Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

167
8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 1/167

Transcript of Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

Page 1: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 1/167

Page 2: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 2/167

Page 3: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 3/167

UTOPIA-CLASSICS –Taschenbuch

Page 4: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 4/167

INHALT

Vorwort Seite 7

Der Darwinsche Billardsaal Seite 12 (DARWINIAN POOL ROOM)

Das Ende der Dinosaurier Seite 26 (DAY OF THE HUNTERS)

Schah Guido G. Seite 41 (SHAH GUIDO G.)

Aus Alt mach Neu Seite 56 (BUTTON, BUTTON)

Der Affe und die Schreibmaschine Seite 79 (THE MONKEY’S FINGER)

Mount Everest Seite 96 (EVEREST)

Die Pause Seite 103 (THE PAUSE)

Verzweiflung Seite 124 (LET’S NOT)

Entdecker Seite 132 (EACH AN EXPLORER)

Nichts! Seite 154 (BLANK !)

Page 5: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 5/167

Isaac Asimov

Das Endeder

Dinosaurier

VERLAG ARTHUR MOEWIG GMBH, 7550 RASTAT

Page 6: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 6/167

Titel des Originals:

BUY JUPITER - 1. Teil Aus dem Amerikanischen von Walter Brumm

UTOPIA-CLASSICS-Taschenbuch erscheint monatlichim Verlag Arthur Moewig GmbH, Rastatt

Copyright © 1975 by Isaac Asimov

Copyright © 1983 by Verlag Arthur Moewig GmbH Neuauflage

Titelbild: Nikolai Lutohin Redaktion: Günter M. Schelwokat Vertrieb: Erich Pabel Verlag GmbH, Rastatt

Druck und Bindung:Elsnerdruck GmbH, Berlin

Verkaufspreis inklusive gesetzliche MehrwertsteuerUnsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehenund nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden;

der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: Pressegroßvertrieb Salzburg, Niederalm 300,

A-5081 Anif Einzel-Nachbestellungen sind zu richten an: PV PUBLIC VERLAG GmbH, Postfach 5103 31, 7500 Karlsruhe 51

Lieferung erfolgt bei Vorkasse + DM 2 .— Porto- und Verpackungsanteil

Abonnement-Bestellungen sind zu richten an: PABEL VERLAG GmbH, Postfach 1780, 7550 Rastatt

Lieferung erfolgt zum Verkaufspreis plus ortsüblicher Zustellgebühr Printed in Germany

Juli 1983

Page 7: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 7/167

7

Vorwort

Es ist immer meine Gewohnheit gewesen, geneigte Le-ser, Sie in mein Vertrauen zu ziehen, da ich buchstäb-

lich nichts zu verbergen habe. Lassen Sie sich also er-zählen, wie es zur Zusammenstellung dieses Bucheskam.

Ich wurde für eine Tagung von Science-Fiction-Schriftstellern, die vom 1. bis 3. März 1974 in Bostonstattfinden sollte, zum Ehrengast ernannt, und wie sichherausstellte, gehörte es zur Tradition dieser Tagun-gen, daß der veranstaltende Ausschuß eine kleine Aus-wahl aus den Werken des jeweiligen Ehrengasts veröf-fentlicht. So forderte man mich denn auf, zu diesemZweck einige Erzählungen zusammenzustellen.

Das brachte mich in eine schwierige Lage. MeineScience-Fiction-Erzählungen werden bei Doubleday &

Co. verlegt, jenem hochgeschätzten Verlagshaus vonuntadeligem Ruf, und ich befürchtete, daß ein verletz-ter Ausdruck in ihren sanften braunen Kollektivblickkommen könnte, wenn ich für andere arbeitete. DerVeranstalterausschuß, unterrichtet von meinem Ver-dacht, daß ich von wutschnaubenden Verlegern inStücke gerissen würde, versicherte mir, daß der ge- plante Auswahlband eine begrenzte Auflage von nichtmehr als fünfhundert Exemplaren haben werde.

So trat ich schüchtern an Lawrence Ashmead heran,meinen Herausgeber bei Doubleday, und fragte, ob eretwas dagegen haben würde, wenn ich dem Wunsch

Page 8: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 8/167

8

nachkäme. Larry, diese freundlichste von allen Seelen,sagte: „Klar, Isaac. Machen Sie nur.“ Also machte ich.

Das Ergebnis war ein kleines Buch mit dem TitelHAVE YOU SEEN THESE? (Nesfa Press, 1974), das achtKurzgeschichten enthielt. Es sollte rechtzeitig zur Ta-gung erscheinen, wo man Hunderte (oder auch nurDutzende) von Exemplaren zu verkaufen hoffte. Un-nötig, zu sagen, daß die Launen des Verlagsgeschäftseine Verzögerung unvermeidlich machten und dasBuch erst unmittelbar nach der Tagung ausgeliefert

werden konnte, was dazu führte, daß die tatsächlichverkaufte Auflage noch begrenzter war, als man ge- plant hatte.

Aber Larry ließ sich Zeit und wartete ab. Hinter sei-ner Milde verbirgt sich beträchtlicher verlegerischerScharfsinn.

Nach einiger Zeit sagte er: „Ist dieses kleine Buchherausgekommen, Isaac?“

„Gewiß doch“, sagte ich mit einem Lächeln (dennüber meine Bücher zu sprechen, gehört zu meinenschlichten Freuden), und als ich ihn das nächste Malaufsuchte, gab ich ihm ein Exemplar.

Er betrachtete es, blätterte darin herum und sagte:

„Ein Jammer, daß diese Geschichten keine weitereVerbreitung haben. Könnten wir nicht eine Ausgabeherausbringen?“

Ich brachte einen unüberwindlichen Einwand vor.„Das Ganze hat nur zwanzigtausend Worte Umfang,Larry“, sagte ich.

Und Larry erwiderte sofort: „Dann nehmen Sie ein-fach andere Geschichten dazu.“ (Warum hatte ich dar-an nicht selbst gedacht?)

Wie sich zeigte, hat Doubleday den Ehrgeiz, meinesämtlichen Geschichten in eine Sammlung aufzuneh-men. Ich bin wirklich nicht sicher, daß das eine gute

Page 9: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 9/167

9

Idee ist, denn manche meiner Geschichten sind gewißnicht so gut wie andere, und einige verdienen vielleichtnicht, verewigt zu werden.

Larry (der noch mehr ein Asimov-Parteigänger ist,als ich es bin), ging lachend darüber hinweg. Er wiesmich darauf hin, daß es 1. keine Geschichte gebe, dievon allen Lesern schlecht gefunden wird, daß 2. keineAsimov-Geschichte wirklich schlecht sein könne, unddaß sie 3. alle, ob gut oder schlecht, von historischemInteresse seien.

(Dieser dritte Punkt verursacht mir Unbehagen. Ichhabe das entschiedene Gefühl, daß ich in der Welt derScience Fiction als eine Art Denkmal angesehen werdeund daß junge Leser immer wieder verblüfft - undvielleicht sogar enttäuscht - sind, wenn sie entdecken,daß ich noch am Leben bin.)

Also gab ich nach (denn wer kann Larrys leuchten-den Augen widerstehen?) und fügte andere Kurzge-schichten hinzu, bis zwei Dutzend beisammen waren.Keine von ihnen ist lang, sie sind in keinem meiner frü-heren Sammelbände erschienen, und ich habe sie chro-nologisch nach dem Zeitpunkt ihres Erscheinens zu-sammengestellt.

Jene geschätzten Leser, die meine Bücher BEFORETHE GOLDEN AGE (Doubleday, 1974) und THE EAR-LY ASIMOV (Doubleday, 1973) gelesen haben, wissen,daß sie zusammen eine Art literarischer Autobiogra- phie bis zum Jahr 1949 bilden, in dem ich Doubledaymein erstes Buch verkaufte und nach Boston zog, umMitglied der medizinischen Fakultät der UniversitätBoston zu werden.

In diesem Band werde ich in meiner Gewohnheit fort-fahren, die einzelnen Erzählungen mit biographischenKommentaren zu versehen. Der Grund dafür ist zumeinen, daß ich häufig Briefe von Lesern erhalte, die mir

Page 10: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 10/167

10

sagen, daß die erläuternden Kommentare „noch unter-haltender“ seien als die Geschichten. (Ist das eine Reve-renz vor meinem schriftstellerischen Charme oder eineVerhöhnung meines Talents? frage ich mich.)

Zum anderen soll es den Druck gewisser Herausge- ber (heda, Larry!) mildern, die mich drängen, eine aus-führliche Autobiographie zu schreiben.

Ich erzähle ihnen immer wieder, daß es keinenAspekt außer meiner Schreibmaschine gebe und daßich nie etwas erlebe, doch das scheint auf taube Ohren

zu stoßen. Aber wenn ich in diesen Büchern genug au-tobiographische Einzelheiten unterbringe, verstehenSie...

Bis zum Ende der vierziger Jahre hatte ich ausschließ-lich für John Campbell und sein Magazin ASTOUN-DING SCIENCE FICTION geschrieben. Das hatteschließlich dazu geführt, daß ich mir Sorgen machte,meine schriftstellerische Karriere könnte zu Ende sein,wenn entweder dem Herausgeber oder der Zeitschriftetwas zustieße.

Gewiß, ich hatte Doubleday meinen ersten Science-Fiction-Roman, PEBBLE IN THE SKY, verkauft, der

am 19. Januar 1950 veröffentlicht wurde, weniger alsdrei Wochen nach meinem dreißigsten Geburtstag,aber mir schien, ich dürfte mich darauf nicht verlassen.Ich hatte keine Gewißheit, daß eine Wiederholung die-ses Erfolgs gelingen würde, und fühlte mich nur mitden Zeitschriftenbeiträgen wohl, an deren regelmäßi-gen Verkauf ich mich während der ersten elf Jahremeiner literarischen Karriere gewöhnt hatte.

