Arnold Schönberg Igor StrAwInSky SAmuel bArber · PDF fileArnold Schönberg Igor...

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www.berlinerfestspiele.de 030 254 89 – 100 Berliner Festspiele Musikfest Berlin 2012 ARNOLD SCHÖNBERG IGOR STRAWINSKY SAMUEL BARBER EDGARD VARÈSE Philharmonie SERGEI LEIFERKUS RUNDFUNKCHOR BERLIN KONINKLIJK CONCERTGEBOUWORKEST AMSTERDAM MARISS JANSONS 4. September 4. September Musikfest Berlin 2012

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www.berlinerfestspiele.de030 254 89 – 100

Berliner Festspiele

Musikfest Berlin 2012

A r n o l d S c h ö n b e r g I g o r S t r A w I n S k y

S A m u e l b A r b e re d g A r d V A r è S e

Philharmonie

S e r g e I l e I f e r k u Sr u n d f u n k c h o r b e r l I n

k o n I n k l I j k c o n c e r t g e b o u w o r k e S t A m S t e r d A m

m A r I S S j A n S o n S

4. September

4. S

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fest

Ber

lin

2012

Musikfest Berlin 2012

3.

Inhaltverzeichnis

Programm 4.Gesangstexte:A Survivor from Warsaw 6.Symphonie des Psaumes 8.Zu den Werken 10.Die Klangwelten des Edgard Varèse 19.Die Komponisten 23.Die Interpreten 30.Musikfest Berlin 2012 42.Impressum 45.

B i t t e s c h a l t e n s i e i h r M o B i l t e l e f o n v o r B e g i n n d e s K o n z e r t s a u s .

Titel: Blick auf New York vom Brooklyn Tower über die Brooklyn Bridge, 1933. Foto Eugene de Salignac, Courtesy NYC Municipal Archives

Musikfest Berlin 2012

5.4.

4. September

S A M u E l B A r B E r [ 1 9 1 0 – 1 9 8 1 ]

a d a g i o f o r s t r i n g s[1936]

E d g A r d v A r è S E [ 1 8 8 3 – 1 9 6 5 ]

a m é r i q u e s für großes Orchester

Urfassung [1918-21]

S E r g E i l E i F E r k u S Sprecherr u N d F u N k C h o r B E r l i NS i M o N h A l S E Y Einstudierung

k o N i N k l i j k C o N C E r T g E B o u w o r k E S T A M S T E r d A M

M A r i S S j A N S o N S Leitung

das konzert wird vom rbb kulturradio mitgeschnitten.Sendung am 23. September 2012 um 20:04 uhr

ukw 29,4 / kabel 95,35

A r N o l d S C h ö N B E r g [ 1 8 7 4 – 1 9 5 1 ]

a s u r v i v o r f r o m w a r s a w (Ein Überlebender aus Warschau)

für Sprecher, Männerchor und Orchester op. 46 [1947]

i g o r S T r A w i N S k Y [ 1 8 8 2 – 1 9 7 1 ]

s y m p h o n i e d e s p s a u m e s (Psalmensymphonie)

für Chor und Orchester [1903/48]

I. Exaudi orationem meam, Domine II. Expectans expectavi Dominum

III. Alleluia, laudate Dominum

Pause

Dienstag, 4. September 201220:00 UhrPhilharmonie

Einführung 19:00 Uhrmit Habakuk Traber

Musikfest Berlin 2012

7.6.

A r N o l d S C h ö N B E r g a s u r v i v or f rom wa rsa w

NArr ATOr I cannot remember ev‘rything. I must have been unconscious most of the time. – I remember only the grandiose moment when they all started to sing, as if prearranged, the old prayer they had neglected for so many years – the forgotten creed! But I have no recollection

how I got underground to live in the sewers of Warsaw for so long a time. –The day began as usual: reveille when it still was dark. »Get out!« Whether you slept or

whether worries kept you awake the whole night. You had been separated from your children, from your wife, from your parents; you don’t know what happened to them… How could you

sleep?The trumpets again – »Get out! The sergeant will be furious!« They came out; some very

slowly: the old ones, the sick ones; some with nervous agility. They fear the sergeant. They hur-ry as much as they can. In vain! Much too much noise, much too much commotion! And not fast enough! The Feldwebel shouts: »Achtung! Stilljestanden! Na wird’s mal? Oder soll ich mit dem Jewehrkolben nachhelfen? Na jutt; wenn ihr’s durchaus haben wollt.« The sergeant and his subordinates hit everybody: young or old, strong or sick, guilty or innocent. – It was pain-ful to hear them groaning and moaning. I heard it though I had been hit every very hard, so hard that I could not help falling down. We all on the ground who could not stand up were

then beaten over the head. –I must have been unconscious. The next thing I heard was a soldier saying: »They are all

dead!«, whereupon the sergeant ordered to do away with us. There I lay aside – half conscious. It had become very still – fear and pain. Then I heard the sergeant shouting: »Abzählen!« They started slowly and irregularly: one, two, three, four – »Achtung!« the sergeant shouted again, »rascher! Nochmal von vorn anfangen! In einer Minute will ich wissen, wieviele ich zur Gas-kammer abliefere! Abzählen!« They began again, first slowly: one, two, three, four, became fas-ter and faster, so fast that it finally sounded like a strampede of wild horses, and all of a sudden,

in the middle of it, they began singing the Shema Yisroel.

MALE CHOIrSchema Isroel

Adonoi elohenu Adonoi echod Weohawto es Adonoi elohecho

bechol lewowecho uwechol nafschecho uwechol meodecho

Wehoju haddeworim hoëlle ascher onochi mezawecho

haijom al lewowecho Weschinnantom lewonecho

wedibbarto bom beschiwtecho bewetecho uwelechtecho

badderech uweschochbecho uwekumecho.

Deuteronomium 6, 4–7

4. September

e i n Ü b er l eb ender a us wa rsc ha u

Er ZäHLEr Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Ich muss die meiste Zeit bewusstlos gewesen sein. – Ich erinnere mich nur an den großartigen Moment, an dem alle – wie einstu-diert – anfingen, das alte Gebet zu singen, das sie viele Jahre vernachlässigt hatten – das ver-gessene Glaubensbekenntnis! Aber ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich in den Unter-

grund gekommen bin, und in den Kanälen von Warschau so lange überleben konnte. –Der Tag begann wie üblich: Wecken, als es noch dunkel war. »raus!« Ob man noch schlief

oder ob man vor Sorgen die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Man war von seinen Kindern, von seiner Frau, von seinen Eltern getrennt; man wusste nicht, was mit ihnen geschehen war –

wie hätte man da schlafen können?Und wieder die Trompeten – »raus! Der Feldwebel wird wütend sein!« Sie kamen heraus;

manche sehr langsam: die Alten, die Kranken; manche in nervöser Behändigkeit. Sie fürchten sich vor dem Feldwebel. Sie beeilen sich, so sehr sie können. Vergeblich! Viel zu viel Lärm; viel zu viel Verwirrung! Und nicht schnell genug! Der Feldwebel schreit: »Achtung! Stilljestanden! Na wird’s mal? Oder soll ich mit dem Jewehrkolben nachhelfen? Na jut; wenn ihr’s durchaus haben wollt!« Der Feldwebel und seine Untergebenen schlugen jeden: jung oder alt, still oder aufgeregt, schuldig oder unschuldig. – Es war schmerzhaft, sie stöhnen und wimmern zu hö-ren. Ich hörte es, obwohl ich heftig geschlagen worden war, so heftig, dass ich mich nicht hal-ten konnte und hinfiel. Wir alle, die am Boden lagen und nicht aufstehen konnten, wurden

dann auf den Kopf geschlagen. –Ich muss bewusstlos gewesen sein. Das nächste, was ich wahrnahm, war ein Soldat, der

sagte: »Die sind alle tot«, worauf der Feldwebel befahl, uns wegzuschaffen. Da lag ich abseits – halb bei Bewusstsein. Es war sehr ruhig geworden – Furcht und Schmerz. Dann hörte ich den Feldwebel brüllen: »Abzählen!« Sie fingen langsam und unregelmäßig an: eins, zwei, drei, vier – »Achtung!« brüllte der Feldwebel wieder, »rascher! Nochmal von vorn anfangen! In einer Minute will ich wissen, wie viele ich zur Gaskammer abliefere! Abzählen!« Sie fingen wieder an, zuerst langsam: eins, zwei, drei, vier, wurden schneller, so schnell, dass es schließlich wie eine durchgehende Horde wilder Pferde klang, und ganz plötzlich, mitten drin, begannen sie

das Schema Isroel zu singen.

MäNNErCHOrHöre Israel:

Der Ewige, unser Gott, der Ewige ist einzig,Du sollst den Ewigen, deinen Gott, lieben

mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seeleund mit deinem ganzen Vermögen.

Es seien diese Worte, die ich dir heute befehle, in deinem ganzen Herzen;

schärfe sie deinen Kindern ein und sprich von ihnen,wenn du in deinem Haus sitzest

und wenn du auf dem Wege gehst,wenn du dich legst und wenn du dich erhebst.

5. Mose 6, 4–7

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9.8.

i g o r S T r A w i N S k Ysy m phon ie des psa u mes

I. Exaudi orationem meam, Domine et deprecationem meam.

Auribus percipe lacrimas meas. Ne sileas, ne sileas. Ouoniam advena ego sum

apud te et peregrinus, sicut omnes patres mei.

remitte mihi, ut refrigerer priusquam abeam et amplius non ero.

Vulgata. Psalmus 38, 13-14

II. Expectans expectavi Dominum et intendit mihi.

Et audivit preces meas: et eduxit me de lacu miseriae et de luto faecis,

et statuit super petram pedes meos: et direxit gressus meos. Et immisit in os meum canticum novum, carmen Deo nostro.

Videbunt multi, videbunt et time bunt: et sperabunt in Domino.

Vulgata. Psalmus 39, 2-4

III.Alleluia, laudate Dominum in sanctis Eius laudate Eum in firmamento virtutis Eius.

Laudate Dominum. Laudate Eum in virtutibus Eius,

laudate Dominum in sanctis Eius. Laudate Eum secundum multitudinem magnitudinis Eius.

Laudate Eum in sono tubae. Alleluia, laudate Dominum.

Laudate Eum in timpano et choro, laudate Eum in cordis et organo,

laudate Eum in cymbalis benesonantibus, laudate Eum incymbalis jubilationibus,

laudate Dominum, laudate Eum. Omnis spiritus laudet Dominum,

omnis spiritus laudet Eum. Alleluia, laudate Dominum.

