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KAPITEL Entzündliche und erregerbedingte Krankheiten Ambulant erworbene bakterielle (eitrige) Meningoenzephalitis Entwicklungsstufe: S1 Stand: September 2012 PDF Dow nload AWMF-Registernummer: 030/089 COI-Erklärung Clinical Pathw ay Federführend Prof. Dr. Hans-Walter Pfister, München [email protected] Was gibt es Neues? Bei der Pneumokokken-Meningitis können auch nach initial gutem Verlauf unter Antibiotikatherapie verzögerte zerebrovaskuläre Komplikationen mit zerebralen Ischämien vorkommen (Schut et al. 2009, Klein et al. 2010). Eine aktualisierte Metaanalyse (24 Studien, 4041 Patienten; Brouwer et al. 2010) zeigte, dass die adjuvante Therapie mit Dexamethason die Letalität bei der Pneumokokken-Meningitis senkt und die Häufigkeit schwerer Hörstörungen bei der Haemophilus-influenzae-Meningitis reduziert. Eine positive Wirkung von Dexamethason bei der Meningokokken-Meningitis konnte nicht belegt werden (Brouwer et al. 2010). Eine Wirksamkeit von Dexamethason bei der bakteriellen Meningitis konnte in klinischen Studien in Entwicklungsländern (z. B. in der Malawi- und Vietnam-Studie) nicht gezeigt werden. Dies liegt wahrscheinlich an folgenden Faktoren: hoher Anteil an HIV-positiven Patienten, Fehlernährung, fortgeschrittenes Krankheitsbild mit später ärztlicher Vorstellung und Versorgung. Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick Bei erwachsenen Patienten mit Verdacht auf eine bakterielle Meningitis (keine Bewusstseinsstörung, kein fokal- neurologisches Defizit) soll unmittelbar nach der klinischen Untersuchung die lumbale Liquorpunktion angeschlossen werden. Nach Abnahme von Blutkulturen werden sofort Dexamethason (10 mg) und Antibiotika i. v. verabreicht. Bei schwer bewusstseinsgestörten Patienten und Patienten mit fokal-neurologischem Defizit (z. B. Hemiparese), bei denen der dringende Verdacht auf eine bakterielle Meningitis besteht, sollen bereits unmittelbar nach der Blutentnahme (für das Anlegen einer Blutkultur) Dexamethason und Antibiotika i. v. gegeben werden; anschließend werden ein Schädel-Computertomogramm und – wenn der CT-Befund nicht dagegen spricht – eine Liquorpunktion durchgeführt. Die initiale empirische Antibiotikatherapie bei der ambulant erworbenen bakteriellen Meningitis im Erwachsenenalter beinhaltet eine Kombination aus Ampicillin und einem Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon). Eine Antibiotikatherapie muss bei Patienten mit Verdacht auf bakterielle Meningitis möglichst schnell begonnen werden. Eine Verzögerung der Antibiotikatherapie um mehr als 3 Stunden nach Krankenhausaufnahme muss unbedingt vermieden werden. Es muss eine rasche Fokussuche erfolgen, insbesondere eine HNO-ärztliche Konsiliaruntersuchung und Suche nach einem parameningealen Entzündungsherd im CT oder MRT (z. B. Sinusitis). Bei ausbleibender klinischer Besserung innerhalb von 2 Tagen nach Beginn der Antibiotikatherapie müssen vor allem folgende Ursachen bedacht werden: Auftreten von intrakraniellen Komplikationen, persistierender 1 Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie Archiv - alte Auflage

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KAPITELEntzündliche und erregerbedingte Krankheiten

Ambulant erworbene bakterielle (eitrige)

Meningoenzephalitis

Entwicklungsstufe: S1

Stand: September 2012

PDF Dow nload

AWMF-Registernummer: 030/089

COI-Erklärung

Clinical Pathw ay

Federführend

Prof. Dr. Hans-Walter Pfister, München

[email protected]

Was gibt es Neues?

Bei der Pneumokokken-Meningitis können auch nach initial gutem Verlauf unter Antibiotikatherapie verzögerte

zerebrovaskuläre Komplikationen mit zerebralen Ischämien vorkommen (Schut et al. 2009, Klein et al. 2010).

Eine aktualisierte Metaanalyse (24 Studien, 4041 Patienten; Brouwer et al. 2010) zeigte, dass die adjuvante

Therapie mit Dexamethason die Letalität bei der Pneumokokken-Meningitis senkt und die Häufigkeit schwerer

Hörstörungen bei der Haemophilus-influenzae-Meningitis reduziert. Eine positive Wirkung von Dexamethason bei

der Meningokokken-Meningitis konnte nicht belegt werden (Brouwer et al. 2010). Eine Wirksamkeit von

Dexamethason bei der bakteriellen Meningitis konnte in klinischen Studien in Entwicklungsländern (z. B. in der

Malawi- und Vietnam-Studie) nicht gezeigt werden. Dies liegt wahrscheinlich an folgenden Faktoren: hoher Anteil

an HIV-positiven Patienten, Fehlernährung, fortgeschrittenes Krankheitsbild mit später ärztlicher Vorstellung und

Versorgung.

Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

Bei erwachsenen Patienten mit Verdacht auf eine bakterielle Meningitis (keine Bewusstseinsstörung, kein fokal-

neurologisches Defizit) soll unmittelbar nach der klinischen Untersuchung die lumbale Liquorpunktion

angeschlossen werden. Nach Abnahme von Blutkulturen werden sofort Dexamethason (10 mg) und Antibiotika i.

v. verabreicht.

Bei schwer bewusstseinsgestörten Patienten und Patienten mit fokal-neurologischem Defizit (z. B. Hemiparese),

bei denen der dringende Verdacht auf eine bakterielle Meningitis besteht, sollen bereits unmittelbar nach der

Blutentnahme (für das Anlegen einer Blutkultur) Dexamethason und Antibiotika i. v. gegeben werden;

anschließend werden ein Schädel-Computertomogramm und – wenn der CT-Befund nicht dagegen spricht –

eine Liquorpunktion durchgeführt.

Die initiale empirische Antibiotikatherapie bei der ambulant erworbenen bakteriellen Meningitis im

Erwachsenenalter beinhaltet eine Kombination aus Ampicillin und einem Cephalosporin der 3. Generation (z. B.

Ceftriaxon).

Eine Antibiotikatherapie muss bei Patienten mit Verdacht auf bakterielle Meningitis möglichst schnell begonnen

werden. Eine Verzögerung der Antibiotikatherapie um mehr als 3 Stunden nach Krankenhausaufnahme muss

unbedingt vermieden werden.

Es muss eine rasche Fokussuche erfolgen, insbesondere eine HNO-ärztliche Konsiliaruntersuchung und Suche

nach einem parameningealen Entzündungsherd im CT oder MRT (z. B. Sinusitis).

Bei ausbleibender klinischer Besserung innerhalb von 2 Tagen nach Beginn der Antibiotikatherapie müssen vor

allem folgende Ursachen bedacht werden: Auftreten von intrakraniellen Komplikationen, persistierender

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infektiöser Fokus, inadäquate Antibiotikatherapie.Bei Vorliegen eines erhöhten intrakraniellen Drucks müssen hirndrucksenkende Maßnahmen durchgeführtwerden, z. B. Oberkörperhochlagerung (30 °), Osmotherapie, externe intraventrikuläre Liquordrainage beiVorliegen eines Hydrozephalus.Für die arteriellen zerebralen Gefäßkomplikationen (Arteriitis, Vasospasmus) gibt es bislang keine gesichertenTherapieoptionen.Die Antikoagulation mit PTT-wirksamem intravenösem Heparin ist bei septischen Sinus-sagittalis- oder Sinus-cavernosus-Thrombosen oder kortikalen Venenthrombosen zu empfehlen.

Einführung

Die bakterielle Meningoenzephalitis ist noch immer eine schwerwiegende Erkrankung; nach wie vor versterben etwa15–20 % der Patienten mit einer Pneumokokken-Meningitis. Die Leitlinie gibt einen Überblick über die notwendigendiagnostischen Methoden und die aktuellen Therapieempfehlungen.

Definition, Klinik

Klinische Leitsymptome der bakteriellen (eitrigen) Meningoenzephalitis sind Kopfschmerzen, Meningismus und hohesFieber. Ferner können initial Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, ein Verwirrtheitssyndrom, eine Vigilanzstörung undepileptische Anfälle auftreten. Etwa 10 % der Patienten mit bakterieller Meningitis haben eine Hirnnervenbeteiligung,der Häufigkeit nach des III., VI., VII. oder VIII. Hirnnervs. Hörstörungen, die meist Folge einer eitrigen Labyrinthitis sind,lassen sich bei etwa 10–20 % der Patienten nachweisen, bei Patienten mit Pneumokokken-Meningitis sogar bei biszu 30 % (Kastenbauer u. Pfister 2003). Meningokokken-Erkrankungen verlaufen bei etwa der Hälfte der Patienten alseitrige Meningitis; bei einem Viertel der Patienten finden sich primär septische Krankheitsbilder und bei einemweiteren Viertel Mischformen aus Sepsis und Meningitis. Bei etwa 10–15 % der Meningokokken-Sepsis-Fälle findensich besonders schwere Krankheisverläufe in Form des Waterhouse-Friderichsen-Syndroms. Bei etwa 2/3 derPatienten mit einer Meningokokken-Meningitis sind bei Krankenhausaufnahme Hautveränderungen nachweisbar:makulopapulöse oder petechiale Exantheme oder eine ausgedehnte Purpura fulminans mit Hautnekrosen(Heckenberg et al. 2008).

