Arnold Schönberg PIERROT LUNAIRE · 2020-03-12 · 8 9 „Die durch fanatische Anhänger und...

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Arnold Schönberg PIERROT LUNAIRE Oscar Jockel LOB DES SCHATTENS Uraufführung Montag, 22. Jänner 2018 Dienstag, 23. Jänner 2018 19.00 Uhr Großes Studio Universität Mozarteum Mirabellplatz 1

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Arnold SchönbergPIERROT LUNAIRE

Oscar JockelLOB DES SCHATTENS

Uraufführung

Montag, 22. Jänner 2018Dienstag, 23. Jänner 2018

19.00 UhrGroßes Studio

Universität MozarteumMirabellplatz 1

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ARNOLD SCHÖNBERG: PIERROT LUNAIRE, OP. 21Drei mal sieben Gedichte aus Albert Girauds Pierrot lunairefür Stimme und fünf Instrumente

Karina BenalcázarChi-An ChenDi GuanWendy KrikkenFelix MischitzZsofia MozerDomenica RadlmaierMariya Taniguchi

1. Mondestrunken (Wendy Krikken)2. Columbine (Wendy Krikken)3. Der Dandy (Di Guan)4. Eine blasse Wäscherin (Felix Mischitz)5. Valse de Chopin (Mariya Taniguchi)6. Madonna (Mariya Taniguchi)7. Der kranke Mond (Ensemble)8. Nacht (Chi-An Chen)9. Gebet an Pierrot (Chi-An Chen)10. Raub (Karina Benalcázar)11. Rote Messe (Domenica Radlmaier)12. Galgenlied (Felix Mischitz)13. Enthauptung (Felix Mischitz)14. Die Kreuze (Ensemble)15. Heimweh (Di Guan)16. Gemeinheit (Di Guan)17. Parodie (Domenica Radlmaier)18. Mondfleck (Karina Benalcázar)19. Serenade (Zsofia Mozer)20. Heimfahrt (Zsofia Mozer)21. O alter Duft (Zsofia Mozer)

OSCAR JOCKEL: LOB DES SCHATTENSfür SängerInnen, fünf Instrumente und Elektronik Uraufführung

Chi-An Chen, MönchKarina Benalcázar, StatueFelix Mischitz, TennoReba Evans, GeishaWendy Krikken, KogoMariya Taniguchi, Schatten

Musikalische Leitung Kai RöhrigSzenische Leitung Karoline GruberBühne, Video- und Lichtarchitektur Conny ZenkDramaturgie Ronny DietrichMusikalische Assistenz Wolfgang NiessnerMusikalische Einstudierung Julia Antonowitsch, Chariklia Apostolu, Stefan Müller, Wolfgang NiessnerCoaching Sprechgesang Gertraud Steinkogler-WurzingerRegieassistenz Agnieszka LisRegiehospitanz Sarah BröterSprachbetreuung Deutsch: Ulrike Arp Japanisch: Michiko WatanabeSzenische Bewegung Maria GruberMaske Jutta Martens

Bühnentechnik:Technische Leitung Andreas Greiml, Thomas HofmüllerLichtgestaltung Alexander LährmWerkstatt, Bühnen-, Beleuchtungs-, Anna RamsauerVideo-, Tontechnik Michael Becke, Sebastian Brandstätter, Christian Fimberger, Jan Fredrich, Alexander Gollwitzer, Markus Graf, Peter Hawlik, Mattia Meier, Markus Raab, Martin Schwarz, Felix Stanzer, Elena Wagner, Robert WaschkeÜbertitel Alexandra Raszynska

NAMES Ensemble (New Art And Music Ensemble Salzburg):Anna Lindenbaum, Violine/ViolaLeo Morello, VioloncelloMarina Iglesias Gonzalo, FlöteMarco Sala, KlarinetteMatthias Leboucher, Klavier (Jockel)Julia Antonowitsch, Klavier a.G. (Schönberg)

Die Aufführung von Pierrot lunaire erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Universal Edition AG, Wien

Lob des Schattens ist ein Auftragswerk des Departments für Oper und Musiktheater der Universität Mozarteum Salzburg

Mit freundlicher Unterstützung von: HRSM-Projekt „Werkstatt-Akademie für Neue Musik“

Keine Pause, Aufführungsdauer ca. 80 Minuten

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Liebster Freund, meine herzlichsten Wünsche für Weihnachten 1916. Es ist banal zu sagen, dass wir alle solche mondsüchtigen Wursteln sind; das meint ja der Dichter, dass wir eingebildete Mondflecke von unseren Kleidern abzuwischen uns bemühen und aber unsere Kreuze anbeten. Seien wir froh dass wir Wunden haben: Wir haben damit etwas, was uns hilft die Materie gering zu schätzen. Von der Verachtung für unsere Wunden stammt die Verachtung für unsere Feinde, stammt unsere Kraft, unsere Leben einem Mondstrahl zu opfern. Man wird leicht pathetisch, wenn man an die Pierrot-Dichtung denkt.

Arnold Schönberg an Alexander Zemlinsky, Widmung zur Pierrot-Partitur. Dezember 1916

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In der rund 100jährigen Interpretationsgeschichte von Arnold Schönbergs Pierrot lunaire sind über konzertante Aufführungen hinaus immer wieder szenische Lösungen gefunden worden, auch wenn der Komponist im Vorwort der Partitur schreibt: „Niemals haben die Ausführenden hier die Aufgabe, aus dem Sinn der Worte die Stimmung und den Charakter der einzelnen Stücke zu gestalten, sondern stets lediglich aus der Musik.“ Zu verlockend sind die Deutungsmöglichkeiten, die sich gerade aus der so unterschiedlichen Verbindung von Sprache und Musik ergeben. Das Besondere an der Neudeutung durch das Department für Oper und Musiktheater des Mozarteums ist die Idee, den Zyklus nicht mit nur einer Interpretin aufzuführen, sondern die 21 Miniaturen auf acht verschiedene Darstellerinnen und Darsteller aufzuteilen. Standen bei dieser Zuordnung zunächst vokaltechnische Aspekte im Vordergrund, so ergaben sich daraus zugleich auch Vorgaben für die szenische Realisierung, die die Regisseurin Karoline Gruber gemeinsam mit den Studierenden entwickelte. Anders jedoch als bei Schönberg, der für sich in Anspruch nahm, viele „meiner Lieder, berauscht von dem Anfangsklang der ersten Textworte, ohne mich auch nur im geringsten um den weiteren Verlauf der poetischen Vorgänge zu kümmern, ja ohne diese im Taumel des Komponierens auch nur im geringsten zu erfassen, zu Ende geschrieben“ zu haben, stand bei dieser Arbeit die genaue Analyse der Texte am Anfang. Und diese ergab vorher nicht vermutete vielfältige Verbindungen zu den Haikus der Oper Lob des Schattens, die Oscar Jockel seinen sechs, japanischen Mythen und Legenden abgelauschten Figuren beigab. Darüber hinaus zeigen sich die beiden Werke des heutigen Abends, die ohne Unterbrechung ineinander übergehend inszeniert sind, in ihrer dreiteiligen Form verwandt wie auch in der Verwendung der gleichen Instrumente. Die drei mal sieben Gedichte des Pierrot lunaire von Albert Giraud in der deutschen Übertragung von Otto Erich Hartleben folgen ebenso wie die japanischen Haikus einem strengen und stets gleichbleibenden Versschema. Vor allem aber ermöglichen beide Formen eine ungeheure Bandbreite an Assoziationen und sich daraus ergebende Deutungen. Darüber hinaus eröffneten sich sogar inhaltliche Parallelen, etwa zwischen dem Haiku des Tenno (Kaisers) und dem Lied Raub in Schönbergs Zyklus.Werden Girauds symbolistische Dichtungen in der Literatur oft negativ eingeschätzt, gar als Episoden ohne tieferen Sinn abgetan, enthüllten sie in der gemeinsamen Interpretationsarbeit eine erstaunliche Fokussierung auf die unterschiedlichen Aspekte der titelgebenden Figur. Mitgedacht sind dabei sowohl die unterschiedlichen Charakterisierungen, mit der diese somnambulen Fantasiegestalt mit ihrem traditionell weiß geschminkten Gesicht im Laufe ihrer Geschichte belegt wurde, wie auch die dadurch ausgelösten Emotionen, die sich durch die szenischen Konstellationen herauskristallisierten. Und ein weiterer Aspekt, die der Pierrot als eine Bühnenfigur nahelegt, wurde zunehmend wichtig: die Selbstreflektion als KünstlerInnen. So entstand aus Schönbergs Pierrot in der szenischen Umsetzung ein durchgehender, von Mondlicht erfüllter Bilderbogen über Künstlerfreud und -leid, in der auch die umstrittene Position Schönbergs insofern mitreflektiert wird, als dass er am Ende gewissermaßen erlösend eingreift: Im letzten Lied, O alter Duft aus Märchenzeit, kehrte der Komponist stellenweise zur Tonalität zurück.

