Arzneiverordnung in der Praxis - akdae.de · Niedrig dosiertes Colchicin bei koronarer...

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Immunsuppression bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Seite 138 Behandlung der Herzinsuffizienz. Gibt es einen Klasseneffekt bei Beta-Rezeptorenblockern? Seite 140 Apixaban zur Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern Seite 142 Klinische Ergebnisse bei der Antibiotikatherapie von Infektionen des Respirationstraktes im Procalcitonin-Algorithmus Seite 143 Die therapieresistente Hypertonie Seite 144 Hydrochlorothiazid oder Chlortalidon? Seite 146 Niedrig dosiertes Colchicin bei koronarer Herzkrankheit? Noch ist alles offen Seite 146 Constella ® (Linaclotid) Seite 148 Xarelto ® (Rivaroxaban) – neu zugelassene Indikation Seite 150 Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) in der Schwangerschaft Seite 153 Anwendung von Rizinusöl in der Geburtshilfe Seite 154 „Rein pflanzlich“ – und doch gefährlich: die Aristolochia-Säure aus der Osterluzey Seite 156 Ramipril zur Behandlung der Claudicatio intermittens Seite 158 Antihypertensive Therapie bei Älteren: vorsichtig und einschleichend beginnen! Seite 159 Orale Impfung gegen Rotaviren wird in England in den Impfkalender aufgenommen Seite 160 Terminankündigung Seite 160 Das aktuelle Thema Therapie aktuell Arzneimittel – kritisch betrachtet Neue Arzneimittel Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Zitate Was uns sonst noch auffiel In eigener Sache Arzneiverordnung in der Praxis Impressum Herausgeber: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. W.-D. Ludwig (Vorsitzender) Wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. J. Bausch, Dr. med. K. Ehrenthal, Frau Prof. Dr. med. U. Gundert-Remy, Prof. Dr. med. R. Lasek, Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen, Prof. Dr. med. U. Schwabe, M. Voss, Arzt, Vorstand der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Chefredakteur: Prof. Dr. med. D. Höffler Stellvertretender Chefredakteur: Dr. med. M. Zieschang Anschrift der Redaktion: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Postfach 12 08 64 10598 Berlin Telefon: 0 30 / 40 04 56-5 00 Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55 E-Mail: [email protected] www.akdae.de ISSN 0939-2017 Realisation und Vertrieb: Triple MPR Group Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 19 01 30, D-53037 Bonn, E-Mail: [email protected],Telefax: 02 28 /22 45 11 Druck: Franz Paffenholz GmbH, Bornheim Abonnement: Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für 4–6 x AVP einschl. Sonderhefte Therapieemp- fehlungen beträgt EUR 39,– (für Studenten: EUR 19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anfor- derung richten Sie bitte an die Arzneimittel- kommission [email protected]. Bezug im Jahres- abonnement, Kündigung zum Jahresende. Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arzneiver- ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationen prinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie in jeder anderen Zeitschrift – haben. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zur Dosierung und auch zu den Preisen kann keine Gewähr übernommen werden. Trotz sorgfältiger Recherche bitten wir Sie dringend, die aktuellen Angaben des jeweiligen Her- stellers zu beachten. Die gemäß Arzneimittel-Richt- linien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu ver- öffentlichenden Therapieempfehlungen in ihrer aktu- ellen Fassung werden als solche gekennzeichnet. © Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2013 Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013 Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeutische Industrie entstand und begann, für ihre Produkte zu werben, wurde 1911 auf dem Kongress für Innere Medizin der Grundstein für die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gelegt. Die Aufgabe der seinerzeit berufenen Kommission sollte es sein, die Ärzteschaft durch Ärzte unabhängig und objektiv zu informieren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heutigen Tag, u. a. mit diesem Heft. Arzneiverordnung in der Praxis ist Mitglied der International Society of Drug Bulletins (www.isdbweb.org)

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Immunsuppression bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Seite 138

Behandlung der Herzinsuffizienz. Gibt es einen Klasseneffektbei Beta-Rezeptorenblockern? Seite 140

Apixaban zur Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolienbei Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern Seite 142

Klinische Ergebnisse bei der Antibiotikatherapie von Infektionendes Respirationstraktes im Procalcitonin-Algorithmus Seite 143

Die therapieresistente Hypertonie Seite 144

Hydrochlorothiazid oder Chlortalidon? Seite 146

Niedrig dosiertes Colchicin bei koronarer Herzkrankheit?Noch ist alles offen Seite 146

Constella® (Linaclotid) Seite 148

Xarelto® (Rivaroxaban) – neu zugelassene Indikation Seite 150

Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) in der Schwangerschaft Seite 153

Anwendung von Rizinusöl in der Geburtshilfe Seite 154

„Rein pflanzlich“ – und doch gefährlich: die Aristolochia-Säure aus der Osterluzey Seite 156

Ramipril zur Behandlung der Claudicatio intermittens Seite 158

Antihypertensive Therapie bei Älteren: vorsichtig und einschleichend beginnen! Seite 159

Orale Impfung gegen Rotaviren wird in Englandin den Impfkalender aufgenommen Seite 160

Terminankündigung Seite 160

Das aktuelle Thema

Therapie aktuell

Arzneimittel – kritisch betrachtet

Neue Arzneimittel

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Zitate

Was uns sonst noch auffiel

In eigener Sache

Arzneiverordnungin der Praxis

ImpressumHerausgeber:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. W.-D. Ludwig (Vorsitzender)Wissenschaftlicher Beirat:Dr. med. J. Bausch,Dr. med. K. Ehrenthal,Frau Prof. Dr. med. U. Gundert-Remy,Prof. Dr. med. R. Lasek,Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen,Prof. Dr. med. U. Schwabe,M. Voss, Arzt, Vorstand der Arzneimittelkommission derdeutschen ÄrzteschaftChefredakteur:Prof. Dr. med. D. Höffler Stellvertretender Chefredakteur:Dr. med. M. ZieschangAnschrift der Redaktion:Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftPostfach 12 08 6410598 BerlinTelefon: 0 30 / 40 04 56-5 00Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55E-Mail: [email protected] 0939-2017Realisation und Vertrieb:Triple MPR Group Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 19 01 30, D-53037 Bonn, E-Mail: [email protected],Telefax: 0228/224511Druck: Franz Paffenholz GmbH, BornheimAbonnement:Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für4–6 x AVP einschl. Sonderhefte Thera pie emp -feh lungen beträgt EUR 39,– (für Stu den ten: EUR19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anfor-derung richten Sie bitte an die Arznei mittel -kommission [email protected]. Bezug im Jahres-abonnement, Kündigung zum Jahresende.Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arznei ver -ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationenprinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie injeder anderen Zeitschrift – haben. Für die Richtigkeitund Vollständigkeit der Angaben zur Dosierung undauch zu den Preisen kann keine Gewähr übernommenwerden. Trotz sorgfältiger Recherche bitten wir Siedringend, die aktuellen Angaben des jeweiligen Her-stellers zu beachten. Die gemäß Arznei mittel-Richt -linien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu ver-öffentlichenden Therapie empfeh lun gen in ihrer aktu-ellen Fassung werden als solche gekennzeichnet.© Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2013

Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeutischeIndustrie entstand und begann, für ihre Produkte zuwerben, wurde 1911 auf dem Kongress für InnereMedizin der Grundstein für die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft gelegt. Die Aufgabe derseinerzeit berufenen Kommission sollte es sein, dieÄrzteschaft durch Ärzte unabhängig und objektiv zuinformieren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heu tigenTag, u. a. mit diesem Heft.

Arzneiverordnung in der Praxis ist Mitglied der International Society of Drug Bulletins(www.isdbweb.org)

138 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Immunsuppression bei chronisch entzündlichenDarmerkrankungenEtwa 60 % der Patienten mit MorbusCrohn und 50 % der Patienten mitColitis ulcerosa weisen einen chronischaktiven oder rezidivierenden Verlauf auf.Dies kann zur strukturellen und funktio-nellen Schädigung des Darmes, vermin-derter Lebensqualität und Beeinträch -tigung der Arbeitsfähigkeit führen. Ran-domisierte kontrollierte Therapiestudien,Beobachtungsstudien großer Behand-lungszentren sowie bevölkerungsbasierteKohortenstudien zeigen, dass durch dieimmunsuppressive Therapie der lang -fristige Verlauf von Patienten mit chro-nisch entzündlicher Darmerkrankungoft erheblich gebessert werden kann.Aktuelle deutsche (DGVS) und europä -ische (ECCO) Leitlinien geben Hinweiseauf den differenzierten Einsatz sowohlder konventionellen Immunsuppressiva(Azathioprin/6-Mercaptopurin, Metho -trexat, Cyclosporin A, Tacrolimus) alsauch der Biologika (Infliximab, Adalimu-mab) bei Morbus Crohn und Colitis ul-cerosa (1–4). Mercaptopurin, Methotr-exat, Cyclosporin A und Tacrolimus sindallerdings zur Behandlung des MorbusCrohn und der Colitis ulcerosa nicht zu-gelassen, stellen also einen Off-Label-Use dar.

Morbus CrohnAkuter SchubBeim akuten Morbus Crohn wird primäreine Steroidtherapie empfohlen, beimleicht bis mäßig aktiven Morbus Crohnund Lokalisation im terminalen Ileumund Colon ascendens primär mit demtopisch wirksamen Steroid Budesonid,ansonsten mit systemisch wirksamenKortikosteroiden, z. B. Prednison, Pred-nisolon, Methylprednisolon. Bei Steroid-versagen oder Frührezidiv nach Stero-idreduktion stellen die Anti-TNF-Anti-körper Infliximab oder Adalimumab eineOption dar, Infliximab eventuell in Kom-bination mit einem konventionellen Im-munsuppressivum (in der Regel Aza-thioprin). Lediglich bei Patienten, die

nach längerer Remission ein Rezidiventwickeln, wird eine erneute Stero-idtherapie in Kombination mit einemkonventionellen Immunsuppressivum(in der Regel Azathioprin) empfohlen.Methotrexat kann eine Alternative fürAzathioprin sein.

Rationale für diese Empfehlung ist, dassder Wirkungseintritt von Azathioprinlangsam erfolgt und die Substanz somitnicht für eine rasche Remissionsinduk -tion geeignet ist. Andererseits ist diekombinierte Therapie mit Infliximabplus Azathioprin kurz- und langfristig(steroidfreie Remissionsrate 57 % bzw.46% nach 26 bzw. 50 Wochen) wirk -samer als die Infliximab-Monotherapie(44 % bzw. 35 % nach 26 bzw. 50 Wo-chen) oder die Azathioprin-Monothera-pie (30 % bzw. 24 % nach 26 bzw. 50 Wo-chen) (SONIC-Studie).

RemissionserhaltungPatienten mit Morbus Crohn und einemvoraussichtlich komplizierten Erkran-kungsverlauf sollten eine immunsup-pressive Remissionserhaltungstherapieerhalten. Dazu zählen Patienten mit derNotwendigkeit einer systemisch wirksa-men Steroidtherapie beim ersten Er-krankungsschub, jungem Alter bei Erst-diagnose, ileocolischer Lokalisationsowie perianalem Befall. Beim Vorhan-densein von mindestens zwei dieser Prä-diktoren wird eine frühzeitige immun-suppressive Therapie empfohlen.

Nach Remissionsinduktion durch syste-misch wirksame Kortikosteroide istAzathioprin Medikament der erstenWahl. Langfristig profitieren ca. zweiDrittel der Patienten davon. Bei Azathio-prin-Unverträglichkeit können 6-Mer-captopurin oder Methotrexat eingesetztwerden. Die langfristigen Daten zuMethotrexat sind insgesamt spärlich, esprofitieren ca. 40 % der initialen Respon-der, bei Azathioprin-Versagern ist der

langfristige Nutzen von Methotrexatjedoch wahrscheinlich geringer, so dassdiese Patienten besser eine Anti-TNF-Therapie erhalten.

Patienten, die auf eine Anti-TNF-Thera-pie mit Infliximab oder Adalimumabansprechen, profitieren in der Mehrzahlvon der fortgesetzten Anti-TNF-Thera-pie. Die sekundäre Therapieversager-rate beträgt langfristig ca. 40 %. Dersekundäre Wirksamkeitsverlust kannverschiedene Gründe haben: 1. Bildung von Antikörpern gegen den

eingesetzten Anti-TNF-Antikörper, 2. Abfall des Anti-TNF-Antikörper-Spie-

gels durch andere Mechanismen, 3. Resistenz des Entzündungsprozesses

gegenüber der Anti-TNF-Therapie.

Durch Messung von Medikamenten-Talspiegeln sowie Medikamenten-Anti-körpern, deren Bestimmung jedochnoch nicht standardisiert ist und aktuellnicht zur Routine zählt, können dieseMechanismen unterschieden werden.Im Falle von niedrigen Medikamenten-Talspiegeln und nicht nachweisbarenMedikamenten-Antikörpern kann dieDosis des eingesetzten Anti-TNF-Anti-körpers intensiviert werden (Infliximab10 mg/kg Körpergewicht anstatt 5 mg/kgKörpergewicht, Dosisintervall 6 oder4 Wochen anstatt 8 Wochen; Adalimu-mab Dosisintervall 1 Woche anstatt2 Wochen). Im Falle eines nicht mess -baren Talspiegels und Nachweis vonMedikamenten-Antikörpern, sollte aufeinen anderen Anti-TNF-Antikörper ge-wechselt werden. Bei nicht ausreichen-dem Talspiegel sollte das Therapieprin-zip geändert werden.

Dauer der immunsuppressivenTherapieFrüher wurde eine mindestens vier-jährige Remissionserhaltungstherapiemit Azathioprin empfohlen. Da aberauch nach langfristiger Therapie das

Das aktuelle Thema

Rezidivrisiko nach Absetzen des Medika-ments erhöht ist, insbesondere, wenntrotz klinischer Remission Hinweise füreine Entzündungsaktivität bestehen,sollte die Entscheidung zum Absetzennicht durch die Therapiedauer, sonderndie Entzündungsfreiheit (Blutbild, CRP,eventuell Calprotectin im Stuhl, Endos -kopie, Ultraschall) begründet werden.Für Methotrexat gibt es keine Daten,die eine Empfehlung zur Therapiedauererlauben. Als Orientierungshilfe könnendie Azathioprindaten dienen.

Nach Beendigung einer remissions -erhaltenden Therapie mit Anti-TNF-Antikörpern ist das Rezidivrisiko relativhoch. In einer retrospektiven Unter -suchung lag es bei ca. 50 % innerhalbvon 1,5 Jahren; allerdings verblieben ca.ein Drittel der Patienten auch langfristigohne Therapie in Remission. Ähnlichwie für Azathioprin gilt auch für dieAnti-TNF-Dauertherapie, dass nicht nurdie klinische Remission, sondern auchdie Entzündungsfreiheit für die Ent-scheidung zur Therapiebeendigung her-angezogen werden sollte.

Bei einer dualen Immunsuppression miteinem konventionellen Immunsuppres-sivum, z. B. Azathioprin, und einemAnti-TNF-Antikörper sollte nach Errei-chen einer stabilen Remission wegen derpotenziell erhöhten Nebenwirkungsratedie Beendigung eines der beiden Medika-mente angestrebt werden.

Colitis ulcerosaAkuter SchubBei schwerem Colitis-Schub werdenprimär systemisch wirksame Corti -costeroide p.o. oder i.v. empfohlen. BeiSteroidversagen können Cyclosporin-A,Tacrolimus oder ein Anti-TNF-Anti -körper eingesetzt werden. Bei Patientenmit i.v.-steroidrefraktärer Colitis ulcero-sa waren Cyclosporin-A und Infliximabin einer vergleichenden Untersuchunggleich wirksam. Das primäre Anspre-chen innerhalb einer Woche betrugca. 85 %, die Colektomie-Rate innerhalbvon 3 Monaten ca. 20 %.

Ähnlich wie beim Morbus Crohn ist auchbei der Colitis ulcerosa die Kombinati-onstherapie mit Infliximab plus Azathio-

prin wirksamer ist als die Monotherapie(Ansprechrate nach 16 Wochen in derKombinationsgruppe 77 %, in der In -fliximab-Gruppe 69 %, in der Azathio-prin-Gruppe 50 %) (UC-SUCCESS Stu-die). Bei Patienten mit mäßig bis schweraktiver Colitis ulcerosa und Versagenvon Corticosteroiden und/oder Immun-suppressiva erwies sich auch Adalimu-mab als wirksam, allerdings nur ineiner höheren Induktionsdosis als beimMorbus Crohn (160/80 mg in Woche0/2). Ob auch im Falle von Adalimumabein Vorteil für eine Kombination mitAzathioprin besteht, ist nicht bekannt.