Die häufigsten Erreger einer bakteriellen Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter sind Streptococcus pneumoniaeund Neisseria meningitidis, gefolgt von Listerien (< 5 % der Fälle), Staphylokokken (je nach Literaturangabe 1–9 % derFälle), gramnegativen Enterobakterien inklusive Pseudomonas aeruginosa (< 10 % der Fälle) und Haemophilusinfluenzae (1–3 %). Die häufigsten Keime der eitrigen Meningoenzephalitis im Kindesalter sind Pneumokokken undMeningokokken, in der Neugeborenenperiode Streptococcus agalactiae (Gruppe-B-Streptokokken) und Listeriamonocytogenes. Die Inzidenz der invasiven Haemophilus-influenzae-Typ-B-Erkrankungen (Hib) ist seit Einführung derHib-Konjugat-Impfstoffe deutlich zurückgegangen. In Deutschland erkranken derzeit nur noch etwa 30 Kinder im Alterbis zu 5 Jahren pro Jahr an einer Hib-Meningitis (DGPI 2009).

Diagnostik

Laboruntersuchungen

Der Liquor ist bei der bakteriellen Meningitis meist eitrig-trüb. Er zeigt typischerweise eine granulozytäre Pleozytoseüber 1000 Zellen/µl, eine schwere Blut-Liquor-Schrankenstörung und eine Liquorglukose-Erniedrigung (meist < 30 mg/dl; Liquor-/Serum-Glukose-Quotient < 0,3). Bei Patienten mit extrem niedrigen Liquorglukose-Konzentrationen (< 5 mg/dl) findet sich häufig eine sehr große Zahl von Bakterien im Liquor (Bakterienrasen im Gram-Präparat). Aneinzelnen Zentren wird die Bestimmung von Liquorlaktat (Werte meist > 3,5 mmol/l) der Glukosebestimmungvorgezogen. Liquorzellzahlen < 1000 Zellen/µl können bei der bakteriellen Meningitis sehr früh im Krankheitsverlauf,bei antibiotisch anbehandelten Patienten, bei fulminanten Krankheitsverläufen und bei abwehrgeschwächten (z. B.leukopenischen) Patienten beobachtet werden. In klinischen Studien war die Untersuchung von Procalcitonin imSerum in der Unterscheidung einer viralen und bakteriellen Meningitis im Kindesalter hilfreich (Dubos et al. 2008,Krysan 2009). Es fanden sich Sensitivitäten von nahezu 99 % bei Spezifitäten über 80 %. Allerdings kann das Serum-Procalcitonin in Einzelfällen auch normal sein, beispielsweise im sehr frühen Stadium der Erkrankung infolge eineslokalisierten parameningealen Infektionsfokus. Daher darf eine bakterielle Meningitis nicht allein auf der Grundlageeines negativen Procalcitonin-Wertes im Serum ausgeschlossen werden (Klein u. Pfister 2010).

Die Diagnose der bakteriellen Meningitis wird durch den Erregernachweis im Liquor gesichert:

mikroskopisch mittels Gramfärbung (oder Methylenblau-Färbung) undbakteriologisch mittels Kultur.

Der Nachweis von Bakterien im Liquor ist mit den genannten Methoden bei 70–90 % der Patienten mit eitrigerMeningitis möglich. Zum Nachweis nur schwer oder nicht kultivierbarer Bakterien, z. B. nach bereits begonnenerAntibiotikatherapie, kann ggf. eine universelle Polymerasekettenreaktion (PCR) zum Einsatz kommen. Bei etwa der

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Hälfte der Patienten mit bakterieller Meningitis sind die Blutkulturen positiv; Blutkulturen müssen deshalb vor Beginnder Antibiotikatherapie angelegt werden. Bei Patienten mit Verdacht auf Meningokokken-Meningitis (vorliegendeHautveränderung) kann der mikroskopische und kulturelle Erregernachweis auch in den Hauteffloreszenzen erfolgen.

Im Blut finden sich bei der bakteriellen Meningitis eine Leukozytose sowie eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins(mögliche Ausnahme: immunsupprimierte Patienten).

Der Nachweis bakterieller Antigene im Liquor mittels kommerziell verfügbarer Latexagglutinationstests (z. B.Antigennachweis von Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Streptococcusagalactiae) kann das Ergebnis eines aufgrund des mikroskopischen Präparates geäußerten Verdachts ergänzen oderbestätigen (Kniehl et al. 2001). Als Indikationen für den Einsatz von Verfahren zum Antigennachweis klassischerMeningitis-Erreger gelten (Kniehl et al. 2001):

Bestätigung unklarer mikroskopischer LiquorbefundeLiquor mit deutlicher Pleozytose und negativem mikroskopischem BefundLiquor eines Patienten mit antibiotischer Vorbehandlung

