Arbeitsvermittlung im Urteil der Kunden - Der WILA Arbeitsmarkt:...

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arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_24|2010 VI ratgeber arbeit Fördern und Fordern heißt das Motto der umstrittenen Hartz-IV-Reformen. Wie beurteilen die Betroffenen die Un- terstützung durch die Behörden? Eine Studie des IAB liefert Antworten. | Andreas Pallenberg Arbeitsvermittlung im Urteil der Kunden FÖRDERUNG © Klaus Uwe Gerhardt/Pixelio S eit Bestehen der Arbeitsmarktre- formen, die unter dem Stich- wort „Hartz-IV“ zweifelhafte Berühmtheit erlangt haben, sprechen die Behörden von „Kunden“, wenn sie Arbeitsuchende und arbeitslose Trans- fergeldempfänger meinen. Sich selbst betrachten die Behörden nicht mehr als Anstalten (ehemals „Bundesanstalt für Arbeit“), sondern als organisatorisch um- strukturierte moderne Dienstleister mit Auftrag. Und dieser Auftrag hat es in sich. Immerhin gilt es, die seit Jahren manifes- te hohe Sockelarbeitslosigkeit nicht als unabwendbares Schicksal zu akzeptie- ren, sondern diese nach Möglichkeit ab- zubauen. Das gelang in den letzten Jah- ren zwar auch über tatsächliche Vermitt- lungserfolge in Arbeit, aber ebenso über die vielfach kritisierten Umdeutungen des statistischen Materials (Stichwort: „Verdeckte Arbeitslosigkeit“). Weiterhin wurden Jugendliche, ältere Arbeitslose, Berufsrückkehrer/innen und Arbeitslose mit Migrationshintergrund als Gruppen mit besonderen Vermittlungsproblemen erkannt. Diesen gilt die besondere Auf- merksamkeit der Berater und Vermittler, die nach aktueller Nomenklatur als „per- sönliche Ansprechpartner“ (behördernin- tern „PAPs“) bezeichnet werden. Dienstleistung als Anspruch Das hört sich sehr ambitioniert und ser- viceorientiert an und wirkt im Zusam- menhang mit dem Anspruch, intensiv zu beraten und zu betreuen („Fördern und Fordern“) wie eine kleine Revolution im Vergleich zur früheren, eher unpersönli- chen Verwaltung von Arbeitslosigkeit. Dennoch wissen nicht nur die Insider der Arbeitsverwaltung, sondern auch die Kunden davon zu berichten, dass die vielfach zitierten neuen Ansprüche noch längst nicht überall und vollständig ver- wirklicht werden konnten. Fast immer mangelt es an hinreichend geschultem Personal, nicht selten aber auch an der Bereitschaft, Veränderungen positiv auf- zunehmen und als Chance zu nutzen. Das der Bundesagentur für Arbeit angeschlossene Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) wollte es genauer wissen und untersuchte die Kundenzufriedenheit bei ALG-II-Empfän- gern. In ihrer Studie „Arbeitsvermittler im Urteil der ALG-II-Empfänger“ wollten die Arbeitsmarktforscher herausfinden, wie sich die Kontakte mit den SGB-II-Trägern gestalten und wie ihre Dienste von den Betroffenen bewertet werden. Zielgruppe waren ausschließlich erwerbsfähige ALG-II-Empfänger, somit also Personen, die meist schon länger auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Nur bei diesem Personenkreis geht es ja um Beratung und Betreuung, aber auch explizit um „Aktivierung“ mit dem Ziel der Wiedereingliederung in den Ar- beitsmarkt. Kernfrage der Erhebung war die Bewertung der Beratungsleistung der Grundsicherungsstellen (ARGEn, Job-

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Fördern und Fordern heißt das Motto der umstrittenen Hartz-IV-Reformen. Wie beurteilen die Betroffenen die Un-terstützung durch die Behörden? Eine Studie des IAB liefert Antworten. | Andreas Pallenberg

Arbeitsvermittlung im Urteil der Kunden

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Seit Bestehen der Arbeitsmarktre-formen, die unter dem Stich-wort „Hartz-IV“ zweifelhafte

Berühmtheit erlangt haben, sprechen die Behörden von „Kunden“, wenn sie Arbeitsuchende und arbeitslose Trans-fergeldempfänger meinen. Sich selbst betrachten die Behörden nicht mehr als Anstalten (ehemals „Bundesanstalt für Arbeit“), sondern als organisatorisch um-strukturierte moderne Dienstleister mit