RemissionserhaltungPatienten, die unter der etablierten remis-sionserhaltenden Therapie mit Aminosa-licylaten häufige oder schwere Schübeerleiden, sollten nach erneuter Remis -sionsinduktion eine immunsuppressiveTherapie, bevorzugt mit Azathioprinoder 6-Mercaptopurin erhalten. Patien-ten, die durch eine Anti-TNF-Therapiein Remission kamen, können dieseTherapie zur Remissionserhaltung fort-setzen. Das frühe vollständige Anspre-chen auf eine Anti-TNF-Therapie ist einguter prognostischer Indikator, der aufeine hohe langfristige Remissionsrateunter einer Anti-TNF Erhaltungsthera-pie hinweist, wie für Infliximab gezeigtwurde. Für eine Empfehlung zur opti-malen Dauer einer remissionserhalten-den immunsuppressiven Therapie beiColitis ulcerosa gibt es keine Daten; esliegt daher nahe, sich ähnlich wie beimMorbus Crohn zu verhalten.

ArzneimittelsicherheitDer Einsatz immunsuppressiver Medi-kamente erfordert die Beachtung not-

wendiger Voruntersuchungen, z. B. denAusschluss von Tuberkulose und chroni-scher Hepatitis B bei geplanter Anti-TNF-Therapie, und Verlaufskontrollen,um die Therapie sicher zu gestalten undinsbesondere um infektiöse Komplika-tionen zu vermeiden. Auch dazu gebendie Leitlinien Hinweise. Der Impfschutzsollte komplettiert sein.

Literatur1. Hoffmann JC, Preiss JC, Autschbach F

et al.: [Clinical practice guideline ondiagnosis and treatment of Crohn's di-sease]. Z Gastroenterol 2008; 46: 1094-1146.

2. Dignass A, Preiss JC, Aust DE et al.:[Updated German guideline on dia-gnosis and treatment of ulcerative co-litis, 2011]. Z Gastroenterol 2011; 49:1276-1341.

3. Dignass A, van AG, Lindsay JO et al.:The second European evidence-basedConsensus on the diagnosis and mana-gement of Crohn's disease: Currentmanagement. J Crohns Colitis 2010; 4:28-62.

4. Travis SP, Stange EF, Lemann M et al.:European evidence-based Consensuson the management of ulcerative coli-tis: Current management. J CrohnsColitis 2008; 2: 24-62.

InteressenkonflikteDer Autor erhielt Vortragshonorare vonAbbott, Dr. Falk, medUpdate, RecordatiBeratertätigkeit für Dr. Falk

Prof. Dr. med. Volker Gross, [email protected]

139Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

FAZIT

Therapieziel bei Morbus Crohn und Coli-tis ulcerosa ist das Erreichen einer lang-fristigen Remission und einer gutenLebensqualität. Bei Patienten mit stero-idrefraktären akuten Krankheitsschü-ben, Steroidabhängigkeit, chronischaktivem Verlauf oder häufigen Rezidivensind Immunsuppressiva indiziert. Es ste-hen die konventionellen Immunsuppres -

siva Azathioprin (erste Wahl), 6-Mer-captopurin, Methotrexat, Cyclosporin Aund Tacrolimus sowie die Anti-TNF-Anti-körper Adalimumab und Infliximab zurVerfügung. Der Impfstatus sollte kom-plettiert werden. Aktuelle Leitliniengeben Hinweise für ihren differenziertenEinsatz.

140 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Therapie aktuell

Behandlung der Herzinsuffizienz. Gibt es einen Klasseneffektbei Beta-Rezeptorenblockern?1960 wurden die Beta-Rezeptoren-blocker in die Kardiologie eingeführt.Wegen der negativ inotropen Eigen-schaften galten sie bei Herzinsuffizienzals kontraindiziert. Erste Versuche mitPronethanol (einem frühem Beta-blocker) führten auch zu dramatischenVerschlechterungen. Nach der Erkennt-nis einer erhöhten Sympathikusaktivitätbei Patienten mit einer Herzinsuffizienzkam es bei der Behandlung mit Beta-blockern zu ersten Erfolgen, die Endedes letzten Jahrhunderts mit Langzeit-studien belegt werden konnten.

Langzeitstudien (MDC-, CIBIS-, USCP-,MERIT-HF-, COPERNICUS-, SENIORS-Studien) führten zur Zulassung beider Indikation „chronische Herzinsuffi-zienz“ für Bisoprolol, Carvedilol, Meto-prololsuccinat und Nebivolol meist inKombination mit ACE-Hemmern undDiuretika, gegebenenfalls mit Herzgly-kosiden (Bisoprolol, Carvedilol, Meto-prololsuccinat) und bei ≥ 70-jährigenPatienten zur Standardtherapie (Nebivo-lol). Atenolol, Bucindolol und Metopro-loltartrat wurden nach den Ergebnissenvon Langzeitstudien zur Behandlungder chronischen Herzinsuffizienz nichtzugelassen (Sturm et al., COMET- undBEST-Studie (1)). Bei den Substanzen,die zur Behandlung der chronischenHerzinsuffizienz heute zugelassen sind,konnte konfirmatorisch eine Reduktiondes primären Endpunktes nachgewiesenwerden (Gesamt-Mortalität bei Bisopro-lol, Carvedilol und Metoprololsuccinatund des kombinierten Endpunktes Ge-samt-Mortalität oder Hospitalisationwegen kardiovaskulärer Erkrankung beiNebivolol).

Systematische Übersichten, Meta-Analy-sen, Netzwerk-Meta-Analysen und Bayesi-an Netzwerk-Meta-Analysen legen nahe,dass es sich bei der Behandlung der chro-nischen Herzinsuffizienz mit Beta-blockern um einen Klasseneffekt han-

delt und dass keine der Substanzen alsüberlegen hinsichtlich der Wirksamkeiteingestuft werden kann (2).

Führt man Meta-Analysen zur Erken-nung der Variationsbreite der Ergebnis-se von Originalstudien durch, mussdie Wahl der Parameter berücksichtigtwerden. Da die Fallzahl in den hier vor-liegenden Studien sehr unterschiedlichwar, ist es deshalb notwendig, sowohl dieOdds ratio als auch das relative Risikound die Risikodifferenz zu verwenden.Ferner ist zu berücksichtigen, ob einFixed-effect- oder ein Random-effect-Model verwandt wird. Beim Fixed-effect-Model geht man davon aus, dass jedeStudie den gleichen Therapieeffekt hatund Unterschiede nur durch den Zufallbestehen. Die Verteilung des Therapie -effektes sollte normal sein, es wird nurdie Varianz innerhalb der Studien, abernicht zwischen den Studien berücksich-tigt. Eine Generalisierbarkeit auf die Ge-samtpopulation ist nicht möglich.

Beim Random-effect-Modell bestehtkein einheitlicher („fixer“) Therapieef-fekt. Zwischen den Studien können un-einheitliche Ergebnisse bestehen. Dieseuneinheitlichen Ergebnisse sollten nor-mal verteilt sein. Mit dem Random-effect-Modell wird die Varianz zwischenden Gruppen bestimmt, womit eine Ge-neralisierbarkeit auf Populationen mög-lich ist. Eine Heterogenität kann mitdem Chi²-Test bestimmt werden. Liegtkeine Signifikanz vor, kann man voneiner Homogenität ausgehen und dasFixed-effect-Modell anwenden. Bei Sig-nifikanzen ist wegen der Heterogenitätdas Random-effect-Modell notwendig.Bei der Inkonsistenz (I²) geht man voneiner unbedeutenden Heterogenität aus,wenn sie zwischen 0 und 40 % liegt, voneiner mittelgradigen zwischen 30 und60 %, von einer substantiellen zwischen50 und 90 % und von einer beträcht -lichen zwischen 75 und 100%. Die Ana-

lyse kann mit der Inverse-Varianz-Me-thode, mit der Peto-Methode oder mitder Mantel-Haenszel-Methode durchge-führt werden. Bei der Inverse-Varianz-Methode geht man davon aus, dass, jekleiner der Standardfehler ist, destogrößer das Gewicht einer Studie ist. DiePeto-Methode ist geeignet, wenn nurkleine Therapie-Effekte bestehen unddie Ereignisse nicht sehr häufig sind. Essollten annähernd gleich viele Patientenin der experimentellen und in der Kon-trollgruppe vorliegen. Die besten stati-stischen Eigenschaften liegen beimMantel-Haenszel-Test vor. Dieser istauch anwendbar bei kleineren Studienmit niedriger Fallzahl und stärkererVarianz. Da bei den Studien sehr unter-schiedliche Patientenzahlen vorlagenund die Ergebnisse auch innerhalb derStudien bei einer mittelgradigen Hete-rogenität variierten, wurden alle Metho-den (Inverse Varianz, Peto, Mantel-Haenszel) und Modelle (Fixed- und Ran-dom-effect-Modell) durchgeführt. Auchwurden die Ergebnisse für das relativeRisiko, für die Odds ratio und die Risiko-differenz er mittelt und die dazugehöri-gen 95 % Konfidenzintervalle berechnet.Geht man von allen 21 Studien aus, er -geben sich nach den verschiedenenMethoden, Modellen und Messparame-tern signifikante Ergebnisse zugunstender Betarezeptorenblocker. Die Ergeb-nisse veränderten sich nicht, wenn nurdie signifikanten bzw. die nicht-signifi-kanten Studien zusammengefasst wur-den. Wurden Studien mit < 500 Patien-ten zusammengefasst, kam es nur nochzum Teil zu grenzwertigen Signifikan-zen, bei < 300 Patienten lagen keinesignifikanten Unterschiede zwischen derVerum- und der Kontrollgruppe vor.

Während mit Carvedilol und Bisoprololbei sämtlichen Methoden, Modellen undMessparametern signifikante Ergebnissevorliegen, zeigen sich unter Metoprololteilweise nicht-signifikante Ergebnisse,

141Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

und bei Atenolol, Bucindolol und Nebivo-lol liegen keine signifikanten Ergebnissehinsichtlich der Gesamt-Mortalität vor.Diese Fakten sprechen gegen einen Klas-seneffekt der Betarezeptorenblocker beider Behandlung der chronischen Herzin-suffizienz und geben Carvedilol und Biso-prolol bei dieser Indikation den Vorzug.

Es ist zu vermuten, dass die Erweiterungder Meta-Analyse auf eine Netzwerk-Meta-Analyse oder eine Bayesian-Netz-werk-Meta-Analyse Ergebnisse fördern,die für einen Klasseneffekt der Beta-rezeptorenblocker bei der Behandlungder Herzinsuffizienz sprechen. Auchmuss man berücksichtigen, dass dieseVerfahren erst in der Entwicklung sind,im Vergleich zu direkten Vergleichendiskrepante Datensätze aufweisen undErgebnisse von den Inkonsistenzen undHeterogenitäten abhängen, die die Ähn-lichkeits-, Homogenitäts-, und Konsi-stenz-Annahmen nicht erfüllen (3). Un-terschiedliche Wirkungen und Wirk-samkeiten der Betarezeptorenblockerkönnten auf pharmakologischen Unter-schieden beruhen. Allen Betarezepto-renblockern ist gemeinsam, dass sie diebei der Herzinsuffizienz erhöhte Sympa-thikusaktivität reduzieren. Bei Carvedi-lol handelt es sich um eine nicht-selekti-ve Beta-Rezeptoren-blockierende Sub-stanz mit vasodilatierenden Eigenschaf-ten. Die Vasodilatation erfolgt primäraufgrund einer selektiven -Rezeptoren-blockade. Carvedilol besitzt keine intrin-sische sympathikomimetische Aktivitätund wirkt Membran-stabilisierend. Diezusätzliche vasodilatatorische Eigen-schaft könnte sich günstig aus wirken,ebenso die Membran-stabilisierendeWirkung und eine starke antioxydanteWirkung, die freie Sauerstoff- radikalebindet. Letztere Eigenschaft haben auchdie Metaboliten von Carvedilol. Carvedi-lol weist noch zusätzlich eine antiproli-ferative Wirkung auf die Zellen der glat-ten Gefäßmuskulatur auf. Bisoprolol istein hochselektiver Beta-1-Rezeptor-blocker und besitzt weder intrinsischestimulierende, noch relevante Membranstabilisierende Eigenschaften. Bisopro-lol weist nur eine geringe Affinität zu denBeta-2-Rezeptoren der glatten Muskula-tur und der Bronchien auf. Die Beta-Se-lektivität von Bisoprolol geht über den

therapeutischen Dosisbereich hinaus.Auch Metoprolol ist ein selektiver Beta-1-Rezeptorenblocker und die Dosierungist deutlich niedriger als für die Blockadevon den Beta-2-Rezeptoren. Die Mem-bran-stabilisierende Wirkung ist unbe-deutend. Nebivolol ist ein kompetitiverund selektiver Beta-Rezeptorenblocker, deraufgrund einer Wechselwirkung mit demL-Arginin/NO-Stoffwechselweg schwachevasodilatierende Eigenschaften besitzt. Dieselektive Beta-Rezeptorenblockade wirddem D-Enantiomer zugeschrieben.

Der Wirkungsmechanismus der Beta-rezeptorenblocker bei der Behandlungder Herzinsuffizienz ist noch nichteindeutig geklärt. Bei der chronischenHerzinsuffizienz kommt es zu einervermehrten Ausschüttung von Katecho-laminen, die zu einer Down-Regulationder Beta-1-adrenergen Rezeptorenführt. Durch die Gabe von Beta-1-Rezep-tor-Antagonisten kommt es zu einerUp-Regulation der Beta-1-adrenergenRezeptoren, wobei man früher ange-nommen hat, dass dies dem Wirkungs-mechanismus entspricht. In Tiermodel-len hat sich jedoch keine Korrelationzwischen der Wirksamkeit und derUp-Regulation der Beta-1-adrenergenRezeptoren ergeben. Die Wirksamkeitwird nach neueren Untersuchungen aufdas fetale Gen programm zurückgeführt.Durch eine Negativregulation der Mikro-RNAs oder Degradierung der Gen-Ex-pression kom mt es weniger häufig zuArrhythmien, Apoptose und zu einer ver-mehrten Angiogenese und Kontrakti-lität sowie zu einer Verminderung derHypertrophie und der Fibrose, was letzt-endlich dann zu einer Verbesserung derStruktur und Funktion des Herzensführen kann. Die veränderte Genexpres-sion führt zu einer vermehrten Aktivitätdes sarkoplas matischen Retikulums hin-sichtlich der Ca-ATPase und mRNA, waszu einer Vermehrung der -Myosin heavychain mRNA führt und zu einer Vermin-derung der ß-Myosin heavy chainmRNA. Die G-Protein-abhängige Signa-lisierung hat sich als kardiotoxisch er-wiesen, die ß-Arrestin-abhängige Signa-lisierung jedoch als kardioprotektiv (4).Es wird angenommen, dass Carvedilolden G-Protein-Signalweg antagonisiertund den ß-Arrestin-Signalweg stimu-

liert. Diese Untersuchungen weisen dar-auf hin, dass es unterschiedliche phar-makologische Eigenschaften gibt, diesich z. B. in einer verbesserten Wirk -samkeit von Carvedilol und Bisoprololzeigen. Diese molekulargenetischen Be-funde sprechen gegen einen Klassen -effekt der Betarezeptorenblocker bei derBehandlung der chronischen Herzinsuf-fizienz, zeigen andererseits in den weite-ren Forschungen Mechanismen auf, diebei anderen Betarezeptorenblockernverbessernd wirksam sein könnten (5).

FAZIT

Will man in der praktischen Medizinnach dem jeweiligen Stand der wissen-schaftlichen Erkenntnis therapieren,so ist zu empfehlen, vorerst Carvedilolund Bisoprolol den Vorzug gegenüberden anderen Betarezeptorenblockernbei der Behandlung der chronischenHerzinsuffizienz zu geben, bevor evtl.neuere Ergebnisse für einen Klassen -effekt sprechen. Nützlich für dieCompliance wirkt sich auch aus, dassCarvedilol nur zweimal täglich undBisoprolol sogar nur einmal täglichverordnet werden kann.

Literatur1. Sturm B, Pacher R, Strametz-Juranek

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2. Chatterjee S, Biondi-Zoccai G, AbbateA et al.: Benefits of beta blockers in pa-tients with heart failure and reducedejection fraction: network meta-analy-sis. BMJ 2013; 346: f55.

3. Kiefer C, Sturtz S, Bender R: Prüfungder Konsistenzannahme bei NetzwerkMeta-Analysen: Ein Vergleich ver-schiedener Verfahren. Freiburg: 3rdjoint Statistical Meeting DAGStat,March 18–22, 2013: 297.

4. Lowes BD, Gilbert EM, Abraham WT etal.: Myocardial gene expression in dila-ted cardiomyopathy treated with beta-blocking agents. N Engl J Med 2002;346: 1357-1365.

142 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Die europäische Agentur für die Zu -lassung von Arzneimitteln (EuropeanMedicines Agency, EMA) hat am 20. No-vember 2012 für Apixaban, einem neuenoralen Blutgerinnungshemmer, eineErweiterung der Indikationen vorge-nommen. Diese betrifft die Prophylaxevon Schlaganfällen und systemischenEmbolien bei erwachsenen Patientenmit nichtvalvulärem Vorhofflimmernund einem oder mehreren Risikofakto-ren wie Schlaganfall oder TIA in derAnamnese, Alter ≥ 75 Jahre, Hypertonie,Diabetes mellitus, symptomatische Her-zinsuffizienz (NYHA Klasse ≥ II). Apixa-ban ist ein hochwirksamer, oraler, rever-sibler, direkter, hochselektiver Inhibitordes aktiven Zentrums von Faktor Xa.