Die Dekade der fünfziger Jahre begann jedoch miteiner raschen Ausweitung des Marktes für Science-Fiction-Zeitschriften, und ich wurde rasch zum Nutz-nießer dieser Entwicklung.

Page 11: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 11/167

11

Eine für 1950 geplante neue Zeitschrift sollte den Ti-tel GALAXY SCIENCE FICTION erhalten. Als Her-ausgeber hatte man Horace L. Gold gewonnen, dessenErzählungen ich gelesen hatte und bewunderte, undich fühlte mich sehr geschmeichelt, als er mich für dieerste Nummer des Magazins, die er natürlich besonderssorgfältig zusammenstellte, um einen Beitrag bat.

Das Dumme war, daß mir nur wenig Zeit zur Verfü-gung stand. Er brauchte den Beitrag in einer Woche,sagte er, und ich war sehr nervös, für einen anderen als

John Campbell zu schreiben. Schließlich hatte ich kei-ne Ahnung, was Horace schätzte, während John undich im Lauf der Zeit vollkommene Übereinstimmungerreicht hatten.

Ich versuchte es trotzdem und schrieb DARWINIANPOOL ROOM. Horace nahm die Geschichte an, tat es jedoch ohne erkennbare Begeisterung, und ich hattedas schlechte Gefühl, er habe sie nur genommen, weiler unbedingt etwas für diese wichtige erste Nummer brauchte, die im Oktober 1950 herauskommen sollte.

Lassen Sie sich aus persönlicher Erfahrung sagen,daß der Gedanke, man habe eine Geschichte nur ver-kauft, weil man einen Namen hat oder weil der Her-

ausgeber im Moment nichts Besseres finden kann, beiweitem schlimmer ist als der Schock über eine Ableh-nung (es sei denn, man befindet sich in dringenderGeldverlegenheit).

Darum erbot ich mich sofort, eine weitere Geschichtefür Horace zu schreiben, was ich auch tat. Ihr Titel lau-tete MISBEGOTTEN MISSIONARY, und sie ist in mei-nem Buch NIGHTFALL AND OTHER STORIES(Doubleday, 1969) unter meinem eigenen ursprüngli-chen Titel GREEN PATCHES enthalten. Horace nahmauch diese an und brachte sie in der zweiten Ausgabe

Page 12: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 12/167

12

seines Magazins im November 1950. Diesmal steckte ernicht in einer Zwangslage und konnte es sich leisten,wählerisch zu sein, und infolgedessen war ich sehr er-leichtert, als er die Geschichte akzeptierte. Aber wie-derum konnte ich nicht umhin, zu bemerken, daß erauch dieses Manuskript ohne erkennbare Begeisterungannahm.

Im Lauf der Monate und Jahre wurde mir schließlichklar, daß Horace niemals eine Geschichte mit erkenn- barer Begeisterung annahm - dafür um so häufiger mit

sehr deutlichem Mangel an Begeisterung. (Und seineAblehnungen waren grausam, so grausam, daß er vieleSchriftsteller verlor, die nicht bereit waren, sich denSchmähungen und Beschimpfungen auszusetzen, mitdenen er seine Ablehnungen zu begleiten pflegte.)

Jedenfalls lernte ich, daß meine selbstquälerischenGedanken über DARWINIAN POOL ROOM unnötiggewesen waren. Es mag keine meiner besten Erzählun-gen gewesen sein, aber Horace war damit so zufriedenwie mit irgendeiner anderen Geschichte, was vielleichtnicht viel war.

Für mich liegt die Bedeutung von DARWINIANPOOL ROOM und PEBBLE IN THE SKY darin, daß sie

den Beginn meiner Diversifikation und das Ende mei-ner ausschließlichen Abhängigkeit von John Campbellmarkierten (obgleich meine Dankbarkeit zu ihm nie-mals ein Ende haben wird).

Der Darwinsche Billardsaal

„Natürlich ist die gewohnte Konzeption von Buch einsder Schöpfungsgeschichte völlig falsch“, sagte ich.„Nehmt einen Billardsaal, zum Beispiel.“Die drei anderen stellten sich einen Billardsaal vor.

Page 13: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 13/167

13

Thetier hob sogar einen Zeigefinger, schloß die Augenund murmelte: „Billardsaal!“ Trotter sagte wie ge-wöhnlich nichts und blies statt dessen in seine zweiteTasse Kaffee. Der Kaffee schmeckte - auch wie ge-wöhnlich - scheußlich, aber ich war der Neuling in derGruppe, und meine Magenwände waren noch nicht ab-gehärtet genug. Wir saßen in Dr. Trotters Laboratori-um auf altersschwachen Drehstühlen, und keinem vonuns fiel es schwer, in den Arbeitsflächen Billardtische,in den gläsernen Rohrstücken an der Wand Queues

und in den Destillierkolben Billardkugeln zu sehen.„Stellt euch das Ende einer Partie Lochbillard vor“,sagte ich. „Wir haben jede Kugel bis auf den Spielballin einem gegebenen Loch...“

„Nicht so schnell“, sagte Thetier, immer der Purist.„Es spielt keine Rolle, in welchem Loch, solange du siein einer bestimmten Reihenfolge oder...“

„Tut nichts zur Sache. Wenn das Spiel vorbei ist, sinddie Kugeln auf verschiedene Löcher verteilt, nichtwahr? Angenommen, jemand geht in den Billardsaal,wenn das Spiel vorbei ist, sieht nur diese endgültigePosition und versucht, den Ablauf der vorausgegange-nen Ereignisse zu rekonstruieren. Man hat da offen-

sichtlich eine Anzahl von Alternativen.“„Nicht, wenn du die Spielregeln kennst“, sagte Ma-dend.

„Nehmen wir völlige Unwissenheit an“, sagte ich.„Man kann folgern, daß die Kugeln in die Löcher ge-langten, indem sie mit dem Spielball getroffen wurden,der wiederum vom Queue angestoßen wurde. DieseFolgerung würde der Wahrheit entsprechen, aber kei-ne Erklärung darstellen, die dem ahnungslosen Be-trachter spontan in den Sinn käme. Viel wahrscheinli-cher wäre, daß er denken würde, die Kugeln seien von

Page 14: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 14/167

14

Hand in ihre entsprechenden Löcher gesteckt wordenoder hätten schon immer in diesen existiert.“

„Na schön“, sagte Thetier. „Wenn du zur Schöpfungs-geschichte zurückkehrst, wirst du behaupten, daß wirdas Universum per Analogieschluß entweder als schonimmer existent, als willkürliche Schöpfung oder als einim Zuge der Evolution entstandenes veränderlichesPhänomen erklären können. Habe ich recht?“

„Das ist ganz und gar nicht die Alternative, an die ichdenke“, sagte ich. „Gehen wir ruhig von einer absichts-

vollen Schöpfung aus und bedenken wir nur die Me-thoden, mittels derer eine solche Schöpfung hervorge- bracht werden konnte. Es ist einfach, sich vorzustellen,daß Gott sagte: ,Es werde Licht’ und daß es Licht ward,aber es ist nicht ästhetisch.“

„Es ist einfach“, sagte Madend, „und die Regeln derLogik verlangen, daß von alternativen Möglichkeitendie einfachere gewählt werde.“

„Warum gehst du dann nicht hin und beendest einBillardspiel, indem du die Kugeln von Hand in die Lö-cher steckst? Das ist auch einfacher, aber wie gesagt, esist nicht ästhetisch. Andererseits, wenn du mit dem Ur-atom anfängst...“

„Was ist das?“ fragte Trotter.„Nun, nenne es meinetwegen die Massenenergie desUniversums, zusammengepreßt zu einer einzigen Ku-gel und in einen Zustand minimaler Entropie. Wenn dudiese Kugel so zur Explosion bringen könntest, daß alleBestandteile von Materie und Energie sich in genauvorberechneter Art und Weise verhalten, reagierenund zusammenwirken würden - wäre das nicht vielzufriedenstellender, als einfach mit der Hand zu we-deln und zu sagen: ,Es werde Licht!’“

„Also wie ein Stoß mit dem Spielball gegen eine der

Page 15: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 15/167

15

Billardkugeln, wodurch alle fünfzehn in ihre vorbe-stimmten Löcher geschickt werden“, sagte Madend.

„In einem hübschen Muster“, sagte ich, „ja.“„Ich finde, in der Vorstellung eines ungeheuren di-

rekten Willensakts liegt mehr Poesie“, meinte Ma-dend.

„Das hängt davon ab, ob du die Sache als Mathemati-ker oder als Theologe siehst“, sagte ich. „Tatsächlichkönnte das erste Buch der Schöpfungsgeschichte demBillardsystem angepaßt werden. Der Schöpfer könnte

seine Zeit mit der Berechnung aller notwendigen Va-riablen und Beziehungen in sechs komplizierten Glei-chungen verbracht haben, eine Gleichung für jeden,Tag’. Nach Auslösung der Urexplosion würde er dannam siebten ,Tag’ ruhen, wobei der besagte siebte Tagden gesamten Zeitraum von jenem Anfang bis zumJahr 4004 v. Chr. umfaßt. Dieser Zeitraum, währenddas unendlich komplizierte Muster der auseinander-strebenden Billardkugeln sich entfaltet, ist für die Ver-fasser der Bibel offenbar von keinem Interesse. DieMilliarden Jahre wurden bloß als ein einziger Schöp-fungsakt begriffen.“

„Du postulierst da ein teleologisches Universum“,

sagte Trotter kopfschüttelnd. „Ein Universum, dasdurch einen Zweck bestimmt ist.“„Klar“, sagte ich. „Warum nicht? Ich gehe ja von ei-

nem Schöpfungsakt aus, und ein bewußter Schöp-fungsakt ohne Zweck wäre lächerlich. Wenn du ver-suchst, den Gang der Evolution als das zufällige Er-gebnis nicht zweckhafter Kräfte zu betrachten, siehstdu dich übrigens einigen sehr kniffligen Problemen ge-genüber.“

„Und die wären?“ fragte Madend.„Zum Beispiel dem Untergang der Dinosaurier“, sag-

te ich.

