archithese 1.14 - Swiss Performance 14

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archithese Shigeru Ban Tamedia AG Headquarter, Zürich Durisch + Nolli und Bearth & Deplazes Bundesstrafgericht, Bellinzona Mangeat-Wahlen La Maison de l’Ecriture, Montricher GRUPPE mit Richard Wentworth Black Maria, London Harry Gugger Studio Galerie Xavier Hufkens, Brüssel Meili, Peter Hofstatt, München Sauter von Moos mit Pierre de Meuron Haus mit Baum, Basel Peter Zumthor Werkraum Bregenzerwald, Andelsbuch Fuhrimann Hächler Zielturm Rotsee, Luzern Christian Kerez Mehrfamilienhaus, Thalwil Karamuk Kuo Kindergarten, Aadorf Vehovar & Jauslin Bahnhofplatz, Aarau Graber Pulver Kehrichtverbrennungsanlage, Bern Peter Märkli Haus für zwei Künstler, Rumisberg Christ & Gantenbein Gartenhaus, Basel Conen Sigl Einfamilienhaus Blümlisalpstrasse, Zürich EM2N Serviceanlage SBB, Zürich Projektvorschau Gegenwart einer Umbruchzeit Schweizer Architekturbücher 1.2014 Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur International thematic review for architecture Swiss Performance 14

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architheseShigeru Ban Tamedia AG Headquarter, Zürich

Durisch + Nolli und Bearth & Deplazes Bundesstrafgericht, Bellinzona

Mangeat-Wahlen La Maison de l’Ecriture, Montricher

GRUPPE mit Richard Wentworth Black Maria, London

Harry Gugger Studio Galerie Xavier Hufkens, Brüssel

Meili, Peter Hofstatt, München

Sauter von Moos mit Pierre de Meuron Haus mit Baum, Basel

Peter Zumthor Werkraum Bregenzerwald, Andelsbuch

Fuhrimann Hächler Zielturm Rotsee, Luzern

Christian Kerez Mehrfamilienhaus, Thalwil

Karamuk Kuo Kindergarten, Aadorf

Vehovar & Jauslin Bahnhofplatz, Aarau

Graber Pulver Kehrichtverbrennungsanlage, Bern

Peter Märkli Haus für zwei Künstler, Rumisberg

Christ & Gantenbein Gartenhaus, Basel

Conen Sigl Einfamilienhaus Blümlisalpstrasse, Zürich

EM2N Serviceanlage SBB, Zürich

Projektvorschau

Gegenwart einer Umbruchzeit

Schweizer Architekturbücher

1.2014

Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

International thematic review for architecture

Swiss Performance 14

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E D I T O R I A L

Swiss Performance 14

Im Dezember letzten Jahres wurde ein inoffizieller Wettbewerb der Schweizeri-

schen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) ausgelobt, mit dem Ziel, den traditio-

nellen «Schweizerpsalm» von 1841, seit 1981 die Nationalhymne, zu ersetzen. Der

Text soll zeitgemässer, «moderner» werden, die Bevölkerung erreichen. Steht in

der Architektur ein ähnlicher Wandel an, gilt es Gewissheiten und Orientierungs-

punkte anzupassen oder gar zu ersetzen?

Die Schweizer Architekturszene hat sich das Privileg erhalten, den nachrücken-

den Generationen Möglichkeiten einzuräumen und somit eine sanfte Erneuerung

zu erlauben. Das mag angesichts des anhaltenden Baubooms eine altersmilde

Geste sein, doch führt es ohne Zweifel zum Auftritt einiger junger, noch kaum

bekannter Büros wie Conen Sigl, GRUPPE, Karamuk Kuo oder Sauter von Moos,

die sich mit ersten Projekten erfolgreich positionieren. Dass es nicht einfach ist in

Zeiten der Vielbeschäftigung das Markante und Eigenwillige, etwas mit spezifi-

schen Qualitäten oder schlicht: die bessere Alternative zu erarbeiten, soll dabei

nicht unerwähnt bleiben. Ungewöhnlich viele Fertigstellungen hatten wir zu

prüfen und doch plagte uns nie die Sorge, ein Doppelheft machen zu müssen. Die

Ausnahmeprojekte bleiben die Ausnahme, sie haben dennoch die Kraft zur Ver-

änderung und legitimieren die Dokumentation.