Die empfohlene Dosis ist 2 x täglich5 mg oral. Dosisanpassungen sind in derFachinformation (1) vom Februar 2013genau beschrieben und betreffen ver -gessene Einnahme, Umstellungen, ein-geschränkte Nieren- und/oder Leber-funktion, Körpergewicht, Geschlecht,ältere Patienten, Kinder und Jugend -liche, Art der Anwendung. Ebenso sindaufgeführt die Gegenanzeigen, besonde-re Warnhinweise und Vorsichtsmaßnah-men für die Anwendung, Wechselwir-kungen mit anderen Arzneimitteln undsonstige Wechselwirkungen, Schwan-gerschaft, Stillzeit, sowie Auswirkungenauf die Verkehrstüchtigkeit und dieFähigkeit zum Bedienen von Maschinen.Nebenwirkungen sind vor allem Blut -ungen und deren Folgen. Beobachtetwurden jedoch auch Thrombozyto -penien, Überempfindlichkeitsreaktio-nen, Übelkeit und Erhöhung der Trans -aminasen. Die Pharmakokinetik, eineMessung der gerinnungshemmenden

Wirkung, die Maßnahmen bei Blutun-gen sind im Leitfaden der Arzneimittel-kommission der deutschen Ärzteschaft:„Orale Antikoagulanzien bei nicht -valvulärem Vorhofflimmern nachzule-sen“ (2). Die Grundlage für die Zulas-sung waren die AVERROES- und dieARISTOTLE-Studie. Bei ersterer erfolgteein Vergleich mit Acetylsalicylsäure,wobei die Studie vorzeitig wegen einesdeutlich geringeren Risikos für einenSchlaganfall oder eine systemische Em-bolie in der Apixaban-Gruppe abgebro-chen wurde. Bei letzterer erfolgte derentscheidende Vergleich mit Warfarinbei 18.201 Patienten mit Vorhofflim-mern und mindestens einem zusätz -lichen Risikofaktor (3). Wie schon dieRE-LY-Studie (Dabigatran) und dieROCKETS AF-Studie (Rivaroxaban)wurde die ARISTOTLE-Studie randomi-siert verblindet als Nicht-Unterlegen-heitsstudie von Apixaban gegenüberWarfarin durchgeführt. Getestet werdensollte eine Nicht-Unterlegenheit, wennApixaban in Relation zu Warfarin dieobere Grenze des zweiseitigen 95 % Kon-fidenzintervalls des relativen Risikos von1,38 oder beim 99 %igen Konfidenzin-tervall von 1,44 nicht überschreitet. Fürden primären Endpunkt Schlaganfalloder systemische Embolie ergab sicheine Hazard Rate von 0,79 bei einem99 %igen Konfidenzintervall von 0,66 –0,95, also Überlegenheit (p = 0,01), auchfür größere Blutungen (p < 0,001),wobei allerdings eine zuvor festgelegtePower von 90 % beim primären Wirk-samkeitsendpunkt nicht erreicht wer-den konnte. Bezüglich eines hämorrha-gischen Schlaganfalls kam es zwar zueiner sehr deutlichen relativen Risiko -reduktion von 49 % jedoch nur von

0,42 % bei der absoluten Risikoreduk -tion, sodass 238 Patienten über 1,8 Jahrebehandelt werden müssen, um einenhämorrhagischen Schlaganfall zu ver-meiden.

Bei der Subgruppenanalyse fällt auf, dassbei Patienten evtl. keine präventiveWirkung besteht, wenn sie z. B. zuvormit Vitamin-K-Antagonisten behandeltwurden, unter 65 Jahren waren, Vor-hofflimmern nur paroxysmal auftrat,eine Herzinsuffizienz oder ein niedrigerCHADS(2)-Score (Score 1 und 2) vorlagund das Kollektiv aus Europa stammte(bessere INR-Einstellung des Phenpro-coumon?). Bei der Subgruppenanalysezeigte es sich, dass größere Blutungenunter Apixaban verglichen mit Warfarinnicht signifikant seltener auftraten (4).Dies traf für die Subgruppen < 65, pa-roxysmales Vorhofflimmern, Diabetesmellitus, Patienten ohne Nierenfunkti-onsstörungen und Europäern zu. Es er-geben sich daraus Zweifel, inwiefern dieErgebnisse auf die gesamte Bevölkerungübertragbar sind. Man muss sich insbe-sondere fragen, wie sähe das Ergebnisaus, wenn in der Warfarin-Gruppe einehöhere Rate der INR-Einstellungen zwi-schen 2,0 – 3,0 bestanden hätte (5)?Berücksichtigt werden sollte ferner, dasskeine gesicherte Kontrolle und Therapiebei Blutungen besteht, dass die Kom -bination der oralen Antikoagulanzien(Apixaban, Rivaroxaban, Dabigatran) mitThrombozytenaggregationshemmern(Acetylsalicylsäure und Clopidogrel) miteiner deutlichen Zunahme von Blut -ungen bei Patienten mit akutem korona-ren Syndrom verbunden ist, ohne dassein Zusatznutzen erzielt wurde (6) unddass die Behandlung mit Phenpro -

Apixaban zur Prävention von Schlaganfällen und systemischenEmbolien bei Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern

5. Wisler JW, DeWire SM, Whalen EJ etal.: A unique mechanism of beta-blocker action: carvedilol stimulatesbeta-arrestin signaling. Proc Natl AcadSci U S A 2007; 104: 16657-16662.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. K. Wink, [email protected]

143Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

coumon/Warfarin sehr viel preiswerterist (7). Wenn auch die häufig unzu -reichende Einstellung von Vitamin-K-Antagonisten der Realität entspricht,sollte in erster Linie die Einstellung ver-bessert werden, bevor man auf die neuenAntikoagulanzien umstellt. In dieserHinsicht ergibt die ARISTOLE-Studiekeine neuen Gesichtspunkte gegenüberder RE-LY- und der ROCKET AF-Studie(8;9). Die Frage, ob die neuen Antikoagu-lanzien wirklich hinsichtlich Präventionvon Schlaganfällen, TIAs und Amaurosisfugax sowie Blutungen überlegen sind,kann erst in Studien entschieden wer-den, wenn die Kontroll-Gruppe mitVitamin-K-Antagonisten mindestens in80 % auf einen INR von 2,0 – 3,0 einge-stellt ist.

2. Arzneimittelkommission der deut-schen Ärzteschaft: Leitfaden: OraleAntikoagulation bei nicht valvuläremVorhofflimmern: Empfehlungen zumEinsatz der neuen AntikoagulantienDabigatran (Pradaxa®) und Rivaroxa-ban (Xarelto®). Version 1.0. Berlin:AkdÄ, 2012.

3. Granger CB, Alexander JH, McMurrayJJ et al.: Apixaban versus warfarin inpatients with atrial fibrillation. N EnglJ Med 2011; 365: 981-992.

4. Hylek EM, Go AS, Chang Y et al.: Effectof intensity of oral anticoagulation onstroke severity and mortality in atrialfibrillation. N Engl J Med 2003; 349:1019-1026.

5. Coppens M, Eikelboom JW, Hart RG etal.: The CHA2DS2-VASc score identi-fies those patients with atrial fibrillati-on and a CHADS2 score of 1 who areunlikely to benefit from oral anticoa-gulant therapy. Eur Heart J 2013; 34:170-176.

6. Meyer FP: Einfluss oraler Antikoagu-lantien auf die Sicherheit von Patien-ten mit akutem koronarem Syndromunter einer Therapie mit Thrombo-zytenaggregationshemmern. Arznei-verordnung in der Praxis (AVP) 2013;40: 58-59.

7. Bausch J: Wirtschaftliche Verordnungin der Schlaganfallprophylaxe beinicht valvulärem Vorhofflimmern.Arzneiverordnung in der Praxis (AVP)2013; 40: 50-52.

8. Connolly SJ, Ezekowitz MD, Yusuf S etal.: Dabigatran versus warfarin in pati-ents with atrial fibrillation. N Engl JMed 2009; 361: 1139-1151.

9. Patel MR, Mahaffey KW, Garg J et al.:Rivaroxaban versus warfarin in non-valvular atrial fibrillation. N Engl JMed 2011; 365: 883-891.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. Kurt Wink, [email protected]]

FAZIT

Gut mit Vitamin K-Antagonisten ein-stellbare Patienten mit nichtvalvuläremVorhofflimmern und einem INR zwi-schen 2,0 – 3,0 sollten z. Zt. nicht aufdie neuen oralen Antikoagulanzien um-gestellt werden.

Wie wir bereits 2011 berichteten, kanneine Procalcitonin-(PCT)-gesteuerte An-tibiotika-Therapie bakterieller Infektio-nen die Exposition der Patienten gegen -über Antibiotika verkürzen und damitden Selektionsdruck auf die Mikroorga-nismen im Hinblick auf eine Resistenz-entwicklung verringern (1).

Zur Erinnerung: Der PCT-Grenzwertwurde in der zitierten Studie auf 0,5 μg/lfestgesetzt. Patienten ohne Infektion

haben sehr niedrige PCT-Werte (< 0.1μg/l), Patienten mit schweren Infektio-nen und Sepsis hingegen sehr hoheWerte. Die PCT-Konzentration steigtzwei bis drei Stunden nach Induktion anund erreicht nach 24 Stunden ihrenHöchstwert. Werte >= 2 μg/l sind inhohem Maße mit einer Sepsis assoziiert.Nach erfolgreicher therapeutischer In-tervention nehmen die PCT-Spiegel miteiner Halbwertszeit von etwa 24 Stundenwieder ab. Voraussetzung zur Verwen-

dung des PCT als Marker ist allerdings,dass die Bestimmung rasch und zu er-schwinglichen Kosten erfolgen kann.Ideal wäre die kurzfristige parallele Ver-fügbarkeit des CRP- und PCT-Tests.

Im vorliegenden Übersichtsartikel desJournals of American Medical Associati-on (2) wird die obige Aussage generell be-stätigt. Wegen der großen Schwankungs-breite bakterieller Atemwegsinfektionen,von selbstlimitierend bis lebensbedroh-

Klinische Ergebnisse bei der Antibiotikatherapie von Infektionendes Respirationstraktes im Procalcitonin-Algorithmus

Literatur1. Bristol-Myers Squibb, Pfizer EEIG: Fa-

chinformation "Eliquis® 5 mg Filmta-bletten". Stand: Februar 2013.

144 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

FAZIT

Bei der Auswertung von 14 Studien mitinsgesamt 4.211 Patienten mit Infektio-nen der Atemwege war die Messungdes PCT-Wertes und einer danach aus-gerichteten Antibiotikatherapie nichtassoziiert mit einer erhöhten Mortalitätoder häufigeren Therapieversagern.Die Ergebnisse zeigen, dass eine amPCT-Wert ausgerichtete Antibiotika -therapie bei Atemwegsinfektionen eineniedrigere Verordnungsrate von Anti-biotika und auch eine kürzere Behand-lungsdauer zur Folge hatte.

lich, werden Respirationstrakt-Infektio-nen ziemlich häufig mit Antibiotika be-handelt, auch in solchen Fällen, in denendies nicht erforderlich ist, da es sich umeine Virusinfektion handelt. Hier kannder PCT- Verlauf helfen, die Entschei-dung für oder gegen eine Antibiotikagabezu treffen.

In die Untersuchung (2) wurden insge-samt 4.211 Patienten mit Respirati-onstrakt-Infektionen jeden Schweregra-des aus 14 Studien einbezogen, die demsogenannten PCT-Algorithmus folgendentweder mit Antibiotika behandeltwurden oder unbehandelt gebliebenwaren. Der Algorithmus besagte, dasseine Antibiotika-Verordnung nur bei er-höhtem PCT-Wert erfolgen durfte undeine Antibiotikatherapie bei Normalisie-rung der PCT-Werte abgesetzt werdenmusste. Es gab keinen Mortalitätsan-stieg in der PCT-Testgruppe. Therapie-versager waren seltener in der PCT-ge-führten Gruppe, sowohl bei Patienten,die in die Notfall-Aufnahme kamen, als

Patienten, bei welchen der PCT- Wertbestimmt wurde, hatten insgesamt einekürzere Behandlungsdauer mit Anti -biotika (7 Tage gegenüber 10 Tagen).

Literatur1. Adam D: Procalcitonin (PCT) als Ver-

laufsparameter für bakterielle Infek-tionen. Arzneiverordnung in der Pra-xis (AVP) 2011; 38: 9.

2. Schuetz P, Briel M, Mueller B: Clinicaloutcomes associated with procalcito-nin algorithms to guide antibiotictherapy in respiratory tract infections.JAMA 2013; 309: 717-718.

InteressenkonflikteEin Interessenskonflikt wird vom Autorverneint

Prof. Dr. med. Dr. Dieter Adam, Mü[email protected]

auch bei CAP-Patienten. Insgesamt warauch hier die Antibiotika-Exposition derPatienten in der PCT-Gruppe niedriger.Insbesondere war dies der Fall bei COPD-Patienten (48 % mit Antibiotika behan-delte in der PCT-Gruppe gegenüber 73%in der nicht-PCT-geführten Gruppe).

Die therapieresistente Hypertonie

Im British Medical Journal wurde eineÜbersichtsarbeit zu diesem Thema pu-bliziert (1), die wir im Folgenden kurzzusammenfassen.

Ein Bluthochdruck, der mit drei Medika-menten in adäquater Dosierung inklusi-ve eines Diuretikums nicht gut ein -gestellt werden kann, wird als therapie-resistenter Bluthochdruck bezeichnet.Die Diagnose sollte mit einer Langzeit-blutdruckmessung bestätigt werden,um eine „Weißkittelhypertonie“ auszu-schließen.

Die Häufigkeit einer Therapieresistenzwird auf 10-20 % einer normalen Hoch-druckpopulation geschätzt. Diese Pati-enten haben eine um 50 % höhere Wahr-scheinlichkeit, ein kardiovaskuläres Er-

eignis innerhalb der nächsten 3,8 Jahrezu erleiden. Ursache dieses erhöhtenRisikos ist häufig eine chronischeNieren erkrankung. Charakteristisch fürPatienten mit schwer einstellbaremHochdruck sind unter anderem Alterüber 75 Jahre, Übergewicht, Diabetes,Endorganschäden und AVK.

Faktoren die mit einer „Pseudo-Resi-stenz“ einhergehen sind von Patienten-seite aus eine Weißkittelhypertonie,eine schwere Atherosklerose, fehlendeAdhärenz, nicht ausreichende Patien-tenschulung, ein schwieriges Arzt-Patientenverhältnis und psychische odermentale Probleme. Von Arztseite könneninadäquate Dosierung oder Auswahl derMedikamente, schlechte Kommunikati-on mit dem Patienten, schlechte Blut-

druckmesstechnik oder schlicht fehlen-de Kenntnisse des Arztes über Hyperto-nie eine Rolle spielen.

Eine zu schmale Manschette für dickeArme kann auch einen erhöhten Blut-druck vortäuschen.

Eine sekundäre Hypertonie, also eineHypertonie mit bekannter Ursache wie z.B. einem Nierenleiden, liegt in 5-10 %der Patienten mit therapieresistenterHypertonie vor und sollte ausgeschlos-sen werden. Blutdruckerhöhende Medi-kamente (z. B. nichtsteroidale Antirheu-matika, Cortison), hoher Salzkonsumund Volumenüberladung können dieEinstellung ebenfalls erschweren. Inbesonders schwierigen Fällen kann dieüberwachte Tabletteneinnahme mit

145Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

anschließender Blutdrucküberwachungoder auch der Nachweis von Medikamen-tenmetaboliten im Urin zur Kontrolleder Adhärenz hilfreich sein. Schon dieeinfache Befragung: “Wann nehmen Siedie Tabletten ein? Wie heißen sie oderwelche Farbe haben sie?“ kann weiter-helfen, da adhärente Patienten diesgenau angeben können.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen wieGewichtsabnahme, Vermeiden über-mäßigen Alkoholkonsums, salzarme,ballaststoffreiche, fettarme Kost helfenden Blutdruck einzustellen. Am wichtig-sten ist allerdings die Förderung der Ad-härenz durch Schulung und eine guteArzt-Patientenbeziehung.Medikamentös wird die Dreierkombina-tion ACE-Hemmer oder AT1-Blocker,Calciumantagonist und Diuretikumnicht infrage gestellt. Was soll aber alsviertes Medikament ergänzt werden?Eine doppelte RAS-Blockade wird nachder ONTARGET-Studie (2) nicht mehrempfohlen. In der NICE-Leitlinie wirddie zusätzliche Gabe von 25 mg Spirono-lacton empfohlen (Anmerkung der Re-daktion: Da Spironolacton in dieser Indi-kation nicht zugelassen ist, bedeutet dies„Off-label-Use“). Diese Empfehlung istallerdings selbst in England nicht un -umstritten (3). Der Kaliumhaushaltmuss bei dem Aldosteronatagonisteninsbesondere in der Kombination mitanderen kaliumsparenden Substanzen(in der Regel werden ja ACE-Hemmeroder AT1-Antagonisten schon einge-setzt) gut überwacht werden. Beträgt vorAnsetzen des Spironolacton der Kalium-spiegel mehr als 4,5 mval/l, braucht mandie Gabe gar nicht erst zu versuchen.Eine schmerzhafte Gynäkomastie isteine Spironolacton-Nebenwirkung, diesich noch nach Jahren entwickeln kann,nach Absetzen aber wieder reversibelist. Alternativen sind dann Amiloridoder Eplerenon. Beide sind allerdingsnicht ganz so gut blutdruckwirksam wie

Spironolacton. Amilorid ist in Deutsch-land nicht als Monopräparat erhältlich,Eplerenon ist relativ teuer (Tagesthera-piekosten 2,76 Euro) und in der Indika-tion Hypertonie ebenfalls „Off-label-Use“. Insbesondere bei älteren Patientenkann auch die Entwicklung einer Hypo-natriämie zum Absetzen zwingen.