Bei klinischem Verdacht auf eine Meningokokken-Erkrankung und negativem mikroskopischem sowie kulturellemErgebnis kann eine Polymerasekettenreaktion (PCR) zum Nachweis der Meningokokken-DNA im Liquor und Blut indie Wege geleitet werden (Untersuchung im Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken, Institut für Hygiene undMikrobiologie der Universität Würzburg, Josef-Schneider-Straße 2, 97080 Würzburg Tel. 0931/201-46161; Hinweisezum Transport siehe http://www.meningococcus.de. Für Österreich: Nationale Referenzzentrale für Meningokokken ander Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit [AGES]; Institut für Medizinische Mikrobiologieund Hygiene, Beethovenstraße 6, A-8010 Graz, Tel.: 05 055561200; Fax: 05 055561208. www.ages.at. Für die Schweiz:Hôpitaux Universitaires de Genève [HUG], Laboratoire de Bactériologie, 4, Rue Gabrielle-Perret-Gentil, CH-1211Genève 14, Tel.: 022 372 92 52, Fax: 022 372 73 04, E-Mail: [email protected].

Bildgebende Untersuchungen

Bei jedem erwachsenen Patienten mit bakterieller Meningoenzephalitis muss am Aufnahmetag eine bildgebendeUntersuchung durchgeführt werden, in der Regel ein Schädel-CT mit Knochenfenster. Mögliche Befunde, die imSchädel-CT bei einem Patienten mit bakterieller Meningoenzephalitis nachgewiesen werden können, sind:

Hirnschwellung (Hirnödem; Hirnvolumenzunahme bei Sinus-/Venenthrombose)HydrozephalusInfarkte (evtl. hämorrhagisch transformiert) bei zerebraler Vaskulitis oder septisch-embolischer Herdenzephalitisoder Stauungsinfarkte bei Sinus-/Venenthromboseintrazerebrale Blutung (Blutung bei Verbrauchskoagulopathie; Stauungsblutung bei Venenthrombose)Zerebritis (Hirnphlegmone)Ventrikulitis (Ventrikelempyem)Hirnabszess oder subdurales Empyem (die sekundär zu einer Meningitis geführt haben)parameningealer Infektionsherd im Knochenfenster, z. B. Sinusitis, Mastoiditisintrakranielle freie Luft bei einem Duraleckmeningeale und ventrikuläre ependymale Kontrastmittelaufnahme

Neben der Schädelcomputertomografie kommen in der Diagnostik zerebrovaskulärer Komplikationen insbesonderezum Einsatz: transkranielle Dopplersonografie (TCD) und – wenn vorhanden – Kernspintomografie (insbesondere T2-Wichtung, perfusions- und diffusions- gewichtete MRT) sowie Kernspin- und CT-Angiografie.Zum Nachweis vestibulokochleärer Funktionsstörungen im Verlauf der Meningitis werden insbesondere eingesetzt:Audiometrie, akustisch evozierte Hirnstammpotenziale und Elektronystagmografie mit Kalorik.

Verlauf

Etwa die Hälfte der erwachsenen Patienten mit einer bakteriellen Meningitis entwickelt in der Akutphase derErkrankung Komplikationen unterschiedlichen Schweregrades (Pfister et al. 1993, Kastenbauer u. Pfister 2003) (▶ Tab. 34.1). Da die erste Woche der Erkrankung als kritische Zeit im Verlauf der bakteriellen Meningitis angesehenwird, sollen Patienten mit einer bakteriellen Meningitis in der Initialphase der Erkrankung auf einer Intensivstationbehandelt werden.

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Eine klinische Fallserie (577 Fälle einer bakteriellen Meningitis) zeigte, dass das Auftreten eines Hydrozephalus miteiner ungünstigen Prognose vergesellschaftet ist: Die Letalität lag bei Patienten mit Hydrozephalus bei 46 %, beiPatienten ohne Hydrozephalus bei 17 % (Kasanmoentalib et al. 2010).

Kürzlich wurde von einer holländischen Arbeitsgruppe über 6 Patienten mit Pneumokokken-Meningitis berichtet, dienach initialer klinischer Besserung im Verlauf schwere zerebrovaskuläre Komplikationen entwickelten (Schut et al.2009). Das klinische Ergebnis war ungünstig: 4 Patienten verstarben, die restlichen 2 Patienten blieben behindert.Ursächlich wurde ein lokaler thrombotischer Gefäßverschluss angenommen (Schut et al. 2009). Andere möglichePathomechanismen der beobachteten Meningitis-assoziierten zerebrovaskulären Ischämien sind ein verzögertauftretender Vasospasmus in Analogie zum zeitlichen Profil des Vasospasmus nach Subarachnoidalblutung und/odereine Meningitis-assoziierte Vaskulitis (Klein et al. 2010).