Vulgata: Psalmus 150

4. September

psa l men sy m phon ie

I. Höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien

und schweige nicht über meinen Tränen; denn ich bin dein Pilgrim und dein Bürger

wie alle meine Väter. Lass ab von mir, dass ich mich erquicke,

ehe denn ich hinfahre und nicht mehr hier sei.

Psalm 39, 13-14

II. Ich harrte des Herrn; und er neigte sich zu mir

und hörte mein Schreien und zog mich aus der grausamen Grube und aus dem Schlamm

und stellte meine Füße auf einen Fels, dass ich gewiss treten kann; und hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben, zu loben unsern Gott.

Das werden viele sehen und den Herrn fürchten und auf ihn hoffen.

Psalm 40,2-4

III.Halleluja! Lobet den Herrn in seinem Heiligtum;

lobet ihn in der Feste seiner Macht! Lobet ihn in seinen Taten;

lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! Lobet ihn mit Posaunen!

Halleluja, lobet den Herrn! lobet ihn mit Psalter und Harfe!

Lobet ihn mit Pauken und reigen; lobet ihn mit Saiten und Pfeifen!

Lobet ihn mit hellen Zimbeln; lobet ihn mit wohlklingenden Zimbeln!

Alles, was Odem hat, lobe den Herrn, Alles, was Odem hat, lobe ihn,

Halleluja, lobet den Herrn!

Psalm 150

differenzen in der Nummerierung der Psalmen entstehen dadurch, dass die Zählung der lateinischenBibel zwischen den Psalmen 10 und 113 von der hebräischen abweicht, nach der sich die luthersche

Übersetzung richtet und die heute allgemein als Standard verwendet wird.

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11.10.

tion besteht die Kantate vom Überlebenden. Die Gliederung wird durch knappe Zäsuren, kurze ruhepunkte und Signale gesetzt. In sechs Abschnitten erzählt der Sprecher vom Tag des Aufstands und von der Brutalität der Deutschen. Er berichtet auf Englisch, desto schärfer stechen die deutschen Worte des Feldwebels wie »Monu-mente der Schande« (Clytus Gottwald) hervor. Im siebten Teil singt der Chor das Schema Isroel das jüdische Bekenntnis, das zum täglichen Gebet gehört und als letztes Wort in der Stunde des Todes gesagt werden soll; er singt es im aschkenasischen Hebräisch, wie es die Ju-den Mittel- und Osteuropas pflegten. Schönberg überzeichnet die Menschen des Gettos nicht zu Helden, wie es in der kommunisti-schen Literatur geschah, die den Aufständischen die Internationale als Trutzgesang in den Mund legte. Er betonte ihre Würde, ähnlich wie es Marek Edelman, einer der Überlebenden, ausdrückte: »Diese Men-schen gingen ruhig und würdevoll. Es ist schrecklich, wenn man ru-hig in den Tod geht. Es ist wesentlich leichter, schießend zu sterben.«

»Es gibt nicht viele musikalische Szenen, die an Kraft des Aus-drucks mit dieser zu vergleichen wären.« (Hans Heinz Stucken-schmidt) Nirgends klingt die deutsche Sprache so brutal wie in den Befehlen des Feldwebels. Nirgends geht einem das Xylophon, das Kinderinstrument, so nahe wie in der gebrochen naiven Sequenz vor dem ersten deutschen ruf. Ausgerechnet diese Tonfolge dient im ge-samten Stück als harmonische Linse, in der sich das musikalisch-dra-matische Geschehen immer wieder bündelt. Die Trompetenrufe, die das Werk eröffnen, wirken als Leitmotive des Schreckens, ähnlich die grellen Flatterzungenklänge der Bläser und die Trommelwirbel, die Sinnbilder des Militärischen. Ein gedehntes Hornsolo nimmt schon zu Beginn der Erzählung das später gesungene Gebet vorweg – in der Tonfolge der reihe, des »Grundgesetzes« der ganzen Komposition.

Es ist das Zeichen des Lebens.

m us i k fü r B oston : st ra w i n sk y s › psa l men sy m phon ie ‹

Schönberg erfüllte mit dem Überlebenden einen Kompositionsauf-trag der Koussewitzky-Stiftung. Serge Koussewitzky, Kontrabassist und Dirigent, war so alt wie Schönberg, in russland aufgewachsen und ausgebildet wie Strawinsky. Durch Konzertieren, kluge Füh-rung eines Verlags und durch Heirat kam er zu Wohlstand. 1920 ver-ließ er die Sowjetunion und initiierte in Paris eine eigene Konzertrei-he. 1924 übernahm er von Pierre Monteux die Leitung des Boston Symphony Orchestra, 1929 zog er ganz in die USA. Sein Vermögen legte er in einer Stiftung an, aus der er zahlreiche Aufträge an zeitge-

f lu c h t p u n k t, B i l a n z u n d s y m B o l

1947 vollendete Ernst Bloch in den USA, wo er wie viele andere Künstler und Intellektuelle Zuflucht vor der NS-Verfolgung gefun-den hatte, sein philosophisches Hauptwerk Das Prinzip Hoffnung. Im selben Jahr schloss Theodor W. Adorno, ebenfalls in den Vereinigten Staaten, seine Philosophie der Neuen Musik ab. Beide Schriften beruhten auf einer umfangreichen geistigen Spurensicherung; beide Denker versuchten auf unterschiedliche Weise, als Exilanten in der Neuen Welt ein resümee europäischer Geistesgeschichte zu ziehen und da-durch gedankliche Umrisse einer Zukunft mit menschlichem Antlitz

zu finden. 1947 komponierte Arnold Schönberg, gleichfalls in den USA, sei-

ne Kantate Ein Überlebender aus Warschau. Auch er zog ein resümee – aus der Geschichte der Juden in Europa. Der Text handelt vom Auf-stand im Warschauer Getto, der am 19. April 1943 am Vorabend des Pessachfestes begann, er führt die Grausamkeit der Deutschen ge-genüber den Internierten vor Augen – und die Größe der Erniedrig-ten, die im Angesicht des gewaltsamen Todes ihr gemeinsames Be-kenntnis, das Schema Isroel sangen. Schönberg schrieb die Worte selbst »zum Teil« nach »Berichten, die ich aus erster oder zweiter Hand erhielt«. Damals, im August 1947, stand die öffentliche Ausein-andersetzung mit Ausmaß und Schrecken der Schoa in den Anfän-gen. Der Staat Israel war noch nicht gegründet, der Holocaust-Ge-denktag noch nicht eingeführt, Itzhak Katzenelsons Dichtung Dos lid funm ojsgehargetn jidischn folk (Das Lied vom ausgerotteten jüdi-schen Volk) war ebenso wenig veröffentlicht wie Emanuel ringel-blums Aufzeichnungen, die Erinnerungen des Pianisten und Kom-

ponisten Wladyslaw Szpilman waren noch nicht geschrieben. rascher als Adorno und Bloch verließ Schönberg Deutschland,

nachdem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, und emigrier-te über Frankreich in die USA. Im Gegensatz zu vielen anderen machte er sich keine Illusionen über die weiteren politischen Ent-wicklungen in der Alten Welt. Er sah die Juden in existenzieller Ge-fahr – vor allem in Deutschland, Österreich und Ungarn, aber auch in Polen, rumänien, dem Baltikum und anderen osteuropäischen Staaten. In einem »Vier-Punkte-Programm zur rettung der Juden-heit« rief er zur Sammlung unter einheitlicher Führung, zum Exo-dus aller europäischen Juden und zur Ansiedlung in einem Gebiet auf, das nicht durch Krieg erobert werden müsste. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs empfand er sich wie die alten Propheten als

Visionär, der Unheil kommen sah, ohne es abwenden zu können.Aus sieben (kurzen) Abschnitten und einer Orchesterintroduk-

4. September

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13.12.

nössische Komponisten finanzierte. Er wurde zu einem der wichti-gen Förderer Neuer Musik in einem Land, in dem Kunst und Kultur weit stärker auf privates Mäzenatentum angewiesen sind als in Euro-pa. Schönberg grollte ihm, weil er bis 1944 kein Werk von ihm aufge-führt und keinen Auftrag an ihn erteilt hatte. Freunde mussten dem

Komponisten 1947 zuraten, Koussewitzkys Geste anzunehmen. Der Dirigent und Mäzen machte ihm, wie allen anderen, keine

Auflagen über Art, Gattung und Besetzung der Werke. Thematisch und inhaltlich entsprach der Überlebende Schönbergs eigenem Ent-schluss so, wie sich siebzehn Jahre zuvor Strawinsky für die Psalmen-symphonie entschieden hatte. Koussewitzky hatte sie zum Jubiläum des Boston Symphony Orchestra bestellt, das in der Saison 1930/31, unmittelbar nach der großen Wirtschaftsdepression, sein fünfzig-

jähriges Bestehen feierte. »Schon seit langem beschäftigte mich der Gedanke, ein sympho-

nisches Werk größeren Umfangs zu schreiben«, erinnerte sich der Komponist 1936 in seinen Chroniques de ma vie. »Mir schwebte eine Symphonie mit großer kontrapunktischer Entwicklung vor, und so musste ich auch die Mittel vergrößern, um in dieser Form arbeiten zu können. Ich entschloss mich daher, ein Ensemble zu wählen, das aus Chor und Orchester zusammengesetzt ist, und bei dem keines der Elemente dem anderen übergeordnet ist, beide also völlig gleich-wertig sind. Meine Ansicht über die Beziehungen zwischen den voka-len und instrumentalen Gruppen glich also genau dem Verfahren, das die alten Meister kontrapunktischer Musik anwandten. Auch sie behandelten Chor und Orchester gleich und beschränkten weder die rolle des Chors auf homophonen Gesang noch die Funktion des Or-chesters auf die Begleitung. – Was den Text angeht, so suchte ich nach einer Dichtung, die eigens für den Gesang geschrieben ist. Da-

bei dachte ich natürlich sogleich an den Psalter.« Strawinsky komponierte seine Symphonie für Singstimmen und

Instrumente in drei Sätzen, die ohne Pause ineinander übergehen. Den ersten bezeichnete er als »Preludio«, als ein Vorspiel, dem als zweiter Satz eine kunstvolle Doppelfuge folgt. Den dritten gestaltete er als Hauptstück, dessen zentraler rascher Teil von zwei langsamen Abschnitten gerahmt wird. Das Verhältnis der ersten beiden Sätze zueinander gleicht der barocken Folge von Präludium und Fuge, wie sie meist für Tasteninstrumente geschrieben wurde. Zugleich aber bezieht sich Strawinsky auf den Typus der »Finalsymphonie«, den Beethoven als erster verwirklichte. Dabei spielt nicht mehr der erste Satz des mehrteiligen Werkes die Hauptrolle, und die anderen Stücke gruppieren sich gleichsam wie Planeten um ihn. Der Lauf der musi-kalischen Ereignisse führt vielmehr auf den letzten Satz hin, der als

Ziel und Ende zur bisweilen überhöhenden Hauptsache wird. Stra-winsky hat die pathetische Tendenz, die in einer solchen Konzeption liegen kann, versachlicht und zurückgenommen. In der Konsequenz verschmolz er zwei Traditionslinien zu etwas Neuem, in dem die

Spuren der Geschichte hörbar erhalten bleiben. Der musikalischen Dramaturgie entspricht diejenige der Texte.