Alternativ zur Gabe von Spironolactonkann das Diuretikum erhöht werdenund/oder ein Betablocker zusätzlich ge-geben werden. Weitere fernere Alternati-ven können Alphablocker, Alpha-Methyl-dopa, Clonidin, Dihydralazin oder Mino-xidil sein. Möglicherweise kann auch dieGabe von Medikamentenkombinationenin einer Tablette die Adhärenz ver bes -sern.

Renale Denervation und Baroreflexre-zeptorstimulation sind beides relativneue Therapieoptionen, zu denen Unter-suchungen an größeren Patientenzah-len und mit harten Endpunkten aller-dings noch ausstehen.

Eine vergleichende Studie, um die bestenBehandlungsmöglichkeit herauszufin-den, ist die noch laufende PATHWAY-Studie (Prevention And Treatment ofresistant Hypertension With Algorithmguided therapY, www.bhsoc.org/clinical_research.stm). Eine epidemiologische

Studie zur therapieresistenten Hyper -tonie ist ebenfalls unterwegs: The Resi-stant Arterial Hypertension CohortStudy (RAHyCo) (ClinicalTrials.govIdentifierNCT01083017 ).

Literatur1. Myat A, Redwood SR, Qureshi AC et al.:

Resistant hypertension. BMJ 2012;345: e7473.

2. Yusuf S, Teo KK, Pogue J et al.: Telmis-artan, ramipril, or both in patients athigh risk for vascular events. N Engl JMed 2008; 358: 1547-1559.

3. Sofat R, Casas JP, Grosso AM et al.:Could NICE guidance on the choice ofblood pressure lowering drugs be sim-plified? BMJ 2012; 344: d8078.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Dr. med. Michael Zieschang, [email protected]

FAZIT

Eine therapieresistente Hypertonie trittin 10-20 % einer normalen Hochdruck -population auf. Ein standardisiertes Vor-gehen nach Ausschluss sekundärer Ur-sachen mit der Gabe von ACE-Hemmernoder AT1-Blockern, Calciumantagoni-sten und einem Diuretikum zusammenmit nichtmedikamentösen Maßnahmenund einer Verbesserung der Adhärenz

(Therpietreue) wird vorgeschlagen. Be-tablocker treten in den Hintergrund.Kritisch diskutiert werden muss unsererAnsicht nach die Empfehlung von Spiro-nolacton als vierter medikamentöserBehandlungsoption, die bisher nichtausreichend durch Studien belegt zusein scheint.

146 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Diuretika – vor allem Thiazide – sind inniedriger Dosierung besonders für älterePatienten Antihypertensiva der erstenWahl. Zwei Wirkstoffe stehen immerwieder im Fokus des Interesses: Hydrochlorothiazid (HCT-Generika):Halbwertszeit 4 – 5 Std., Wirkungsdauer6 – 12 Std., Dosierung 12,5 mg oder25 mg täglich.

Chlortalidon (Hygroton®): Halbwertszeit35 – 54 Std., Wirkungsdauer > 48 Std.,Dosierung 12,5 mg oder 25 mg täglich,aber auch 25 mg oder 50 mg alle 2 Tage,manchmal empfohlen mit einer höherenInitialdosis von 12,5 mg bis 50 mg täg-lich.

In Deutschland wird – bezogen auf Mo-nopräparate – Hydrochlorothiazid etwa40 x häufiger verordnet als Chlortalidon,das aber in der Gunst der Ärzte zuzuneh-men scheint, da die Wirkungsdauerdurch die lange Halbwertszeit stabiler ist– selbst dann, wenn es zu Einnahmeun-regelmäßigkeiten kommt (1).

In einer retrospektiven Kohortenstudieaus Ontario/Kanada wurde Chlortalidonmit Hydrochlorothiazid verglichen (2).Einbezogen wurden Patienten ≥ 66Jahre, die die Wirkstoffe erstmals be -kamen. Der Beobachtungszeitraum er-streckte sich von 1993 bis 2010. Erfasstwurden 10.384 Chlortalidon- und 19.489Hydrochorothiazid-Patienten.

Im Mittel erhielten die Patienten27,3 mg Chlortalidon täglich (12,5 mg11 %, 25 mg 70 %, 50 mg 10 %) oder18,3 mg Hydrochlorothiazid (12,5 mg67 %, 25 mg 24 %, 50 mg 5 %).

In Bezug auf den zusammengesetztenprimären Wirksamkeitsendpunkt (Tododer Hospitalisation wegen akutemHerzinfarkt, Herzinsuffizienz oderischämischem Schlaganfall) gab es keineDifferenzen zwischen den beiden Kohor-ten (Ereignisse pro 100 Personen-Jahre):Chlortalidon 3,2 und Hydrochlorothiazid3,4 (adjustierte Hazard-Ratio mit 95 %Konfidenzintervall: 0.93 [0.81 – 1.06]).

Dagegen traten unter Chlortalidon we-sentlich häufiger Hypokaliämien (3.06[2.04 – 4.58]) und Hyponatriämien (1.68[1.24 – 2.28]) auf als unter Hydrochloro-thiazid.

Nun sind die Aussagen epidemiologi-scher Studien immer zurückhaltend zuinterpretieren, da nicht alle Faktoren(Confounder) zu kontrollieren sind. Soerhielten die Chlortalidon-Patientenhäufiger Beta-Blocker als Komedikation,während die Hydrochlorothiazid-Patien-ten häufiger orale Antidiabetika undACE-Hemmer bekamen. Außerdem er-hielten die kanadischen Patienten ver-gleichsweise hohe Chlortalidon-Dosenim Gegensatz zu Hydrochlorothiazid.

Literatur1. Oßwald H, Mühlbauer B: Diuretika.In: Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arz-neiverordnungs-Report 2012. Berlin,Heidelberg: Springer Medizin Verlag,2012; 597-611.

2. Dhalla IA, Gomes T, Yao Z et al.: Chlort-halidone versus hydrochlorothiazide forthe treatment of hypertension in olderadults: a population-based cohort study.Ann Intern Med 2013; 158: 447-455.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. em. Dr. med. Frank P. Meyer,Wanzleben-Bö[email protected]

FAZIT

Trotz aller Limitationen der vorliegendenStudie kann man sagen, dass Hydrochlo-rothiazid und Chlortalidon sich im Hin-blick auf ihre positive Wirkung nicht un-terscheiden. Unter Chlortalidon tretenaber häufiger Elektrolytentgleisungen(insbesondere Hypokaliämien) auf als

unter Hydrochlorothiazid. Möglicherwei-se hängt das mit der wesentlich längerenHalbwertszeit von Chlortalidon zusam-men, wodurch es leichter zu einer unge-wollten Kumulation kommen kann − vorallem bei älteren Patienten mit beginnen-der Einschränkung der Nierenfunktion.

Hydrochlorothiazid oder Chlortalidon?

Colchicin, ein Alkaloid der Herbstzeitlo-se (Colchicum autumnale), wurde schonvon den griechischen Ärzten des Alter-tums zur Behandlung der Gicht benutzt.Wiederentdeckt wurde diese Wirkung1814 in Großbritannien (1). Auch zur

Carcinomtherapie (z. B. Leukämien)und bei allergischen Erkrankungenwurde Colchicin eingesetzt (2). Dawegen der zytotoxischen Eigenschaftenbereits in den üblichen therapeutischenDosen häufig Nebenwirkungen (Diarr-

Niedrig dosiertes Colchicin bei koronarer Herzkrankheit?Noch ist alles offen

Arzneimittel – kritisch betrachtet

hoen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbre-chen, Leukopenien, Myoneuropathien,Hautveränderungen, Haarausfall) auf-treten, wird Colchicin heute nicht mehrals Mittel der ersten Wahl bei Gichtanfäl-len empfohlen. Es wirkt nicht besser als

147Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

FAZIT

Colchicin-Renaissance?Die LoDoCo (Low-Dose Colchicine)-Studie eröffnet eine interessante Per-spektive für die Sekundärpräventionkardiovaskulärer Erkrankungen. Dringend erforderlich ist aber eine pro-spektive, multizentrische, Placebo-kontrollierte, doppelt verblindete Stu-die, um die Nutzen-Schaden-Relationvalide bewerten zu können.

die üblichen nichtsteroidalen Antirheu-matika (3).

Nun erreicht uns eine „sensationelle“Nachricht aus dem Heart Research Insti-tute of Western Australia:Niedrig dosiertes Colchicin zur Sekun-därprävention kardiovaskulärer Erkran-kungen.

In die LoDoCo (Low-Dose Colchicine)-Studie (4) wurden Patienten mit stabilerkoronarer Herzkrankheit eingeschlos-sen. Sie erhielten ihre übliche medika-mentöse Therapie und wurden zusätz-lich randomisiert: Colchicin (0,5 mg täg-lich) oder kein Colchicin (Kontrolle).Auf ein Colchicin-Placebo wurde ver-zichtet. Dafür war der Auswerter hin-sichtlich der Behandlungsallokation ver-blindet. In Tabelle 1 sind weitere Studi-endetails und die Ergebnisse dargestellt.

Der primäre zusammengesetzte End-punkt (akutes koronares Syndrom, Herz-stillstand außerhalb der Klinik odernicht kardioembolischer ischämischerSchlaganfall) wurde im Mittel nach dreiJahren in der Kontrollgruppe von 16 %der Patienten erreicht, in der Colchicin-gruppe dagegen nur von 5,3 %. Das ent-spricht einer absoluten Risikoreduktionvon 10,7 % und einem erstaunlichenNNT-Wert von 9! Üblicherweise betragen

die NNT-Werte anderer therapeutischerInterventionen bei dieser Indikation über30. Allerdings traten trotz der niedrigenDosis Colchicin-typische Nebenwirkun-gen auf, vor allem intestinale Probleme.

Die Autoren machen sich auch Gedan-ken über einen möglichen Wirkungsme-chanismus. Colchicin hat antiinflamma-torische Eigenschaften. Die damit ver-bundene Hemmung der Granulozyten-proliferation könnte zu einer Stabilisie-rung der koronaren Plaques führen unddadurch das Risiko der Krankheitspro-gression herabsetzen. Als weiterer Hin-weis auf die entzündungshemmendeWirkung der Substanz ist es auch zu wer-ten, dass unter niedrig dosiertem Colchi-cin eine Reduktion des C-reaktive Pro-teins (CRP) beobachtet wurde.

Limitationen der StudieDie Autoren fordern selbst umfangrei-chere Studien, um die Ergebnisse zu ve-rifizieren oder zu falsifizieren. Wir ken-nen ja aus der Vergangenheit viele Studi-en, die zunächst Hoffnungen nährten (z.B. ELITE, TRIUMPH, Tarenflurbil) undspäter nach umfangreicheren, multizen-trischen Design enttäuschten. Auch einePlacebo-Kontrolle und Doppelblind-Be-dingungen sind unverzichtbar.

Was könnten Probleme in derklinischen Routine werden?Die Autoren sind auch in dieser Hinsichtsehr kritisch. Da selbst unter dieser nied-rigen Colchicin-Dosis (0,5 mg täglich)Myalgien und Myositiden auftraten,könnte es sein, dass die übliche zusätzli-che Therapie mit Statinen gehäuft zuRhabdomyolysen führt, insbesondere beiPatienten mit Einschränkungen der Nie-renfunktion. Da die therapeutische Brei-te von Colchicin recht gering ist und dieterminale Eliminationsphase über meh-rere Tage reicht, ist ein Risiko durch ver-sehentliche Überdosierungen in der Pra-xis nicht von der Hand zu weisen.

Tabelle 1: LoDoCo (Low-Dose Colchicine)-Trial (modifiziert nach 4)

532 Patienten (67 ± 9 Jahre, 89 % Männer) mit stabiler koronarer Herzkrankheit seit mindestens 6 Monaten wurden inkludiert.Komorbidität: Diabetes 30 %; Interventionen: koronarer Bypass 19 %, perkutane koronare Angioplastie 58 %; Komedikation:Acetylsalicylsäure und/oder Clopidogrel 94 %, Statine 95 %, Beta-Blocker 66 %, Calciumkanalblocker 14 %, ACE-Hemmer 58 %.Randomisation: Colchicin (0,5 mg täglich) versus Kontrolle. Therapie: im Mittel 3 Jahre, Minimum 2 Jahre.

Ereignis Kontrolle Colchicin ARR NNT HR (95 % CI) P(n=250) (n=282)% % % n n

Primärer Endpunkt 16,0 5,3 10,7 9 0,33 (0,18-0,59) < 0,001Akutes koronares Syndrom 13,6 4,6 9,0 11 0,33 (0,18-0,63) < 0,001Stent bezogen 1,6 1,4 0,2 500 n. s.Nicht Stent bezogen 12,0 3,2 8,8 11 0,26 (0,12-0,55) < 0,001Herzstillstand 0.8 0,35 0,45 222 0,47 (0,04-5,15) 0,534Ischäm. Schlaganfall 1,6 0,35 1,25 80 0,23 (0,03-2,03) 0,184

Tod, total 4,0 1,4 2,6 38

NebenwirkungenIntestinale Beschwerden ─ 13,5Myalgie ─ 0,9Andere* ─ 1,6

*Myositis, Rash, Alopecie, Juckreiz, periphere Neuritis (jeweils 1 Ereignis)ARR: absolute Risikoreduktion NNT: number needed to treat HR: Hazard Ratio Cl: Konfidenzintervall n.s.: nicht signifikat

148 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

1 Definition und Diagnosekriterien für das Reizdarm-syndrom: http://www.romecriteria.org/assets/pdf/19_RomeIII_apA_885-898.pdf

Literatur1. Trendelenburg P: Krayer O, Kiese M

(Hrsg.): Grundlagen der Allgemeinenund Speziellen Arzneiverordnung.Berlin, Göttingen, Heidelberg: Sprin-ger Verlag, 1952: 186.

2. Kern W (Hrsg.): Hagers Handbuch derPharmazeutischen Praxis für Apothe-ker, Arzneimittelhersteller, Drogisten,Ärzte und Medizinalbeamte. ZweiterErgänzungsband, Teil I. Berlin, Göt-

tingen, Heidelberg: Springer Verlag,1958: 892.

3. Gicht. In: Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft (Hrsg.):Arzneiverordnungen. 22. Aufl., Neu-Isenburg: Medizinische Medien Infor-mations GmbH, 2009; 1059-1067.

4. Nidorf SM, Eikelboom JW, BudgeonCA, Thompson PL: Low-dose colchici-ne for secondary prevention of cardio-

vascular disease. J Am Coll Cardiol2013; 61: 404-410.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. em. Dr. med. Frank P. Meyer,Wanzleben-Bö[email protected]

Neue Arzneimittel

Hinweise zur Erstellung der Information „Neue Arzneimittel“

„Neue Arzneimittel“ ist eine Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu neu zugelasse-nen Arzneimitteln/neu zugelassenen Indikationen.

Ziel ist es, den Vertragsärzten eine zeitnahe Information zu neu zugelassenen Arzneimitteln bei Markteinführung zur Ver-fügung zu stellen. Diese Information ist ebenfalls auf der Homepage der AkdÄ abrufbar (http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/index.html) und wird auch mittels elektronischem Newsletter aktiv versandt.

Dargestellt werden in der Information „Neue Arzneimittel“ von dem Committee for Medicinal Products for Human Use(CHMP) der European Medicines Agency (EMA) als positiv bewertete und von der Europäischen Kommission neu zugelas-sene Arzneimittel bzw. Indikationserweiterungen. Grundlage der Information und der Bewertung des Arzneimittels ist derEuropean Public Assessment Report (EPAR) der EMA.

IndikationConstella® ist zur symptomatischen Be-handlung des mittelschweren bis schwe-ren Reizdarmsyndroms mit Obstipation(RDS-O) bei Erwachsenen zugelassen.