Häufigste extrakranielle Komplikationen in der Akutphase der bakteriellen Meningitis sind:

septischer SchockVerbrauchskoagulopathieAdult Respiratory Distress Syndrome (ARDS)Arthritis (septisch und reaktiv)Elektrolytstörungen wie HyponatriämieSyndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH)zerebrales Salzverlustsyndrom oder zentraler Diabetes insipidusRhabdomyolysePankreatitisseptische einseitige (selten beidseitige) Endophthalmitis oder Panophthalmitisspinale Komplikationen (z. B. Myelitis oder spinale Vaskulitis)

Die höchste Letalität findet sich bei Pneumokokken- und Listerien-Meningitiden mit 15–20 % bzw. 20–30 %; 3–10 %der Patienten mit Meningokokken-Meningitiden versterben. Der Anteil von neurologischen Residuen (insbesondereHörstörungen, neuropsychologische Auffälligkeiten, Hemiparese, epileptische Anfälle, seltener Ataxie,Hirnnervenparesen und Sehstörungen wie z. B. homonyme Hemianopsie) liegt bei 10–40 %.

Therapie

Allgemeines Vorgehen im Krankenhaus bei Patienten mit Verdacht auf bakterielle Meningitis

Bei erwachsenen Patienten mit Verdacht auf bakterielle Meningitis (ohne Bewusstseinsstörung, ohne fokal-neurologisches Defizit) soll unmittelbar nach der klinischen Untersuchung die lumbale Liquorpunktion angeschlossenwerden (▶ Abb. 34.1). Nach Abnahme von Blutkulturen werden sofort Dexamethason (10 mg) und Antibiotika i. v.verabreicht.

Abb. 34.1 Vorgehen bei Verdacht auf bakterielle Meningitis.

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Bei schwer bewusstseinsgestörten Patienten und Patienten mit fokal-neurologischem Defizit (z. B. Hemiparese) sollvor der Liquoruntersuchung ein Schädel-CT mit der Frage eines erhöhten intrakraniellen Drucks (z. B. Hirnabszess,Hydrozephalus) durchgeführt werden. Um keine Zeit durch das Warten auf das CT zu verlieren, müssen bei diesenPatienten bereits unmittelbar nach der Blutentnahme (für das Anlegen einer Blutkultur) Dexamethason und Antibiotikaappliziert werden. Danach wird möglichst schnell ein Schädel-CT durchgeführt, anschließend (wenn der CT-Befundnicht dagegen spricht) eine Liquorpunktion. Kontraindikationen für die Liquorpunktion sind computertomografischeZeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks (z. B. generalisiertes Hirnödem, Hydrozephalus, Hirnabszess) undklinische Zeichen der Einklemmung (z. B. komatöser Patient, einseitig erweiterte und nicht lichtreagible Pupille).

Möglichst bald nach Aufnahme des Patienten muss eine HNO-ärztliche Konsiliaruntersuchung erfolgen. Wennklinisch (z. B. Otitis) oder im CT ein parameningealer Entzündungsherd (z. B. Sinusitis) als mögliche Ursache für diebakterielle Meningitis nachgewiesen wird, soll möglichst rasch (wenn möglich am Aufnahmetag) die operativeFokussanierung erfolgen. In Abhängigkeit von der Anamnese und vom klinischen Befund sollte nach andereninfektiösen Foci gesucht werden (z. B. Röntgenaufnahmen des Thorax, Abdomen-Sonografie/CT, Echokardiografie).

Antibiotikatherapie der bakteriellen Meningitis

Bei unbekanntem Erreger wird empirisch unter Berücksichtigung des Alters des Patienten, der prädisponierendenFaktoren und der damit wahrscheinlichsten Bakterien behandelt (▶ Tab. 34.2, ▶ Tab. 34.4). Die Antibiotika-Empfindlichkeit der verursachenden Erreger wird in vitro getestet; nach Antibiogramm muss die intravenöseAntibiotikatherapie entsprechend angepasst werden (▶ Tab. 34.3).

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Der schnelle Behandlungsbeginn bei Verdacht auf eine bakterielle Meningitis ist sehr wichtig und beeinflusst diePrognose; dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil zwischen dem Beginn der Erstsymptome z. B. einerMeningokokken-Erkrankung und der ersten medizinischen Kontaktaufnahme bei über 60 % der Patienten mehr als 12Stunden vergehen (Median 16 Stunden!) (Lala et al. 2007). Diese Verzögerung ist nicht unmittelbar beeinflussbar,sodass durch einen schnellen Beginn der Therapie im Krankenhaus eine weitere Verlängerung des Intervallszwischen Symptom- und Therapiebeginn verhindert werden muss.

Klinische Studien haben gezeigt, dass der verzögerte Beginn einer Antibiotikatherapie mit einer ungünstigen Prognosevergesellschaftet ist (Proulx et al. 2005, Auburtin et al. 2006, Køster-Rasmussen et al. 2008). Eine prospektiveklinische Studie zeigte bei erwachsenen Patienten mit Pneumokokken-Meningitis, dass die Letalitätszahlen und dieRate neurologischer Residuen bei den Patienten signifikant niedriger waren, die innerhalb von 3 Stunden nachKrankenhausaufnahme antibiotisch behandelt wurden, im Vergleich zu den Patienten, bei denen eineAntibiotikatherapie erst später als 3 Stunden nach Krankenhausaufnahme erfolgte (Auburtin et al. 2006). In einerretrospektiven Datenanalyse (119 Patienten mit einem Alter ≥ 16 Jahren und einer bakteriellen Meningitis; 56 % hatteneine Pneumokokken-Meningitis) zeigte sich, dass Patienten, die später als 6 Stunden nach Krankenhausaufnahmemit Antibiotika behandelt wurden, ein 8,4-fach höheres Risiko hatten, an der Meningitis zu versterben (Proulx et al.2005).

