ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision...

40
DE DE EUROPÄISCHE KOMMISSION Brüssel, den 19.6.2019 SWD(2019) 283 final ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU-Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis 2030 Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“

Transcript of ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision...

Page 1: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

DE DE

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Brüssel, den 19.6.2019

SWD(2019) 283 final

ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN

EU-Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis 2030 –

Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“

Page 2: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

1

Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen EU-Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis

2030 –

Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“

1. Einleitung

Mit dem Paket „Europa in Bewegung“ hat die Europäische Kommission im Mai 2018 einen

neuen Ansatz für die Straßenverkehrssicherheit in der EU auf den Weg gebracht1, wozu auch

ein mittelfristiger Strategischer Aktionsplan2 gehört. In dieser Arbeitsunterlage soll

dargestellt werden, wie die neue Politik in konkrete Maßnahmen umgesetzt wird.

Die Zahl der weltweit in Straßenverkehrsunfällen getöteten Menschen steigt weiter an. Allein

im Jahr 2016 lag sie, laut dem Globalen Statusbericht der Weltgesundheitsorganisation zur

Verkehrssicherheit („Global Status Report on Road Safety”)3, bei 1,35 Millionen. Das

bedeutet, dass auf der ganzen Welt mehr Menschen durch Unfälle im Straßenverkehr sterben

als infolge von HIV/AIDS, Tuberkulose oder Durchfallerkrankungen. Zudem sind Unfälle im

Straßenverkehr mittlerweile weltweit die häufigste Todesursache bei Kindern und jungen

Menschen im Alter zwischen 5 und 29 Jahren.

Im weltweiten Vergleich schneidet Europa noch relativ gut ab, dank entschlossener

Maßnahmen auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Im Zeitraum 2001 bis 2010

sank die Anzahl der in der EU im Straßenverkehr tödlich Verunglückten um 43 % und

zwischen 2010 und 2018 um weitere 21 %. Trotzdem waren im Jahr 2018 auf den Straßen

der EU weitere 25 100 Menschen ums Leben gekommen und ca. 135 000 wurden schwer

verletzt4. Das ist ein nicht hinnehmbarer und unnötig hoher menschlicher und sozialer Preis

für unsere Mobilität. Beziffert man den Schaden rein finanziell, so verursachen Unfälle im

Straßenverkehr in der EU schätzungsweise, laut einer neuer Studie, jährliche Kosten von etwa

280 Mrd. EUR, was ca. 2 % des BIP5 entspricht.

Des Weiteren stagnierte in den letzten Jahren der Fortschritt bei der Verringerung der EU-

weiten Zahl der Straßenverkehrstoten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass das aktuelle

mittelfristige Ziel der EU, nämlich die Halbierung der Zahl der Straßenverkehrstoten

zwischen 2010 und 20206, noch erreicht wird. Noch weniger Fortschritte sind bei der

Vermeidung von schweren Verletzungen erzielt worden.7

In manchen erfolgreichen Ländern ist die Zahl der Verkehrstoten in den letzten Jahren sogar

wieder gestiegen. Zwar sind gewisse Schwankungen zu erwarten, insbesondere bei kleinen

1 Europäische Kommission (2018), Mitteilung „Europa in Bewegung - Nachhaltige Mobilität für Europa: sicher, vernetzt und umweltfreundlich“ COM(2018) 293 final.

2 Anhang I zur Mitteilung (https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2018/DE/COM-2018-293-F1-DE-ANNEX-1-PART-1.PDF).

3 Weltgesundheitsorganisation (2018), “Global Status Report on Road Safety”: https://www.who.int/violence_injury_prevention/road_safety_status/2018/en/.

4 Europäische Kommission (4. April 2019) Veröffentlichung der vorläufigen Statistiken 2018 zur Sicherheit im Straßenverkehr:

http://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-1951_de.htm. 5 Europäische Kommission (2019), Handbook on the External Costs of Transport

(https://ec.europa.eu/transport/themes/sustainable/studies/sustainable_en).

6 Europäische Kommission (2010), Mitteilung: „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“ (KOM(2010) 389 endgültig).

7 Während die Zahl der tödlichen Unfälle zwischen 2010 und 2017 um 20 % zurückgegangen ist (laut Fallzahlen der Polizei), verringerte

sich die Zahl der schweren Verletzungen im gleichen Zeitraum nur um etwa 5 %.

Page 3: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

2

absoluten Zahlen bzw. Stichprobengrößen, jedoch bedürfen diese Fälle einer weiteren

Analyse auf nationaler und auf EU-Ebene, wobei auch untersucht werden muss, ob es

Veränderungen bei den Unfallarten oder den betroffenen Verkehrsteilnehmergruppen gegeben

hat, um auf neue Entwicklungen schnell, durch wirksame Maßnahmen reagieren zu können.

Abbildung 1: Entwicklung der tödlichen Unfälle im Straßenverkehr und Ziele für 2001-2020

Die EU hat ihr ambitioniertes langfristiges Ziel bekräftigt, bis zum Jahr 2050 so weit wie

möglich an die Zahl von Null Straßenverkehrstoten heranzurücken8 („Vision Null“). Durch

die Annahme der Erklärung von Valletta zur Straßenverkehrssicherheit9 in die

Schlussfolgerungen des Rates im März 2017, haben sich die Verkehrsminister der EU

außerdem erstmalig zum Ziel gesetzt, die Zahl der schweren Verletzungen infolge von

Verkehrsunfällen in der EU bis 2030 gegenüber dem Ausgangswert von 2020 zu halbieren.

Um sich diesen Zielen zu nähern, sieht die Mitteilung „Europa in Bewegung“ einen neuen

Ansatz vor.

Vor allem muss sich die Mentalität hinsichtlich der „Vision Null“ stärker als bisher

durchsetzen, sowohl in den Reihen der politischen Entscheidungsträger als auch in der breiten

Gesellschaft. Unfälle im Straßenverkehr „töten leise“ insofern, dass sie von der Öffentlichkeit

häufig kaum wahrgenommen werden, obwohl alleine in Europa jede Woche insgesamt

ca. 500 Menschen sterben, was der Anzahl der Passagiere in einem Jumbojet entspricht. In der

Luftfahrt nehmen wir Todesopfer nicht einfach hin, und wir sollten dies auch im

Straßenverkehr nicht länger tun. Die Prämisse, dass der Verlust von Leben grundsätzlich nicht

akzeptabel ist, muss sich in sämtlichen Entscheidungen zum Thema Straßenverkehrssicherheit

niederschlagen.

8 Europäische Kommission (2011), Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem

wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ KOM(2011) 144 endg. 9 Rat der Europäischen Union (2017), Schlussfolgerungen des Rates zur Straßenverkehrssicherheit - zur Unterstützung der Erklärung von

Valletta vom März 2017 (Valletta, 28. und 29. März 2017), 9994/17 http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9994-2017-

INIT/de/pdf.

54 000

25,100

31 500

10 000

20 000

30 000

40 000

50 000

60 000

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

Straßenverkehrstote in der EU

EU-Zielwert für 2020Quelle: CARE (EU-Datenbank über

Page 4: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

3

Zweitens müssen wir auf EU-Ebene ein „Safe-System“ schaffen. Dies wird im folgenden

Kapitel 3 näher erläutert. Kernelemente sind dabei sichere Fahrzeuge, eine sichere

Infrastruktur, sichere Straßennutzung (angepasste Geschwindigkeit, keine Fahrten unter

Alkoholeinfluss, Anlegen von Sicherheitsgurten und Helmtragen) sowie bessere Versorgung

nach einem Unfall; alles längst bekannte und wichtige Faktoren im Rahmen des Safe-System-

Ansatzes.

Drittens müssen wir bereit sein, neuen Trends entgegenzuwirken, z. B. dem zunehmenden

Phänomen der Ablenkung durch Mobilgeräte während der Fahrt. Einige technische

Fortschritte, vor allem in den Bereichen Konnektivität und Automatisierung, werden in

Zukunft neue Chancen für die Straßenverkehrssicherheit eröffnen, indem die Auswirkungen

menschlichen Versagens möglicherweise verringert werden können. Selbst die besten

Maschinen sind jedoch noch nicht annähernd so gut wie menschliche Fahrer, und zumindest

in der Übergangsphase werden neue Risiken entstehen, z. B. durch das Vorhandensein von

Fahrzeugen mit ganz unterschiedlichen Graden an Automatisierung und Vernetzung, die sich

im gemischten Verkehr gemeinsam mit „herkömmlichen“ Fahrzeugen und gefährdeten

Verkehrsteilnehmern wie Motorradfahrer, Fahrradfahrer und Fußgänger bewegen.

Automatisierung, Sharing Economy (z. B. Carsharing- und Mietfahrrad-Angebote) sowie die

ständige Weiterentwicklung neuer Formen der persönlichen Mobilität (z. B. Elektroscooter,

zumindest im Jahr 2019) bieten ebenfalls neue Möglichkeiten, die steigende

Verkehrsbelastung in urbanen Räumen zu bewältigen. Aber auch bei diesen zweifellos

spannenden und umweltfreundlicheren Verkehrsalternativen müssen wir für die Sicherheit

sorgen. In Städten lassen sich die Synergien zwischen Sicherheits- und

Nachhaltigkeitsmaßnahmen besonders gut entwickeln: Geht in einer Stadt beispielsweise

die Pkw-Nutzung zurück und sind sicherere Wege für Fußgänger und Radfahrer vorhanden,

führt dies zu geringeren CO2-Emissionen, einer besseren Luftqualität und weniger Staus, was

letztendlich dazu beiträgt, dass die Bevölkerung insgesamt aktiver und gesünder lebt. Zu

ähnlichen Synergien kommt es, wenn sichere und kostengünstige Mobilität für alle

Mitglieder der Gesellschaft bereitgestellt wird, insbesondere für Menschen mit

Behinderungen und für den wachsenden Anteil älterer Menschen. Nicht zuletzt wird zurzeit

mehr auf die geschlechterspezifischen Aspekte der Straßenverkehrssicherheit geachtet (z. B.

wird für einen neuen Crashtest mit Schwerpunkt auf Gurtsystemen, die ab 2022 verwendet

werden sollen, auch ein weiblicher Crashtest-Dummy eingesetzt).

Wie bisher wird die Kommission bei Bedarf gesetzgeberisch eingreifen. Wir werden diese

Bemühungen gemeinsam mit allen Interessenträgern durch intensivere und kooperative

Maßnahmen zur Entwicklung einer starken europäischen Politik im Bereich

Straßenverkehrssicherheit ergänzen und wir setzen bei der Vorbereitung und Erprobung neuer

Lösungen auf Forschung und Innovation.

Schließlich sollen diese Überlegungen auf EU-Ebene auch als Beitrag zur globalen Debatte

über Straßenverkehrssicherheit dienen, da wir uns an einem entscheidenden Wendepunkt

im von den VN erklärten „Jahrzehnt der Verkehrssicherheit“ 2010-2020 befinden und die

Vorbereitungen für die 3. weltweite Ministerkonferenz über die Sicherheit im Straßenverkehr,

die am 19. und 20. Februar 2020 in Stockholm stattfinden wird, bereits auf Hochtouren

laufen. Es geht dabei nicht nur um die Erstellung eines neuen Rahmens und neuer Ziele zur

Vermeidung von tödlichen Unfällen bzw. zur Verletzungsprävention auf den Straßen der Welt

in den kommenden zehn Jahren, sondern um die weitere Verankerung der

Straßenverkehrssicherheit in den Zielen für nachhaltige Entwicklung.

Page 5: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

4

2. Beurteilung der EU-Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020

Die „Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“10

bildeten in diesem gesamten Jahrzehnt den Rahmen für Maßnahmen auf EU-Ebene beim

Thema Straßenverkehrssicherheit; dabei wurde berücksichtigt, dass sich EU und

Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für die Politik im Bereich der

Straßenverkehrssicherheit teilen. In den Leitlinien für die Politik wurde das strategische

Ziel festgelegt, die Zahl der Straßenverkehrstoten zwischen 2010 und 2020 um 50 % zu

reduzieren; außerdem werden Maßnahmen in sieben Schwerpunktbereichen vorangetrieben

(Ausbildung und Schulung von Fahrzeugführern, Durchsetzung von Verkehrsregeln, mehr

Sicherheit in der Straßeninfrastruktur, sicherere Fahrzeuge, moderne Technologien,

Versorgung von Verletzten und Hilfe im Notfall, gefährdete Verkehrsteilnehmer).

Im Jahr 2015 kam eine Zwischenbeurteilung11

zu dem Schluss, dass sich die Anstrengungen

der EU beim Thema Straßenverkehrssicherheit grundsätzlich auf einem guten Weg befinden.

Maßnahmen auf EU-Ebene stellten sich als wertsteigernd heraus und haben wahrscheinlich

Veränderungen beschleunigt, insbesondere in Mitgliedstaaten mit relativ geringer Sicherheit

im Straßenverkehr. Weitere Anstrengungen waren zum Erreichen des strategischen Ziels

erforderlich, denn eine Reihe von Maßnahmen mussten noch abgeschlossen oder nachbereitet

werden. Die Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten hatten das höchste Potenzial zu

schnellen Verbesserungen, z. B. durch eine bessere Durchsetzung von Verkehrsregeln,

insbesondere bei Verstößen aufgrund überhöhter Geschwindigkeit. Man stellte fest, dass die

Zahl der schweren Verletzungen nicht so schnell abnahm wie die Zahl der

Straßenverkehrstoten (teilweise deshalb, weil manche Todesfälle z. B. durch die

Fahrzeugsicherheit und eine bessere Versorgung nach einem Unfall verhindert werden

konnten, was sich dann in der Statistik über Schwerverletzte niederschlägt) und schlug in der

Beurteilung vor, dass ein spezifisches Reduktionsziel für die Zahl der schweren Verletzungen

das bereits vorhandene Ziel im Hinblick auf die Vermeidung von Straßenverkehrstoten

ergänzen könnte. Es wurde außerdem empfohlen, ein besonderes Augenmerk auf Maßnahmen

zum Schutz gefährdeter Verkehrsteilnehmer zu richten sowie die Kohärenz mit anderen

Politikzielen sicherzustellen, insbesondere im Hinblick auf Umweltschutz, Wirtschaft,

Gesundheit und Soziales.