Dominierten in der letztjährigen «Swiss Performance» einige Grossprojekte

wie das Parrish Art Museum von H&deM und der Hauptsitz für Synthes von Peter

Märkli sowie mehrere grössere Wohnungsbauprojekte, so liegt uns in dieser Aus-

gabe eine Auswahl vor, die durch die intelligente Ausarbeitung kleiner Projekte

ihren Charakter erhält. Selbst die grossen Projekte wie die Hofstatt von Meili,

Peter Architekten vermeiden die grosse Geste und üben sich in wohlüberlegter

Zellteilung. Hier wie dort hat die Auseinandersetzung mit dem Bestand einen

wichtigen Stellenwert, prägen subtile Eingriffe von künstlerischer Konzeption und

brechen mit der zur Norm erstarrten Rationalität des Schweizer Bauens. Als Aus-

reisser ist hier die Maison de l’Ecriture von Mangeat-Wahlen zu erwähnen, die

einmal mehr den anderen Weg der Architektur in der Westschweiz verdeutlicht

und sich in einem seltenen Aussenblick frankophil an Rudy Ricciotti zu orientieren

scheint.

Nicht immer lassen sich die Termine der Fertigstellungen wichtiger Bauten

nach dem Erscheinungstermin der «Swiss Performance» ausrichten und so mag

der kundige Leser ein Projekt wie das Pérez Art Museum in Miami von H&deM

vermissen. Ein Projekt, dass als integraler Bestandteil einer Parklandschaft gese-

hen werden muss, sollte jedoch nicht ohne diese beurteilt werden. Hier musste die

Redaktion erkennen, dass «eröffnet» heutzutage noch lange nicht «fertig» heisst

und hat der Sorgfalt wegen das Projekt in die nächstjährige Ausgabe verschoben.

Jedoch informiert eine kleine Projektvorschau im Rubrikenteil kurz und knapp

über dieses und einige weitere Highlights in diesem Jahr. Sie gesellt sich zu den

im Vorjahr erfolgreich eingeführten Rubriken über Projekte der Denkmalpflege

sowie ausgewählte Schweizer Bücher des vergangenen Jahres.

Über die «Swiss Performance» hinaus haben wir die Themen für die Ausgaben

der archithese in 2014 erstmals in einem Leporello zusammengestellt, das seiner

Namensherkunft aus Mozarts Don Giovanni entsprechend, die Affären listet wie

beschreibt – also das, womit wir 2014 zu tun haben werden. Manchmal ernste,

manchmal komische, aber immer grosse Oper. Vorhang auf!

Die Redaktion

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Hier realisiert Allreal das Wohnhochhaus

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FAT DETAILING ODER DER AUSGESTELLTE KÖRPER IN DER TRANSPARENZGESELLSCHAFTTamedia AG Headquarter in Zürich von Shigeru Ban Architects, Paris/Tokio Der innerstädtische Holzbau zeigt sich

seit einigen Jahren von seiner innovativsten Seite. Nach Berlin und London erhält auch Zürich sein erstes mehrgeschossiges

Bürohaus aus einer reinen Holzkonstruktion, entworfen vom japanischen Architekten Shigeru Ban.

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Autor: Florian Dreher

Es ist interessant, dass Medienkonzerne sich in ihrem Selbst-

bild nach wie vor mit der Glasarchitektur identifizieren und

somit über diese repräsentieren. Die anhaltende Affinität zur

Immaterialität und Transparenz hat in den letzten Jahren

neue Varianten – wie etwa das Konglomerat gläserner Kuben

für das Redaktionsgebäude der Schwäbischen Zeitung von

Wiel Arets in Ravensburg – hervorgebracht. Im aktuellen Ver-

fahren für einen neuen Firmensitz des Axel Springer Verlags

in Berlin, gegenüber dem Springer-Hochhaus und in nächster

Nähe zum ehemaligen Grenzstreifen gelegen, wetteifern die

Finalisten OMA, BIG und Ole Scheeren in ihren Beiträgen mit

Riesenkristallen, Bergspalten oder gläsernen Gletscherland-

schaften um die Superlative. Am Kristallisationspunkt ange-

kommen, sollen die Stararchitekturen eine Vision für die

Arbeitswelt im digitalen Zeitalter liefern. Dabei nimmt die

Materialität Glas als beliebte Metapher für Innovation,

Modernität, Demokratie und vor allem für Transparenz eine

wesentliche Rolle in der Kommunikation der Architektur ein.

Aber was genau ist an den Architekturen transparent, oder

wem soll diese Transparenz dienlich sein? Inwieweit wird

immer noch an dem Bild der Offenlegung und Entblössung

durch die Glasarchitektur im Gegensatz zur «Tyrannei der

Intimität» (Richard Sennet) festgehalten?

Nun hat im Sommer 2013 der Schweizer Medienkonzern

Tamedia AG nach zweijähriger Bauzeit auf seinem Firmen-

areal in der Zürcher City entlang des Stauffacherquais sein

neues Headquarter nach einem Entwurf des japanischen Ar-

chitekten Shigeru Ban fertigstellen können. Durch den Neu-

bau konnten die in der Stadt verteilten Redaktionen aufgege-

ben und am Hauptsitz zusammengeführt werden. Als Adresse

für die firmeneigenen Unternehmensbereiche wie 20 Minuten,

Tages-Anzeiger, Newsnet oder Finanzen bietet das Bürohaus

für seine 330 Mitarbeiter ein aussergewöhnliches Obdach.