Diese Studien untermauern die Bedeutung der frühzeitigen Antibiotikatherapie bei Patienten mit Verdacht aufbakterielle Meningitis. Sie zeigen, dass eine Verzögerung der Antibiotikatherapie um mehr als 3 Stunden nachKrankenhausaufnahme unbedingt vermieden werden muss.

Die empfohlene Dauer der Antibiotikatherapie der bakteriellen Meningitis richtet sich nach dem Ansprechen auf dieTherapie und nach der Erregerart. Die empfohlene Behandlungsdauer bei unkompliziertem Verlauf liegt für dieHaemophilus-influenzae-Meningitis und Meningokokken-Meningitis bei 7–10 Tagen und für die Pneumokokken-Meningitis bei 10–14 Tagen. Bei der Listerien-Meningitis und der durch gramnegative Enterobakterien verursachtenMeningitis wird oft 3 Wochen mit Antibiotika therapiert.

Bei fehlender klinischer Besserung innerhalb von 2 Tagen nach Beginn der Antibiotikatherapie müssen vor allemfolgende Ursachen erwogen werden:

Auftreten von intrakraniellen Komplikationenpersistierender infektiöser Fokus (insbesondere ein nicht sanierter oder unzureichend operierterparameningealer Fokus, wie z. B. eine Mastoiditis, Sinusitis oder Otitis media)inadäquates Antibiotikaregime (z. B. unwirksames Antibiotikum oder zu niedrige Dosis)

Entsprechende diagnostische Maßnahmen (z. B. Bildgebung, HNO-Konsiliaruntersuchung) müssen in die Wegegeleitet werden. Wenn der Erreger der eitrigen Meningitis nicht isoliert werden konnte, sollte bei fehlendemAnsprechen auf die Antibiotikatherapie eine Erweiterung bzw. ein Umsetzen der Antibiotika in Erwägung gezogen

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Therapie wichtiger intrakranieller Komplikationen

Bei Vorliegen eines erhöhten intrakraniellen Drucks müssen hirndrucksenkende Maßnahmen durchgeführt werden,z. B. Oberkörperhochlagerung (30 °), Osmotherapie mit 20 % Mannit, bei beatmeten Patienten möglichst kurzzeitigeHyperventilation mit einem Zielwert des pCO2 um 32–35 mmHg; bei Hydrozephalus externe Liquordrainage. Bei

erwachsenen Patienten mit bakterieller Meningitis, die 24 (bis 48) Stunden nach Beginn der Antibiotikatherapieweiterhin komatös und damit klinisch nur eingeschränkt beurteilbar sind, sollte eine intraventrikuläre Drainage zurMessung des intrakraniellen Drucks (und ggf. zur Senkung des intrakraniellen Drucks durch Liquorablassen) erwogenwerden.

Für die arteriellen zerebralen Gefäßkomplikationen (Arteriitis, Vasospasmus) gibt es bislang keine gesichertenTherapieformen. Bei MR-angiografischem oder dopplersonografischem Nachweis eines Vasospasmus großerHirnbasisarterien kann in Analogie zum Vorgehen bei einer Subarachnoidalblutung eine Nimodipin-Gabe (Nimotop)erwogen werden.

Die Wirksamkeit einer Antikoagulation septischer Sinus-/Venenthrombosen bei der bakteriellen Meningitis ist unklar;prospektive kontrollierte Studien liegen bisher nicht vor. In einer retrospektiven Studie zeigte sich allerdings eingünstiger Effekt der Heparintherapie bei Patienten mit septischer Sinus-cavernosus-Thrombose (Southwick 1995).Die Antikoagulation mit intravenösem Heparin (PTT-wirksam) kann bei MR-angiografisch oder in der DSAnachgewiesenen septischen Sinus-/Venenthrombosen infolge einer bakteriellen Meningitis erwogen werden. BeiPatienten mit Meningitis-assoziierter Thrombose des Sinus transversus wurde eine erhöhte Blutungsgefahr berichtet(Southwick 1995).

