB ist insoweit nicht abschließend („insbesondere“).62 Wie sich schon aus dem Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB („die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtun-

60 Siehe bereits BAG vom 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 – BAGE 63, 17, 27 = AP Nr. 30 zu Interna-

tionales Privatrecht, Arbeitsrecht = SAE 1990, 317 m. Anm. Junker = IPRax 1991, 407 m. Anm. Magnus (382) – Kanalfähre; BAG vom 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297, 308 = AP Nr. 31 zu Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht = SAE 1994, 28 m. Anm. Junker = IPRax 1994, 123 m. Aufs. Mankowski (88) – Berlinflugverkehr.

61 BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130, 138 = AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB n.F. m. Anm. Schlachter = NZA 2002, 735 = SAE 2002, 253 m. Anm. Junker = IPRax 2003, 258 m. Aufs. Franzen (239) – Flugbegleiterin.

62 Einzelheiten bei Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 130-138; MünchKomm/Martiny, Art. 30 EGBGB Rn. 86-104.

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28 A. Anzuwendendes Recht gen“) ergibt, fällt beispielsweise die Vertragsbeendigung durch Kündigung grund-sätzlich in den Bereich des Arbeitsstatuts.63

Durchblick: Wenn nach Art. 27, 30 EGBGB ein Arbeitsverhältnis dem deutschen Recht unterliegt, ist demnach gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB das deutsche Kündigungsschutzgesetz anzuwenden. Der 2. Senat des BAG hat jedoch die An-wendung des § 1 KSchG auf grenzüberschreitende Sachverhalte eingeschränkt, indem er einen räumlichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes erfunden hat:64 Der Allgemeine Kündigungsschutz gemäß §§ 1 ff. KSchG sei nur anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer zu einem im Inland gelegenen Betrieb ge-höre; die Schwellenwerte des § 23 Abs. 1 Sätze 2-4 KSchG müßten in Deutsch-land erreicht werden. Diese das Arbeitsstatut einschränkende BAG-Rechtsprechung ist abzulehnen: Sie widerspricht allgemeinen kollisionsrechtlichen Prinzipien und findet auch im Wortlaut des Kündigungsschutzgesetzes keine Stüt-ze.65

[42] Das nach Art. 27, 30 EGBGB ermittelte Arbeitsstatut wird jedoch verdrängt durch die sog. Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen (dazu 1, 2) und überlagert durch spe-zielle Kollisionsregeln für besondere Teilgebiete des Arbeitsrechts, insbesondere die Be-triebsverfassung (dazu 3).

1. Deutsche Eingriffsnormen

[43] Nach Art. 34 EGBGB berührt die Anknüpfung eines Arbeitsverhältnisses nach Art. 27, 30 EGBGB „nicht die Anwendung der Bestimmungen des deutschen Rechts, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln (dazu bereits oben A III 3, Rn. [25]).“ Diese Vorschrift ist eine Öffnungsklausel, die es dem deutschen Gericht erlaubt, eine Bestimmung des deutschen Rechts gegen das nach Art. 27, 30 EGBGB ermittelte Arbeitsstatut durchzusetzen.66

a) Begriff der Eingriffsnormen

[44] Der Sinn dieser Vorschrift erschließt sich daraus, daß das Internationale Privat-recht zwei Arten zwingender Bestimmungen unterscheidet: Intern zwingende Be-stimmungen sind Normen, die nach dem materiellen Recht eines Staates überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu Lasten des Arbeitnehmers durch Vertrag abbedungen wer-den können. Sie spielen im Rahmen des Art. 27 Abs. 3 EGBGB eine Rolle (dazu oben A III 1, Rn. [17], [18]). Ferner setzen sie sich unter den Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 1 EGBGB im Günstigkeitsvergleich gegen das gewählte Recht durch (dazu oben

63 Däubler, RIW 1987, 249, 254; Gamillscheg, ZfA 1983, 307, 362 f.; MünchKomm/Martiny,

Art. 30 EGBGB Rn. 101. 64 BAG vom 9.10.1997 – 2 AZR 64/97 – BAGE 86, 374, 377 f. = AP Nr. 16 zu § 23 KSchG 1969

= NZA 1989, 141 – Petrolon; BAG vom 3.6.2004 – 2 AZR 386/03 – AP Nr. 33 zu § 23 KSchG 1969 (Bl. 3 R) = NZA 2004, 1380 = NJW 2005, 90 – Proudfoot.

65 Ausführlich Junker, FS Konzen (2006), S. 368. 66 Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 34 EGBGB Rn. 8; Erman/Hohloch, Art. 34 EGBGB Rn. 7;

Remien, in: Prütting/Wegen/Weinreich, Art. 34 EGBGB Rn. 15.

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A. Anzuwendendes Recht 29

A III 2, Rn. [19]-[24]). International zwingende Bestimmungen setzen sich demge-genüber nicht nur gegen eine Rechtswahl durch, sondern greifen in das Arbeitsstatut insgesamt ein, so daß man auch von „Eingriffsnormen“ spricht.67 Sie werden einer „Sonderanknüpfung“ unterzogen. Im folgenden geht es nur um diese international zwin-genden Bestimmungen.

[45] Nicht alle „intern“ zwingenden Bestimmungen des Arbeitsrechts können zugleich „international“ zwingende Bestimmungen sein, denn sonst könnte man sich die Anknüp-fung des Arbeitsvertrages nach Art. 27, 30 EGBGB sparen. Vielmehr sind intern zwin-gende Vorschriften der Normalfall und international zwingende Vorschriften, die im Wege der Sonderanknüpfung durchgesetzt werden, die Ausnahme. Nur ein kleiner Teil des deutschen Arbeitsrechts wird für international zwingend gehalten.

b) Abstrakte Anforderungen

[46] Abstrakt formuliert bejaht das BAG eine Eingriffsnorm nur, wenn „die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, son-dern zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt.“68 Solche Gemein-wohlbelange lassen sich aus zwei Erwägungen herleiten: Ein gewichtiges Kriterium für ein besonderes Gemeinwohlinteresse – und damit für den Eingriffscharakter der betref-fenden Vorschrift – ist die Rechtsdurchsetzung mittels eigens dafür eingerichteter Be-hörden in verwaltungsrechtlichen Verfahren (Beispiele: Gewerbeaufsicht im gesetz-lichen Arbeitszeitrecht, Integrationsamt bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ei-nes schwerbehinderten Menschen). Ein zweites Kriterium für den Eingriffscharakter einer Vorschrift kann die Verzahnung mit dem öffentlichen Recht sein, insbesondere mit dem Sozialversicherungsrecht.

Beispiel: Die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers im Krankheitsfall ist ver-knüpft mit den Regelungen über die Zahlung von Krankengeld durch die Kran-kenkasse, deren Verpflichtung nur ruht, solange der Versicherte Zahlungen vom Arbeitgeber erhält. Die deutsche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EFZG) ist daher eine Eingriffsnorm i.S. des Art. 34 EGBGB, wenn das Arbeitsverhältnis dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt.69

c) Praktische Anwendungsfälle?

[47] Der Ausnahmecharakter von Eingriffsnormen wird durch die vom BAG entschie-denen Fälle verdeutlicht: In der „Kanalfähren-Entscheidung“ von 1989 hat der 2. Senat des BAG festgestellt, daß der Allgemeine Kündigungsschutz nach § 1 KSchG nicht zu

67 MünchKomm/Martiny, Art. 34 EGBGB Rn. 10; Palandt/Heldrich, Art. 34 EGBGB Rn. 1. 68 BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130, 139 = AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB

n.F. m. Anm. Schlachter = NZA 2002, 735 = SAE 2002, 253 m. Anm. Junker – Flugbegleite-rin.

69 BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130, 140 – Flugbegleiterin. Ausführlich Junker, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 1197, 1212-1215.

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30 A. Anzuwendendes Recht den international zwingenden Bestimmungen i.S. des Art. 34 EGBGB zählt.70 In der „Pilo-ten-Entscheidung“ von 1992 hat der 2. Senat des BAG ausgeführt, der Übergang eines Arbeitsverhältnisses bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB gehöre ebenfalls nicht zu den Eingriffsnormen.71 In der „Seemanns-Entscheidung“ von 1995 hat der 5. Senat des BAG bekräftigt, daß auch die einschlägigen Vorschriften über Urlaubsan-spruch und Urlaubsgeld nicht zum deutschen Eingriffsrecht i.S. des Art. 34 EGBGB zu rechnen sind.72

Praxis: Die Rechtsprechung zu Art. 34 EGBGB wird relevant, wenn vor einem deutschen Arbeitsgericht über einen Streitgegenstand aus einem Arbeitsverhält-nis prozessiert wird, das einem ausländischen Arbeitsstatut unterliegt. Beispiel: Angenommen, das Arbeitsverhältnis einer Flugbegleiterin, die ihren Wohnsitz in Frankfurt am Main hat, unterliegt gemäß Art. 30 Abs. 2 EGBGB dem Recht des Staates Illinois (USA). Dann ist nach Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB auf eine Kün-digung dieses Arbeitsverhältnisses nicht das deutsche Recht, sondern das Recht des Staates Illinois anzuwenden.73 Da das BAG den Allgemeinen Kündigungs-schutz (§ 1 KSchG) nicht als international zwingendes Recht i.S. des Art. 34 EGBGB ansieht, ist § 1 KSchG auch nicht im Wege der Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen heranzuziehen.

[48] Ungeklärt ist, ob das Antidiskriminierungsrecht des Allgemeinen Gleichbe-handlungsgesetzes ganz oder zumindest teilweise international zwingendes Recht i.S. des Art. 34 EGBGB darstellt.74 Da eine Verzahnung mit dem öffentlichen Recht (wie bei § 3 EFZG) nicht besteht, kann sich der Eingriffscharakter nur aus der Rechtsdurch-setzung mittels Behörden ergeben. Hier ist m.E. zu unterscheiden: Die Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, insbesondere nach §§ 27, 28 AGG, be-stehen wohl unabhängig von dem auf das fragliche Arbeitsverhältnis anzuwendenden Recht. Die Antidiskriminierungsstelle ist jedoch gerade nicht dafür zuständig, das Be-nachteiligungsverbot des § 7 AGG und die daraus folgenden Ansprüche des Beschäftig-ten (§§ 13-15 AGG) in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren durchzusetzen. Die Be-fugnisse der Antidiskriminierungsstelle sind insofern mit denjenigen z.B. des Integration-samtes nach §§ 85 ff. SGB IX nicht zu vergleichen. Das könnte dafür sprechen, den §§ 7, 13-15 AGG den Eingriffscharakter abzusprechen.75

70 BAG vom 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 – BAGE 63, 17, 31 f. = AP Nr. 30 zu Internationales Privat-

recht, Arbeitsrecht = NZA 1990, 841 = SAE 1990, 317 m. Anm. Junker – Kanalfähre. 71 BAG vom 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297, 316-319 = AP Nr. 31 zu Internationa-

les Privatrecht, Arbeitsrecht = NZA 1993, 743 = SAE 1994, 28 m. Anm. Junker – Berlinflug-verkehr.

72 BAG vom 3.5.1995 – 5 AZR 15/94 – BAGE 80, 84, 92 f. = AP Nr. 32 zu Internationales Privat-recht, Arbeitsrecht = NZA 1995, 1191 = SAE 1997, 31 m. Anm. Magnus – Seemann.

73 Zur direkten Verweisung auf das Recht des Staates Illinois (und nicht auf das Recht „der Vereinigten Staaten“) siehe Art. 35 Abs. 2 EGBGB.

74 Siehe zum IPR der Nichtdiskriminierung vor Inkrafttreten des AGG Pfeiffer, FS Schwerdtner (2003), S. 775.

75 Vgl. die allgemeinen Erwägungen von Pfeiffer, FS Schwerdtner (2003), S. 775, 779-784.

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A. Anzuwendendes Recht 31

Praxis: Da die fraglichen Vorschriften des AGG auf europäischen Richtlinien be-ruhen, die in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden mußten, dürfte sich in der Praxis die Frage nach der Eingriffsqualität dieser Normen nur stellen, wenn das Arbeitsstatut nicht das Recht eines EU-Mitgliedstaates ist.

2. Ausländische Eingriffsnormen

[49] International zwingende Bestimmungen wie § 3 EFZG gibt es naturgemäß nicht nur im deutschen Recht, sondern auch im ausländischen Recht. Die Bedeutung einer ausländischen Eingriffsnorm bemißt sich danach, ob über die Streitigkeit aus einem Ar-beitsverhältnis vor einem deutschen Gericht oder vor einem ausländischen Gericht pro-zessiert wird:

[50] Ist ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben, spielen ausländische Eingriffs-normen grundsätzlich keine Rolle: Art. 34 EGBGB ermöglicht dem deutschen Richter nur die Sonderanknüpfung der international zwingenden Bestimmungen des deutschen Rechts (vgl. den Wortlaut des Art. 34 EGBGB). Das Europäische (Schuld-) Vertrags-übereinkommen enthält zwar eine Vorschrift über die Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen in einem inländischen Gerichtsstand (Art. 7 Abs. 1 EVÜ).76 Das Überein-kommen erlaubt es jedoch jedem Vertragsstaat, den Vorbehalt zu erklären, daß er Art. 7 Abs. 1 EVÜ nicht anwenden werde (Art. 22 Abs. 1 EVÜ). Die Bundesrepublik Deutschland hat einen solchen Vorbehalt erklärt (ebenso wie Irland, Luxemburg, Portugal und das Vereinigte Königreich). Unter welchen Bedingungen ein deutscher Richter dennoch aus-ländische Eingriffsnormen berücksichtigen kann, ist höchst unklar und umstritten.77 Die Frage soll, da sie im Arbeitsrecht – anders als z.B. im Außenwirtschaftsrecht78 – nur ge-ringe Praxisrelevanz hat, hier nicht vertieft werden.