Mit einer Anfang 201812

vorgelegten Fachstudie wurde diese Zwischenbeurteilung auf den

neuesten Stand gebracht und es wurden die während des gesamten Strategiezeitraums

durchgeführten Aktivitäten analysiert. Es wurde auf die erwarteten Auswirkungen der EU-

Initiativen über Bremsassistenzsysteme und ABS für Motorräder, auf die

grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsdelikten sowie auf das automatisierte

Notrufsystem eCall näher eingegangen. Es wurde jedoch ebenfalls darauf hingewiesen, dass

viele Maßnahmen immer noch laufen und sehr wahrscheinlich vor 2020 keine größeren

Auswirkungen zeigen werden, und dass die Umsetzung auf der Ebene der Mitgliedstaaten

variabel verlief. Als Fazit wurde in der Studie festgestellt, dass erheblicher Spielraum für die

weitere Entwicklung der Ziele der EU für die Straßenverkehrssicherheit bestehe sowie eine

10 Europäische Kommission (2010), Mitteilung: „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich

der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“ (KOM(2010) 389 endgültig).

11 Europäische Kommission (2015), Interim evaluation of the Policy orientations on road safety 2011-2020, https://ec.europa.eu/transport/road_safety/sites/roadsafety/files/pdf/interim_eval_2011_2020/interim_eval.pdf.

12 Jeanne Breen Consulting (2018), Studie „Preparatory work for an EU road safety strategy 2020-2030“,

https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/bd17c6de-6549-11e8-ab9c-01aa75ed71a1.

Page 6: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

5

evidenzbasierte Strategie als Teil eines gesamten Safe-System-Ansatzes. Empfohlen wurden

darin ein verschärfter Fokus auf Prävention und Minimierung von Todesfällen und schweren

Verletzungen, ein inklusiver Durchführungsrahmen und eine Erweiterung des

Anwendungsbereichs zwecks Abstimmung mit anderen gesellschaftlichen Zielen zum

Kapazitätsausbau und Investition in die Straßenverkehrssicherheit. Ebenfalls empfohlen wird

die Festlegung von neuen Zwischenzielen auf dem Weg zur „Vision Null“ und die Benennung

einer Reihe von wesentlichen Leistungsindikatoren (KPI) zur Beurteilung der

Straßenverkehrssicherheit auf europäischer Ebene, die in direktem Zusammenhang mit der

Vermeidung von Todesfällen und schweren Verletzungen stehen und die

Interventionsstrategie und Durchführung von Maßnahmen ermöglichen.

3. Der Safe-System-Ansatz auf EU-Ebene

Angesichts der oben beschriebenen Sachverhalte hat sich die Kommission dafür entschieden,

ihren Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis 2030 auf

die Grundlage des Safe-System-Ansatzes zu stellen. Dieser Ansatz, der sich aus bewährten

europäischen Methoden ableitet und nun auch global von der Weltgesundheitsorganisation

empfohlen wird, schlägt eine neue Richtung im Bereich Straßenverkehrssicherheit vor, wobei

der Schwerpunkt auf der Vermeidung von Todesfällen und schweren Verletzungen liegt.

3.1 Das Safe-System

Nach dem „Safe-System“-Ansatz gelten Todesfälle und schwere Verletzungen bei

Straßenverkehrsunfällen nicht als zwangsläufiger Preis der Mobilität. Unfälle wird es zwar

weiterhin geben, doch Todesfälle und schwere Verletzungen sind größtenteils

vermeidbar. Ziel des Safe-System-Ansatzes ist ein flexibleres Straßenverkehrssystem.

Innerhalb des Systems wird anerkannt, dass Menschen Fehler machen, und es werden

mehrschichtige, kombinierte Maßnahmen gefördert, mit denen verhindert werden soll, dass

Menschen infolge dieser Fehler ums Leben kommen, wobei die körperliche Problematik

berücksichtigt wird. Eine bessere Fahrzeugkonstruktion, eine optimierte Straßeninfrastruktur

und geringere Tempolimits sind Beispiele für Maßnahmen zur Verringerung der Folgen von

Verkehrsunfällen. Insgesamt entsteht durch diese Maßnahmen ein mehrschichtiges

Schutzsystem, bei dem selbst bei Versagen eines Elements eine weitere

Sicherheitsvorkehrung den schlimmsten Unfallausgang abwendet. Bestandteil dieses Ansatzes

sind sektor- und fachbereichsübergreifende Maßnahmen und ein zielorientiertes Management,

einschließlich zeitlich definierter Ziele und Leistungskontrolle.

3.2 Ziele und Leistungskontrolle

Alle Arbeiten am Safe-System basieren auf einem Leistungsrahmen mit einer Hierarchie von

Zielen. Durch die Mitteilung „Europa in Bewegung – Nachhaltige Mobilität für Europa:

sicher, vernetzt und umweltfreundlich“13

vom Mai 2018 wurde das langfristige Ziel der EU

13 Europäische Kommission (2018), Mitteilung „Europa in Bewegung - Nachhaltige Mobilität für Europa: sicher, vernetzt und

umweltfreundlich“ COM(2018) 293 final.

Page 7: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

6

bestätigt, bis zum Jahr 2050 möglichst nahe an die Zahl von Null Straßenverkehrstoten

heranzurücken; zusätzlich wurde selbiges Ziel für die Zahl schwerer Verletzungen

ausgegeben. Es wurden außerdem neue Zwischenziele vorgeschlagen, und zwar eine

Reduzierung der Zahl der Straßenverkehrstoten um 50 % zwischen 2020 und 2030 sowie eine

Verringerung der Zahl schwerer Verletzungen um 50 % im selben Zeitraum, was den

Empfehlungen der Erklärung von Valletta entspricht.

Zur Fortschrittsmessung dienen als grundlegendste und wichtigste Indikatoren

selbstverständlich die Kennzahlen hinsichtlich Todesfälle und Fälle schwerer Verletzungen,

die auch zukünftig aufmerksam überwacht werden. Da der Safe-System-Ansatz jedoch darauf

beruht, dass ein sehr viel klareres Verständnis der verschiedenen Aspekte gewonnen wird,

welche die Sicherheit insgesamt beeinflussen, hat die Kommission in enger Zusammenarbeit

mit Fachleuten aus den Mitgliedstaaten eine erste Reihe wesentlicher Leistungsindikatoren

erarbeitet (siehe Kapitel 4 und Anhang 1), die im Laufe der Zeit vervollständigt und

weiterentwickelt werden sollen.

Das Melden der notwendigen Daten an die Kommission durch die Mitgliedstaaten erfolgt auf

freiwilliger Basis. Der Erfolg dieser Maßnahme hängt also von der rückhaltlosen Teilnahme

der Mitgliedstaaten ab, so wie sie von den Verkehrsministern der EU in der Erklärung von

Valletta zum Ausdruck gebracht wurde. Tatsächlich verwendet eine Reihe von

Mitgliedstaaten bereits einige oder alle dieser Indikatoren für nationale Maßnahmen. Zwecks

einer leichteren Umsetzung werden verschiedene Optionen für bestimmte Indikatoren

bereitgestellt. Bei bereits vorhandenen, sehr stark abweichenden nationalen Ansätzen wollen

wir die bewährten nationalen Methoden beibehalten; darum wird die Entscheidung über die

genaue Methodik den Mitgliedstaaten überlassen, wobei jedoch das Ziel der Erhebung

miteinander vergleichbarer Daten berücksichtigt werden muss. Darüber hinaus gewährt die

Kommission den Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung um die Arbeit an Methodik

und Messungen zu fördern.14

Die erste KPI-Liste ist nur der Ausgangspunkt. Es handelt sich um ein „lebendiges“

Verfahren: die Arbeit an der Weiterentwicklung der Indikatoren wird fortgesetzt und es

werden im Laufe der Zeit zusätzliche Indikatoren aufgenommen.

Abbildung 2: Hierarchie der Safe-System-Ergebnisse auf EU-Ebene

Langfristiges Ziel Null Straßenverkehrstote und

schwere Verletzungen bis 2050

Zwischenziele 50 % weniger Todesfälle und schwere Verletzungen

zwischen 2020 und 2030

Ergebnisbezogene Zwischenziele

auf der Grundlage von wesentlichen Leistungsindikatoren im direkten Zusammenhang

mit der Verringerung von Todesfällen und schweren Verletzungen

14 Dazu hat der Ausschuss der Infrastrukturfazilität „Connecting Europe“ Finanzmittel von bis zu 5 Mio. EUR für programmunterstützende

Maßnahmen bewilligt.

Page 8: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

7

3.3 Gemeinsame Verantwortung

Die Erfahrung hat gezeigt, dass sämtliche Akteure in ihrer jeweiligen Rolle koordiniert

handeln müssen, wenn der Safe-System-Ansatz funktionieren soll. Öffentliche Behörden in

sämtlichen Sektoren, die mit den Zielen der Straßenverkehrssicherheit in Verbindung stehen,

unter anderem in den Bereichen Verkehr und Infrastruktur, Umwelt, Bildung, Polizei,

Gesundheitswesen, Justiz und Tourismus müssen auf allen Ebenen eng zusammenarbeiten.

Darüber hinaus spielen sämtliche Interessenträger eine wichtige Rolle: Die Industrie (z. B.

Versicherungsgesellschaften), Nutzerverbände, NRO, Schulen, Forschungseinrichtungen

u. v. m.

Gleiches gilt natürlich auch für einen Safe-System-Ansatz auf EU-Ebene. Die Umsetzung des

Rahmens wird von der hochrangigen Gruppe für die Straßenverkehrssicherheit

beaufsichtigt, einer Gruppe, die sich aus hochrangigen Vertretern aus den jeweiligen

nationalen Regierungen zusammensetzt; ihre Rolle wurde insofern erweitert, dass sie auch die

strategische Beratung und häufige Rückmeldungen auf der Grundlage von überarbeiteten,

transparenten Arbeitsmethoden einschließt. Interessenträger können nun an einer Sitzung der

Gruppe pro Jahr teilnehmen. Darüber hinaus plant die Kommission, alle zwei Jahre

Ergebniskonferenzen abzuhalten (siehe Kapitel 6).

Zur Umsetzung des Rahmens sowie zukünftiger, daraus abgeleiteten Politikinitiativen erfolgt

ferner eine systematischere Koordination auf oberster Führungsebene durch die Kommission,

welche alle Generaldirektionen in Straßenverkehrssicherheits-relevante Maßnahmen

miteinbezieht.

Um die verschiedenen Arbeitsfelder zusammenzuführen und die Straßenverkehrssicherheit

sowohl in der EU als auch weltweit zu verbessern, hat der EU-Kommissar für Verkehr einen

europäischen Koordinator für Straßenverkehrssicherheit und zugehörige Aspekte

nachhaltiger Mobilität benannt.

In ihrer Mitteilung „Europa in Bewegung“ ruft die Kommission außerdem zu freiwilligen

Selbstverpflichtungen aus allen Sektoren auf, die ebenso ambitioniert sind wie die EU. Als

Beispiele werden genannt: mögliche Initiativen von Fahrzeugherstellern (z. B. bei der

Entwicklung und Vermarktung neuer Fahrzeugmodelle), Versicherern (z. B. durch eine

veränderte Prämienstruktur), dem Bildungssektor (z. B. Aufnahme der

Straßenverkehrssicherheit in die regulären Lehrpläne), Fahrschulen (z. B. Aus- und

Weiterbildung von Fahrzeug- und Motorradführern im Hinblick auf neue

Sicherheitsmerkmale und -funktionen von Fahrzeugen), Verkehrsunternehmen,

Berufskraftfahrern, Autovermietungen und anderen Unternehmen (z. B. durch Schaffung

einer Unternehmenskultur, die Sicherheit in den Vordergrund stellt) sowie Städten (z. B.

durch öffentliche Auftragsvergabe).

Als Reaktion auf diesen Aufruf hat ein Bündnis aus Fahrzeugherstellern, Kfz-Zulieferern

und Automobilclubs bereits eine Erklärung unterzeichnet15

, als Beitrag zur „Vision Null“

bis 2050; damit verpflichten sie sich unter anderem zur Durchführung von gezielten

Aufklärungskampagnen und von Forschungsprogrammen zur schnelleren Marktreife von

Technologien sowie zur Aufklärung von Fahrzeugführern über die effektive Nutzung von

fahrzeugbezogenen Sicherheitstechnologien.

15 https://www.acea.be/press-releases/article/broad-road-safety-coalition-commits-to-work-towards-zero-traffic-fatalities

Page 9: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

8

Die Kommission wird solchen Selbstverpflichtungen als Teil der Europäischen Charta für

Straßenverkehrssicherheit16

– der weltweit größten zivilgesellschaftlichen Plattform für

Straßenverkehrssicherheit, die gerade neu gestaltet wird – Sichtbarkeit verleihen.

In Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rat für Verkehrssicherheit hat die Kommission

außerdem das Programm „EU Road Safety Exchange“ ins Leben gerufen, das sich als

Kapazitätsaufbau- und Twinning-Maßnahme zunächst auf sechs EU-Mitgliedstaaten17

konzentriert, mit dem vorrangigen Ziel die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern;

ermöglicht wurde das Programm durch ein Pilotprojekt des Europäischen Parlaments.