Der erste Psalm, den Strawinsky wählte, ist ein Gebet. Aus dem zwei-ten sprechen Hoffnung und Zuversicht. Der dritte singt das »neue Lied«, von dem im zweiten Stück die rede war, als Lobpreis Gottes. Gebet – Vertrauen/Glauben – Lobpreis: das sind drei religiöse Hal-tungen, unter Umständen auch Stationen einer rituellen Übung un-abhängig vom konkreten Inhalt der jeweiligen Konfession. Der Kom-ponist erwog anfangs, die Texte aus dem Psalter in der alten kirchenslawischen Sprache singen zu lassen, entschied sich dann aber für die lateinische Fassung der Vulgata. Wie in seinem Musikthe-ater Ödipus Rex, das gut drei Jahre zuvor entstand, schuf die alte Spra-che eine Distanz, die das Kunstwerk aus der aktuellen Verstrickung rückt und ihm gerade dadurch Eindringlichkeit verleiht. Der archai-schen Strenge des Textes korrespondiert die Härte des Klangs. Die »versöhnlichen« Melodieinstrumente Klarinette, Violine und Brat-schen sind nicht besetzt. Die Musik deutet den Text nicht in seinen Einzelaussagen aus, dennoch formuliert sie eine Haltung zu ihm. Der erste Satz bietet im Gesangspart eine Litanei aus einfachsten Tonfolgen; sie kontrastiert zur belebten Bewegung des Orchesters, das eine barocke Toccata stilisiert. Zwei Ebenen musikalischen Aus-drucks, zwei historische Schichten treffen aufeinander und durch-dringen sich partiell. Aus dem Material der chorbegleitenden, rotie-renden Figuren baut Strawinsky danach das erste Fugenthema im zweiten Satz. Es bestimmt den Orchesterpart, ein anderes danach den Chorsatz. Die beiden Schichten nähern sich stärker an, als dies im Preludio der Fall war. Im Schlussstück setzt Strawinsky Text und Musik in auffällige Spannung. Dem Gotteslob verleiht er keine ju-belnden Töne. Die Komposition gleicht über weite Strecken der Mu-sik zu einer Prozession, wodurch auch immer sie motiviert oder er-zwungen ist. Der Charakter der rahmenteile erinnert daran, dass der Lobpreis des Höchsten nicht nur die Form des ausgelassenen dio-nysischen Festes kennt, sondern dass nach der Überzeugung man-ches Glaubensweisen derjenige zu Gott gefunden habe, der den Ewi-gen im Eingedenken loben könne, das über die individuelle Existenz und die erlebte Geschichte hinausgeht. In dieser Einstellung ist das Finale der Psalmensymphonie nicht allzu weit vom Schluss des

Überlebenden aus Warschau entfernt.

4. September

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15.14.

e i n sy m b ol : B a r b er s › adag io for st r i ng s ‹

Am 21. Februar 1951 dirigierte Samuel Barber erstmals im Nach-kriegs-Berlin. In das Programm einer Konzertserie für Schüler und Studenten nahm er nur eigene Werke auf, neben der Zweiten Sym-phonie auch das Violinkonzert (Solist: Charles Turner) und das Ada-gio for Strings, ein Orchesterarrangement des langsamen Satzes aus seinem Streichquartett h-Moll op. 11. Barber hatte es 1936 in der Nähe von St. Wolfgang im Hause eines Jagsaufsehers mit idyllischem Blick über den nahegelegenen See im Salzkammergut komponiert. Dass der Satz, ein ruhiger Gesang ohne Worte mit einer großbogig geführ-ten Melodie, ein Wurf – nach des Komponisten eigenen Worten ein »Volltreffer« – war, empfand Barber schon sofort nach Fertigstellung und ließ es seine Freunde auch wissen. Dass es aber einmal sein bei weitem bestbekanntes Stück mit Aufführungs- und Verbreitungszif-fern von Popmusik würde, ahnte er nicht. Zahllose Bearbeitungen wurden angefertigt, für zwei nur zeichnet der Komponist selbst ver-antwortlich: für die Streichorchesterfassung und für ein Chorarran-gement, dem er die Worte des Agnus Dei aus der lateinischen Messe unterlegte. Die Transkription für menschliche Stimmen wird dem Gesangscharakter des Stückes gerecht, die Version für Chor bringt die polyphone Auffächerung der Hauptmelodie und die kollektive Innigkeit im »Ton« des Stücks zur Geltung, die Unterlegung eines geistlichen Textes aber leiht der Atmosphäre eines »quasi religioso« die passenden Worte. Die Version für Streichorchester klingt wie eine Chor-Elegie, die auf einen Text verzichtet; Trauermusiken wurden traditionell häufig nur mit Streichinstrumenten besetzt. Charles Turner, der Geiger-Freund, der Barbers Violinkonzert oft aufführte, nannte das Adagio »unser [der US-Amerikaner] nationales Trauer- und Gedenkstück«. Es erklang zu den Begräbnissen Präsident roose-velts und Albert Einsteins, zum Gedenken an John F. Kennedy und Grace Kelly und zu Ehren der Opfer des 11. September 2001. So wurde es zum klingenden Memorial, das sich anders als Schönbergs Überle-

bender auf kein bestimmtes historisches Ereignis bezieht.

u r b a ner h y m n us :va rèses › a mér iq ues ‹

Barbers Adagio wurde zu Amerikas Hymne für den Gedenkfall. Edgard Varèse komponierte knapp zwanzig Jahre zuvor seine Amériques als Hymne auf die Zukunft. Der Komponist, der in Paris, der Bourgogne und in Turin aufwuchs, in der französischen Haupt-

stadt studierte, in Berlin die erste Aufführung eines eigenen Orches-terwerks erlebte und 1915 nach kurzem Kriegsdienst in die USA zog, begann das Werk 1918 in New York unter den ersten Eindrücken von dieser Mutter aller modernen Großstädte; es waren nach seinem Be-kenntnis Impressionen »nicht des sichtbaren, sondern des hörbaren New York. Zunächst hörte ich einen Klang, der mich an meine Träu-me als kleiner Junge erinnerte: ein hohes, pfeifendes Cis. Ich hörte es in meinem Appartement, wo ich alle Geräusche des Flusses vernahm – die einsamen Nebelhörner, die schrillen, energischen Dampfpfei-fen, die ganze wunderbare Fluss-Symphonie, die mich mehr bewegte als irgendetwas je zuvor. Darüberhinaus stand mir Amerika, als ich ein Junge war, als Synonym für alle Entdeckungen und Abenteuer. Es war das Unbekannte. In diesem symbolischen Sinn gab ich dem ers-ten Stück, das ich in Amerika schrieb, den Titel Amériques. […] Diese Komposition ist die Darstellung einer Stimmung, […] der Eindruck eines Fremden, während er die atemberaubenden Möglichkeiten die-ser Zivilisation ermisst. Die Verwendung starker musikalischer Ef-fekte verdankt sich meiner vitalen reaktion auf das Leben, wie ich es wahrnehme, aber es handelt sich um die musikalische Schilderung eines Gemütszustands und nicht um ein Tongemälde. Ich betrachte den Titel Amériques nicht in erster Linie geographisch, sondern mehr als Symbol für Entdeckungen neuer Welten auf der Erde, am Himmel

oder im menschlichen Geist«. Vier Jahre brauchte er, um dem vorweggenommenen Gegenstück

zum American in Paris, dem »Parisien en Amérique« musikalische Ge-stalt zu geben, ein Indiz für die beharrliche Suche nach Klangent-deckungen, die das Neue in adäquater Weise ausdrücken könnten. Er sah sich dabei einer doppelten Tradition gegenüber: einer, von der er sich abgrenzte – der Klassik und romantik bis hin zu den Symphoni-schen Dichtungen – und eine, auf die er sich stützte – der damals jungen Moderne, Strawinsky mit seinem skandaltüchtigen Sacre du prin temps, Schönberg mit seinem Gespür für das »Triebleben der Klänge«, Ferruccio Busonis Visionen von einer »neuen ästhetik der Tonkunst«, die auch Viertel- und Sechsteltöne für sich entdecken sollte, und das Programm eines radikalen Bruchs mit allem Überlie-ferten, den die italienischen Futuristen um Filippo Marinetti propa-gierten. Amerika erschien Varèse als Inbegriff für das Drängen nach einer neuen Zeit und Kunst, wie ein ideeller Fluchtpunkt namens

Zukunft. Vier weitere Jahre dauerte es, bis Leopold Stokowski die Urauf-

führung der Amériques mit dem Philadelphia Orchestra wagte. »Die immense Wucht der Musik«, schreibt Klaus Angermann, »verursach-te im Publikum einen entrüsteten Tumult, den Varèse lakonisch

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17.16.