Page 16: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 16/167

16

„Was ist daran so schwer zu verstehen?“„Es gibt keine logischen Gründe dafür. Versuche,

welche zu nennen.“„Nichts leichter als das“, erwiderte Madend. „Das

Gesetz vom abnehmenden Wirkungsgrad. Der Bronto-saurus wurde so massiv, daß er Beine wie Baumstäm-me brauchte, und dann mußte er noch im Sumpf lebenund die meiste Arbeit der Auftriebskraft des Wassersüberlassen. Damit nicht genug, mußte er die ganze Zeitfressen, um sich mit Kalorien zu versorgen. Was die

fleischfressenden Arten betrifft, so waren sie in ihremWettkampf gegeneinander gezwungen, sich derart zu panzern, daß sie unter einer halben Tonne Knochenund Schuppen ächzten. Die Entwicklung erreichteschließlich einen Punkt, wo sich alles das nicht mehrauszahlte.“

„Gut“, sagte ich. „Die großen Ungetüme starben alsoaus. Aber die Mehrzahl der Dinosaurier bestand auskleineren und beweglicheren Arten, wo weder Körper-gewicht noch Panzerung übertriebene Ausmaße ange-nommen hatten. Was wurde aus ihnen?“

„Möglicherweise wurde ihr Lebensraum von Klima-veränderungen eingeschränkt“, sagte Thetier. „Auf je-

den Fall aber spielt die Konkurrenz der Säugetiere da- bei eine Rolle. Als einige Reptilienarten sich ein Haar-kleid zulegten und zu Warmblütern wurden, konntensie sich von den jahreszeitlichen Klimaschwankungenweitgehend unabhängig machen. Sie wurden nicht trä-ge, sobald die Temperatur unter einen gewissen Wertsank. Sie brauchten keinen Winterschlaf zu halten. DieFolge war, daß sie im Wettlauf um die Nahrung vornelagen. Manche Paläontologen vermuten, daß es unterdiesen rattengroßen Ursäugern Arten gegeben habenmag, die von den Eiern der Saurier lebten und so ihrAussterben beschleunigten.“

Page 17: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 17/167

17

„Das befriedigt mich nicht ganz“, sagte ich. „Ich glau- be nicht, daß die verschiedenen Saurierarten so leichtverdrängt und ausgerottet worden sein sollen. Immer-hin überdauerten sie einige dreihundert MillionenJahre, was ungefähr zweihundertsiebenundneunzigMillionen mehr sind, als die Gattung Homo sich gut-schreiben kann. Zweitens überlebten zahlreiche Artenvon Wechselblütern bis auf den heutigen Tag, vor al-lem Insekten und Amphibien...“

„Das verdanken sie ihren hohen Reproduktionsra-

ten“, sagte Thetier.„Aber auch verschiedene Reptilien. Die Schlangen,Echsen und Schildkröten kommen ganz gut zurecht,und würden sie nicht von den Menschen zurückge-drängt und dezimiert, wäre die Welt noch heute vollvon ihnen. Und wie steht es um den Ozean? Die Saurier paßten sich als Ichthyosaurier und Plesiosaurier die-sem Element an, verschwanden aber auch hier, obwohles keine neu entwickelten Lebensformen gab, die ihnenden Lebensraum streitig gemacht hätten. Abgesehenvon den Walen und Delphinen, die erst viel später er-schienen, stellen die Fische die höchste Form ozeani-schen Lebens dar, und sie sind älter als die Ichthyosau-

rier. Wie erklärt ihr euch das? Der Fisch ist ebenfallsWechselblüter und entwicklungsgeschichtlich noch primitiver als der Saurier. Wie die Wale zeigen, gilt dasGesetz vom abnehmenden Wirkungsgrad im Ozeannicht, da das Wasser große Körper genausogut trägtwie kleine. Der Blauwal ist größer als jeder Dinosau-rier, der jemals gelebt hat. Und noch etwas. Hier kannniemand von den Nachteilen umweltabhängiger Kör- pertemperaturen reden und sagen, daß die Wechsel- blüter bei niedrigen Temperaturen träge würden. Fi-sche fühlen sich bei Wassertemperaturen von wenigen

Page 18: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 18/167

18

Graden über Null recht wohl, und an einem Hai istnichts Träges.“

„Warum haben sich die Dinosaurier dann so still vonder Erde fortgestohlen und nur ihre Knochen zurück-gelassen?“ fragte Madend.

„Sie waren Teil des Planes. Sobald sie ihren Zweckerfüllt hatten, waren sie überflüssig und wurden infol-gedessen abserviert.“

„Wie? In einer arrangierten Katastrophe? Der FingerGottes, und so weiter?“

„Nein, natürlich nicht. Sie starben auf natürlicheWeise aus, weil die Notwendigkeit der ursprünglichenVorberechnung bereits innewohnte.“

„Dann sollte es uns möglich sein, herauszufinden, vonwelcher Art dieses natürliche, notwendige Aussterbenwar.“

„Nicht notwendigerweise. Es könnte sich um eineFehlentwicklung im Stoffwechselsystem der Sauriergehandelt haben, oder um einen Vitaminmangel...“

„Das ist reine Spekulation“, sagte Thetier abwin-kend. „Du machst das alles viel zu kompliziert.“

„Es scheint bloß kompliziert“, verteidigte ichmich.„Angenommen, es wäre notwendig, eine gegebene Bil-

lardkugel mit einem Quartstoß ins Loch zu bringen.Würdest du wegen der relativ komplizierten Bahn desSpielballs davor zurückschrecken? Ein direkter Stoßwürde weniger kompliziert sein, aber nichts bewirken.Und trotz der scheinbaren Kompliziertheit würde derQuartstoß dem Meister keine größeren Schwierigkei-ten bereiten. Es würde eine einzige Bewegung desQueues bleiben, lediglich in eine andere Richtung. Al-les übrige besorgten dann die natürlichen Eigenschaf-ten elastischer Materialien und das Gesetz von der Er-haltung der Bewegungsenergie.“

„Wenn ich dich richtig verstehe“, sagte Trotter, „dann

Page 19: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 19/167

19

meinst du also, daß der Gang der Evolution den ein-fachsten Weg vom ursprünglichen Chaos zum Men-schen darstellt.“

„Das meine ich, ja. Kein Sperling fällt ohne einenZweck, und auch kein Pterodaktylus.“

„Und wie soll es deiner Meinung nach weitergehen?“„Nirgendwohin. Mit der Entwicklung des Menschen

ist die Evolution beendet. Die alten Regeln gelten nichtmehr.“

Alle lachten. „So, denkst du?“ sagte Madend. „Du

schließt also das Fortdauern von Anpassungsverände-rungen und Mutationen aus?“„In einem Sinne tue ich es“, sagte ich fest. „Der

Mensch beherrscht mehr und mehr seine Umwelt, under versteht mehr und mehr vom Mechanismus der Mu-tationen. Ehe der Mensch auf der Bildfläche erschien,konnten die Lebewesen klimatische Veränderungenweder vorhersehen noch sich gegen sie schützen. Sieverstanden nicht, welche wachsenden Gefahren ihnenvon neu sich entwickelnden Arten drohte. Aber nunlegt euch diese Frage vor: Welche Lebensform, welcherOrganismus könnte möglicherweise uns ersetzen, undwie sollte das geschehen?“

„Wir könnten damit anfangen“, sagte Madend, „daßwir die Insekten betrachten. Ich glaube, sie sind bereitsim Begriff, es zu tun.“

„Sie haben nicht verhindern können, daß dieMenschheit sich während der letzten zweihundert-fünfzig Jahre ungefähr um das Zehnfache vermehrte.Konzentrierte der Mensch sich auf die Insektenbe-kämpfung, statt seine Anstrengungen anderen Artendes Kampfes zu widmen, würden besagte Insektennicht lange aushalten. Es läßt sich nicht beweisen, aberdas ist meine Ansicht.“

„Wie ist es mit Bakterien, oder, noch besser, mit Vi-

Page 20: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 20/167

20

ren?“ sagte Madend. „Die Virusgrippe des Jahres 1918erledigte eine ganze Menge unserer Mitbürger.“

„Nun ja“, sagte ich. „Ungefähr ein Prozent der Bevöl-kerung. Selbst die Pestepidemien des vierzehntenJahrhunderts vermochten nur ein Drittel der Bevölke-rung Europas zu töten, und das in einer Zeit, als es einewissenschaftliche Medizin nicht gab. Die Seuche konn-te ungehindert um sich greifen, und als Nährbodenhatte sie obendrein die erschreckendsten Zuständemittelalterlicher Armut mit ihrem Schmutz und Un-

rat. Trotzdem überlebten zwei Drittel unserer zähenVorfahren. Krankheitskeime werden es auch nichtschaffen, dessen bin ich sicher.“

„Da wir schon bei Spekulationen angelangt sind“,sagte Thetier. „Wäre es nicht denkbar, daß der Menschselbst sich zu einer Art Übermensch weiterentwickelteund die Restbevölkerung von unseresgleichen ver-drängte?“

„Denkbar schon, aber nicht wahrscheinlich“, sagteich. „Der einzige Teil des Menschen, der ihn zum Herrnder Welt machen konnte, ist sein Nervensystem, beson-ders die Hirnrinde. Sie ist der am meisten spezialisierteTeil seines Organismus und daher eine Sackgasse.