3.4 EU-Finanzierung

EU-Finanzierung ist ein wichtiger Hebel im Hinblick auf die Entwicklung zukünftiger

Lösungen und das schnellere Erreichen von Ergebnissen im Bereich

Straßenverkehrssicherheit in der gesamten EU, insbesondere in den Ländern, in denen beim

Thema Straßenverkehrssicherheit Nachholbedarf besteht. Die EU-Rahmenprogramme für

Forschung und Innovation dienen dazu, Probleme der Straßenverkehrssicherheit zu lösen, und

Forschungsprojekte leisten bereits einen signifikanten Beitrag zur Ausgestaltung neuer

Lösungen18

. Schon relativ kleine Investitionsvorhaben können einen großen Unterschied

ausmachen, wie die Nationale Autobahngesellschaft der Slowakei erst kürzlich gezeigt hat:

Sie modernisierte eine Autobahnstrecke von 327 km Länge mithilfe eines aus kostengünstigen

Maßnahmen bestehenden Programms. Durch die Ausgaben in Höhe von 40 Mio. EUR

können in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich etwa 355 Todesfälle und schwere

Verletzungen verhindert werden19

.

16 http://erscharter.eu/node_de

17 Die teilnehmenden Mitgliedstaaten sind Rumänien, Bulgarien, Portugal, Griechenland, Polen und Litauen.

18 Zwischen 2002 und 2017 wurden etwa 172 Mrd. EUR für Forschung und Innovation im Bereich Straßenverkehrssicherheit ausgegeben. Eine umfassende Liste von Projekten und Ergebnissen ist im TRIMIS-Bericht über Verkehrssicherheit verfügbar:

https://trimis.ec.europa.eu/content/trip-research-theme-analysis-report-transport-safety.

19 https://www.eurorap.org/portfolio-items/before-and-after-study-of-motorway-upgrading-in-slovakia-2016/

Die Kommission

- hat in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Liste der wesentlichen

Leistungsindikatoren erstellt, die mit den angestrebten Ergebnissen verknüpft

werden sollen;

- hat das Mandat der hochrangigen Gruppe für die Straßenverkehrssicherheit

erweitert, um strategische Beratung und häufige Rückmeldungen einzubeziehen;

- hat einen Europäischen Koordinator für Straßenverkehrssicherheit und zugehörige

Aspekte nachhaltiger Mobilität benannt; und

- wird die Auszeichnung „sichere Stadt“ (Safe City) einführen.

Innerhalb des Zeitrahmens wird die Kommission sich proaktiv mit den Mitgliedstaaten

und allen Interessenträgern in Verbindung setzen, um die Fortschritte zu überwachen und

zu beschleunigen, beispielsweise durch halbjährlich stattfindende Ergebniskonferenzen

und die Förderung freiwilliger Verpflichtungen, vor allem im Zusammenhang mit der

Europäischen Charta für Straßenverkehrssicherheit.

Page 10: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

9

Verschiedene Finanzierungslösungen sind bereits vorhanden, z. B. regionale Fonds

(Europäischer Fonds für regionale Entwicklung – EFRE, Kohäsionsfonds) und die Fazilität

„Connecting Europe“. Bis jetzt wurden diese Möglichkeiten jedoch nur in begrenztem

Umfang genutzt. Die Bekanntheit der verschiedenen Instrumente ist gering, was durch die

Komplexität der Finanzierungsumgebung noch verschärft wird. Langfristig wird es wichtig

sein, Stabilität und Kohärenz der Finanzierungslösungen für die Nachrüstung von

Infrastrukturen, andere Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit und den

Kapazitätsaufbau zu bieten.

Im März 2019 starteten die Kommission und die Europäische Investitionsbank (EIB) als erste

konkrete Initiative die „Safer Transport Platform“, eine zentrale Anlaufstelle für

Investitionen in die Straßenverkehrssicherheit unter der Leitung der Europäischen Plattform

für Investitionsberatung (EIAH)20

. Zu den besonderen Aufgaben der Plattform gehören die

Aufklärung von potenziellen Empfängern über bestehende Finanzierungsmittel und -

instrumente durch maßgeschneiderte technische Beratung und Unterstützung bei

Investitionsvorschlägen sowie die Nachverfolgung von Programmen und die Ermittlung des

weiteren Investitionsbedarfs im Bereich Straßenverkehrssicherheit.

Darüber hinaus haben sich die Mitgesetzgeber der EU darauf verständigt, Maßnahmen zur

Straßenverkehrssicherheit eindeutiger in künftigen Instrumente (investEU-Programm21

und

die Verordnung zur Fazilität „Connecting Europe“ 2) einzubinden. Die Kommission hat

außerdem vorgeschlagen, die Straßenverkehrssicherheit als Voraussetzung in die

gemeinsamen Vorschriften für regionale Fonds aufzunehmen (dies ist zum Zeitpunkt der

Abfassung dieses Textes Gegenstand von Verhandlungen).

Finanzmittel werden auch für die weitere Forschung unter dem neuen Forschungs- und

Innovationsprogramm „Horizont Europa“ bereitgestellt (z. B. weitere Forschung über den

sicheren Übergang zur automatisierten Mobilität, über Fahrzeug- und Infrastruktursicherheit

bzw. über neue Technologien für die Erkennung von Drogen).

20 https://www.eib.org/de/press/all/2019-088-safer-transport-platform-eib-and-european-commission-join-forces-to-support-investments-in-

transport-safety-with-special-focus-on-roads

21 https://ec.europa.eu/commission/publications/investeu-programme_de

Page 11: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

10

4. Wichtigste Interventionsbereiche und Fortschrittsmessung

Das Prinzip des zielorientierten Managements stellt einen deutlich definierten

Aktionsschwerpunkt dar. Die Kommission wird die Verbreitung von Wissen und bewährten

Methoden fördern und sich bei Bedarf mit Empfehlungen und/oder gesetzgeberischen

Maßnahmen beteiligen.

Auf der Grundlage von Empfehlungen führender Experten und nach ausgiebigen

Konsultationen der Interessenträger wurden im Rahmen der Mitteilung „Europa in

Bewegung“ und eines strategischen Maßnahmenplans eine Reihe von Themen benannt, die

bei der Bewältigung der größten Probleme für die Straßenverkehrssicherheit eine Rolle

spielen, nämlich: 1) Sicherheit der Infrastruktur, 2) Fahrzeugsicherheit, 3) sichere Teilnahme

am Straßenverkehr, auch im Hinblick auf überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol und andere

Rauschmittel, Ablenkung und Verwendung von Schutzeinrichtungen, 4) Hilfe im Notfall.

Entscheidende horizontale Aspekte, die innerhalb sämtlicher Themen eine Rolle spielen, sind

Rechtsdurchsetzung und Ausbildung bzw. Schulung.

4.1 Infrastruktur: sichere Straßen und Gehwege

Hinsichtlich Freigabe und Finanzierung hat die Kommission

- neue Maßnahmen zur Unterstützung des Kapazitätsaufbaus auf der Ebene der

Mitgliedstaaten erarbeitet, z. B. in Bezug auf Safe-System-Strategien (Methoden zur

KPI-Messung) und im Rahmen eines Twinning-Programms (EU Road Safety

Exchange);

- weitere Anreize geschaffen, um die finanzielle Unterstützung der EU aus den

europäischen Struktur- und Investitionsfonds für die Nachrüstung von

Infrastrukturen zu nutzen, vor allem in Mitgliedstaaten mit vergleichsweise

schlechter Bilanz bei der Straßenverkehrssicherheit; sie empfiehlt des Weiteren die

Nutzung der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF);

- in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank die „Safer Transport

Platform“ eingerichtet;

- die Finanzhilfe für Maßnahmen zur Straßenverkehrssicherheit (z. B. auch die

gemeinsame, grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsdelikten in

Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und in internationaler Zusammenarbeit)

im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen optimiert und verstärkt, unter

Berücksichtigung der Komplementarität der verschiedenen

Finanzierungsinstrumente; und

- die für die Entwicklung und Umsetzung von Safe-System-Strategien notwendige

Forschung und Innovation verstärkt, insbesondere im Kontext des neuen EU-

Forschungs- und Entwicklungsprogramms „Horizont Europa“.

Page 12: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

11

Die Straßeninfrastruktur sowie der Nahbereich der Straße stellen bei mehr als 30 % der

Unfälle einen beitragenden Faktor dar.22

Durchdachte und gut instand gehaltene Straßen

können die Wahrscheinlichkeit von Unfällen im Straßenverkehr verringern; gleichzeitig

können flexiblere Straßen (nach dem Safe-System-Prinzip konzipierte Straßen, z. B. mit

Sicherheitsbarrieren in der Mitte, die verhindern, dass Fahrfehler zu schwerwiegenden

Konsequenzen führen) die Schwere von Unfällen reduzieren.

Die systematische Kartierung von Risiken und Sicherheitstraining, also proaktive

Maßnahmen in Ergänzung zu der eher traditionellen reaktiven Analyse von Stellen mit hohen

Unfallkonzentrationen („Unfall-Hotspots“), stellen nützliche Tools bei der Bewertung der

Sicherheit und Qualität des Straßennetzes und zur zielgerichteten Zuweisung von

Investitionen dar. Das Europäische Programm zur Straßenbewertung (EuroRAP), ein

internationaler gemeinnütziger Zusammenschluss von Automobilclubs,

Straßenverkehrsbehörden und Forschern, hat bereits Bewertungen von Straßen in vielen EU-

Mitgliedstaaten durchgeführt. Im Rahmen dieser Programme werden für Straßen und

Straßenabschnitte Sicherheitsbewertungen zwischen 1 und 5 Sternen vergeben. Einige

Mitgliedstaaten haben ihre eigene Bewertungsmethodik entwickelt.

In einer kürzlich vereinbarten Revision der Sicherheitsvorschriften für die EU-Infrastruktur23

,

hat die EU die Kartierung von Risiken und die Sicherheitsbewertung von Straßen des

strategischen Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V), Autobahnen und

Hauptverkehrsstraßen bewilligt, ohne eine bestimmte Methodik vorzuschreiben. Die

Kommission wird dennoch eng mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten an der

Vereinbarung einer gemeinsamen Methodik zusammenarbeiten.

Darüber hinaus ebnen die überarbeiteten Vorschriften den Weg zu einem höheren Grad der

Automatisierung in Fahrzeugen; zu diesem Zweck wurde mit der Erarbeitung von

Spezifikationen für Straßenverkehrszeichen und Markierungen begonnen, auch

hinsichtlich Aufstellungsort, Sichtbarkeit und Rückstrahlleistung. Dies ist bereits heute für die

Funktion von Fahrerassistenzsystemen wie Intelligenten Geschwindigkeitsassistenten (bei

Verkehrszeichen mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit) und Spurhalteassistenten (bei

Straßenmarkierungen) wichtig und wird mit wachsendem Automatisierungsgrad stetig erhöht.

Laut der Folgenabschätzung der Kommission, können diese neuen Vorschriften bis

2030 potenziell das Leben von bis zu 3200 Menschen retten und 20 700 schwere

Verletzungen vermeiden.

22 Danish Road Traffic Accident Investigation Board (2014), „Why do road traffic accidents happen?“; Elvik, Hove et al (2012), „The Handbook of Road Safety Measures“.

23 Revision der Richtlinie 2008/96/EG über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur (noch nicht veröffentlicht):

http://europa.eu/rapid/press-release_MEX-19-1377_en.htm.

Page 13: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

12

Ein KPI für die Straßeninfrastruktur sollte den Sicherheitszustand eines Straßennetzes

unabhängig vom Verhalten der Straßenverkehrsteilnehmer und der Fahrzeugtechnik zeigen.

Im Vorgriff auf die unter neuen EU-Vorschriften verpflichtende netzwerkweite

Sicherheitsbewertung (wobei mit der Fertigstellung einer ersten kompletten Beurteilung Ende

2024 gerechnet wird) und in Ermangelung einer gemeinsam vereinbarten

Bewertungsmethodik, hat sich ein solcher Indikator als schwer definierbar erwiesen; es sind

weitere Schritte zu seiner Ausgestaltung erforderlich.

Die Dienste der Kommission werden mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um einen

Infrastruktur-Indikator auf der folgenden Grundlage festzulegen:

Der Indikator wird auf einer Netzbewertung oder einer Beurteilungsmethodik beruhen und die

zurückgelegte Strecke24

oder einen anderen Näherungswert für die auftretende Belastung

berücksichtigen. Dies wird in gerade laufenden Arbeiten auf Sachverständigenebene

untersucht; letztendlich wird die netzwerkweite Sicherheitsbewertung unter den neuen

Sicherheitsvorschriften für die EU-Infrastruktur ausschlaggebend sein.

4.2 Sichere Fahrzeuge

Die EU hatte in den letzten Jahrzehnten besonders an der Verbesserung der

Fahrzeugsicherheit mitgewirkt, dank fortlaufender Anpassungen der Verordnung über die

allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen25

und der Verordnung über den Schutz von

24 Viele Mitgliedstaaten haben noch keine Daten über „zurückgelegte Strecken“ erhoben. Das Statistische Amt der EU (Eurostat) arbeitet derzeit an der Erhebung solcher Daten.

25 Verordnung (EG) Nr. 661/2009 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern und von Systemen, Bauteilen

und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit.

KPI für Infrastruktur:

Anteil in Prozent der zurückgelegten Strecke auf Straßen mit einer Sicherheitsbewertung

über einem vereinbarten Schwellenwert.