Ronny Dietrich

ZUM HEUTIGEN ABEND

Lob des Schattens beginnt mit einem langen Prolog, aus dem heraus fünf Räume entstehen, die sich analog zu den fünf Charakteren etablieren. Dabei verändern die Räume aus Licht ihre Architektur bezugnehmend auf die Beziehungen zwischen den Charakteren. Es entstehen Wiederholungen, Referenzen und Überlagerungen. Gleichzeitig spielt die Projektion im Raum mit sinnlicher Wahrnehmung: die projizierten Lichtstrahlen treffen direkt auf die Körper der SängerInnen, aber auch auf die des Publikums. Es handelt sich um eine ephemere, kaum greifbare, aber spürbare Lichtarchitektur, die über die Positionierungen der ZuschauerInnen im Raum ganz unterschiedlich auf das Publikum einwirkt. Die Perspektive bestimmt in diesem Fall die Wahrnehmung, das Publikum befindet sich gemeinsam mit den SängerInnen und dem Ensemble auf der gleichen Ebene. Dadurch befinden sich alle in einem gemeinsamen Raum aus Projektion, denn die Lichtarchitektur hat bestimmte Blickrichtungen, die nur im Gegenlicht sichtbar werden. Die visuelle Komposition orientiert sich streng an der elektronischen Musik sowie an der Partitur, welche die grundlegenden Cues vorgibt. In der Live-Komposition ergibt sich die Möglichkeit in Echtzeit bzw. im Moment direkt auf das Geschehen auf der Bühne zu reagieren, mit den SängerInnen und dem Ensemble in visuelle Interaktion zu treten. Diese Bezugnahme und Live-Improvisation soll das bereits etablierte Gefüge von Musik und Gesang mittels Video und Lichtarchitektur ergänzen oder erweitern.

Die Bühne und inszenierten Lichtarchitekturen für Pierrot lunaire und Lob des Schattens sind in ihrer visuellen Übersetzung künstlerisch sowie technisch ganz unterschiedlich aufgebaut, dennoch lässt sich der Raum aus Projektion und Licht als Gesamtkonzept wahrnehmen und schafft dadurch einen Dialog und fließenden Übergang zwischen den beiden Stücken.

Dabei war die japanische Oper Lob des Schattens von Oscar Jockel die inhaltliche und ästhetische Inspiration für das Stück Pierrot lunaire von Arnold Schönberg. Die fahrbaren Objekte im Raum, welche bei Pierrot lunaire nicht nur als Requisiten, sondern auch als Leinwände für Projektionen dienen, verweisen auf die räumliche Durchdringung der Lichtstrahlen, die im zweiten Teil als Architektur den Raum bzw. die Bühne erst entstehen lassen. In ihrer Dimension und Form erinnern die Leinwände an japanische Shoji Türen, welche für Pierrot lunaire nicht nur unterschiedliche Räume bzw. Landschaften, sondern auch ein Spiel mit Unsichtbarkeit, Verwandlung und Transformationen bedeuten.

Conny Zenk

BÜHNE UND LICHTARCHITEKTUR ZU LOB DES SCHATTENS UND PIERROT LUNAIRE

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„Die durch fanatische Anhänger und Gegner seiner Kunst gelegentlich der Aufführungen des Pierrot lunaire in Wien hervorgerufenen ruhestörenden Scenen veranlassen Herrn Arnold Schönberg an seine Mitwirkung die Bedingung zu knüpfen, dass ihm absolute Ruhe während der Dauer des Musizierens garantiert wird und das Publikum darauf verzichtet, während der Pausen die Aufnahmefähigkeit zu untergraben.“ (Kaufmännischer Verein Regensburg, 1914)

Arnold Schönberg (1874, Wien - 1951, Los Angeles) Komponist, Schriftsteller, Maler, Lehrer, Theoretiker, Erfinder, Leitfigur der Wiener Schule, Vordenker der Zwölftonmethode, Elementarereignis der neueren Musikgeschichte

Pierrot (17. Jahrhundert, Bergamo) Bühnenfigur der Commedia dell’arte; interkultureller Multimediastar in bildender Kunst, Literatur, Musik und Film; Popularitätshöhepunkt im 19. Jahrhundert; Exzentriker, Melancholiker mit Hang zum Mondlicht, Symbolgestalt für Exaltationen aller Arten

Pierrot lunaire op. 21 (1912, Berlin) Zyklus in drei Teilen (zu je sieben Gedichten) für eine Sprechstimme, Klavier, Flöte (auch Piccolo), Klarinette (auch Bassklarinette), Geige (auch Bratsche) und Violoncello; Spiellänge mit zwei Satzpausen: ca. 45 Minuten; Gründungsdokument der musikalischen Moderne; auch bekannt als „Solarplexus der Musik des frühen 20. Jahrhunderts“ (Igor Stravinsky)

Arnold Schönbergs Pierrot lunaire op. 21, ein Schlüsselwerk der musikalischen Moderne, entstand 1912 in Berlin im Auftrag der Vortragskünstlerin Albertine Zehme. Die Sängerin, Rezitatorin, Stimmbildnerin (sowie ehemalige Schülerin Cosima Wagners) verfolgte in ihren Rezitationen eine höchst eigenwillige Ästhetik, darin sie „dem Ohr seine Stellung fürs Leben zurückerobern“ wollte: „Ich fordre nicht Gedanken-, sondern Tonfreiheit! […] Um unsere Dichter, um unsere Komponisten mitzuteilen, brauchen wir beides, den Gesangs- wie auch den Sprachton. Die unablässige Arbeit nach dem Suchen der letzten Ausdrucks-Möglichkeiten für die ,künstlerischen Erlebnisse im Ton‘ hat mich diese Notwendigkeit gelehrt.“ (Programmheft eines Rezitationsabends mit den Pierrot lunaire-Gedichten von 1911). Diese Suche nach uneingeschränkter „Tonfreiheit“ führte sie folgerichtig zu einem kongenialen Freiheitskämpfer der Klänge: „Ich habe weder einen Grundton, noch sonst einen Ton herausarbeiten müssen; ich durfte jeden der 12 Töne benutzen, mußte mich nicht in das Prokrustes-Bett einer motivischen Phrasierung zwingen, brauchte keine Abschlüsse, Abschnitte und Phrasenanfänge und -enden zu berücksichtigen.“ (Schönbergs Randbemerkung in einem Exemplar von Ferruccio Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, 1916)

PIERROT LUNAIRE

Die freie Übertragung der 1884 erschienenen französischen Gedichtsammlung Pierrot lunaire. Rondels bergamasques von Albert Giraud durch den deutschen Dichter Otto Erich Hartleben beansprucht den Rang eines eigenständigen poetischen Werkes. Hartlebens Übersetzung erschien nach der Erstausgabe 1892 in mehreren Folgeauflagen und lag vor Schönbergs Beschäftigung mit dem Stoff um die alte commedia dell’arte-Figur bereits in einer Reihe von anderen Vertonungen vor. Die narrativ geordnete Textarchitektur und deren Vertonung in einem „spezifisch musikalisch realisierten Formgedanken“ sind auf eine „allegorische Parabel über Künstler und Künstlertum“ fokussiert. Schönbergs Faszination von den Gedichten, die er in ein „farbiges Zwischenreich von Singen und Sprechen“ (Reinhold Brinkmann) mit einem kleinen Ensemble überführte, übte einen enormen Schaffensimpuls auf ihn aus. Die dramaturgische Disposition beruht auf der später Titel gebenden Zahlenordnung 3x7 („Dreimal sieben Gedichte…“), die in der Opuszahl des Werkes eine numerologisch deutbare Entsprechung findet. Von historischem Interesse ist in diesem Zusammenhang auch Schönbergs Inspiration durch den insgesamt 21 Klavierminiaturen umfassenden Zyklus Carnaval op. 9 von Robert Schumann mit den Charakterstücken Pierrot, Arlequin, Chopin, Pantalon et Colombine.