Auftrag. Und dieser Auftrag hat es in sich. Immerhin gilt es, die seit Jahren manifes-te hohe Sockelarbeitslosigkeit nicht als unabwendbares Schicksal zu akzeptie-ren, sondern diese nach Möglichkeit ab-zubauen. Das gelang in den letzten Jah-ren zwar auch über tatsächliche Vermitt-lungserfolge in Arbeit, aber ebenso über die vielfach kritisierten Umdeutungen des statistischen Materials (Stichwort: „Verdeckte Arbeitslosigkeit“). Weiterhin

wurden Jugendliche, ältere Arbeitslose, Berufsrückkehrer/innen und Arbeitslose mit Migrationshintergrund als Gruppen mit besonderen Vermittlungsproblemen erkannt. Diesen gilt die besondere Auf-merksamkeit der Berater und Vermittler, die nach aktueller Nomenklatur als „per-sönliche Ansprechpartner“ (behördernin-tern „PAPs“) bezeichnet werden.

Dienstleistung als Anspruch

Das hört sich sehr ambitioniert und ser-viceorientiert an und wirkt im Zusam-menhang mit dem Anspruch, intensiv zu beraten und zu betreuen („Fördern und Fordern“) wie eine kleine Revolution im Vergleich zur früheren, eher unpersönli-chen Verwaltung von Arbeitslosigkeit. Dennoch wissen nicht nur die Insider der Arbeitsverwaltung, sondern auch die Kunden davon zu berichten, dass die vielfach zitierten neuen Ansprüche noch längst nicht überall und vollständig ver-wirklicht werden konnten. Fast immer mangelt es an hinreichend geschultem Personal, nicht selten aber auch an der Bereitschaft, Veränderungen positiv auf-zunehmen und als Chance zu nutzen.

Das der Bundesagentur für Arbeit angeschlossene Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) wollte es genauer wissen und untersuchte die Kundenzufriedenheit bei ALG-II-Empfän-gern. In ihrer Studie „Arbeitsvermittler im Urteil der ALG-II-Empfänger“ wollten die Arbeitsmarktforscher herausfinden, wie sich die Kontakte mit den SGB-II-Trägern gestalten und wie ihre Dienste von den Betroffenen bewertet werden.

Zielgruppe waren ausschließlich erwerbsfähige ALG-II-Empfänger, somit also Personen, die meist schon länger auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Nur bei diesem Personenkreis geht es ja um Beratung und Betreuung, aber auch explizit um „Aktivierung“ mit dem Ziel der Wiedereingliederung in den Ar-beitsmarkt. Kernfrage der Erhebung war die Bewertung der Beratungsleistung der Grundsicherungsstellen (ARGEn, Job-

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Center etc.) durch die Alg-II-Empfänger. Immerhin wurden bei dieser groß

angelegten Feedback-Runde zwischen Dezember 2006 und Juli 2007 18.954 Personen befragt, und zusätzlich wurden 12.487 Interviews geführt.

Mehr Druck auf Jüngere

Besonderes Augenmerk wurde auf die benannten Problemgruppen gelegt. Als besonders förderungsbedürftig definiert die Behörde im Einklang mit dem Bun-desministerium für Arbeit und Soziales die Gruppe der erwerbsfähigen unter 25-Jährigen. Diese haben bei Hilfsbedürftig-keit sogar einen Rechtsanspruch, unver-züglich in den Arbeitsmarkt oder in eine Ausbildung vermittelt zu werden. Hiermit wird der sozialpolitischen Bedeutung der Integration Jugendlicher und junger Er-wachsener in den Arbeitsmarkt Rechnung getragen. Der weit verbreiteten Frustrati-on angesichts der Perspektivlosigkeit in-nerhalb dieser Personengruppe soll damit entgegengewirkt werden.

Und wie beurteilen die jungen Arbeits-losen die Art der Beratung und Betreu-ung? Eher misstrauisch, so ein Ergebnis der Untersuchung. Weiterhin sehen sich

die Jüngeren in stärkerem Maße Vor-schriften und Forderungen ausgesetzt. Ihre Integrationschancen sehen sie dage-gen optimistischer als ältere Arbeitslose. Sie erwarten sogar zu 70 % eine Besse-rung ihrer persönlichen Situation durch die Beratung und Betreuung, während nur knapp die Hälfte auf die Unterstüt-zung der Arbeitsvermittler bei der Ar-beitsuche vertraut. Dass sich die jungen Leute dabei nicht so freundlich behandelt fühlen wie ältere, will das IAB nicht allein auf die mögliche Unfreundlichkeit der Berater zurückführen, sondern ebenso auf die kritischere Wahrnehmung durch die jungen Kunden. Gleichzeitig räumt das IAB ein, dass der höhere Druck, jün-gere Arbeitslose zu vermitteln, von den Beratern möglicherweise auf die Kunden übertragen wird, um ihre Kooperations-bereitschaft zu erhöhen.