[51] Ist dagegen ein Gerichtsstand im Ausland – genauer: im ausländischen Her-kunftsstaat der Eingriffsnorm – begründet, so wird das ausländische Gericht „seine“ Ein-griffsnormen unter den gleichen Voraussetzungen anwenden, unter denen ein deutsches Gericht deutsche Eingriffsnormen anwendet (dazu soeben A V 1, Rn. [43]-[48]). Das gilt insbesondere für die Staaten der Europäischen Union: Da Art. 34 EGBGB auf dem Euro-päischen (Schuld-) Vertragsübereinkommen beruht (Art. 7 Abs. 2 EVÜ), enthalten die Rechtsordnungen aller EU-Mitgliedstaaten eine dem Art. 34 EGBGB entsprechende Vor-schrift.

76 Art. 7 Abs. 1 EVÜ: „Bei Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates aufgrund dieses

Übereinkommens kann den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf an-zuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und ihr Gegenstand so-wie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden.“

77 Siehe nur MünchKomm/Martiny, Art. 34 EGBGB Rn. 56-62; Remien, in: Prüt-ting/Wegen/Weinreich, Art. 34 EGBGB Rn. 17, 18.

78 Siehe dazu Großfeld/Junker, Das CoCom im Internationalen Wirtschaftsrecht (1991).

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32 A. Anzuwendendes Recht

Praxis: Die unterschiedliche Behandlung ausländischer arbeitsrechtlicher Ein-griffsnormen durch ein deutsches und ein ausländisches Gericht belegt die prakti-sche Bedeutung der Frage, vor welchem Gericht aus einem Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung geklagt werden kann (dazu unten B, Rn. [56] ff.).

3. Betriebsverfassung

[52] Die bisher erläuterten Anknüpfungsregeln gelten nur für „vertragliche Schuldver-hältnisse“ (so die Überschrift vor Art. 27-37 EGBGB), darunter auch Arbeitsverträge (Art. 27, 30 EGBGB). Der internationale Anwendungsbereich der deutschen Betriebsver-fassung folgt eigenen, mangels gesetzlicher Regelung von der Rechtsprechung entwik-kelten Kriterien.

[53] Das BAG bestimmt die Anwendbarkeit des deutschen BetrVG in ständiger Recht-sprechung „vom Gesetz her.“79 Es unterscheidet einen räumlichen und einen persönli-chen Anwendungsbereich des Gesetzes. Der räumliche Anwendungsbereich des BetrVG richtet sich nach dem Territorialitätsprinzip: Unabhängig von der Staatsangehö-rigkeit der Beteiligten und vom Statut der Arbeitsverträge gilt das deutsche BetrVG für sämtliche inländischen Betriebe, gleichgültig, ob sie zu inländischen oder zu ausländi-schen Unternehmen gehören. Dagegen ist das deutsche BetrVG auf im Ausland gelegene Betriebe nicht anzuwenden, selbst wenn sie zu deutschen Unternehmen gehören.80

[54] Den persönlichen Anwendungsbereich des deutschen BetrVG bestimmt das BAG unter Zuhilfenahme des – aus dem Sozialversicherungsrecht bekannten – Konzepts der Ausstrahlung: Bei einem im Ausland tätigen Arbeitnehmer ist eine Beziehung zum Inlandsbetrieb erforderlich, die es rechtfertigt, die Auslandsarbeit der im Inland entfalte-ten Betriebstätigkeit zuzurechnen. Ein hinreichender Bezug zum Inlandsbetrieb fehlt in der Regel bei dauernd im Ausland tätigen Arbeitnehmern. Allerdings kann ein vom Arbeitnehmer vorbehaltenes Rückrufrecht ausnahmsweise einen fortbestehenden In-landsbezug des Arbeitsverhältnisses begründen, sofern es praktische Bedeutung hat.81

Beispiel: Ein Vertriebsmitarbeiter aus der Zentrale eines deutschen Automobil-herstellers wird für zwei Jahre zur französischen Tochtergesellschaft entsandt, um den dortigen Vertrieb zu stärken. Der Arbeitsvertrag mit der deutschen Arbeitge-berin bleibt bestehen, ergänzt um eine „Zusatzvereinbarung Auslandsentsen-dung.“ Die deutsche Arbeitgeberin möchte das Arbeitsverhältnis aus verhaltens-bedingten Gründen kündigen und fragt, ob der bei ihr bestehende Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen ist. – Ein nur vorübergehend ins Ausland ent-sandter Arbeitnehmer verliert die betriebsverfassungsrechtliche Zugehörigkeit

79 Umfangreiche Nachweise bei Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 352 ff.;

Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 185-300. 80 BAG vom 7.12.1989 – 2 AZR 228/89 – AP Nr. 27 zu Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht

m. Anm. E. Lorenz = NZA 1990, 658 – Reiseleiterin; BAG vom 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 – AP Nr. 8 zu § 14 AÜG = NZA 2000, 1119 – LKW-Fahrer; BAG vom 20.2.2001 – 1 ABR 30/00 – AP Nr. 23 zu § 101 BetrVG 1972 = NZA 2001, 1033 – TÜV Bayern.

81 BAG vom 20.2.2001 – 1 ABR 30/00 – AP Nr. 23 zu § 101 BetrVG 1972 = NZA 2001, 1033, 1035 – TÜV Bayern.

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A. Anzuwendendes Recht 33

zum Inlandsbetrieb grundsätzlich auch dann nicht, wenn er für die Zeit seiner Auslandstätigkeit in einen ausländischen Betrieb eingegliedert ist.82 Das deutsche Betriebsverfassungsrecht erreicht diesen Arbeitnehmer im Wege der „Ausstrah-lung“ des inländischen Betriebs. Damit erstrecken sich auch die Beteiligungs-rechte des Betriebsrats auf den im Ausland tätigen, aber nach wie vor betriebs-zugehörigen Mitarbeiter.83 Im Beispielsfall ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen.

VI. Künftige „Rom I“-Verordnung

[55] Das Europäische (Schuld-) Vertragsübereinkommen von 1980 („Römisches Übereinkommen“, dazu oben A I 1, Rn. [4]), auf dem die Art. 27-37 EGBGB beruhen, soll durch eine EG-Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwen-dende Recht („Rom I“-Verordnung) ersetzt werden.84 Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung wird das Internationale Privatrecht der vertraglichen Schuldverhältnisse Be-standteil des sekundären Gemeinschaftsrechts. Für die Anknüpfung von Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sind nach derzeitigem Stand mit diesem Wechsel der Rechts-grundlage keine einschneidenden Änderungen verbunden.85

82 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 206, 207; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern,

S. 385. 83 Franzen, AR-Blattei SD 920, Rn. 262, 264; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern,

S. 389-390. 84 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf

vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), von der Kommission vorgelegt am 15.12.2005, KOM(2005) 650 endg.

85 Einzelheiten bei Junker, RIW 2006, 401; Knöfel, RdA 2006, 269; Mankowski, IPRax 2006, 101, 107-108.

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B. Internationale Zuständigkeit 35

B. Internationale Zuständigkeit

[56] Bei einem Arbeitnehmereinsatz im Ausland stellt sich nicht nur die Frage, welches Recht anzuwenden ist, sondern auch die Frage, welches Gericht Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis entscheidet. Die Prozeßvoraussetzung der internationalen Zustän-digkeit ist zwar mit der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 12 ff. ZPO verwandt, aber dogmatisch von ihr zu trennen: Die internationale Zuständigkeit bestimmt, ob inländische (Arbeits-) Gerichte in ihrer Ge-samtheit für die Entscheidung eines Rechtsstreits zuständig sind; die örtliche Zuständig-keit bezieht sich auf das konkrete, vom Kläger angerufene (Arbeits-) Gericht.

I. EuGVVO als Rechtsgrundlage

[57] Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Streitigkeiten aus Arbeits-verträgen bestimmt sich in den meisten Fällen (zu Ausnahmen unten B I 1, 2, Rn. [61]-[68]) nach der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung (EuGVVO), die auch als „Verordnung (EG) Nr. 44/2001“ bezeichnet wird.86 Die Verord-nung ist am 1.3.2002 in Kraft getreten (Art. 76 Abs. 1 EuGVVO). Sie gilt für alle Strei-tigkeiten, die nach dem 28.2.2002 anhängig geworden sind oder noch anhängig werden.

[58] Mit dem Stichtag 1.3.2002 hat die EuGVVO in den Mitgliedstaaten der EU – mit Ausnahme Dänemarks (dazu sogleich) – das Europäische Gerichtsstands- und Voll-streckungs-Übereinkommen (EuGVÜ) von 1968 abgelöst.87 Da das EuGVÜ nach sei-nem Abschlußort „Brüsseler Übereinkommen“ genannt wird, heißt die EuGVVO auch „Brüssel I-Verordnung“ oder kurz „Brüssel I-VO.“ Die römische Zahl in „Brüssel I-VO“ unterscheidet dieses Regelwerk von einer Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, die als „Brüssel II-VO“ bezeichnet wird. Die Kürzel „EuGVVO“, „VO (EG) Nr. 44/2001“ und „Brüssel I-VO“ bezeichnen also ein und dieselbe Verordnung.

[59] Entsprechend den Vorgaben des EG-Vertrags ist die EuGVVO „in allen ihren Teilen verbindlich; sie gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten“ (Art. 76 Abs. 1 EuGVVO). Wäh-rend das EVÜ (dazu oben A I 1, Rn. [4]) als Staatsvertrag von sämtlichen Mitgliedstaa-ten der EU ratifiziert wurde, sind Mitgliedstaaten i.S. der EuGVVO nicht alle EU-Mitgliedstaaten (zu den Gründen siehe Erwägungsgrund 21): In der Verordnung bedeu-tet der Begriff „Mitgliedstaat“ jeden Mitgliedstaat mit Ausnahme des Königreichs Dä-nemark (Art. 1 Abs. 3 EuGVVO).

86 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit

und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.

87 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Ent-scheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968, BGBl. 1972 II, S. 774 i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29.11.1996, BGBl. 1998 II, S. 1412.

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36 B. Internationale Zuständigkeit

Durchblick: Während also das EVÜ – als bloßer Staatsvertrag eigentlich die schwächere Rechtsquelle – in allen EU-Mitgliedstaaten angewendet wird, ist das bei der EuGVVO nicht der Fall; die internationale Zuständigkeit dänischer Gerich-te bestimmt sich zunächst nach dem Brüsseler Übereinkommen von 1968 i.d.F. von 1996 (EuGVÜ). Erst am 1.7.2007 tritt ein Abkommen zwischen der EU und Dänemark in Kraft, durch das die EuGVVO der Sache nach auf Dänemark er-streckt wird (dazu unten B VI 1, Rn. [108]).

[60] Die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung regelt, wie schon ihr Name sagt, zwei Kernmaterien des Internationalen Zivilverfahrensrechts (IZVR): die gerichtliche Zuständigkeit (Kapitel II: Art. 2-31 EuGVVO) sowie die An-erkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (Kapitel III: Art. 32-56 EuGVVO), beides bezogen auf „Zivil- und Handelssachen“ (Art. 1 Abs. 1 und 2 EuGVVO). Die Spe-zialvorschriften über die Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge finden sich in Abschnitt 5 des Kapitels II (Art. 18-21 EuGVVO).

Durchblick: Zwischen dem Internationalen Privatrecht der Arbeitsverträge (dazu oben A, Rn. [1] ff.) und der internationalen Zuständigkeit der Arbeits-gerichte gibt es zwei strukturelle Parallelen: (1) Sowohl die Rechtswahlverein-barung als auch die Gerichtsstandsvereinbarung sind als kollisionsrechtlicher Vertrag bzw. als prozeßrechtlicher Vertrag in einem weiteren Sinne Ausprägungen der Vertragsfreiheit. Die Vertragsfreiheit wird bei arbeitsrechtlichen Verträgen auf unterschiedliche Weise eingeschränkt: Die Rechtswahl ist nach Art. 27 EGBGB grundsätzlich zulässig und wirksam (dazu oben A II, Rn. [9] ff.), wird aber in ih-ren praktischen Folgen im Interesse des Arbeitnehmerschutzes durch einen Gün-stigkeitsvergleich nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB stark eingeschränkt (dazu oben A III 2, Rn. [19] ff.). Eine vorbeugende Gerichtsstandsvereinbarung für Strei-tigkeiten aus einem Arbeitsvertrag ist dagegen von vornherein nur zugunsten des Arbeitnehmers zulässig (dazu unten B II 1, Rn. [87] ff.). – (2) Die objektiven Anknüpfungen an den gewöhnlichen Arbeitsort oder die einstellende Niederlas-sung gemäß Art. 30 Abs. 2 EGBGB (dazu oben A IV, Rn. [26] ff.) finden ihre Par-allele in den Verordnungsgerichtsständen des Arbeitnehmers gemäß Art. 19 EuGVVO (dazu unten B IV, Rn. [99] ff.). Diese Parallele soll einen Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht bewirken.