Im I. Teil aus Schönbergs Opus 21 dominiert die Thematik des Künstlers, dessen Gedankenwelt und Schaffensimpulse durch den Mond symbolisiert werden. Der II. Teil senkt sich nach einer „todeskranken“ Eintrübung des Mondlichts tief und tiefer in das Schattenreich des Todes, „der Sonne Glanz“ wurde durch schwarze Riesenfalter als Sendboten der Nacht gelöscht. Die Rote Messe (Nr. 11) kann innerhalb des Liederkreises als Peripetie verstanden werden. Pierrots Heimfahrt nach Bergamo beschließt den an parodistischen Elementen reichen III. Teil. „Trotzdem sie alle grotesk sind, so kann man die drei Theile (nach einigen überwiegenden Nuancen) immerhin mit lyrisch, tragisch und humoristisch überschreiben.“ (Ferruccio Busoni an Egon Petri, 19. Juni 1913)

Pierrot lunaire ist zur Zeit seiner Entstehung ein gattungshistorischer Solitär, der einige Besonderheiten des Zusammenklangs vereint. Eine Sprechstimme und fünf Spieler werden in alternierenden Besetzungen, d. h. in unterschiedlichen Kombinationsvarianten, eingesetzt: Flöte spielt auch Piccolo, Klarinette auch Bassklarinette, Geige auch Bratsche. In Soli, Duos, Trios, Quartetten und Quintetten lässt der Komponist aus diesen Konstellationen einen Kosmos an klanglichen Schattierungen zur Sprechstimme entstehen. Die spezifische Instrumentierung der Texte und ihrer poetischen Sphären folgt traditionellen Vorbildern. So ist etwa die Flöte dem Mond zugeordnet, indes die Piccoloflöte Pierrots Clownerien untermalt und mit ihrem hellen Kolorit Licht und Glanz nachzeichnet. Das sonore Cello agiert in einer Hemisphäre zwischen Ernsthaftigkeit und Sentimentalität, die Geige bzw. Bratsche ist dem romantisierenden Idiom verschrieben. Zur Interpretation des Vokalparts sind einige Aussagen des Komponisten überliefert, die ebenso wie eine historische Schallplatteneinspielung unter seiner Leitung zwischen Partitur und Interpretin vermitteln:

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„Eines muss ich sofort und mit aller Entschiedenheit sagen: ,Pierrot lunaire‘ ist nicht zu singen! Gesangsmelodien müssen in einer ganz anderen Weise ausgewogen und gestaltet werden als Sprechmelodien. Sie würden das Werk vollkommen entstellen, wenn Sie es singen ließen, und jeder hätte recht, der sagte: so schreibt man nicht für Gesang!“ (Schönberg an seinen Schüler Alexander Jemnitz, 15. April 1931)

Die in Besetzung, Klangfarbe, Tonsatz, Form/Genres, Symbolik/Semantik stets changierende Gestaltungsweise der Melodramen deutet darauf hin, dass Schönberg mit 21 höchst stilisierten Kabinettstücken in eine Meisterschaft mit sich selbst getreten ist. Jedes einzelne Melodram weist ein eigenes Prinzip auf, darin er „einem neuen Ausdruck entgegen“ ging (Berliner Tagebuch, 13. März 1912). Die Loslösung von der traditionellen Kadenzharmonik erlaubte ihm, „jeden der 12 Töne“ frei von überlieferten Ordnungskritieren einzusetzen: „Hier ist kein Verfahren, als der Einfall.“ (Randbemerkung in Ferruccio Busonis Ästhetik der Tonkunst)

Der Komplexionsgrad der Partitur war zur Zeit der Werkentstehung so außergewöhnlich wie die musikalische Sprache des Zyklus. Die Interpreten der Uraufführung absolvierten nach unzähligen Stunden des Einzelstudiums insgesamt 25 Ensembleproben, ehe Schönberg das Werk eine Woche vor der offiziellen Premiere (am 16. Oktober 1912) im Choralionsaal in Berlin geladenen Gästen erstmals zu Gehör brachte. Von der Uraufführung berichtet der Pianist und Schönberg-Schüler Eduard Steuermann in einem Interview: „Frau Zehme bestand darauf in einem Pierrot-Kostüm aufzutreten und alleine auf der Bühne zu stehen. Die Musiker und ihr Dirigent Schönberg befanden sich hinter einem ziemlich komplizierten Paravant – kompliziert deshalb, weil es auf dieser kleinen Bühne nicht ganz einfach war etwas zu konstruieren, das zwar den Blickkontakt zwischen Sprecherin und Ensemble ermöglichte, letzteres jedoch vor den Blicken des Publikums verbarg. […] Und der Erfolg? Natürlich gab es einen ,Skandal‘ […], aber auch heftige Ovationen.“

Wenn Schönberg als musikalischer Schrittmacher nachfolgender Komponistengenerationen mit seiner neu formulierten Klangrede auch selbst eine neue Tradition begründen sollte, so komponierte er selbst stets im Rückblick auf die eigene (deutsche) Tradition, in deren Entwicklungslinie stehend er sich begriff. Schönbergs Rückgriff auf alte Formen und Satzmodelle in Opus 21 (darunter Passacaglia, Fuge, Kanon, Polka, Walzer, Barcarole) reflektiert eine „historische Repräsentation der Künstler-Problematik in der Moderne“ (Reinhold Brinkmann). Schönberg stattete das Inventar seiner Textausdeutung auch auf motivischer, rhetorischer und satztechnischer Ebene mit zahlreichen Anspielungen auf Musikhistorisches aus, nachhörbar an (versteckten) Zitaten aus Werken älterer und jüngerer Meister. Darunter finden sich Bachs Wohltemperiertes Klavier (in Madonna, Nr. 6) ebenso wie Wagners Parsifal (im Gebet an Pierrot, Nr. 9) oder Heldenleben von Richard Strauss (in Der Dandy, Nr. 3). Eine Wienerische – und für Schönberg heimatliche – Note liegt in der Anspielung auf das Künstlerleben von Johann Strauss in Der Dandy, wie in der Forschung nachgewiesen wurde. Dem „Triebleben“ seiner Klänge (Schönberg, Harmonielehre) hauchte der Komponist in Rückbesinnung auf seine künstlerische Heimat, der deutschen Musikgeschichte nach Johann Sebastian Bach, einen „alten Duft aus Märchenzeit“ ein.

Die Interpretation der irrealen Pierrot-Figur entzieht sich einer gängigen Verstehensroutine und bleibt weitgehend Aufgabe unserer Phantasie. Im Programmheft der Uraufführung stellte Schönberg den Gedichten ein textlich (leicht modifiziertes) Fragment über absolute Poesie des deutschen Dichters Novalis voran: „Es lassen sich Erzählungen ohne Zusammenhang, jedoch mit Assoziation, wie Traum, denken – Gedichte, die bloß wohlklingend und voll schöner Worte sind, aber auch ohne allen Sinn und Zusammenhang, höchstens einige Strophen verständlich, wie Bruchstücke aus den verschiedenartigsten Dingen. Diese wahre Poesie kann höchstens einen allegorischen Sinn im Großen und eine indirekte Wirkung haben.“

Therese MuxenederTherese Muxeneder studierte Violine, Musikwissenschaft und Germanistik in Salzburg. Von 1993 bis 1997 war sie Bibliothekarin der Internationalen Stiftung Mozarteum und

Mitherausgeberin der Mozart-Bibliographie. Veröffentlichungen zur österreichischen Musikgeschichte, zum Archivwesen sowie zu Arnold Schönberg. Redaktion des

Journal of the Arnold Schoenberg Center, Kuratorin von Schönberg-Ausstellungen. Seit 1997 leitende Archivarin des Arnold Schoenberg Center in Wien.