Constella® (Linaclotid)

BewertungConstella® (Linaclotid) wurde basie-rend auf einer doppelblinden, randomi-sierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie zugelassen (MCP-103-302).Es wurden 805 Patienten, die die Rome-II- bzw. Rome-III-Kriterien1 eines RDSerfüllten, in die Studie eingeschlossen(mittleres Alter 44,3 Jahre, 89,6%weiblich). Die Patienten wurden für26 Wochen behandelt.

Die Ansprechrate bezüglich der pri -mären Endpunkte lag für „abdominel-ler Schmerz/Unbehagen“ bei 54,1%für Linaclotid vs. 38,5% für Placebo(p < 0,0001) und für „Grad der Verbes-serung der RDS-Symptome“ bei 39,4%für Linaclotid vs. 16,6 % für Placebo(p < 0,0001). Etwa 10 % der Studien-teilnehmer waren Männer. Die Wir-kung von Linaclotid bezüglich desprimären Endpunkts „abdominellerSchmerz/Unbehagen“ war bei Männernnicht signifikant gegenüber Placebo.Die Nebenwirkungsrate war höher inder Linaclotid-Gruppe mit 65,4% vs.56,6% bei Placebo. Die häufigste Ne-benwirkung war Diarrhoe in der Li-naclotid-Gruppe mit 19,7% vs. 2,5%

bei Placebo. Fast 10% der Patientenhaben die Behandlung wegen Neben-wirkungen abgebrochen.Linaclotid ist für Patienten mit RDS-O,die auf bisher verfügbare RDS-Medika-mente nicht ansprechen, eine Thera-piealternative. Da jedoch nur etwa dieHälfte der Patienten auf die Behand-lung anspricht, sollte diese bei Nicht-ansprechen nach vier Wochen beendetwerden. Vorsicht ist wegen der Neben-wirkung Diarrhoe bei Patienten miteinem höheren Risiko für Exsikkosegeboten (z. B. älteren Patienten).

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Dosierung und Kosten

Constella® (Linaclotid)

Darreichungsform Dosis proTag1 Kosten für 4 Wochen [€]2

Hartkapseln 1 x 290 μg 99,31

Stand Lauertaxe: 01.07.20131Dosierung gemäß Produktinformation; 2Kostenberechnung nach Apothekenabgabepreis an-hand des kostengünstigsten Präparates einschließlich Import (hier nur ein Präparat).

Anwendung bei besonderen Patientengruppen

Constella® (Linaclotid)

Ältere Patienten Es liegen nur begrenzte Daten zum Einsatz bei älterenPatienten (> 65 Jahre) vor.Aufgrund des erhöhten Risikos für Diarrhoe, das inden klinischen Studien beobachtet wurde, ist bei die-sen Patienten besondere Vorsicht bei Behandlung mitLinaclotid geboten.

Kinder und Jugendliche Linaclotid sollte bei Kindern und Jugendlichen nichtangewendet werden, da es in dieser Altersgruppe nichtuntersucht wurde.Da bekannt ist, dass der GC-C-Rezeptor bei sehrjungen Patienten überexprimiert wird, könntenKinder < 2 Jahre besonders empfindlich auf dieWirkungen von Linaclotid reagieren.

Patienten mit eingeschränkterNierenfunktion

Eine Dosisanpassung wird nicht für erforderlichgehalten.

Patienten mit eingeschränkterLeberfunktion

Eine Dosisanpassung wird nicht für erforderlichgehalten.

Anwendung bei Schwangeren Nur begrenzte Daten zur Anwendung bei Schwange-ren. Die Anwendung von Linaclotid während derSchwangerschaft sollte vermieden werden.

Anwendung bei Stillenden Keine Daten zur Anwendung in der Stillzeit. Die An-wendung von Linaclotid während der Stillzeit solltevermieden werden.

von zwölf Wochen auf, erfüllte somitnicht die europäischen Richtlinien fürStudiendauern für Langzeitmedikationund wurde deshalb beim Zulassungs -verfahren nur unterstützend berücksich-tigt. Außerdem gab es in dieser Studienach den zwölf Behandlungswochen eineerneute Randomisierung der Patientenin der Linaclotid- oder der Placebo-Gruppe für weitere vier Wochen. DiesePhase fehlte leider bei der Hauptzu -lassungsstudie MCP und wäre unteranderem wichtig für die Beurteilung vonRebound-Effekten gewesen.

In der Zulassungsstudie war der Ge-brauch von stabilen Dosen von Ballast-stoffen, Stuhlweichmachern und Pro-biotika erlaubt. Offizielles Bedarfsmedi-kament war Bisacodyl.

Die Ansprechrate bezüglich der pri -mären Endpunkte lag in der LIN-Studiefür „abdomineller Schmerz/Unbehagen“bei 54,8 % für Linaclotid vs. 41,8 % fürPlacebo (p = 0,0002) und für „Grad derVerbesserung der RDS-Symptome“ bei37,0 % für Linaclotid vs. 18,5 % fürPlacebo (p < 0,0001). In der gepooltenAnalyse unterschied sich bei Männerndie Ansprechrate für „abdominellerSchmerz/Unbehagen“ nicht signifikantvon Placebo (44,3 % vs. 36,0 %), die An-sprechrate für „Grad der Verbesserungder RDS-Symptome“ unterschied sichsignifikant von Placebo (30,0 % vs.15,7 %).

Die gepoolte Analyse der Nebenwirkun-gen in den beiden Phase-III-Studien zeig-te eine Nebenwirkungsrate von 60,8 %für Linaclotid vs. 54,9 % für Placebo,wobei die meisten häufiger gemeldetenNebenwirkungen Symptome darstell-ten, welche zum Erscheinungsbild vonRDS-O gehören, mit Ausnahme der Diar -rhoe, die in der Linaclotid-Gruppe eineHäufigkeit von 19,8 % zeigte vs. 3,0 %in der Placebo-Gruppe. Fast 10 % der Pa-tienten mussten die Behandlung wegenNebenwirkungen abbrechen.Linaclotid ist für Patienten mit RDS-O,die auf Ballaststoffe, Lactulose und Pro-biotika nicht ansprechen, eine Thera-piealternative. Es liegen keine Daten zurWirksamkeit und Verträglichkeit von Li-naclotid im Vergleich zu sekretorischen

Pharmakologie undklinische Studien

Linaclotid ist ein vollsynthetisches, aus14 Aminosäuren bestehendes Peptid, wel-ches durch Aktivierung von Guanylat -cyclase-C-Rezeptoren (GC-C) auf derluminalen Seite des Epithels von Dünn-darm und Kolon wirkt. Die GC-C-Rezep-tor-Aktivierung führt zu einem intra-und extrazellulären Anstieg von cyclo-Guanosinmonophosphat (cGMP). cGMPaktiviert den Cystic Fibrosis Transmem-brane Conduction Regulator (CFTR),was zur Sekretion von Bikarbonat, Chlo-rid und Wasser führt. Hieraus resultie-

ren Stuhlauflockerung und Verkürzungder Darmpassage. Diskutiert wird, dasscGMP die Schwelle der Colon-Nozizepti-on erhöht und so schmerzhemmendwirkt.

Linaclotid wird peroral als Kapsel ver -abreicht und in nur geringen Mengenresorbiert.

Außer der beschriebenen Zulassungs-studie MCP-103-302 (MCP) liegt eineweitere große Phase-III-Studie vor: LIN-MD-31 (LIN) (802 Patienten, mittleresAlter 43,5 Jahre, 90,5 % weiblich). Diesewies jedoch nur eine Behandlungsdauer

150 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Laxantien (z. B. Bisacodyl) oder osmo-tisch wirkenden Laxantien (z. B. Macro-gol) vor. Nur 5 % der Patienten waren> 65 Jahre und ca. 10 % der Studienteil-nehmer waren männlich. Linaclotidkann aktuell als Reservemedikament fürPatienten angesehen werden, welcheauf Ballaststoffe, Lactulose, Probiotikasowie osmotische und sekretorische La-xantien nicht ansprechen. Da jedoch nuretwa die Hälfte der Patienten auf die Be-handlung mit Linaclotid anspricht, soll-te die Behandlung bei Nichtansprechennach vier Wochen beendet werden. Vor-sicht ist geboten wegen der Neben -wirkungen bei Patienten mit einemhöheren Risiko für Exsikkose (z. B. älte-ren Patienten).

Unerwünschte Arzneimittel-wirkungenSehr häufig (≥ 1/10): Diarrhoe.

Häufig (≥ 1/100, < 1/10): Virale Gastro -enteritis, Bauchschmerzen, Flatulenz,abdominelle Distension, Schwindelge-fühl.

Gelegentlich (≥ 1/1000, < 1/100): Stuhlin-kontinenz, Drang zur Stuhlentleerung,Hypokaliämie, Dehydratation, Appetitvermindert, Orthostasesyndrom.

Sehr selten (≥ 1/10.000): Bikarbonat imBlut erniedrigt.

Interaktionen, Kontraindika -tionen, Warnhinweise

Interaktionen:Die gleichzeitige Behandlung mit Proto-nenpumpenhemmern oder Laxantienoder NSAR kann das Diarrhoerisiko er-höhen.

Kontraindikationen:Überempfindlichkeit gegen den Wirk-stoff Linaclotid oder einen der sonstigenBestandteile. Patienten mit bekannteroder vermuteter mechanischer gastro -intestinaler Obstruktion.

Warnhinweise:Constella® sollte nur angewendet werden,wenn organische Erkrankungen ausge-schlossen wurden und mittelschweres oderschweres RDS-O diagnostiziert wurde.

Patienten sollen über ein mögliches Auf-treten von Diarrhoe während der Be-handlung aufgeklärt werden. Sollte esunter der Behandlung zu schwerer oderanhaltender Diarrhoe kommen, mussein Arzt konsultiert werden. Im Falle vonanhaltender (z. B. mehr als eine Woche)oder schwerer Diarrhoe sollte Linaclotidbis zum Abklingen der Diarrhoe-Episodeabgesetzt und ärztlicher Rat gesuchtwerden. Besondere Vorsicht ist gebotenbei Patienten, die eine Neigung zuStörungen des Wasser- oder Elektro-

lythaushaltes aufweisen (z. B. ältere Per-sonen, Patienten mit Erkrankungen desHerz-Kreislauf-Systems, Diabetes, Hy-pertonie). In diesen Fällen sollte eineElektrolytkontrolle erwogen werden.

Linaclotid wurde nicht an Patienten mitchronisch-entzündlichen Darmerkran-kungen, wie etwa Morbus Crohn undColitis ulcerosa, untersucht. Die An -wendung von Linaclotid bei diesenPatienten kann deshalb nicht empfohlenwerden.

Die Einnahme von Linaclotid nach demEssen hatte häufigeren und weicherenStuhl sowie mehr gastrointestinale un-erwünschte Ereignisse zur Folge als imnüchternen Zustand. Die Kapsel sollte30 Minuten vor einer Mahlzeit einge-nommen werden.

Weitere Informationen (u. a. zu uner-wünschten Arzneimittelwirkungen, Risi-ken) in der Fachinformation.

Aktuelle Informationen über neu zu -gelassene Arzneimittel in der Euro -päischen Union; erstellt auf der Basisdes Europäischen Öffentlichen Beur -teilungsberichts (EPAR) Constella®, er-schienen am 30.11.2012.

Stand: 12.07.2013

IndikationBehandlung von tiefen Venenthrom -bosen (TVT) und Lungenembolien (LE)sowie Prophylaxe von rezidivierendenTVT und LE bei Erwachsenen.

Xarelto® (Rivaroxaban) – neu zugelassene Indikation

BewertungDie initiale therapeutische Antikoagu-lation mit einem niedermolekularenoder synthetischen Heparin in thera-peutischer Dosierung mit nachfolgen-der längerfristiger Gabe eines Vitamin-K-Antagonisten (VKA) gilt als Standardin der Behandlung und Rezidivprophy-laxe der TVT und LE. Bei Behandlungs-

zeiten bis zu drei Monaten ist Rivaroxa-ban durch den Wegfall eines regelmäßi-gen Monitorings leichter handhabbar,allerdings kann die fehlende Kontrol-lierbarkeit des Gerinnungsstatus auchvon Nachteil sein. In der Anwendungab drei Monaten müssen die erheb-lich höheren Therapiekosten berück-sichtigt werden. Auch bei Patientenmit schwieriger INR-Einstellung trotzguter Compliance oder bei Patienten,die für eine INR-Testung nicht geeignetsind, stellt Rivaroxaban eine Alternativedar. Insgesamt war das Auftreten vonBlutungen unter Rivaroxaban etwasgeringer als unter VKA. Ein Nachteil ist

jedoch, dass für Rivaroxaban kein spezi-fisches Antidot zur Verfügung steht.Daher ist Rivaroxaban nicht per sedie bessere Alternative bei Patientenmit hohem Blutungsrisiko. Die An -wendung von Rivaroxaban bei Pat i -enten mit einer Kreatinin-Clearance< 15 ml/min wird nicht empfohlen. DasBlutungsrisiko wird durch die gleich-zeitige Gabe von Thrombozytenfunkti-onshemmern, wie z. B. Acetylsalicyl -säure oder Clopidogrel stark erhöht.Deshalb sollte die Indikation für diegleichzeitige Gabe von Rivaroxabanund Thrombozytenfunktionshemmernso restriktiv wie möglich gestellt werden.

151Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Pharmakologie undklinische Studien

Rivaroxaban ist ein direkter Inhibitorvon Faktor Xa, der oral resorbiert wird.Die Inhibition von Faktor Xa hemmt dieThrombinbildung. Dadurch wird dieGerinnungsfähigkeit des Blutes herab-gesetzt. Rivaroxaban hat keinen Einflussauf die thrombininduzierte Plättchen -aggregation, der primäre Wundver-schluss bleibt intakt. Die absolute Bio-verfügbarkeit von Rivaroxaban beträgt80–100 %. Die Halbwertszeit liegt bei7–11 Stunden. Ca. 2/3 der Dosis vonRivaroxaban werden metabolisiert, die

Metabolite werden über die Niere (50 %)und die Fäzes (50 %) ausgeschieden. Ca.1/3 der eingenommenen Dosis wird un-verändert über die Niere ausgeschieden.

In einer randomisierten, doppelblindenStudie mit 3449 Patienten mit TVT ohnesymptomatische LE (Einstein-DVT) er-hielten 1731 Patienten Rivaroxaban und1718 Patienten Enoxaparin/Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Der INR-Wert lagbei durchschnittlich 60,3 % der Zeitder mittleren Behandlungsdauer von189 Tagen im therapeutischen Bereich(INR 2–3). Primärer Wirksamkeitsend-punkt war ein Wiederauftreten von

venösen Thromboembolien (Rezidiv-TVT sowie tödliche und nicht tödlicheLE). Dieser Endpunkt wurde unter Riva-roxaban bei 36 (2,1 %) und unter Enoxa-parin/VKA bei 51 (3,0 %) Patienten er-reicht (p < 0,0001 – Test auf Nicht-Unter-legenheit; Hazard Ratio [HR] 0,680[0,443–1,042]; p = 0,076 – Test auf Über-legenheit). Der primäre Sicherheitsend-punkt (schwere Blutungen zusammenmit klinisch relevanten „Non-major“-Blutungen) ereignete sich in beidenGruppen bei jeweils 8,1 % (n = 139 bzw.n = 138) der Patienten. Der prädefiniertetherapeu¬tische Gesamtnutzen (primä-rer Wirksamkeitsendpunkt plus schwereBlutungen) zeigte eine HR von 0,67(95 % Konfidenzintervall [CI] 0,47–0,95; p = 0,027) zugunsten von Rivaro-xaban.

In der Einstein-LE-Studie erhielten4833 Patienten mit akuter symptomati-scher Lungenembolie randomisiert ent-weder Rivaroxaban oder Enoxaparin inKombination mit einem VKA (Warfarinoder Acenocoumarol). Primärer Wirk-samkeitsendpunkt waren symptomati-sche rezidivierende venöse Thromboem-bolien, zusammengesetzt aus tiefenVenenthrombosen sowie tödlichen undnicht tödlichen Lungenembolien. Derprimäre Wirksamkeitsendpunkt war einWiederauftreten von venösen Throm-boembolien (Rezidiv-TVT sowie tödlicheund nicht-tödliche LE), primärer Sicher-heitsendpunkt war eine schwere oderklinisch relevante Blutung kleinerenAusmaßes. Der INR-Wert lag bei durch-schnittlich 63 % der Zeit der mittlerenBehandlungsdauer von 215 Tagen imtherapeutischen Bereich (INR 2–3).Rivaroxaban war hinsichtlich desprimären Wirksamkeitsendpunktes ge-genüber Enoxaparin/VKA nicht unterle-gen (p = 0,0026 – Test auf Nicht-Unterle-genheit; HR 1,123 [0,749–1,684]). Derprädefinierte therapeutische Gesamt-nutzen (primärer Wirksamkeitsend-punkt plus schwere Blutungen) zeigteeine HR von 0,849 (95 % CI 0,633–1,139;p = 0,275). Der primäre Sicherheitsend-punkt trat bei 10,3 % der Patienten in derRivaroxaban-Gruppe und bei 11,4 % imStandardarm auf (HR 0,90; 95 % CI 0,76–1,07; p = 0,23). Eine schwere Blutungwar im Rivaroxaban-Arm mit 26 Patien-

Anwendung bei besonderen Patientengruppen

Xarelto® (Rivaroxaban)

Ältere Patienten Keine Dosisanpassung erforderlich

Kinder und Jugendliche Keine Zulassung.

