„Resuscitativeendovascular balloonocclusionoftheaorta“ (REBOA) · 2020. 10. 22. ·...

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Der Chirurg Übersichten Chirurg 2020 · 91:934–942 https://doi.org/10.1007/s00104-020-01180-0 Online publiziert: 8. Juni 2020 © Der/die Autor(en) 2020 M. Wortmann 1 · M. Engelhart 2 · K. Elias 3 · E. Popp 4 · S. Zerwes 5 · Alexander Hyhlik- Dürr 5 1 Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland 2 Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Ulm, Deutschland 3 Abteilung für Gefäßchirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Westerstede/Ammerland Klinik, Westerstede, Deutschland 4 Sektion Notfallmedizin, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland 5 Gefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Augsburg, Augsburg, Deutschland „Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“ (REBOA) Aktuelles zu Material, Indikationen und Grenzen: ein Überblick „Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“ (REBOA) ist ein endovaskuläres Verfahren, bei dem ein Blockballon über einen Leis- tenzugang in der Aorta platziert und inflatiert wird. Damit soll bei trau- matischen und nichttraumatischen Blutungen im Bereich des Abdomens und des Beckens eine Reduktion des Blutverlustes in Kombination mit ei- ner Verbesserung der zerebralen und koronaren Durchblutung erreicht werden. Somit stellt REBOA eine en- dovaskuläre Alternative zur offen chirurgischen Aortenklemmung mit- tels Thorakotomie für Patienten in extremis dar. Der Blockballon kann in Abhängigkeit von der Indikation respektive der vermu- teten Lokalisation der Blutung entweder inderinfrarenalenAorta(REBOA-Zone- III) oder in der Aorta descendens (RE- BOA-Zone-I) platziert werde (. Abb. 1). REBOA kam bereits während des Korea-Krieges in den 1950er-Jahren zum Einsatz, ist aber seitdem wieder in DieAutorenM.WortmannundM.Engelhartsind gleichberechtigteErstautoren. Vergessenheit geraten [1]. Durch die zu- nehmende Verbreitung endovaskulärer Techniken in der Versorgung polytrau- matisierter Patienten erlebt das Verfah- ren momentan jedoch eine Renaissance und stellt zurzeit ein diskutiertes e- ma in der Notfallmedizin dar. Dies wird nicht nur durch vermehrte Sitzun- gen zu REBOA auf traumatologischen und notfallmedizinischen Fachtagungen deutlich. Inzwischen gibt es sogar inter- nationale Kongresse, die sich nur mit der Anwendung endovaskulärer Verfahren bei der Traumaversorgung beschäſtigen (z. B. Endovascular Resuscitation and Trauma Management (EVTM) Sympo- sium). Auch die rapide steigende Anzahl von mehr als 130 PubMed gelisteten Publikationen allein in den Jahren 2018 und 2019 zeigt das Interesse an dieser wiederentdeckten Technik. Gerade bei traumatologischen Patien- ten mit einem hämorrhagischen Schock aufgrund einer Blutung des Abdomens oder des Beckens scheint der Einsatz ei- nes Ballons zur Okklusion der Aorta zur Blutungskontrolle und Aufrechterhal- tung der lebensnotwendigen zerebralen und kardialen Perfusion ein vielverspre- chendes Verfahren zur Verbesserung der Überlebensraten und der Behand- lungsergebnisse zu sein. Zudem stellt es gerade bei Patienten in extremis im Vergleich zur offen chirurgischen Aor- tenklemmung, die bei traumatologischen Patienten nur mit einer Überlebensrate von 10 % einhergeht [2, 3], einen Eingriff mit bedeutend geringerer Invasivität dar. Über die Anwendung von REBOA bei traumatologischen Blutungen des Kör- perstammes und stammnahen Blutun- gen hinaus wird die endovaskuläre Bal- lonblockade der Aorta auch bei nicht- traumatologische Hämorrhagienwie z. B. bei gynäkologischen Blutungen, gastro- intestinalen Blutungen und postoperati- ven Nachblutungen nach abdominellen Eingriffen diskutiert [4, 5]. Nicht zuletzt ist auch eine Anwendung im Rahmen nichttraumatisch bedingter Herz-Kreis- lauf-Stillstände denkbar. Durch dieses erweiterte Indikations- spektrum ist REBOA inzwischen nicht nur für Notfallmediziner und Trauma- tologen von Interesse. Die Technik, das Indikationsspektrum, aber auch Gefah- ren durch die Anwendung sollten allen chirurgisch tätigen Kolleginnen und Kol- legen geläufig sein. 934 Der Chirurg 11 · 2020

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Der Chirurg

Übersichten

Chirurg 2020 · 91:934–942https://doi.org/10.1007/s00104-020-01180-0Online publiziert: 8. Juni 2020© Der/die Autor(en) 2020