1. Räumlicher Anwendungsbereich

a) Maßgeblichkeit des Beklagtenwohnsitzes

[61] Die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsnormen hängt nach Art. 2-4 EuGVVO grundsätzlich davon ab, daß der Wohnsitz des Beklagten (Art. 59 EuGVVO) in einem „Mitgliedstaat“ liegt. Ist der Beklagte eine Personengesellschaft oder juristische Person, tritt an die Stelle des Wohnsitzes der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO). „Mitgliedstaaten“ i.S. der Verordnung sind, wie bereits erörtert (oben B I, Rn. [59]), die Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme des Königreichs Dänemark (Art. 1 Abs. 3 EuGVVO). Der räumliche Anwendungsbe-

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B. Internationale Zuständigkeit 37

reich der Verordnung ist folglich nur eröffnet, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in ei-nem der so definierten Mitgliedstaaten hat.

Beispiel 1: Der Arbeitgeber möchte einen Arbeitnehmer, der seinen gewöhnli-chen Arbeitsort in Deutschland, seinen Wohnsitz dagegen in Kopenhagen hat, wegen Verletzung des Arbeitsvertrags auf Schadensersatz und Unterlassung ver-klagen. – Da der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat i.S. des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO hat, ist die Verordnung nicht anwendbar. Damit gilt insbe-sondere nicht Art. 20 Abs. 1 EuGVVO („Die Klage des Arbeitgebers kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.“) Bei einem Wohnsitz des Beklagten in Dä-nemark gilt vielmehr bis 30.6.2007 das Europäische Gerichtsstands- und Voll-streckungs-Übereinkommen (EuGVÜ), wonach die Zuständigkeit am gewöhnli-chen Arbeitsort begründet ist (Art. 5 Abs. 1 EuGVÜ). Am 1.7.2007 tritt ein Ab-kommen zwischen der EU und Dänemark in Kraft, das die EuGVVO der Sache nach auf Dänemark erstreckt (dazu unten B VI 1, Rn. [108]).88

Beispiel 2: Hat in dem vorstehenden Beispiel der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in Basel, so ist die EuGVVO mangels Beklagtenwohnsitzes in einem Mitgliedstaat ebenfalls nicht anzuwenden. Bei einem Wohnsitz des Beklagten in der Schweiz gilt vielmehr das Luganer Übereinkommen (LugÜ) von 1988,89 wonach eben-falls ein Gerichtsstand am gewöhnlichen Arbeitsort begründet ist (Art. 5 Nr. 1 Lu-gÜ, dazu unten B VI 2, Rn. [109]).

Beispiel 3: Hat in dem Beispiel 1 der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in New Y-ork, sind weder die EuGVVO noch das EuGVÜ oder das LugÜ anwendbar. Es gilt vielmehr Art. 4 Abs. 1 EuGVVO, dessen Geltung in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO („un-beschadet des Artikels 4“) ausdrücklich vorbehalten ist: „Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich … die Zustän-digkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen.“ Nach deutschem Zivilprozeßrecht führt der besondere Gerichtsstand des Erfül-lungsortes (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 29 Abs. 1 ZPO) zum Gericht des gewöhnlichen Arbeitsortes.90

b) Erweiterung durch Art. 18 Abs. 2 EuGVVO

[62] Bei Klagen gegen den Arbeitgeber (Aktivprozessen des Arbeitnehmers) wird der Anwendungsbereich der EuGVVO-Gerichtsstände – entgegen der Regel des Art. 4 Abs. 1 EuGVVO – durch Art. 18 Abs. 2 EuGVVO beträchtlich erweitert. Die Vorschrift lautet:

88 Abkommen vom 19.10. 2005 zwischen der Europäischen Union und Dänemark, ABlEU Nr.

L 299 vom 16.11.2005, S. 61. 89 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtli-

cher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988, BGBl. 1994 II, S. 2660. 90 Dazu im einzelnen Junker, ZZPInt 3 (1998), 179, 196.

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38 B. Internationale Zuständigkeit

„Hat der Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsver-trag geschlossen hat, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, be-sitzt er aber in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder son-stige Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte.“

[63] Bei einem Arbeitgeber, der eine Gesellschaft oder juristische Person ist, tritt an die Stelle des Wohnsitzes der Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung (Art. 60 EuGVVO). In diesem Fall bedeutet Art. 18 Abs. 2 EuGVVO: Hat der Arbeitgeber weder Sitz noch Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in einem der Mitgliedstaaten (Art. 1 Abs. 3 EuGVVO), besitzt er aber eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat, gelten für Streitigkeiten „aus dem Betrieb“ dieser Niederlassung die Regeln der Art. 18-21 EuGVVO über die Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge.91 Diese Regelung muß vor dem Hintergrund einer EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 1989 gesehen wer-den:

EuGH vom 15.2.1989 (Six Constructions/Humbert): Paul Humbert, für die Six Constructions Ltd. als Deputy Project Manager in verschiedenen Staaten des Nahen Ostens tätig, verlangte aus Anlaß einer Kündigung durch Klage vor seinem französischen Wohnsitzgericht Schadensersatz wegen vorzeitiger Vertragsauflö-sung sowie Ausgleichszahlungen und rückständiges Gehalt. Die Six Constructions Ltd. war eine Gesellschaft nach dem Recht von Sharjah (Vereinigte Arabische E-mirate), die in Brüssel eine Niederlassung unterhielt. Diese Niederlassung hatte Herrn Humbert eingestellt. – Während in der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 1989 nicht ganz deutlich wird, worauf der Gerichtshof die Anwendbarkeit des EuGVÜ stützt,92 ergibt sich nunmehr aus Art. 18 Abs. 2 EuGVVO die Regel „Nie-derlassung = Wohnsitz.“ Sie erweitert im Interesse der schwächeren Partei den Anwendungsbereich der arbeitnehmerschützenden Gerichtsstände.93 Aus Art. 19 EuGVVO würde heute für den Kläger Humbert die Zuständigkeit des Gerichts am Ort der einstellenden Niederlassung in Brüssel folgen (Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGV-VO).

c) Praktische Konsequenzen

[64] Wegen der in Art. 18 Abs. 2 EuGVVO niedergelegten Regel „Niederlassung = Wohnsitz“ sind heute zahlreiche Fälle, in denen das BAG früher die Zuständigkeitsregeln der ZPO angewandt hat, nach den Zuständigkeitsregeln der EuGVVO zu entscheiden.94

91 Däubler, NZA 2003, 1297, 1298; Junker, RIW 2002, 569, 575; Thüsing, NZA 2003, 1303,

1310. 92 EuGH vom 15.2.1989 – Rs. 32/88 – Slg. 1989, 341 = RIW 1990, 139 = IPRax 1990, 175 m.

Aufs. Rauscher (152) – Six Constructions/Humbert. 93 Zu diesem Zweck der Regelung: EuGH vom 15.9.1994 – Rs. C-318/93 – Slg. 1994 I, 4275 =

RIW 1994, 1045 – Brenner & Noller/Dean Witter Reynolds (in Verbrauchersachen). 94 Behr, Gedächtnisschrift Blomeyer (2004), S. 15, 30; Däubler, NZA 2003, 1297, 1298; Junker,

FS Schlosser (2005), S. 299, 305.

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B. Internationale Zuständigkeit 39

Beispiele: (1) In dem bereits oben unter A IV 2, 3 (Rn. [38], [40]) erörterten Rechtsstreit einer Flugbegleiterin mit Wohnsitz in Frankfurt am Main gegen die Fluggesellschaft United Airlines (Sitz: Chicago) ergibt sich die internationale Zuständigkeit des ArbG Frankfurt am Main heute nicht mehr aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 12 ff. ZPO, sondern aus Art. 18 ff. EuGVVO, weil die Uni-ted Airlines am Frankfurter Flughafen jedenfalls eine „sonstige Niederlassung“ hatten.95 – (2) Entsprechendes würde heute gelten für die Klage eines Piloten ge-gen die Fluggesellschaft Royal Air Maroc (Sitz: Marokko), die in Düsseldorf eine Zweigniederlassung unterhielt.96

2. Vorrang anderer EG-Rechtsakte

[65] Nach Art. 67 EuGVVO berührt die Verordnung nicht die Anwendung von Be-stimmungen, die (a) für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit re-geln und (b) im einzelstaatlichen Recht enthalten sind, das in Ausführung gemein-schaftlicher Rechtsakte harmonisiert wurde. Ein solcher Rechtsakt ist die Entsende-richtlinie (Richtlinie 96/71/EG),97 die in Art. 6 eine Bestimmung über die internationale Zuständigkeit enthält:

„Zur Durchsetzung des Rechts auf die in Artikel 3 gewährleisteten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen kann eine Klage in dem Mitgliedstaat erhoben wer-den, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt ist oder war; dies be-rührt nicht die Möglichkeit, gegebenenfalls gemäß den geltenden internationalen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit in einem anderen Staat Klage zu erheben.“

[66] In Deutschland ist diese Vorgabe in § 8 AEntG umgesetzt, der durch die Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes von 200798 unberührt geblieben ist:

„Ein Arbeitnehmer, der in den Geltungsbereich dieses Gesetzes entsandt ist oder war, kann eine auf den Zeitraum der Entsendung bezogene Klage auf Gewährung der Arbeitsbedingungen nach §§ 1, 1a und 7 auch vor einem deutschen Gericht für Arbeitssachen erheben. Diese Klagemöglichkeit besteht auch für eine gemein-same Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 3 in bezug auf die ihr zustehenden Beiträge.“

[67] Die Vorschrift des § 8 Satz 1 AEntG hat bisher keine Probleme aufgeworfen; sie begründet, wie sich eindeutig aus ihrem Wortlaut („auch“) und der Richtlinienvorgabe

95 BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130, 131 = AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB

n.F. m. Anm. Schlachter = SAE 2002, 253 m. Anm. Junker = IPRax 2003, 258 m. Aufs. Fran-zen (239) – Flugbegleiterin.

96 BAG vom 27.1.1983 – 2 AZR 188/81 – AP Nr. 12 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit m. Anm. Beitzke = NJW 1984, 1320 – Flugkapitän.

97 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABlEG Nr. L 18 vom 21.1.1997, S. 1. Siehe dazu Behr, Gedächtnisschrift Blomeyer (2004), S. 15, 40-41.

98 Erstes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 25.4.2007, BGBl. 2007 I, S. 576.

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40 B. Internationale Zuständigkeit ergibt, keinen ausschließlichen, sondern nur einen zusätzlichen (konkurrierenden) Ge-richtsstand. Sie spielt in der Praxis (nur) eine Rolle, wenn (a) das entsendende Unter-nehmen (der Arbeitgeber) in Deutschland keine Niederlassung hat (ansonsten folgt die Zuständigkeit bereits aus Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO) und (b) der nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer im Entsendestaat seinen gewöhnlichen Arbeitsort behalten hat (sonst führt bereits Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO zur Zuständigkeit eines deutschen Gerichts).

[68] Die Vorschrift des § 8 Satz 2 AEntG geht über die Vorgaben der Entsenderichtli-nie hinaus, indem sie eine Klagemöglichkeit für gemeinsame Einrichtungen der Tarifver-tragsparteien in bezug auf die ihnen zustehenden Beiträge vorsieht. Selbst wenn es sich auch bei Art. 8 Satz 2 AEntG noch um harmonisiertes Recht i.S. des Art. 67 EuGVVO handeln sollte, spielt § 8 Satz 2 AEntG im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, da die entsprechenden Klagen (Sozialkassen gegen Arbeitgeber) nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Art. 18-21 EuGVVO fallen.99

3. Sachlicher Anwendungsbereich

[69] Art. 18 Abs. 1 EuGVVO definiert den sachlichen Anwendungsbereich der Art. 18-21 EuGVVO, indem aus dem Kreis der „Zivil- und Handelssachen“ (Art. 1 Abs. 1, 2 EuGVVO) diejenigen Rechtsstreitigkeiten herausgegriffen werden, für welche sich die internationale Zuständigkeit nach dem 5. Abschnitt der EuGVVO („individuelle Arbeits-verträge“) bestimmen soll.100

[70] Während im IPR die Kollisionsnorm des Art. 30 EGBGB nach ihrer amtlichen Ü-berschrift für „Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen“ gilt, ist in der amtlichen Überschrift zu Art. 18-21 EuGVVO von der Zuständigkeit für indi-viduelle Arbeitsverträge die Rede. Daß mit der unterschiedlichen Wortwahl kein sach-licher Unterschied verbunden ist, ergibt sich schon aus dem englischen Wortlaut der Be-stimmungen: Art. 6 EVÜ (= Art. 30 EGBGB) spricht von „Individual employment con-tracts“ und die Überschrift zu Art. 18-21 EuGVVO von „Individual contracts of employ-ment.“

[71] Die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich des Art. 30 EGBGB (oben A 1 3, Rn. [7], [8]) gelten daher sinngemäß auch für Art. 18-21 EuGVVO: Der Begriff des Arbeitsvertrags ist gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen.101 Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung zum EuGVÜ die „unselbständige Tätigkeit“ für das charakteri-stische Merkmal des Arbeitsvertrages gehalten.102 Dieses Kriterium steht in keinem Wi-derspruch zur Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitnehmerfreizügigkeit („Weisungsge-

99 Rechtsprechung zu § 8 Satz 2 AEntG ist nachgewiesen bei Däubler, NZA 2003, 1297, 1301;

Thüsing, NZA 2003, 1303, 1310. 100 Junker, FS Schlosser, 2005, S. 299, 301-303; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht,

Art. 18 EuGVVO Rn. 2-4; Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 3-4a. 101 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Art. 19 EuGVVO Rn. 1; Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-

VO Rn. 4a; Pacic, in: Kodek/Rebhahn, S. 79, 84, 89. 102 EuGH vom 15.1.1987 – Rs. 266/85 – Slg. 1987, 239, 255 Rn. 16 = RIW 1987, 213 – Shena-

vai/Kreischer.