Im Hinblick auf die Sicherheit der Infrastruktur ergreift die Kommission folgende

Maßnahmen:

- Einsetzen einer Sachverständigengruppe, deren Aufgabe es sein wird, einen

Rahmen für die Einstufung der Straßen auszuarbeiten, der

Geschwindigkeitsbeschränkungen besser mit der Straßenplanung und -gestaltung

abgleicht, in Einklang mit dem „Safe System“-Ansatz;

- Erleichtern des Austauschs von Erfahrungen mit den Methoden des „Safe System“

zwischen Fachleuten (z. B. dem Forum der europäischen

Straßenverkehrssicherheitsauditoren);

- Veröffentlichung der Ergebnisse der netzwerkweiten Sicherheitsbewertung, die von

den Mitgliedstaaten bis Ende 2024 gemäß der überarbeiteten Richtlinie über ein

Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur der EU durchgeführt

wird; und

- Analyse der Notwendigkeit weiterer Forschung und Innovation im Bereich

Infrastruktursicherheit, z. B. Erforschung neuer Technologien für die Überwachung

des Infrastrukturzustands.

Während des gesamten Zeitraums will die Kommission mögliche weitere EU-Maßnahmen

benennen, z. B. die Festlegung spezifischer Sicherheitsziele für Straßen des TEN-V-Netzes in der

nächsten Revision der TEN-V-Leitlinien.

Page 14: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

13

Fußgängern26

, die verpflichtende und unabdingbare sicherheitstechnische Anforderungen für

in der EU vertriebene Fahrzeuge enthalten. Innovationen in der Fahrzeugtechnik können

dabei helfen, sowohl die Schwere als auch die Wahrscheinlichkeit von Unfällen zu

minimieren, und zwar einerseits durch passive Sicherheitsvorkehrungen wie Sicherheitsgurte,

Airbags und das Aufprallenergieaufnahmevermögen von Fahrzeugen, durch das die Insassen

bei einer unvermeidbaren Kollision geschützt werden, und andererseits durch aktive

Sicherheitsmaßnahmen wie Notbremsassistenzsysteme, intelligente

Geschwindigkeitsassistenten, Fahrdynamik-Regelung und Spurhaltewarnsysteme, die

verhindern sollen, dass es überhaupt zu einem Unfall kommt.

Es sollte jedoch ebenfalls erwähnt werden, dass neben den strengen Gesetzen über die

Fahrzeugsicherheit in der EU, die Fahrzeughersteller des Weiteren dazu gefördert wurden,

Fahrzeuge noch sicherer zu machen und mit modernen Sicherheitstechnologien nach dem

Stand der Technik auszurüsten, durch Programme zur Bewertung und Einschätzung von

Neufahrzeugen für den Verbraucherschutz, wie diese vom Europäischen Programm zur

Bewertung von Neufahrzeugen (Euro NCAP) durchgeführt werden. Das Euro NCAP, das

von Automobilclubs, Forschungseinrichtungen und Verkehrsbehörden betrieben wird, stellt

ein nützliches Mittel zur Bewertung der gesamten Sicherheit eines Fahrzeuges dar; dabei ist

eine gute Korrelation zwischen den durch Euro NCAP ermittelten Testergebnissen und den

Erkenntnissen der Unfälle festzustellen. Die Forschung hat gezeigt, dass bei Fahrzeugen, die

von Euro NCAP mit 5 Sternen bewertet wurden, ein um 68 % geringeres Risiko tödlicher

Verletzungen und ein um 23 % geringeres Risiko von Schwerverletzungen besteht als bei mit

2 Sternen bewerteten Fahrzeugen27

.

Die Überarbeitung der Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen

im Frühjahr 201928

, mit der eine Reihe neuer fortschrittlicher Sicherheitssysteme

obligatorisch eingeführt werden (z. B. intelligente Geschwindigkeitsassistenten,

Spurhaltesysteme für den Notfall, Anforderungen bezüglich des direkten Sichtfelds von

Bussen und Lastkraftwagen) rettet nach vorsichtigen Schätzungen bis 2030 das Leben von

mindestens 7300 Menschen und verhindert 38 900 schwere Verletzungen; dementsprechend

werden bis 2037 voraussichtlich 25 000 tödliche Unfälle und 140 000 schwere Verletzungen

verhindert. Diese Verordnung leistet außerdem einen Beitrag zur Unfallanalyse, da sämtliche

Neufahrzeuge mit Ereignisdatenspeicher ausgerüstet werden müssen.

Es ist unbedingt zu unterstreichen, dass die Industrie ihre Pflicht erfüllen muss, dem

Verbraucher sichere Produkte anzubieten und im Problemfall bei Bedarf Abhilfemaßnahmen

zu ergreifen.29 Da Sicherheitsprobleme häufig nach der Markteinführung auftreten, ist die

regelmäßige technische Überwachung für den Schutz des Verbrauchers während der

gesamten Lebensdauer der Fahrzeuge von großer Bedeutung.

26 Verordnung (EG) Nr. 78/2009 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen im Hinblick auf den Schutz von Fußgängern und anderen

ungeschützten Verkehrsteilnehmern.

27 Kullgren, Lie, Tingvall (2010), Comparison between Euro NCAP test results and real-world crash data, Traffic Injury Prevention, 2010 Dec 11(6):587-93; zitiert in Jeanne Breen Consulting (2018), Studie „Preparatory work for an EU road safety strategy 2020-2030“,

https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/bd17c6de-6549-11e8-ab9c-01aa75ed71a1. Die Aussagekraft der in der

Studie ermittelten Ergebnisse bleibt bestehen, obwohl sich die Euro NCAP-Bewertungen zwischenzeitlich geändert haben. 28 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-1793_de.htm

29 In den letzten drei Jahren sind mehr als 400 relevante Meldungen pro Jahr im Schnellwarnsystem RAPEX eingegangen:

http://81.247.254.96/QvAJAXZfc/opendoc.htm?document=Rapid_Alert_System_statistics.qvw&host=QVS@vsrv1463&anonymous=true.

Page 15: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

14

Fahrzeugbeschaffung stellt ebenfalls eine interessante Möglichkeit dar, die

Straßenverkehrssicherheit positiv zu beeinflussen. Dies gilt sowohl für private Eigentümer

großer Fuhrparks und für Unternehmen, die Logistikdienstleistungen benötigen, als auch für

das öffentliche Auftragswesen. Die EU erforscht derzeit, wie sie Initiativen zur Verbesserung

der Sicherheit von Fuhrparks im Kontext der „Safer Transport Platform“ (siehe vorheriges

Kapitel 3.4) finanziell unterstützen kann.

Erhebliche Investitionen fließen derzeit in die Entwicklung vernetzter und automatisierter

Fahrzeuge und ihrer Interaktion mit anderen Straßennutzern sowie mit der digitalen und

physischen Straßeninfrastruktur. Eine spezifische EU-Strategie zur vernetzten und

automatisierten Mobilität wurde als Teil des „dritten Mobilitätspakets“ verabschiedet30.

Diese Entwicklungen bieten ein immenses Potenzial bei der Reduzierung und letztendlich bei

der völligen Eliminierung von Fahrfehlern, schaffen jedoch auch neue Herausforderungen,

z. B. bei den Themen Cybersicherheit und Interaktion mit „herkömmlichen“ Fahrzeugen

sowie mit anderen Verkehrsteilnehmern.

30 Europäische Kommission (2018), Mitteilung „Auf dem Weg zur automatisierten Mobilität: eine EU-Strategie für die Mobilität der

Zukunft“, KOM/2018/283 endg.

Im Hinblick auf die Fahrzeugsicherheit ergreift die Kommission folgende Maßnahmen:

- untersucht, ob die nachträgliche Ausrüstung der bestehenden Fahrzeugflotte (vor

allem Busse und Lastkraftwagen) mit fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen

machbar und kosteneffizient ist;

- Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten, Interessenträgern und der UN-

Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) an den Durchführungsbestimmungen

für die neue Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen;

- Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten zwecks Schaffung der notwendigen

Voraussetzungen für das ordnungsgemäße Funktionieren des übersteuerbaren

intelligenten Geschwindigkeitsassistenten gemäß der überarbeiteten Verordnung

über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen, auch z. B. im Hinblick auf die

Verfügbarkeit von Geschwindigkeitsbegrenzungen in digitalem Format. In Zukunft

ist auch über die Machbarkeit und Akzeptabilität von nicht-übersteuerbaren

Geschwindigkeitsassistenten nachzudenken; und

- Ermutigen der Mitgliedstaaten, unter Beibehaltung des Wettbewerbs im

Binnenmarkt nationale Anreize zu schaffen, um die Einführung bewährter

Technologien durch eine breite Palette von Maßnahmen zu beschleunigen, zu

denen auch die Auftragsvergabe, Strategien für sicheres Reisen, steuerliche und

Versicherungsanreize zählen.

Die Kommission wird den Bedarf an weiteren Maßnahmen bewerten, die unter anderem

die Vorschriften für die Prüfung der Haftung von Altreifen, den Rechtsrahmen für die

technische Überwachung von Kraftfahrzeugen – einschließlich Maßnahmen zur

Bekämpfung potenzieller unbefugter Eingriffe durch Eigentümer/Halter – und die

Tatsache, dass Sicherheitserwägungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU

mehr im Vordergrund stehen sollten, betreffen.

Page 16: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

15

Die neue Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen bietet nun als

weltweit erster Rechtsakt dieser Art einen klaren Rechtsrahmen für die Zulassung von

automatisierten/vernetzten Fahrzeugen. Da die neue Verordnung erst ab 2022 für

automatisierte Fahrzeuge gilt, haben die Dienste der Kommission gemeinsam mit den

Mitgliedstaaten für die Zwischenzeit geltende Leitlinien für solche Fahrzeuge entwickelt.31

Die Kommission ist außerdem dabei, ein EU-Portal für die Koordination groß angelegter

Tests und vorbereitender Maßnahmen zur Entwicklung automatisierter/vernetzter Mobilität

einzurichten, die auch zur Behandlung von Themen verwendet werden könnte, die die

Sicherheit im Straßenverkehr betreffen. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in die

Europäische Partnerschaft für den sicheren und automatisierten Straßenverkehr einfließen,

welche im Rahmen des strategischen Planungsprozesses des zukünftigen Forschungs- und

Innovationsprogramms „Horizont Europa“ als Priorität benannt wurde.

In Anbetracht der Komplexität automatisierter Fahrfunktionen, benötigen die Behörden der

Mitgliedstaaten Zugriff auf die fahrzeuginternen Daten, um die Haftung im Schadensfall

bestimmen zu können. Des Weiteren ist zu erörtern, inwieweit das Erfassen anonymisierter

Daten über die Sicherheitsbilanz automatisierter Technologien reguliert werden muss, um die

Forschung und Entwicklung im Bereich der Straßenverkehrssicherheit zu ermöglichen. Dazu

gehören wichtige Aspekte des Datenzugriffs und des Datenschutzes. Ein weiterer Faktor sind

die immer komplexer werdenden Mensch-Maschine Schnittstellen (MMI). Schulung und

Qualifizierung müssen unbedingt angepasst werden, damit Fahrzeugführer die automatisierten

Fahrzeuge, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, bedienen können.

31 https://ec.europa.eu/growth/content/guidelines-exemption-procedure-eu-approval-automated-vehicles_en

Page 17: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

16

Nach Gesprächen mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten werden die

Kommissionsdienststellen Daten für KPI über Fahrzeugsicherheit auf der Grundlage der Euro

NCAP-Bewertungen erheben.

Im Hinblick auf die Vorbereitung auf vernetzte und automatisierte Mobilität ergreift

die Kommission folgende Maßnahmen:

- Umsetzung der EU-Strategie über die automatisierte/vernetzte Mobilität;

- Einführung von Spezifikationen für kooperative intelligente Verkehrssysteme

(delegierter Rechtsakt im Rahmen der Richtlinie über intelligente

Verkehrssysteme), einschließlich der Kommunikation zwischen Fahrzeugen bzw.

zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen

(https://ec.europa.eu/transport/themes/its/news/2019-03-13-c-its_en); und

- enge Zusammenarbeit mit den Interessenträgern, um einen Prozess zur

Entwicklung eines Verhaltenskodex für den Übergang zu höheren

Automatisierungsgraden einzuleiten, damit gewährleistet ist, dass Anforderungen

und Verfahren der Straßenverkehrssicherheit (gemischter Verkehr, Interaktion mit

anderen Straßenverkehrsteilnehmern, Übergabe der Steuerung, Verlust von

Fähigkeiten, Kolonnen, Shuttles usw.) in vollem Umfang Rechnung tragen, indem

vor allem sichergestellt wird, dass die nationalen Verkehrsvorschriften kohärent

sind und nicht in Widerspruch zu den EU-Kraftfahrzeugvorschriften stehen.

Im Rahmenzeitraum wird die Kommission den Bedarf an weiteren ergänzenden

Maßnahmen ermitteln, beispielsweise die Förderung der Harmonisierung der in

Fahrzeugen eingebauten Mensch-Maschine-Schnittstellen, um sicherzustellen, dass alle

Fahrer und Verkehrsteilnehmer mit Fahrzeugen interagieren können, ohne dass ihre

Sicherheit gefährdet wird, und den Zugriff auf Fahrzeugdaten zu regeln. Die Kommission

wird bewerten, ob die Rechtsvorschriften für den Führerschein, die technische

Überwachung, die Ausbildung von Berufskraftfahrern und die Lenkzeit überarbeitet

werden müssen, um Entwicklungen im Bereich der kooperativen, vernetzten und

autonomen Mobilität Rechnung zu tragen.

Des Weiteren wird die Kommission Anreize und Fördermaßnahmen für Forschung und

Entwicklung im Rahmen des neuen EU-Forschungs- und Entwicklungsprogramms

„Horizont Europa“ schaffen; dabei soll es vor allem um die Interaktion zwischen Mensch

und Technologie und insbesondere um Mensch-Maschine-Schnittstellen sowie den

sicheren Übergang zur Automatisierung gehen, wobei Rechtsdurchsetzung und Sicherheit,

die weitere Entwicklung der passiven Sicherheit für automatisierte Fahrzeuge sowie die

Ausfallsicherheit kritischer Fahrzeugkomponenten berücksichtigt werden sollen.