Entstanden ist ein mehrgeschossiger Holzbau als sichtba-

res Tragwerk verhüllt von einer einfachen, nüchternen Glas-

fassade mit Aluminiumprofilen. Bereits hier zeigt sich die

Diskrepanz des komplexen Gebäudeinneren zur Gewöhn-

lichkeit seiner Einkleidung. Ein Ungleichgewicht, das so-

gleich die bauliche Konzentration auf den Holzbau vermuten

lässt. Das Tamedia Headquarter kann daher als ein weiteres

Experiment betrachtet werden, die konstruktiven Eigen-

schaften des Materials Holz für das innerstädtische Bauen

auszureizen und zu erschliessen. Unter diesem Aspekt konn-

ten in den letzten Jahren vor allem in der Schweiz und in

Vorarlberg (vgl. archithese 5’2013) – man denke unter ande-

rem an das Holz-Hochhaus LCT One von Architekten Her-

mann Kaufmann – beispielhafte Bauten realisiert werden.

Für das Tamedia Bürohaus kam es zu einer erneuten Zusam-

menarbeit von Shigeru Ban Architects mit den Schweizer

Holzbauspezialisten von Blumer-Lehmann zur Entwicklung

des Holztragwerks, die sich beim Museumsbau für das Cen-

tre Pompidou in Metz bewährt hatte. Das Ergebnis präsen-

tiert sich über die konstruktive Logik hinaus – in seiner

Wahrnehmung und Erscheinung mehrdeutig und in Teilen

auch unklar.

1 Loggia, Luftraum und Besprechungs-raum (Fotos 1, 2, 5, 11–14: © Didier Boy de la Tour)

2 Ansicht Kreuzung Staufferquai und Werdstrasse

2

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3 Lageplan Werd-Areal 1 Medienhaus, 2 STQ 8, 3 Headquarter (Abbildungen 3, 4, 6, 7–10: © Shigeru Ban Architects)

Werdstrasse

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EINFÜGEND IST DAS NEUE HERAUSRAGENDDie Hofstatt in München von Meili, Peter Architekten Projekte von Meili, Peter Architekten verlangen nach

einer eigenen Disziplin ihrer Kritik. Selten offenbart sich der vom Büro betriebene ausserordentliche Aufwand für

die Durch dringung der Aufgabe auf den ersten Blick, verstellen doch manch eigentümliche Gestaltungslösungen

den Weg zum sofortigen Enthusiasmus. Doch jenseits des schnellen Urteils können die Bauten eine Kraft der

zwingenden Lösung entfalten, die viele zunächst flotte Entwürfe in den Schatten stellt.

Autor: Hannes Mayer

Die «Swiss Performance» stellt alljährlich nicht nur eine Aus-

wahl von Projekten zusammen, sie zwingt auch die Redak-

tion über Architekturkritik und Präsentation der Projekte

nachzudenken. Das im Herbst 2013 nach sieben Jahren weit-

gehend fertiggestellte Grossprojekt von Meili, Peter Archi-

tekten, die Hofstatt in München, zwingt, die eigene Routine

zu hinterfragen.

Zunächst einmal handelt es sich um ein Projekt, welches

trotz seiner Dimensionen – immerhin wurde eine Grund-

stücksfläche von 11 000 Quadratmetern im Zentrum von

München über- und umgebaut – kaum auffällt, wenn man

vom Rathaus die Sendlinger Straße hinaus zur Asamkirche

will, um barocke Pracht zu bewundern. Die Hofstatt ist also

zunächst nicht herausragend. Schlimm klingt das, relativiert

sich jedoch, wenn man bedenkt, dass dies auch nicht der

Anspruch war. «Einfügend» hat sich leider noch nicht als

Wort des Lobes etablieren können, geniesst aber dennoch

unter Architekten und insbesondere Stadtplanern hohes

Ansehen und gilt traditionell als architektonischer Ausdruck

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guter Manieren. Und in der Tat, die Hofstatt muss als Mus-

terschüler bezeichnet werden, hochintelligent, fleissig, in

allen Fächern sehr gut, die Kleidung stets tadellos und im-

mer zu allen höflich. Da wäre schon fast alles gesagt, doch

fernab der Schweizer Heimat im katholischen Bayern gerät

beim Musterschüler etwas ins Schwingen, entwickeln sich

Gelüste einmal das in der strengen Heimat Unerlaubte zu

probieren.

Dem inneren Gefühl nach ist dieser Anlauf zu einer Be-

schreibung und Einschätzung des Projekts der 125. Versuch.