Dexamethason

Eine Metaanalyse (24 Studien, 4041 Patienten) zeigte, dass die adjuvante Therapie mit Dexamethason die Letalität derPneumokokken-Meningitis (nicht aber der Meningokokken-Meningitis) senkt (Brouwer et al. 2010). Kortikosteroidereduzierten die Häufigkeit schwerer Hörstörungen bei der Haemophilus-influenzae-Meningitis. Eine Wirksamkeit vonDexamethason bei der bakteriellen Meningitis fand sich in klinischen Studien in Entwicklungsländern (z. B. in derMalawi-Studie) nicht. Mögliche Ursachen hierfür sind: hoher Anteil an HIV-positiven Patienten, Fehlernährung,fortgeschrittenes Krankheitsbild mit später ärztlicher Vorstellung und Versorgung.

Aufgrund der Ergebnisse der klinischen kontrollierten Therapiestudien und den Daten der Metaanalysen wird die Gabevon Dexamethason bei erwachsenen Patienten mit klinischem Verdacht auf eine ambulant erworbene bakterielleMeningitis zusätzlich zu den Antibiotika empfohlen. Dexamethason wird in einer Dosis von 10 mg i. v. unmittelbar vorGabe des Antibiotikums (oder zeitgleich) verabreicht. Daraufhin wird mit 10 mg Dexamethason alle 6 Stunden fürinsgesamt 4 Tage behandelt. Die Nebenwirkungsrate (z. B. gastrointestinale Blutung) scheint unter Dexamethason imVergleich zu Placebo nicht erhöht zu sein. Es wird eine Behandlung mit Magenschutzmitteln (z. B. Pantoprazol)empfohlen, ferner eine Low-dose-Heparinisierung zur Thromboseprophylaxe. Bei nachgewiesener Meningokokken-Meningitis wird die bereits begonnene Dexamethason-Therapie beendet. Bei Patienten mit einer Meningitis als Folgeeiner bakteriellen Endokarditis und bei der bakteriellen Meningitis im Neugeborenenalter wird der Einsatz vonKortikosteroiden nicht empfohlen. Inwieweit Dexamethason die kernspintomografisch (oder angiografisch)nachgewiesenen arteriellen zerebralen Gefäßkomplikationen (Arteriitis, Vasospasmus) beeinflusst (und evtl. sogar zueiner Zunahme von Infarkten führen kann), ist bislang unklar.

Dexamethason scheint die Liquorgängigkeit von Vancomycin in der Therapie der Pneumokokken-Meningitis zubeeinträchtigen (Paris et al. 1994). Wenngleich die klinischen Daten zur möglichen Beeinflussung der Vancomycin-Liquorpenetration durch eine Kortikosteroidtherapie bei Patienten mit bakterieller Meningitis noch uneinheitlich sind,sollte sicherheitshalber der Kombination Ceftriaxon/Rifampicin gegenüber Ceftriaxon/Vancomycin der Vorzug gegebenwerden, wenn gleichzeitig Dexamethason verabreicht wird. Allerdings muss dazu sichergestellt werden, dassRifampicin gegen die lokal isolierten Pneumokokken seine Aktivität beibehalten hat.

Besonderheiten bei Meningokokken-Erkrankung: Isolierung des Patienten, hygienische Maßnahmen,Chemoprophylaxe, Impfung

Meningokokken werden entweder durch direkten Kontakt oder durch Tröpfchen-Aerosole übertragen. DieInkubationszeit liegt in der Regel bei 3–4 Tagen (Spanne 2–10 Tage). Patienten mit Verdacht auf eine Meningokokken-Meningitis (z. B. petechiales Exanthem, gramnegative Kokken im Liquor-Grampräparat) müssen bis 24 Stunden nachBeginn einer adäquaten Antibiotikatherapie isoliert werden; danach ist mit einer Ansteckungsfähigkeit nicht mehr zurechnen (siehe auch Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, Internetadresse: www.rki.de). Unterdessen müssenPflege- und ärztliches Personal sowie Besucher die bei Isolierung erforderlichen Hygienemaßnahmen (Tragen vonSchutzkitteln, Nasen-Mund-Schutz und Handschuhen, Händedesinfektion) beachten. Bereits bei begründetemVerdacht auf eine Meningokokken-Meningitis muss eine Meldung an die zuständigen Gesundheitsbehörden erfolgen,damit eine lokale Häufung von Erkrankungsfällen rechtzeitig erkannt werden kann (s. u.). Enge Kontaktpersonen (z. B.

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enge Haushaltsmitglieder) müssen ausfindig gemacht, über das erhöhte Risiko und mögliche Symptome einerMeningokokken-Erkrankung (z. B. Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen) aufgeklärt und ihnen eine Chemoprophylaxeempfohlen werden (▶ Tab. 34.5). In Betracht kommen die Substanzen Rifampicin, Ciprofloxacin und Ceftriaxon. Alle 3Präparate führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Eradikation von Meningokokken im Nasopharynx (Robert-Koch-Institut 2010). Die Chemoprophylaxe muss schnellstmöglich begonnen werden; sinnvoll ist sie maximal bis 10 Tagenach dem letzten Kontakt mit dem Erkrankten. Bei Haushaltskontakten sowie engen Kontakten mithaushaltsähnlichem Charakter sollte – sofern der Indexfall an einer impfpräventablen Serogruppe erkrankte –zusätzlich eine postexpostionelle Meningokokken-Impfung mit einem Impfstoff erfolgen, der die entsprechendeSerogruppe enthält (Robert-Koch-Institut 2010).