kommentierte: ›Diejenigen, die die Interpretation meiner Amé riques durch das Philadelphia Orchestra ausgepfiffen haben – was für ver-korkste Ansichten müssen sie über Musik haben!‹« Was empfanden die Hörer von 1926 an Varèses Komposition so skandalös unerhört? Neu wirkte der Klang, seine metallene Härte, seine eisige Schärfe, seine gläserne Durchsichtigkeit, seine exotische Poesie. Befremdlich erschien die Wucht, mit der das eröffnende Flötenmotiv, der versöhn-liche Initialgedanke, nach und nach an den rand gedrängt wird. Es übt wie das Fagottsolo zu Anfang des Sacre eine Art »Heroldfunkti-on« aus (Grete Wehmeyer), ruft die Geister, denen es dann erliegt. Verstörend empfanden manche die starke Macht des rhythmischen, sichtbar an einem riesenaufgebot von Schlagwerk. Weite Passagen sind ganz aus dem rhythmus artikuliert, die klassisch »schönen« Dimensionen – Melodik und Harmonik – werden vom organisierten Schlag der Zeit aufgesogen. So gut wie unbekannt war die Brücke, die Varèse vom traditionell guten Ton zur Welt der Geräusche schlug, das Kontinuum, das aus Halbtonfolgen schließlich in den Klang der Sirene führt und die raster des tradierten Tonsystems hinter sich

lässt. 86 Jahre nach der Uraufführung vernimmt man jedoch deutli-

cher, was dieses Werk mit seiner Vorgeschichte, vor allem mit der Gattung der symphonischen Dichtungen verbindet. Das knapp halb-stündige Opus ist als ein großes Stück durchkomponiert, dennoch lässt sich deutlich eine interne Dreigliederung erkennen. Den ersten Teil charakterisieren das eröffnende Flötenmotiv und seine sukzessi-ve Verdrängung. Den zweiten Abschnitt beherrschen Klangbilder von bisweilen exotischer Farbigkeit. Im dritten aber spielt sich die Gewalt des rhythmischen in den Vordergrund und ordnet sich alles andere unter. Kompositorische Technik und expressiver Charakter sind ähnlich eng aufeinander bezogen wie in richard Strauss’ oder in Arnold Schönbergs frühen Tondichtungen. Zugleich reflektiert Varè-se die Musik von den Eigenschaften ihres Materials her, folgt Hoéné Wronskys Definition von der Musik als »Verkörperung der Intelli-genz, die in den Klängen liegt«, indem er die drei elementaren Ge-sichtspunkte musikalischer Gestaltbildung – Melodie, Klang und rhythmus – jeweils einen Abschnitt der Komposition bestimmen

lässt. Nach der Uraufführung revidierte Varèse seine Partitur von

Grund auf, allerdings nicht, um empörten Hörern entgegenzukom-men. »Offenbar hatten sich seine musikalischen Vorstellungen in der Zwischenzeit präzisiert, so dass er Amériques, das er als eines seiner wichtigsten Werke ansah, gewissermaßen auf den neuesten Stand brachte«, betont Klaus Angermann. »Die Erstfassung unterscheidet

sich von der revidierten Version zunächst im Umfang der Orchester-besetzung. Der Apparat umfasst 142 Spieler (in der Zweitfassung ca. 120), wobei die starke, durchweg vierfache Holzbläserbesetzung auf-fällt. Auch einige exotische Effektinstrumente im Schlagzeug, wie Cyclone whistle, Steamboat whistle und Crow call, wurden später eli-miniert. In der Urfassung erscheint weiterhin ein von Varèse als »Fanfares interieures« bezeichnetes Fernorchester aus sieben Blech-bläsern, die gegen Ende des Stücks in das Orchester integriert wer-den. Die späteren, insbesondere in den Holzbläsern umfangreichen Eingriffe in den Orchestersatz hängen aber nicht nur mit der redu-zierung des Orchesters zusammen, sondern beruhen oft einzig und allein auf veränderten Vorstellungen, die den oft sehr kompakten

Klang der Urfassung filtern und ausdünnen.Formal erfuhr das Werk bei der revision eine starke Umgestal-

tung durch Streichung bzw. Neukomposition ganzer Passagen. Die stärkste Veränderung betrifft zwei längere Abschnitte in der Mitte des Stücks, die in der revidierten Fassung jeweils durch kurze ele-mentare Klangeinbrüche ersetzt wurden. Es scheint, dass es Varèse bei der Neubearbeitung vor allem auf eine Straffung und Konzentra-

tion des energetischen Verlaufs angekommen ist.« Wenn die Amériques überhaupt aufgeführt wurden, wählte man

die überarbeitete Version, denn sie allein lag gedruckt vor. 1990 ge-lang es jedoch Klaus Angermann nach aufwändigen recherchen und Vergleichen, die Partitur der Urfassung zu rekonstruieren. Sie wurde 1991 im rahmen des Musikfest Hamburg erstmals seit 1926 wieder in die Öffentlichkeit gebracht. Seitdem haben sich Dirigenten immer wieder auch mit der Erstversion auseinandergesetzt, die Varèses Weg aus der Tradition in die neue Klang-Welt deutlicher mitvollziehen

lässt. Sie liegt auch der heutigen Aufführung zugrunde.

h A BA k u k T r A BEr

4. September

Musikfest Berlin 2012

19.18.

d i e k l a n g w e lt e n d e s e d g a r d va r è s e

Big Sur – 4/19/51Dear Edgar Varèse –

Last night my wife and I had the first chance of hearing your re-cordings – chez des amis ici, deux musiciens. Tout le monde était ravi. In fact, »knocked out«. I had the definite impression that 25 or 35 years before the horrible discovery of the powers of the atom, you were already in the new age. No one crossed the frontier with the cou-rage and the integrity which your music reveals. My wife, who is by no means a »connaisseur« of music, remarked that the music remin-ded her of the title of a Greek poet’s famous (and as yet unknown) work: Proanakrousma: or, »a knocking to awaken«. We were really awake, I tell you – and more – electrified. And we liked them all equally – and were amazed how well they were recorded. Do tell whoever bothers with these things to send us the succeeding records of your work. It is so good to know that at last we shall hear them all.

(With bill this time!)And how pale and feeble your imitators sound! You are a healthy

man, alive to the finger-tips. The music confirms it. Now and then I thought I heard »sounds« from Tibet, ancient Japan, Siam – and the Polynesian world. It is gay, too. Ah! »The gay wisdom!«, as Nietzsche

said.I am impatient now to hear more. It was like a joyous electrocu-

tion. The martyrs of old often went to the stake singing. No one goes thus to the electric chair. Dommage!

Dear Edgar Varèse – thank you for a wonderful treat. And more power to you, more ionization, more fission, more of everything!

h EN rY M i llErBrief an Varèse, 1951, aus: Felix Meyer, Heidy Zimmermann,

Edgard Varèse - Komponist, Klang forscher, Visionär, Mainz 2006

Dear Sir … my name is Frank Zappa Jr. I am 16 years old … It might seem strange but ever since I was 13 I have been interested in your music. The whole thing stems form the time when the keeper of this little record store sold me your album The Complete Works of Edgard

Varese, vol. 1.

Fr A N k ZA PPA Brief an varèse, 1957

4. September

N Ew Yor k, 42N d ST r EET, Blick von der 2nd Avenuee, ca.1935, Courtesy NYC Municipal Archives

Musikfest Berlin 2012

21.20.

Was macht einer, der am Vorabend des Weltkriegs mit seiner französisch-deutschen Musikbegeisterung und mit seinem kosmo-politischen Eigensinn zwischen die Fronten gerät? Er emigriert – Varèses dritte »Wanderung« führt nach New York. Er braucht einige Jahre, bis er dort sein erstes großes Werk vollendet. Er widmet es dem »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« (dabei macht er sich keine Illusionen darüber, dass dort, wo die Möglichkeiten unbegrenzt er-scheinen, nicht allzu viel vorhanden sein kann). Amériques enthält tatsächlich französische und deutsche Erfahrungen in Fülle: die Klangflüsse eines Debussy, konzentriert und energetisch aufgeladen, auch Strauss klingt hin und wieder durch. Aber diese Elemente sind in einem Konzept von Klangarchitektur und Klangbewegung gleich-sam aufgesogen. Varèses Leben vollzieht sich ab 1915 für fünf Jahr-zehnte zwischen den Modellstädten der Urbanität in der Alten und der Neuen Welt, zwischen New York (später Los Angeles) und Paris. Varèse ist ein Stadtmensch, ein Mann der urbanen Kultur, den die Architektur, die geschaffene Welt, fasziniert, der durch Kontakte und in Netzwerken mit anderen auflebt. In seiner ersten Pariser Perio de gab die Freundschaft mit romain rolland nicht nur dem Komponisten wichtige Anregungen, Varèse stand auch dem Dichter für die Titelfigur seines romans Jean Christophe Modell (auch das eine gut romantische Tradition). In Amerika schreibt Henry Miller ein sprach- und bildkräftiges Porträt über den befreundeten Komponis-ten, mit dem er an einem Stück über die herausfordernden Men-schenmöglichkeiten der Wüste arbeitet. Anaïs Nin widmet den Varèses zahlreiche Seiten in ihrem Tagebuch, die sich wie Kurzge-schichten lesen und einen lebendigen, anschaulichen Eindruck vom Wesen des Komponisten und vom Ambiente vermitteln, in dem er lebt. Sie bringt die Intensität von Edgard Varèses Musik auf den Be-griff: »Das Licht ist schneller als der Ton, aber im Falle von Varèse ist

der Ton weit schneller als das Licht.«

h A BA k u k T r A BEr

s c h ne l l e r a l s das l i c ht

Was politisch undenkbar scheint, muss künstlerisch nicht schei-tern. Edgard Varèse war ein amerikanischer, und er war ein französi-scher Komponist, außerdem pflegte er starke Affinitäten zur Musik aus Deutschland. Kurz: Er war ein Wanderer zwischen den Welten. Man mag diese Eigenheit seiner Kindheit zuschreiben. Er wurde in Paris geboren, wuchs aber, solange er die Schule noch nicht besuchen musste, bei seinen Großeltern in Burgund auf. Die alte Kulturland-schaft, ein Herzstück europäischer Geschichte, grub sich tief in sein Gedächtnis ein. An der Natur faszinierten ihn nicht die idyllischen, sondern die majestätischen Momente, das, was die Menschen zu ih-rer Baukunst anregte. Bourgogne nannte er sein erstes großes Orches-terwerk, eine symphonische Dichtung. Wie sie wirklich klingt, wis-sen wir nicht, Varèse vernichtete die Partitur 1962 in einem hyperkritischen Anfall. Einmal wurde sie jedoch aufgeführt, Ende 1910 in Berlin – richard Strauss hatte sich für das Werk eingesetzt. Zeugen, die es hörten, erinnern sich an Klangbilder von magischer Intensität. Der Kritiker Alfred Kerr lud den Komponisten nach der Uraufführung zur Mitarbeit an seiner Zeitschrift ein, er entdeckte in ihm einen Gleichgesinnten. Man mag Varèses Weltbürgertum der kosmopolitischen Atmosphäre seiner Heimatstadt gutschreiben. Seit seinem achten Lebensjahr wohnte er in Paris. Dort ging er zur Schu-le, dort studierte er, dort begeisterte er sich für die Werke von Claude Debussy, für die Kunst der Nuancen und des sinnlichen Klangs. Er gewann die Freundschaft des älteren Kollegen, debattierte mit ihm über ästhetische Fragen und tat, was jeder aufgeschlossene Künstler-mensch damals in Paris machte: Er bewegte sich in der Szene, schloss Bekanntschaften nicht nur mit Leuten aus seiner Profession, sondern auch mit Dichtern, Malern und Vordenkern des Films. Die Kunst ist eine, meinte er in gut romantischer Tradition, sie kennt nur verschie-

dene Ausdrucksformen. Paris blieb in seinem weiteren Leben der trigonometrische

Punkt, von dem aus er die Weite seiner kulturellen Interessen und Initiativen vermaß. 1907 aber zieht er – zweite Wanderung – nach Berlin, er will mehr wissen und erfahren. Er lernt Hugo von Hof-mannsthal und Gustav Mahler kennen, er begegnet richard Strauss, begeistert sich für dessen symphonische Dichtungen und für die un-erreichte Kunst, das Orchester als einen Klangkörper nahezu unbe-grenzter Möglichkeiten zu behandeln. Varèse fasst große Pläne, zu große. Sie lassen sich nicht verwirklichen. Aber sie wirken als Ideen-pool und geben die richtungen für sein weiteres Schaffen vor. Berlin

war der Katalysator seiner künstlerischen Entwicklung.