Wenn der Gang der Evolution etwas demonstriert,dann ist es das allgemeine Phänomen, daß mit einemgewissen Grad der Spezialisierung die Flexibilität ver-lorengeht und eine Weiterentwicklung nur in Richtungauf größere Spezialisierung möglich ist.“

„Ist das nicht genau das, was erwünscht ist?“ sagteThetier.

„Vielleicht, aber wie Madend schon sagte, erreicht je-de Spezialisierung früher oder später den Punkt, wo siekeine weiteren Vorteile mehr bringt. Wenn ihr michfragt, so ist dieser Punkt beim Menschen bereits er-reicht. Die Größe des menschlichen Kopfes schon beim

Page 21: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 21/167

21

Neugeborenen macht die Geburt zu einem schwierigenund schmerzhaften Prozeß. Die Kompliziertheit dermenschlichen Denkart bringt es mit sich, daß die gei-stige und seelische Reife des Menschen so weit hinterseiner Geschlechtsreife herhinkt. Jeder von uns weiß,welche Fülle von Problemen und Schwierigkeiten dar-aus erwächst. Die Empfindlichkeit unserer geistigenAusrüstung macht die meisten von uns zu Neurotikern.Wie viele Schritte können wir noch in diese Richtunggehen, ohne ins Verderben zu laufen?“

„Die Entwicklung“, sagte Madend, „könnte in dieRichtung größerer Stabilität oder beschleunigter Reifegehen, statt in jene der höheren Gehirnleistung.“

„Vielleicht, aber es gibt keine Anzeichen dafür. DerCromagnon-Mensch lebte vor mehr als zehntausendJahren, und es gibt interessante Anhaltspunkte dafür,daß er dem modernen Menschen nicht nur körperlich,sondern auch in der Schädelkapazität überlegen war.“

„Zehn- oder zwanzigtausend Jahre“, sagte Trotter,„sind nicht viel, wenn man den Maßstab der Evolutionanlegt. Außerdem besteht immer die Möglichkeit, daßandere Arten Intelligenz oder etwas Besseres entwik-keln, falls es etwas Besseres geben sollte.“

„Wir würden es nie dazu kommen lassen. Das ist derentscheidende Punkt. Es würde Hunderttausende vonJahren dauern, bis, sagen wir mal, Bären oder RattenIntelligenz entwickeln könnten, und sobald wir merk-ten, was da im Gange ist, würden wir sie ausrotten -oder als Sklaven verwenden.“

„Na schön“, sagte Thetier. „Wie ist es mit diesen bi-ochemischen Mangelerscheinungen, wie du sie im Falleder Dinosaurier postuliertest? Nimm Vitamin C, zumBeispiel. Die einzigen Lebewesen, die es in ihren eige-nen Körpern nicht erzeugen können, sind Meer-schweinchen und die Primaten einschließlich des Men-

Page 22: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 22/167

22

schen. Angenommen, diese Tendenz hält an und wirwerden von zu vielen wichtigen Nahrungsfaktoren ab-hängig? Oder die zivilisationsbedingte Anfälligkeit desMenschen für Herzkrankheiten und Krebs nimmt wei-ter zu. Was dann?“

„Das ist kein Problem“, sagte ich. „Es liegt im Wesender neuen Situation, daß die Lebensverhältnisse derMenschheit sich nach den augenblicklichen Umwäl-zungen der industriellen Revolution ändern und stabi-lisieren werden. Und ich bin überzeugt, daß wir eines

nicht zu fernen Tages lernen werden, wie Krebser-krankungen verhütet oder geheilt werden können.“Trotter stand auf. Er hatte seinen Kaffee ausgetrun-

ken, hielt die Tasse aber noch immer in der Hand. „Gut,du sagst also, wir wären entwicklungsgeschichtlich ineiner Sackgasse. Aber wie, wenn alles das in die ur-sprüngliche Rechnung mit einbezogen wäre? DerSchöpfer war bereit, dreihundert Millionen Jahre zuspendieren, damit die Saurier dies oder das entwickel-ten, was schließlich zur Entwicklung des Menschenführen würde. Warum sollte er nicht eine Methodeausgeknobelt haben, daß der Mensch mittels seiner In-telligenz und der Herrschaft über seine Umwelt die

nächste Runde des Spieles selbst vorbereitete? Daskönnte ein recht amüsanter Teil des Billardkugel-Sy-stems sein.“

Das machte mich stutzig. „Wie meinst du das?“ fragteich.

Trotter lächelte. „Ach, ich dachte bloß, daß es mehrals ein zufälliges Zusammentreffen sein und daß alleindurch die Anstrengungen dieses Gehirnkastens einealte Rasse untergehen und eine neue aufsteigen könn-te.“ Und er klopfte sich mit dem Knöchel an die Schläfe.

„In welcher Weise?“„Ich kann mich irren, aber erreichen die Wissen-

Page 23: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 23/167

23

schaften der Atomphysik und der Kybernetik nichtgleichzeitig ihren Höhepunkt? Erfinden wir nicht zurgleichen Zeit Wasserstoffbomben und Denkmaschi-nen? Ist das bloßer Zufall oder Teil des göttlichen Pla-nes?“

Weiter kamen wir in dieser Mittagspause nicht. Eshatte als ein logisches Denkspiel begonnen, aber seit-dem - seitdem frage ich mich!

DARWINIAN POOL ROOM ist im wesentlichen ein

Gespräch zwischen mehreren Personen. Ich hatte im-mer eine Neigung zu Geschichten dieser Art, vielleicht,weil ich selbst so oft Freude an der Lektüre von Ge-schichten hatte, die damit begannen, daß Leute in stür-mischer Nacht um ein Feuer saßen und sich unterhiel-ten, bis einer von ihnen anfing: „Es war in einer Nachtwie dieser, daß ich...“

Die vorliegende Erzählung entstand unter dem Ein-fluß der langen Diskussionen, die ich während der Mit-tagspausen mit anderen Fakultätsmitgliedern zu füh-ren pflegte - besonders mit Burnham S. Walker, derLeiter der biochemischen Abteilung war, William C.Boyd von der immunbiologischen und Matthew A. De-

row von der mikrobiologischen Abteilung. (Sie sind jetzt im Ruhestand, aber, soviel ich weiß, alle noch amLeben.)

Alle drei interessierten sich für Science Fiction, be-sonders aber Boyd, und er war es auch, der mich für ei-ne bescheidene Dozentur vorgeschlagen hatte (zu demmir damals großartig erscheinenden Jahresgehalt vonfünftausend Dollar).

Gemeinsam mit Walker und Boyd verfaßte ich in derFolgezeit ein Lehrbuch für Biochemie mit dem TitelBIOCHEMISTRY AND HUMAN METABOLISM (Wil-liams & Wilkins, 1952). Es erlebte in den Jahren 1954

Page 24: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 24/167

24

und 1957 Neuauflagen, ohne jedoch ein Erfolg zu wer-den. Ein zweites Lehrbuch, das Walker und ich zusam-men mit einer Krankenschwester von außerhalb derUniversität schrieben und das für Schwesternschüle-rinnen bestimmt war, bekam den Titel CHEMISTRYAND HUMAN HEALTH (McGraw-Hill, 1956). Es er-wies sich als ein noch größerer Fehlschlag.

Trotz des Mißerfolgs machte BIOCHEMISTRY ANDHUMAN METABOLISM mich mit den Freuden desSchreibens von Fachliteratur vertraut, und weder ich

noch meine schriftstellerische Laufbahn waren da-nach jemals wieder dieselben.Ich hatte die Absicht gehabt, eine ganze Serie von

Gesprächs-Geschichten wie DARWINIAN POOLROOM zu schreiben, wurde davon aber (vielleicht zumeinem Glück) durch eine Fehleinschätzung von Ho-race Golds sauertöpfischer Annahme der Geschichteund durch Dr. Walkers Bemerkung abgebracht, der,nachdem er sie im Druck gelesen hatte, in seiner ge-wohnten lakonischen Art sagte: „Unsere Gesprächesind besser.“

Aber nichts war verloren. Die Zeit sollte kommen, daich von neuem inspiriert wurde, diesmal durch die

abendlichen Tischgespräche bei den ’Falltür-Spinnen’,einem eigentümlichen Klub, dem ich angehöre. In An-lehnung an DARWINIAN POOL ROOM schrieb ich ei-ne ganze Serie Mysteriengeschichten in der Form vonTischgesprächen. Die meisten davon erschienen in ver-schiedenen Ausgaben von ELLERY QUEENS MYSTE-RY MAGAZINE, beginnend im Januar 1972. Zwölf die-ser Erzählungen wurden in dem Band TALES OF THEBLACK WIDOWERS (Doubleday, 1974) gesammelt.Gegenwärtig habe ich zwölf weitere Erzählungen fürden Ergänzungsband MORE TALES OF THE BLACKWIDOWERS fertiggestellt.

Page 25: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 25/167

25

In dem Sammelband THE EARLY ASIMOV erwähnteich die Tatsache, daß es elf Geschichten gab, die ich nieverkaufen konnte. Im selben Buch sagte ich, daß alleelf Geschichten nicht länger existierten und für immerin Vergessenheit geraten müßten.

Die Universität Boston sammelt jedoch all meine Pa- piere mit einem Fleiß und einer Gründlichkeit, die ei-ner besseren Sache würdig sind, und als sie 1966 damit begann, übergab ich ihr ganze Stöße von Manuskript- blättern, die ich vorher nicht durchgesehen hatte.