Patienten mit eingeschränkterNierenfunktion

Leichte Nierenfunktionsstörung (CrCl 50–80 ml/min):Keine Dosisanpassung erforderlich.Mittelschwere (CrCl 30–49 ml/min) oder schwereNierenfunktionsstörung (CrCl 15–29 ml/min): Dieempfohlene Dosisbeträgt 15 mg einmal täglich.CrCl < 15 ml/min: Anwendung wird nicht empfohlen.Rivaroxaban sollte mit Vorsicht bei Patienten miteiner Nierenfunktionsstörung eingesetzt werden, diegleichzeitig CYP3A4-Hemmer erhalten (z. B. Clari-thromycin, Telithromycin), da dies zu einer erhöhtenKonzentration von Rivaroxaban führen kann.

Patienten mit eingeschränkterLeberfunktion

Rivaroxaban ist kontraindiziert bei Patienten mitLebererkrankungen, die mit einer Koagulopathie undeinem klinisch relevanten Blutungsrisiko verbundensind, einschließlich zirrhotischer Patienten mitChild Pugh B + C.

Anwendung bei Schwangeren Keine Anwendung.

Anwendung bei Stillenden Keine Anwendung.

Dosierung und Kosten

Xarelto® (Rivaroxaban)

Darreichungsform Dosis1 Kosten für 3 Monate [€]2,3

Filmtabletten15 mg, 20 mg

Tag 1–21: 2 x 15 mg/dab Tag 22: 1 x 20 mg/d

364,28

Stand Lauertaxe: 01.07.201311Dosierung gemäß Produktinformation (PI); 2Kostenberechnung nach Apothekenabgabepreisanhand des kostengünstigsten Präparates einschließlich Import; 3Kostenberechnung für dieersten drei Behandlungsmonate. Angaben zur Umstellung auf/von Rivaroxaban sind der PI zuentnehmen.

152 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

ten (1,1 %) signifikant geringer (HR0,49; 95 % CI 0,31–0,79; p = 0,003) als imStandardarm (52 Patienten; 2,2 %).

Unerwünschte Arzneimittel-wirkungenHäufig (≥ 1/100, < 1/10): Anämie (ein-schl. entsprechender Laborparameter),Schwindel, Kopfschmerzen, Augenein-blutungen (einschl. Bindehauteinblu-tung), Hypotonie, Hämatome, Epistaxis,Blutung im Gastrointestinaltrakt (ein-schl. Zahnfleischbluten und Rektalblu-tung), gastrointestinale und abdominaleSchmerzen, Dyspepsie, Übelkeit, Ver-stopfung, Durchfall, Erbrechen, Pruri-tus (einschl. gelegentlicher Fälle von ge-neralisiertem Pruritus), Hautrötung,Ekchymose, kutane und subkutane Blu-tung, Schmerzen in den Extremitäten,Blutung im Urogenitaltrakt (einschl. Hä-maturie und Menorrhagie), Einschrän-kung der Nierenfunktion (einschl.Kreatinin-Anstieg im Blut, Harnstoff-Anstieg im Blut), Fieber, periphereÖdeme, verminderte Leistungsfähigkeit(einschl. Müdigkeit, Asthenie), Trans -aminasenanstieg, Blutung nach einemEingriff (einschl. postoperativer Anämieund Wundblutung), Bluterguss, Wund-sekretion.

Gelegentlich (≥ 1/1000, < 1/100): Throm-bozythämie (einschl. erhöhter Thrombo-zytenzahl), allergische Reaktion, allergi-sche Dermatitis, zerebrale und intrakra-nielle Blutungen, Synkope, Tachykardie,trockener Mund, Leberfunk ionsstörung,Urtikaria, Hämarthrose, sich unwohlfühlen (inkl. Unpässlichkeit), lokaleÖdeme, Anstieg von Bilirubin, Anstiegvon alkalischer Phosphatase im Blut,Anstieg von LDH, Anstieg von Lipase,Anstieg von Amylase, Anstieg der GGT.

Selten (≥ 1/10.000, < 1/1000): Gelbsucht,Blutung in einen Muskel, Anstieg vonkonjugiertem Bilirubin (mit oder ohnegleichzeitigem ALT-Anstieg), vaskuläresPseudoaneurysma.

Häufigkeit nicht bekannt: Kompart-mentsyndrom als Folge von Blutungen,Nierenversagen / akutes Nierenversagenals Folge einer Hypoperfusion, ausgelöstdurch eine Blutung.

Interaktionen, Kontraindika -tionen, Warnhinweise

Interaktionen:Rivaroxaban sollte wegen erhöhtem Blu-tungsrisiko nicht gleichzeitig mitCYP3A4-Inhibitoren wie den Azolanti -mykotika Ketoconazol und Itraconazoloder HIV-Proteasehemmern eingenom-men werden. Starke CYP3A4-Indukto-ren wie Rifampicin, Carbamazepin undJohanniskraut vermindern die Wirkungvon Rivaroxaban.

Kontraindikationen:• Überempfindlichkeit gegen den Wirk-

stoff oder einen der sonstigen Bestand-teile.

• Klinisch relevante akute Blutungen.• Lebererkrankungen, die mit einer

Koagulopathie und einem klinisch re-levanten Blutungsrisiko verbundensind, einschließlich zirrhotischer Pa-tienten mit Child Pugh B und C.

Warnhinweise:• Ein potenziell erhöhtes Blutungsrisi-

ko ist zu beachten bei: – angeborenen oder erworbenen Blut-

gerinnungsstörungen, – nicht eingestellter, schwerer arteri-

eller Hypertonie, – aktiver ulzerativer Erkrankung des

Gastrointestinaltrakts, – kürzlich aufgetretenen Ulcera im

Gastrointestinaltrakt, – vaskulärer Retinopathie, – kürzliche intrakranielle oder intra-

zerebrale Blutung, – intraspinalen oder intrazerebralen

Gefäßanomalien, – kürzlich durchgeführten Operatio-

nen am Gehirn, Rückenmark oderAuge,

– Bronchiektasie oder pulmonale Blu-tung in der Anamnese.

Hinweise zur sicheren Anwendung:• Zur Gewährleistung einer sicheren

und wirksamen Anwendung von Riva-roxaban wurde dem pharmazeuti-schen Hersteller von der Europäi-schen Arzneimittel-Agentur (EMA)auferlegt, allen verordnenden ÄrztenSchulungsmaterial bzw. indikations-spezifische Ratgeber sowie einen Pati-entenausweis, der beim erstmaligen

Verordnen von Rivaroxaban jedemPatienten ausgehändigt werden soll,zur Verfügung zu stellen. Das Schu-lungsmaterial soll das Bewusstseinfür das potenzielle Blutungsrisikowährend einer Behandlung mit Riva-roxaban erhöhen und eine Anleitungzum Umgang mit diesem Risiko geben.

• Patienten sind aufzuklären über: – Anzeichen und Symptome von Blu-

tungen sowie Umstände, unter denenein Arzt aufzusuchen ist,

– die Bedeutung der Therapieadhä -renz,

– die Erfordernis, die 15 mg bzw. 20 mgTabletten zusammen mit einer Mahl-zeit einzunehmen,

– die Notwendigkeit, den Patienten-ausweis zu jeder Zeit bei sich zutragen,

– die Notwendigkeit, vor jeglicher Ope-ration oder invasivem Eingriff denbehandelnden Arzt auf die Einnahmevon Rivaroxaban hinzuweisen.

• Der Patientenausweis soll die folgen-den wichtigsten Sicherheitshinweiseenthalten:

– Anzeichen und Symptome von Blu-tungen sowie Umstände, unter denenein Arzt aufzusuchen ist,

– die Bedeutung der Therapieadhär -enz,

– die Erfordernis, die 15 mg bzw. 20 mgTabletten zusammen mit einer Mahl-zeit einzunehmen,

– die Notwendigkeit, den Patientenaus-weis zu jeder Zeit bei sich zu tragen,

– die Notwendigkeit, vor jeglicher Ope-ration oder invasivem Eingriff denbehandelnden Arzt auf die Einnahmevon Rivaroxaban hinzuweisen.

Vorgehen bei Blutungen unter Rivaro-xaban:• geringfügige Blutung – lokale hämostatische Maßnahmen:

mechanische Kompression, Tranex-amsäure topisch

– Wirkspiegelkontrolle – Therapiepause und/oder Dosisanpas-

sung• relevante Blutung – lokale hämostatische Maßnahmen:

mechanische Kompression, Tranex-amsäure topisch, evtl. chirurgischeIntervention oder Wundversorgung

– Rivaroxaban absetzen

153Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Kein erhöhtes Risiko für Tot-geburten und Säuglingssterb-lichkeit

Zahlreiche Studien haben sich mit derVerträglichkeit von SSRI in der Schwan-gerschaft beschäftigt. Diskutiert wurdeein erhöhtes Risiko für bestimmte Fehl-bildungen. Auch Spontanaborte, intraute-rine Wachstumsretardierung und Früh -geburtlichkeit wurden im Zusammen-hang mit SSRI erörtert (1;2). Keinerdieser Verdachtsmomente konnte bishereindeutig bestätigt werden. Auch bei an-deren psychiatrischen Erkrankungenbzw. deren Pharmakotherapie wurdenz. T. widersprüchliche Ergebnisse beo -bachtet. Erwiesen sind hingegen dievorübergehenden zentralnervösen, ga-strointestinalen und respiratorischenAnpassungsstörungen des Kindes nachder Geburt. Unzureichend untersuchtwar bisher, ob die Totgeburtenrate oderdie Säuglingssterblichkeit unter SSRIansteigt – ggf. vermittelt durch SSRI-bedingte Komplikationen wie Früh -

geburtlichkeit, einen persistierendenpulmonalen Hypertonus oder angebore-ne Fehlbildungen.

Bei der kürzlich publizierten Studie vonStephansson et al. (3) handelt es sich umeine Populations-basierte Kohortenstu-die zu Einlingsgeburten in Dänemark,Finnland, Island, Norwegen und Schwe-den aus den Jahren 1996 bis 2007. DieAngaben zu den SSRI stammen ausVerschreibungsdatenbanken; mütter -liche Charakteristika sowie Angabenzu den Schwangerschaften und denKindern wurden den skandinavischenPatientendatenbanken und medizini-schen Geburtsregistern entnommen.

Von den 1.633.877 Einlingsgeburten derStudie waren 6.054 Totgeburten, 3.609neonatale Todesfälle (< 28 Tage) und1.578 Fälle von Säuglingssterblichkeitnach der Neonatalperiode (28-364 Tage).Ein SSRI-Rezept war von 29.228 (1,79%) der Mütter in der Schwangerschaftoder innerhalb von 3 Monaten davor ein-

gelöst worden. Unter den Frauen mitSSRI wurden zunächst höhere Raten anTotgeburten (4,62 vs. 3,69 per 1000, P =0,01) und Säuglingssterblichkeit (1,38vs. 0,96 per 1000, P = 0,03) beobachtetals bei denen ohne SSRI-Rezept. Die neo-natale Sterblichkeit unterschied sichnicht (2,54 vs. 2,21 per 1000, P = 0,24).Nach Adjustierung auf potentielle Con-founder (Irrtumsmöglichkeiten, Stör-faktoren) gab es keine signifikantenUnterschiede mehr (Totgeburten adju-stiert OR 1.17; 95 % CI 0,96-1,41; neo -natale Sterblichkeit adjustiert OR 1,23;95 % CI 0,96-1,57; Säuglingssterblich-keit adjustiert OR 1,34; 95 % CI 0,97-1,86). Nach Stratifizierung der SSRI-Ex-ponierten hinsichtlich vorangegangenerstationärer psychiatrischer Behandlun-gen wiesen die stationär behandeltenMütter jeweils ein etwas geringeres Risi-ko auf als die nicht stationär behandelten.

Aus der vorliegenden Studie ergebensich keine Hinweise auf eine erhöhteTotgeburtenrate oder Säuglingssterb-

Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI)in der Schwangerschaft

– Wirkspiegelkontrolle – Flüssigkeitsersatz (ausreichende Di-

urese!) – Desmopressin (DDAVP) 0,3 μg/kg

KG (einmalig) und Tranexamsäure(3 x 1 g oder 20 mg/kg KG 4 x täg-lich)

• bedrohliche Blutung – Maßnahmen wie bei geringfügiger

und relevanter Blutung – 50 IE/kg KG PPSB (Prothrombin-

Prokonvertin-Stuart-Prower-Fac-tor-Antihämophiles Globulin B)

– wenn durch die Gabe von PPSBkeine ausreichende Blutstillung er-reicht wurde, Therapieversuch mit100 μg (5 kIE)/kg KG rekombinan-ter Faktor VIIa (Novoseven®)

– Rivaroxaban ist nicht dialysierbar

Chirurgische und invasive interventio-nelle Eingriffe:• Das Vorgehen orientiert sich am Blu-

tungsrisiko des Eingriffs. Bei Eingrif-fen mit einem niedrigen Blutungsrisi-ko sollte zwischen der letzten Rivaro-xaban-Gabe und dem Eingriff ein Zeit-intervall von 12 Stunden liegen. Nachdem Eingriff kann die Rivaroxaban-Gabe wieder aufgenommen werden.

• Bei Eingriffen mit einem hohen Blu-tungsrisiko, sollte ein zeitlicher Ab-stand zur letzten Rivaroxaban-Gabe vonmindestens 24 Stunden bestehen oderder Rivaroxaban-Spiegel zum Eingriffs-zeitpunkt < 50 ng/ml betragen. Posto-perativ sollte der Zeitpunkt und die Do-sierung von Rivaroxaban an das mitdem Eingriff verbundene Blutungsrisi-ko angepasst werden. Beispielsweise ist

eine Wiederaufnahme der Rivaroxaban-Gabe zunächst in prophylaktischer Do-sierung von 10 mg möglich. An dieserStelle muss darauf hingewiesen werden,dass es zurzeit noch keine validiertenEmpfehlungen zum perioperativen Ma-nagement unter Rivaroxaban gibt.

Weitere Informationen (u. a. zu uner-wünschten Arzneimittelwirkungen, Risi-ken) in der Fachinformation.

Aktuelle Informationen über neu zu -gelassene Arzneimittel in der Europäi-schen Union; erstellt auf der Basis des Eu-ropäischen Öffentlichen Beurteilungs -berichts (EPAR) Xarelto®, erschienen am05.02.2013.

Stand: 10.07.2013

154 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

lichkeit, die unabhängig von anderenmütterlichen Faktoren den SSRI zuge-schrieben werden können. Generell mussbei Rezepteinlöse-Studien bedacht wer-den, dass diese zwar durch hohe Fallzah-len imponieren, aber keine Rückschlüsseauf das „ob und wann“ einer tatsächlichen

Medikamenteneinnahme erlauben. Auchpotentielle Confounder können nur be-dingt berücksichtigt werden.

Literatur1. Domar AD, Moragianni VA, Ryley DA,

Urato AC: The risks of selective seroto-

nin reuptake inhibitor use in infertilewomen: a review of the impact on fer-tility, pregnancy, neonatal health andbeyond. Hum Reprod 2013; 28: 160-171.

2. Ellfolk M, Malm H: Risks associatedwith in utero and lactation exposure toselective serotonin reuptake inhibi-tors (SSRIs). Reprod Toxicol 2010; 30:249-260.

3. Stephansson O, Kieler H, Haglund Bet al.: Selective serotonin reuptake in-hibitors during pregnancy and risk ofstillbirth and infant mortality. JAMA2013; 309: 48-54.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Priv. Doz. Dr. med. Christof Schaefer,[email protected]

FAZIT

SSRI erhöhen nach heutigem Wissenweder die Totgeburtenrate noch dieSäuglingssterblichkeit. Mit Anpassungs-störungen nach der Geburt muss wie beiallen Psychopharmaka auch bei denSSRI gerechnet werden. Hier sind diemeist selbst limitierenden Symptomemöglicherweise Ausdruck serotonergerÜberstimulation. Wenn im gebärfähigen Alter eine De-pression pharmakologisch behandeltwerden muss, sollten bei einer Neu -einstellung die in der Schwangerschaftam besten untersuchten SSRI Sertralinund Citalopram bevorzugt werden. Eine

mit anderen SSRI stabil eingestellteschwangere Patientin sollte die Medika-tion unverändert fortsetzen, insbesonde-re dann, wenn sich ihre Einstellung alsschwierig erwiesen hat. Die Medikationmit einem Antidepressivum rechtfertigtweder einen Schwangerschaftsabbruchnoch eine invasive Diagnostik. Bei Be-handlung bis zum Ende der Schwanger-schaft sollte in den ersten Lebenstagendie Möglichkeit pädiatrischer Unter -stützung gewährleistet sein, am bestendurch Entbindung in einer Klinik mit Peri-natal-Zentrum.