Das wird der Hofstatt gerecht, denn auch für das Projekt

wurde beinahe jedes Detail durch Dutzende Varianten über-

prüft, die keineswegs nach dem OMA-Brainstorming-Prin-

zip entstanden, sondern einem iterativen, langsamen Ent-

wurfsprozess entsprangen. Es ist ein Projekt, das auch dem

Kritiker ein ernsthaftes Studium abverlangt und in einer

Synthese sowohl das close-reading des New Criticism als

auch das kontextuelle Einordnen bedingt. Das ist eine

Herausforderung, die sich im Paradoxon des Begriffs des

Herausragenden ausdrückt. Der Kritiker fühlt den hastigen

Leser im Nacken: Ist es jetzt gut oder nicht?

Der Realität die Qualität abringen

Die Hofstatt ist ein Immobilienprojekt, entwickelt vom

Immobilienableger der Landesbank Baden-Württemberg.

Das bedeutet, es ist ein gewinnorientiertes Vorhaben einer

letztendlich staatlichen Einrichtung, einer Anstalt des öf-

fentlichen Rechts. Die Herkunft des Entwicklers vermag der

Kritik zwei Kategorien an die Hand zu geben, die über die

reine Architektur hinaus – im Sinne einer Objektkritik –

helfen, über gut und schlecht zu richten: Ökonomie sowie

Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit.

Diese Erweiterung ist brisant. Denn in Deutschland lässt

sich seit den anhaltenden Querelen um die Grossprojekte

Elbphilharmonie und Hauptstadtflughafen kaum noch klas-

sische Architekturkritik betreiben, die sich allein auf das

architektonische Objekt konzentriert und dabei vergisst, wie

viel es gekostet hat. Klassische Architekturkritik und -theo-

rie ist gnadenlos, sie interessiert sich nicht für Kosten, sie

interessiert sich nicht für Baustopps, Verzug oder Tote auf

den Baustellen. Sie interessiert sich auch kaum für die

Belange der sozial Benachteiligten, solange sie nicht dem

architektonischen Fortschritt dienen. Klassische Architek-

turkritik sieht nur das fertige, das herausragende Objekt.

Im orthodoxen Sinne gehört das Ökonomische also nicht

in die Architekturkritik, es geht hier allein um Dimensionen

wie Ästhetik, Raum, Komposition, Materialität, Proportion.

Doch der Elefant ist bereits im Raum, befällt wie ein Virus

die Orte der Kritik. Da wird plötzlich ein etwas trostlos ge-

ratener Bau von Max Dudler, die Stadthalle in Reutlingen,

hochgelobt, weil das Bauwerk zeige, dass sich öffentliche

Bauwerke im Zeit- und Budgetrahmen realisieren lassen. Die

Gefahr eines Neo-Baufunktionalismus in antikisierender

Steinfassadentarnung wird hierbei deutlich. Gleichsam wird

die Elbphilharmonie mit dem Hauptstadtflughafen in die-

selbe Skandalschublade gepackt, vermutlich als Grosspro-

jekte zweier «entrückter Stararchitekten». Das zeigt besorg-

niserregend und beispielhaft, wie undifferenziert teilweise

argumentiert wird und gleichzeitig ist es beruhigend, weil

die Probleme folglich weder an einer spezifischen Architek-

tur- oder Formensprache noch an der Entwurfsqualität selbst

festzumachen sind. Denn der Elbphilharmonie sei zumindest

nach den frühen Plänen ein Platz im Kanon der Architektur-

projekte eingeräumt und verspricht mit dem Aufstieg aus

dem Foyer in den Konzertsaal ein beindruckendes Raumer-

lebnis, während der Flughafen von GMP getrost verschwie-

gen werden kann. Dennoch sollte die Architekturwelt die

Ökonomie derzeit nicht ignorieren, denn das Vertrauen in die

Leistungen und eigentlichen Fähigkeiten der Architektur ist

beschädigt und gefährdet den Manövrierraum künftiger Vor-

haben. Es gilt Boden gutzumachen, bis jemand der ergreifen-

den Raumwirkung den Koeffizienten 9 in seiner Excel-

Tabelle zurechnet, wie es vor noch nicht allzu vielen Jahren

der ikonischen Form widerfuhr. Solange das nicht der Fall

ist, bleibt Architektur ein Glaubensbekenntnis in einer Welt,

die sich aus Flächen und Kosten zusammenfügt.

Gewinn!