4. September

Musikfest Berlin 2012

23.22.

4. September

e i ne w a h r ha f t kosm isc he u n r u he

Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich zum ersten Mal Varèses Musik hörte – auf einem wundervollen Tonwiedergabegerät. Ich war wie betäubt. Es war, als hätte ich einen K.o.-Schlag bekommen. Als ich mich davon erholt hatte, hörte ich wieder zu. Diesmal nahm ich Empfindungen wahr, die ich gleich erlebt hatte, die ich aber wegen ihrer Neuartigkeit, wegen der fortgesetzten, ununterbrochenen Fol-ge von Neuartigem nicht zu identifizieren vermocht hatte. Meine Empfindungen hatten sich zu einem Crescendo verdichtet, das sich mir mitteilte, als hätte ich mich selbst auf den Kiefer geschlagen. Als ich später mit Varèse über sein neues Werk sprach, fragte er mich, ob ich nicht einige Sätze für den Chor beisteuern wolle –»magische Sät-ze« –, meinte Varèse – alles, was ich zuvor gehört hatte, drang mit doppelter Kraft und Bedeutung auf mich ein. »Ich möchte etwas von dem Gefühl, das die Wüste Gobi vermittelt«, setzte Varèse hinzu. Die Wüste Gobi! Mir begann sich alles zu drehen. Er hätte kein zutreffen-deres Bild verwenden können als dieses, um den Effekt, den seine or-ganisierte Klangmusik letztlich hervorrief, zu beschreiben. Das selt-same an Varèses Musik ist, dass man verstummt, wenn man ihr zugehört hat. Sie ist nicht sensationell, wie die Leute es sich vorstel-len, sondern Ehrfurcht gebietend. Sie ist überwältigend… Varèse möchte eine wahrhaft kosmische Unruhe auslösen. Könnte er die ätherwellen kontrollieren und alles mit einer Drehung der Skala von der Landkarte wischen – ich glaube, er würde in Ekstase sterben. Wenn er von seinem neuen Werk und dem, was er zu erreichen ver-sucht, spricht, wenn er die Erde und ihre Träge Masse drogenvergif-teter Bewohner erwähnt, kann man sehen, wie er versucht, diese Erde beim Schwanz zu packen und sie um seinen Kopf zu schleudern.

Er möchte sie wie einen Kreisel zum rotieren bringen.

h EN rY M i llEr aus: Der klimatisierte Alptraum, dt. von kurt wagenseil,

© 1977, rowohlt Taschenbuch verlag, hamburg

A r N o l d S C h ö N B E r g

Zusammen mit Igor Strawinsky ist Arnold Schönberg (1874–1951) der bedeutendste und einflussreichste Komponist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zwei grundlegende Entwicklungen in der Mu-sik sind untrennbar mit seinem Namen verbunden, die Aufgabe der Tonalität und der Gedanke einer der eigentlichen Komposition vor-angehenden Vorordnung des musikalischen Materials. Fast nebenbei war Arnold Schönberg auch der wichtigste Kompositionslehrer sei-ner Epoche. Zu seinen zahlreichen Schülern zählen Alban Berg und Anton Webern, die durch den Unterricht bei Schönberg selbst zu gro-

ßen Komponisten wurden.Arnold Schönberg wurde am 13. September 1874 in Wien geboren.

Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf und war im Wesentli-chen Autodidakt, der seine Kenntnisse aus Lexika, von Klassenkame-raden und aus dem Violinunterricht bezog. Erst 1895 lernte er mit Alexander Zemlinsky einen professionellen Musiker und Komponis-ten kennen, mit dem er sich rasch anfreundete und der ihm Unter-richt erteilte. Zemlinsky prägte Schönberg vor allem auch durch sein hohes Ethos von den Pflichten eines Künstlers, das Schönberg selbst später an seine Schüler weitergab. 1899 entstand mit dem Streichsex-tett Verklärte Nacht die erste Komposition, die Schönberg als vollwer-tig anerkannte, und schon dieses Werk zeigt mit seiner unbedingten und bezwingenden Ausdruckskraft, seinem melodischen reichtum, seiner Vorliebe für die Dissonanz als Ausdrucksträger und seiner for-malen Meisterschaft wesentliche Charakteristika von Schönbergs

reifem Stil.Bis zum Ersten Weltkrieg führte Schönberg ein unruhiges Le-

ben. Zwar erhielt er Anerkennung und Unterstützung von berühm-ten Kollegen wie richard Strauss und Gustav Mahler, er war aber ge-zwungen, von verschiedenen musikalischen Gelegenheitsarbeiten und kleineren Lehraufträgen zu leben. Er zog deshalb häufig um und wohnte abwechselnd in Berlin und in Wien. Auch sein Privatle-ben verlief stürmisch. Unabhängig von diesen ungünstigen äußeren Bedingungen schuf Schönberg Werk um Werk und setzt dabei eine musikalische revolution in Gang. Unter seinem Ausdrucksbedürfnis zerriss ihm die Tonalität und in den Werken, die er zwischen 1907 und 1909 in einem wahren Schaffensrausch komponierte, stieß er entscheidend in die Neue Musik vor. Kompositionen dieser Zeit wie das Monodram Erwartung und die Fünf Orchesterstücke wirken immer noch so frisch und umstürzend neuartig, als seien sie gestern ent-

standen.

Musikfest Berlin 2012

25.24.

4. September

Das Ende des Ersten Weltkriegs bedeutete eine Zäsur für Schön-berg. Hochfliegende Kompositionspläne hatte er abbrechen müssen und er empfand das Kriegsende als Zusammenbruch der ihn tragen-den Kultur. Einen künstlerischen Neuanfang machte er im Novem-ber 1918 mit der Gründung des »Vereins für musikalische Privatauf-führungen«, dem Urbild aller Avantgarde-Ensembles unserer Zeit, der sich der angemessenen Aufführung von Werken der Neuen Musik widmete. Zudem entdeckte Schönberg zunehmend das Dirigieren für sich. Auch wenn Aufführungen von Schönbergs Musik im Kon-zertsaal in der regel auf Ablehnung stießen und oft Skandale hervor-riefen, wuchs seine künstlerische reputation doch ständig. 1925 wur-de er schließlich als Professor für Komposition an die Preußische Akademie der Künste nach Berlin berufen. Zu diesem Zeitpunkt hat-te er für sich bereits die Zwölftonmethode entwickelt, bei der eine be-stimmte reihenfolge der benutzten Töne schon vor dem Komponie-ren s elb st fe stgele g t w i rd , wo du rc h ei n ge w i s s er i n nerer Zusammenhalt der Musik bei völliger Freiheit der Gestaltung garan-tiert ist. Diese Methode blieb in verschiedenen Ausformungen we-

sentliche Grundlage seines weiteren Schaffens.Die Machtübernahme der Nationalsozialisten trieb Schönberg,

der bereits in den 1920er Jahren antisemitischen Anwürfen ausge-setzt war, im Mai 1933 in die Emigration. Nach einigen Umwegen ließ er sich 1934 in Los Angeles nieder. Die materiellen Bedingungen in Kalifornien waren für Schönberg sehr schwierig, vor allem als er 1944 seine Professur für Komposition, die er 1936 angetreten hatte, aus Altersgründen abgeben musste. Trotz dieser bedrängten Situati-on schuf Schönberg noch hoch bedeutende Werke wie das Streichtrio und die Kantate A Survivor from Warsaw, mit der er auf den Holocaust

reagierte. Schönberg starb am 13. Juli 1951 in Los Angeles.

i g o r S T r A w i N S k Y

Im Spätsommer 1909 erhielt Igor Strawinsky (1882–1971) ein Tele-gramm, das sein Leben und den Gang der Musikgeschichte verän-dern sollte. Absender war der russische Impressario Sergeij Diaghilew, der bei dem bis dato so gut wie unbekannten rimski- Korsakow-Schüler anfragte, ob er die Musik zu einem großen Ballett über einen Stoff aus der russischen Märchenwelt schreiben wolle. Die Premiere des Stückes mit dem Titel Der Feuervogel sei für das nächste Frühjahr in Paris angesetzt. Nach einem Moment des Zögerns ange-sichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit – »Ich kannte da-mals meine Kräfte noch nicht«, erinnerte sich Strawinsky später –

stürzte sich der junge Komponist in die Arbeit. Der Feuervogel wurde ein glänzender Erfolg. Passagen von mitreißender rhythmischer Kraft und aggressiver Wildheit, kurze, von russischer Volksmusik in-spirierte Melodien und ein hoch entwickelter Sinn für Klangfarbe sind die wichtigsten Charakteristika der Feuervogel-Musik, die für Strawinskys Schaffen auch weiterhin bedeutsam bleiben sollten. Das entscheidend Neue der Partitur liegt aber eher im Verborgenen. Stra-winsky setzt nämlich schon in diesem frühen Werk die traditionelle Harmonik auf weiten Strecken außer Kraft und lässt die Verbindung der Zusammenklänge einer eigenen inneren Logik folgen. Die Zu-sammenklänge für sich haben dabei selbst noch nichts revolutionä-res. Dies sollte sich in den nächsten beiden Ballettmusiken, Petruschka und Le sacre du printemps, ändern. In Le sacre du printemps, dessen Urauf-führung am 29. Mai 1913 von einem der größten Skandale der jünge-ren Musikgeschichte begleitet war, entfesselt Strawinsky einen rhythmischen und klanglichen Sturm von vorher undenkbarer In-tensität, schichtet Ostinati zu extremen Dissonanzen übereinander und hebt mit unregelmäßigen Akzenten jede Taktmetrik auf. Exem-plarisch tritt in diesem Werk die Montage als ein Grundprinzip von Strawinskys Komponieren hervor, die Arbeit mit festen Bausteinen, die in klaren Kontrasten und scharfen Schnitten nebeneinander ge-

setzt und übereinander geschichtet werden.Le sacre du printemps konnte und wollte Strawinsky nicht mehr