In der Geburtshilfe muss in bestimmtenSituationen die Einleitung der Geburterwogen werden. Indikationen zurGeburtseinleitung sind: 1. am Termin:Diabetes der Mutter (zur Verhinderungvon Komplikationen wie intrauterinerFruchttod, Schulterdystokien, Hume-rusfrakturen, Plexusparesen), 2. aus -bleibende Wehentätigkeit 12 Std. nachvorzeitigem Blasensprung, 3. beginnen-de Plazentainsuffizienz, 4. mütterlicheErkrankung (z. B. Präeklampsie), 5. auf-fällige Befunde im Cardio-Tokogramm(CTG) sowie 6. Terminüberschreitung(errechneter Termin plus 7 Tage). Nach-dem eine Maßnahme zur Einleitung be-gonnen wurde, kann es unter Umstän-den länger (sogar Tage) dauern, bis dieEntbindung erfolgreich beendet ist. DieIndikation soll vor Beginn der Einlei-tung streng geprüft werden. Zur medika-mentösen Einleitung werden in derRegel Prostaglandine intrazervikal oderOxytocin intravenös verwendet.

Durch eine vaginale Tastuntersuchungwird der Reifegrad der Cervix (Bishop -score) bestimmt und die passende Ein -leitungsmethode ermittelt. Bei unreiferCervix werden Prostaglandine bevor-zugt, die neben ihrer wehenförderndenWirkung auch die Cervixreifung voran-treiben. Bei reifem Cervixbefund kommtOxytocin zum Einsatz, das gut steuerbardie Wehentätigkeit unterstützt. Mögli-che Komplikationen der medikamentö-sen Einleitung sind Polysystolie, Dauer-kontraktion und Uterusruptur. Deshalbmüssen Schwangere nach der Einlei-tung stationär überwacht werden.

Neben den medikamentösen kommenauch mechanische Einleitungsmetho-den zum Einsatz wie z. B. Eipollösung(Lösen des Amnions von der Zervixdurch Umfahren des Muttermunds voninnen) oder die Amniotomie (Sprengender Fruchtblase).

Als „ natürliche Einleitungsmethode“ er-leben Wehencocktails seit einigen Jah-ren ein Comeback. Sie werden amTermin eingesetzt, um die Wehentätig-keit anzuregen und so die Geburt einzu-leiten. Diese Wehencocktails werden so-wohl in Kliniken als auch ambulant zurGeburtseinleitung verabreicht. Haupt-bestandteil der Wehencocktails, die un-terschiedlich zusammengesetzt seinkönnen (s. u.), ist Rizinusöl, dessen Wirk-samkeit und Unbedenklichkeit in dieserAnwendung nicht unumstritten ist.

Der Arzneimittelkommission wurden2012 zwei Fälle mit Todesfolge gemeldet,bei denen die berichtenden Ärzte denVerdacht hatten, dass das in einemWehencocktail enthaltende Rizinusöl andem klinischen Bild beteiligt war:

Fall 1: Eine 42-jährige (anamnestischdrei Kinder spontan entbunden und ein-mal eine Abrasio wegen Abortgesche-hens) bekommt wegen Übertragung zur

Anwendung von Rizinusöl in der Geburtshilfe

155Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Geburtseinleitung einen Rizinuscock-tail. Etwa 14 Stunden später wird unterlaufender Oxytocin-Infusion eine fetaleBradykardie registriert. Nachdem eineHemmung der Wehentätigkeit mit Feno-terol keine Besserung bringt, wird eineNotsectio durchgeführt. Postoperativkommt es zu einer diffusen Blutung ausdem Uterus, die sich weder durch manu-elle Kompression noch medikamentösbeherrschen lässt. Während der darauf-hin durchgeführten Not-Laparotomietreten Herzrhythmusstörungen auf, diePatientin muss reanimiert werden, ver-stirbt jedoch trotz aller Maßnahmen.

Fall 2: Bei einer 31-jährigen Viertge-bärenden (zweite Geburt als primäreSectio bei Beckenendlage, ansonstenkomplikationslose Spontangeburten)mit Gestationsdiabetes wird aufgrundeines suspekten CTGs ein Einleitungs-versuch mit Rizinus unternommen. Ei-nige Stunden später beginnen Wehenund es kommt zum Blasensprung.Wegen fetaler Bradykardie wird eineNotsectio durchgeführt, bei der sich eineUterusruptur zeigt. Klinisch besteht Ver-dacht auf eine Fruchtwasserembolie.Kurz darauf kommt es zum Kreislauf-stillstand. Die Reanimation verläuft zu -nächst erfolgreich, die Frau verstirbt je-doch fünf Tage später an einem erlitte-nen hypoxischen Hirnschaden.

Aufgrund dieser Berichte über geburts-hilfliche Komplikationen in Zusammen-hang mit Rizinus werden die vorliegen-den Informationen zu diesem Stoff inder Geburtshilfe hier zusammengefasst:Der Hauptinhaltsstoff von Rizinusöl istTriricinolein, das Triglycerid der Rizinol-säure, das durch Kaltpressung aus demSamen des Wunderbaums, Rizinus com-munis, gewonnen wird. Rizinolsäure för-dert neben seiner antiadsorptiven undsekretagogen Wirkung die Darmperi-staltik. Außerdem wird die Synthese vonProstaglandin E2 verstärkt (1). In vitrowurde eine gesteigerte oxytocinindu-zierte Kontraktilität der Uterusmuskula-tur nach Behandlung mit Rizinusöl be-obachtet (2).

Nebenwirkungen sind u.a. Übelkeit, Er-brechen, Darmkoliken, Dehydratationund Störungen im Elektrolythaushalt.Es werden auch Hämolysen und Leber-

zellnekrosen beschrieben. Aufgrund dergeringen Molekülgröße ist ein Übertrittin den kindlichen Blutkreislauf nichtausgeschlossen (3).

Zur Geburtseinleitung wird gerne einCocktail aus 20-30 ml Rizinusöl, Apriko-sensaft und Alkohol verabreicht, wie erbeispielsweise im beliebten Hebammen-ratgeber von Ingeborg Stadelmann (4)empfohlen wird.

Es gibt nur sehr wenige Untersuchungenzu Wirkung und Sicherheit der Anwen-dung von Rizinusöl. Diese sind in derRegel retrospektive Studien mit gerin-gen Fallzahlen.

Ein Cochrane Review von 2001 enthältlediglich eine einzige Studie von Garry etal. mit 52 Patientinnen, in der nach Ein-leitung mit 60 ml Rizinusöl gegenübereiner Kontrollgruppe ohne Behandlungmit Rizinusöl (n=48) keine Unterschiedeim geburtshilflichen Outcome (Sec -tiorate, 5-min Apgar unter 7, grünesFruchtwasser) beobachtet wurden. Aller-dings klagten alle Versuchsteilnehme-rinnen, die Rizinus erhalten hatten, überÜbelkeit (5;6). Diese Studie zeigte aberauch, dass bei 57,6 % der mit Rizinusbehandelten Frauen binnen 24 Std. dieWehentätigkeit einsetzte, während diesnur bei 4,2 % der Kontrollgruppe derFall war. Daraus schließen die Autorenauf eine wehenfördernde Wirkung vonRizinusöl.

Die größte vorliegende später publizier-te retrospektive Studie von Boel et al.(2009) dagegen mit über 600 Patientin-nen (7) konnte weder eine Verkürzungdes Zeitintervalls bis zur Entbindung,noch signifikante Unterschiede im ge-burtshilflichen Outcome nach Einnah-me von Rizinus verglichen mit den Pati-entinnen, die keine Therapie erhielten,feststellen.

Es wurde ein Fallbericht publiziert, indem eine Frau im Z. n. Sectio kurz nachder Einnahme von nur 5 ml Rizinusöleine Uterusruptur erlitt (8). In diesemFall, ebenso wie im oben dargestelltenFall 2 ist jedoch die Uterusruptur im Zu-stand nach Sectio mit hoher Wahr-scheinlichkeit nicht auf die vorangegan-

gene Anwendung von Rizinus zurückzu-führen.

FAZIT

Vor dem Hintergrund der unzureichen-den Studienlage und der bekannten,z. T. schwerwiegenden Nebenwirkun-gen von Rizinus ist den wesentlich bes-ser untersuchten und besser steuerba-ren Prostaglandinen und Oxytocin beider medikamentösen Geburtseinleitungder Vorzug zu geben. Insbesonderenach vorangegangener Sectio mussbei allen bekannten Einleitungsmetho-den die Indikation sehr sorgfältig geprüftwerden und eine Einleitung sollte nurunter klinischer Überwachung erfolgen.

Literatur1. Paulus WE: Fragen aus der Praxis: Ri-

zinus-Cocktail. Die Hebamme 2007;20: 134-137.

2. O'Sullivan MD, Hehir MP, O'Brien YM,Morrison JJ: 17 alpha-hydroxyproge-sterone caproate vehicle, castor oil,enhances the contractile effect ofoxytocin in human myometrium inpregnancy. Am J Obstet Gynecol 2010;202: 453.e1-e4.

3. Lippert TH: Leser fragen – Expertenantworten: Rizinusöl zur Wehenein-leitung. Z Geburtshilfe Neonatol 1997;201: 73.

4. Stadelmann I: Die Hebammen-Sprech-stunde. Eigenverlag, 1994.

5. Garry D, Figueroa R, Guillaume J,Cucco V: Use of castor oil in pregnan-cies at term. Altern Ther Health Med2000; 6: 77-79.

6. Kelly AJ, Kavanagh J, Thomas J: Castoroil, bath and/or enema for cervicalpriming and induction of labour.Cochrane Database Syst Rev 2001;Issue 2: CD003099.

7. Boel ME, Lee SJ, Rijken MJ et al.: Castoroil for induction of labour: not harmful,not helpful. Aust N Z J Obstet Gynaecol2009; 49: 499-503.

156 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

8. Sicuranza GB, Figueroa R: Uterinerupture associated with castor oil in-gestion. J Matern Fetal Neonatal Med2003; 13: 133-134.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird von beidenAutoren verneint.

Dr. med. Julia Schoenes,Frankfurt am MainDr. med. Thomas Stammschulte, [email protected]

Zu diesem Problem erschien vor Kurzemeine Übersicht (1), die wir hier zusam-mengefasst wiedergeben möchten.Anfang der Neunziger Jahre traten beimehr als hundert jungen Frauen in Bel-gien eine Reihe zunächst unerklärlicherNierenversagen auf, als deren Ursachesich die Einnahme von chinesischenKräutern in einer Klinik zur Gewichts-abnahme herausstellte. Als auslösendesAgens wurde die Aristolochia-Säure (AS)identifiziert. Später stellte sich heraus,dass über die Schädigung der Nierenhinaus auch Urothelkarzinome verur-sacht werden können. Schließlichscheint die AS auch verantwortlich fürdie endemische „Balkannephropathie“zu sein. Die AS tritt in Pflanzen auf, diezur Ordnung der Piperales (Pfefferarti-gen) gehören. In diese ist die Familie derAristolochiaceae (Osterluzeigewächse)mit der Gattung der Aristolochia (Pfei-fenblumen) einzuordnen, die bis zu 500Arten bildet und in verschiedenen Kli-mazonen beheimatet ist.

EpidemiologieGute epidemiologische Daten fehlen, daes keine sicheren diagnostischen Krite-rien gibt, um die durch AS verursachteNephropathie von anderen Nierener-krankungen abzugrenzen. Als bewei-send gilt der Nachweis von AS und vonAS-DNS-Addukten im Nierengewebe.Untersucher aus China berichten vontausenden von Fällen, die früher alschronisch tubulointerstitielle Nephritisunklarer Ursache eingestuft wurden. Der einzige sichere Risikofaktor für dieEntwicklung und das Voranschreiteneiner durch AS induzierten Nephropa-thie ist die kumulative Dosis. Retrospek-

„Rein pflanzlich“ – und doch gefährlich:die Aristolochia-Säure aus der Osterluzey

tive Kohorten- und Fallkontrollstudienin China und Taiwan haben mittlereDosen von AS definiert, die eine Nieren-insuffizienz bedingen können. Da dieKonzentration der AS in den verschiede-nen Kräutermischungen sehr stark vari-iert, kann eine unbedenkliche Dosis vonAS auf der Basis dieser Daten nicht be-stimmt werden.

KanzerogenitätSchon bald nach den Erstbeschreibun-gen der Nierenerkrankungen wurdenauch Fälle von Urothelkarzinom veröf-fentlicht. Eine Studie berichtet von mul-tifokalem Carcinoma in situ bei vier von10 Patienten. Im Taiwan wurde eine ab-norm hohe Assoziation zwischen chro-nischer Nierenerkrankung und Urothel-karzinom festgestellt. Nach Fall-Kon-troll Studien scheint diese Korrelationauf den Konsum AS-haltiger Kräuterzurückzuführen zu sein.

Balkan NephropathieIn der Donauregion in Bosnien, Bulgari-en, Rumänien und Serbien leiden ca.25.000 Patienten unter dieser Erkran-kung. Es besteht ebenfalls eine Häufungvon Urothelkarzinomen. Durch denNachweis von AS-DNS-Addukten konnteder Beweis geführt werden, dass dieseForm der interstitiellen Nephritis auchdurch AS verursacht wird. Am wahr-scheinlichsten ist, dass die Aristolochia-Säure wie folgt in das Brotgetreide unddamit in die Nahrungskette gelangt: Aufden Feldern der armen Bauern wächstdie Osterluzei als Unkraut. Die Bauernkönnen sich teure Unkrautvernichtungs-mittel nicht leisten, und die Pflanzengeraten als Verunreinigung in das Mehl.

Pathophysiologie und Mecha-nismen der Karzinogenese

Es ist unklar, ob der nephrotoxische undder karzinogene Effekt voneinander ge-trennt zu betrachten sind. Nach metabo-lischer Aktivierung binden AS-Nitreni-um-Ionen kovalent mit Purinbasen inder DNS. Diese Addukte führen zu Muta-tionen im Tumor-Supressor-TP53-Gen.Solche Mutationen werden nur sehr sel-ten in anderen nicht mit AS in Verbin-dung gebrachten Urothelkarzinomengefunden.

Natürlicher VerlaufDie meisten Patienten werden sehr raschterminal niereninsuffizient. In einer bel-gischen Kohortenstudie lag das Überle-ben des Nierenorgans in einer Gruppevon Patienten mit tubulointerstitiellerNephritis bei 74 %, bei Patienten mitdurch AS ausgelöster Nephropathie bei17 % nach zwei Jahren. Die Balkan-nephropathie verläuft nicht so rasch pro-gredient. Der Grund hierfür ist wahr-scheinlich die geringere Exposition ge-genüber AS.

Fast alle Patienten mit Urothelkarzinomsind auch terminal niereninsuffizient.Allerdings besteht eine breite Streuungin der Erstmanifestation der Tumorer-krankung. Späte Blasenkarzinome wur-den bis zu 15 Jahre nach Einnahme vonAS beobachtet.

DiagnoseEine milde Proteinurie (<1,5 g pro 24Std.) mit geringer Erythrozyt- und Leu-kozyturie im Sediment, eine Nierenin-suffizienz und eine Anämie werden be-

157Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

FAZIT

Kräuter, die Aristolochia-Säure enthal-ten, sollten auf keinen Fall eingenom-men werden. Sie können eine sehr ag-gressiv verlaufende interstitielleNephritis und Urothelkarzinome auslö-sen. Von der Bestellung nicht regi-strierter "Kräutermischungen" aus demInternet ist vor diesem Hintergrunddringend zu warnen.

schrieben. Die Anämie geht über dasnormale Maß einer renalen Anämie hin-aus, wahrscheinlich weil Erythropoetinproduzierende peritubuläre Zellen di-rekt geschädigt werden. Im Ultraschallfindet man Schrumpfnieren, die asym-metrisch und sehr unregelmäßig seinkönnen. Es gibt leider keine Serum- oderUrinmarker, die beweisend wären.

NierenhistologieMan findet eine starke interstitielle Fi-brose mit tubulärer Atrophie und nurwenig entzündlicher Aktivität. Fast allePatienten haben multifokale Atypien desUrothels und 40-46 % der Patientenmultifokale, oft beidseitig vorhandeneUrothelkarzinome in situ der oberenHarnwege.

Botanische DiagnoseDie Familie der Aristolochiaceae bein-haltet 120 Arten, von denen 99 für medi-zinische Zwecke verwendet werden. DerGehalt an Aristolochia-Säure und das Ri-siko einer dadurch verursachtenNephropathie ist für die meisten Artennicht bekannt. Obwohl Listen mit Pflan-zen, die AS beinhalten, von der FDA pu-bliziert sind, gibt es dennoch viele Pro-dukte mit unklarem Gehalt an AS. Daherwird im Zweifelsfalle immer eine phyto-chemische Analyse nötig sein, will manNephrotoxizität sicher vermeiden.