KPI für Fahrzeugsicherheit:

Anteil der neuen Personenkraftwagen mit einer Euro NCAP-Bewertung, die bei bzw. über

einem festgelegten Schwellenwert, z. B. 4 Sterne, liegt (soll genauer festgelegt werden).

Page 18: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

17

Gemäß Absprache mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, wäre ein Indikator, der das

Alter der Flotte berücksichtigt, vor allem in der Übergangszeit von Nutzen. Die

Kommissionsdienststellen werden weiter mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten

zusammenarbeiten um die Verwendung von Daten aus der technischen Überwachung als

Basis für einen anderen ergänzenden Indikator zu erörtern.

4.3 Sichere Straßennutzung

Die sichere Teilnahme am Straßenverkehr (angepasste Geschwindigkeit, Fahren ohne

Einfluss von Alkohol und anderen Rauschmitteln, Anlegen von Sicherheitsgurten,

Verwendung von Kinderrückhaltesystemen, Helmtragen) ist die dritte Säule bei der

Prävention und Minimierung von tödlichen Unfällen und schweren Verletzungen bei

Kollisionen. Im Zusammenhang mit diesen Themen spielt der menschliche Faktor bei der

Straßenverkehrssicherheit eine entscheidende Rolle und die Kommission wird eng mit den

Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, da diese Angelegenheiten bisher immer auf nationaler

Ebene behandelt wurden. Die Schwerpunktsetzung auf die allgemeine Ausbildung und

Aufklärung hat sich im Allgemeinen als weniger wirksam erwiesen und spielt in modernen

Safe-System-Ansätzen eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger sind dagegen die

Ausstellung von Fahrerlaubnissen, zielgerichtete Schulung und Bewusstseinsschärfung,

ergänzt durch strenge und dauerhafte Einhaltungs- und Durchsetzungsregelungen, wenn es

um die Fähigkeit und Bereitschaft der Straßenverkehrsteilnehmer zur sicheren Straßen-

und Fahrzeugnutzung geht.

Die EU-Richtlinie über den Führerschein32

, welche ein harmonisiertes EU-Modell für

Führerscheine und Mindestanforderungen für die Ausstellung einer Fahrerlaubnis vorsieht, ist

eines der greifbarsten und bekanntesten Instrumente der EU-Politik im Bereich der

Straßenverkehrssicherheit. Gemeinsam mit der kürzlich modernisierten Richtlinie über die

Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern33

, bildet einen Rahmen für die

Führerscheinausstellung und Fahrerschulung, der fortlaufend an neue Entwicklungen in der

Fahrzeug- und Infrastrukturtechnologie angepasst werden muss.

Vorschriften wie Geschwindigkeits- und Alkoholgrenzwerte sowie die Rechtsdurchsetzung

liegen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, obwohl die Verantwortung für das Festlegen

von Höchstgeschwindigkeiten auf anderen Straßen als Autobahnen und auf innerstädtischen

Straßen häufig den Regionen oder Gemeinden überlassen wird. Eine wichtige EU-

Komponente kann jedoch auch hier zum Tragen kommen: die EU hat Rechtsvorschriften

ausgearbeitet, mit denen die Verfolgung von Verkehrssündern, die in einem anderen

Mitgliedstaat gegen Verkehrsregeln verstoßen haben, erleichtert wird. Nicht gebietsansässige

Fahrer tragen zu 5 % des Verkehrsaufkommens bei, sind jedoch für 15 % der Verkehrsdelikte

verantwortlich. Die derzeit geltende Gesetzgebung34

über die grenzüberschreitende

Durchsetzung bei der Ahndung von Verkehrsdelikten, die sich mit den schwersten Vergehen

wie überhöhte Geschwindigkeit, Überfahren roter Ampeln, Fahren ohne Sicherheitsgurte und

Fahren unter Alkoholeinfluss auseinandersetzt, beschränkt sich lediglich auf den

Informationsaustausch zwischen den Behörden über im Ausland begangene Verkehrsdelikte.

Die Kommissionsdienststellen prüfen derzeit, wie diese Verfahren effektiver gestaltet werden

32 Richtlinie 2006/126/EG des Rates über den Führerschein.

33 Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der

Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates und der Richtlinie 91/439/EWG des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 76/914/EWG des Rates, ABl. L 226 vom 10.9.2003.

34 Richtlinie (EU) 2015/413 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit

gefährdende Verkehrsdelikte.

Page 19: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

18

könnten. Eine weitere zu untersuchende Frage ist, ob die gegenseitige Anerkennung des

Entzugs von Fahrerlaubnissen und der Strafpunkte (sofern ein Punktesystem vorhanden ist)

zwischen verschiedenen Ländern machbar ist und einen Mehrwert erzeugt.

4.3.1 Sichere Geschwindigkeit

Etwa ein Drittel der tödlichen Unfälle werden (zu einem Teil) durch überhöhte oder

unangepasste Geschwindigkeit verursacht35

. Forschungsergebnisse zeigen, dass das Risiko,

in einen Unfall verwickelt zu werden, beim Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit um das

12,8-fache höher liegt als beim Fahren mit angepasster Geschwindigkeit36

. Unfälle bei hoher

Geschwindigkeit verursachen zudem weitaus schwerere Schäden als Unfälle bei niedrigeren

Geschwindigkeiten. Auf der Grundlage von Forschungsergebnissen37

hat der Europäische Rat

für Verkehrssicherheit (ETSC) errechnet, dass auf sämtlichen Straßen der EU jedes Jahr mehr

als 2200 tödliche Unfälle verhindert werden könnten, wenn die Durchschnittsgeschwindigkeit

lediglich 1 km/h niedriger läge.

Vergleiche darüber, in welchem Umfang die Höchstgeschwindigkeiten in den verschiedenen

Mitgliedstaaten eingehalten werden, lassen sich nicht leicht anstellen; doch angesichts der

Bedeutung der Einhaltung von Höchstgeschwindigkeiten und auf der Grundlage der

Ergebnisse der Arbeit mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, werden die

Kommissionsdienststellen Daten für einen Geschwindigkeits-KPI erheben, der auf objektiven

Beobachtungen beruhen soll.

4.3.2 Fahren im nüchternen Zustand (Alkohol und andere Rauschmittel)

Das Problem der Trunkenheit im Straßenverkehr lässt sich nur schwer beziffern (Die

Methoden der Datenerhebung unterscheiden sich stark voneinander), es kann jedoch

realistisch angenommen werden, dass Alkohol bei etwa 25 % aller tödlichen Unfälle eine

Rolle spielt38

.

Die Größenordnung des Einflusses von Drogen lässt sich noch schwerer feststellen, da es

keine harmonisierten Testmethoden gibt und noch keine systematische Datenerhebung

stattfindet. Es wurde jedoch gezeigt, dass das Fahren unter dem Einfluss mancher

35 OECD/ECMT (2006): Geschwindigkeitsmanagement.

36 Dingus et al (2016): Driver crash risk factors and prevalence evaluation using naturalistic driving data.

37 Elvik et al. (2019): Elvik R, Vadeby A, Hels T und van Schagen I (2019) Updated estimates of the relationship between speed and road safety at the aggregate and individual levels.

38 Unfälle mit tödlichem Ausgang, bei denen mindestens eine beteiligte Partei unter Alkoholeinfluss stand; Europäische Kommission

(2014), Study on the prevention of drink-driving by the use of alcohol interlock devices Final Report.

KPI für Geschwindigkeit:

Prozentualer Anteil der Fahrzeuge, die ohne Überschreiten der zulässigen

Höchstgeschwindigkeit fahren.

Page 20: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

19

verschreibungspflichtiger Medikamente und illegalen Drogen das Unfallrisiko um einen

Faktor zwischen 2 und 7 erhöhen kann39

.

Derzeit empfiehlt die Kommission eine maximal zulässige Blutalkoholkonzentration

(BAK) von 0,5 % für den Großteil der Autofahrer40

. Einige Mitgliedstaaten und Verbände,

die sich für die Sicherheit im Straßenverkehr einsetzen, fordern eine Überarbeitung dieses

Grenzwertes sowie eine stärkere Harmonisierung, möglicherweise mit Sonderregelungen für

bestimmte Risikogruppen wie Berufskraftfahrer oder Fahranfänger.

Es wurde allgemein vereinbart, dass ein KPI über das Fahren unter Drogeneinfluss sehr

wichtig, jedoch noch nicht realisierbar ist. Weiterer Handlungsbedarf besteht noch bei

Drogentestverfahren aufgrund der sehr unterschiedlichen (sowohl legalen als auch illegalen)

psychoaktiven Substanzen, die erkannt werden müssen. In Bezug auf die Kosten gibt es

ebenfalls noch unbeantwortete Fragen; zudem gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den

Praktiken in den einzelnen Mitgliedstaaten. Es wird in diesem Bereich weiter gearbeitet, einen

KPI hat die Kommission in dieser Phase aber noch nicht festgelegt.

Ein KPI für das Fahren unter Alkoholeinfluss erscheint machbarer, es sind jedoch noch immer

große Unterschiede in der Methodologie vorhanden. Ein KPI auf der Grundlage von

stichprobenartigen Blutalkoholkontrollen ist die bevorzugte Option, da man allgemein davon

ausgeht, auf diese Weise ein genaues Bild der Situation zu erhalten. Da stichprobenartige

Blutalkoholkontrollen jedoch kostspielig sind und in einigen Mitgliedstaaten nicht erlaubt

sind, gelten die Ergebnisse aus Atemalkoholtests als nächstbeste Option. Falls aus objektiven

Gründen keine dieser beiden Optionen machbar sein sollte, sind Daten aus Selbstauskünften

im Rahmen anonymer Umfragen möglicherweise ebenfalls akzeptabel.

4.3.3 Vermeiden von Ablenkungen beim Fahren

Es werden immer mehr Belege dafür gefunden, dass Ablenkungen beim Fahren,

insbesondere durch Mobilgeräte wie Smartphones, aber auch durch im Fahrzeug integrierte

elektronische Systeme, Unfälle zu einem erheblichen Teil mitverursachen.

Forschungsergebnisse machen deutlich, dass sich das Unfallrisiko beim Wählen von

Telefonnummern um das 12,2-fache und beim Schreiben von Textnachrichten um das 6,1-

fache erhöht41

. Es wurde festgestellt, dass Ablenkung bei 10 bis 30 % der Unfälle im

Straßenverkehr ein mitverursachender Faktor war, und spanische Behörden haben gemeldet,

dass Ablenkungen im Jahr 2017 den größten Risikofaktor darstellten, und zwar noch vor den

Faktoren überhöhte Geschwindigkeit und Alkoholeinfluss42

. Es ist jedoch weitere Forschung

über die Größenordnung des Problems (und Lösungsansätze) notwendig. Erste Schritte

39 Final report of DRUID project (2012) (http://www.emcdda.europa.eu/publications/thematic-papers/druid_en). 40 Empfehlung der Kommission vom 17. Januar 2001 über die maximal zulässige Blutalkoholkonzentration (BAK) bei Kraftfahrern.

41 Dingus et al (2016): Driver crash risk factors and prevalence evaluation using naturalistic driving data.

42 http://www.dgt.es/Galerias/prensa/2018/09/NP-campana-de-distracciones.pdf

KPI für das Fahren im nüchternen Zustand:

Prozentualer Anteil der Fahrer innerhalb des gesetzlich zugelassenen Grenzwertes für die

Blutalkoholkonzentration (BAK).

Page 21: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

20

werden bereits eingeleitet. Auf technischer Ebene werden mit der überarbeiteten Verordnung

über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen Technologien zur Müdigkeitsdetektion

und zur Warnung vor Ablenkung eingeführt, welche die Aufmerksamkeit des Fahrers

überwachen und ihn bei Bedarf warnen. Diese Systeme sollen zur Pflichtausstattung von

Fahrzeugen werden.

Da die zunehmende Nutzung von Mobilgeräten, hauptsächlich Smartphones und

insbesondere die Nutzung von Apps zum Versenden von Textnachrichten zu einem starken

Anstieg von ablenkungsbedingten Unfällen geführt hat, wurde die Nutzung eines tragbaren

Geräts oder Handys während der Fahrt als einfaches und messbares Kriterium gewählt, um

das Problem der Ablenkung von Fahrern zum Zweck der Festlegung eines KPI beurteilen zu

können43

.

4.3.4 Nutzung von Sicherheitsgurten, Kinderrückhaltesystemen und

Schutzausrüstung

Eine Schätzung anhand von Daten aus der europäischen Datenbank CARE44

ergab, dass

bereits jetzt in der EU jedes Jahr etwa 5700 Menschenleben durch Sicherheitsgurte und

Kinderrückhaltesysteme gerettet werden und dass weiteren ca. 2800 Menschen das Leben

gerettet werden könnte, wenn alle Fahrzeuginsassen immer angeschnallt wären. In

Reisebussen besteht nach bereits geltendem EU-Recht45

Anschnallpflicht; Studien zeigen

jedoch, dass die Vorschriften kaum beachtet werden46

.

Durch die Helmpflicht für Motorrad- und Mopedfahrer kann die Zahl tödlicher Verletzungen

erheblich reduziert werden. Würden 100 % der Zweiradfahrer einen Helm tragen, könnte dies

schätzungsweise 206 Menschen pro Jahr das Leben retten47

.

In den Mitgliedstaaten und in der allgemeinen Debatte herrschen unterschiedliche Meinungen

darüber, ob das Tragen eines Helms für Radfahrer Pflicht sein sollte. Einige

Mitgliedstaaten haben eine Helmpflicht für Kinder eingeführt. Für die Wirksamkeit von

Helmen gibt es belastbare Belege: Die Forschung hat gezeigt, dass Helme die Zahl der

schweren und tödlichen Kopfverletzungen um etwa drei Viertel reduzieren können (65 %

weniger Todesfälle und 69 % weniger schwere Kopfverletzungen)48

.