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Pierrot lunaire op. 21 ist ein Zyklus des Wiener Komponisten Arnold Schönberg und besteht aus dreimal sieben Gedichten des belgischen Autors Albert Giraud, der 1884 Pierrot Lunaire: Rondels Bergamasques in französischer Sprache schrieb. Girauds Original hat insgesamt fünfzig Gedichte, die Otto Erich Hartleben später ins Deutsche frei übertrug. Davon vertonte Schönberg 1912 im Auftrag der aus Wien stammenden Diseuse Albertine Zehme „nur“ einundzwanzig. Dieser Zyklus wurde eines der Meisterstücke der atonalen Musik des 20. Jahrhunderts und der gesamten Musikgeschichte.

Albertine Zehme hatte bei ihrem Auftrag an ein Werk für Sprechstimme mit Klavierbegleitung gedacht. Schönbergs Inspiration und dadurch auch seine Ambitionen wurden im Verlauf der Kompositionsarbeit immer größer, und so erbat er von der Auftraggeberin nach und nach die Erlaubnis, weitere Instrumente mit einzubeziehen. Zehme, in ihrem Beruf erfolgreich und mit einem Rechtsanwalt verheiratet, war sehr wohlhabend und konnte es sich erlauben, dem Komponisten freie Hand zu lassen. Und so erhielt am Ende jedes der einundzwanzig Stücke eine eigene Klangfarbe durch die jeweils unterschiedliche Kombination der beteiligten Instrumente Klavier, Geige, Bratsche, Violoncello, Klarinette, Bassklarinette, Flöte und Piccolo.

Schönberg war unter anderem von der von Giraud geschaffenen Versstruktur fasziniert, da diese der musikalischen Rondo- und Reprisenform ähnelt. Die einundzwanzig Gedichte bestehen jeweils aus dreizehn, in drei Strophen unterteilte Verse. Jede Miniatur enthält ihren ersten Vers dreimal. Dieser befindet sich am Anfang, wird dann genau in der Mitte des Gedichtes bzw. als siebter Vers oder dritter Vers der zweiten Strophe wiederholt und noch einmal am Ende aufgegriffen. Dies verleiht der Versstruktur einen Rahmen, einen Mittelpunkt sowie Symmetrie. Der zweite Vers wird gleichfalls wiederholt, allerdings nur einmal und zwar in der Mitte des Gedichtes nach der Wiederholung des ersten Verses (V1). So ist die folgende Form immer wieder zu erkennen:

WER IST PIERROT?Wer ist Pierrot? Pierrot lunaire op. 21 ist ein Melodramen-Zyklus des Wiener Komponisten Arnold Schönberg und besteht aus dreimal sieben Gedichte des belgischen Autors Albert Giraud, der 1884 Pierrot Lunaire: Rondels Bergamasques in französischer Sprache schrieb. Girauds Original hat insgesamt fünfzig Gedichte, die Otto Erich Hartleben später ins Deutsche frei übersetze. Davon vertonte Schönberg 1912 im Auftrag der aus Wien stammenden Diseuse Albertine Zehme „nur“ einundzwanzig. Dieser Zyklus wurde eines der Meisterstücke der atonalen Musik des 20. Jahrhunderts und der gesamten Musikgeschichte. Albertine Zehme hatte bei ihrem Auftrag an ein Werk für Sprechstimme mit Klavierbegleitung gedacht. Schönbergs Inspiration und dadurch auch seine Ambitionen wurden im Verlauf der Kompositionsarbeit immer größer, und so erbat er von der Auftraggeberin nach und nach die Erlaubnis, weitere Instrumente mit einzubeziehen. Zehme, in ihrem Beruf erfolgreich und mit einem Rechtsanwalt verheiratet, war sehr wohlhabend und konnte es sich erlauben, dem Komponisten freie Hand zu lassen. Und so erhielt am Ende jedes der einundzwanzig Stücke eine eigene Klangfarbe durch die jeweils unterschiedliche Kombination der beteiligten Instrumente Klavier, Geige, Bratsche, Violoncello, Klarinette, Bassklarinette, Flöte und Piccolo. Schönberg war unter anderem von der von Giraud geschaffenen Versstruktur fasziniert, da diese der musikalischen Rondo- und Reprisenform ähnelt. Die einundzwanzig Gedichte bestehen jeweils aus dreizehn, in drei Strophen unterteilte Verse. Jede Miniatur enthält ihren ersten Vers dreimal. Dieser befindet sich am Anfang, wird dann genau in der Mitte des Gedichtes bzw. als siebter Vers oder dritter Vers der zweiten Strophe wiederholt und noch einmal am Ende aufgegriffen. Dies verleiht der Versstruktur einen Rahmen, einen Mittelpunkt sowie Symmetrie. Der zweite Vers wird gleichfalls wiederholt, allerdings nur einmal und zwar in der Mitte des Gedichtes nach der Wiederholung des ersten Verses (V1). So ist die folgende Form immer wieder zu erkennen:

1. V1 2. V2 3. V3 4. V4 5

Verse 5. V5 6. V6 7. V1 8. V2

9. V7 5 10. V8 Verse 11. V9 12. V10 13. V1

Interessant finde ich, dass in jedem der 3 x 7 Gedichte die 7 Zeilen 3 x zu finden sind und das die Kompositionsphase des op. 21 (= 3 x 7) zwischen dem 3. und 7. Monat des Jahres 1912 stattfand. Ob das ein reiner Zufall ist?

Zwei wichtige Fragen bleiben nun offen: Wer ist Pierrot? Und was ist sein Bezug zum Mond?

Im Ursprung war der „Pierrot“ (auf italienisch „Pedrolino“) in der „Comedia dell´arte“ ein kluger und ironischer „Zanni“ (Diener), der sehr gut tanzen konnte. Zwischen 1660 und 1665 wuchsen ihm durch den Komiker Guiseppe Giratoni neue Eigenschaften hinzu, darunter musikalische und rezitatorische Fähigkeiten.Um 1700 hat dann der italienische Schauspieler Fabio Antonio Sticotti den Pierrot dem französischen Geschmack angepasst. Aber die letzte und endgültige Verwandlung erfuhr die Figur des Pierrot durch den böhmisch-französischen Pantomimen Jean-Gaspard Deburau ein Jahrhundert später. Er gestaltete den Pierrot als weißen Clown: weiß geschminkt, mit heller, fließender Gewandung und einer großen Halskrause. Damit verlor die traditionelle italienische Maske des Zanni seine List und Ironie, denn charakteristisch für diesen „neuen“ Pierrot war sein Hang zur Melancholie aufgrund einer unerfüllten Liebe. Diese Idee stammt wiederum von dem französischen, in den Mond verliebten „clown triste“ von Théodore de Banville. Heutzutage wird der Pierrot mit diesem identifiziert.