DNS-Addukt Analyse:Zur Bestimmung ist eine frische unfi-xierte Stanze von Nierengewebe nötig.

Diagnostische KriterienWird bei einem Patienten eine durch ASverursachte Nephropathie vermutet undist kein anderer möglicher Grund für dieNiereninsuffizienz bekannt, schlagen dieAutoren eine definitive Diagnose vor,wenn eine eingeschränkte Nierenfunkti-on mit einer GFR < 60 ml /min und zweivon den folgenden drei Kriterien beste-hen: 1. Interstitielle Fibrose mit wenigenEntzündungszellen von außen nachinnen in den Nierenrinde weniger wer-dend, 2. Einnahme von Kräutern undderen Produkten, in denen phytoche-

misch AS nachgewiesen wurde, 3. Nach-weis von AS-DNS-Addukten im Nieren-gewebe.

Als wahrscheinlich erachten die Autorendie Diagnose bei einem der oben genann-ten Kriterien und zusätzlich Bekannt-sein eines Urothelkarzinomes zum Zeit-punkt der Diagnosestellung.

PräventionIn der Europäischen Union sind seit2004 alle zur medizinischen Anwendungbestimmten pflanzlichen Produkte regi-striert und zugelassen. Darunter sindkeine Produkte, die AS enthalten. In denUSA, Hongkong, Taiwan und Chinawurde die medizinische Verwendungderartiger Produkte verboten. Lediglichin China ist es gestattet, unter Überwa-chung durch einen in chinesischer Medi-zin geschulten Arzt vereinzelt solcheKräuter zu benutzen. Davon weitgehendunbeeinflusst ist natürlich der unkon-trollierte Handel über das Internet.

TherapieEs gibt keine randomisierten klinischenStudien. Eine Blockade des Renin- An-giotensinsystems scheint den Verlaufnicht zu beeinflussen. Eine kleine un-kontrollierte Studie legt die Wirksam-keit von Steroiden nahe. Daher wird beiallen Patienten mit einer GFR über 20ml/Min. die Gabe von Prednisolon 1mg/kg Körpergewicht über vier Wochen,gefolgt von einer stufenweisen Dosisre-duktion auf eine Erhaltungsdosis von0,15 mg/kg Körpergewicht empfohlen.Nach sechs Monaten sollte diese Behand-lung beendet werden, wenn die Nieren-funktion weiter abnimmt.

Nierenersatzverfahren und Trans -plantationDie Autoren bieten allen Patienten mitder definitiven Diagnose einer durch ASausgelösten Nephropathie eine bilatera-le Nephroureterektomie an, sobald dieterminale Niereninsuffizienz eintritt,idealerweise im Zusammenhang mit

einer Lebend-Nierenspende. Der Grundfür die radikale Entfernung der oberenHarnwege ist, dass nach der Transplanta-tion das Risiko eines Urothelkarzinomsin diesen bei bis zu 52,9 % über einemmedianen Beobachtungszeitraum von57 Monaten liegt.

ÜberwachungEine regelmäßige zytologische Überwa-chung des Urins sollte erfolgen. Da diesnur wenig sensitiv ist, werden überdiesjährlich ein CT und eine Urethrozysto-skopie empfohlen. Nach erfolgterNephroureterektomie sollte alle sechsMonate zystoskopiert und im Zweifels-falle biopsiert werden.

Literatur1. Gokmen MR, Cosyns JP, Arlt VM et al.:

The epidemiology, diagnosis, and ma-nagement of aristolochic acid nephro-pathy: a narrative review. Ann InternMed 2013; 158: 469-477.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Dr. med. Michael Zieschang, [email protected]

Für die Durchsichtdes Manuskripts danken wirFrau Dr. rer. nat. Ute Reichel,Darmstadt

158 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Läsionen durchgeführt worden war.Zum Wirkmechanismus wird eine Ver-besserung des Blutflusses durch Vasodi-latation von Kollateralgefäßen oder derAusbildung neuer Kollateralen, eine Öko-nomisierung des Skelettmuskel-Meta -bolismus und direkte Einwirkung aufden Glukosemetabolismus der Skelett-muskelzelle diskutiert. Es ist nun not-wendig, dass eine ähnlich konzipierte Stu-die auch in Europa durchgeführt wird,wenn möglich mit einem längeren Beob-achtungszeitraum, damit auch Aussagenüber eine Verlangsamung der Progressionder AVK getroffen werden können.

Wichtigstes Therapieelement der Clau-dicatio ist das Gehtraining. KontrollierteStudien lassen eine Steigerung derGehstrecke um 200% nach zwölf Wo-chen als möglich erscheinen. Das struk-turierte überwachte Trainingsprogrammist effektiver als das nicht überwachteGehtraining. Der Theorie steht dieernüchternde Praxis gegenüber: wir sindin Deutschland weit entfernt von einerflächendeckenden Versorgung mit Trai-ningsgruppen. Zudem wird das Gehtrai-ning nur von einem Bruchteil der Pati-enten als Therapiemethode akzeptiert.

Nach der interdisziplinären S3 Leitliniezur AVK sind vasoaktive Substanzen imStadium der Claudicatio intermittensnur dann gezielt einzusetzen, wenn dieLebensqualität erheblich eingeschränktist, die Gehstrecke unter 200 m liegt undein Gehtraining nicht oder nur einge-schränkt durchgeführt werden kann (2).Wenn auch revaskularisierende Maß-nahmen nicht indiziert sind oder zumErfolg geführt haben, sind Cilostazolund Naftidrofuryl Medikamente derWahl (2). Eine kürzlich durchgeführteMetaanalyse zeigt eine Steigerung dermaximalen Gehstrecke mit Naftidrofuryl(Dusodril®, Generika) um 60 % (nureine Studie mit 89 Patienten aus 2001!)und mit Cilostazol (Pletal®) um 25 % (6Studien mit insgesamt 903 Patienten aus

Ramipril zur Behandlung der Claudicatio intermittens

Zitate

1989 bis 2010) (3). Ramipril scheintda nach den Ergebnissen der hier be-sprochenen Studie mit einer Verbes -serung der maximalen Gehstrecke umüber 100 % weitaus effektiver zu sein.

Für den Patienten mit Claudicatio stehtdie Verbesserung der Gehstrecke ver-ständlicherweise ganz im Vordergrund.Da diese Patienten sehr häufig weiterekardiovaskuläre Komplikationen erlei-den, ist die Senkung der Mortalität einweiteres, wenn nicht sogar vorrangigesZiel. Da wir aus der HOPE Studie (4) wis-sen, dass Ramipril bei Patienten mit AVKauch substantiell kardiovaskuläre Ereig-nisse reduzieren kann, wird diese Sub-stanz in Zukunft vermutlich einen be-vorzugten Platz unter den „vasoaktivenMedikamenten“ einnehmen.

Ob diese Ergebnisse auf andere ACE-Hemmer oder AT-1 Blocker übertragenwerden können, ist ungeklärt; hierzusind bei diesem häufigen Krankheitsbildprospektive Studien notwendig.

Nach einer kürzlich publizierten austra-lischen Dreizentrenstudie zur Therapieder belastungsabhängigen Extremitä-tenischämie infolge peripherer arteriel-ler Verschlusskrankheit (AVK) kann Ra-mipril (Delix®, Generika) in die Liste der„vasoaktiven Medikamente“ eingereihtwerden (1). Es wurden jeweils 106 AVK-Patienten mit Ramipril 10 mg täglichoder Placebo für 24 Wochen behandelt.Die beiden Gruppen zeigten ausge -glichen die typischen Charakteristikadieses Krankheitsbildes (mittleres Alter65 Jahre, überwiegend Männer, nur ca.25 % hatten niemals geraucht, etwa einViertel wurde wegen eines Diabetes undetwa die Hälfte wegen einer Hypertoniebehandelt). Es wurden sowohl aortoilia-kale (ca. 30 %) als auch infrainguinale(ca. 70 %) Verschlusstypen eingeschlos-sen. Schmerzfreie und maximale Geh-strecke wurden bei einer Geschwindig-keit von 3,2 km/Std. und einer Steigungvon 12 % gemessen. Sie betrugen vorTherapiebeginn 130 m und 209 m. UnterPlacebo stiegen die Gehstrecken nurmäßig um 12 m und 20 m an. In derRamipril-Gruppe hingegen wurden imGruppenvergleich hochsignifikante Ver-besserungen um 78 m und 246 m ge -sehen. Parallel gemessene Parameter derLebensqualität (WIQ als krankheits -spezifisches Messinstrument und SF-36als globaler Test) verbesserten sich inder Verumgruppe ebenfalls signifikant.Neun Patienten in der Verumgruppe unddrei Patienten unter Placebo berichtetenüber eine leichte Benommenheit in derInitialphase, sieben Ramipril-Patientenmussten wegen Husten die Medikationbeenden. Zwei Patienten in der Placebo-gruppe wurden wegen kardialer Kompli-kationen im Verlauf aus der Studie ge-nommen.

Diese Untersuchung bestätigt eine vor-angegangene Studie derselben Arbeits-gruppe, die an einer kleineren Patienten-population mit Ausschluss von Diabeti-kern und Patienten mit aortoilikalen

FAZIT

Ramipril führt zu einer klinisch relevan-ten Verbesserung der Gehleistung vonPatienten mit Claudicatio intermittens.Da auch eine Verminderung der kardio-vaskulären Mortalität behauptet wird,könnte sich diese Substanz als führen-des medikamentöses Therapieelementetablieren

Literatur

1. Ahimastos AA, Walker PJ, Askew C etal.: Effect of ramipril on walking timesand quality of life among patients withperipheral artery disease and intermit-tent claudication: a randomized con-trolled trial. JAMA 2013; 309: 453-460.

2. Heidrich H, Lawall H: Leitlinien zurDiagnostik und Therapie der periphe-ren arteriellen Verschlusskrankheit(PAVK): 5. Konservative Therapie derPAVK. VASA 2009; 38 (Suppl. 75): 26-35.

3. Stevens JW, Simpson E, Harnan S etal.: Systematic review of the efficacy ofcilostazol, naftidrofuryl oxalate andpentoxifylline for the treatment of in-

termittent claudication. Br J Surg2012; 99: 1630-1638.

4. Yusuf S, Sleight P, Pogue J et al.: Effec-ts of an angiotensin-converting-enzy-me inhibitor, ramipril, on cardiovas-cular events in high-risk patients. TheHeart Outcomes Prevention Evaluati-on Study Investigators. N Engl J Med2000; 342: 145-153.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. A. Creutzig, [email protected]

159Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Eine kanadische Studie beschäftigt sichmit der Frage, wie oft es bei älteren Pati-enten, die mit einer antihypertensivenTherapie begannen, zu einer Schenkel-halsfraktur kam (1). Den Autoren stan-den 301.591 Krankenakten zur Verfü-gung. Das Mindestalter betrug 66, dasDurchschnittsalter 80,8 Jahre, 80,7 %der Untersuchten waren Frauen. Es han-delte sich ausschließlich um Patienten,die nicht in Heimen waren. Die Autorenbetrachteten den ersten Zeitraum von 45Tagen nach Beginn der antihypertensi-ven Therapie und verglichen ihn dannmit einem Zeitraum von anderen 450Tagen des Patienten. Diese lagen teilsvor, teils nach dem Beginn der antihyper-tensiven Therapie. Die Häufigkeit vonBrüchen in diesen 450 Tagen setzten siegleich 1. Unter dieser Prämisse betrugdie Zahl der Brüche in den 45 Tagen nachBeginn der Therapie 1,43 (1,19–1,72).Bezogen auf die verwendeten Substan-zen ergaben sich keine großen Unter-schiede, das heißt, die Anzahl der Schen-kelhalsbrüche lagen bei ACE-Hemmern,Angiotensin-I-Inhibitoren („Sartanen“),

Calciumantagonisten und Betablockerngleich hoch. Nur bei den Diuretika ergabsich ein geringfügig besseres Bild, wasdamit zusammenhängen könnte, dassdie Blutdrucksenkung bei dieser Stoff-klasse erst nach ein paar Wochen deut-lich wird.

Auf den nur sehr begrenzten, wenn über-haupt nachweisbaren Nutzen der antihy-pertensiven Therapie bei Hochbetagtenhaben wir hingewiesen (2). Umso mehrgibt die vorliegende Arbeit (1) erneut An-

lass, auf die seit Beginn der antihyper-tensiven Therapie in den sechziger Jah-ren geltende Regel hinzuweisen, dasseine Hochdrucksenkung besonders beiAlten vorsichtig gestartet werden sollte.

Literatur1. Butt DA, Mamdani M, Austin PC et al.:

The risk of hip fracture after initiatingantihypertensive drugs in the elderly.Arch Intern Med 2012; 172:1739–1744.

2. Meyer FP: Welchen Nutzen habenhochbetagte Patienten (> 80 Jahre)von einer antihypertensiven Therapiezu erwarten? Arzneiverordnung in derPraxis (AVP) 2009; 36: 7–9.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Antihypertensive Therapie bei Älteren:vorsichtig und einschleichend beginnen!

FAZIT

Bei älteren Patienten geht der Beginneiner Hochdruckbehandlung mit einemerhöhten Risiko einer Schenkelhals-fraktur einher. Bei ihrem ohnehin be-grenzten Nutzen sollte diese Therapieeinschleichend und vorsichtig begin-nen – eine alte Empfehlung, die durchdiese Arbeit mit Zahlen untermauertwird.

160 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 40 · Ausgabe 6 · November 2013

Orale Impfung gegen Rotaviren wird in Englandin den Impfkalender aufgenommen

Das Department of Health (DH) in Groß-britannien hat die Entscheidung getrof-fen, ab September 2013 die Impfunggegen Rotaviren für alle Säuglinge unter4 Monaten in den Impfkalender auf -zunehmen (1). Die Empfehlung für dieseEntscheidung wurde vom Joint Com-mittee on Vaccination and Immunisati-on (JCVI) bereits 2009 publiziert (2).Sie wurde mit epidemiologischen undökonomischen Daten begründet: Jähr-lich erkranken in England etwa 140.000Kinder unter 5 Jahren an Durchfall; 10 %dieser Kinder – ca. 14.000 – erkrankenschwer und bedürfen einer stationärenBehandlung. Simulationsmodell-Studi-en lassen vermuten, dass der orale Impf-stoff gegen Rotaviren zu einer Halbie-rung der Inzidenz und zu einer Reduzie-rung der Hospitalisierungsrate um 70 %führt (3). Damit könnten nicht nurKindern und Eltern Kummer und Leiderspart bleiben, auch Hausärzte undKrankenhausärzte mit ihrem Personal

hätten eine beachtliche Entlastung – miteiner jährlichen Ersparnis von 20 Millio-nen £ (ca. 23,4 Mill. Euro) − zu erwarten.Während der drei Jahre, die zwischen derJCVI-Empfehlung und der DH-Entschei-dung verstrichen sind, liefen Verhand-lungen mit der Firma GSK über dieKosten des Impfstoffs Rotarix®. Immer-hin wird die Zahl der jährlich geimpftenSäuglinge auf 840.000 geschätzt. InDeutschland kostet eine Dosis 67,26Euro nach Roter Liste.

Literatur1. Department of Health: New vaccine to

help protect babies against rotavirus:https://www.gov.uk/government/news/new-vaccine-to-help-protect-babies-against-rotavirus. London, 10. Novem-ber 2012. Zuletzt geprüft: 3. Mai 2013.

2. Department of Health, Joint Commit-tee on Vaccination and Immunisation:

JCVI statement on rotavirus vaccines:http://webarchive.nationalarchives.gov.uk/20130107105354/http:/www.dh.gov.uk/prod_consum_dh/groups/dh_digitalassets/@dh/@ab/documents/digitalasset/dh_095177.pdf. London,2009. Zuletzt geprüft: 3. Mai 2013.

3. Atkins KE, Shim E, Pitzer VE, GalvaniAP: Impact of rotavirus vaccination onepidemiological dynamics in Englandand Wales. Vaccine 2012; 30: 552-564.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. B. Schneeweiß, [email protected]

Was uns sonst noch auffiel

In eigener Sache

Aktuelle Fragen der rationalen AntibiotikatherapieNeue Arzneimittel

Eine Veranstaltung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) innerhalb desInterdisziplinären Forums der Bundesärztekammer

Termin: Samstag, 11. Januar 2014, 09.00–12.30 Uhr

Veranstaltungsort: Hotel Aquino/Tagungszentrum Katholische Akademie,Hannoversche Straße 5 b, 10115 Berlin-Mitte

Programm Erreger nosokomialer InfektionenNeue AntibiotikaUmgang mit infektiösen Komplikationen in der TumortherapieBewertung neuer Arzneimittel 2013/2014

Auskunft: Karoline Luzar, E-Mail: [email protected]; Telefon 030 400456-518; Fax 030 400456-555Weitere Details unter www.akdae.de