Die ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut empfiehlt seit Juli 2006 eine Impfung mit einemkonjungierten Meningokokken-C-Impfstoff für alle Kinder ab dem Alter von 12 Monaten. In Deutschland steht aktuell einKonjugatimpfstoff gegen Meningokokken der Serogruppen A/C/W 135/Y ab einem Alter von 12 Jahren für Reisende inEpidemiegebiete oder gefährdetes Laborpersonal zur Verfügung.

In Österreich wird die Impfung gegen Meningokokken C für alle Kinder und Jugendliche (ab 2. Lebensmonat) sowiebei Reisen in Ländern mit erhöhtem Infektionsrisiko empfohlen (Oberster Sanitätsrat, www.bmg.gv.at).

Meldepflicht

Meldepflichtig sind in Deutschland nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG, § 6 Meldepflichtige Krankheiten) derKrankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis. Die namentlicheMeldung muss durch den feststellenden Arzt unverzüglich, d. h. ohne zeitliche Verzögerung, jedoch innerhalb von 24Stunden an das Gesundheitsamt erfolgen, das für den Aufenthalt des Betroffenen zuständig ist. Der Meldepflichtigehat dem Gesundheitsamt unverzüglich mitzuteilen, wenn sich eine Verdachtsmeldung nicht bestätigt hat.

In Deutschland wurden im Jahr 2010 383 Fälle, in Österreich 2009 100 Fälle und in der Schweiz im Jahr 2010 52 Fällevon Meningokokken-Erkrankungen gemeldet; dies entspricht in Deutschland einer Inzidenz von etwa 0,5 Erkrankungenpro 100.000 Einwohner (Österreich: ~1,2/100.000, 58 % Meningitis; Schweiz ~0,7/100.000). Die Analyse der Erregerzeigte ein Überwiegen der Serogruppe-B-Meningokokken und Serogruppe-C-Meningokokken.

Der § 7 des IfSG regelt auch die meldepflichtigen Nachweise von Krankheitserregern. Dementsprechend muss derLeiter des untersuchenden Labors namentlich den direkten oder indirekten Nachweis von Krankheitserregern melden,soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen. Hierzu zählen z. B. Haemophilus influenzae (Meldepflicht nurfür den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut), Listeria monocytogenes (Meldepflicht nur für den direkten Nachweisaus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen) undNeisseria meningitidis (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltratenoder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen).

In Österreich sind nach dem Epidemiegesetz seit 2005 alle bakteriellen Meningitiden und nicht nur Meningokokken-Meningitis und -Sepsis (invasive bakterielle Erkrankungen) meldepflichtig.

In der Schweiz erfolgen Meldungen an den kantonsärztlichen Dienst des Wohn- bzw. Aufenthaltsortes derPatientin/des Patienten:

bei invasiven Meningokokken-Erkrankungen: bei Verdacht und nach Laborbestätigung, Frist ein Tagbei invasiven Pneumokokken-Erkrankungen: nach Laborbestätigung, Frist eine Woche

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Versorgungskoordination

Die Behandlung (intravenöse Antibiotikatherapie) findet unter stationären Bedingungen statt. In der Initialphase sollendie Patienten auf einer Intensivstation behandelt werden.

Redaktionskomitee

Dr. Robert Bühler, Abteilung Neurologie, Bürgerspital SolothurnProf. Dr. Helmut Eiffert, Abteilung Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum GöttingenProf. Dr. Roland Nau, Geriatrisches Zentrum, Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende, und Abt.Neuropathologie, Georg-August-Universität GöttingenProf. Dr. Hans-Walter Pfister, Neurologische Klinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität MünchenProf. Dr. Jörg R. Weber, Neurologische Abteilung, Klinikum Klagenfurt

Federführend: Prof. Dr. Hans-Walter Pfister, Neurologische Klinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München, Marchioninistraße 15, 81377 München, Tel. 089/7095-2560, Fax 089/7095-5561E-Mail: [email protected]

Entwicklungsstufe der Leitlinie: S1

Finanzierung der Leitlinie

Die Autoren leisteten die Arbeit zur Erstellung der Leitlinie unentgeltlich.

Methodik der Leitlinienentwicklung

Es handelt sich um ein modifiziertes Delphi-Verfahren, überarbeitet durch die Leitlinienkommission der DGN.Besonderheiten für Österreich und Schweiz wurden eingearbeitet.

Literatur

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Aus: Hans-Christoph Diener, Christian Weimar (Hrsg.)Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der NeurologieHerausgegeben von der Kommission "Leitlinien" der Deutschen Gesellschaft fürNeurologieThieme Verlag, Stuttgart, September 2012

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