M.Wortmann1 · M. Engelhart2 · K. Elias3 · E. Popp4 · S. Zerwes5 · Alexander Hyhlik-Dürr51 Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, UniversitätsklinikumHeidelberg, Heidelberg,Deutschland

2 Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Ulm, Deutschland3 Abteilung für Gefäßchirurgie, BundeswehrkrankenhausWesterstede/AmmerlandKlinik, Westerstede,Deutschland

4 Sektion Notfallmedizin, Klinik für Anästhesiologie, UniversitätsklinikumHeidelberg, Heidelberg,Deutschland

5Gefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie, Medizinische Fakultät, UniversitätsklinikumAugsburg,Augsburg, Deutschland

„Resuscitative endovascularballoon occlusion of the aorta“(REBOA)Aktuelles zu Material, Indikationen undGrenzen: ein Überblick

„Resuscitative endovascular balloonocclusion of the aorta“ (REBOA) istein endovaskuläres Verfahren, beidem ein Blockballon über einen Leis-tenzugang in der Aorta platziert undinflatiert wird. Damit soll bei trau-matischen und nichttraumatischenBlutungen im Bereich des Abdomensund des Beckens eine Reduktion desBlutverlustes in Kombination mit ei-ner Verbesserung der zerebralen undkoronaren Durchblutung erreichtwerden. Somit stellt REBOA eine en-dovaskuläre Alternative zur offenchirurgischen Aortenklemmungmit-tels Thorakotomie für Patienten inextremis dar.

Der Blockballon kann in Abhängigkeitvonder Indikation respektive der vermu-teten Lokalisation der Blutung entwederinderinfrarenalenAorta(REBOA-Zone-III) oder in der Aorta descendens (RE-BOA-Zone-I) platziert werde (. Abb. 1).

REBOA kam bereits während desKorea-Krieges in den 1950er-Jahrenzum Einsatz, ist aber seitdem wieder in

DieAutorenM.WortmannundM.EngelhartsindgleichberechtigteErstautoren.

Vergessenheit geraten [1]. Durch die zu-nehmende Verbreitung endovaskulärerTechniken in der Versorgung polytrau-matisierter Patienten erlebt das Verfah-ren momentan jedoch eine Renaissanceund stellt zurzeit ein diskutiertes The-ma in der Notfallmedizin dar. Dieswird nicht nur durch vermehrte Sitzun-gen zu REBOA auf traumatologischenund notfallmedizinischen Fachtagungendeutlich. Inzwischen gibt es sogar inter-nationale Kongresse, die sich nur mit derAnwendung endovaskulärer Verfahrenbei der Traumaversorgung beschäftigen(z.B. Endovascular Resuscitation andTrauma Management (EVTM) Sympo-sium). Auch die rapide steigende Anzahlvon mehr als 130 PubMed gelistetenPublikationen allein in den Jahren 2018und 2019 zeigt das Interesse an dieserwiederentdeckten Technik.

Gerade bei traumatologischenPatien-ten mit einem hämorrhagischen Schockaufgrund einer Blutung des Abdomensoder des Beckens scheint der Einsatz ei-nes Ballons zur Okklusion der Aorta zurBlutungskontrolle und Aufrechterhal-tung der lebensnotwendigen zerebralenund kardialen Perfusion ein vielverspre-chendes Verfahren zur Verbesserung

der Überlebensraten und der Behand-lungsergebnisse zu sein. Zudem stelltes gerade bei Patienten in extremis imVergleich zur offen chirurgischen Aor-tenklemmung,diebei traumatologischenPatienten nur mit einer Überlebensratevon 10% einhergeht [2, 3], einen Eingriffmit bedeutend geringerer Invasivität dar.

Über die Anwendung vonREBOAbeitraumatologischen Blutungen des Kör-perstammes und stammnahen Blutun-gen hinaus wird die endovaskuläre Bal-lonblockade der Aorta auch bei nicht-traumatologischeHämorrhagienwiez.B.bei gynäkologischen Blutungen, gastro-intestinalen Blutungen und postoperati-ven Nachblutungen nach abdominellenEingriffen diskutiert [4, 5]. Nicht zuletztist auch eine Anwendung im Rahmennichttraumatisch bedingter Herz-Kreis-lauf-Stillstände denkbar.

Durch dieses erweiterte Indikations-spektrum ist REBOA inzwischen nichtnur für Notfallmediziner und Trauma-tologen von Interesse. Die Technik, dasIndikationsspektrum, aber auch Gefah-ren durch die Anwendung sollten allenchirurgisch tätigenKolleginnenundKol-legen geläufig sein.

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Abb. 18 REBOA(„resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“)-Landezone unddazugehörige Indikationen.OPOperation

Abb. 28 ER-REBOA™ (PrytimeMedical, USA)

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Im folgenden Übersichtsartikel solldie Technik von REBOA einschließ-lich der verfügbaren und benötigtenMaterialien vorgestellt werden, die mög-lichen Einsatzgebiete aufgezeigt, aberauch mögliche Komplikationen durchden Einsatz von REBOA beschriebenwerden, um eine neutrale Beurteilungder Methode zu ermöglichen.