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B. Internationale Zuständigkeit 41

bundenheit“), die im Rahmen des Art. 30 EGBGB herangezogen wurde (oben A I 3, Rn. [7]): Die Weisungsgebundenheit ist das mit Abstand wichtigste Merkmal der Unselb-ständigkeit. Der Zusatz „individuell“ in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO soll weder Formularar-beitsverträge noch die Gruppenarbeit ausschließen, sondern Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien kollektiver Vereinbarungen (in Deutschland: Tarifverträge und Be-triebsvereinbarungen) vom Anwendungsbereich der Art. 18-21 EuGVVO ausnehmen.103

Durchblick: Die Formulierung „Ansprüche aus einem individuellen Arbeits-vertrag“ (Art. 18 Abs. 1 EuGVVO) ist insofern zu eng, als auch Ansprüche des Arbeitnehmers aus einem Tarifvertrag (§ 4 Abs. 1 TVG) oder einer Betriebsver-einbarung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) unter die speziellen Zuständigkeitsnormen fallen.104 Gemeint sind vielmehr „Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis.“ Ob die Anspruchsgrundlage des Arbeitnehmers dem Arbeitsvertrag, einem Tarif-vertrag oder einer Betriebsvereinbarung zu entnehmen ist, kann keine Rolle spie-len.

a) Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag

[72] Nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO müssen „ein individueller Arbeitsvertrag oder An-sprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag“ den Gegenstand des Verfahrens bilden. Die erste Variante (Arbeitsvertrag als Streitgegenstand), die z.B. Kündigungsschutz-klagen erfaßt (in Deutschland: Feststellungsklagen nach §§ 4, 7 KSchG), wirft keine be-sonderen Probleme auf. Dagegen stellen sich bei der zweiten Variante (Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag als Streitgegenstand) mehrere Zweifelsfragen:

[73] Bei Ansprüchen aus Arbeitnehmerhaftung konkurrieren in der Regel delikti-sche Ansprüche und vertragliche Ansprüche des Arbeitgebers. Es fragt sich, ob auch die konkurrierenden Deliktsansprüche dem Zuständigkeitsregime der Art. 18, 20 EuGVVO unterliegen. Zwar spricht der Gedanke des Arbeitnehmerschutzes für eine Einbeziehung konkurrierender Deliktsklagen,105 aber die Rechtsprechung des EuGH spricht dagegen.106 Der Arbeitgeber kann daher Ansprüche gegen den Arbeitnehmer aus unerlaubter Hand-lung nicht nur im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), sondern auch vor dem Gericht des Deliktsortes geltend machen (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO), der häu-fig mit dem Arbeitsort zusammenfallen wird.

[74] Obwohl Art. 18 Abs. 1 EuGVVO nur vom „Arbeitsvertrag“, nicht aber vom „Ar-beitsverhältnis“ spricht, sind den Zuständigkeitsregeln der Art. 18-21 EuGVVO auch An-sprüche aus fehlerhaften Arbeitsverhältnissen zu unterstellen (vgl. oben A I 1, Rn. [8]). Das ist sachgerecht, weil auch sonst der europarechtliche Begriff des Arbeits-

103 Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 7. 104 Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 7a. 105 Däubler, NZA 2003, 1297, 1299. Dagegen Pacic, in: Kodek/Rebhahn, S. 79, 98. 106 EuGH vom 27.9.1988 – Rs. 189/87 – Slg. 1988, 5565, 5585 f. Rn. 19-21 = RIW 1988, 901 –

Kalfelis/Schröder; EuGH vom 27.10.1998 – Rs. C-51/97 – Slg. 1998, I-6511, 6549 Rn. 49 = RIW 1999, 57 – Réunion européenne/Spliethoff’s Bevrachtingskantoor.

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42 B. Internationale Zuständigkeit verhältnisses die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrages nicht verlangt.107 Für die Einbeziehung fehlerhafter Arbeitsverhältnisse spricht ferner, daß nach der Rechtspre-chung des EuGH sogar Klagen aus ungerechtfertigter Bereicherung im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines Vertrages dem Vertragsgerichtsstand unterstehen kön-nen.108

[75] Von der Rechtsprechung noch nicht beantwortet ist die Frage, ob die speziellen Gerichtsstände der Art. 18-21 EuGVVO für Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag auch dem Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers zur Verfügung stehen.109 In Deutschland ist dabei vor allem an einen Sozialversicherungsträger zu denken, der Lohnansprüche geltend macht, die im Wege der Legalzession nach § 115 SGB X auf ihn übergegangen sind. Das Prinzip der Perpetuatio fori – eine Veränderung der zuständigkeitsbegrün-denden Umstände nach Eintritt der Rechtshängigkeit läßt die einmal vorhandene Zu-ständigkeit nicht entfallen110 – hilft dem Sozialversicherungsträger nur, wenn bereits der Arbeitnehmer den Anspruch eingeklagt hatte.

b) Arbeitnehmerähnliche Personen

[76] Der einheitliche europäische Begriff des Arbeitsvertrags schließt die Dienstverträ-ge der arbeitnehmerähnlichen Personen nicht ein.111 Die prozessuale Sonderregelung des deutschen Rechts für arbeitnehmerähnliche Personen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) läßt sich daher nicht auf den Anwendungsbereich der Art. 18-21 EuGVVO übertragen.112 Wenn ein Dienstvertrag oder Ansprüche aus einem Dienstvertrag einer arbeitnehmer-ähnlichen Person den Gegenstand des Verfahrens bilden, gelten folglich die allgemei-nen Zuständigkeitsregeln der EuGVVO. Damit sind Gerichtsstandsvereinbarungen mit arbeitnehmerähnlichen Personen auch außerhalb der engen Schranken des Art. 21 EuGVVO zulässig (Einzelheiten in Art. 23 EuGVVO).113

c) Streitigkeiten aus Aufhebungsverträgen

[77] Eine neuere Ansicht verneint, daß Streitigkeiten über den Bestand eines Aufhe-bungsvertrages oder über Ansprüche aus einem Aufhebungsvertrag unter die besonde-ren Zuständigkeitsnormen der Art. 18-21 EuGVVO fallen.114 Zur Begründung heißt es, der Aufhebungsvertrag sei gegenüber dem – in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO allein genannten – Arbeitsvertrag ein selbständiges Rechtsgeschäft. In der Verordnung sei nicht von

107 Däubler, NZA 2003, 1297, 1299; Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 303; Rau-

scher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 6. 108 EuGH vom 19.1.1993 – Rs. C-89/91 – Slg. 1993, I-139, 157, 178 f. = RIW 1993, 420 –

Shearson/TVB Treuhandgesellschaft. 109 Bejahend Däubler, NZA 2003, 1297, 1299. 110 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 392. 111 Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 18 EuGVVO Rn. 24;

Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 18 EuGVVO Rn. 2; Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 4b; differenzierend Pacic, in: Kodek/Rebhahn, S. 79, 85-91.

112 Für eine analoge Anwendung der Art. 18-21 EuGVVO: Däubler, NZA 2003, 1297, 1302. 113 Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 303; Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 4b. 114 Ausführlich Knöfel, ZfA 2006, 397, 428-433.

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B. Internationale Zuständigkeit 43

Ansprüchen des Arbeitnehmers, sondern von Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag die Rede; der Statusbegriff „Arbeitnehmer“ komme in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO nicht vor.115

[78] Das ist eine zu formale Sicht der Dinge: Daß Aufhebungsverträge bei isolierter Betrachtung nicht die Charakteristika eines Arbeitsvertrages aufweisen, weil unter ihnen nicht gearbeitet wird, kann nicht ausschlaggebend sein. Aufhebungsverträge beenden den Arbeitsvertrag. Sie stehen dadurch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhält-nis, auch wenn sie in der Regel weitere Vertragsbestimmungen als die vereinbarte Be-endigung des Arbeitsverhältnisses enthalten.116 Streitigkeiten über den Bestand eines Aufhebungsvertrages oder über Ansprüche aus einem Aufhebungsvertrag sind daher in den Gerichtsständen der Art. 18-21 EuGVVO auszutragen.

Durchblick: Auch im IPR ist eine selbständige Anknüpfung des Aufhebungs-vertrags nach Art. 27, 28 EGBGB abzulehnen, die zur Folge hätte, daß eine Rechtswahl für den Aufhebungsvertrag ohne die Beschränkungen des Art. 30 EGBGB zulässig wäre.117 Der Aufhebungsvertrag ist vielmehr im Wege akzesso-rischer Anknüpfung dem Arbeitsvertragsstatut zu unterstellen.

II. Gerichtsstandsvereinbarung

[79] Eine wichtige Frage beim Arbeitnehmereinsatz im Ausland ist die Frage nach der Wirksamkeit und den Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung. In der Praxis enthalten Arbeitsverträge mit Auslandsberührung oft nicht nur eine Rechtswahl-, son-dern auch eine Gerichtsstandsklausel.

Beispiel: „Der Vertrag unterliegt dem deutschen Recht. Als Gerichtsstand wird für beide Parteien München vereinbart.“

[80] Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist ein Vertrag, dessen Zustandekommen sich nach dem materiellen Recht beurteilt, dessen Zulässigkeit und Wirkungen sich jedoch nach Prozeßrecht richten.118 Eine Gerichtsstandsvereinbarung setzt sich aus zwei Ele-menten zusammen, nämlich der Abwahl der „gesetzlichen“ Zuständigkeit (Derogation) und der Neuwahl einer anderen Gerichtszuständigkeit (Prorogation).

[81] Im Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregeln der EuGVVO für individuelle Ar-beitsverträge sind die „gesetzlichen“ Zuständigkeiten die Gerichtsstandsregeln der Art. 19, 20 EuGVVO (dazu unten B III, IV, Rn. [90] ff.). Sie dienen dem Schutz des Ar-beitnehmers als der „schwächeren Partei“ (EuGVVO, Erwägungsgrund 13). Die Schutzin-teressen des Arbeitnehmers werden als so schwerwiegend angesehen, daß die EuGVVO eine Gerichtsstandsvereinbarung nur in engsten Grenzen zuläßt: „Das objektive Schutz-

115 Knöfel, ZfA 2006, 397, 430, 431. 116 Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 9. 117 Anderer Ansicht (ausführlich) Knöfel, ZfA 2006, 397, 402-418. 118 BGH vom 29.2.1968 – VII ZR 102/65 – BGHZ 49, 384, 387; BGH vom 17.5.1972 – VIII ZR

76/71 – BGHZ 59, 23, 27.

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44 B. Internationale Zuständigkeit regime zugunsten des Arbeitnehmers wäre nichts wert, wenn man es durch Gerichts-standsvereinbarung im Arbeitsvertrag derogieren könnte.“119

[82] Gemäß dem Schutz des Schwächeren reduziert Art. 21 EuGVVO die prozessua-le Parteiautonomie auf zwei Ausnahmekonstellationen:120 Entweder muß die Vereinba-rung erst nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen sein (Art. 21 Nr. 1 EuGVVO), oder sie muß dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumen, andere als die in der Verord-nung genannten Gerichte anzurufen (Art. 21 Nr. 2 EuGVVO).

1. Nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung

[83] Nach Art. 21 Nr. 1 EuGVVO ist eine Gerichtsstandsvereinbarung für einen indi-viduellen Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag zulässig, „wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird.“ Eine Streitigkeit ist i.S. des Art. 21 Nr. 1 EuGVVO „entstanden“, sobald die Arbeitsvertrags-parteien über einen bestimmten Punkt uneins sind und ein gerichtliches Verfahren un-mittelbar oder in Kürze bevorsteht.121 In dieser Situation gilt der Arbeitnehmer als hin-reichend gewarnt, so daß eine voll gültige Gerichtsstandsvereinbarung möglich ist.

[84] Eine Gerichtsstandsklausel im Arbeitsvertrag kann per Definition nicht unter Art. 21 Nr. 1 EuGVVO fallen: Der Abschluß des Arbeitsvertrags liegt grundsätzlich nicht nach, sondern vor dem Entstehen einer Streitigkeit aus dem Arbeitsvertrag.122 Der in der Literatur diskutierte Fall, daß im Arbeitsvertrag ein Gerichtsstand für eine bei Vertrags-schluß bereits ausgebrochene Streitigkeit über vorvertragliche Pflichtverletzungen ver-einbart wird,123 ist eher theoretischer Natur: Können sich die Parteien schon im Vorfeld nicht über die Bereinigung einer Pflichtverletzung einigen, wird in der Praxis schwerlich ein Arbeitsvertrag zustande kommen.

2. Gerichtsstandsklauseln in Aufhebungsverträgen

[85] Ungeklärt ist, inwieweit nach Art. 21 Nr. 1 EuGVVO eine Gerichtsstandsverein-barung in einem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag zulässig sein kann. Manche Auto-ren meinen, der Arbeitnehmer sei vor Abschluß eines Aufhebungsvertrags generell in der Situation, daß er – ohne Nachteile befürchten zu müssen – bloß „Nein“ sagen müsse, um eine für ihn ungünstige Gerichtsstandsabrede zu vermeiden.124

[86] Besser ist es, zu differenzieren: Soweit der Aufhebungsvertrag eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis aufgreift, ist für diese Streitigkeit eine Gerichtsstandsklau-

119 Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 1. 120 Inhaltlich übernimmt Art. 21 EuGVVO unverändert die Beschränkungen der Prorogationsfrei-

heit durch Art. 17 Abs. 5 EuGVÜ, die durch das 3. Beitrittsübereinkommen zum EuGVÜ von 1989 eingeführt wurden. Dazu ausführlich Franzen, RIW 2000, 81; Junker, ZZPInt 3 (1998), 179, 196-200.