Irgendein junger Verehrer tat es dann einige Zeitspäter. Anscheinend gestattet die Universität Bostondie Einsichtnahme in ihre literarischen Sammlungenzu Forschungszwecken, und der junge Verehrer stelltesich offenbar als Literaturhistoriker vor und erhieltZugang zu meinen Unterlagen. So stieß er auf das ver- blichene Manuskript von BIG GAME, einer Kurzge-schichte, die in THE EARLY ASIMOV als die elfte undletzte meiner verlorengegangenen abgelehnten Ge-schichten aufgeführt war.

Der Mann hatte THE EARLY ASIMOV gelesen underkannte den Wert seiner Entdeckung. Sofort ließ erdas Manuskript fotokopieren und schickte mir die Ko-

pie. Und ich sorgte sofort dafür, daß die Geschichte ge-druckt wurde. Sie erschien in BEFORE THE GOLDENAGE.

Als ich das Manuskript von BIG GAME las, stellte ich jedoch fest, daß es in einer Weise niemals verloren ge-wesen war. Ich hatte es in ganz ähnlicher Form geret-tet. Im Jahre 1950 bat mich Robert W. Lowndes, der da-mals mehrere Science-Fiction-Zeitschriften für dieColumbia Publications herausgab, um eine Geschichte.Ich muß mich an BIG GAME erinnert haben, das achtJahre zuvor entstanden war, denn ich schrieb für ihnDAY OF THE HUNTERS, was eine erweiterte Version

Page 26: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 26/167

26

der früheren Geschichte war, und Bob veröffentlichtesie in der Novemberausgabe 1950 von „Future Com- bined with Science Fiction Stories“.

Das Ende der Dinosaurier

Am Abend, da es begann, endete es auch schon. Es warnichts Besonderes. Es machte mir einfach zu schaffen;und es macht mir immer noch zu schaffen.

Joe Bloch, Ray Manning und ich saßen um unseren

Lieblingstisch in der Eckkneipe und hatten einenAbend vor uns. Das ist der Anfang.Joe Bloch fing von der Atombombe an, und was sei-

ner Meinung nach damit getan werden sollte, und werhätte das vor fünf Jahren gedacht. Und ich sagte, vielehätten das vor fünf Jahren gedacht und Geschichtendarüber geschrieben, und jetzt würde es hart für siewerden, ihren Vorsprung gegenüber den Zeitungen zuhalten. Was zu einem allgemeinen Palaver darüberführte, wie viele verrückte Dinge sich in Zukunft noch bewahrheiten mochten, und es wurde viel mit Beispie-len herumgeworfen.

Ray sagte, er habe von jemand gehört, daß irgendein

berühmter Wissenschaftler einen Klumpen Blei in derZeit rückwärts befördert hätte - ungefähr zwei Sekun-den, er wußte nicht genau, was. Er sagte, der betreffen-de Wissenschaftler halte das Ergebnis geheim, weil erfürchte, niemand werde ihm glauben.

Also fragte ich ziemlich sarkastisch, wie es komme,daß er davon wisse. Ray mag viele Freunde haben, aberich habe die gleichen Freunde wie er, und kein be-rühmter Wissenschaftler ist unter ihnen. Aber er sagte,es sei ihm gleich, ob ich ihm glaube oder nicht, und esgehe mich nichts an, woher er es habe.

Page 27: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 27/167

27

Damit aber war das Thema gefunden, und es wurdenur noch über Zeitmaschinen gesprochen, und wie mandamit zurückginge und den eigenen Großvater um- brächte, und warum niemand aus der Zukunft zurück-käme und uns sagte, wer den nächsten Krieg gewinnenwerde oder ob es überhaupt einen nächsten Krieg ge- ben werde, und ob man dadurch überhaupt noch ir-gendwo auf Erden leben könnte, gleichgültig, wer ge-winnen würde.

Ray meinte, er wäre schon zufrieden, wenn er wäh-

rend des sechsten Rennens den Gewinner des siebtenwissen würde.Aber Joe war anderer Meinung. Er sagte: „Das Dum-

me mit euch ist, daß ihr nur Kriege und Pferderennenim Kopf habt. Was mich angeht, ich bin neugierig. Wißtihr, was ich tun würde, wenn ich eine Zeitmaschinehätte?“

Wir wollten es natürlich sofort wissen, schon bereit,ihn auszulachen, was immer es sein mochte.

Er sagte: „Wenn ich eine hätte, würde ich fünfzigMillionen Jahre zurückgehen und herausbringen, wasaus den Dinosauriern wurde.“

Zu Joes Pech fanden Ray und ich, daß das überhaupt

keinen Sinn habe. „Wen kümmern schon Dinosaurier?“fragte Ray. Und ich sagte, sie taugten bloß dazu, Ske-lette für Leute zu liefern, die bescheuert genug seien, inMuseen die Fußböden abzunutzen; und es sei eine guteSache, daß sie höherentwickelten Lebensformen Platzgemacht hätten. Zum Beispiel den Menschen. Natür-lich sagte Joe darauf, wenn er sich so einige Menschen betrachte, die er kenne - und er warf uns einen bedeu-tungsvollen Blick zu -, sei er manchmal im Zweifel, obdie Natur nicht doch lieber bei den Dinosauriern hätte bleiben sollen, aber das ließen wir an uns ablaufen.

„Ihr dummen Wichtigtuer könnt lachen und euch

Page 28: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 28/167

28

einbilden, daß ihr etwas wüßtet, aber ihr habt ebenkeine Phantasie“, sagte er. „Diese Dinosaurier wareneine große Sache. Alle möglichen Arten, Millionen vonihnen - und dann ist es auf einmal aus mit ihnen.“ Erschnippte mit den Fingern.

Wieso, wollten wir wissen.Aber er trank nur sein Bier aus und winkte Charly

mit einer Münze, um zu beweisen, daß er auch dasnächste bezahlen wollte, und zuckte einfach die Schul-tern. „Ich weiß nicht. Das ist ja gerade, was ich heraus-

bringen würde.“Das war alles, und damit hätte es sein Bewenden ge-habt. Ich hätte was gesagt, und Ray hätte einen Witzgerissen, und wir hätten alle noch ein Glas Bier getrun-ken und uns vielleicht über das Wetter und die Base- ballsaison der Brooklyn Dodgers unterhalten, undschließlich wären wir auseinandergegangen, ohnenoch einmal an Dinosaurier zu denken.

Aber es kam eben anders, und nun habe ich nichts alsDinosaurier im Kopf und möchte am liebsten nichtsmehr davon wissen.

Und nur, weil der Trunkenbold am Nebentisch plötz-lich aufstand und mit „He, Sie!“ anfing.

Wir hatten ihn bisher nicht bemerkt. Im allgemeinenkümmern wir uns nicht um unbekannte Trinker inWirtshäusern. Ich habe genug mit den Trinkern zu tun,die ich kenne. Dieser Bursche hatte eine Flasche vorsich, die halb leer war, und das Glas in seiner Hand warhalb voll. Wir sahen uns alle nach ihm um, und Raysagte: „Frag ihn, was er will, Joe.“

Joe war dem Mann am nächsten. Er kippte seinenStuhl zurück und sagte: „Was wollen Sie?“

Der Trunkenbold sagte: „Hörte ich richtig? Sprachendie Herren von Dinosauriern?“

Page 29: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 29/167

29

Er war ein bißchen benebelt, und seine Augen plier-ten uns wäßrig an, und daß sein Hemd einmal weiß ge-wesen war, konnte man nur erraten, aber es muß dieArt gewesen sein, wie er redete. Er hörte sich nicht wieein Trunkenbold an, wenn Sie verstehen, was ich mei-ne.

Joe entspannte sich ein wenig und nickte. „Wollen Siewas darüber wissen?“

Er musterte uns nacheinander mit seinem triefäugi-gen Blick und lächelte. Es war ein komisches Lächeln,

das bei den Mundwinkeln anfing und aufhörte, bevores die Augen erreichte. Er sagte: „Wollten Sie nicht eineZeitmaschine bauen und durch die Zeit rückwärts rei-sen, um zu erfahren, was mit den Dinosauriern ge-schah?“

„Warum?“ sagte Joe. „Wollen Sie mir eine bauen?“Der Trunkenbold zeigte ein Durcheinander von Zäh-

nen und sagte: „Nein, mein Herr. Ich könnte, aber ichwill nicht. Und wissen Sie, warum nicht? Weil ich mirvor ein paar Jahren eine Zeitmaschine baute und da-mit ins Mesozoikum reiste und feststellte, was zumAussterben der Dinosaurier führte.“

Später schlug ich nach, wie man „Mesozoikum“

schreibt, deshalb habe ich es richtig, falls Sie sich fra-gen, und ich las, daß das Mesozoikum die Zeit der Dino-saurier war. Aber zu der Zeit wußte ich das alles nichtund dachte, wir hätten es mit einem Verrückten zu tun.Joe behauptete nachher, er habe gewußt, was Mesozoi-kum sei, aber er kann lange reden, ehe Ray und ich ihmglauben.

Immerhin, der Mann hatte uns neugierig gemacht,und wir luden ihn ein, sich zu uns zu setzen. Ich glaube,ich dachte mir, wir könnten ihm eine Weile zuhörenund vielleicht etwas aus der Flasche kriegen, und dieanderen mußten ähnlich gedacht haben. Aber er hielt

Page 30: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 30/167

30

die Flasche fest in der rechten Hand, als er sich an un-seren Tisch setzte, und ließ sie die ganze Zeit nicht los.

Ray sagte: „Wo haben Sie eine Zeitmaschine gebaut?“„An der Midwestern-Universität. Meine Tochter und

ich arbeiteten gemeinsam daran.“Er hörte sich wirklich wie ein Eierkopf an, was das

anging.„Wo haben Sie Ihre Zeitmaschine jetzt?“ fragte ich.

