Arithmetik- und Aigebralehrbücher Würzburger Mathematiker des 18. Jahrhunderts

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223 DissertationenlHabilitationen Ingrid Hupp Arithmetik- und Aigebralehrbucher Wurzburger Mathematiker des 18. Jahrhunderts Dissertation zur Erlangung des naturwissenschaftlicben Doktorgrades der Bayerischen Julius-Maximilians-Universitat Wiirzburg In der vorliegenden Arbeit werden Arithmetik- und Algebralehrbucher von drei Wurzburger Mathematikern des 18. Jahrhunderts analysiert. Es handelt sich urn die Bucher von FRANZ HtffiERTI (1715-1789), FRANZ TRENTEL (1730-1804) und ANDREAS METZ (1767-1839). Diese drei Professoren standen jeweils in einem Lehrer-Schuler- Verhaltnis zueinander. Ihre Bucher haben die mathematische Lehre in Wtirzburg etwa 50 Jahre lang entscheidend gepragt. Aus der Sicht der Wurzburger Mathematikgeschichte bestand zunachst ein Interesse daran, die bisherigen Angaben uber Leben und Werk dieser Mathematiker kritisch zu sichten und moglichst zu erganzen, Da es nur wenige direkte Quellen uber Inhalte und Methoden in der Lehre aus dieser Zeit gibt, sollte eine didaktische Analyse dieser Bucher naheren Aufschluli tiber die zugrundeliegenden didaktischen Auffassungen geben. Daruber hinaus ging es darum, diese Lehrbucher mit wichtigen zeitgenossischen Werken zu vergleichen, urn so eine Einordnung und Wertung zu ermoglichen. Als Mathematikbucher geben sie Auskunft uber das Wissenschaflsverstiindnis dieser Mathematiker. Alle drei Bucher beginnen mit einer axiomatischen Grundlegung der Arithmetik und Algebra. Bedenkt man, daB eine befriedigende axiomatische Begrundung der Arithmetik erst etwa 100 Jahre sparer gelang, so ist es von Interesse, die Beitrage der Wurzburger Mathematiker in einer mathematischen Analyse zu werten und einzuordnen. 1m ersten Kapitel wird zunachst der geschichtliche Hintergrund beleuchtet. Dazu wird einerseits die Situation der Philosophischen Fakultat im Wurzburg des 18. Jahrhunderts dargestellt, wobei besonders auf die Biographien der Lehrbuchverfasser eingegangen wird. Es erwies sich hier als notwendig, einige Angaben zu korrigieren, manches liefi sich erganzen. 1m Grunde sind aber die Biographien dieser drei Mathematiker immer noch recht knapp. Als Wissenschaftler wirkten sie vor allem regional in der Lehre. HUBERTI baute die Sternwarte aus und koopertierte international mit Astronomen. Daruber leistete er fur die Region Nutzliches mit seinen metrologischen Untersuchungen tiber die MaBe des Hochstifts. Von den groBen wissenschaftlichen Entwicklungen in der Mathematik dieser Zeit war aber in Wurzburg nur wenig zu spuren, 1m zweiten Kapitel folgt eine Betrachtung der drei Lehrbucher hinsichtlich Auswahl und Anordnung der Inhalte, Aufbau und Gliederung, verwendeter Terminologie usw. Hierbei ist von Interesse, inwieweit sie dem ublichen Standard entsprechen. Es zcigt sich, daB im wesentlichen der damals ubliche Lehrstoff abgedeckt wird; dennoch finden sich ungewohnliche Zusatze, wie z.B. die Behandlung von (JMD 20 (1999) H. 2/3, S. 223-224)

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DissertationenlHabilitationen

Ingrid Hupp

Arithmetik- und Aigebralehrbucher Wurzburger Mathematikerdes 18. Jahrhunderts

Dissertation zur Erlangung des naturwissenschaftlicben Doktorgrades derBayerischen Julius-Maximilians-Universitat Wiirzburg

In der vorliegenden Arbeit werden Arithmetik- und Algebralehrbucher von dreiWurzburger Mathematikern des 18. Jahrhunderts analysiert. Es handelt sich urn dieBucher von FRANZ HtffiERTI (1715-1789), FRANZ TRENTEL (1730-1804) und ANDREASMETZ (1767-1839). Diese drei Professoren standen jeweils in einem Lehrer-Schuler­Verhaltnis zueinander. Ihre Bucher haben die mathematische Lehre in Wtirzburg etwa50 Jahre lang entscheidend gepragt.

Aus der Sicht der Wurzburger Mathematikgeschichte bestand zunachst ein Interessedaran, die bisherigen Angaben uber Leben und Werk dieser Mathematiker kritisch zusichten und moglichst zu erganzen,

Da es nur wenige direkte Quellen uber Inhalte und Methoden in der Lehre aus dieserZeit gibt, sollte eine didaktische Analyse dieser Bucher naheren Aufschluli tiber diezugrundeliegenden didaktischen Auffassungen geben. Daruber hinaus ging es darum,diese Lehrbucher mit wichtigen zeitgenossischen Werken zu vergleichen, urn so eineEinordnung und Wertung zu ermoglichen.

Als Mathematikbucher geben sie Auskunft uber das Wissenschaflsverstiindnis dieserMathematiker. Alle drei Bucher beginnen mit einer axiomatischen Grundlegung derArithmetik und Algebra. Bedenkt man, daB eine befriedigende axiomatischeBegrundung der Arithmetik erst etwa 100 Jahre sparer gelang, so ist es von Interesse,die Beitrage der Wurzburger Mathematiker in einer mathematischen Analyse zu wertenund einzuordnen.