121 Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 318; Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 3. 122 Franzen, RIW 2000, 81, 82; Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 2. 123 Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 2. 124 Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 4; ebenso im Ergebnis Knöfel, ZfA 2006, 397,

431.

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B. Internationale Zuständigkeit 45

sel im Aufhebungsvertrag nach Art. 21 Nr. 1 EuGVVO wirksam. Die Klausel muß aller-dings auf die arbeitsvertragliche Streitigkeit Bezug nehmen; eine geltungserhaltende Reduktion einer „globalen“ Gerichtsstandabrede in einem Aufhebungsvertrag verbietet sich.125 Für eine Streitigkeit aus dem Aufhebungsvertrag – etwa über die Wirksam-keit des Aufhebungsvertrags oder die Höhe der Abfindung – kann dagegen im Aufhe-bungsvertrag eine Gerichtsstandsklausel nach Art. 21 Nr. 1 EuGVVO nicht wirksam ver-einbart werden.126

3. Vorbeugende Gerichtsstandsvereinbarung

[87] Nach Art. 21 Nr. 2 EuGVVO ist eine Gerichtsstandsvereinbarung für Streitigkei-ten aus einem Arbeitsvertrag statthaft, „wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis ein-räumt, andere als die in Art. 18-20 EuGVVO angeführten Gerichte anzurufen.“ Art. 21 Nr. 2 EuGVVO verwirklicht ein prozessuales Günstigkeitsprinzip: Sie erlaubt eine Ge-richtsstandsvereinbarung, die dem Arbeitnehmer eine oder mehrere zusätzliche Optio-nen zu den „gesetzlichen“ Gerichtsständen gibt.127 Die Vorschrift erlaubt eine Proroga-tion von Gerichtsständen (und zwar nur des Arbeitnehmers), aber keine Derogation der „gesetzlichen“ Gerichtsstände. Eine Gerichtsstandsklausel nach Art. 21 Nr. 2 EuGV-VO kann dem Arbeitnehmer keine Nachteile, sondern nur Vorteile bringen.

Praxis: Da der Vorteil des Arbeitnehmers im Austauschverhältnis des Arbeitsver-trags in der Regel der Nachteil des Arbeitgebers ist (er muß sich auf einen oder mehrere zusätzliche Gerichtsstände einstellen), wird der Arbeitgeber meist kein objektives Interesse haben, einen Gerichtsstandsvertrag nach Art. 21 Nr. 2 EuGVVO abzuschließen. Die Vorschrift wird daher in der Literatur als „wirklich-keitsfern“ bezeichnet.128

[88] Nach allgemeiner Ansicht gilt die Günstigkeitsvorschrift des Art. 21 Nr. 2 EuGVVO nur für Aktivprozesse des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann sich daher nicht auf eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 21 Nr. 2 EuGVVO berufen, um zu be-haupten, das vom Arbeitgeber nach Art. 20 Abs. 1 EuGVVO (dazu unten B III 1, Rn. [91] ff.) angerufene Gericht sei unzuständig.129

[89] Nach verbreiteter Ansicht ist es nicht möglich, eine „globale“ vorbeugende Ge-richtsstandsvereinbarung auf den zulässigen Gehalt des Art. 21 Nr. 2 EuGVVO zu re-duzieren (bloße Teilunwirksamkeit). Denn eine solche geltungserhaltende Reduktion läuft in der Regel dem Willen des Arbeitgebers zuwider: Der Arbeitgeber möchte durch Abschluß einer Gerichtsstandsvereinbarung alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsver-hältnis bei einem Gericht konzentrieren (Konzentrationswirkung); bei einer geltungs-

125 Anderer Ansicht: Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 21

EuGVVO Rn. 3. 126 Anderer Ansicht: Knöfel, ZfA 2006, 397, 431; Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO

Rn. 4 (aus unterschiedlichen Gründen). 127 Däubler, NZA 2003, 1297, 1301; Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 5. 128 Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 5. 129 Däubler, NZA 2003, 1297, 1301; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Art. 21 EuGVVO Rn. 2; Junker,

FS Schlosser (2005), S. 299, 318; Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 5a.

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46 B. Internationale Zuständigkeit erhaltenden Reduktion würde er genau das Gegenteil erreichen, nämlich die Schaffung eines zusätzlichen Gerichtsstandes des Arbeitnehmers.130

Beispiel: Ein vor Inkrafttreten der EuGVVO (1.3.2002) geschlossener Arbeitsver-trag enthält die folgende Klausel: „Der Vertrag unterliegt dem deutschen Recht. Als Gerichtsstand wird für beide Parteien München vereinbart.“ Der im Ausland eingesetzte Arbeitnehmer hat inzwischen seinen gewöhnlichen Arbeitsort und sei-nen Wohnsitz in Nancy (Frankreich). Der Arbeitgeber fragt, welche Wirkung die Gerichtsstandsklausel hat. – Die Wirkungen einer Gerichtsstandsabrede (Prorogation, Derogation) beurteilen sich nicht nach dem Zeitpunkt des Vertrags-schlusses, sondern nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung.131 Anzuwenden ist daher Art. 21 EuGVVO, der – weil bei Abschluß der Gerichtsstandsklausel noch keine Streitigkeit entstanden war (Art. 21 Nr. 1 EuGVVO) – eine Gerichts-standsabrede nur mit den Wirkungen des Art. 21 Nr. 2 EuGVVO gestattet. Eine „globale“ Gerichtsstandsklausel ist danach unwirksam (vgl. Art. 23 Abs. 5 EuGV-VO). Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf den nach Art. 21 Nr. 2 EuGVVO zulässigen Inhalt – Schaffung eines zusätzlichen Gerichtsstandes – scheidet aus: Der Wortlaut der Klausel („für beide Parteien“) zeigt, daß die Par-teien eine Konzentration auf einen Gerichtsstand erreichen wollten.

Empfehlung: Bei Neuabschluß eines Arbeitsvertrages ist die Aufnahme einer Gerichtsstandsvereinbarung nur zu empfehlen, wenn der Arbeitgeber einseitig dem Arbeitnehmer einen zusätzlichen, optionalen Gerichtsstand verschaffen will, wozu in der Regel kein Anlaß bestehen dürfte. In Altverträgen enthaltene Ge-richtsstandsvereinbarungen haben keine rechtliche Wirkung (Art. 23 Abs. 5 EuGVVO). Sie müssen daher nicht explizit aufgehoben werden.

III. Gerichtsstand für Klagen des Arbeitgebers

[90] Die augenfälligste Neuerung der EuGVVO im Vergleich zur früheren Rechtslage ist die Differenzierung nach Parteirollen: Die Regeln über die internationale Zuständig-keit für Klagen des Arbeitgebers und für Klagen gegen den Arbeitgeber sind streng ge-trennt.132 Art. 20 EuGVVO regelt abschließend die internationale Zuständigkeit für Klagen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer (sog. „Arbeitnehmergerichts-stand“133 [!]).

1. Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers

[91] Nach Art. 20 Abs. 1 EuGVVO kann die Klage des Arbeitgebers „nur vor den Ge-richten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer

130 Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 318; Rauscher/Mankowski, Art. 21 Brüssel I-VO Rn. 5b.

Anderer Ansicht Geimer, in: Geimer/Schütze, Art. 21 EuGVVO Rn. 3. 131 Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 23 EuGVVO Rn. 11. 132 Siehe dazu Däubler, NZA 2003, 1297, 1299, 1301; Junker, RIW 2002, 569, 574 f.; Thüsing,

NZA 2003, 1303, 1310. 133 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Art. 20 EuGVVO Rn. 1.

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B. Internationale Zuständigkeit 47

seinen Wohnsitz hat.“ Diese Vorschrift normiert nicht etwa einen zusätzlichen Gerichts-stand im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers, sondern vielmehr – für Klagen des Arbeitge-bers – einen ausschließlichen Gerichtsstand in diesem Staat.134

Durchblick: „Ausschließlicher Gerichtsstand“ meint in diesem Zusammenhang, daß die allgemeine Zuständigkeitsnorm des Art. 2 EuGVVO und die besonderen Zuständigkeiten der Art. 5, 6 EuGVVO – soweit nicht in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO ausdrücklich vorbehalten – ausgeschlossen sind („Verdrängungswirkung“). Das ist ein weiter, untechnischer Begriff des ausschließlichen Gerichtsstandes. Im herkömmlichen, technischen Sinne bedeutet „ausschließlicher Gerichtsstand“, daß die Zuständigkeit des Gerichts gänzlich der Parteivereinbarung entzogen ist und auch bei Widerklage keine anderen Zuständigkeiten zum Zuge kommen.135 In diesem engeren Sinne begründen die Zuständigkeiten der Art. 19, 20 EuGVVO keine ausschließlichen Gerichtsstände (vgl. für die Prorogation Art. 21 EuGVVO und für die Widerklage Art. 20 Abs. 2 EuGVVO).

[92] Die Gerichtsstände für Klagen des Arbeitgebers und Klagen des Arbeitneh-mers laufen bewußt auseinander. Die Gerichtsstände am gewöhnlichen Arbeitsort bzw. am Ort der einstellenden Niederlassung (Art. 19 EuGVVO) stehen dem Arbeitnehmer zwar für eigene Klagen zur Verfügung. Ihm wird aber nicht zugemutet, sich am gewöhn-lichen Arbeitsort oder am Ort der einstellenden Niederlassung gegen eine Klage des Ar-beitgebers verteidigen zu müssen. Der Arbeitgeber kann vielmehr nur im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers klagen. Darin liegt eine bewußte Begünstigung des Arbeitnehmers.136

Durchblick: Die Entwicklung zu einem ausschließlichen Aktivgerichtsstand des Arbeitgebers im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers hat sich in drei Etappen vollzo-gen. Das Luganer Übereinkommen von 1988137 (dazu oben B I 1 a, Rn. [61]) differenziert noch nicht nach Arbeitnehmer- und Arbeitgebergerichtsstand. Dem Arbeitgeber steht – ebenso wie dem Arbeitnehmer – sowohl der Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes als auch der Gerichtsstand der einstellenden Nie-derlassung zur Verfügung (Art. 5 Nr. 1 LugÜ). Das 3. Beitrittsübereinkommen zum EuGVÜ von 1989138 (vgl. oben B I, Rn. [58]) eröffnet dem Arbeitgeber da-gegen nur den Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes, nicht aber den Ge-richtsstand der einstellenden Niederlassung (Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ 1989). Die Brüs-sel I-Verordnung (EuGVVO) schließlich stellt für den Arbeitgeber weder den Ge-richtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes noch den Gerichtsstand der einstellen-

134 Mankowski, IPRax 2003, 21, 27; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 20 EuGVVO

Rn. 1; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozeßrecht, § 3 Rn. 128. 135 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, vor § 1 ZPO Rn. 9. 136 Rauscher/Mankowski, Art. 20 Brüssel I-VO Rn. 2. Kritisch Behr, Gedächtnisschrift Blomeyer

(2004), S. 15, 26; Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 316-317. 137 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtli-

cher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988, BGBl. 1994 II, S. 2660. 138 Drittes Beitrittsübereinkommen (Spanien und Portugal) zum EuGVÜ vom 26.5. 1989, BGBl.

1994 II, S. 519.

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48 B. Internationale Zuständigkeit

den Niederlassung bereit, sondern nur noch einen Gerichtsstand im Wohnsitz-staat des Arbeitnehmers (Art. 20 Abs. 1 EuGVVO).

[93] In der Praxis wirkt sich diese Regelung vor allem bei Grenzgängern aus, bei denen der gewöhnliche Arbeitsort und der Wohnsitz auseinanderfallen (zu weiteren An-wendungsfällen unten B III 1 b, c, Rn. [95], [96]). Rechtspolitisch ist sie insofern be-denklich, als sie den ursprünglich intendierten Gleichlauf von internationaler Zuständig-keit und anwendbarem Recht139 stört: Das Gericht im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers muß das Arbeitsrecht des gewöhnlichen Arbeitsortes anwenden, das ihm naturgemäß fremd ist.140 Für die Regelung läßt sich vorbringen, daß eine Zwangsvollstreckung je-denfalls bei Geldansprüchen des Arbeitgebers in der Regel ohnehin im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers stattfinden muß, so daß eine Klage in diesem Staat dem Arbeitgeber ein Verfahren auf Vollstreckbarerklärung der Entscheidung erspart.141 Die Regelung ist inso-fern nicht ausschließlich arbeitnehmerschützend.

a) Bestimmung des Wohnsitzes

[94] Der Wohnsitz i.S. der EuGVVO wird nicht im Wege einheitlicher europäischer Be-stimmung festgelegt, sondern durch Verweisung auf nationales Recht (kollisionsrecht-liche Wohnsitzbestimmung).142 Art. 59 EuGVVO unterscheidet – aus der Sicht der deutschen Gerichte – zwei Fälle: Ist zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer in Deutschland seinen Wohnsitz hat, so wird der Wohnsitz nach deutschem Recht (§ 7 BGB) bestimmt (Art. 59 Abs. 1 EuGVVO). Wohnt der Arbeitnehmer nach deutschem Wohnsitzrecht (§ 7 BGB) nicht in Deutschland, so ist die Frage, ob der Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, nach dem Recht dieses Mitgliedstaates zu prüfen (Art. 59 Abs. 2 EuGVVO). Ob der Arbeitnehmer z.B. in Frankreich wohnt, beurteilt sich demnach auch aus der Sicht eines deutschen Gerichts nach französischem Recht (Art. 102 ff. Code ci-vil).