„In der Tasche?“Er zuckte nicht mit der Wimper; unsere Späße konn-

ten ihn nicht hochbringen. Es war, als spräche er lautzu sich selbst, ohne auf uns zu achten. Wenn wir aufge-standen und weggegangen wären, hätte es ihm wahr-scheinlich auch nichts ausgemacht.

Er sagte: „Hab’ sie kurz und klein geschlagen. Wolltesie nicht mehr. Hatte genug davon.“

Wir glaubten ihm kein Wort. Er mußte ein ausge-machter Spinner sein. Ist doch klar, denn wenn jemandeine Zeitmaschine erfinden würde, könnte er damitMillionen machen. Er könnte nach Belieben Geld ver-dienen, weil er schon vorher wüßte, wie es mit dem Ak-tienmarkt und den Pferderennen und den Wahlen wei-tergehen würde. Er würde alles das nicht einfach weg-

werfen, egal, welche Gründe es dafür geben mochte.Außerdem glaubten wir sowieso nicht an Zeitreisen,denn was wäre, wenn man wirklich den eigenen Groß-vater umbrächte?

Nun, das tut nichts zur Sache.Joe sagte: „Natürlich, Sie haben das Ding in Stücke

geschlagen. Kann man verstehen. Wie heißen Sie ei-gentlich?“

Aber darauf antwortete er nicht; wollte einfach nichtsagen, wer er sei. Wir fragten ihn noch ein paarmal,dann nannten wir ihn einfach Professor.

Er trank sein Glas aus und füllte es bedächtig wieder

Page 31: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 31/167

31

auf. Er bot uns nichts von seinem Whisky an, und wirschluckten unser Bier.

„Also, erzählen Sie“, sagte ich. „Was wurde aus denDinosauriern?“

Aber er sagte es uns nicht gleich. Er stierte mitten aufden Tisch und redete zu ihm.

„Ich weiß nicht, wie viele Male Carol mich zurück-schickte - immer nur ein paar Minuten oder Stunden -, bevor ich den großen Sprung machte. Die Dinosaurierinteressierten mich überhaupt nicht. Ich wollte nur se-

hen, wie weit die Maschine mich mit der verfügbarenEnergiemenge bringen würde. Gewiß, es war gefähr-lich, aber ist das Leben so wundervoll? Damalsherrschte Krieg - was für eine Rolle spielte da ein wei-teres Leben?“

Er plierte in sein Glas, als ob er über das Leben im all-gemeinen nachdächte, dann schien er aufzuwachenund redete weiter. „Es war sonnig“, sagte er, „sonnigund hell; trocken und hart. Es gab keine Sümpfe, keineFarne, jedenfalls nicht dort, wo ich ankam. Nichts vonden typischen Wesenszügen der Kreidezeit, die wir alsden Lebensraum der Dinosaurier kennen.“

So ungefähr drückte er sich aus. Ich bekam die gro-

ßen Worte nicht immer mit, also halte ich mich einfachan das, woran ich mich erinnern kann. Aber ich paßtegut auf und muß sagen, daß er diese schwierigen Wör-ter bei all dem Schnaps, den er in sich hineingoß, deut-lich und ohne Gestotter aussprach.

Das war es vielleicht, was uns zu denken gab. Er tatso selbstverständlich, und es ging ihm alles so vertrautüber die Lippen, als ob es nichts wäre.

„Es war ein spätes Zeitalter“, fuhr er fort, „zweifellosdie Kreidezeit. Die Dinosaurier waren bereits am Aus-sterben - alle bis auf diese kleinen mit ihren Metallgür-teln und ihren Schußwaffen.“

Page 32: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 32/167

32

Joe steckte die Nase ins Bierglas und prustete: „Wasfür Kleine?“ fragte er, als er sich erholt hatte. „Was fürMetallgürtel und Schußwaffen?“

Der Professor sah ihn einen Augenblick an, dannglitt sein Blick wieder ins Nichts ab. „Kleine Reptilien,ungefähr einen Meter zwanzig groß. Sie standen aufden Hinterbeinen, auf einen dicken Schwanz gestützt,und sie hatten kleine Arme mit Fingern. Um die Mittetrugen sie breite Metallgürtel, und an diesen hingen dieSchußwaffen. Und das waren keine Waffen, die

Schrotkügelchen verschossen; das waren Energiepro- jektoren.“„Was?“ fragte ich. „Und wann soll sich das alles abge-

spielt haben? Vor Millionen von Jahren?“„Richtig“, sagte er. „Es waren Reptilien. Sie hatten

Schuppen und legten wahrscheinlich Eier. Aber sie ge- brauchten Energiewaffen. Es waren fünf von ihnen,und sie stürzten sich auf mich, sowie ich aus der Ma-schine stieg. Es muß Millionen von ihnen gegeben ha- ben, über die ganze Erde verstreut. Damals müssen siedie Herren der Schöpfung gewesen sein.“

Anscheinend dachte Ray, er hätte ihn, denn in seineAugen kam dieser schlaue Blick, bei dem man ihm am

liebsten einen leeren Bierkrug über den Schädel schla-gen würde, weil ein voller Bierverschwendung wäre.Er sagte: „Millionen, sagen Sie, hah? Es gibt doch Leute,die nichts anderes tun als alte Knochen suchen und mitihnen herumspielen, bis sie ausgeknobelt haben, wiesolche Dinosaurier aussahen. Die Museen sind voll vonsolchen Skeletten, nicht wahr? Nun, können Sie mir ei-nes mit Metallgürtel zeigen, Professor? Wo ist es?“

Der Professor seufzte traurig. Vielleicht wurde ihm jetzt erst klar, daß er an einem Wirtshaustisch saß undes bloß mit drei Kerlen in Overalls zu tun hatte. Odervielleicht war es ihm gleich.

Page 33: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 33/167

33

„Man findet nicht viele Fossilien“, sagte er. „StellenSie sich vor, wie viele Tiere insgesamt auf der Erde ge-lebt haben. Stellen Sie sich vor, wie viele Milliarden undTrillionen es gegeben haben muß. Und dann überlegenSie, wie wenig Fossilien wir finden. Und diese Echsenwaren intelligent, vergessen Sie das nicht. Sie tapptennicht so leicht in Sumpflöcher oder dergleichen, es seidenn in seltenen Ausnahmefällen. Bedenken Sie, wiewenige fossile Überreste von Menschen es gibt - selbstvon den halbintelligenten Affenmenschen, die vor ei-

ner Million Jahren lebten.“Er starrte in sein Glas und drehte es herum und her-um. „Was zeigen Fossilien überhaupt?“ fuhr er nach ei-ner Pause fort. „Metall verrostet und oxydiert und hin-terläßt nichts. Diese kleinen Echsen waren warmblü-tig. Ich weiß es, aber wenn man nur versteinerte Kno-chen besitzt, ist es nicht zu beweisen. Könnten Sie in ei-ner Million Jahren von einem menschlichen Skelettdarauf schließen, wie New York aussah? Könnten Siedie Knochen eines Gorillas von denen eines Menschenunterscheiden und beurteilen, welcher die Atombombe baute und welcher im Zoo saß und Bananen fraß?“

„He“, sagte Joe, „jeder Dummkopf kann ein Gorilla-

skelett von dem eines Menschen unterscheiden. EinMensch hat ein größeres Gehirn. Jeder kann erkennen,welcher der beiden intelligent war.“

„Wirklich?“ Der Professor lachte in sich hinein, alssei alles das so einfach und offensichtlich, daß es ein-fach unbegreiflich war, wie man sich darüber erhitzenkonnte. „Sie beurteilen alles nach dem Gehirntyp, denwir Menschen entwickelt haben. Die Evolution er-reicht ihre Ziele aber auf verschiedenen Wegen. Vögelfliegen anders als Fledermäuse. Das Leben hat ver-schiedene Tricks für alle. Wieviel von Ihrem Gehirngebrauchen Sie? Was glauben Sie? Ungefähr ein Fünf-

Page 34: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 34/167

34

tel. Das behaupten jedenfalls die Psychologen. Soweitder Wissenschaft bekannt ist, werden achtzig Prozentder Gehirnmasse überhaupt nicht gebraucht. UnsereGehirne arbeiten mit einem niedrigen Nutzungsgrad,ausgenommen vielleicht diejenigen einiger wenigerPersönlichkeiten, die wir aus der Geschichte kennen.Leonardo da Vinci, zum Beispiel. Archimedes, Aristo-teles, Gauß, Galois, Einstein...“

Bis auf Einstein waren mir alle unbekannt, aber ichließ es mir nicht anmerken. Er erwähnte noch ein paar,

aber ich habe alle aufgeschrieben, an die ich mich erin-nere. Dann sagte er: „Diese kleinen Reptilien hattenwinzige Gehirne, vielleicht so groß wie eine Tomate,vielleicht noch kleiner, aber sie nutzten alles davon aus.Man mag es den Knochen nicht ansehen, doch die Tierewaren intelligent; intelligent wie wir Menschen. Undsie beherrschten die Erde.“

An diesem Punkt kam Joe mit etwas heraus, waswirklich gut war. Er sagte nämlich: „Sehen Sie, Profes-sor, wenn diese verdammten Eidechsen wirklich solchegroßen Nummern waren, warum hinterließen sie dannnichts? Wo sind ihre Städte und ihre Gebäude und allesandere, was wir von den Höhlenmenschen finden,

Steinwerkzeuge und Sachen. Zum Teufel, stellen Siesich vor, was wir zurücklassen würden! Wenn in späte-rer Zeit jemand käme, könnte er keine zwei Kilometergehen, ohne über eine Stadt zu stolpern. Und über Stra-ßen und Brücken und was noch.“