Die folgenden beiden KPI werden in diesem Bereich verwendet:

43 Eine negative Formulierung (Prozentualer Anteil der Fahrer, die KEIN tragbares Gerät oder Handy benutzen) wurde gewählt, damit es

nicht zu verwirrenden Resultaten in der Gegenüberstellung mit anderen Indikatoren kommt.

44 https://ec.europa.eu/transport/road_safety/specialist/statistics_de 45 Richtlinie 2003/20/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit

einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen.

46 Fundación MAPFRE (2017), Bericht über die Verwendung von Sicherheitsgurten in Bussen (nur in spanischer Sprache), https://www.fundacionmapfre.org/documentacion/publico/i18n/consulta/registro.cmd?id=159788.

47 Jeanne Breen Consulting (2018).

48 Olivier, Creighton (2016), Bicycle helmets and helmet use: a systematic review and meta-analysis, International Journal of Epidemiology.

KPI für Fahrerablenkung:

Prozentualer Anteil der Fahrer, die kein tragbares Gerät oder Handy benutzen.

Page 22: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

21

5.3.5 Neue Mobilitätsformen und demografischer Wandel

Bei den Mobilitätsformen sind tiefgreifende Veränderungen im Gange. Immer mehr

Menschen entscheiden sich für das Fahrrad (wozu auch E-Bikes zählen) oder gehen zu Fuß,

sei es aus Gründen des Umweltschutzes oder um selbst gesund und fit zu bleiben. Das

bedeutet aber auch, dass eine größere Anzahl gefährdeter und ungeschützter

Verkehrsteilnehmer auf den Straßen unterwegs ist. Stärkere politische Maßnahmen zur

Förderung aktiver Mobilität können insbesondere in urbanen Räumen einen großen Beitrag

zur Reduzierung von CO2-Emissionen, zur Verbesserung der Luftqualität und zur

Verringerung der Verkehrsbelastung leisten. Solche Maßnahmen, die Anreize für alternative

Mobilitätsformen schaffen, müssen jedoch auch den Sicherheitsaspekt systematisch

berücksichtigen.

Die gemeinschaftliche Nutzung von Verkehrsmitteln (Carsharing oder Bicycle-Sharing)

erweitert die Mobilitätsoptionen und wirkt sich positiv auf die Umwelt aus, insbesondere

durch den verstärkten Fokus von Carsharing-Anbietern auf Elektrofahrzeuge. Es sind jedoch

noch Probleme zu bewältigen: Carsharing-Fahrzeuge sind möglicherweise mit

Sicherheitsfunktionen ausgestattet, mit denen Fahrer nicht vertraut sind. Welche

Auswirkungen dies auf die Sicherheit hat, muss noch festgestellt werden. Inwieweit die

Angebote von bestimmten Nutzergruppen (hauptsächlich Familien) angenommen werden,

hängt auch davon ab, ob die Fahrzeuge mit Kinderrückhaltesystemen ausgestattet sind.

Umgekehrt können Carsharing-Flotten, die neuer und besser gewartet sind als der

durchschnittliche private Pkw, einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr leisten.

Eine neue Herausforderung stellt insbesondere in urbanen Umgebungen die Verbreitung von

„Free Floating“-Angeboten für (elektrisch betriebene und konventionelle) Fahrräder und

Elektroroller dar, wobei die Nutzer die Räder und E-Scooter nach Gebrauch an jedem

beliebigen Ort abstellen können. Während dies den Mobilitätsmix in Städten bereichert, sollen

Mitgliedstaaten und Gemeinden derzeit die richtige Basis für eine Nutzung finden, die

innovative Formen urbaner Mobilität fördert, jedoch gleichzeitig Sicherheit gewährleistet. Es

gibt in diesem Bereich derzeit keine konkrete EU-Initiative; die Kommission fördert jedoch

den Erfahrungsaustausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und prüft wie ein

sicherer Rahmen für die Nutzung dieser Angebote gewährleistet werden kann.

Der demografische Wandel führt dazu, dass ein wachsender Anteil älterer Menschen sichere

Mobilitätsformen benötigt. Die sichere Mobilität muss inklusiv gestaltet werden, sodass auch

die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden.

KPI für Schutzausrüstung:

Prozentualer Anteil der Fahrer von motorisierten Zweirädern und Fahrrädern, die einen

Sturzhelm tragen.

KPI für die Verwendung von Sicherheitsgurten und Kinderrückhaltesystemen:

Prozentualer Anteil der Fahrzeuginsassen, die Sicherheitsgurte oder

Kinderrückhaltesysteme korrekt anlegen.

Page 23: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

22

Nicht zuletzt ist die Sicherheit am Arbeitsplatz ein wichtiger Aspekt, der insbesondere für

Spediteure und andere Transportunternehmen von Bedeutung ist.

Hinsichtlich der sicheren Teilnahme am Straßenverkehr ergreift die Kommission

folgende Maßnahmen:

- Vorantreiben der Aktualisierung der UNECE-Regelung, wodurch Gurtwarner für

alle Sitzplätze in Personenkraftwagen und Lieferwagen sowie auf sämtlichen

Vordersitzen in Lkw und Bussen verbindlich vorgeschrieben werden;

- Bewertung von Optionen zur Verbesserung der Wirksamkeit der Richtlinie über

den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen über

Straßenverkehrsdelikte auf der Grundlage einer 2016 durchgeführten Evaluierung;

- Prüfen einer möglichen Überarbeitung der europäischen Richtlinie über den

Führerschein und einer möglichen Gesetzgebungsinitiative über die gegenseitige

Anerkennung des Entzugs der Fahrerlaubnis;

- Erörtern wie die EU-Empfehlung zur zulässigen Blutalkoholkonzentration

verschärft werden kann, z. B. durch die Empfehlung strengerer Grenzwerte für

Berufskraftfahrer und/oder Fahranfänger und Leitlinien für die Verwendung von

Alkohol-Wegfahrsperren.

Die Kommission wird außerdem im Rahmen des künftigen Forschungs- und

Innovationsprogramms „Horizont Europa“ die Forschung im Hinblick auf die

Entwicklung von Prüfmethoden und kostengünstigeren Instrumenten zum Aufspüren von

Drogen sowie die automatische Bewertung der Fahrtüchtigkeit und die Vermeidung von

Unaufmerksamkeit, auch aufgrund von Ablenkung durch im Fahrzeug eingebaute

elektronische Systeme, fördern und unterstützen. Sie wird bewerten, ob individuelle

elektronische Gurtwarner in Reisebussen verbindlich vorgeschrieben werden sollten und

ob mit der Industrie ein Kodex bewährter Verfahren ausgearbeitet werden sollte, um

sicherzustellen, dass Informationssysteme und Telefone in Fahrzeugen so gestaltet sind,

dass sie sicher genutzt werden können. Die Kommission wird den Bedarf an weiteren

Maßnahmen ermitteln, beispielsweise in Bezug auf die Festlegung und Anwendung des

Begriffs der „sicheren Geschwindigkeit“; Schutzausrüstung für Zweiradfahrer, z. B.

Fahrradhelme und Schutzkleidung für Motorradfahrer; und/oder stufenweise Erteilung der

Fahrerlaubnis für Fahranfänger.

Darüber hinaus wird die Kommission Aspekte der Straßenverkehrssicherheit im Rahmen

der Mobilitätsplanung in Städten, der Sicherheit am Arbeitsplatz, der Fahrtauglichkeit und

neuer Geschäftsmodelle in der Personenbeförderung prüfen. Unter dem künftigen EU-

Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ wird die

Kommission außerdem Anreize für Forschung und Innovation schaffen und diese Bereiche

mit dem Ziel fördern, das Fachwissen auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit zu

erweitern, z. B. auch hinsichtlich neuer Mobilitätsformen und sozialer Veränderungen.

Page 24: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

23

4.4 Schnelle und wirksame Notfalleinsätze

Etwa 50 % der Todesfälle nach Zusammenstößen im Straßenverkehr treten innerhalb von

Minuten am Unfallort oder auf dem Weg zum Krankenhaus ein. Bei Patienten, die in ein

Krankenhaus gebracht werden, tritt der Tod in 15 % der Sterbefälle innerhalb der ersten vier

Stunden nach dem Unfall und in 35 % der Sterbefälle nach mehr als vier Stunden ein49

. Unter

der Versorgung nach einem Unfall bzw. Traumamanagement versteht man die medizinische

Erstversorgung nach einem Unfall, wobei diese am Unfallort, auf dem Weg in ein

medizinisches Versorgungszentrum oder auch nachfolgend geleistet werden kann. Durch

wirksame Versorgung nach einem Unfall, einschließlich des raschen Transports zur

geeigneten Einrichtung durch qualifiziertes Personal, werden Verletzungsfolgen verringert.

Forschungsergebnisse zeigen, dass eine Verkürzung des Zeitraums zwischen dem Unfall und

der Ankunft in der Notaufnahme von 25 auf 15 Minuten die Zahl der Todesfälle um ein

Drittel50

verringern könnte und dass die systematisierte Schulung von Rettungsdiensten und

Ambulanzteams die Zeit für die Bergung in einem Pkw oder Lkw eingeschlossener Insassen

um 40-50 % verringern könnte51

.

In diesem Kontext überwacht die Kommission die Auswirkungen der Einführung von eCall52,

dem automatisierten Notruf bei einem Unfall, sehr genau.

Als Ergebnis der fachlichen Zusammenarbeit zwischen den Kommissionsdienststellen und

Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, werden die folgenden KPI verwendet:

49 Europäische Kommission (2018), ERSO Synthesis on post-impact care.

50 Sánchez-Mangas, García-Ferrer, de Juan, Arroyo (2010), The probability of death in road traffic accidents. How important is a quick medical response? Accident Analysis and Prevention 42 (2010) 1048.

51 Europäische Kommission (2018), ERSO Synthesis on post-impact care.

52 https://ec.europa.eu/transport/themes/its/road/action_plan/ecall_en

Hinsichtlich der wirksamen Versorgung nach einem Unfall ergreift die Kommission

folgende Maßnahmen:

- Bewertung der Auswirkungen von eCall und die mögliche Ausweitung auf andere

Fahrzeugkategorien (Lastkraftwagen, Kraftomnibusse, Krafträder und

landwirtschaftliche Zugmaschinen);

- Erleichterung engerer Kontakte zwischen den für die Straßenverkehrssicherheit

zuständigen Behörden und dem Gesundheitssektor, um den weiteren praktischen

und Forschungsbedarf zu bewerten (z. B. Verbesserung der Diagnose am Unfallort

sowie der Kommunikationssysteme und Standards für Rettungsdienste; weitere

Entwicklung von Rettungsverfahren; sicherstellen, dass Verletzungen von

qualifizierten Personen in geeigneten medizinischen Einrichtungen behandelt

werden; rascherer Transport von Verletzten in die Notaufnahme oder die

schnellere Bereitstellung medizinischer Hilfe am Unfallort, z. B. durch Drohnen).

Page 25: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

24

5. Das weltweite Gesamtbild und die Rolle der EU

Die EU hat die sichersten Straßen der Welt mit nur 2 % der schätzungsweise 1,35 Millionen

Straßenverkehrstoten weltweit. Obwohl noch viel zu tun bleibt, muss in der Rückschau

betrachtet werden, in welchen Bereichen Initiativen auf allen Ebenen in den letzten

Jahrzehnten die größte Wirkung hatten und wo die in Europa gesammelten Erfahrungen in

anderen Teilen der Welt den größten Nutzen entfalten könnten. Dazu gehört auch der für die

Straßenverkehrssicherheit in der EU gewählte Management-Ansatz sowie die Wahl von KPI

und entsprechenden Messverfahren.

Der Fokus der Kommission richtet sich tendenziell auf die unmittelbaren Nachbarländer,

insbesondere auf die Länder des westlichen Balkans und der östlichen Partnerschaft. Beide

Regionen haben 2018 die Erklärungen zur Straßenverkehrssicherheit unterzeichnet und die

EU unterstützt sie bei ihrer Einführung. Wir sind uns jedoch unserer globalen Rolle in

zunehmendem Maße bewusst. Die Sicherheit im Straßenverkehr in eines der Felder, die für

eine intensivierte Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent ausgewählt wurden,

im Rahmen einer gemeinsamen verkehrspolitischen Taskforce der EU und Afrika53, die von

der Europäischen Kommission und der Kommission der Afrikanischen Union organisiert

wurde. Drei Sitzungen des Ergebnisbereichs Straßenverkehrssicherheit finden 2019 statt, von

denen konkrete Empfehlungen für eine weitere Kooperation erwartet werden. Im Einklang

mit der Konnektivitätsstrategie EU-Asien fördert die Kommission die Sicherheit im

Straßenverkehr durch Weitergabe bewährter Verfahren und geeigneter Lösungen zur

Verringerung der Zahl tödlicher Unfälle und Verletzungen im Rahmen ihres Engagements im

Verbund mit asiatischen Ländern54. Bereits 2019 fand eine enge Zusammenarbeit mit den

ASEAN-Ländern durch das Projekt E-READI55 statt.

Die EU beteiligt sich am neu geschaffenen Fonds für Verkehrssicherheit der Vereinten

Nationen und ist mit einem Sitz im zugehörigen Beratungsausschuss vertreten.