Durchblick: Die Feststellung, ob der Arbeitnehmer in einem Drittstaat wohnt,143 ist für die Anwendbarkeit der EuGVVO ohne Bedeutung. Vielmehr genügt die Feststellung gemäß Art. 59 EuGVVO, daß der Beklagte in keinem Mitgliedstaat i.S. des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO wohnt. Dann steht fest, daß die EuGVVO – vorbe-haltlich des Art. 18 Abs. 2 EuGVVO (dazu oben B I 1 b, Rn. [62], [63]) – nicht anwendbar ist.144

139 EuGH vom 26.5.1982 – Rs. 133/81 – Slg. 1982, 1891, 1900 Rn. 13 = RIW 1982, 809 – Ive-

nel/Schwab. 140 Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 317. 141 Rauscher/Mankowski, Art. 20 Brüssel I-VO Rn. 2. 142 Kritisch Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 59 EuGVVO Rn. 3; Geimer, in: Gei-

mer/Schütze, Art. 59 EuGVVO Rn. 1. 143 „Drittstaat“ ist jeder Staat, der kein Mitgliedstaat i.S. des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO ist. 144 Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 59 EuGVVO Rn. 19.

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B. Internationale Zuständigkeit 49

b) Örtliche Zuständigkeit

[95] Art. 20 Abs. 1 EuGVVO etabliert den Aktivgerichtsstand des Arbeitgebers im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers, bestimmt also nur die internationale Zustän-digkeit der Gerichte eines Staates. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem nationalen Prozeßrecht des Wohnsitzstaates.

Beispiel: Der Außendienstmitarbeiter eines deutschen Unternehmens, der als angestellter Handelsvertreter das Vertriebsgebiet Belgien, Niederlande und Lu-xemburg bereist, hat sein Büro und seinen Wohnsitz im niederländischen Maa-stricht. – Für Klagen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer sind nach Art. 20 Abs. 1 EuGVVO die niederländischen Gerichte international zuständig. Örtlich zu-ständig ist nach Art. 126 Abs. 1 der niederländischen Zivilprozeßordnung (Wet-boek van Burgerlijke Rechtsvordering) das Gericht am Wohnsitz des Beklagten, also das Arondissementsgericht (rechtbank) Maastricht.

c) Maßgebender Zeitpunkt

[96] Maßgebend ist der Wohnsitz des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Klageerhe-bung des Arbeitgebers. Der Wohnsitzgerichtsstand des Arbeitnehmers spielt daher in der Praxis nicht nur eine Rolle, wenn während der aktiven Zeit der gewöhnliche Arbeits-ort und der Wohnsitz auseinanderfallen, sondern auch, wenn der Arbeitnehmer nach Be-endigung des Arbeitsvertrages seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt. Dann muß der Arbeitgeber, der noch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis hat (z.B. Rückgewähr von Gegenständen, Rückzahlung von Vorschüssen), dem Arbeitnehmer an seinen selbst ge-wählten Wohnsitz „hinterherlaufen“.145

Beispiel: Nachdem ein leitender Angestellter mit Vollendung des 62. Lebensjahres planmäßig in den Ruhestand eingetreten ist und seinen Wohn-sitz von München auf die Insel Mallorca (Spanien) verlegt hat, stellt sich heraus, daß der Angestellte in erheblichem Umfang an Veruntreuungen mitgewirkt hat. – Da es nach Art. 20 Abs. 1 EuGVVO auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers im Zeit-punkt der Klageerhebung ankommt, sind Ansprüche des Arbeitgebers wegen Ver-tragsverletzung vor dem örtlich zuständigen spanischen Gericht geltend zu ma-chen.

Durchblick: Besonders problematisch ist die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 20 Abs. 1 EuGVVO für die Mitgliedstaaten, in denen der Arbeitgeber, der ein Arbeits-verhältnis beenden will, einen Auflösungsantrag an das Gericht stellen muß. Das ist zum Beispiel in den Niederlanden der Fall: Während in Deutschland der Ar-beitnehmer gegen die schriftlich erklärte Kündigung des Arbeitgebers eine Kün-digungsschutzklage einreichen muß, hat nach niederländischem Recht der Ar-beitgeber einen gerichtlichen Auflösungsantrag zu stellen. Hier besteht die Be-fürchtung, daß das Gericht eines ausländischen Wohnsitzstaates des Arbeitneh-

145 Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 316; Rauscher/Mankowski, Art. 20 Brüssel I-VO Rn. 2.

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50 B. Internationale Zuständigkeit

mers mit einem solchen Auflösungsantrag nichts anzufangen weiß. Eine Initiative des Königreichs der Niederlande, Art. 20 EuGVVO zu ändern,146 ist im Europäi-schen Parlament gescheitert.147

2. Ausnahmevorschrift für Widerklagen

[97] Nach Art. 20 Abs. 2 EuGVVO kann der Arbeitgeber eine Widerklage vor dem Gericht erheben, bei dem nach den Zuständigkeitsvorschriften der Art. 18, 19 EuGVVO eine Klage gegen ihn anhängig ist: „Hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bereits ver-klagt, so darf dieser in dem vom Arbeitnehmer gewählten Forum den Gegenschlag der Widerklage führen.“148 Diese Regelung dient der Prozeßökonomie; der Arbeitnehmer-schutz steht nicht entgegen, da der Arbeitnehmer durch seine Klage das Forum bereits ausgewählt hat.

3. Konkurrierende deliktische Ansprüche

[98] Bei Ansprüchen des Arbeitgebers wegen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers (insbesondere aus Arbeitnehmerhaftung) konkurrieren in der Regel vertragliche und de-liktische Ansprüche. Deliktische Ansprüche werden, wie dargestellt (oben B I 3 a, Rn. [73]), nicht in die Spezialregelung der Art. 18, 20 EuGVVO einbezogen. Ansprüche gegen den Arbeitnehmer aus unerlaubter Handlung kann der Arbeitgeber vor dem Ge-richt des Deliktsortes anhängig machen (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO), der oft mit dem Ar-beitsort zusammenfallen wird.

Durchblick: Der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) meint nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl den Handlungs-ort als auch den Erfolgsort des Delikts.149 Hat der im Ausland eingesetzte Arbeit-nehmer an seinem dortigen Arbeitsort Gelder der deutschen Muttergesellschaft unterschlagen, so kann der Arbeitgeber aus unerlaubter Handlung sowohl am ausländischen Arbeitsort (Handlungsort) als auch am deutschen Erfolgsort klagen (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO).

146 In Art. 20 EuGVVO sollte folgender Abs. 1a eingefügt werden: „Die Klage des Arbeitgebers

auf Auflösung eines Arbeitsvertrags kann ferner vor dem Gericht des Ortes, an dem der Ar-beitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, oder, wenn er seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, vor dem Gericht des Ortes erhoben werden, an dem sich die Niederlassung befindet, die ihn eingestellt hat.“

147 Ausführlich dazu Rauscher/Mankowski, Art. 20 Brüssel I-VO Rn. 2a-2c. Siehe ferner Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 317; Thüsing, NZA 2003, 1303, 1310.

148 Rauscher/Mankowski, Art. 20 Brüssel I-VO Rn. 3. 149 EuGH vom 30.11.1976 – Rs. 21/76 – Slg. 1976, 1735 = NJW 1977, 493 = RIW 1977, 356 m.

Anm. Linke – Bier/Mines de Potasse d’Alsace; EuGH vom 5.2.2004 – Rs. C-18/02 – Slg. 2004, I-1417 Rn. 27 = RIW 2004, 543 – DFDS/Torline.

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B. Internationale Zuständigkeit 51

IV. Gerichtsstände für Klagen des Arbeitnehmers

[99] Im Zuge der Differenzierung nach Parteirollen (dazu oben B III, Rn. [90]) re-gelt Art. 19 EuGVVO die internationale Zuständigkeit für Klagen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (sog. „Arbeitgebergerichtsstand“150 [!]). Die Zuständigkeiten des Art. 19 EuGVVO sind – anders als diejenigen des Art. 20 EuGVVO – nicht abschlie-ßend: Vorbehalten ist der Gerichtsstand der Niederlassung des Arbeitgebers gemäß Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO (dazu unten B V, Rn. [105]).

1. Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Arbeitgebers

[100] Nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO kann ein Arbeitgeber vor den Gerichten des Mit-gliedstaats verklagt werden, in welchem er seinen Wohnsitz hat. Die Eröffnung eines Ge-richtsstandes am Wohnsitz des Beklagten stimmt sachlich mit der allgemeinen Regelung des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO überein, die im Wege der Spezialität durch Art. 19 Nr. 1 EuGVVO verdrängt wird.151 Das Gegenstück für Klagen des Arbeitgebers ist Art. 20 Abs. 1 EuGVVO, der einen Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers eröffnet und insoweit ebenfalls der allgemeinen Regel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO entspricht. Ist der Arbeitgeber – wie meistens – keine natürliche Person, sondern eine Personenge-sellschaft oder juristische Person, tritt an die Stelle des Wohnsitzes alternativ der satzungsmäßige Sitz, der Ort der Hauptverwaltung oder der Ort der Hauptniederlassung (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO).

Durchblick: Wie Art. 20 Abs. 1 EuGVVO (dazu oben B III 1 b, Rn. [95]) be-stimmt auch Art. 19 Nr. 1 EuGVVO nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzstaates. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem nationalen Prozeßrecht dieses Staates.152

Beispiel: Ein Außendienstmitarbeiter, der sein Büro an seinem Wohnsitz im nie-derländischen Maastricht hat und von dort das Vertriebsgebiet Belgien, Nieder-lande und Luxemburg bereist, ist bei einem deutschen Spielwarenhersteller mit satzungsmäßigem Sitz und Hauptverwaltung in Nürnberg angestellt. Das Nürn-berger Unternehmen unterhält keine Niederlassung in den Benelux-Staaten; der Außendienstmitarbeiter wurde von der Nürnberger Hauptverwaltung eingestellt. – Für Klagen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber sind nach Art. 19 Nr. 1 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EuGVVO die deutschen Gerichte international zuständig. Örtlich zuständig ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO das ArbG Nürnberg. Alternativ kann der Arbeitnehmer seine Klage beim Arondis-sementsgericht (rechtbank) Maastricht einreichen, wenn nach Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO sein Büro in Maastricht als gewöhnlicher Arbeitsort angesehen werden kann (dazu sogleich B IV 2, Rn. [102]). Ist bei wertender Betrachtung kein ge-

150 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Art. 19 EuGVVO Rn. 1. 151 Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 19 EuGVVO Rn. 3. 152 Junker, NZA 2005, 199, 202; Rauscher/Mankowski, Art. 19 Brüssel I-VO Rn. 2.

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52 B. Internationale Zuständigkeit

wöhnlicher Arbeitsort in Maastricht anzunehmen, so führt die Zuständigkeitsan-knüpfung des Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGVVO (einstellende Niederlassung) ins Lee-re, da die einstellende Niederlassung nicht „in einem anderen Mitgliedstaat“ als dem Sitzstaat des Arbeitgebers liegt (vgl. die Eingangsformel in Art. 19 Nr. 2 EuGVVO).153

2. Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes

[101] Für die Klage des Arbeitnehmers ist der Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Ar-beitgebers (Art. 19 Nr. 1 EuGVVO) nicht abschließend: Nach Wahl des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden (a) vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zu-letzt verrichtet hat, oder (b) wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung befindet bzw. befand, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (Art. 19 Nr. 2 EuGVVO).

Durchblick: (1) Ebenso wie die beiden kollisionsrechtlichen Anknüpfungen des Art. 30 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EGBGB (dazu oben A IV, Rn. [29]) stehen auch die beiden Zuständigkeitsanknüpfungen des Art. 19 Nr. 2 lit. a und b EuGVVO zuein-ander im Verhältnis der Alternativität: Es kann jeweils nur eine der beiden An-knüpfungen erfüllt sein. Das Abgrenzungskriterium lautet, ob der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich „in ein und demselben Staat“) oder „nicht in ein und demselben Staat“ verrichtet. Nach den Gesetzen der Logik gibt es keinen Fall, der sich nicht unter eine der beiden Alternativen subsumieren läßt.154 – (2) Die Paral-lelität der kollisionsrechtlichen und der Zuständigkeitsanknüpfung dient dem Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Daher wurde bereits oben (A IV 1 a, Rn. [32]) der Begriff des gewöhnlichen Arbeitsortes i.S. des Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB im Licht der EuGH-Rechtsprechung zum Eu-ropäischen Zivilprozeßrecht ausgelegt. – (3) Beim Wortlautvergleich von Art. 19 Nr. 2 EuGVVO und Art. 30 Abs. 2 EGBGB ergeben sich zwei Unterschiede: Zum einen fehlt in Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO der Hinweis, daß eine vorübergehende Entsendung in einen anderen Staat unschädlich ist. Daraus ergibt sich jedoch kein sachlicher Unterschied, da der EuGH155 und die Literatur156 den Entsen-dungsgedanken korrigierend in den Wortlaut der Vorschrift hineinlesen. Zum an-

153 Grundlegend Rauscher/Mankowski, Art. 19 Brüssel I-VO Rn. 3a; Mankowski, RIW 2004, 133,

141, der zurecht darauf hinweist, daß die Nichtanwendbarkeit der Nr. 2 des Art. 19 EuGVVO praktische Bedeutung nur für die örtliche, nicht aber für die internationale Zuständigkeit hat.

154 Rauscher/Mankowski, Art. 19 Brüssel I-VO Rn. 3; Mankowski, IPRax 1999, 332, 334. 155 EuGH vom 13.7.1993 – Rs. C-125/92 – Slg. 1993 I, 4075, 4105 f. Rn. 25 = IPRax 1997, 110

m. Aufs. Holl (88) – Mulox/Geels; EuGH vom 9.1.1997 – Rs. C-383/95 – Slg. 1997 I, 57, 76 Rn. 18 = NZA 1997, 225 = IPRax 1999, 365 m. Aufs. Mankowski (332) – Rutten/Cross Medi-cal.