Aber der Professor ließ sich nicht beirren. „Sie ma-chen den Fehler, andere Lebensformen nach menschli-chen Gesichtspunkten zu beurteilen“, erwiderte er.„Wir bauen Städte und Straßen und Flughäfen undwas sonst noch dazu gehört - aber sie taten das nicht.Ihre ganze Lebensweise war von Grund auf anders. Sielebten nicht in Städten. Sie hatten nicht unsere Art von

Page 35: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 35/167

35

Kunst. Ich bin nicht sicher, was sie hatten, weil es sofremdartig war, daß ich es nicht erfassen konnte. Aberdie Waffen erkannte ich. Sie unterschieden sich nichtso sehr von den unsrigen. Komisch, nicht wahr? Übri-gens, vielleicht stolpern wir jeden Tag über die Überre-ste dieser kleinen Saurier und wissen nicht einmal,wem sie gehörten und was sie sind.“

Mittlerweile hatte ich es ziemlich satt. Man konnteihn einfach nicht festnageln. Je schlauer man es anfing,desto gerissener zog er sich aus der Schlinge. Ich sagte:

„Hören Sie, wie kommt es, daß Sie so viel über diese Ei-dechsen wissen? Was haben Sie gemacht; mit ihnen ge-lebt? Oder sprachen sie Englisch? Oder vielleicht kön-nen Sie die Eidechsensprache? Sagen Sie uns ein paarWorte in der Eidechsensprache.“

Ich glaube, ich kriegte allmählich zuviel. Sie wissen,wie es ist. Jemand faselt eine Menge dummes Zeug zu-sammen, aber man kann ihn nicht bewegen, zuzuge- ben, daß er Unsinn redet.

Doch der Professor ließ sich nicht aus der Ruhe brin-gen. Er füllte bedächtig sein Glas und sagte: „Nein, ichsagte nichts, und sie sagten nichts. Sie sahen mich bloßmit ihren kalten, harten, starren Augen an - Schlangen-

augen -, und ich wußte, was die dachten, und ichmerkte ihnen an, daß sie wußten, was ich dachte. Fra-gen Sie mich nicht, wie es geschah. Es war einfach so,genau wie ich es erzähle. Ich wußte, daß sie auf einerJagdexpedition waren und mich nicht gehen lassenwürden.“

Wir stellten keine Fragen mehr. Wir sahen ihn bloßan, und dann sagte Ray: „Und was passierte? Wie sindSie entkommen?“

„Das war leicht. Auf dem Hügelrücken rannte einTier vorbei. Es war lang - vielleicht drei Meter - undschmal und lief dicht am Boden dahin. Die Echsen ge-

Page 36: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 36/167

36

rieten in Erregung, daß ich es wie in Wellen fühlenkonnte. Es war, als hätten sie mich in dem plötzlichenAufflammen von Jagdfieber vergessen, und sie mach-ten sich an die Verfolgung. Ich stieg wieder in die Ma-schine, kehrte zurück und zerschlug sie in Stücke.“

Joe räusperte sich. „Aber was wurde aus den Dino-sauriern?“

„Ach, verstehen Sie nicht? Ich dachte, es sei klar ge-nug. Diese intelligenten kleinen Echsen waren für denUntergang der Dinosaurier verantwortlich. Sie waren

Jäger - von Natur und aus Neigung. Die Jagd war sozu-sagen ihr Steckenpferd. Sie taten es nicht, um Nahrungzu beschaffen; sie taten es zum Vergnügen.“

„Und so rotteten sie einfach alle Dinosaurer aus?“„Alle, die zu der Zeit lebten; alle zeitgenössischen Ar-

ten. Halten Sie das für unmöglich? Wie lange haben wirgebraucht, um die Bisonherden von hundert Millionenauf wenige hundert Stück zu dezimieren? Haben wir inden letzten sechzig oder achtzig Jahren nicht eine gan-ze Reihe von Tierarten ausgerottet? Angenommen, wirwürden die Jagd zu einem Sport für jedermann ma-chen, wie lange würde es noch Löwen und Tiger undGiraffen geben? Zu der Zeit, als ich diese Echsen sah,

gab es schon keine Großtiere mehr. Die waren alleschon erledigt. Und diese kleinen Teufel mit ihrenEnergieprojektoren jagten die kleinen, im Unterholzlebenden Arten. Wahrscheinlich weinten sie dabei denguten alten Zeiten nach.“

Wir blieben still und schauten unsere leeren Bierglä-ser an und dachten darüber nach. All diese Dinosau-rier, groß wie Einfamilienhäuser, ausgerottet von klei-nen Echsen mit Waffen. Zum Vergnügen.

Schließlich beugte sich Joe hinüber und legte demProfessor die Hand auf die Schulter und schüttelte ihnein wenig. „He, Professor“, sagte er, „aber wenn das so

Page 37: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 37/167

37

ist, was wurde dann aus den kleinen Echsen, denen mitden Schießeisen? Hm? Sind Sie nie zurückgegangen,um das zu erfahren?“

Der Professor blickte mit einem irgendwie beküm-merten Ausdruck in den Augen auf. „Sie verstehennoch immer nicht! Sie hatten schon das letzte Stadiumerreicht, ich sah es in ihren Augen. Sie hatten keinGroßwild mehr, und die Jagd hatte an Reiz verloren.Was taten sie also? Sie wandten sich anderem Wild zu -nicht dem größten, aber dem gefährlichsten, und nun

machte die Jagd wieder richtig Spaß. Dieses Wild jag-ten sie dann, bis es aus war.“„Welches Wild?“ fragte Ray. Er hatte es nicht ver-

standen, wohl aber Joe und ich.„Die eigenen Artgenossen“, sagte der Professor mit

lauter Stimme. „Sie erledigten alle anderen und fingendann mit den eigenen Leuten an - bis keine übrig wa-ren.“

Und wieder schwiegen wir und dachten über dieseDinosaurier nach, wie sie von kleinen Echsen mitSchießeisen ausgerottet worden waren. Dann dachtenwir über die kleinen Echsen nach, wie sie mit demSchießeisen und der Jagd hatten weitermachen müs-

sen, obwohl es als Beute nur noch die eigenen Artge-nossen gab.Joe sagte: „Diese blöden Echsen!“„Wirklich“, sagte Ray, „diese armen Irren von Ei-

dechsen.“Was dann geschah, jagte uns einen riesigen Schreck

ein. Denn der Professor sprang auf, und seine Augensahen aus, als wollten sie aus ihren Höhlen quellen unduns anspringen. „Verdammte Dummköpfe!“ schrie er.„Warum sitzt ihr hier und besabbert euch wegen Repti-lien, die seit hundert Millionen Jahren tot sind? Daswar die erste Intelligenz auf Erden, und so endete sie.

Page 38: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 38/167

38

Das ist erledigt. Aber wir sind die zweite Intelligenz -und wie werden wir enden, he? Was meint ihr?“

Er warf seinen Stuhl um und ging zur Tür. Aber be-vor er in der Dunkelheit verschwand, wandte er sichnoch einmal um und rief zurück: „Diese armen Irrenvon Menschen! Geht hin und zerbrecht auch darüberdie Köpfe!“

Die Geschichte scheint leider eine Moral zu haben undendet sogar damit, daß sie dem Leser diese Moral um

die Ohren schlägt. Das ist schlecht. Unverhülltes Pre-digen verdirbt die Wirksamkeit einer Erzählung. Wennman dem Drang nicht widerstehen kann, seine Mit-menschen zu verbessern, dann sollte man es mit Fin-gerspitzengefühl versuchen.

Gelegentlich übermannt es mich, und ich vergessediese gute Maxime. DAY OF THE HUNTERS wurdegeschrieben, nachdem die Sowjetunion ihre erste Was-serstoffbombe gezündet hatte. Schon vorher war esschlimm genug gewesen, mit dem Wissen zu leben, daßdie Vereinigten Staaten versucht sein könnten, Was-serstoffbomben einzusetzen, wenn sie (wie 1945) hin-länglich gereizt würden. Nun war zum erstenmal die

Möglichkeit eines wirklichen Nuklearkriegs gegeben,in dem beide Seiten Wasserstoffbomben einsetzenkonnten.

Inzwischen haben wir uns an diese Situation ge-wöhnt und denken kaum noch darüber nach, aber An-fang der fünfziger Jahre, als der kalte Krieg in Koreaschon zur offenen militärischen Auseinandersetzungeskaliert war, gab es viele, die einen Atomkrieg in na-her Zukunft für unausweichlich hielten. Ich war des-wegen ziemlich verbittert, und die Verbitterungscheint in der Geschichte durch.

DAY OF THE HUNTERS ist übrigens auch eine Er-

Page 39: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 39/167

39

zählung, die im Rahmen eines Gesprächs abläuft. Die-ses findet in einem Wirtshaus statt. Wodehouses Er-zählungen über Mulliner, die von L. Sprague de Campund Fletcher Pratt in Gavagans Bar angesiedelten Ge-schichten und Clarkes Erzählungen vom WeißenHirsch spielten alle in Bars oder Wirtshäusern, und ichhatte sie alle mit Vergnügen gelesen.

Daher war es wohl unvermeidlich, daß ich eines Ta-ges eine Erzählung in der Form eines Wirtshausge-sprächs schreiben würde. Der Haken dabei war nur,

daß ich nicht trinke und so gut wie nie in einem Wirts-haus gesessen habe, so daß ich wahrscheinlich allesfalsch beschrieben habe.

Meine Stellung an der Universität Boston sollte, wiesich bald herausstellte, kein Hindernis für meine litera-rische Laufbahn sein. (Tatsächlich hat es seit meinerForschungsarbeit zur Erlangung der Doktorwürde imJahre 1947 nichts gegeben, was als ein Hindernis wirk-sam geworden wäre.)