Zur Betrachtung der Rolle der EU beim Thema Sicherheit im Straßenverkehr gehört darüber

hinaus die Bewertung ihrer Rolle gegenüber den Vereinten Nationen und insbesondere der

Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE). Wenn es um die

Regulierung von Fahrzeugen geht, spricht die EU bereits mit einer Stimme (Weltforum für

die Harmonisierung der Regelungen für Kraftfahrzeuge, Arbeitsgruppe 29), ist Vertragspartei

zweier Vereinbarungen über die Regulierung von Fahrzeugen56

und war sehr aktiv bei der

Einrichtung einer eigenen Arbeitsgruppe für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge

(Arbeitsgruppe für automatisierte/autonome und vernetzte Fahrzeuge, GRVA). Es ist zu

bewerten, wie die Rolle der EU verstärkt werden könnte, insbesondere da eine potenzielle

Änderung der Übereinkommen von Wien und Genf über den Straßenverkehr im Hinblick auf

53 https://ec.europa.eu/transport/modes/air/news/2019-01-24-africa-europe-alliance_en

54 https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/joint_communication_-_connecting_europe_and_asia_-_building_blocks_for_an_eu_strategy_2018-09-19.pdf

55 https://ec.europa.eu/europeaid/enhanced-regional-eu-asean-dialogue-instrument-e-readi-action-document_en

56 Siehe Entscheidungen des Rates 97/836/EG und 2000/125/EG.

KPI für die wirksame Versorgung nach einem Unfall:

Verstrichene Zeit in Minuten und Sekunden zwischen dem Notruf nach einer Kollision mit

Personenschäden und der Ankunft der Rettungsdienste am Unfallort.

Page 26: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

25

die Entwicklung der Automatisierung derzeit im Global Forum for Road Traffic Safety

(Globales Forum für Straßenverkehrssicherheit – AG1) der UNECE zur Diskussion steht.

Die weltweite Ministerkonferenz zum Thema Sicherheit im Straßenverkehr, die im

Februar 2020 in Stockholm stattfindet, bietet eine wichtige Chance, im Hinblick auf das

laufende „UN-Jahrzehnt der Verkehrssicherheit“ Bilanz zu ziehen und Leitlinien für die

kommenden 10 Jahre sowie globale Zielsetzungen zu entwickeln. Im Rahmen der Ziele für

nachhaltige Entwicklung (SDG) will man mit dem SDG-Ziel 3.6 die Zahl der

Straßenverkehrstoten und schweren Verletzungen bis 2020 halbieren; gleichzeitig sieht das

SDG-Ziel 11.2 eine Schwerpunktsetzung auf sichere und nachhaltige Verkehrssysteme für

alle im urbanen Kontext vor. Dazu soll die Sicherheit im Straßenverkehr verbessert werden,

wobei speziellen Gruppen wie Kindern und gefährdeten Verkehrsteilnehmern besondere

Aufmerksamkeit zuteilwird.

In Anbetracht der Größenordnung, welche die Probleme im Bereich der

Straßenverkehrssicherheit weltweit einnehmen, ist global ein neues, ehrgeiziges mittelfristiges

Ziel erforderlich. Eine weitere entscheidende Frage wird sein, wie sich die Ziele im Bereich

Straßenverkehrssicherheit mit anderen Entwicklungszielen verbinden lassen, insbesondere bei

den Themen Nachhaltigkeit und Gesundheit, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Hinsichtlich der Aktivitäten zur Förderung der Straßenverkehrssicherheit außerhalb

der EU ergreift die Kommission folgende Maßnahmen:

Sie beteiligt sich am neu geschaffenen Treuhandfonds für Straßenverkehrssicherheit

der Vereinten Nationen und ist mit einem Sitz im Beratungsausschuss vertreten;

- sie ist gemeinsam mit der Kommission der Afrikanischen Union Mitorganisatorin

des Ergebnisbereichs Straßenverkehrssicherheit in der verkehrspolitischen Taskforce

der EU und Afrika;

- die Zusammenarbeit im Bereich der Straßenverkehrssicherheit mit den EU-

Nachbarn, insbesondere den Westbalkan und den Ländern der östlichen

Partnerschaft, wird weiter ausgebaut, gestützt auf die Erklärungen zur

Straßenverkehrssicherheit, die 2018 verabschiedet wurden, vor allem durch den

Austausch bewährter Verfahren und Unterstützung des Kapazitätsaufbaus;

- Einsatz für die Weiterentwicklung der UNECE–Regelungen für Kraftfahrzeuge bei

entsprechender Erfordernis durch die neue Verordnung über die allgemeine

Sicherheit von Kraftfahrzeugen;

- die Kommission prüft, wie die Koordinierung der Verkehrsvorschriften (Genfer

Abkommen und Wiener Übereinkommen der VN), auch auf EU-Ebene, gestärkt

werden kann, damit die Verkehrsvorschriften auf harmonisierte Weise an die

kooperative, vernetzte und autonome Mobilität angepasst werden können; und

- sie analysiert, welche Forschungs- und Innovationsbemühungen im kommenden EU-

Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ zur drastischen

Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit außerhalb der EU und insbesondere in

Entwicklungsländern beitragen können.

Page 27: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

26

6. Überwachung und Überprüfung

Die ersten acht oben beschriebenen KPI bilden gemeinsam mit den Ergebnisindikatoren

(Straßenverkehrstote und schwere Verletzungen) die Basis für die Überwachung des

Fortschritts bei der gemeinsamen Arbeit für die Sicherheit im Straßenverkehr auf EU-Ebene

sowie auf Mitgliedstaaten-, Regionen- und lokale Ebene. Im Jahr 2020 werden auch die

Mitgliedstaaten mit der Datenerhebung beginnen können; dieses Jahr wird dann als Referenz

für die Werte der Indikatoren dienen. Im selben Jahr (2020) wird die Kommission die Daten

gemeinsam mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten analysieren und im Jahr 2021

Bericht erstatten. Die Arbeiten zur Stärkung der bestehenden KPI und zur Entwicklung

zusätzlicher KPI werden ebenfalls weitergehen.

Im nächsten Schritt wird die Kommission außerdem mit den Mitgliedstaaten an

ergebnisbezogenen Zielen auf der Grundlage der Indikatoren arbeiten, soweit dies möglich

ist. Bei diesen Arbeiten muss berücksichtigt werden, dass Ergebnisse bei abweichenden

nationalen Vorschriften (z. B. unterschiedliche Grenzwerte für die Blutalkoholkonzentration

oder Helmpflicht für Radfahrer) nicht miteinander vergleichbar sind.

Die Fortschritte werden in erster Linie in der hochrangigen Gruppe für die

Straßenverkehrssicherheit überwacht. Die Kommission hat damit begonnen, eine Sitzung

der Gruppe pro Jahr für Interessenträger zu öffnen, um die Transparenz und Inklusivität der

Arbeit der Gruppe zu gewährleisten und so weit wie möglich von Rückmeldungen über ihre

Entscheidungen zu profitieren.

Darüber hinaus wird die Kommission alle zwei Jahre eine Ergebniskonferenz organisieren,

an der die Öffentlichkeit und private Interessenträger teilnehmen können, und welche die

Chance bietet, über das Erreichte Bilanz zu ziehen und Teilnehmern ein Forum zur Analyse

und zum Austausch bereitzustellen.

Page 28: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

27

ANHANG: Liste der KPI und zugrundeliegende Methodik

Indikator Begriffsbestimmung

1 Geschwindigkeit Prozentualer Anteil der Fahrzeuge, die ohne Überschreiten der

zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahren

2 Sicherheitsgurte Prozentualer Anteil der Fahrzeuginsassen, die Sicherheitsgurte oder

Kinderrückhaltesysteme korrekt anlegen

3 Schutzausrüstung Prozentualer Anteil der Fahrer von zweirädrigen Kraftfahrzeugen

und Fahrrädern, die einen Sturzhelm tragen

4 Alkohol Prozentualer Anteil der Fahrer innerhalb des gesetzlich zugelassenen

Grenzwertes für die Blutalkoholkonzentration (BAK)

5 Ablenkung Prozentualer Anteil der Fahrer, die KEIN tragbares Gerät oder

Handy benutzen

6 Fahrzeugsicherheit

Anteil der neuen Personenkraftwagen mit einer Euro NCAP-

Sicherheitsbewertung, die mindestens über einem festgelegten

Schwellenwert liegt*

7 Infrastruktur Anteil in Prozent der zurückgelegten Strecke auf Straßen mit einer

Sicherheitsbewertung über einem vereinbarten Schwellenwert*

8

Wirksame

Versorgung nach

einem Unfall

Verstrichene Zeit in Minuten und Sekunden zwischen dem Notruf

nach einer Kollision mit Personenschäden und der Ankunft der

Rettungsdienste am Unfallort

* Für diesen KPI sind ergänzende Definitionen vorgesehen.

Page 29: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

28

Allgemeine Überlegungen

Die nachfolgend beschriebenen methodischen Überlegungen gelten für alle Indikatoren:

Geografische Reichweite: Grundsätzlich sollte der Indikator für das gesamte Gebiet des

Mitgliedstaates repräsentativ sein. Ausnahmen (z. B. bei Inseln) sollten präzise definiert und

der Kommission durch die Mitgliedstaaten mitgeteilt werden.

Stichprobenauswahl: Falls der Wert des Indikators im Stichprobenverfahren ermittelt wird,

können die Mitgliedstaaten die Methodologie der Probenahme selbst definieren. Auf lange

Sicht wäre es natürlich hilfreich, wenn die Mitgliedstaaten in Kooperation mit der

Kommission gemeinsame Grundlagen für Stichprobenverfahren ausarbeiteten. In der

Zwischenzeit sollten die Verfahren auf bewährte statistische Techniken zurückgreifen, die

zuverlässige und repräsentative Ergebnisse liefern. Beispiel:

o Die Stichprobenwahl sollte soweit wie möglich zufällig erfolgen (über die genaue

Methodologie würden weiterhin die Mitgliedstaaten entscheiden)

o Stichprobenumfang: Die Mitgliedstaaten entscheiden über die benötigte Größe.

o Falls das Aggregationsverfahren eingesetzt wird, sollten die Ergebnisse möglichst

nach zurückgelegter Wegstrecke gewichtet werden.

Zusammenhang zwischen den Indikatoren und Verkehrsregeln:

Es ist zu erwähnen, dass sich manche Indikatoren auf Verhaltensweisen beziehen, die durch

das Straßenverkehrsrecht geregelt sind, wobei die Gesetzeslage in manchen Fällen je nach

Mitgliedstaat unterschiedlich ist. Die Grenzwerte für die Blutalkoholkonzentration (BAK) sind

z. B. unterschiedlich, was bei der Betrachtung der Ergebnisse berücksichtigt werden sollte.

Die Nutzung von Fahrradhelmen ist ein ähnlicher Fall, da im Allgemeinen – außer in einigen

Fällen für Kinder – keine Helmpflicht besteht. Andere Bereiche, z. B. die über die

Mindestanforderungen für die Typgenehmigung hinausgehende Sicherheitsbewertung von

Fahrzeugen, stehen nicht mit gesetzlichen Pflichten im Zusammenhang.

In sämtlichen Fällen wird den Indikatorergebnissen ein Hinweis zur Methodik beigefügt, um

Unklarheiten zu vermeiden.

Page 30: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

29

KPI 1. Wesentlicher Leistungsindikator für Geschwindigkeit

Hintergrund

Überhöhte Geschwindigkeit wird regelmäßig als eine der häufigsten Unfallursachen genannt; sie ist

mit der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schwere von Kollisionen verbunden.

Begriffsbestimmung

Prozentualer Anteil der Fahrzeuge, die ohne Überschreiten der zulässigen

Höchstgeschwindigkeit fahren.

Methodik

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Erfassung von

Straßenkategorien

Der Indikator sollte Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen und

innerstädtische Straßen erfassen. Die Ergebnisse sollten in drei

verschiedenen Straßenkategorien getrennt dargestellt werden.

Fahrzeugart Der Indikator sollte mindestens Personenkraftwagen (Pkw) erfassen.

Busse und Lieferwagen (leicht [unter 3,5 t] und schwer [über 3,5 t])

sowie zweirädrige Kraftfahrzeuge sind in der ersten Phase optional

(Die Ergebnisse sollten wenn möglich nach Fahrzeugtyp getrennt

dargestellt werden).

Messstelle Die Mitgliedstaaten entscheiden über die Messstandorte; die

Messungen sollten jedoch nicht in der Nähe von fest installierten oder

mobilen Überwachungskameras/Blitzern erfolgen. Die Wahl der

Messstandorte sollte möglichst nach dem Zufallsprinzip und mit dem

Ziel erfolgen, eine möglichst objektive und repräsentative Stichprobe

zu erhalten.

Uhrzeit Alle Mitgliedstaaten sollten die Daten für den Indikator tagsüber und

in frei fließendem Verkehr erfassen; der Nacht-Indikator sollte

aufgrund der höheren Kosten optional sein. Die Ergebnisse sollten

nach Tag und Nacht getrennt dargestellt werden.

Wochentag Messungen sind dienstags, mittwochs oder donnerstags durchzuführen.

Messungen an Wochenenden sind möglich, aber optional; die

Ergebnisse sind dann ebenfalls getrennt darzustellen.

Monat Messungen sind vorzugsweise zum Ende des Frühjahrs und/oder im

Frühherbst durchzuführen.

Wetter Messungen sollten nicht bei schlechten Wetterverhältnissen (z. B. bei

Starkregen, Schnee, Glatteis, starkem Wind oder Nebel) durchgeführt

werden. Die Mitgliedstaaten legen in dieser Hinsicht

Page 31: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

30

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Ausschlusskriterien fest und melden die tatsächlichen Bedingungen

gemeinsam mit den Daten.

Toleranzen Keine (über die Messtoleranz des Geräts hinausgehende) Toleranz,

d. h. die aufgezeichneten Werte sollten den vom Instrument

angezeigten Messwerten entsprechen.

Page 32: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

31

KPI 2. Wesentlicher Leistungsindikator für die Verwendung von Sicherheitsgurten und

Kinderrückhaltesystemen

Hintergrund

Die Verwendung von Sicherheitsgurten und Kinderrückhaltesystemen ist ein unabdingbares Element

passiver Sicherheit. Ein signifikanter Anteil der tödlich oder schwer verletzten Fahrzeuginsassen

waren nicht angeschnallt oder verwendeten Kinderrückhaltesysteme falsch oder gar nicht.