überbieten. Auch unter dem Eindruck des Krieges schuf er danach zunächst bewusst karge, im Aufwand reduzierte Werke wie Die Ge-schichte des Soldaten. 1920 ließ sich Strawinsky, der vorher im Exil in der Schweiz gelebt hatte, in Paris nieder. So wie er sich bisher von der russischen Volksmusik hatte anregen lassen, griff er nun Musikstile der Vergangenheit auf, die er sich auf unverwechselbar eigene, ver-fremdende Weise anverwandelte, und wurde zum Exponenten des Neoklassizismus. In den 1920er Jahren begann er auch mit großem Erfolg als Interpret aufzutreten, zunächst als Pianist, dann aber vor

allem als Dirigent eigener Werke.Das Aufkommen des Faschismus erlebte Strawinsky als eine all-

gemeine Krise der Kultur in Europa. Persönliche Schicksalsschläge kamen hinzu. Als Strawinsky dann 1939 eine Einladung der Harvard Universität erhielt, Vorlesungen zur musikalischen Poetik zu halten, sah er die Chance für eine Veränderung seiner Lebensumstände. Zu-nächst war nur ein vorübergehender Aufenthalt in den USA geplant, aber schon bald reifte der Entschluss, sich dauerhaft in Amerika nie-derzulassen. Nach Europa kehrte der Komponist nur noch zu Kon-zerten zurück und 1945 wurde Strawinsky, der zuvor die französi-sche Staatsbürgerschaft besessen hatte, amerikanischer Staatsbürger.

Musikfest Berlin 2012

27.26.

4. September

gensätzlich im Charakter und bezeichnen die Pole, zwischen denen Barbers Schaffen angesiedelt ist. The School for Scandal ist ein meister-haft instrumentiertes, sonnendurchflutetes Stück, in dem Barber ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen kapriziöser Heiterkeit und gesanglicher Melodik findet. Voll herber Melancholie ist dagegen Do-ver Beach für die ungewöhnlich Besetzung mit Bariton und Streich-quartett, ein Werk von erstaunlicher reife für einen so jungen Kom-ponisten. Sowohl das Lied als auch die Orchestermusik wurden zu den tragenden Säulen seines Schaffens. In ihnen verfügte Barber auch über praktische Erfahrungen als ausübender Künstler. So stu-dierte er Dirigieren unter anderem bei Fritz reiner und George Szell, leitete zahlreiche Konzerte und nahm 1951 mehrere seiner Komposi-tionen auf Schallplatte auf. Vielleicht noch näher lag ihm der Gesang. Bis in die 1940er Jahre hinein erfreute sich Barber einer Karriere als Bariton. Seine ganz von der Melodie her gedachten Lieder haben un-ter großen Sängern engagierte Fürsprecher gefunden. Die Textwahl seiner Lieder reicht von Dichtungen von James Joyce und rainer Ma-ria rilke bis zu anonym überlieferten Texten irischer Mönche und zeigt die hohe literarische Bildung und den treffsicheren Geschmack

des Komponisten.Barbers Aufstieg als Komponist vollzog sich rasch und stetig.

Schon für The School for Scandal wurde ihm ein Kompositionspreis zu-erkannt. Ein Stipendium ermöglichte ihm von 1935 bis 1937 einen Aufenthalt in rom. Als Arturo Toscanini 1938 in einem im rundfunk übertragenen Konzert den Essay for Orchestra und das Adagio for Strings aufführte, erlangte Barber landesweite Berühmtheit und internatio-nale Anerkennung. Ab 1939 entstanden beinahe alle Kompositionen als Auftrag für bestimmte Orchester oder Interpreten wie zum Bei-spiel Vladimir Horowitz. Barbers Musik wurde in aller Welt aufge-führt und er selbst mit hohen Auszeichnungen geehrt. Wenig Glück hatte Barber indessen mit seinen beiden Opern. Vanessa, uraufge-führt 1958 an der Metropolitan Opera in New York, wurde zwar günstig aufgenommen, konnte sich aber nicht im Spielplan behaup-ten. Die Premiere von Antony and Cleopatra acht Jahre später wurde zu einem regelrechten Desaster, das Barber tief enttäuschte. Die überla-dene Inszenierung wurde von der Kritik zerrissen, Barbers Musik als wenig inspiriert beurteilt. Einer Neufassung, an der der Komponist lange arbeitete, war ebenfalls kein durchschlagender Erfolg beschie-

den. Barber starb am 23. Januar 1981 in New York.

Seine amerikanische Zeit brachte eine bedeutsame stilistische Neuorientierung. Angeregt von der Musik der Nachkriegsgeneration setzte sich Strawinsky in den 1950er Jahren mit der Musik Anton We-berns auseinander und adaptierte auf wiederum hoch individuelle Weise serielle Techniken. Als über Siebzigjähriger galt Strawinsky so gleichzeitig als »Klassiker der Moderne«, dessen Werke aus früheren Phasen bei den Konzerten repräsentativer großer Orchester gespielt wurden, und als Avantgardist, der bei den Spezialfestivals für die Musik der Gegenwart aufgeführt wurde und damit fast als Angehö-riger der jüngsten Komponistengeneration erschien. Als letztes grö-ßeres Werk entstanden 1965/66 die Requiem Canticles. Strawinsky

starb am 6. April 1971 in New York.

S A M u E l B A r B E r

Samuel Barber (1910–1981) ist eine wie aus der Zeit gefallene Er-scheinung. Denn als Generationsgenosse von avantgardistischen Komponisten wie Elliott Carter und John Cage hielt er unbeirrt an den Ausdrucksmitteln und Formen der Spätromantik fest, in denen er sein Talent zu lyrischer Kantabilität am besten entfalten konnte. Seinen schöpferischen Weg beschritt Barber mit bemerkenswerter Unabhängigkeit, großer Ernsthaftigkeit und Konsequenz. In Wer-ken wie dem Violinkonzert oder dem Streichquartett, dessen für Streichorchester bearbeiteter zweiter Satz als Adagio for Strings weit über die Grenzen des Konzertsaales hinaus bekannt geworden ist, ist ihm eine Musik von unverstellter Direktheit und expressiver Kraft

gelungen.Samuel Barber wurde am 9. März 1910 in West Chester, einer

Kleinstadt in der Nähe von Philadelphia an der amerikanischen Ost-küste, geboren. Musik war in der Familie, in der er aufwuchs, allge-genwärtig. Die wichtigste musikalische Bezugsperson für Barber war sein Onkel Sidney Homer, der vor allem als Komponist von Liedern bekannt geworden ist. Schon in der Kindheit zeichnete sich Barbers schöpferisches Talent ab. Mit 14 Jahren begann er, das neu gegründe-te Curtis Institute in Philadelphia zu besuchen, wo er eine umfassen-de Ausbildung erhielt und Gesang, Klavier und Komposition studier-te. Am Curtis Institute traf er auch auf den ein Jahr jüngeren, in Italien geborenen Gian Carlo Menotti, selbst ein zukünftiger Kompo-nist, der zu Barbers Librettisten, engstem Mitarbeiter und auch zu

seinem Lebensgefährten werden sollte.1931, im Alter von 21 Jahren, schuf er die Ouvertüre The School for

Scandal und das groß angelegte Lied Dover Beach. Beide Werke sind ge-

Musikfest Berlin 2012

29.28.

4. September

E d g A r d v A r è S E

In seiner radikalen Suche nach neuen Klängen ist Edgard Varèse eine der Leitfiguren der Neuen Musik. Sein überliefertes Schaffen ist schmal, vieles ging verloren oder blieb unvollendet. In den abge-schlossenen Werken ist seine kompositorische Handschrift unver-kennbar. Es geht in ihnen um die Entfaltung von Klang – also nicht um Melodien, Themen oder Formen. Stattdessen arbeitet Varèse mit weit gespannten, scharf dissonanten Klangkomplexen von einer ei-gentümlichen Statik, die gleichsam wie eine sich drehende Skulptur aus verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachtet werden. Fast alle Stücke gehen von einem sehr einprägsamen, oft signalartigen An-fangsmotiv aus, das mehrfach wiederkehrt. Ein weiteres Kennzei-chen seiner Musik ist ihre rhythmische Komplexität und die große Bedeutung, die dem Schlagzeug zukommt. Varèse ist denn auch ei-ner der ersten Komponisten gewesen, die ein reines Schlagzeugstück geschaffen haben. Nicht zuletzt war Edgard Varèse auch ein Pionier

der elektronischen Musik.Varèses Leben war unstet. Häufig zog er um, lebte abwechselnd

in Europa und in den Vereinigten Staaten und war viel auf reisen. Geboren wurde Edgard Varèse am 21. Dezember 1883 in Paris. Als er neuen Jahre als war, zog die Familie nach Turin, wo Varèse um 1900 Unterricht in Musiktheorie erhielt. Gegen den Willen des Vaters, der für Varèse ein naturwissenschaftliches Studium und eine Laufbahn im Wirtschaftsleben vorgesehen hatte, kehrte er im Sommer 1904 selbstständig nach Paris zurück. Er nahm Studien an der Schola Can-torum und am Conservatoire auf, beendete diese jedoch nicht, und zog im November 1907 nach Berlin. Hier kam es zu einem regen Ge-dankenaustausch mit Ferruccio Busoni, dessen Schriften Varèse be-eindruckt hatten, und, vermittelt durch richard Strauss, auch zur Uraufführung einer symphonischen Dichtung Varèses, die er später aber vernichtete. Seine anderen Frühwerke wurden 1919 bei einem Lagerhausbrand zerstört. Nach einem erfolglosen Versuch, sich in Pa-ris als Dirigent zu etablieren, schiffte sich Varèse Ende 1915 nach New York ein. Hier machte er sich als Dirigent und Organisator des Mu-siklebens einen Namen und hier fand er auch zu eigenem Schaffen. 1918 entstand sein Orchesterwerk Amériques, das zunächst unaufge-führt blieb. Zwischen 1922 und 1925 brachte er dann aber etwa im Jahresrhythmus vier neue Werke für verschieden besetzte Kammer-ensembles zur Uraufführung. 1926 und 1927 hob Leopold Stokowski in Philadelphia auch die beiden großen Orchesterwerke Amériques und Arcana aus der Taufe. Beflügelt von diesen Erfolgen begab sich Varèse 1928 nach Paris, um sich und sein Schaffen auch in Europa