Die Vorrede würde ihres Sinns entbehren, hätte die LBBW

Immobilien die Hofstatt nicht mit grossem Gewinn weiter-

1 Erweiterte Fussgängerzone in der Sendlinger-strasse, mit dem ehemaligen Redak-tionsgebäude der Süddeutschen Zeitung und dem Neubau mit Passa-genzugang (Fotos 1, 4, 9, 13–15, 18: Michael Hein-rich)

2 Lage der Hofstatt in der Münchner Innenstadt, im Shopping-Dreieck zwischen Stachus, Sendlinger Tor und Marienplatz

3 Hofstatt-Mosaik: A: Wohnhaus, Hotterstrasse B: Denkmal-geschütztes Haus an der Hacken-strasse mit Passagen zugang und Einzelhandel im EG, darüber Wohnen C: Einzelhandel und Büronutzung, mit Passagenzugang vom Färbergraben D: Ehemaliges SZ-Redaktions-gebäude in der Sendlingerstrasse mit Einzelhandel und Büronutzung E: Ehemaliges Druckereigebäude mit Einzelhandel und Büronutzung F: Neubau mit Passagenzugang Sendlingerstrasse und Einzelhandel sowie Büronutzung G: Denkmal-geschütztes Haus mit Einzelhandel und Büronutzung

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EIN TEMPEL FÜR DAS HANDWERKWerkraum Bregenzerwald in Andelsbuch/Vorarlberg, Atelier Peter Zumthor und Partner AG Nach dem Kunsthaus

Bregenz realisiert Peter Zumthor nicht unweit von Vorarlbergs Landeshauptstadt entfernt ein neues Ausstellungs- und

Veranstaltungsgebäude für die regionale Handwerkskultur des Bregenzerwaldes.

1

Autor: Ansgar Staudt

Von der Scheune zum Tempel

Bauherr und Initiator des Werkraum-Bregenzerwald-Hauses

ist der gleichnamige Verein, bestehend aus derzeit 82 Hand-

werksmeisterbetrieben aus dem Bregenzerwald. Dabei

handelt es sich in der Regel um kleine Familienbetriebe mit

maximal zehn Angestellten mit unterschiedlich langen Tra-

ditionen und Schwerpunkten. Neben den klassischen Baube-

trieben wie Zimmereien und Schreinereien sind mittlerweile

auch eine Köchin, Filzerin und ein Goldschmied Mitglied.

Der Verein ist 1999 aus dem Designwettbewerb Handwerk+

Form hervorgegangen, welcher seit 1991 alle drei Jahre in

der Region stattfindet. Aus dem Bereich Wohnen und Ein-

richten wurden die eingereichten Objekte und Arbeiten bis

zur Errichtung des neuen Domizils an unterschied lichen Or-

ten in rustikalen Scheunen oder traditionellen Werkstätten

in Andelsbuch ausgestellt und einer breiten Öffentlichkeit

präsentiert. Eine wechselnde fünfköpfige Jury tritt mit den

ausführenden Handwerkern vor Ort in einen offenen Dialog

und bewertet die nominierten Arbeiten vor allem hinsicht-

lich ihrer handwerklichen Verarbeitung und Qualität in Kom-

bination mit einer modernen Formensprache. Dieser Wettbe-

werb fördert und spiegelt die Entwicklung im regionalen

Handwerk wider und setzt neue Impulse. Was dem Verein

aber bis dato fehlte, war eine permanente Präsentations-

plattform ihres Könnens und Schaffens, um als Institution

mit adäquater Werbung, Marketing und Öffentlichkeitsar-

beit an potenzielle Kunden oder Bauherren herantreten zu

können. Hierzu sollte das Projekt eine erste Anlaufstelle und

einen Ort der Kommunikation beziehungsweise des Austau-

sches auch für die eigenen Mitglieder ermöglichen.

Für die Realisierung des Werkraum-Hauses auf dem Areal

neben dem ehemaligen Bahnhof in Andelsbuch wurde ein

eingeladener Wettbewerb ausgearbeitet, bei dem Peter

Zumthor als Fachjuror in die Jury eingeladen wurde. Zumthor

blieb nach dem Bau des Kunsthauses Bregenz (1990–1997)

mit den lokalen Unternehmen in Kontakt und wurde bereits

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2006 als Vorsitzender der fünf Juroren beim Designwettbe-

werb Handwerk+Form engagiert. Sein Interesse bei der Mit-

wirkung des Realisierungswettbewerbs galt jedoch weniger

der Bewertung der potenziellen Architekturbeiträge seiner

Kollegen, sondern eher einer direkten Beauftragung seiner

eigenen Person für diese aussergewöhnliche und interes-

sante Bauaufgabe. Der Verfahrensablauf mit der schluss-

endlich erwirkten Direktbeauftragung durch das Atelier

Zumthor und Partner stösst bis heute bei vielen Vorarlberger

Architekten auf starke Kritik und Unverständnis.