Definition des KPI für Sicherheitsgurte und Kinderrückhaltesysteme

Prozentualer Anteil der Fahrzeuginsassen, die Sicherheitsgurte oder

Kinderrückhaltesysteme korrekt verwenden.

Methodik

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Verfahren der Datenerhebung Direkte Beobachtung (gegebenenfalls mit

Kameras).

Erfassung von Straßenkategorien Der Indikator sollte Autobahnen,

Bundesstraßen/Landstraßen und innerstädtische

Straßen erfassen. Die Ergebnisse können je nach

Verfügbarkeit nach den drei verschiedenen

Straßenkategorien getrennt dargestellt werden.

Fahrzeugart Der Indikator sollte mindestens

Personenkraftwagen erfassen und soweit

möglich Lieferwagen (Ergebnisse sind separat

darzustellen).

Vorder- und Rücksitze Für Personenkraftwagen sollten die Ergebnisse

nach Vorder- und Rücksitzen getrennt

dargestellt werden.

Sicherheitsgurte/Kinderrückhaltesysteme Zwischen Sicherheitsgurten und

Kinderrückhaltesystemen ist in der

Datenerhebung zu unterscheiden.

Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodik

entscheiden die Mitgliedstaaten).

Uhrzeit Die Beobachtungen sind bei Tageslicht

durchzuführen.

Wochentag Getrennte Beobachtungen an Wochentagen und

Wochenenden; Daten sind separat darzustellen.

Page 33: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

32

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Monat Spätes Frühjahr, Anfang Herbst.

Page 34: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

33

KPI 3. Wesentlicher Leistungsindikator für die Verwendung von Schutzausrüstung

Hintergrund

Das Tragen eines Sturzhelms wird häufig als unverzichtbare passive Sicherheitsmaßnahme für Fahrer

von zweirädrigen Kraftfahrzeugen (für die Helmpflicht besteht) und für Fahrradfahrer genannt.

Definition des KPI für Schutzausrüstung

Prozentualer Anteil der Fahrer von zweirädrigen Kraftfahrzeugen und Fahrrädern, die

einen Sturzhelm tragen.

Methodik

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Verfahren der

Datenerhebung

Direkte Beobachtung (gegebenenfalls mit Kameras).

Erfassung von

Straßenkategorien

Der Indikator sollte Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen

und innerstädtische Straßen erfassen. Die Ergebnisse könnten

nach den drei verschiedenen Straßenkategorien getrennt

dargestellt werden.

Fahrzeugart Der Indikator sollte Fahrer (und Mitfahrer) von zweirädrigen

Kraftfahrzeugen (Motorräder und Mopeds) und Fahrradfahrer

(einschließlich E-Bike-Fahrer) erfassen.

Die Ergebnisse sollten nach Fahrer und Mitfahrer

aufgeschlüsselt werden. Die Ergebnisse für Fahrräder sollten

getrennt dargestellt werden. Daten für Kinder sollten (falls

vorhanden) getrennt dargestellt werden, damit gegebenenfalls

gesetzliche Vorschriften berücksichtigt werden können.

Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die

Mitgliedstaaten).

Uhrzeit Die Beobachtungen sind bei Tageslicht durchzuführen.

Wochentag Getrennte Beobachtungen an Wochentagen und Wochenenden;

Daten sind separat darzustellen.

Monat Spätes Frühjahr, Anfang Herbst.

Ergänzende Anmerkung: Den Ergebnissen für Fahrräder ist ein Hinweis beizufügen, aus dem die

gesetzlichen Vorschriften über das Tragen von Helmen (bzw. das Fehlen solcher Vorschriften)

hervorgeht.

Page 35: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

34

KPI 4. Wesentlicher Leistungsindikator für das Fahren unter Alkoholeinfluss

Hintergrund

Das Fahren unter Alkoholeinfluss wird häufig als Hauptunfallursache genannt.

Definition des KPI für Alkohol

Prozentualer Anteil der Fahrer innerhalb des gesetzlich zugelassenen Grenzwertes für

die Blutalkoholkonzentration (BAK).

Methodik

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Verfahren der

Datenerhebung

Stichprobenartige Atemalkoholtests.

Falls keine Stichproben möglich sind:

Ergebnisse von Atemalkoholtests aus

Durchsetzungsmaßnahmen (auch wenn diese keinen

Stichprobencharakter haben) und / oder

Selbstauskünfte über das eigene Verhalten – im Rahmen

von anonymen Umfragen.

Erfassung von

Straßenkategorien

Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen und innerstädtische

Straßen sind zu erfassen.

Fahrzeugart Mindestens Personenkraftwagen; falls möglich Lieferwagen,

Busse und Motorräder (Ergebnisse nach Fahrzeugtyp

aufgeschlüsselt).

Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die

Mitgliedstaaten).

Uhrzeit Beliebige Zeit für die Stichproben (nicht maßgeblich für

Selbstauskünfte).

Wochentag Getrennte Ergebnisse für Wochentage und Wochenenden.

Monat Spätes Frühjahr, Anfang Herbst.

Toleranzen Messgerätefehler.

Probenahmemethoden Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die

Mitgliedstaaten).

Probenumfang Die Mitgliedstaaten können entscheiden.

Page 36: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

35

Ergänzende Anmerkung: Den Ergebnissen sollte ein Hinweis beigefügt werden, in dem die geltenden

Rechtsvorschriften erläutert werden, z. B. maximal zulässige Blutalkoholkonzentration (BAK).

Page 37: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

36

KPI 5. Wesentlicher Leistungsindikator für Ablenkung von Fahrern durch tragbare

Geräte

Hintergrund

Ablenkungen beim Fahren nehmen in ihrer Bedeutung als Unfallursache aufgrund der vermehrten

Nutzung von Mobilgeräten und hauptsächlich Smartphones zu. In den letzten Jahren hat sich das

bestehende Problem der während der Fahrt getätigten Telefonanrufe durch die weit verbreitete

Nutzung von Apps zum Versenden von Textnachrichten noch verschärft. Deshalb wird die

Verwendung eines tragbaren Mobilgeräts beim Fahren als Näherungswert zur Beurteilung des

Problems der Ablenkung beim Fahren vorgeschlagen.

Definition des KPI für Ablenkung beim Fahren

Prozentualer Anteil der Fahrer, die KEIN tragbares Gerät oder Handy benutzen.

Methodik

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Verfahren der

Datenerhebung

Direkte Beobachtung durch geschulte Beobachter am

Straßenrand oder aus fahrenden Fahrzeugen. Andere

Alternativen könnten gegebenenfalls verwendet werden, z. B.

automatische Erkennung. Von Mitgliedstaaten zu entscheiden.

Erfassung von

Straßenkategorien

Der Indikator sollte Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen

und innerstädtische Straßen erfassen. Die Ergebnisse können

nach den drei verschiedenen Straßenkategorien getrennt

dargestellt werden.

Fahrzeugart/Nutzerart mindestens Pkw, Lieferwagen, Busse.

Andere Nutzerarten wenn möglich (aufgeschlüsselt nach

Nutzerart).

Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die

Mitgliedstaaten).

Uhrzeit Die Beobachtungen sind bei Tageslicht durchzuführen.

Page 38: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

37

KPI 6: Wesentlicher Leistungsindikator für Fahrzeugsicherheit

Hintergrund

Die aktive und passive Fahrzeugsicherheit stellt ein entscheidendes Element der

Straßenverkehrssicherheit dar. Fahrzeugtechnik kann dabei helfen, sowohl die

Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Schwere von Unfällen durch folgende Maßnahmen zu

verhindern:

Passive Sicherheitseinrichtungen wie Sicherheitsgurte, Airbags und

Aufprallenergieaufnahmevermögen von Fahrzeugen sowie

aktive Sicherheitseinrichtungen wie ABS, ESC, Notbremsassistenzsysteme, intelligente

Geschwindigkeitsassistenten oder Spurhaltewarnsysteme.

Definition des KPI für Fahrzeugsicherheit:

Prozentualer Anteil der neuen Personenkraftwagen mit einer Euro NCAP-Bewertung,

die mindestens über einem festgelegten Schwellenwert (z. B. 4 Sterne) liegt.

Um die Bewertung einfacher vornehmen zu können, haben die Kommissionsdienststellen eine

Zusammenarbeit mit Euro NCAP angestrebt. Die Verantwortlichen des Programms haben sich dazu

bereit erklärt, Hilfestellung beim Bewertungsvorgang für Neufahrzeuge zu leisten. Es ist geplant, die

zusätzlich benötigten fachlichen Arbeiten in weiteren Sitzungen der CARE-Gruppe durchzuführen.

Methodik

Methodische Aspekte

Aspekt Gemeinsame Vorschläge

Fahrzeugart Personenkraftwagen für den Indikator auf der Grundlage der

NCAP-Sicherheitsbewertung.

Ergänzende KPI für die Fahrzeugflotte

Eine Mitgliedstaaten argumentieren, dass die Bewertung nicht für alle Fahrzeuge verfügbar ist, nicht

einmal für Neuzulassungen, und dass die eigenen Behörden nicht in der Lage seien, auf der Grundlage

von Zulassungsdaten jedem Fahrzeug eine EuroNCAP-Bewertung zuzuweisen.

Um diese Schwierigkeiten zu bewältigen, werden zwei ergänzende KPI auf der Grundlage des Alters

der Flotte und aus Daten der technischen Überwachung vorgeschlagen. Die Einzelheiten dieses KPI

werden gemeinsam mit Sachverständigen in der CARE-Gruppe festgelegt.

Page 39: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

38

KPI 7: Wesentlicher Leistungsindikator für Infrastruktursicherheit

Hintergrund

Straßenanordnung, (Signal-)Gestaltung und Wartung sind Aspekte der Infrastruktur, welche die

Straßenverkehrssicherheit bestimmen.

Ein Indikator für die Sicherheit der Straßeninfrastruktur soll eine quantitative Darstellung der

Sicherheit eines Straßennetzes liefern, wobei diese unabhängig ist vom Verhalten der

Verkehrsteilnehmer oder der Fahrzeugtechnik. Weitere Arbeiten sind jedoch zur Ausgestaltung des

Indikators notwendig.

Definition des KPI für Infrastruktur

Die Dienste der Kommission werden mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um einen

Infrastruktur-Indikator auf der folgenden Grundlage festzulegen:

Anteil in Prozent der zurückgelegten Strecke auf Straßen mit einer

Sicherheitsbewertung über einem vereinbarten Schwellenwert (noch zu definieren)

Die Methode der Bewertung obliegt bis zu einer Vereinbarung über den Schwellenwert den

Mitgliedstaaten.

Dieser Indikator ist jedoch technisch anspruchsvoll. Vielen Mitgliedstaaten stehen die Daten über die

zurückgelegte Wegstrecke noch nicht zu Verfügung, weshalb als erster (und notwendiger) Schritt

vorgeschlagen wird, die Daten für den Anteil der Straßennetzlänge zu erheben, die hinsichtlich der

Sicherheit über dem vereinbarten Schwellenwert liegt.

Vorübergehend kann eine vereinfachte Version des KPI verwendet werden, sofern keine

Bewertungsmethode zur Verfügung steht. Seine Definition lautet:

Prozentualer Anteil der zurückgelegten Wegstrecke auf Straßen, auf denen entweder der

Gegenverkehr (durch eine Barriere oder Freiräume) getrennt geführt wird oder auf denen eine

zulässige Höchstgeschwindigkeit von maximal xx km/h gilt (Höchstgeschwindigkeit nach

Maßgabe der MS) im Verhältnis zur zurückgelegten Gesamtwegstrecke.

Die Arbeit mit Sachverständigen in der CARE-Sachverständigengruppe oder in einer anderen

geeigneten Form wird fortgesetzt, um die Verfahren für die Datenerhebung und die

Bewertungsmethode zu definieren.

In der ersten Phase könnten innerstädtische Bereiche von den Mitgliedstaaten außen vorgelassen

werden, um die Komplexität dieses KPI insgesamt zu reduzieren; dennoch sollten wir die

Infrastrukturfrage für urbane Räume in Zukunft nicht ausklammern.

Page 40: ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN EU ... · Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“ 1. Einleitung Mit dem Paket „Europa in Bewegung“

39

KPI 8: Wesentlicher Leistungsindikator für die wirksame Versorgung nach einem

Unfall

Hintergrund

Unter der Versorgung nach einem Unfall bzw. Traumamanagement versteht man die medizinische

Erstversorgung nach einem Unfall, wobei diese am Unfallort, auf dem Weg in ein medizinisches

Versorgungszentrum oder auch nachfolgend geleistet werden kann. Die verstrichene Zeit zwischen

dem Unfall und der medizinischen Erstversorgung sowie die Qualität dieser Erstbehandlung wird

häufig als entscheidend bei der Minimierung der Unfallauswirkungen angesehen.

Definition des KPI für die wirksame Versorgung nach einem Unfall:

Verstrichene Zeit in Minuten und Sekunden zwischen dem Notruf nach einer Kollision

mit Personenschäden und der Ankunft der Rettungsdienste am Unfallort (auf das

95. Perzentil genau).

Methodik

Methodische Aspekte

Aspekt Methodische Mindestanforderungen

Verfahren der

Datenerhebung

Stichprobe der Antworten auf Notrufe, bei denen es zum

Eingreifen der Rettungsdienste am Unfallort nach einem

Verkehrsunfall mit Personenschäden kommt.

Erfassung von

Straßenkategorien

Alle Straßen – jedoch könnten die Daten gegebenenfalls

getrennt nach Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen und

innerstädtischen Straßen getrennt dargestellt werden.

Art des Unfalls Mit Fahrzeugbeteiligung und Personenschäden.

Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die

Mitgliedstaaten).