Karina Benalcázar

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OSCAR JOCKEL

Oscar Jockel, geboren 1995 in Regensburg, studiert derzeit an der Universität Mozarteum Salzburg Komposition bei Achim Bornhöft sowie Dirigieren und Musiktheorie. Kompositionsstudien bei Christian Ofenbauer und Reinhard Febel gingen voraus. Er begann seine musikalische Ausbildung als Sängerknabe bei den Regensburger Domspatzen, wo er auch das Klavierspiel erlernte. Zwischen 2012 und 2014 erhielt er mehrere Stipendien für Kompositionsaufenthalte in Minneapolis und wurde 2015 als Organist an die Salzburger Franziskanerkirche berufen. Im selben Jahr organisierte er als Mitarbeiter der künstlerischen Leitung das

Sawahlunto International Musik Festival (SIMFes), Indonesien. Weitere Stipendien und Auszeichnungen, u. a. vom Deutschen Bundestag als kultureller Junior-Botschafter in den USA, von der Stadt Regensburg, von der Kai-Uwe von Hassel Stiftung sowie von der Royal Northern School of Music in Manchester folgten. Oscar Jockel beschäftigt sich u. a. mit elektronischer und computerassistierter Komposition. Formationen wie das Ensemble Interface, das New Arts and Music Ensemble Salzburg (NAMES) oder das Österreichische Ensemble für Neue Musik (oenm) haben Kompositionen von ihm zur Uraufführung gebracht.Als Dirigent wurde er von diversen Festivals eingeladen, u. a. nach Südkorea und zum Salzburger Musikfestival Dialoge. Er dirigierte zudem die Bad Reichenhaller Philharmonie und das Sinfonieorchester der Universität Mozarteum und arbeitete als Dirigierassistent u. a. mit der Münchner Hofkapelle, den Münchner Symphonikern und der Bayerischen Kammerphilharmonie zusammen.Darüber hinaus ist Oscar Jockel im Bereich der Alten Musik tätig und erhält auf Grund seines Könnens als Continuo-Spieler (Orgel und Cembalo) und als Musiktheoretiker regelmäßig Aufträge und Engagements, u. a. von den Berliner Philharmonikern, der Dresdner Staatskapelle, dem WDR und dem South Netherlands Philharmonic. Ab dem Sommersemester 2018 wird er am Salzburg College Komposition unterrichten.

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Oscar Jockel beschreibt seine Oper Lob des Schattens als „einen Versuch, die menschlich existentielle Einsamkeit durch die Begegnung mit dem Schatten abzubilden: Es war die Frage nach persönlichen Abgründen und der Wunsch nach leeren Flächen, die mich zur ‚transzendentalen Obdachlosigkeit’ (Georg Lukacs, Theorie des Romans, 1916) unserer Gesellschaft führte: In Zeiten, wo wir alles ausgeleuchtet haben und alles Irrationale rational von innen und außen begriffen haben (Psychoanalyse, Aufklärung, Entmystifizierung, etc.), schien für mich die Irrationalität des menschlichen Handelns und der persönliche Wunsch nach Leere größer denn je zu sein. Diese Leere faszinierte mich, weshalb ich sie genauer betrachten wollte. Leere Flächen sind nie leer, sondern dienen als Projektionsfläche des eigenen Ichs. Das war schon im Alten Testament so, denkt man etwa an die theologische Bedeutung der Wüste, zeigt sich aber vor allem in der japanischen Kultur, die schon immer die Umschließung des Dunklen, des Schattens und der Leere ästhetisierte.“

Dieses Phänomen beschreibt der japanische Schriftsteller Jun‘ichiro Tanizaki (1886–1965) in all seinen Facetten in dem Buch Lob des Schattens – Entwurf einer japanischen Ästhetik, 1987 im Verlag Manesse herausgegeben und ins Deutsche übersetzt von Eduard Klopfenstein. Dort heißt es: „Unbestimmtheit ist ein Schlüsselmerkmal der japanischen Kunst: das Vermeiden absoluter Ideen und Bilder und vor allem eines horror pleni (die Angst vor gefüllten Flächen). Durch das Spiel mit leeren Flächen, etwa dem Einsatz von Dunst- und Nebelfeldern, geraten sekundäre Motive ins Blickfeld, je nach interpretatorischem Ansatz des Betrachters und den Empfindungen, die sie in seiner Seele auslösen.“

Dieser Idee, der auch das orientalische Theater verpflichtet ist, das – so Antonin Artaud – „mit seinen metaphysischen Tendenzen dem abendländischen mit seinen psychologischen diametral gegenübersteht“, folgt die Oper Lob des Schattens, die fünf in ihrer Einsamkeit gefangene und zur Kommunikation zunächst unfähige Individuen vorführt. Es sind diese japanischen Mythen und Legenden abgelauschte Archetypen, eingeschlossen in ihre Geschichten:– Der Mönch, der in selbst gewählter Einsamkeit auf der Suche nach der Vollkommenheit ist in dem Bewusstsein, diese nie erreichen zu können.– Die Statue, die gespalten hin- und hertaumelt zwischen der ihr zugewiesenen Aufgabe und der Sehnsucht nach ihrer Individualität.– Der Kaiser, seiner Macht enthoben, sinniert über die Sinnlosigkeit vergangener Kriege, um sich dennoch die Vergangenheit zurückzuwünschen.– Die Geisha, die sich einem Schmetterling gleich aus ihrem Kokon zu befreien sucht.– Die Kaiserin, die ihr persönliches Leid ihrem Status gemäß verdrängt.

Jeder Figur hat Oscar Jockel ein Haiku zugeordnet, also jene kürzeste Gedichtform, die sich traditionell aus konkreten, in der eigenen Gegenwart, oft der Natur beobachteten Bildern zusammensetzt, um die darunter verborgenen Emotionen erst durch den Zusammenhang, den die Rezipienten selbst herstellen müssen, zu erschließen.

LOB DES SCHATTENS

Dabei führt alleine schon die Mehrdeutigkeit der von den Dichtern gewählten Bilder, bedingt durch die hohe Zahl von Homonymen im Japanischen, zu unterschiedlichsten Auslegungen. Diese Interpretationsvielfalt spiegelt sich in der Komposition durch vibrierende Klangflächen und minimale Transformationen des musikalischen Materials wider, einer schimmernden Feuerglut gleichend, vor der man stundenlang verweilen kann und die ganze Welt zu sehen glaubt.

Oscar Jockel: „Die Faszination der japanischen Ästhetik für das Dunkle, Uneindeutige und des stetigen Übergangs war es, die mich dazu veranlasste, nach den Gründen für meinen Wunsch nach leeren Flächen, dunklen Innen- und Außenräumen und zum Unerklärlichen zu suchen. Das Ergebnis ist diese Oper, die jene leeren Flächen mithilfe des Dunklen und des Schattens ausleuchtet und somit keine Antwort, sondern eine andere Perspektive auf die Frage nach unserer existentiellen Einsamkeit liefert“.

Über einem feinst ausgehörten und sich stetig verändernden elektronischem Grundklang erheben sich die Gesangsstimmen zunächst solistisch und unabhängig voneinander, um sich im weiteren Verlauf immer mehr zu überlagern, aneinander anzunähern und eine vermeintliche Gemeinschaft zu bilden, in der sie versuchen, ihre ungewollte Einsamkeit zu überwinden. Ein Prozess, der mit dem Auftauchen des weißen „Schattens“ zu einem plötzlichen Stillstand kommt. Der Schatten stellt die Abstraktion aller Einsamkeiten dar, wodurch die Charaktere in diesem nacheinander ihre eigene individuelle Einsamkeit wiedererkennen. Durch diese Erkenntnis und Akzeptanz der existentiellen Einsamkeit löst sich der Schatten auf und die Charaktere vereinen sich in einer losgelösten Gemeinschaft, in der jeder auf seinem Pfad in seiner nicht überwundenen, aber akzeptierten individuellen Einsamkeit ins Nichts schreitet.

Zugrunde liegt diesem Prozess das japanische Shu-Ha-Ri-Prinzip, einem sich in drei Schritten vollziehenden Weg vom Lernen über das sich Lösen bis hin zum Transzendieren und folgt zugleich jenem Prinzip, das der polnische Regisseur und Theoretiker Jerzy Grotowski als grundlegend für das Theater beschreibt. Es ist ein Mittel, „um unsere Grenzen zu überschreiten, unsere Beschränkungen zu überwinden, unsere Leere zu füllen – um uns selbst zu erfüllen. Das ist keine Bedingung, sondern ein Prozess, bei dem das Dunkel in uns langsam durchsichtig wird.” (Für ein Armes Theater, 1994)

Bei Tanizaki lesen wir dazu: „Meiner Meinung nach ist es die Art von uns Ostasiaten, die Umstände, in die wir einbezogen sind, zu akzeptieren und uns mit den jeweiligen Verhältnissen zufrieden zu geben. Deshalb stört uns das Dunkel nicht, wir nehmen es als etwas Unabänderliches hin, wenn es an Licht fehlt, sei’s drum – dann vertiefen wir uns eben in die Dunkelheit und entdecken darin eine ihr eigene Schönheit. Demgegenüber sind die aktiven Menschen des Westens ständig auf der Suche nach besseren Verhältnissen.“

Ronny Dietrich

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Das Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform und gilt als die kürzeste der Welt. Ein Haiku ist ein Dreizeiler mit der Silbenfolge 5-7-5.