Zu Beginn der Planung wurden Grösse und Idee des Ge-

bäudes vom Verein vorgegeben sowie das Gebäudekonzept

«Werkraum» mit Raumprogramm gemeinsam mit dem Ver-

einsvorstand definiert und entwickelt. Zumthors erster Ent-

wurfsvorschlag, ein gläsernes, linear-gerichtetes Gebäude

mit einem dominanten, auskragenden Elementdach, auf

eineinhalb Meter dicken Säulen gelagert, entsprach weder

typologisch, räumlich noch materiell den Erwartungen der

Werkraum-Vertreter. Die Vorstellungen von einem ortstypi-

schen Holzbau, welcher sich in den Kontext der umgebenden

Bebauung einordnet, wurden sichtlich nicht erfüllt. Der

Entwurf präsentiert bewusst «eine nicht vor Ort präsente

Gebäudetypologie» (Zumthor), die als Grossform in der Ana-

logie eines Tempels für den Ort eine entsprechende Aus-

strahlung erzeugen soll. Im ersten Moment ist man dazu

verleitet, eine Parallele zu Mies van der Rohes Berliner

Nationalgalerie zu ziehen. Bis auf wenige Anlehnungen ver-

flüchtigen sich in der weiteren Betrachtung ihre Gemeinsam-

keiten. Die Fremdartigkeit der Typologie des schwarzen

gläsernen Schlittens definiert eine neue Massstäblichkeit

und betont durch das weit auskragende Dach beim Vorbei-

fahren entlang der Hauptstrasse einen Hauch von Dynamik

und Eleganz. Selbst im Vergleich mit dem gegenüberliegen-

den Feuerwehrhaus dominiert das Werkraum-Haus durch

sein Volumen und seine Präsenz die eher beschauliche und

kleinmassstäbliche Umgebung.

Während des weiteren Entwurfprozesses blieb das grosse

Dach als zentraler Konzeptansatz stets erhalten. Es besteht

aus einem rund 73 mal 21 Meter grossen, ungerichteten,

schwarz gestrichenen Holz-Trägerrost, der auf vierzehn

Holz pendelstützen und drei Sichtbetonkernen ruht. Unter

dem 1.512 Quadratmeter grossen Dach umhüllt eine Stahl-

Glas-Fassade den 706 Quadratmeter grossen Innenraum.

Dach, Stützen, Türme, Vorhänge und Boden sind in schlich-

tem Schwarz gehalten und unterstreichen eine zurückhal-

tende und eher unterkühlte Atmosphäre, die erst durch die

Exponate und Möblierung aufgebrochen wird.

Während sich der Aufzugskern ausserhalb der thermi-

schen Hülle befindet, rhythmisieren die beiden orthogonal

zueinander versetzten Kerne im Inneren den universell nutz-

baren Raum in drei Bereiche. Die Betontürme suggerieren

gegenüber den schlank dimensionierten Holzpendelstützen

Stabilität, als ob das gesamte Dach mit seinen Lasten auf

ihnen ruhen würde. Dabei nehmen sie im Ansatz von «die-

nendem und bedientem Raum» die Nebenfunktionen wie

Küche, Lift oder Treppe ins Untergeschoss auf. Trotz der

Zonierung durch die zwei strukturgebenden Betontürme im

Inneren ist der Raum als Grossform in seiner gesamten

1 Ansicht Werk-raum von der Parkplatzseite (Foto: © Adolf Bereuter)

2 Ansicht «Vitrine» (Foto: Florian Holzherr, © Werkraum Bregenzerwald)

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SIEBENSCHLÄFERZielturm am Rotsee bei Luzern von Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler Architekten Wenn der Regattaverein

am Rotsee nationale wie internationale Rennen veranstaltet, Tribünen errichtet und Banner aufspannt, wird der Zielturm

für wenige Tage im Jahr geöffnet. Die meiste Zeit jedoch steht er, mit verschlossenen Läden, als stiller Waldbewohner

am südlichen Seeufer.

Autorin: Katharina Sommer

Inmitten eines Naturschutzgebiets nördlich der Stadt Luzern

erstreckt sich über 2,5 Kilometer Länge der Rotsee. Mit sei-

nen Ausmassen bietet er die perfekten Voraussetzungen für

Ruderregatten, welche dort seit 1933 stattfinden. Daneben

gilt das Gelände als beliebtes Naherholungsgebiet für

Luzern und seine Umgebung.

Da das bestehende Rudersportzentrum und das ehema-

lige Zielturmprovisorium den heutigen Ansprüchen nicht

mehr gerecht wurden, schrieb der 2010 gegründete Verein

Naturarena Rotsee im folgenden Jahr einen geladenen Wett-

bewerb zu deren Neubau aus, den Fuhrimann Hächler Archi-

tekten gewinnen konnten. Mit dem neuen Zielturm, der im

letzten Juli pünktlich zur Regattasaison eingeweiht wurde,

ist die erste Etappe abgeschlossen. Das Ruderzentrum soll

voraussichtlich 2016 fertiggestellt werden und eine architek-

tonische Einheit mit dem Turm bilden.