156 Siehe nur Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 19 EuGVVO Rn. 6; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 19 EuGVVO Rn. 7; Rau-scher/Mankowski, Art. 19 Brüssel I-VO Rn. 7; Däubler, NZA 2003, 1297, 1299; Junker, ZZPInt 3 (1998), 179, 194 f.; ders., FS Schlosser (2005), S. 299, 311-312.

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B. Internationale Zuständigkeit 53

deren fehlt in Art. 19 Nr. 2 EuGVVO die am Ende des Art. 30 Abs. 2 EGBGB ste-hende Ausweichklausel („… es sei denn, daß sich aus der Gesamtheit der Um-stände ergibt, daß der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist“). Dabei handelt es sich um eine planmäßige Regelungslücke, denn eine solche Ausweichklausel wäre mit der notwendigen Rechtssicherheit im Internationalen Zivilverfahrensrecht unvereinbar.

[102] Für den Begriff des gewöhnlichen Arbeitsortes kann auf die Ausführungen zum Internationalen Privatrecht verwiesen werden, da Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB be-reits im Licht der EuGH-Rechtsprechung zu der Vorgängernorm des Art. 19 EuGVVO in-terpretiert wurde (oben A IV 1, Rn. [30]-[35]). Der Gerichtshof stellt primär auf die Eingliederung des Arbeitnehmers in einen Betrieb ab,157 hilfsweise auf den tat-sächlichen Mittelpunkt der Berufstätigkeit, „an dem oder von dem aus der Arbeit-nehmer den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tat-sächlich erfüllt.“158 Ein entsandter Arbeitnehmer bleibt regelmäßig in seinen heimi-schen Stammbetrieb eingegliedert; wenn der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen grenz-überschreitend an ständig wechselnden Arbeitsorten erfüllt, stellt der Gerichtshof im Wege der Schwerpunktbetrachtung auf die Ausgangsbasis („base“) des Arbeitnehmers ab (insbesondere das Büro, „von dem aus“ er seine Reisetätigkeit aufnimmt). Diese Schwerpunktbetrachtung hat zur Konsequenz, daß der Gerichtsstand der einstellenden Niederlassung gemäß Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGVVO in der Rechtsprechung des EuGH toter Buchstabe geblieben ist.

Durchblick: Nach seinem Sinn und Zweck beruht der Gerichtsstand des gewöhn-lichen Arbeitsortes nicht allein auf dem Gedanken des Arbeitnehmerschutzes. Wollte man den Arbeitnehmer optimal schützen, müßte man ihm – wie dem Ver-braucher (Art. 16 Abs. 1 EuGVVO) – eine Klagemöglichkeit an seinem Wohnsitz eröffnen. Der EuGH hat wiederholt ausgeführt, daß für die Zuständigkeit am ge-wöhnlichen Arbeitsort zwei – im Prinzip gleichberechtigte – Anknüpfungsinteres-sen sprechen: der Schutz der schwächeren Vertragspartei und die besondere Sachnähe des angerufenen Gerichts.159 Für eine Klagemöglichkeit des Arbeitneh-mers im Staat seines Wohnsitzes mag zwar die Bequemlichkeit sprechen, aber die besondere Sachnähe des Gerichts am gewöhnlichen Arbeitsort kommt – da das Arbeitsrecht in erster Linie Arbeitnehmerschutzrecht ist – gerade auch dem Arbeitnehmer zugute.160

157 EuGH vom 15.2.1989 – Rs. 32/88 – Slg. 1989, 341, 362 Rn. 10 = RIW 1990, 139 – Société

Six Constructions/Humbert; EuGH vom 13.7.1993 – Rs. C 125/92 – Slg. 1993 I, 4075, 4104 Rn. 15 – Mulox/Geels.

158 EuGH vom 9.1.1997 – Rs. C-383/95 – Slg. 1997 I, 57, 77 Rn. 23 = RIW 1997, 231 – Rut-ten/Cross Medical; EuGH vom 27.2.2002 – Rs. C-37/00 – Slg. 2002 I, 2032, 2050 Rn. 58 = NJW 2002, 1535 – Weber/Universal Ogden Services.

159 EuGH vom 13.7.1993 – Rs. C-125/92 – Slg. 1993 I, 4075, 4104 Rn. 17, 18 = IPRax 1997, 110 – Mulox/Geels; EuGH vom 9.1. 1997 – Rs. C-383/95, Slg. 1997 I, 57, 75 f. Rn. 16, 17 = RIW 1997, 231 – Rutten/Cross Medical; EuGH vom 27.2.2002 – Rs. C-37/00 – Slg. 2002 I, 2032, 2044 f. Rn. 39, 40 = NJW 2002, 1635 – Weber/Universal Ogden Services.

160 Däubler, NZA 2003, 1297, 1299; Junker, FS Schlosser (2005), S. 299, 308-309.

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54 B. Internationale Zuständigkeit [103] Einer Arbeitnehmerentsendung in das Ausland liegen nicht selten zwei Ar-beitsverträge zugrunde: der fortbestehende, meist ruhend gestellte Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Arbeitgeber (Rumpfarbeitsverhältnis), und ein neu geschlossener Arbeitsvertrag mit einem aufnehmenden, lokalen Arbeitgeber, der häufig ein Tochterun-ternehmen oder eine Niederlassung des entsendenden Arbeitgebers ist (Lokalarbeits-verhältnis).161 Kollisionsrechtlich und zuständigkeitsrechtlich sind die beiden Arbeits-verhältnisse strikt zu trennen: Ein fortbestehendes Rumpfarbeitsverhältnis ergibt in der Regel nur einen Sinn, wenn eine Rückkehr des Arbeitnehmers in das Inland ange-strebt wird; es handelt sich damit um eine nur vorübergehende Entsendung, die keinen Wechsel des gewöhnlichen Arbeitsortes bewirkt. Das Lokalarbeitsverhältnis hat dage-gen in der Regel einen anderen gewöhnlichen Arbeitsort, weil unter diesem Arbeitsver-hältnis nur für die ausländische Tochtergesellschaft oder Niederlassung gearbeitet wer-den soll.162

Praxis: Der EuGH hat in einer viel kritisierten Entscheidung diese Tren-nung verwischt, indem er für die Gerichtsstandsfrage das Interesse des ersten Arbeitgebers an der Tätigkeit für den zweiten Arbeitgeber ermitteln will.163 Diese Entscheidung wird in der Literatur weithin als unpraktikabel abgelehnt,164 ist in sich widersprüchlich und kann der Praxis schwerlich Leitlinien geben.

Empfehlung: Bei einem Arbeitnehmereinsatz im Ausland sollte sorgfältig überlegt werden, ob ein zweites (Lokal-) Arbeitsverhältnis notwendig ist. Denn der Arbeitnehmer kann jedenfalls aus dem Lokalarbeitsverhältnis im Ausland klagen (gewöhnlicher Arbeitsort, Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO) und dort aus dem Lokalarbeitsverhältnis nach ausländischem Recht begründete Ansprüche geltend machen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist die Notwendig-keit eines Lokalarbeitsverhältnisses häufig nicht gegeben. Wenn – außer-halb der EU – Ausländer-, Steuer- oder Sozialversicherungsbehörden die Vorlage eines lokalen Vertrags verlangen, ist die Rechtmäßigkeit dieses Verlangens (nach dem ausländischen Recht) kritisch zu hinterfragen.

3. Gerichtsstand der einstellenden Niederlassung

[104] Nach Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGVVO ist der Gerichtsstand der einstellenden Nie-derlassung begründet, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat.165 Die zuständigkeitsrechtliche Anknüp-

161 Ausführlich Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 213-219; ders., ZIAS 4

(1995), 564, 576-579. 162 Mankowski, RIW 2004, 133, 138 f.; Rauscher/Mankowski, Art. 19 Brüssel I-VO Rn. 12. 163 EuGH vom 10.4.2003 – Rs. C-437/00 – Slg. 2003-I, 3573, 3603 f. Rn. 23-25 = RIW 2003, 619

= ZZP Int 8 (2003), 486 m. Anm. Junker = IPRax 2004, 336 m. Aufs. Krebber (309) – Puglie-se/Finmeccanica.

164 Junker, RIW 2006, 401, 407; Krebber, IPRax 2004, 309, 315; Leipold, Gedächtnisschrift Blo-meyer (2004), S. 143, 150 f.; Mankowski, RIW 2004, 133, 135-136.

165 Der Zusatz „oder verrichtet hat“ stellt – ebenso wie der Zusatz „oder zuletzt gewöhnlich ver-richtet hat“ in Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO – klar, daß bei Ansprüchen, die erst nach der Been-

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B. Internationale Zuständigkeit 55

fung an die einstellende Niederlassung findet ihre Entsprechung in der kollisionsrechtli-chen Anknüpfung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB, so daß hinsichtlich des Begriffs der Niederlassung und des Begriffs der Einstellung auf die Ausführungen zum In-ternationalen Privatrecht verwiesen werden kann (oben A IV 2, Rn. [36]-[38]). In der Praxis des Arbeitnehmereinsatzes im Ausland tendiert die Bedeutung der Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB, 19 Nr. 2 lit. c EuGVVO gegen Null, da der EuGH bisher stets an einen hauptsächlichen Tätigkeitsort (= gewöhnlichen Arbeitsort) anknüpfen konnte (dazu so-eben B IV 2, Rn. [102]).

Durchblick: Hinzuweisen ist auf die Drittstaatenproblematik des Art. 19 Nr. 2 EuGVVO. Unstreitig ist, daß sich der gewöhnliche Arbeitsort in einem Mitglied-staat i.S. des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO befinden muß, damit der Gerichtsstand des Art. 19 Nr. 2 lit. a EuGVVO zum Zuge kommen kann. Unstreitig ist weiter, daß sich die einstellende Niederlassung in einem Mitgliedstaat i.S. des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO befinden muß, damit Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGVVO anwendbar ist. Bei-des ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aufbauend auf diesen bei-den unstreitigen Prämissen meinen manche Autoren, bei der Anknüpfung an die einstellende Niederlassung müsse zumindest einer der mehreren Arbeitsorte im Geltungsbereich der EuGVVO liegen.166 Der Wortlaut (Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGVVO spricht nicht von „Mitgliedstaat,“ sondern von „Staat“) und das Ziel des Arbeit-nehmerschutzes sprechen jedoch dafür, Art. 19 Nr. 2 lit. b EuGVVO auch anzu-wenden, wenn die wechselnden Arbeitsorte sämtlich außerhalb der Mitgliedstaa-ten i.S. des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO liegen.167

V. Weitere Gerichtsstände der EuGVVO

[105] In Art. 18 Abs. 1 EuGVVO ist der Gerichtsstand der Niederlassung (Art. 5 Nr. 5 EuGVVO) ausdrücklich vorbehalten. Da der Arbeitnehmer definitionsgemäß kei-ne Niederlassung haben kann,168 besteht der Niederlassungsgerichtsstand nach Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO nur für Klagen gegen den Arbeitgeber. Bei dieser Niederlassung muß es sich nicht um die einstellende Niederlassung handeln. Notwendig und hinreichend ist, daß es sich bei der arbeitsrechtlichen Streitigkeit um eine Streitig-keit „aus dem Betrieb der Niederlassung handelt“ (Art. 5 Nr. 5 EuGVVO).

Beispiel: Eine Angestellte einer deutschen Bank (gewöhnlicher Arbeitsort: Frank-furt am Main) ist für einige Monate an die Londoner Niederlassung der Bank ab-

digung des Arbeitsverhältnisses entstehen, oder bei Klagen, die erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben werden, der letzte gewöhnliche Arbeitsort maßgebend ist: Däubler, NZA 2003, 1297, 1300; Junker, RIW 2002, 569, 574; Knöfel, ZfA 206, 397, 431; Leipold, Gedächtnisschrift Blomeyer (2004), S. 143, 160; Mankowski, IPRax 2003, 21, 27.

166 Däubler, NZA 2003, 1297, 1300. 167 Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 19 EuGVVO Rn. 11. 168 EuGH vom 22.11.1978 – Rs. 33/78 – Slg. 1978, 2183, 2193 = RIW 1979, 56 – Somafer/Saar-

Ferngas: Eine Niederlassung ist ein „Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so aus-gestattet ist, daß er Geschäfte mit Dritten betreiben kann.“

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56 B. Internationale Zuständigkeit

geordnet; ein Lokalarbeitsverhältnis oder eine andere vertragliche Beziehung der Arbeitnehmerin zu der Niederlassung besteht nicht. In London ist die Angestellte Mobbingattacken ihrer englischen Kollegen ausgesetzt. – Gerichtsstand für einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ist – neben Frankfurt am Main (Art. 19 Nr. 1 EuGVVO) – auch London, weil die Streitigkeit aus dem Betrieb der Niederlassung entstanden ist (Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 5 EuGV-VO). Die Angestellte hat die Wahl, ob sie in Frankfurt am Main oder in London Klage erhebt.

[106] Wie bereits dargestellt (oben B I 3 a, Rn. [73]), können Ansprüche aus uner-laubter Handlung nicht nur am allgemeinen Gerichtsstand im Wohnsitzstaat (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), sondern auch vor dem Gericht des Deliktsortes anhängig gemacht werden (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO). Das gilt nicht nur für Deliktsklagen des Arbeitgebers (dazu oben B III 3, Rn. [98]), sondern auch für Deliktsklagen des Arbeitnehmers.