Die weltweite Beliebtheit dieser kompakten Kunstform besteht darin, mit den darin beschriebenen Augenblicken, denen Konkretheit und Gegenwart stetig innewohnen, dem Leser die Möglichkeit der persönlichen Interpretation zu geben. In seiner gewollten Knappheit macht es eitle Erklärungen überflüssig. Ein Haiku verlangt nicht nach Größe und Erhabenheit, es ist frei von Ehrgeiz und pädagogischen Zielen. Es drängt sich dem Leser nicht auf, versetzt ihn aber trotzdem unmittelbar in ein Geschehen, einen Gedanken. Es wirkt nicht auf den Menschen ein, es wirkt im und durch den Menschen selbst als Ereignis.

In der Oper singt die Geisha „tefuno hane ikudo koeru heino yane“ Das bedeutet in einer möglichen Übersetzung: „Der Schmetterling fliegt über dem Dach der Hausmauer hin und her.“ Hier kann der Hörer eigene Gefühle oder Vorstellungen einbringen. Der Schmetterling kann Symbol für den Frühling, für Freiheit aber auch für Gefangenschaft sein. Der Hörer entscheidet über den Ausgang der Situation und den Gedanken der Geisha und wird somit Teil des Geschehens. Beim Wort „Schatten“ denken Japaner an Hell und Dunkel, gleicherweise aber auch an Angst, Freude und Schönheit. Das japanische Volk und die japanische Ästhetik lieben das Stillschweigende und Indirekte.

Michiko Watanabe

HAIKU

Mönchwatashino michiodokomademo habakarukyodaina kageyo Yuka Katori (*1978)

Statueushiro sugata no shigurete yuku ka Santoka (1882–1940)

Tenno natsukusa yatsuwamonodomo gayume no ato Bashô (1643-1694)

Geishatefuno haneikudo koeruheino yane Bashô (1643-1694)

Kogoaware naruhanami wa Shide noYama-ji kana Yosa Buson (1716-1784)

Schattenyuki heyuki fu rushizukesa ni oru Santoka (1882-1940)

Allekono michi yayuku-hito nashi niaki-no-kure Bashô (1643-1694)

Mächtig vor mir der Schatten am Weg,als liefen wir um die Wette. Nachdichtung: Gottfried W. Stix (1911-2010)

Diese Gestalt, von hinten gesehen,verliert sie sich im Herbstregen? Nachdichtung: Robert F. Wittkamp (*1959)

Blühendes Gras auf dem alten Schlachtfeld,den Träumen entsprossender toten Krieger. Nachdichtung: Manfred Hausmann (1898-1986)

Ach Schmetterling.könntest du singen,in einem Käfig wärst du schon lange. Nachdichtung: Anonym

Traurige Blütenschau –begangen auf Pfaden der Toteneiner anderen Welt. Nachdichtung: G.S. Dombrady (1924-2006)

Schnee fällt auf Schnee –und alles in tiefer Stille. Nachdichtung: Robert F. Wittkamp (*1959)

Entlang der Straße;niemand geht darauf an diesem Herbstabend. Nachdichtung: Reginald Horace Blyth (1898-1964)

LOB DES SCHATTENSVerwendete Haikus mit von Oscar Jockel ausgewählten Übersetzungen

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KARINA BENALCÁZAR

Die Sopranistin Karina Benalcázar wurde 1992 in Quito geboren. Mit elf Jahren begann sie, in Chören mitzuwirken. Mit 14 Jahren erhielt sie ihren ersten Gesangsunterricht bei der kolumbianischen Sopranistin Patricia Guzmán und ein Jahr später beim Bariton Andrés Carrera. Seit 2009 bis zum Ende ihres Aufenthalts in Ecuador war sie in der Gesangsklasse von Daniela Guzmán an der Fundacion Orquesta Sinfonica Juvenil del Ecuador.2011 erhielt sie den 2. Preis beim Wettbewerb Jóvenes Talentos Cuenca als jüngste Teilnehmerin. Im selben Jahr, mit 18 Jahren, begann sie ihr Studium für Elementare Musik- und Tanzpädagogik

am Orff-Institut und ein Jahr später ihr Gesangsstudium in der Klasse von Mario Díaz an der Universität Mozarteum Salzburg. Seit 2012 ist sie Mitglied des Ensembles für Alte Musik Harmonia Variabilis. 2016 absolvierte sie ihr Bachelorstudium mit Auszeichnung und begann ihr Masterstudium für Oper und Musiktheater in der Klasse von Kai Röhrig und Karoline Gruber und in der Gesangsklasse von Christoph Strehl. 2017 debütierte sie als Susanna in Le nozze di Figaro und nahm an ihrem ersten Minnesängerinnen-Wettbewerb teil, wo sie als jüngste Teilnehmerin den zweiten Preis gewann. Sie erhielt das ordentliche Stipendium der Universität Mozarteum für das Studienjahr 2017/18.

CHI-AN CHEN

Der 1991 in Taiwan geborene Bariton erhielt seine Gesangsausbildung an der National Chiayi University und Taipei National University of the Arts in Taiwan. Seit Oktober 2016 studiert er an der Universität Mozarteum Salzburg Master Oper und Musiktheater in der Klasse von Kai Röhrig und Karoline Gruber sowie in der Gesangklasse von Bernd Valentin. 2013 nahm er am Kuandu ARTS Festival teil, wo er in der Rolle des Rodolfo in Bellinis La sonnambula auftrat und in einem Konzert mit dem Orchester der Taipei National University of Arts mitwirkte. 2014 war er mit dem Taiwan National Symphony Orchestra als Erster

Nazarener in Richard Strauss‘ Salome sowie mit dem Creation Opera Institute als Benoit und Alcindoro in Puccinis La Bohème zu hören. 2015 sang er beim Kuandu ARTS Festival die Rolle des Dulcamara in Donizettis L’elisir d‘amore sowie mit dem Taipei Symphony Orchestra den Hauptmann in Tschaikowskis Eugen Onegin. 2017 wirkte er in einer Produktion der Universität Mozarteum als Conte Almaviva in Le nozze di Figaro sowie bei der Sommerakademie Mozarteum als Rodomonte in Joseph Haydns Oper Orlando Paladino mit.

REBA EVANS

Die amerikanische Mezzosopranistin Reba Evans stand zuletzt als Cherubino in Le nozze di Figaro beim Gastspiel am Zhejiang Conservatory in Hangzhou, China und an der Universität Mozarteum Salzburg auf der Bühne. Weitere Rollen auf der Bühne des Mozarteums waren Orlofsky in Die Fledermaus und Madame de Croissy in Poulencs Dialogues des Carmélites. Im vergangenen Jahr wirkte sie bereits zweimal als Solistin bei der Opern-Gala mit der Bad Reichenhaller Philharmonie mit. In New York war sie Ensemblemitglied der New York Lyric Opera und dem Manhattan Opera Studio. In dieser Zeit war sie in den Rollen Dryade in R. Strauss‘ Ariadne auf Naxos, Annina in Der Rosenkavalier,

Suora Zelatrice in Puccinis Suor Angelica und Dritte Dame in Die Zauberflöte zu hören und zu sehen. Neben den Opernproduktionen sang sie als Alt-Solistin auch in mehreren Konzerten und Oratorien mit, darunter Duruflés Requiem, Schuberts Messe in B, Vivaldis Gloria sowie Händels Dixit Dominus und Messiah. 2011 absolvierte sie ihr Bachelor-Gesangsstudium an der Frost School of Music, University of Miami. Derzeit studiert sie an der Universität Mozarteum Gesang bei Elisabeth Wilke sowie Oper und Musiktheater bei Karoline Gruber und Kai Röhrig.

DI GUAN

Der Bass Di Guan wurde 1993 in Haerbin, China, geboren und begann 2009 mit dem klassischen Gesang. Von 2010 bis 2015 absolvierte er den Bachelorstudiengang Gesang an der Universität in Henan und Shanghai, China. Nach Abschluss des Bachelorstudiums erhielt er 2016 privaten Unterricht für Gesang und Belcanto bei dem Dirigenten, Pädadogen und Schriftsteller Peter Berne in Berlin. Seit Oktober 2017 studiert er an der Universität Mozarteum Salzburg Gesang bei Andreas Macco und Oper und Musiktheater bei Karoline Gruber und Kai Röhrig.

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WENDY KRIKKEN

Die aus den Niederlanden stammende 25-jährige Sopranistin Wendy Krikken schloss 2015 ihr Bachelorstudium bei Lenie van den Heuvel und Frans Fiselier am Königlichen Konservatorium Den Haag Cum Laude ab. Anschließend war sie Mitglied der Dutch National Opera Academy in Amsterdam, wo sie als Zerlina in Don Giovanni zu sehen war. Seit Oktober 2015 studiert sie an der Universität Mozarteum Salzburg Gesang bei Ildikó Raimondi sowie Oper und Musiktheater bei Karoline Gruber und Kai Röhrig. Im Mai 2017 sang sie die Rolle der Susanna in Le nozze di Figaro in einer Produktion des Mozarteums. 2009 gewann sie den

Ermunterungspreis beim Prinses Christina Concours. Von 1999 bis 2011 war sie Mitglied in der Jugendtheaterschule, in der sie viel Erfahrung in den Bereichen Musical, Theater und Oper sammeln konnte. Sie tritt als Solistin in verschiedenen Chören in den Niederlanden auf und nahm mehrmals an Chorreisen im Ausland teil.

FELIX MISCHITZ

Felix Mischitz wurde 1992 in Kärnten geboren und erhielt seine musikalische Grundausbildung bei den Regensburger Domspatzen. Derzeit studiert der Bass-Bariton an der Universität Mozarteum Salzburg bei Bernd Valentin. Wichtige Impulse erhielt und erhält er darüber hinaus von Marga Schiml, Wolfgang Holzmair, Elisabeth Wilke und Roberta Invernizzi. Sein Konzertrepertoire reicht von den Passionen, Oratorien und Kantaten J. S. Bachs und dessen Zeitgenossen über Oratorien der Klassik und Romantik bis hin zu Werken zeitgenössischer Komponisten. Regelmäßig konzertiert er mit der Salzburger Hofmusik (Wolfgang

Brunner) oder der Camerata Salzburg. Seine Liebe zum Liedgesang pflegt er gemeinsam mit den Pianisten Almira Kreimel, Christoph Declara und Yukie Yamazaki. Mit Letzterer gewann er beim Kammermusikwettbewerb „Fortepiano plus“ 2017 auf Schloss Kremsegg (Oberösterreich) den dritten Preis. Sein Bachelorstudium schloss er im Herbst 2017 mit Auszeichnung ab. Nach mehreren Partien als Gast in Opernschulproduktionen der Universität Mozarteum (Frank in Die Fledermaus, Offizier in Poulencs Dialogues des Carmélites, Antonio in Le nozze di Figaro) ist er ab Herbst dieses Jahres als Masterstudent Mitglied der Opernklasse unter der szenischen Leitung von Karoline Gruber und der musikalischen Leitung von Kai Röhrig.

ZSOFIA MOZER

Die in Ungarn geborene Mezzosopranistin begann ihre Musikausbildung im Alter von sieben Jahren. 2014 wurde in der Musikabteilung der Universität von Miskolc angenommen, wo sie 2017 ihr Diplom erhielt. Ihre bekanntesten Lehrer waren Boldizsár Keönch und Annamária Schmiedt. Zurzeit studiert sie bei Elisabeth Wilke an der Universität Mozarteum Salzburg. Sie nahm drei Mal mit Stipendien am Internationalen Crescendo Sommer Institut teil, wo sie Gelegenheit hatte, mit Stephen Morscheck und Tünde Szabóki zu arbeiten, weiters war sie Teilnehmerin bei der Sommerakademie der Chorakademie Lübeck. Sie schrieb ihre Bachelorarbeit über die Lieder von Samuel Barber.

DOMENICA RADLMAIER

Domenica Radlmaier wurde in Freising, Deutschland, geboren und erhielt ihren ersten Gesangsunterricht bei Manuela Dill. Im Juni 2016 schloss sie ihr Bachelorstudium mit Auszeichnung bei Andreas Macco ab und studiert seitdem in der Klasse von Ildikó Raimondi Master Gesang an der Universität Mozarteum Salzburg.2013 spielte sie das Sandmännchen in Humperdincks Hänsel und Gretel im Theater an der Rott und auch 2014 sang sie diese Partie in einer Inszenierung unter der Leitung der Opera incognita. Sie wirkt regelmäßig bei den Salzburger Festspielen als Choristen mit. Am Mozarteum sah man sie bereits als Lesbia in Carl Orffs Catulli Carmina

und als Ida in J. Strauss‘ Die Fledermaus. Darüberhinaus war sie in The Rest is Silence von Agustín Castilla-Ávila, als Narrator in Joseph and the amazing technicolor dreamcoat von Andrew Lloyd Webber und in der Titelrolle in Die Feuerhex von Martin Keeser zu sehen.

MARIYA TANIGUCHI

Mariya Taniguchi wurde 1993 in Japan geboren und schloss 2016 ihr Bachelorstudium an der Internationalen Universität Kagoshima in der Gesangklasse von Uwe Heilmann ab. Im März 2011 sang sie die Japanische Nationalhymne im Japanise Frühlings-Baseballspiel für Oberschüler. Seit 2016 studiert sie an der Universität Mozarteum Salzburg im Masterstudium Oper und Musiktheater in der Klasse von Kai Röhrig und Karoline Gruber sowie in der Gesangklasse von Barbara Bonney.

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KAI RÖHRIG

Kai Röhrig studierte Orchesterdirigieren in Köln sowie an der Universität Mozarteum in Salzburg in der Klasse von Michael Gielen und belegte Sommerkurse bei Rolf Liebermann. Er ist Preisträger der Internationalen Stiftung Mozarteum, die ihn mit der „Bernhard-Paumgartner-Medaille“ auszeichnete. Als musikalischer Assistent war Kai Röhrig bei den Bayreuther und den Salzburger Festspielen tätig. Als Protegé von Bernard Haitink war er beim European Union Youth Orchestra, bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden und beim Concertgebouw Orkest in Amsterdam engagiert. Mehrere Jahre lang arbeitete er als Assistent von Pierre Boulez mit verschiedenen Orchestern in Salzburg, Wien und Paris zusammen.