Die Herausforderung in der Konzipierung des Zielturms

bestand darin, einen Hybrid zu entwickeln, der sowohl als

funktionaler Zweckbau mit identitätsstiftenden Merkmalen,

sowie als frei stehende Skulptur auf dem Wasser funktio-

niert. Bei der Umsetzung dieser eher ungewöhnlichen Auf-

gabe konnten die Architekten ihr Gespür für den plastischen

Ausdruck von Raum und Fassade einbringen, welches sie

mit Bauten wie dem skulpturalen Monolith Haus Presen-

huber in Vnà bereits unter Beweis zu stellen vermochten.

Die meiste Zeit des Jahres ist es ruhig am Rotsee, die

hölzernen Klapp- und Schiebeläden des Zielturms sind ge-

schlossen, der Verbindungssteg zum Ufer ist entfernt und

das Gebäude zeigt sich als kompaktes, frei im Wasser ste-

hendes Volumen. Die reliefartigen Versprünge in der Fas-

sade und die parallel zur Uferkante verschobenen Geschosse

lassen es zur fein strukturierten Skulptur werden, die sich je

nach Betrachtungswinkel in anderer Gestalt präsentiert.

Durch die abstrahierte Form und die zurückhaltende Er-

scheinung fügt sich der Zielturm in seine Umgebung ein und

schafft gleichzeitig einen Wiedererkennungswert, der ihn

zum identitätsstiftenden Wahrzeichen für den Ruderverein

werden lässt.

Während der Regatten wandelt sich die abgeschlossene

Skulptur dann zum funktionalen Raum. Organisatoren und

Kampfrichter versammeln sich auf den drei Etagen des

Turms, der durch das Öffnen der Läden einer Vogelwarte

gleich zum Observatorium wird.

1+2 Bis auf wenige Tage im Jahr bleibt der Zielturm geschlossen (Fotos: Valentin Jeck)

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PLATZ SCHAFFENNeugestaltung des Bahnhofplatzes in Aarau von Vehovar & Jauslin Architektur Die Gestaltung von Bahnhofplatz-

überdachungen gehört zu den Refugien der Gestaltungsfreiheit jenseits von kleingeistiger Angemessenheit in der Schweiz.

In Aarau ist den Architekten ein technisch wie ästhetisch anspruchsvolles Architekturobjekt gelungen und doch liegen

die entscheidenden Qualitäten auf dem Platz und unter der Erde.

Autorin: Andrea Wiegelmann

Der Bahnhofplatz war einst Ankündigung eines Erlebnisses

– des Reisens. Ein Ort, der vom Wegfahren ebenso erzählt

wie vom Ankommen, der vor den oftmals prächtigen Bahn-

hofsbauten ehrfürchtig zurücktrat, sie gleichsam präsen-

tierte. Und heute? Das Reisen ist für viele von uns zum Alltag

geworden und so gilt es, täglich den Fluss tausender Men-

schen zu koordinieren. Die Führung des an- und abfahren-

den Auto- und Busverkehrs, von Passanten und Velofahrern,

von Trams und Taxiständen hat einst schöne Platzanlagen

zergliedert und Platzräume zu einer Ansammlung von Rest-

flächen verkommen lassen. Plätze mit Verweilqualität wur-

den zu Transitbereichen, die den Wechsel der Verkehrsmittel

begleiten. Die dazugehörigen Infrastrukturbauten wie Bus-

bahnhofsüberdachungen oder Parkierungsflächen tragen

ein Übriges zu der Entwicklung bei. In der Schweiz sind im

Zuge von Umbaumassnahmen zahlreiche dieser Flächen zu

neuem Leben erweckt worden, wurde mit teils erheblichem

Aufwand Stadt gestaltet und dennoch gab es bereits deutli-

che Kritik an den Bemühungen.

Auch der Bahnhofplatz in Aarau hat eine solch wechsel-

volle Geschichte. Einst vor den Toren der Stadt gelegen, um-

geben von Gärten und flankiert vom damaligen Postge-

bäude, wuchs die Stadt immer näher an ihn heran. Dem

dreiteiligen Bau des Bahnhofsgebäudes von 1859 wurde

1915 die neue Hauptpost gegenübergestellt. Der neoklassi-

zistische Neubau nahm mit seiner Mittelachse Bezug auf das

Bahnhofsgebäude und den inzwischen ausgebildeten Bahn-

1

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hofplatz. Dieser wurde schliesslich anlässlich des Eidge-

nössischen Schützenfestes 1924 neu gestaltet, mit einem

Schützendenkmal samt zugehörigem Brunnen. In den Sieb-

zigerjahren folgte dann, der Zunahme des Individualver-

kehrs geschuldet, der Bau eines Bahnhofparkplatzes. In der

Logik der Verkehrstrennung wurde er ergänzt durch Perso-

nenunterführungen unter der inzwischen stark befahrenen

Bahnhofstrasse als Anbindung an die Innenstadt. Mit dem

Neubau des Hotels Aarauer Hof von Justus Dahinden erhielt

der Bahnhofplatz, über den nun auch die Ein- und Ausfahrt

der Parkplätze führte, eine weitere fast mittige Unterteilung.