Indikationen

Traumatisch bedingte Blutungen

REBOA stellt eine weniger invasive,endovaskuläre Alternative zur Notfall-thorakotomie mit supradiaphragmalerKlemmung der Aorta bei nichtkompri-mierbaren Blutungen im Bauch- undBeckenraum dar. Während tierexpe-rimentelle Studien die Überlegenheitder Ballonokklusion mit zuverlässigemAnstieg des zentralen Perfusionsdrucksbei gleichzeitig geringerem physiologi-schem Stress belegen konnten [6], istdie Evidenz hinsichtlich eines besserenBehandlungsergebnisses bei Trauma-patienten nach wie vor schwach. Diesliegt zum einen an der hohen Letalitätder meist polytraumatisierten Patienten,zum anderen an dem selbst in großenTraumazentren kleinen Fallzahlen mitgroßer Heterogenität des Verletzungs-musters.

Ersten vielversprechenden Fallserienaus dem zivilen [7] und militärischenBereich [8] zu REBOA bei Trauma folg-tenwidersprüchlichegrößereSerien.Ers-te Auswertungen des „Aortic Occlusionfor Resuscitation in Trauma and AcuteCare Surgery-Registry“, in dem Datenzu REBOA und zur Notfallthorakoto-mie aus großen US-Traumazentren ver-glichen werden, belegen eine Überlegen-heit von REBOA [9, 10]. Die jüngstePublikation dieser Daten umfasste 285Patienten (Notfallthorakotomie 71% vs.REBOA 29%) und zeigt bei vergleichba-rer Verletzungsschwere einen signifikan-ten Überlebensvorteil für die REBOA-Gruppe (gesamtÜberlebensrate:Notfall-thorakotomie 44% vs. REBOA63%), vorallem bei Patienten ohne kardiopulmo-naler Reanimation (Überlebensrate bisEntlassung: Notfallthorakotomie 0% vs.REBOA 44%; [10]). Kritiker bemängeln

Zusammenfassung · Abstract

Chirurg 2020 · 91:934–942 https://doi.org/10.1007/s00104-020-01180-0© Der/die Autor(en) 2020

M.Wortmann · M. Engelhart · K. Elias · E. Popp · S. Zerwes · A. Hyhlik-Dürr

„Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“(REBOA). Aktuelles zuMaterial, Indikationen und Grenzen: einÜberblick

ZusammenfassungHintergrund. „Resuscitative endovascularballoon occlusion of the aorta“ (REBOA) stelltein endovaskuläres Verfahren dar, bei dem einBlockballon in die Aorta eingeführt wird, umeine distal des Ballons gelegene Blutung zuverringern und gleichzeitig die kardiale undzerebrale Oxygenierung zu verbessern.Ziel der Arbeit. Vorstellung der REBOA-Technik, der möglichen Indikationen, derbenötigen Materialien und der möglichenKomplikationen des Verfahrens.Material undMethoden.NichtsystematischerÜbersichtsartikel über die aktuelle Literatur.Ergebnisse. REBOA stellt gerade beitraumatisch bedingten Blutungen und rup-turierten Aortenaneurysmen ein möglichesadditives Verfahren zur hämodynamischenStabilisierung dar. Die Komplikationsrate desVerfahrens liegt bei ungefähr 5%, wobeiZugangskomplikationen im Vordergrundstehen, jedoch auch letale Komplikationenmöglich sind.

Diskussion. Eine aortale Ballonblockadewird bei der Versorgung rupturierter Aorten-aneurysmen standardmäßig eingesetzt. Esgibt wachsende Evidenz, dass REBOA bei derVersorgung polytraumatisierterPatientenmiteinem hämorrhagischen Schock aufgrundeiner abdominellen oder viszeralen Blutungeine vergleichsweise minimal-invasiveAlternative zur offen chirurgischen Aorten-klemmungmittels Thorakotomie darstellt.Mit der Entwicklung neuer Ballonkatheter,die ohne Führungsdraht und mit geringerenSchleusendurchmessern auskommen, wirdauch ein Einsatz bei anderen Krankheits-bildern wie postoperativen abdominellenNachblutungen, gynäkologischen Blutungenoder als additives Verfahren bei derkardiopulmonalen Reanimation diskutiert.