durchsetzen. Letztlich zerschlugen sich aber alle seine Vorhaben und Pläne, so dass er im Sommer 1933 nach New York zurückkehrte. Hier hatte kurz zuvor schon Ionisation für die ganz neuartige Besetzung mit einem reinen Schlagzeugensemble seine Premiere gehabt. Ionisa-tion wurde zum größten Erfolg Varèses, vielfach aufgeführt und be-reits 1934 unter Beteiligung des Komponisten auf Schallplatte einge-

spielt.Mitte der 1930er Jahre, auf der Höhe des Erfolges stehend, trat

ein entscheidender Bruch in Varèses Leben ein. Seit langem schon hatte er versucht, Unterstützung öffentlicher und privater Stellen für die Forschung an den praktischen Möglichkeiten elektronischer Mu-sik zu gewinnen. Trotz ermutigender Vorzeichen musste er aber das endgültige Scheitern aller Vorhaben hinnehmen, die für ihn zentrale künstlerische Bedeutung besaßen. Frustriert zerstörte er weite Teile einer begonnenen Komposition und versank in tiefe Depression. Er nahm die Arbeit an dem begonnenen Stück zwar später wieder auf, kam aber über Fragmente nicht hinaus und konnte lange Zeit auch keine andere Komposition beenden. Stattdessen wandte sich Varèse

der Lehre zu, hielt Vorträge und leitete einen Chor.Nach Ende des Zweiten Weltkriegs nahm das Interesse an seinen

Werken allmählich zu und Varèse widmete sich wieder einer neuen Komposition, Déserts. Er schuf zunächst Teile für Kammerensemble und fügte später auf Tonband aufgenommene Klänge ein, unter an-derem Umwelt- und Fabrikgeräusche. Das letzte große Projekt Varè-ses war die elektronische Komposition Poème eléctronique für den spek-takulären Philips-Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel 1958.

Der Komponist starb am 6. November 1962 in New York.

igor ST r Aw i NSk Y und EdgA r d vA r èSE 1960

Musikfest Berlin 2012

31.30.

S E r g E i l E i F E r k u S

Der russische Bariton Sergei Leiferkus wur-de 1946 in Leningrad, heute St. Petersburg, ge-boren, wo er studierte und auch seine ersten Engagements erhielt. Von 1972 an war Sergei Leiferkus für sechs Jahre Mitglied im Ensemb-le des heutigen Michailowski-Theaters, ab 1977 sang er am Mariinski-Theater. 1980 folgte das Debüt des Sängers im Westen, diesmal nicht auf der Opernbühne, sondern im Konzertsaal mit den Berliner Philharmonikern unter Kurt Masur. Seitdem ist Sergei Leiferkus an den füh-renden Opernhäusern von der Mailänder Scala über die New Yorker Metropolitan Opera bis zum royal Opera House Covent Garden in Lon-don aufgetreten, hat Einladungen von Spit-zenorchestern aus aller Welt erhalten und un-ter der Leitung von Dirigenten wie Claudio Abbado, Valery Gergiev und Zubin Mehta ge-sungen. Der Bariton verfügt über ein immen-ses repertoire, das auf der Opernbühne große Wagner- und Verdipartien ebenso umfasst wie Mozarts Don Giovanni oder im russischen Fach Eugen Onegin und Prinz Igor. Besondere Erfolge hat Sergei Leiferkus als Konzertsänger feiern können, insbesondere mit Werken russischer Komponisten wie Modest Mussorgsky (Lieder

und Tänze des Todes) und Dmitri Schostako-witsch (Symphonien Nr. 13 und 14). Der Bariton hat an zahlreichen CD-Produktionen großer Labels mitgewirkt und dafür wichtige Aus-

zeichnungen erhalten.

S i M o N h A l S E Y

Simon Halsey, geboren 1958 in London, ist seit mehr als 25 Jahren Leiter des City of Bir-mingham Symphony Chorus, seit der damalige Chefdirigent des City of Birmingham Sympho-ny Orchestras, Sir Simon rattle, den jungen Musiker 1982 mit dieser Aufgabe betraute. Im Jahr 2001 übernahm Halsey zusätzlich die künstlerische Leitung des rundfunkchors Ber-lin. Vom August 2012 an wird er außerdem eng mit dem London Symphony Orchestra zusam-menarbeiten und den London Symphony Cho-rus leiten. In Birmingham, London und Berlin widmet sich Simon Halsey dabei mit Nach-druck auch der Jugendarbeit und setzt in die-sem Bereich neue programmatische Akzente. Er hat an zahlreichen CD-Einspielungen mit-gewirkt mit dem rundfunkchor Berlin 2008,

2009 und 2011 den Grammy erhalten.

Interpreten

SErgEi lEi FEr k uS

Si MoN h A l SEY

M A r i S S j A N S o N S

Für Mariss Jansons, der durch Herbert von Karajan entscheidend gefördert wurde, hat die Stadt Berlin eine besondere Bedeutung. Gern und regelmäßig ist er hier zu Gast und wieder-holt hat er in den vergangenen Jahren die Einla-dung des Musikfest Berlin angenommen. Von ihm geleitete Aufführungen, gleich mit wel-chem Klangkörper, versprechen große Konzert-ereignisse und finden enthusiastische Aufnah-

me bei Publikum und Kritik.Der 1943 in der lettischen Hauptstadt riga

geborene und in der Sowjetunion aufgewachse-ne Sohn des Dirigenten Arvid Jansons studierte Violine, Klavier und Dirigieren am Leningrader Konservatorium. 1969 setzte er seine Ausbil-dung in Wien bei Hans Swarowsky fort und empfing dann wesentliche Impulse durch Her-bert von Karajan in Salzburg. Zwei Jahre später gewann er den ersten Preis im internationalen Herbert-von-Karajan-Wettbewerb in Berlin und wurde im gleichen Jahr von Jewgenij Mra-winsky als Assistent zu den Leningrader Phil-harmonikern (den heutigen St. Petersburger Philharmonikern) geholt. Diesem Orchester, mit dem er weltweit Konzertreisen unternahm, blieb Jansons als ständiger Dirigent beinahe

dreißig Jahre lang, bis 1999, treu. Eine dauer-hafte und intensive Arbeitsbeziehung, wie sie ihn mit diesem Orchester verbindet, ist für Jan-sons’ Auffassung von den Aufgaben eines Diri-genten charakteristisch. Gleich zweimal gelang ihm so auch das Kunststück, kaum bekannte Orchester zu einem weltweit geachteten Klang-körper umzuformen: mit dem Oslo Philharmo-nic Orchestra, dessen Chefdirigent er über zwanzig Jahre lang war (1979 bis 2000), und mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra, das er

von 1997 bis 2004 leitete.Mit der Saison 2003/2004 verlegte Mariss

Jansons den Schwerpunkt seiner künstleri-schen Arbeit nach Europa. Er wurde Chefdiri-gent von Symphonieorchester und Chor des Bayerischen rundfunks in München – diesen Vertrag hat er vor kurzem bis zum Jahr 2015 verlängert – und folgte außerdem 2004 riccar-do Chailly als bisher sechster Chefdirigent des Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam. Darüber hinaus hat er als Gastdirigent mit al-len bedeutenden Orchestern der Welt zusam-mengearbeitet. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die Wiener und Berliner Philhar-moniker ein: Diese Orchester dirigiert Mariss Jansons regelmäßig in Wien und Berlin, aber auch auf Tourneen durch Europa, die USA und

Japan.In seiner langen Karriere hat Mariss Jansons

mit verschiedenen Orchestern und für unter-schiedliche Labels zahlreiche Werke einge-spielt. Seine Aufnahmen wie der über eine lan-ge Zeit und mit verschiedenen Orchestern realisierte Zyklus aller Symphonien von Dmitri Schostakowitsch wurden vielfach preisgekrönt. Für sein Wirken hat der Dirigent international bedeutende Auszeichnungen und Ehrungen er-

halten.

M A r iSS jA NSoNS Foto Marco Borggreve

Musikfest Berlin 2012

33.32.

r u N d F u N k C h o r B E r l i N

Der rundfunkchor Berlin wurde 1925 als Berliner Funkchor gegründet und ist der ältes-te rundfunkchor Deutschlands. Er gehört zu den wenigen vollständig professionell agieren-den Chorvereinigungen von internationalem renommee. Seine 64 Mitglieder bestreiten im Jahr etwa 50 Konzerte, teils A-capella-Konzer-te, teils in Zusammenarbeit mit führenden Or-chestern und Dirigenten. Dabei musizierte der rundfunkchor Berlin unter der Leitung einer beeindruckenden Vielzahl an großen Dirigen-ten; nach 1945 fehlt kaum ein Name von Promi-nenz auf seiner Dirigentenliste. Insbesondere aus dem Berliner Musikleben ist der rund-funkchor Berlin auch als Partner für gemeinsa-me Konzerte nicht wegzudenken. Intensive und langjährige Partnerschaften verbinden ihn mit den Berliner Philharmonikern, dem Deut-schen Symphonie-Orchester und dem rund-funk-Sinfonieorchester Berlin und seinen Chef-dirigenten. Dabei pflegt der rundfunkchor Berlin ein repertoire, das von der renaissance bis zur Gegenwart reicht. Seit seiner Gründung hat der Chor eine Vielzahl von Erst- und Urauf-führungen gestaltet. Neben seiner Konzerttä-tigkeit bilden CD- und rundfunkaufnahmen einen wichtigen Teil der künstlerischen Arbeit des Chores. Zahlreiche Schallplattenpreise wie 2011 ein Grammy für die Ersteinspielung von Kaija Saariahos Oper L’Amour de loin bezeugen die allgemeine Wertschätzung und die künstle-

rische Stellung des rundfunkchor Berlin.