1m ersten Kapitel wird zunachst der geschichtliche Hintergrund beleuchtet. Dazuwird einerseits die Situation der Philosophischen Fakultat im Wurzburg des 18.Jahrhunderts dargestellt, wobei besonders auf die Biographien der Lehrbuchverfassereingegangen wird. Es erwies sich hier als notwendig, einige Angaben zu korrigieren,manches liefi sich erganzen. 1m Grunde sind aber die Biographien dieser dreiMathematiker immer noch recht knapp. Als Wissenschaftler wirkten sie vor allemregional in der Lehre. HUBERTI baute die Sternwarte aus und koopertierte internationalmit Astronomen. Daruber leistete er fur die Region Nutzliches mit seinenmetrologischen Untersuchungen tiber die MaBe des Hochstifts. Von den groBenwissenschaftlichen Entwicklungen in der Mathematik dieser Zeit war aber in Wurzburgnur wenig zu spuren,

1m zweiten Kapitel folgt eine Betrachtung der drei Lehrbucher hinsichtlichAuswahl und Anordnung der Inhalte, Aufbau und Gliederung, verwendeterTerminologie usw. Hierbei ist von Interesse, inwieweit sie dem ublichen Standardentsprechen. Es zcigt sich, daB im wesentlichen der damals ubliche Lehrstoff abgedecktwird; dennoch finden sich ungewohnliche Zusatze, wie z.B. die Behandlung von

(JMD 20 (1999) H. 2/3, S. 223-224)

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Hexagesimalbruchen bei METZ. Bei der Betrachtung der Terminologie fallt zunachstauf, dafi sie aus heutiger Sicht ungewohnlich umfangreich ist. Gerade bei diesem Punktist auch der Wechsel von der lateinischen (HUBERT! und TRENfEL) zur deutschenSprache (METZ) interessant.

1m dritten Kapitel wird die Axiomatik naher betrachtet, sowohl was die Auswahlder Axiome betrifft, als auch den Umgang mit ihnen; d.h. es wird die Frage untersucht,ob die Axiomatik nur als Vorspann dient, oder ob ernsthaft mit ihr gearbeitet wird.Erstaunlicherweise Hillt sich hier eine Riickentwicklung erkennen. HUBERTI, als dererste der drei Autoren, erreicht das hochste Niveau.

1m vierten Kapitel geht es urn Definitionen. Hierbei wird untersucht, was definiertwird und welche Qualitat die Definitionen erreichen. Definitionen werden sowohl furdie einschlagigen Begriffe der Theorie, als auch fur metasprachliche Begriffe desTheoriegerustes gegeben. Man gewinnt den Eindruck, dafi sich Wissenschaftlichkeit furdie damalige Zeit vor allem im Theoriegerust zeigt.

1m fiinften Kapitel werden die Beweise naher beleuchtet. Hierbei wird zunachst dieFrage gesteIIt, was bewiesen wird, denn tiber .die Beweisbedtirftigkeit der einzelnenSachverhalte gibt es in der damaligen Zeit die unterschiedlichsten Ansichten. Bei derQualitar der einzelnen Beweise wird das Spannungsfeld zwischen demmathematischem Anspruch auf Strenge und dem didaktischen Wunsch nachVerstandlichkeit besonders deutlich, Als Indiz fur den mathematischen Anspruch kannman das Belegen der einzelnen Beweisschritte durch das Zitieren von Axiomen, Satzenusw. heranziehen, auf didaktische Zielsetzungen weist beispielsweise ein "Beweis durchBeispiel" hin.

1m secbsten Kapitel werden zunachst die Ergebnisse der Analyse zusammengefafit.Das fuhrt zu folgender Wertung: Obwohl HUBERT! sein Buch kIar als Lehrbuchkonzipiert, erreicht er im Hinblick auf die Axiomatik das hochste mathematischeNiveau der drei Autoren. TRE!\'TEL verzichtet an manchen Stellen auf mathematischeStrenge zugunsten der Verstandlichkeit und schreibt somit ein eherstudentenfreundliches Lehrbuch fur Anfanger. METZ versucht, das mathematischeNiveau wieder anzuheben, wobei er sich fur eine extrem kIeinschrittige Vorgehensweiseentscheidet, was zu Weitschweifigkeit und Unubersichtlichkeit fuhrt, ohne dal) er dieangestrebte mathematische Strenge erreicht. Schlielilich werden die Beitrage derWurzburger Biicher zur Grundlegung der Arithmetik gewertet. 1m Licht der Beitragevon MARTIN OHM, RICHARD DEDEKIND, GEORG CANTOR, PAUL BACHMANN und DAVIDHILBERT mufi man feststeIIen, dafi in den Axiomensystemen der drei WurzburgerMathematiker wesentliche Axiome fehlen, daB sich manches Uberflussige findet, dafiaber zumindest ein ausgepragtes Bewufitsein von der Notwendigkeit eineraxiomatischen Fundierung der Arithmetik sowohl unter wissenschaftlichen als auchdidaktischen Gesichtspunkten festzustellen ist.

Erstgutachter: Prof. Dr. H.-J. Vollrath Zweitgutachter: Prof. Dr. P. BaptistTag der mundlichen Prtifung: 28. August 1997

Anschrift der Verfasserin: Ingrid Hupp, Ringstr. 21, 97265 Hettstadt

Die Dissertation erschien 1998 unter gleichem Titel als Heft 26 der Algorismus-Reihe(Hrsg. M. Folkerts) am Institut fur Geschichte der Naturwissenschaften, Munchen