Altersmilde beiderseits

Die meisten über 50-Jährigen beschrei-ben das Verhältnis zu ihren persönlichen Ansprechpartnern als vertrauensvoll und freundlich. Dies mag auch an ihren Er-wartungen liegen. Laut Studie setzen sie „keine großen Hoffnungen in die Vermitt-

lung und erwarten keine Verbesserung ihrer Situation“. Somit von weitergehen-dem Erwartungsdruck enthoben, dürften sich die Begegnungen von beiden Seiten relativ entspannt gestalten. Dies wird von der Studie in Bezug auf frühere Veröffent-lichungen immer noch als ein Hinweis darauf gewertet, dass der Leistungsbezug in dieser Altersgruppe immer noch als „möglicher Übergang in die Rente“ gese-hen wird.

Frauen fühlen sich unverstanden

Die geschlechtsspezifische Auswertung ergab, dass Frauen den Kontakt zu den Beratern weniger positiv einschätzen als Männer. Insbesondere bei der Jobsuche werde ihnen laut Studie seltener Hilfe zuteil. Insbesondere würden ihre eigenen Vorstellungen weniger berücksichtigt, und gleichzeitig fühlen sie sich häufiger Forderungen ausgesetzt. Dies treffe be-sonders auf Berufsrückkehrerinnen zu, denen es nach längeren Zeiten der Ar-beitsunterbrechung an Selbstvertrauen und Eigeninitiative fehle. „Sie wünschen sich mehr Unterstützung und eine Bera-tung, die ihre individuellen Bedürfnisse ausreichend beachtet..

Migrationshintergrund und Zufriedenheit

Menschen mit Migrationshintergrund wurden in der Studie ebenfalls gesondert betrachtet hinsichtlich ihrer Zufriedenheit mit der Beratung durch ihre Ansprech-partner. Dabei zeigte sich eine durchweg positivere Einschätzung als bei solchen ohne Migrationshintergrund. Dies inter-pretiert das IAB mit dem Hinweis auf die geringer ausgebauten sozialen Siche-rungssysteme in den Herkunftsländern der Migranten. Im Vergleich damit wür-den die Beratungs- und Vermittlungsan-gebote in Deutschland als „umfassend“ empfunden. Allerdings räumt das IAB ein, dass die positive Einschätzung auch von jüngeren Migranten geteilt würde, denen

Frauen wünschen sich laut Studie mehr Unterstützung und eine Beratung, die ihre indivi-duellen Bedürfnisse ausreichend beachtet Foto: © Arbeitsagentur

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dieser Vergleich fehlt. Bei der Einschät-zung der Freundlichkeit der Vermittler gibt es laut Studie keinen bedeutenden Un-terschied zwischen Migranten und Nicht-Migranten. Ebenso würde das Gefühl, Forderungen und Vorschriften ausgesetzt zu sein nicht anders als von allen bewer-tet. Dennoch zeige sich bei dieser Perso-nengruppe eher das Gefühl, dass die Beratung zur Verbesserung der Arbeits-marktchancen beitrage.

Alles bestens?

Aus diesen und anderen Erhebungser-gebnissen leitet das Institut für Arbeits-markt und Berufsforschung ab, dass „die Arbeit der Grundsicherungsträger im SGB II von ALG-II-Empfängern tatsächlich als Dienstleistung wahrgenommen wird.“ Das hört sich schon fast nach Erfolg an

STUDIE BERATUNGSGESPRÄCHEund bezieht sich wohl in erster Linie auf die im Amt erlebte Freundlichkeit. Vergli-chen mit früheren Erfahrungen in Arbeits- und Sozialämtern mag dies eine positive Entwicklung sein, aber die Arbeitsverwal-tung sollte sich nicht allein auf ihre neue, eigentlich selbstverständliche, Dienstleis-tungsorientierung beschränken.

So wird auch das IAB in seinem Resü-mee abschließend noch etwas kritischer und stellt fest, dass „das eigentliche Ziel der Arbeitsmarktintegration aus Sicht der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen allerdings nicht immer im gewünschten Maße erreicht“ werde. Der Kurzbericht schließt mit der Feststellung, dass „die umfassende Betreuung der vielen ver-schiedenen Personenkreise und der zum Teil sehr arbeitsmarktfernen Gruppen mit unterschiedlichsten Problemen eine besondere Herausforderung für die Mit-arbeiter der SGB-II-Träger darstellt“. Ende der Erkenntnis!

Quelle: IAB-Kurzbericht 7/2010, Anita Tisch: Kundenzufriedenheit im SGB II - Arbeitsvermittler im Urteil der ALG-II-Empfänger als Download verfügbar un-ter: http://www.iab.de

Junge Arbeitslose beurteilen die Beratung und Betreuung eher misstrauisch. Sie sehen sich zudem in stärkerem Maße Vorschriften und Forderungen ausgesetzt.