SchlüsselwörterREBOA · Ballon Blockade Aorta · REBOATechnik · REBOA Komplikationen · Polytrauma

Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta(REBOA). Current aspects of material, indications and limits: anoverview

AbstractBackground. Resuscitative endovascularballoon occlusion of the aorta (REBOA)describes an endovascular procedure inwhich a blocking balloon is introduced intothe aorta to reduce bleeding situated distal tothe balloon and simultaneously to improvecardiac and cerebral oxygenation.Objective. Presentation of the REBOAtechnique, the possible indications, therequired material and possible complicationsof the procedure.Material and methods. Non-systematicreview of the currently available literature.Results. The REBOA procedure is an adjunctto achieve hemodynamic stabilization inpatients with traumatic hemorrhage andruptured aortic aneurysms. The complicationrate of the procedure is approximately 5%,whereby access complications are the mostcommon; however, fatal complications arealso possible.

Conclusion. A balloon block of the aorta iswell established in the treatment of rupturedaortic aneurysms. There is growing evidencethat REBOA is a minimally invasive alternativeto open surgical cross-clamping of the aortaby thoracotomy for the treatment of patientswith polytrauma and hemorrhagic shock dueto abdominal or visceral bleeding. Due to thedevelopment of new balloon catheters, whichcan be placed without stiff guidewires andrequire smaller sheath diameters, REBOA isalso discussed for treatment of postoperativeabdominal or gynecological bleeding oras a possible adjunct to cardiopulmonaryresuscitation for nontraumatic cardiac arrest.

KeywordsREBOA · Ballon aortic occlusion · REBOAtechnique · REBOA complications · Polytrauma

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Tab. 1 Mögliche Ballonkatheter für REBOA

Produkt Ballondurchmesser Schleusen-größe

Führungs-draht fürKatheter

OperativerGefäß-verschluss

Coda® Balloon(Cook Medical,Boomington, USA)

Max. 32mm 12Fr45–60 cm

Ja Ja

Reliant™(Medtronic,Minneapolis, USA)

10–46mm 12Fr45–60 cm

Ja Ja

Rescue Balloon®(Tokai Medical,Sarayashiki TaragaKasugai-city, Japan)

16–40mm 7Fr Ja Nein

ER-REBOA™(Prytime Medical,Boerne TX, USA)

– 7Fr Nein Nein

Reboa Balloon Kit™(Reboa Medical AS,Norway)

15–30mm (Zone III)20–30mm (Zone I)

6/7 Fr8–15 cm

Ja Nein

jedochdendirektenVergleichbeiderVer-fahren,daREBOAundNotfallthorakoto-mie nicht notwendigerweise die gleichenIndikationen hätten [11]. In einer retro-spektiven Fall-Kontroll-Studie, bei der140 Patienten, die REBOA erhalten hat-ten, 280 Patienten ohne REBOA als Ver-gleichsgruppe zugeordnet wurden, warkein Unterschied in Bezug auf die Men-ge der verabreichten Blutprodukte oderdie Länge des Krankenhausaufenthaltesnachweisbar. Allerdings fanden Josephet al. eine höhere Mortalität in der RE-BOA-Gruppe(36%vs.19%),einehöhereRate an akutemNierenversagen (11% vs.3%) und Amputationen der unteren Ex-tremitäten (4% vs. 1%; [11]). Die Auto-ren führten diese Unterlegenheit auf denZeitverlust bis zurOperation und die vis-zerorenale Ischämiezeit in der REBOA-Gruppe zurück.

In einer Metaanalyse zeigte sich einsignifikanter Überlebensvorteil bei trau-matologischen Patienten durch die Ver-wendung vonREBOA [12]. Bei polytrau-matisierten Patienten mit hämorrhagi-schem Schock konnte durch den EinsatzvonREBOAderzentrale systolischeBlut-druck um knapp 80mmHg angehobenwerden, was die Effektivität des Verfah-rens unterstreicht. Die Komplikationsra-tedurchdasVerfahrenlag indieserStudiebei 5%.

Zusammenfassend gibt es also nochwenig Evidenz bezüglich der Überlegen-heit von REBOA im Rahmen der Versor-

gung polytraumatisierter Patienten, wo-bei die bislang publizierten Daten einenguten Effekt in Bezug auf die hämo-dynamische Stabilisierung bei akzepta-bler Komplikationsrate zeigen. Somit er-scheint REBOA durchaus als valide Al-ternative zurNotfallthorakotomie.Da je-doch auch negative Daten bezüglich desBehandlungsergebnisses vorliegen, sindweitere Studien notwendig, um die Indi-kationsstellung zu verbessern und somitPatienten zu identifizieren, die von demVerfahren profitieren können.

In der aktuellen S3-Leitlinie Polytrau-ma/Schwerverletztenbehandlung in deraktualisiertenFassungvon2016wirdRE-BOA als mögliche Maßnahme zur Be-handlung kreislaufinstabiler Patienten inextremis aufgeführt, allerdings mit nied-rigem Empfehlungsgrad [13].

Dies deckt sich mit internationalenEmpfehlungen, z. B. des American Col-lege of Surgeons Committee on Trauma(ACS COT) und des American Collegeof Emergency Physicians (ACEP; [14]).

Basierend auf den Daten des TARN(Trauma Audit and Research Network)in England und Wales errechneten Bar-nard et al. eine Rate von 4 potenziel-len REBOA-Patienten pro Jahr in MajorTrauma Centres (MTC) und von 9 Pati-enten pro Jahr in den größten 10 Trau-mazentren [15]. In kleineren Trauma-Units ist statistisch sogar nur alle 3 Jahremit einem REBOA-Patienten zu rech-nen. In einer retrospektiven Analyse des

TraumaRegister DGU® zeigten sich fürDeutschland ähnlich niedrige Raten voneinem Patienten pro Jahr in überregio-nalen, 0,1 Patienten pro Jahr in regiona-len und 0,01 Patienten pro Jahr in loka-len Traumazentren [16]. Diese niedrigenInzidenzen wiederum stellen die Imple-mentierung von REBOA inklusive derVorhaltung des notwendigen Materialsund die Schulung des Personals infrage,falls diese Strukturen nicht sowieso be-reits lokal vorgehalten werden, z. B. fürdie Versorgung rupturierter Aortenan-eurysmen.

Rupturiertes Aortenaneurysma

Bei der Versorgung rupturierter Aor-tenaneurysmen ist eine endovaskuläreBallonblockade im Sinne eines REBOA-Manövers ein etablierter Teil der Ver-sorgungsstrategie bei hämodynamischinstabilen Patienten [17]. Gerade beider endovaskulären Versorgung bietetsich das Einbringen eines Blockballonsüber die in den Leisten einliegendenSchleusen an. Durch einen intraopera-tiven Wechsel des Blockballons kanneine komplette endovaskuläre Aneurys-maausschaltung unter Ballonblockadeder Aorta erfolgen [18]. Aber auch beider offen chirurgischen Therapie einesrupturierten Aortenaneurysmas ist diePlatzierung eines aortalen Blockballonsein probates Mittel zur hämodynami-schen Stabilisierung des Patienten biszur offen chirurgischen Aortenklem-mung. Da in Aortenzentren das für dasManöver benötigte Material und dieExpertise vorhanden sind, bietet sichhier auch eine breitere Anwendung desREBOA-Manövers im Rahmen andererAkutsituationen an.

Peripartale gynäkologischeBlutungen

AuchperipartalegynäkologischeBlutun-gen, z. B. bei Placente previa, stellen ei-ne mögliche Indikation für REBOA dar.Hierbei könnte nicht nur der Blutverlustwährend der Operation reduziert wer-den, sondern auch die Rate an Hyster-ektomien verringert werden. Einschrän-kendmuss erwähnt werden, dass für die-se Indikation die Datenlage noch ge-

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Übersichten

Tab. 2 Gefäßassoziierte Komplikationen bei REBOA

Komplikation Autor, Jahr Rate

Gefäßassoziierte KomplikationenAortoiliakale Verletzung(z. B. Intimaläsion,Dissektion, Thrombose,Ruptur)

Pieper et al., 2018 [32] –

Brenner et al., 2018 [14]

Morrison et al., 2016 [33]

Davidson et al., 2018 [34]

Pseudoaneurysma Sadek et al., 2016 [35] 2,2–6,5%DuBoseConti et al., 2017 [36]

DuBose et al., 2016 [9]

Thrombembolie, Ischämie DuBose et al., 2016 [9] 0,5–14,2%Morrison,DuBose, Saito,Sadeghi

Pieper et al., 2018 [32]

Davidson et al., 2018 [34]

Gamberini et al., 2017 [37]

Martinelli et al., 2010 [38]

Morrison et al., 2016 [33]

Saito et al., 2015 [39]

Sadeghi et al., 2018 [40]

Majoramputation Joseph et al., 2019 [11] 3,6–21,3%Joseph, SaitoSaito et al., 2015 [39]

Sadek et al., 2016 [35]

Andres et al., 2016 [41]

Gamberini et al., 2017 [37]

Technische ProblemeBallonmigration DuBose et al., 2016 [9] 0,2–4%

DuBose,Sadeghi

0,8%(Mortalität)Morrison

Sadeghi et al., 2018 [40]

Ballonruptur Hörer, 2016 [42] 0,1–3%Martinelli,Sadeghi

Martinelli et al., 2010 [38]

Brenner et al., 2018 [14]

Sadeghi et al., 2018 [40]

Einführung,Katheterplatzierung

Davidson et al., 2018 [34] –

Gamberini et al., 2017 [37]

Sonstige KomplikationenAkutes Nierenversagen Joseph et al., 2019 [11] 10,7–35,7%

Saito, Joseph,Pieper

Pieper et al., 2018 [32]

Morrison et al., 2016 [33]

Saito et al., 2015 [39]

Conti et al., 2017 [36]

Davidson et al., 2018 [34]

Spinale Ischämie Brenner et al., 2018 [14] –

Zerebrale Blutung Gamberini et al., 2017 [37] 0,1%GamberiniUchino et al., 2016 [43]

Schwere Rhabdomyolyse Pieper et al., 2018 [32] 46,9% Pieper

Kompartmentsyndrom Wasicek et al., 2018 [44] 0,7–15%Joseph,Sadeghi,Wasicek

Sadeghi et al., 2018 [40]

Joseph et al., 2019 [11]

ringer ist als für die Anwendung vonREBOA bei traumatologischen Patien-ten oder im Rahmen der Versorgungrupturierter Aortenaneurysmen. In ei-ner exemplarischen Fallserie von 15 Pa-tientinnen, die im Rahmen der geplan-ten Sectio bei Placenta previa REBOAerhalten hatten, war die Notwendigkeitzur Hysterektomie und die Menge antransfundierten Blutprodukten im Ver-gleich zur Kontrollgruppe deutlich redu-ziert [19]. In dem bereits erwähnten sys-tematischen Review aus dem Jahr 2018sind bereits 5 Einzelfallbericht respektivekleinere Fallserien eingeschlossen [12].Gerade bei einer geplanten Sectio miterwartetemgrößeremBlutverlust scheintdie früh elektive Anlage einer arteriellenSchleuse in der Leiste unter duplexso-nographischer Kontrolle vor Beginn desEingriffs ein probatesMittel, um im Falleeiner während der Operation eintreten-denstarkenBlutungdirekt einenaortalenBlockballon in die infrarenale Aorta vor-bringen zu können.Dabei erscheinen vorallem spezielle REBOA-Katheter mit ge-ringer Schleusengröße vielversprechend,da hierdurch das Zugangstrauma mini-miert wird (siehe Technik undMaterial).

Nichttraumatische abdominelleoder pelvine Blutungen

Auch nichttraumatische Blutungen imBereich des Abdomens oder Beckenskönnen eine Indikation für REBOA dar-stellen. Hierzu liegen ebenfalls bereitsverschiedene Einzelfallberichte sowiekleinere Fallserien vor, die den Einsatzeiner aortalenBallonblockade bei oberengastrointestinalen Blutungen [20], rup-turierten Viszeralarterienaneurysmata[21] oder Nachblutungen im Rahmenviszeralchirurgischer Operationen [22],insbesondere Pankreasoperationen [23],beschreiben. Vergleichbar mit der Ver-wendung bei traumatisch bedingten Blu-tungen bewirkt REBOA bei dieser Formder Blutungen im Durchschnitt einenBlutdruckanstieg von ca. 50mmHg [24].

Nichttraumatischer Herz-Kreislauf-Stillstand

Auch beim nichttraumatischen Herz-Kreislauf-Stillstand ohne Vorliegen ei-

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Prim

ary

Surv

ey c

ABCD

E

Fortbestehendes C-Problem

Kri�sche äußerliche Blutung?

BlutungskontrolleKompressionTourniquet

PackingHämostyp�ka

i.v./i.o.-Zugang, ggf. SchockkatheterHämodynamische Ziele definieren

Kristalloidgabe, ggf. KolloideErwäge Katecholamine

TXA 1g BolusFrühzei�ge Transportvorbereitung

Schockraumak�vierung „CODE RED“

Transfusionsprotokoll ak�vierenRR unter Zielbereich durch Blutung

Kreislaufs�llstand? TCA-Algorithmus

• RR unter Ziel trotz Transfusion• Blutungsquelle unterhalb

Zwerchfell• Transportzeit >15 min.

REBOASchockraumak�vierung „CODE RED REBOA“

(Mutmaßlich)kri�sch blutender

Traumapa�ent

Beckenverletzung plausibel? Beckenschlinge

ja

ja

ja

ja

ja

Zeitkri�scher Transport

nein

nein

nein

nein ja

nein

Hämodynamische Ziele:

Bei SHT oder defini�v kontrollierter Blutung: Normotension

Sonst permissive Hypotensionca. 80-90mmHg syst.

Abb. 39 Algorithmus zurpräklinischen Behandlungkritisch verletzter Patien-ten,wie er auf dem „Medi-cal Intervention Car (MIC)“des UKHD zumEinsatzkommt. Dieser inkludiertin eskalierenderWeise dieTransfusion von Erythrozy-tenkonzentraten unddieAnwendung von REBOA,falls die hämodynami-schen Ziele konventionellnicht zu erreichen sindunddie nächste geeigne-te Klinikmehr als 15minentfernt ist. RR systolischerBlutdruck, TCA-Algorith-musAlgorithmus zumtraumatischenHerz-Kreislauf-Stillstand nachEmpfehlungen des ERC2015, i.v./i.o.-Zugang in-travenöser/intraossärerZugang, Schockkathetergroßlumiger (12F) zen-tralvenöser Kathetermit3 lm. (Mit freundlicher Ge-nehmigungderMitgliederder AGMIC der Klinik fürAnästhesiologie des UKHD)

ner Blutung kann durch REBOA eineZentralisierung des Kreislaufes und so-mit eine Verbesserung der kardialen undzerebralen Perfusion und Oxygenierungwährend der Reanimation erreicht wer-den. Somit wird auch in diesem Kontextder Einsatz von REBOA diskutiert, ohnedass diesbezüglich außerhalb von Ein-zelfallberichtenundFallserien belastbareEvidenz vorliegt [25, 26].