In dem vorigen Beispiel (dazu Rn. [105]) kann die Arbeitnehmerin Schmerzens-geldansprüche aus unerlaubter Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO vor dem Gericht des Deliktsortes (London) geltend machen.

VI. Gerichtsstände außerhalb der EuGVVO

[107] Wie dargestellt (oben B I 1, Rn. [61]-[64]), ist nach Art. 2-4 EuGVVO der An-wendungsbereich der EuGVVO eröffnet, wenn der Beklagte – sei es der Arbeitgeber, sei es der Arbeitnehmer – seinen Wohnsitz (Art. 59, 60 EuGVVO) in einem Mitgliedstaat der EU hat (außer Dänemark). Ferner ist für Klagen gegen den Arbeitgeber der Anwen-dungsbereich eröffnet, wenn der Arbeitgeber zwar seinen Sitz in einem Drittstaat hat, aber eine Niederlassung in der EU (außer Dänemark) besitzt (Art. 18 Abs. 2 EuGVVO).169 Ist auch nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet, so bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus völ-kerrechtlichen Übereinkommen (Staatsverträgen), hilfsweise aus dem internen deut-schen Zivilprozeßrecht. Hier sollen nur die drei wichtigsten Fallgruppen erwähnt werden:

1. Brüsseler Übereinkommen (EuGVÜ)

[108] Hat der Beklagte seinen Wohnsitz in Dänemark, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte bis zum 30.6.2007 nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Übereinkommen (EuGVÜ). Am 19.10.2005 hat die EU mit Dänemark ein Abkommen geschlossen, das ab 1.7.2007 die EuGVVO auch auf Dänemark erstreckt, so daß auch insoweit das EuGVÜ durch die Verordnung abgelöst wird (dazu oben B I 1 a, Rn. [61]).

169 In diesem Fall ergibt sich die Zuständigkeit am Ort der Niederlassung nicht aus Art. 5 Nr. 5

EuGVVO, sondern aus Art. 19 Abs. 1 EuGVVO; die Niederlassung wird durch Art. 18 Abs. 2 EuGVVO als Wohnsitz in der EU fingiert: Rauscher/Mankowski, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 15c.

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B. Internationale Zuständigkeit 57

2. Luganer Übereinkommen (LugÜ)

[109] Hat der Beklagte seinen Wohnsitz in Island, Norwegen oder der Schweiz, gilt für die internationale Zuständigkeit der Gerichte das Luganer Übereinkommen (dazu oben B I 1, Rn. [61]). Beiden Parteien – dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer – steht nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ der Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes, alternativ der Gerichtsstand der einstellenden Niederlassung zur Verfügung.

3. Autonomes deutsches Prozeßrecht

[110] Hat der Beklagte seinen Wohnsitz in keinem dieser Staaten, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den deutschen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit: Die örtliche indiziert die internationale Zuständigkeit (Doppelfunktionalität der örtlichen Zuständigkeitsnormen).170 Maßgebend ist vor allem der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 29 ZPO), der in den meisten arbeitsvertraglichen Streitigkeiten zum gewöhnlichen Arbeitsort führt.

170 Einzelheiten bei Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 236.

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Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007 (zitiert: Palandt/Bearbeiter)

Pfeiffer, Das Internationale Privatrecht der Nichtdiskriminierung, FS Schwerdtner, 2003, S. 775

Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 2. Aufl. 2007

Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2006 (zitiert: Rau-scher/Bearbeiter)

Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht – Das internationale Privatrecht der Schuldverträge, 6. Aufl. 2004

Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. 2006

Schlachter, Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse, NZA 2000, 57

Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 28. Aufl. 2007

Thüsing, Rechtsfragen grenzüberschreitender Arbeitsverhältnisse, NZA 2003, 1303

Thüsing/Müller, Geklärtes und Ungeklärtes im Internationalen Tarifrecht, BB 2003, 1333

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62

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Sachregister 63

Sachregister

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

48

Anknüpfung 2

Antidiskriminierungsrecht 48

Arbeitgebergerichtsstand 99

Arbeitnehmerähnliche Person 76

Arbeitnehmer-Entsendegesetz 66-68

Arbeitnehmergerichtsstand 90

Arbeitnehmerhaftung 73, 98

Arbeitskampfrecht

- Internationales 8

Arbeitsort 39

- Gerichtsstand 100-103

- gewöhnlicher 27, 30-35, 40, 67,

101-103

- schlichter 31

Arbeitsstatut

- objektives 19, 20, 24, 26-40

- Grenzen 41-54

Arbeitsvertrag 16, 18, 32, 41

- Begriff 7, 71, 72-75

- Gerichtsstandsvereinbarung 85, 86

Arbeitszeitrecht 46

Aufhebungsvertrag 22

- Gerichtsstandsvereinbarung 85, 86

- Streitigkeit 77, 78

Auslandsberührung 8, 15, 17, 18

Ausstrahlung 54

Ausweichklausel 29, 37, 39, 40, 101

Base 33, 102

Betrieb

- Eingliederung 24, 31, 102

- Zugehörigkeit 41, 54

Betriebliche Altersversorgung 13, 14

Betriebsübergang 22, 47

Betriebsvereinbarung 8, 71

Betriebsverfassung 42

Betriebsverfassungsgesetz

- Persönlicher Anwendungsbereich 54

- Räumlicher Anwendungsbereich 53

Betriebsverfassungsrecht 52-54

- Internationales 8, 52-54

Brüssel I-Verordnung 58, 92

Brüsseler Übereinkommen 58, 92, 108

Derogation 80, 87

Doppelfunktionalität 110

Drittstaatenproblematik 104

Eingriffsnormen 25, 42-51

- ausländische 49-51

- Begriff 44-48

- deutsche 43-48

Einstellung

- Begriff 38, 104

Entgeltfortzahlung 46

Entsenderichtlinie 65-68

Entsendung 66, 103

- vorübergehende 31, 34, 35, 54, 101,

103

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64 Sachregister

Europäische Gerichtsstands- und Voll-

streckungs-Verordnung 57

- Räumlicher Anwendungsbereich 61-

64

- Sachlicher Anwendungsbereich 69-78

- Vorrang anderer EG-Rechtsakte 65-

69

Europäisches Gerichtsstands- und Voll-

streckungsübereinkommen 58, 61,

92

Europäisches (Schuld-) Vertragsüber-

einkommen 4, 50, 51, 55

- einheitliche Auslegung 5

Flugbegleiterin 38, 40, 47, 64

Formulararbeitsvertrag 8, 71

Forum Shopping 6

Gerichtsstand 50, 51

- ausschließlicher 67, 91

- der Niederlassung 102, 104, 105

- des Erfüllungsortes 61, 110

- im Wohnsitzstaat 91-96, 100

- konkurrierender 67

Gerichtsstandsvereinbarung 9, 18, 79-

89

- nachträgliche 83, 84

- vorbeugende 87-89

Gewerbeaufsicht 46

Gleichlauf 101

Gruppenarbeit 8, 71

Günstigkeitsprinzip

- kollisionsrechtliches 19

- prozessuales 87

Günstigkeitsvergleich 3, 19-24, 44

- Durchführung 23

Heimwärtsstreben 11, 15

Inlandssachverhalt 17

Intern zwingende Bestimmungen (sie-

he Zwingende Bestimmungen)

International zwingende Bestimmun-

gen (siehe Eingriffsnormen)

Internationale Zuständigkeit 56-110

- Begriff 56

Internationales Privatrecht 1

- Begriff 2

Internationales Zivilverfahrensrecht 60

Kündigung 41, 46, 47

Kündigungsfrist 23

Kündigungsschutz

- Allgemeiner 22, 25, 47

- Besonderer 25

Kündigungsschutzgesetz

- Räumlicher Geltungsbereich 41

- Schwellenwerte 41

Kündigungsschutzklage 72

Kündigungsschutzrecht 14

Kündigungstermin 23

Lex fori 16

Lokalarbeitsverhältnis 103

Luganer Übereinkommen 61, 92 109

Muttergesellschaft 18, 24

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Sachregister 65

Niederlassung 67

- einstellende 28, 36-38, 40, 104,

105

- Begriff 38, 104, 105

Örtliche Zuständigkeit 56, 95, 100

Parteiautonomie 9, 15

Parteiwille

- hypothetischer 9

Perpetuatio fori 75

Prorogation 80, 87

Qualifikation 22

Rechtswahl 3, 6, 9-25, 39

- ausdrückliche 10

- Form 10, 11

- Grenzen 16-25

- im Prozeß 15

- kollisionsrechtliche Wirkung 9, 18

- materiellrechtliche Wirkung 18

- nachträgliche 15

- partielle 12-14

- stillschweigende 9, 15

- Teilbarkeit 12-14

- Wandelbarkeit 15

- Wirksamkeit 16

- Zeitpunkt 15

- Zustandekommen 16

Rom I-Verordnung 33, 55

Römisches Übereinkommen 4, 55

Rückkehrwille 20

Rumpfarbeitsverhältnis 103

Sonderanknüpfung 25, 42, 44, 47

Sozialversicherungsrecht 46, 54

Staatsangehörigkeit 37, 39, 53

Tarifvertrag 8, 11, 22, 66, 68, 71

- Bezugnahme 11

Tarifvertragsrecht

- Internationales 8

Teilrechtswahl 12-14

Territorialitätsprinzip 53

Tochtergesellschaft 54

Urlaubsanspruch 47

Urlaubsgeld 47

Verdrängungswirkung 91

Vertragssprache 37, 39

Währung 39

Widerklage 91, 97

Wohnsitz 33, 37, 39, 91-96

- Bestimmung 94

Zwingende Bestimmungen 17-24, 44,

45

- Begriff 21, 22

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66

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Anhang 67

Anhang

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Auszug)

Art. 27. Freie Rechtswahl. (1) Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muß ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Par-teien können die Rechtswahl für den ganzen Vertrag oder nur für einen Teil treffen.

(2) Die Parteien können jederzeit vereinbaren, daß der Vertrag einem anderen Recht un-terliegen soll als dem, das zuvor aufgrund einer früheren Rechtswahl oder aufgrund an-derer Vorschriften dieses Unterabschnitts für ihn maßgebend war. Die Formgültigkeit des Vertrages nach Art. 11 und Rechte Dritter werden durch eine Änderung der Bestimmung des anzuwendenden Rechts nach Vertragsabschluß nicht berührt.

(3) Ist der sonstige Sachverhalt im Zeitpunkt der Rechtswahl nur mit einem Staat ver-bunden, so kann die Wahl des Rechts eines anderen Staates – auch wenn sie durch die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Staates ergänzt ist – die Bestimmungen nicht berühren, von denen nach dem Recht jenes Staates durch Vertrag nicht abgewichen werden kann (zwingende Bestimmungen).

(4) Auf das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das anzuwendende Recht sind die Artikel 11, 12, 29 Abs. 3 und Artikel 31 anzuwenden. Art. 30. Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen. (1) Bei Ar-beitsverträgen und Arbeitsverhältnissen darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu füh-ren, daß dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Absatz 2 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre.

(2) Mangels einer Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse dem Recht des Staates,

1. in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, oder

2. in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat ver-richtet,

es sei denn, daß sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Art. 31. Einigung und materielle Wirksamkeit. (1) Das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrages oder einer seiner Bestimmungen beurteilen sich nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. …

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68 Anhang

Art. 32. Geltungsbereich des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts. (1) Das nach den Artikeln 27 bis 30 … auf einen Vertrag anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für

1. seine Auslegung,

2. die Erfüllung der durch ihn begründeten Verpflichtungen,

3. die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung dieser Verpflich-tungen einschließlich der Schadensbemessung, soweit sie nach Rechtsvor-schriften erfolgt, innerhalb der durch das deutsche Verfahrensrecht gezoge-nen Grenzen,

4. die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen sowie die Verjäh-rung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben,

5. die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages.

(2) In bezug auf die Art und Weise der Erfüllung und die vom Gläubiger im Fall mangel-hafter Erfüllung zu treffenden Maßnahmen ist das Recht des Staates, in dem die Erfül-lung erfolgt, zu berücksichtigen.

Art. 34. Zwingende Vorschriften. Dieser Unterabschnitt berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen des deutschen Rechts, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln.

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Anhang 69

Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung (Auszug)

Art. 1 [Sachlicher Anwendungsbereich]

(1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne daß es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. …

(3) In dieser Verordnung bedeutet der Begriff „Mitgliedstaat“ jeden Mitgliedstaat mit Ausnahme des Königreichs Dänemark.

Art. 2 [Allgemeiner Gerichtsstand]

(1) Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörig-keit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. …

Art. 3 [Vorrang der Verordnung]

(1) Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß der Vorschriften der Ab-schnitte 2 bis 7 [Artikel 5 bis 24] dieses Kapitels verklagt werden. …

Art. 4 [Verweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten]

(1) Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich der Artikel 22 und 23 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mit-gliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen. …

Art. 18 [Arbeitsverträge]

(1) Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Ar-beitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbe-schadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.

(2) Hat der Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Nieder-lassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte.

Art. 19 [Arbeitgebergerichtsstand]

Ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:

1. vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, oder

2. in einem anderen Mitgliedstaat

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70 Anhang

a) vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Ar-beit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, oder

b) wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand.

Art. 20 [Arbeitnehmergerichtsstand]

(1) Die Klage des Arbeitgebers kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.

(2) Die Vorschriften dieses Abschnitts lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäß den Bestimmungen dieses Ab-schnitts anhängig ist.

Art. 21 [Gerichtsstandsvereinbarung]

Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden,

1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird oder

2. wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen.