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Arzneimittelbild • veröffentlicht im Sonderheft „Globuli“ 2003 China (Cinchona) officinalis Der Chinarindenbaum (auch: Perurindenbaum, Jesuitenrindenbaum), ist ein immergrüner bis zu 25 m hoher Laubbaum, der in den tropischen Gebirgsregionen Südamerikas, besonders in Peru, heimisch ist. Heute wird er auch in großem Maßstab in Indien, Java und Teilen von Afrika in Plantagen kultiviert. Erstmals wurde die Wirkung der Chinarinde 1633 in Peru von einem Jesuitenmissionar beschrieben. Seither wird sie vor allem als Mittel gegen Malaria verwendet. Die Ureinwohner Perus kennen diese Substanz jedoch seit vielen Jahrhunderten und setzen sie gegen Fieber, Verdauungsprobleme und Infektionen ein. Pharmakologische Forschungsergebnisse Chinin besitzt eine starke Wirkung gegen Malaria und andere akute Fiebererkrankungen. Es wirkt antibakteriell und krampflösend. Bis zum Ersten Weltkrieg war China das wichtigste Mittel gegen Malaria. Seit den 60er Jahren führte eine zunehmende Resistenz der Malariaerreger gegen den synthetisch hergestellten Wirkstoff Chloroquin zur erneuten Verwendung des Chinins. Die Rinde von Stämmen, Zweigen und Wurzeln sechs- bis achtjähriger Bäume wird zur Herstellung des Chinins abgeschält und getrocknet. Die jährliche Produktion beträgt etwa 8.200 Tonnen! Enthaltene Bittermittel, wie Alkaloide und Chinovin, üben durch die Anregung der Magensaftsekretion eine entspannende Wirkung auf den gesamten Verdauungstrakt aus. Chinidin beruhigt das Herz, verringert die Herzfrequenz und wirkt unregelmäßigem Herzschlag entgegen. Warnung: Pulver, Abkochung oder Tinktur der Chinarinde dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden, denn ihr übermäßiger Gebrauch verursacht Vergiftungen, die in Extremfällen zum Tod führen können! China in der Homöopathie Die aus der getrockneten Rinde des Baumes hergestellte Arznei hat eine ganz besondere Bedeutung in der Homöopathie. Sie war die erste Substanz, die Hahnemann im Selbstversuch prüfte.

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Arzneimittelbild •veröffentlichtimSonderheft„Globuli“2003

China (Cinchona) officinalis Der Chinarindenbaum (auch: Perurindenbaum, Jesuitenrindenbaum), ist ein immergrüner bis zu 25 m hoher Laubbaum, der in den tropischen Gebirgsregionen Südamerikas, besonders in Peru, heimisch ist. Heute wird er auch in großem Maßstab in Indien, Java und Teilen von Afrika in Plantagen kultiviert.

Erstmals wurde die Wirkung der Chinarinde 1633 in Peru von einem Jesuitenmissionar beschrieben. Seither wird sie vor allem als Mittel gegen Malaria verwendet. Die Ureinwohner Perus kennen diese Substanz jedoch seit vielen Jahrhunderten und setzen sie gegen Fieber, Verdauungsprobleme und Infektionen ein.

Pharmakologische Forschungsergebnisse Chinin besitzt eine starke Wirkung gegen Malaria und andere akute Fiebererkrankungen. Es wirkt antibakteriell und krampflösend.

Bis zum Ersten Weltkrieg war China das wichtigste Mittel gegen Malaria. Seit den 60er Jahren führte eine zunehmende Resistenz der Malariaerreger gegen den synthetisch hergestellten Wirkstoff Chloroquin zur erneuten Verwendung des Chinins.

Die Rinde von Stämmen, Zweigen und Wurzeln sechs- bis achtjähriger Bäume wird zur Herstellung des Chinins abgeschält und getrocknet. Die jährliche Produktion beträgt etwa 8.200 Tonnen!

Enthaltene Bittermittel, wie Alkaloide und Chinovin, üben durch die Anregung der Magensaftsekretion eine entspannende Wirkung auf den gesamten Verdauungstrakt aus. Chinidin beruhigt das Herz, verringert die Herzfrequenz und wirkt unregelmäßigem Herzschlag entgegen.

Warnung: Pulver, Abkochung oder Tinktur der Chinarinde dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden, denn ihr übermäßiger Gebrauch verursacht Vergiftungen, die in Extremfällen zum Tod führen können!

China in der Homöopathie Die aus der getrockneten Rinde des Baumes hergestellte Arznei hat eine ganz besondere Bedeutung in der Homöopathie. Sie war die erste Substanz, die Hahnemann im Selbstversuch prüfte.

Unzufrieden mit den in seiner Zeit geläufigen Erklärungen über die Wirkung der Chinarinde nahm Hahnemann, völlig gesund, die pulverisierte Rinde selbst ein und entwickelte einen malaria- ähnlichen Anfall. Eine Wiederholung des Experimentes brachte das gleiche Ergebnis. Damit war der gedankliche Ansatz zur Homöopathie geboren. Er erkannte, dass die Wirkung der Rinde nicht kräftigend, sondern sehr schwächend war. Erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts bestätigten einige Allopathen, „dass China tödlicher ist als das tödlichste westafrikanische Fieber“.

Der Chinarindenversuch - Hahnemanns Originalbeschreibung

„Schon im Jahre 1790 (...) machte ich mit der Chinarinde den ersten reinen Versuch an mir selbst. Und mit diesem ersten Versuch ging mir zuerst die Morgenröte zu der bis zum hellsten Tag sich aufklärenden Heillehre auf. Ich nahm des Versuches halber etliche Tage zweimal täglich jedes Mal vier Quentchen gute China ein; die Füße, die Fingerspitzen usw. wurden mir erst kalt, ich ward matt und schläfrig, mein Puls ward hart und geschwind; eine unleidliche Ängstlichkeit, ein Zittern (aber ohne Schaudern), eine Abgeschlagenheit durch alle Glieder; dann Klopfen im Kopfe, Röte in Wangen, Durst, kurz alle mir sonst beim Wechselfieber gewöhnlichen Symptome erschienen nacheinander, doch ohne Fieberschauder. Mit kurzem: auch die mir bei Wechselfieber gewöhnlich besonders charakteristischen Symptome, die Stumpfheit der Sinne, die Art von Steifigkeit in den Gelenken, besonders aber die taube widrige Empfindung, welche in dem Periosteum über allen Knochen des ganzen Körpers ihren Sitz zu haben scheint – alle erschienen. Dieser Paroxysmus dauert zwei bis drei Stunden jedesmal, und erneuerte sich, wenn ich diese Gabe wiederholte, sonst nicht. Ich hörte auf und war gesund“.

In der Homöopathie wird China officinalis nicht in der Urtinktur, sondern in der potenzierten Form angewendet.

Die Symptome Patienten / -innen, für die China als Arznei in Frage kommen kann, beschreiben sich als schwach und gleichzeitig überreizt und überempfindlich.

Das Herz kann geschwächt, der Kreislauf beeinträchtigt und das Blut „ausgelaugt“ sein. Die Schwäche kann vom Verlust von Körpersäften wie reichlichen Blutungen, häufigen Durchfällen, starken Schweißen oder langen Eiterungen herrühren. Abmagerung und

Anämie sowie Ohnmachtsanfälle und Ohrenklingeln können die Folge sein.

Ein weiteres sehr ausgeprägtes Merkmal bei dieser Arznei ist die Periodizität. Periodisch auftretendes Fieber, wie z.B. bei Malaria, aber auch andere akute oder chronische fiebrige Erkrankungen und Schmerzzustände können nach China verlangen. Die Symptome erscheinen dann immer zur selben Stunde oder beispielsweise alle zwei Tage, wöchentlich oder regelmäßig zur gleichen Jahreszeit. (z.B. Asthma, das nur im Herbst auftritt).

Menschen, bei denen China als Arznei in Betracht gezogen werden kann, besitzen ein über-empfindliches Nervenkostüm und reagieren auf Schmerzen äußerst stark - vergleichbar einem Baum ohne Rinde: schutzlos und sehr schutzbedürftig. Jede Erschütterung oder Berührung, vor allem leichte Berührung, verschlimmert derart, dass sie auf keinen Fall berührt werden möchten. Ein harter fester Druck und Wärme hingegen bessern die Beschwerden.

Die Neuralgien, wie wir sie im körperlichen Bereich sehen können, sind auch auf die geistige und emotionale Ebene übertragbar. Auf Grund ihres überreizten Zustandes sind sie unzufrieden und unbeherrscht und zur gleichen Zeit total erschöpft.

Die Persönlichkeit Die „China-Persönlichkeit“ ist introvertiert, autark und idealistisch. Werden ihr tiefe Gespräche und warme Gefühle entgegengebracht, kann „das Eis gebrochen werden“ so wie auch im physischen Bereich ein fester Druck und warme Anwendungen es vermögen, den Zustand zu bessern. Oberflächliche Gespräche sowie leichte Berührung mag sie nicht. Auf Grund ihrer starken Erregbarkeit wird alles, was die Sinne aufnehmen, intensiver empfunden und lebhafter wahrgenommen. Das Fühlen und Denken ist feiner und tiefer mit einem ausgeprägten Gespür für das Schöne und einem entsprechenden Hang zur Kunst. Allerdings kann sie sich auch in Luftschlössern und Phantasiegebilden „verlieren“.

Sie besitzt eine sehr große Vorstellungskraft, der sie Ausdruck verleihen muss. So finden wir interessante Vertreter in der Literatur. Das bekannteste und humoristischste Beispiel hierfür ist der liebenswerte Träumer Walter Mitty. Ein „Held“, dem James Thurber in seiner Short Story „The Secrete Life of Walter Mitty“ aus dem Band „My World and Welcome to it“ Leben eingehaucht hat. (Auch zu belächeln in der gleichlautenden Verfilmung mit Danny Kaye von 1942.)

Wie Walter Mitty können auch Menschen, für die China zum Heilmittel werden kann, wachgehalten von eskapistischer Phantasie im Bett liegen und große Taten planen, die tags so leider nicht bestehen werden - oder doch? Vielleicht wäre hier eine homöopathische Gabe von China - vor allem dann, wenn auch die anderen Symptome nach China „verlangen“ - ein Segen und ließe aus den nächtlichen Träumen eine tag- und tatsächliche Realität werden.

Auch manchen „pubertierenden Teenies“ und „naschenden Sweeties“ und deren Eltern wird diese Mischung aus großer Sensibilität, starkem Idealismus und beißendem Sarkasmus bekannt vorkommen. Eventuell wäre China hier eine Arznei für diese Lebensphase, vorausgesetzt obiges Arzneimittelbild spiegelte sich auch auf allen anderen Ebenen im Arzneimittelbild China wider.

Helga Baer, Heilpraktikerin, Klassische Homöopathie

Am Wasser 51, 14548 Schwielowsee

www.helgabaer.de [email protected]