Technik undMaterial

Die Idee der aortalen Ballonokklusionbei schwerer traumatischer Blutungwur-de bereits in den 50er-Jahren des letztenJahrhunderts von Colonel Hughes vor-gestellt [1]. Wegen der unbefriedigendenErgebnisse wurde das Verfahren jedochzunächst nicht weiterverfolgt bis Fort-schritte in der endovaskulären Technikund verbesserte Materialien den Einsatzder Ballonokklusion zunächst beim rup-turierten Bauchaortenaneurysma recht-

fertigten. Mit REBOA im engeren Sinnewurden die Indikationen auf traumati-sche und zunehmend auch nichttrauma-tische Blutungen in Abdomen und Be-cken erweitert.

Zunächst kamen aortale Okklusions-ballons, wie sie aus der Gefäßchirurgiebekannt waren, für REBOA zumEinsatz.Weit verbreitet waren der Coda Balloon®(Fa. CookMedical,USA)undderReliantBalloon® (Fa. Medtronic, USA;. Tab. 1).BeidemusstenübereinenFührungsdrahtunter Durchleuchtung vorgeschoben

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Übersichten

werden und benötigten eine lange 60cm(Aorta descendens, REBOA-Zone_I)oder kurze 45cm (infrarenale Aorta,REBOA-Zone-III) 14-Fr- bzw. 12-Fr-Schleuse zur Stabilisierung in der Aorta.Neben den praktischen Problemen mitPlatzierung der 7-Fr-Einführschleuse inSeldinger-Technik, Wechsel auf eine 12-bis 14-Fr-Schleuse und der Handhabunglanger, steifer Führungsdrähte, welchefür den nichtendovaskulär geübtenTrau-machirurgen eine ungewohnte Heraus-forderung darstellten und Zeit kosteten,provoziertenvor allemdie kaliberstarkenSchleusen Komplikationen wie großesZugangstrauma in der Leistenarterie mitNachblutungenundPseudoaneurysmatasowie Thrombosen in den ipsilateralenBecken- und Beinarterien bis hin zursekundären Majoramputation bei akuterExtremitätenischämie [27].

Neue Entwicklungen spezieller Bal-lonsysteme für REBOA konzentriertensich daher auf eine Vereinfachung derHandhabung und einen Verzicht auf ka-liberstarke Schleusen. Durch den Ver-zicht auf eine größere Schleuse werdenhierbei nicht nur die Komplikationen,sondern auch die Zeit bis zur Inflationdes Ballons in der Aorta deutlich redu-ziert [28]. Der Rescue Balloon® (TokaiMedical, Japan) kommt mit einer kur-zen (8–15cm) 7-Fr-Einführschleuse ausund stabilisiert sich selbst in der Aor-ta. Die Platzierung erfolgt jedoch nachwievorunterDurchleuchtungübereinenFührungsdraht. Das Gleiche gilt für denrelativ neuen Ballon eines norwegischenHerstellers (Reboa Medical AS, Norwe-gen),welcherineinempraktischenReboaBalloonKit™ einschließlich aller benötig-ten Materialen geliefert wird.

Gänzlich ohne Führungsdraht für denKatheter und notfalls auch ohne Durch-leuchtungkommtderER-REBOA™(Pry-timeMedical,USA)aus(.Abb.2).DieserBallon wurde in enger Zusammenarbeitmit den Gefäßchirurgen des US-Mili-tärs entwickelt und soll den sicheren undeinfachen Einsatz auch unter ungünsti-gen, prähospitalen Bedingungen erlau-ben. Nach Abmessung der notwendigenKatheterlänge mithilfe der Markierun-gen auf dem Schaft wird der Katheterüber eine 7-Fr-Einführschleuse notfalls„blind“ vorgeschoben. Eine atraumati-

sche, abgerundete Spitze (P-tip®), ähn-lich der Konfiguration eines Pigtail-Ka-theters, soll hierbei iatrogene Gefäßver-letzungundeinAusweichen inSeitenästevermeiden. Ein Kanal mit seitlicher Öff-nungerlaubtdieDruckmessungundMe-dikamentenapplikation proximal des in-suffliertenBallons.Wiedie anderen7-Fr-Ballons auch ist der Katheter steif genug,um sich selbst in der Aorta zu stabili-sieren. In einem Bauchaortenaneurysmakönnen sich die Katheter jedoch nichtan der Wand abstützen und können so-mit dislozieren.Wie beimReboa BalloonKit™ wird auch für den ER-REBOA™ einpraktisches Komplettset mit allen Zube-hörteilen angeboten. Mit Ausnahme desjapanischen Rescue Balloon® sind allevorgestellten Katheter inzwischen auchfür den deutschen Markt zugelassen.