Das Schützendenkmal wurde an den Platzrand versetzt und

die einst grosszügige Platzfläche mit weiteren Installationen

verstellt. Als dann die SBB einen Pavillon als provisorisches

Bahnreisezentrum auf den verbliebenen Bahnhofplatz setzte,

war der einst repräsentative Platz verschwunden und, wie

es der Stadtbaumeister von Aarau, Felix Fuchs, ausdrückte,

«alles andere als eine Visitenkarte der Kan tonshauptstadt»1.

Die Wiederbelebung des Bahnhofplatzes wurde dank des

notwendigen Neubaus des Bahnhofsgebäudes und der damit

verbundenen Neuordnung der Verkehrsströme möglich.

Schon im Wettbewerb für den Bahnhofsneubau 1992, den

der Zürcher Architekt Theo Hotz für sich entscheiden konnte,

war die Neugestaltung von Platz, Busbahnhof sowie der be-

stehenden unterirdischen Fussgängerpassagen gefordert.

Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, den Bahnhof-

platz, immerhin grösster Platz der Stadt, neu zu ordnen; eine

zentrale Drehscheibe des öffentlichen Verkehrs der Region

mit täglich bis zu 40 000 Pendlern konnte reorganisiert und

dem Bahnhofplatz somit ein Gesicht gegeben werden.

Mit der Neugestaltung ist dort, wo früher das SBB-Provi-

sorium den Blick verstellte, wieder ein weitläufiger Platz

entstanden, der sich in Richtung Innenstadt zwischen der

Hauptpost und dem gläsernen Bahnhofsriegel aufspannt

und in Längsrichtung von der Aargauer Kantonalbank sowie

einem Bürohaus eingefasst wird und das Hotel Aarauerhof

umfliesst. Die Tiefgaragenabfahrt ist in die Poststrasse ver-

legt, die Vorfahrt für den Bahnhof ist unterirdisch gelöst. Auf

dem Platz selbst befindet sich, zwischen dem Aarauerhof

und dem Bürogebäude, der neu überdachte Busbahnhof.

Verantwortlich dafür zeichnen die Zürcher Architekten

Mateja Vehovar und Stefan Jauslin, die im November 2004 die

Planung und spätere Ausführung des Bahnhofplatzes, mit

der Platzgestaltung, Busbahnhofsüberdachung, Instandset-

zung sowie der Neugestaltung der bestehenden Personen-

unterführung zur heutigen Einstein-Passage und der Hächler-

halle als Subplaner von Theo Hotz übernommen haben.

Um den Charakter der Platzsituation zu stärken, sahen die

Architekten ursprünglich einen einheitlichen Bodenbelag

vor, der sich über alle Bereiche des Platzes und auch die

Bahnhofstrasse zieht, doch unterschiedliche Anforderun-

gen, Vorschriften und Randbedingungen haben dies verhin-

dert. Die Oberflächen der nun verwendeten Materialien – ein

grob geschliffener Gussasphalt mit weissen Einstreuungen

als veredelter Platzbelag, ein Walzasphalt mit weissen Zu-

schlagstoffen als Belag der Bahnhofstrasse sowie Beton mit

wassergestrahlter Oberfläche beim Busbahnhof – überset-

zen diese Idee. Die Platzmöbilierung ist sinnvoll in die Platz-

struktur eingefügt. Rote Sitzmöbel setzen Akzente, wenn

hier auch weniger mehr gewesen wäre.

Aufgeräumt ist auch die Einstein-Passage – die ehemalige

Personenunterführung Ost –, die mit der interaktiven Licht-

installation Gravity heute weit entfernt ist von der einstigen

dunklen Unterführung (vgl. archithese 1’2012, S. 74 ff.). Eben -

so die Hächlerhalle, die den Aufgang zur Innenstadt am

Ende der Passage aufnimmt. Sie kann dank neuer Oberflä-

chen und gelungener Lichtführung Raumwirkung entfalten

und lässt das Wandrelief von Peter Hächler aus den Siebziger-

jahren wieder zu seinem verdienten Recht kommen.

Another Friendly Alien

Über der Erde ist die Überdachung des Busbahnhofs ein

wesentlicher und von Weitem sichtbarer Baustein, der das

Gesamtprojekt im Stadtraum ankündigt. Ihre freie Form, im

1 Das transluzente luftgestützte Folienkissen als neue Überdachung des Busbahnhofs (Fotos 1+7: Mensur Zulji)

2 Lageplan mit der Aargauer Kantonal-bank (angeschnit-ten ganz links), dem windradförmi-gen Hotel Aarauer-hof, der neuen Überdachung sowie dem Bürohaus als rechte östliche Platzeinfassung

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