BesetzungSopran: Nora von Billerbeck,

Anne Bretschneider, Judith Engel, KatrinFischer, Catherine Hense, Lotta Hultmark,

Petra Leipert, Gesine Nowakowski, Melinda Parsons, Heike Peetz, Sabine Puhlmann,

Gina Sarabinski, Sylke Schwab, Uta Schwarze, Anett Taube, Beate Thiemann,

Aline Vogt, Anke Voigt, ricarda Vollprecht, Isabelle Voßkühler, Gabriele Willert

Alt: Stefanie Blumenschein, roksolana Chraniuk, Uta Damm-Kühner, Monika Degenhardt, Sabine Eyer, Sibylle Juling,

Ute Kehrer, Ingrid Lizzio, Kristiina Mäkimattila, Ines Muschka, Bettina Pieck, Maria Schlestein, Christina Seifert, Judith

Simonis, Tatjana Sotin, Sigrid Wiedemann, Tiina Zahn, Doris Zucker

Tenor: Peter Ewald, robert Franke, Mathis Gronemeyer, Friedemann Hecht,

Jens Horenburg, Thomas Kober, Johannes Klügling, Niels Kruse, Christoph

Leonhardt, Ulrich Löns, Holger Marks, Seongju Oh, Jan remmers, Norbert Sänger,

Sebastian Schade, Hartmut Schröder, Johannes Spranger, Georg Taube

Bass: Sören von Billerbeck, Wolfgang Dersch, Joachim Fiedler, Kevin Gagnon,

Oliver Gawlik, Sascha Glintenkamp, Young Wook Kim, Hanno Kreft, Thomas Pfützner,

Jörg Schneider, rainer Schnös, Volker Schwarz, Wilfried Staufenbiel, David Stingl,

Wolfram Teßmer, Michael Timm, rené Voßkühler, Georg Witt

Interpreten

k o N i N k l i j k C o N C E r T g E B o u w o r k E S T

A M S T E r d A M

In der kommenden Konzertsaison feiert das Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam ein besonderes Jubiläum und begeht seinen 125. Geburtstag. Es wurde 1888 gegründet und ist seitdem in dem Gebäude untergebracht, von dem sich sein Name herleitet, dem im selben Jahr eröffneten Concertgebouw in Amsterdam. Der Saal des Concertgebouws ist berühmt we-gen seiner außerordentlich guten Akustik und gilt als eine der besten Spielstätten überhaupt. Zum hundertjährigen Jubiläum wurde dem Or-chester von Königin Beatrix der Titel »König-lich« verliehen. In den vergangenen Jahren war das Concertgebouworkest regelmäßig mit be-eindruckenden Konzerten im rahmen des

Musikfest Berlin zu erleben.Einen wesentlichen Anteil an den künstleri-

schen Leistungen des Orchesters hat die kontinuierliche Zusammenarbeit mit ihren Chefdirigenten. In der langen Geschichte des Concertgebouworkest ist diese Position über-haupt erst sechsmal besetzt worden. Unter die-sen Dirigenten kommt Willem Mengelberg eine besondere Stellung zu. Mengelberg leitete das Orchester von 1895 bis 1945 und führte es zu Interpretationen von einzigartiger Freiheit und Ausdruckskraft. Sein Einsatz für die Mu-sik Gustav Mahlers, der das Concertgebouwor-kest auch oft selbst dirigiert hat, war in der da-maligen Zeit ohne Parallele und begründete die besondere Mahler-Tradition des Orchesters, die von allen späteren Chefdirigenten weiterge-führt wurde. Ebenfalls ungewöhnlich lang war die von 1963 bis 1988 währende Amtszeit von Bernard Haitink, der 1999 zum Ehrendirigen-ten des Concertgebouworkest ernannt wurde und nunmehr als Gast häufig am Dirigenten-pult steht. Die Berufung von Mariss Jansons im Jahr 2004 zum Nachfolger des von 1988 an am-tierenden Chefdirigenten riccardo Chailly hat sich als außerordentlich glückliche Wahl erwie-

sen. Die große Tradition des Klangkörpers pfle-gend und bewahrend hat er durch seinen Ein-satz für Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Dmitri Schostakowitsch und für die Neue Mu-sik dem Concertgebouworkest kräftige neue

Impulse gegeben.Die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen

Komponisten ist fester Bestandteil der Arbeit des Orchesters. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts standen richard Strauss, Gus-tav Mahler, Claude Debussy und Igor Strawins-ky wiederholt am Pult des Orchesters und Grö-ßen wie Sergei rachmaninow, Béla Bartók und Sergei Prokofjew traten als Solisten ihrer eige-nen Werke auf. In jüngerer Zeit wurde diese Tradition von Komponisten wie Bruno Mader-na, Luciano Berio, George Benjamin, Oliver Knussen, Tan Dun, Thomas Adès und John

Adams fortgeführt.In seiner langen Geschichte haben viele gro-

ße Dirigenten am Pult des Concertgebouwor-kests gestanden. Von Arthur Nikisch über Bru-no Walter, Otto Klemperer, Herbert von Karajan und Carlos Kleiber bis zu Kurt Masur, Carlo Maria Giulini und Zubin Mehta fehlt so gut wie kein Maestro von internationalem rang in der Liste der Gastdirigenten. Hervor-zuheben ist dabei in jüngerer Zeit der Beitrag von Nikolaus Harnoncourt, den das Orchester zu seinem Ehrengastdirigenten ernannt hat und dessen Interpretationen und Aufnahmen der Werke Mozarts und Haydns als wegwei-send gelten. Das Spiel des Concertgebouwor-kest ist auf annähernd 1100 Tonträgern doku-mentiert, von denen viele internationale Auszeichnungen erhalten haben. Seit 2004 sind Mitschnitte seiner Konzerte auch auf dem hier-für gegründeten orchestereigenen Label rCO

Live erhältlich.

Das Concertgebouworkest wird großzügig unterstützt von ING Group und Unilever.

ru N dFu N kChor BEr li N Foto Matthias heyde

Musikfest Berlin 2012

35.34.

Interpreten

Chief Conductor Mariss Jansons

Conductor Emeritus riccardo Chailly

Conductor Laureate Bernard Haitink

Honorary Guest Conductor Nikolaus Harnoncourt

Besetzung

Violine I: *Vesko Eschkenazy (Leader), *Liviu Prunaru (Leader), Tjeerd Top,

Marijn Mijnders, Ursula Schoch, Marleen Asberg, Keiko Iwata-Takahashi,

robert Waterman, Janke Tamminga, Tomoko Kurita, Henriëtte Luytjes,

Borika van den Booren, Marc Daniel van Biemen, Christian van Eggelen,

Mirte de Kok, Junko Naito, Benjamin Peled, Nienke van rijn, Valentina Svyatlovskaya,

Michael Waterman

Violine II: *Henk rubingh, Caroline Strumphler, Susanne Jaspers, Josef Malkin, Anna de Vey Mestdagh,

Paul Peter Spiering, Petra van de Vlasakker, Herre Halbertsma, Marc de Groot,

Arndt Auhagen, Sanne Hunfeld, Jane Piper, Eke van Spiegel,

Annebeth Webb, Joanna Westers

Viola: *Ken Hakii, Michael Gieler, Saeko Oguma, roland Krämer,

Guus Jeukendrup, Jeroen Quint, Pieter roosenschoon, Eva Smit,

Eric van der Wel, Yoko Kanamaru, Edith van Moergastel, Vincent Peters,

Jeroen Woudstra

Violoncello: *Gregor Horsch, Johan van Iersel, Fred Edelen, Benedikt Enzler, Yke Viersen, Arthur Oomens, Daniël Esser, Sophie Adam, Chris van Balen,

Jérôme Fruchart, Christian Hacker, Julia Tom

Kontrabass: *Dominic Seldis, Thomas Brændstrup, Jan Wolfs, Mariëtta Feltkamp, Carol Harte,

rob Dirksen, Georgina Poad, Olivier Thiery

Flöte: *Emily Beynon, *Kersten McCall, Julie Moulin, Mariya Semotyuk-Schlaffke

Piccoloflöte: Vincent Cortvrint

Oboe: *Lucas Macías Navarro, *Alexei Ogrintchouk, Nicoline Alt,

Jan Kouwenhoven

Englishhorn: Miriam Pastor Burgos

Klarinette: *Jacques Meertens, *Andreas Sundén, Hein Wiedijk

Es-Klarinette: Arno Piters

Bassklarinette: Davide Lattuada

Fagott: *ronald Karten, *Gustavo Núñez, Helma van den Brink, Jos de Lange

Kontrafagott: Simon Van Holen

Horn: *Laurens Woudenberg, Peter Steinmann, Sharon St. Onge,

Fons Verspaandonk, Jaap van der Vliet, Paulien Weierink-Goossen

Trompete: * Giuliano Sommerhalder, Hans Alting, Bert Langenkamp,

Wim Van Hasselt

koN i N k li j k CoNCErTgEBou wor k EST A MST Er dA M Foto Simon van Boxtel

Posaune: *Bart Claessens, *Jörgen van rijen, Nico Schippers

Tenor-/Bass-Posaune: Martin Schippers

Bass-Posaune: raymond Munnecom

Tuba: *Perry Hoogendijk

Pauken: *Marinus Komst, *Nick Woud

Schlagzeug: Mark Braafhart, Gustavo Gimeno, Herman rieken

Harfe: *Petra van der Heide, Gerda Ockers

*Principal player

Staff on tourManaging Director Jan raes

Director of Artistic Administration Joel Ethan Fried

Manager Planning & Production Frauke BerndsManager PR & Press Anne Christin Erbe

Tour Manager Else BroekmanAssistant Tour Manager Manon Wagenmakers

Personnel Manager Harriët van Uden, Peter Tollenaar

Librarian Douwe ZuidemaStage Manager Jan Ummels

Stage Hand Johan van Maaren, Ton van der Meer

Musikfest Berlin 2012

m e d I e n p A r t n e r

p A r t n e r

m u S I k f e S t b e r l I n

Künstlerische Leitung Dr . W i n r ich hoPPorganisationsleitung A n K e BucK en t i norganisation ch LoË r ich A r DSon, i nA St effA n

p r o g r A m m h e f t

redaktion Ber n D K rügerKomponisten- und Künstlerbiographien Dr . VoLK er rü LK eMitarbeit J u Li A n e K Au Lgrafisches Konzept St u Dio cr r, Zü r ichgesamtherstellung M eDi A LiS offSet DrucK gM Bh, Ber Li n © 2012 Berliner festspiele und Autoren

V e r A n S t A l t e r

Berliner festspieleein geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen

des Bundes in Berlin gmbhgefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung

für Kultur und Medienin Zusammenarbeit mit der Stiftung

Berliner Philharmoniker

intendant Dr . t hoM AS oBer en DerKaufmännischegeschäftsführung ch A r Lot t e Si eBen