Aktuelle Publikationen zeigen, dasssich die Low-profile-REBOA-Ballonsgegenüber den kaliberstarken Katheternweitgehend durchgesetzt haben [27].Im militärischen Bereich ist der ER-REBOA™ wegen seiner vergleichsweiseneinfachen Handhabung weit verbreitet.Weitere Entwicklungen gehen z. B. inRichtung einer ErleichterungderPlatzie-rung des Ballons ohne Durchleuchtung[29].

Komplikationen

Wie jedes endovaskuläre Verfahren birgtREBOA multiple Komplikationsrisiken.Besonders der perkutane Zugang zurA. femoralis communis im Bereich derLeiste ist bei Patienten unter Reanima-tion oder minimalem Kreislauf oftmalsnicht sicher möglich, sodass Zentrenmit größeren Fallzahlen eine relevanteAnzahl offen chirurgischer Leistenfrei-legungen beschrieben, um überhaupteinen Zugang zum Gefäß zu erlangen.Prinzipiell können die KomplikationeninKomplikationendurchdieMalperfusi-on distal des inflatierten Blockballons, inZugangskomplikationen sowie Kompli-kationen durch Dislokation des Drahtesund des Blockballons eingeteilt werden[30]. In dem bereits mehrfach zitiertensystematischen Review liegt die Kompli-kationsrate bei ca. 5% [12]. Dabei sindbesonders bei langer Lagezeit der Block-ballons arterielleThrombosen besonders

häufig [31]. Somit ist im Rahmen desVerfahrens eine gefäßchirurgische Ex-pertise vor Ort unbedingt notwendig.ErsteAnsätze,REBOAnichtnur imklini-schen Setting, sondern auch prähospitaleinzusetzen, bedürfen einer speziellenAusstattung derNotfallteams sowie einerstandardisierten Patientenselektion, wiedies im Rahmen eines Forschungspro-jekts für invasive Notfalltechniken schonetabliert wird (. Abb. 3). Eine Zusam-menfassungmöglicherGefäßassoziierterKomplikationen zeigt . Tab. 2.

Fazit für die Praxis

4 REBOA bezeichnet die endovasku-läre Ballonblockade der Aorta zurhämodynamischen Stabilisierung beihämorrhagischem Schock.

4 REBOA ist ein etabliertes Verfah-ren bei der Therapie rupturierterAortenaneurysmen.

4 Die aktuelle Evidenz erlaubt denEinsatz von REBOA bei Polytraumati-sierten mit einem hämorrhagischenSchock aufgrundeiner abdominellen,pelvinen oder stammnahen Blutungals Alternative zur Notfallthorakoto-mie.

4 Neue, speziell für das Verfahren ent-wickelte Ballonkatheter kommenmitgeringeren Schleusendurchmessernaus oder sind durch den Verzichtauf einen steifen Führungsdrahtschneller platzierbar.

4 Die Komplikationsrate liegt beica. 5%, wobei Zugangskomplikatio-nen im Vordergrund stehen.

4 Der Einsatz von REBOA wird auchbei anderen Krankheitsbildern wiegynäkologischen oder postopera-tiven abdominellen oder pelvinenNachblutung diskutiert.

4 Da auch bereits Komplikationen mitletalen Ausgängen und Fallserienmit einem schlechteren Behand-lungsergebnis in der REBOA-Gruppepubliziert sind, sind weitere Studienzur Verbesserung der Patienten-auswahl und Indikationsstellungnotwendig.

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Alexander Hyhlik-DürrGefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie,Medizinische Fakultät, UniversitätsklinikumAugsburgStenglinstr. 2, 86156 Augsburg, [email protected]

Funding. Open Access funding provided by ProjektDEAL.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. M.Wortmann,M. Engelhart undA. Hyhlik-Dürr geben an, dass kein Interessenkonfliktbesteht.

Für diesenBeitragwurden vondenAutoren keineStudien anMenschenoder Tierendurchgeführt.Für die aufgeführten Studiengelten die jeweils dortangegebenen ethischenRichtlinien.

Open Access.Dieser Artikelwird unter der CreativeCommonsNamensnennung4.0 International Lizenzveröffentlicht, welche dieNutzung, Vervielfältigung,Bearbeitung, VerbreitungundWiedergabe in jegli-chemMediumundFormat erlaubt, sofern Sie den/dieursprünglichenAutor(en)unddieQuelle ordnungsge-mäßnennen, einen Link zur Creative Commons Lizenzbeifügenundangeben, obÄnderungen vorgenom-menwurden.

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