Nach Stationen als Kapellmeister war er einige Jahre lang Musikdirektor des Salzburger Landestheaters. In den zehn Spielzeiten dirigierte er in Salzburg mehr als 400 Vorstellungen. Zu den Premieren unter seiner Leitung gehörten u.a. Produktionen von Mozarts La Finta Giardiniera, Benjamin Brittens Death in Venice, Sciarrinos Luci mie tradictrici sowie die international beachtete Wiederentdeckung der Oper Die schöne und getreue Ariadne von Johann Georg Conradi. Als Gastdirigent trat er in den zurückliegenden Jahren u.a. an der Staatsoper Hannover, am Staatstheater am Gärtnerplatz in München, am Innsbrucker Landestheater sowie am Königlichen Opernhaus in Kairo in Erscheinung. Im Rahmen des Festivals zur Europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010 dirigierte er eine Produktion von Hans Werner Henzes Oper Das Wundertheater und Mozarts Singspiel Der Schauspieldirektor. Bei den Salzburger Festspielen dirigierte er im Rahmen des „Young Singers Project“ Produktionen der Zauberflöte, der Entführung aus dem Serail sowie Vorstellungen von La Cenerentola.Konzerte führen Kai Röhrig regelmäßig ans Pult des Mozarteum Orchesters Salzburg. Gastspiele gab er in den zurückliegenden Jahren mit Orchestern wie der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, dem European Union Youth Orchestra, dem Slowenischen Radio-Sinfonie-Orchester und der Neuen Philharmonie Westfalen. Sein Debüt in der Berliner Philharmonie gab er am Pult des Deutschen Sinfonie Orchesters. Im Mai 2013 debütierte Kai Röhrig am Pult des koreanischen KBS Symphony Orchestra im Rahmen einer Wagner-Gala im Seoul Arts Center.Seit dem Jahr 2014 ist er als Professor und musikalischer Leiter der Opernklasse an der Universität Mozarteum in Salzburg tätig. Hier dirigierte er seit 2014 die österreichischen Erstaufführungen von Mstislav Weinbergs Lady Magnesia und Manfred Trojahns Limonen aus Sizilien, eine Produktion der Fledermaus, F. Poulencs „Dialogues des Carmélites“ und zuletzt im Mai 2017 eine Produktion von Le Nozze di Figaro, mit der er danach auch für ein Gastspiel nach Hangzhou in China eingeladen war. Seit vielen Jahren widmet sich Kai Röhrig der zeitgenössischen Musik. Er leitete zahlreiche Uraufführungen, darunter Werke von Komponisten wie Wolfgang Rihm, Adriana Hölszky, Herbert Grassl, Fausto Tuscano und Hossam Mahmoud sowie österreichische Erstaufführungen von Hans Werner Henze, Manfred Trojahn, Steve Reich, Salvatore Sciarrino und Jorge Antunes. Im vergangenen Jahr dirigierte er u.a. neue Werke von Manuela Kerer und Marcus Nigsch beim Sinfonieorchester Vorarlberg in Bregenz, eine Uraufführung von J.Peter Koene in Wien und eine Uraufführung von Eduard Demetz beim Festival transart in Südtirol. Schönbergs „Pierrot lunaire“ führte er in vielen Ländern auf der ganzen Welt auf, zuletzt am 16.10.2012, am Tag des hundertsten Geburtstages des Werkes.

KAROLINE GRUBER

Karoline Gruber wurde in Österreich geboren und studierte Theater-und Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Wien.Nach ersten erfolgreichen Inszenierungen in Österreich und Deutschland folgte ihr internationaler Durchbruch mit Il mondo della luna von Joseph Haydn, eine Produktion, die sie 2001 mit René Jacobs bei den Innsbrucker Festwochen erarbeitete und die 2002 von der Staatsoper Unter den Linden Berlin übernommen wurde.Karoline Gruber war zwischen 2003 und 2005 regelmäßig Gast an der Hamburgischen Staatsoper, wo sie mehrere Inszenierungen erarbeitete.

2005 gab sie ihr Debut an der Staatsoper Wien, an der Sächsischen Staatsoper Dresden und an der Nikikai Opera Tokyo.Zu ihren weiteren Stationen gehörten unter anderem das Teatro Nacional de Sao Carlos Lissabon, die Oper Leipzig, das Aalto Theater Essen und die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf.Nach verschiedenen Lehraufträgen und Gastprofessuren übernahm Karoline Gruber von 2005-2010 eine befristete Professur für „Szenischen Unterricht“ an der Universität der Künste Berlin.Weitere Gastprofessuren führten sie unter anderem an die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin, das Opernstudio des Teatro Nacional de Sao Carlos Lissabon und das Opernstudio des New National Theatre Tokyo.2011 gelang ihr ein großer Erfolg mit Don Giovanni von W. A. Mozart an der Nikikai Opera Tokyo in Koproduktion mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf (2012), ebenso wie mit Lear von Aribert Reimann an der Hamburgischen Staatsoper mit Bo Skovhus als Lear (2013). Diese Produktion ist auch als DVD bei Unitel/Classica erschienen.2015 inszenierte sie ebenfalls sehr erfolgreich an der Hamburgischen Staatsoper Die tote Stadt von E. W. Korngold und 2016 Ariadne auf Naxos von R. Strauss an der Nikikai Opera Tokyo, beide Produktionen zusammen mit der Dirigentin Simone Young.2017 folgte wieder mit Simone Young an der Wiener Staatsoper Der Spieler von S. Prokofjew. 2019 wird sie ebenfalls an der Wiener Staatsoper die Uraufführung Orlando von Olga Neuwirth nach dem Roman von Virginia Woolf inszenieren.Seit 1. Oktober 2014 ist sie Professorin für das Fach „Musikdramatische Darstellung – szenisch“ an der Universität Mozarteum Salzburg.

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CONNY ZENK

Conny Zenk ist Medienkünstlerin und Performerin im Bereich der visuellen Musik. Sie studierte Digitale Kunst bei Ruth Schnell, Virgil Widrich und Peter Weibel, sowie Bühnen- und Filmgestaltung bei Bernhard Kleber an der Universität für angewandte Kunst Wien, Gender Studies an der Universität Wien sowie im Rahmen eines bilateralen Austauschprogramms Design & Innovation an der Tongji University Shanghai.Ihre Arbeiten werden auf zahlreichen europäischen und internationalen Festivals im Bereich zeitgenössischer Musik, audio-visueller Kunst und Medienkunst präsentiert. Ihr besonderes Interesse gilt der visuellen

Live-Performance, dem Prozess des Komponierens, der Improvisation und der Verbindung von Körper und (digitalem) Raum. Sie beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit Themen wie Social Media, Migration, Gender und Feminismus im Kontext urbaner Architektur und Stadt.Ihre neueste Performance-Reihe „selfieDREAMER“ wurde vor kurzem im Rahmen des New Adits Festivals und im Austrian Cultural Forum London gezeigt. 2017 hat sie in Kooperation mit small forms sessions zahlreiche audio-visuelle Konzertaufnahmen unter dem Titel minimal_Bodies produziert.Conny Zenk ist künstlerische Leiterin und Initiatorin von RAD Performance, einer mehrteiligen audio-visuellen Performance-Reihe rund um das Fahrrad. Sie ist Teil der Band „Cyberheikel tritt aus“ und visuelles Mitglied der Band VENTIL, das Musikvideo „Bulletproof“ (VENTIL) bekam 2017 den VIS Award.

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NAMES – NEW ARTS AND MUSIC ENSEMBLE SALZBURG

Das New Arts and Music Ensemble Salzburg ist ein in Salzburg ansässiges Ensemble für zeitgenössische Musik, das 2014 gegründet wurde. Wie der Name schon verrät, fokussieren sich die zehn aus sechs europäischen Ländern stammenden MusikerInnen und Komponisten auf klassische Werke zeitgenössischer Literatur des letzten Jahrhunderts und ergänzen diese durch Uraufführungen jüngerer Komponistinnen und Komponisten. Das breitgefächerte, lebendige Programm soll Kontraste schärfen, Konzepte ausloten und Tradiertes re-kontextualisieren. Trotz der relativ jungen Geschichte des Ensembles kann es auf eine umfangreiche Konzerttätigkeit zurückblicken, die von Projekten im deutschsprachigen Raum bis hin zu Residencies auf internationalen Festivals (bspw. in Italien, Litauen, Korea, u. a.) reicht.Das Ensemble ist bemüht neben der „reinen“ Konzerttätigkeit auch andere Formen zeitgenössischen Kunstschaffens in seine Programme zu integrieren und arbeitet deswegen mit diversen KünstlerInnen aus den unterschiedlichsten Sparten zusammen (Performance, Tanz, Visual Arts, Literatur, u. a.). Dadurch suchen die Musikerinnen und Musiker des New Arts and Music Ensembles Salzburg stets die Begegnung mit anderen Ausdrucksformen, wodurch der Musik – neben ihrer reinen Sonorität – zusätzlicher Wirkungsraum eingestanden wird. Eine besonders enge Kollaboration verbindet NAMES mit dem Studio für elektronische Musik der Universität Mozarteum.Durch die Zusammenführung von fundiertem Handwerk und der Lust am kammermusikalischen Austausch entsteht im Herzen der Mozartstadt mit dem NAMES-Ensemble ein internationales und nachhaltiges Experimentierlabor für Liebhaberinnen und Liebhaber neuer Gedanken und Klänge.

Nächste Konzerte:11.3.2018: Grünwald (München)29.4.2018: Aspekte Festival (Salzburg), gemeinsam mit Conny Zenk (Visuals)

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