Nach zwei Monaten in einer kle inen Wohnung vonSlumqualitäten, die wir als Untermieter bewohnten,zogen wir in die Vororte hinaus, wenn man es so nen-nen will. Weder meine Frau noch ich konnten einen

Wagen fahren, als wir nach Boston kamen, darummußten wir eine Wohnung in der Nähe einer Busliniefinden. Wir fanden eine in der ziemlich verarmtenKleinstadt Somerville - eine primitive Mansardenwoh-nung, die im Sommer unglaublich heiß war.

Dort schrieb ich meinen zweiten Roman, THESTARS, LIKE DUST (Doubleday, 1951), und in dieserZeit brachte ein kleiner Verlag, Gnome Press, eineSammlung meiner Robotergeschichten unter dem TitelI, ROBOT, sowie den ersten Titel meiner FOUNDA-TION-Erzählungen heraus. Mit diesen Büchern, dieder Einmann-Verlag 1950 und 1951 veröffentlichte,

Page 40: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 40/167

40

hatte Gnome Press keinen Erfolg. Mißerfolge wurdenauch FOUNDATION AND EMPIRE und SECONDFOUNDATION, die 1951 und 1952 erschienen. Zu mei-ner großen Erleichterung drängte der Verlag Double-day, der hier für mich den Weißen Ritter spielte, Gno-me Press im Jahre 1962 zur Aufgabe der Rechte an die-sen Büchern. Doubleday brachte darauf einige Ausga- ben heraus und konnte bis zum heutigen Tag sehr be-trächtliche Summen für mich und für sich verdienen.

1950 lernte ich Autofahren, und ein Jahr später hat-

ten wir zu unserer Überraschung sogar einen Sohn. Nach neunjähriger Ehe hatten wir uns schon damit ab-gefunden, daß wir zur Kinderlosigkeit verurteilt seinwürden. Im Winter 1950/51 stellte sich jedoch heraus,daß die Erklärung für einige ziemlich verwirrende, physiologische Manifestationen die war, daß meineFrau schwanger sei. Die erste Person, die mir sagte, daßes sich so verhalten müsse, war Evelyn Gold, damalsmit Horace L. Gold verheiratet. Ich lachte und sagte:„Nein, nein“, aber es war ja, ja, und David wurde am20. August 1951 geboren.

Nachdem ich solcherart in Büchern fruchtbar ge-worden war und einen Anfang in Richtung Automobile

und Nachkommenschaft gemacht hatte, war ich zu al-lem bereit und begann alle Arten von Aufträgen anzu-nehmen.

Unter den zahlreichen Science-Fiction-Zeitschriftender frühen fünfziger Jahre gab es eine, die „MarvelScience Fiction“ betitelt war. Es handelte sich um dieReinkarnation einer früheren, gleichnamigen Zeit-schrift, von der zwischen 1938 und 1941 neun Ausgabenerschienen waren. Diese frühere Zeitschrift war aufGeschichten spezialisiert gewesen, die in einer ziemlichschwerfälligen und albernen Weise sexbetont waren.

Nachdem „Marvel“ 1950 wiederbelebt worden war

Page 41: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 41/167

41

(auch diesmal ging es nach wenigen Ausgaben ein),wurde ich um einen Beitrag gebeten. Ich hätte mich andie geschmacklose Geschichte der Zeitschrift erinnernund den Beitrag verweigern sollen, aber ich dachte aneine Geschichte, die zu schreiben ich mich nicht enthal-ten konnte, weil ich - wie alle meine Bekannten wissen- ein unverbesserlicher Witzbold bin. Die Geschichtehieß SHAH GUIDO G. und erschien im November 1951in „Marvel“.

Schah Guido G. Philo Plat kehrte jedes Jahr einmal zum Schauplatzseines Verbrechens zurück. Es war eine Form von Bu-ße. An jedem Jahrestag erstieg er den kahlen Höhen-zug und überblickte die Quadratkilometer aus zer-schmettertem Metall, Beton und Knochen.

Die Gegend war menschenleere Wüste, und das trok-kene Klima hatte die Metallfetzen blank und unverro-stet bewahrt, wild gezackt, in hilfloser Wut geblecktenZähnen gleich. Irgendwo unter dem Trümmerfeld wa-ren die Skelette der Tausende von Menschen beiderleiGeschlechts und aller Altersstufen, die hier den Tod

gefunden hatten. Jedesmal, wenn Plat hier oben stand, bildete er sich ein, daß die Schädel anklagend ihre lee-ren Augenhöhlen auf ihn richteten und ihn verfluch-ten.

Der Gestank war seit langem aus der trockenen Wü-stenluft gewichen, und die Eidechsen siedelten unge-stört im Trümmerfeld. Kein Mensch näherte sich jedem eingezäunten Begräbnisplatz, wo in dem vom Ab-sturz geschlagenen Krater lag, was von den Körpernübriggeblieben war.

Nur Plat kam hierher. Jahr um Jahr kehrte er wie-

Page 42: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 42/167

42

der, und immer hatte er das goldene Medaillon bei sich,als wolle er damit den bösen Blick aus so vielen zer-trümmerten Totenschädeln abwehren. Er trug es umden Hals, als er auf dem Kamm stand, und die blitzendegoldene Scheibe zeigte klar die sauber gravierten Wor-te: DEM BEFREIER!

Diesmal war Fulton bei ihm. In den Tagen vor demAbsturz, als es noch Höhere und Niedrige gegeben hat-te, war Fulton ein Niedriger gewesen.

Fulton sagte: „Ich bin sehr erstaunt, daß du noch im-

mer darauf bestehst, hierherzukommen, Philo.“Plat sagte: „Ich muß. Du weißt, der Absturz wurdeHunderte von Kilometern weit gehört; Seismographenauf der ganzen Erde registrierten ihn. Meine Maschinewar direkt darüber, und die Schockwellen schleudertenmich kilometerweit. Doch wenn es um Geräusche geht,kann ich mich nur an diesen einen zusammengesetztenSchrei erinnern, als Atlantis zu fallen begann.“

„Es mußte getan werden.“„Worte“, seufzte Plat. „Es gab Säuglinge und Un-

schuldige unter ihnen.“„Niemand ist schuldlos.“„Auch ich bin es nicht. War es gerecht, daß ich der

Scharfrichter sein sollte?“„Jemand mußte es sein“, sagte Fulton mit festerStimme. „Betrachte die Welt, wie sie jetzt ist, fünfund-zwanzig Jahre später. Die Demokratie wiederherge-stellt, Kultur und Bildung den Massen zugänglich, dieWissenschaften wieder im Aufschwung. Zwei For-schungsexpeditionen sind auf dem Mars gelandet.“

„Ich weiß. Ich weiß. Aber auch das war eine Kultur.Sie nannten es Atlantis, weil es eine Insel war, die dieWelt beherrschte. Es war eine Insel im Himmel, nichtim Meer. Es war zugleich eine Stadt und eine Welt, Ful-ton. Du hast ihre Großartigkeit nie gesehen, Fulton.

Page 43: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 43/167

43

Atlantis war ein einziges Juwel, geschnitten aus Steinund Metall. Es war ein Traum.“

„Es war konzentrierte Verschwendung und Prunk-sucht, genährt vom Schweiß der Milliarden gewöhnli-cher Leute, die auf der Oberfläche lebten und schufte-ten.“

„Ja, du hast recht. Es war notwendig. Aber es hätte soanders sein können, Fulton. Weißt du“, fuhr er nach-denklich fort, während er sich auf den harten Felsbo-den niedersetzte, die Arme auf den Knien kreuzte und

das Kinn auf sie stützte, „manchmal denke ich darübernach, wie es in den alten Zeiten gewesen sein muß, alses auf der Erde Nationen und Kriege gab. Ich stelle mirvor, welch ein Wunder es für die Menschen gewesensein muß, als die Vereinten Nationen zu einer wirkli-chen Weltregierung wurden, und was Atlantis ihnen bedeutet haben muß.

Es war eine Hauptstadt, die die Erde beherrschte,aber nicht Teil von ihr war. Es war eine schwarzeScheibe in der Luft, fähig, überall auf Erden in jederHöhe zu erscheinen. Es gehörte keiner einzelnen Na-tion, sondern dem ganzen Planeten. Und schließlichwar es das Ergebnis nicht irgendeiner nationalen

Technologie, sondern die erste große Gemeinschafts-leistung der Menschheit. Und wenn ich dann bedenke,was daraus wurde!“

Fulton sagte: „Sollten wir nicht lieber gehen? Es wä-re gut, wenn wir vor Dunkelwerden zur Maschine zu-rückkämen.“

Plat fuhr fort, als habe er nicht gehört. „In einer Wei-se war es wohl unvermeidlich. Die Menschheit hat nie-mals eine Institution hervorgebracht, die nicht als einKrebsgeschwür endete. Der Medizinmann, der in prä-historischer Zeit als Verwahrungsort für die Weisheitdes Stammes anfing, wurde schließlich zum letzten

Page 44: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 44/167

44

Hindernis für die Weiterentwicklung der Gemein-schaft. Und im alten Rom verwandelte sich die Bürger-miliz ...“

Fulton ließ ihn reden. Es war wie ein seltsames Echoaus versunkener Zeit. Und als er Plat geduldig beob-achtete, kam ihm der Gedanke, daß auch in jenen Ta-gen geduldig abwartende Blicke auf ihm geruht hatten,während er gesprochen hatte.

„ ... die mit Erfolg gegen alle Feinde Roms von Veji bis Karthago gekämpft hatte, in die berufsmäßige Prä-

torianergarde, die das Imperium verkaufte und Tributeintrieb. Die Türken entwickelten die Janitscharen-truppe als ihre unbesiegbare Eliteeinheit gegen Europa,und schließlich war der Sultan selbst eine Marionettein den Händen seiner Janitscharen. Die Feudalherrendes mittelalterlichen Europa schützten ihre Leibeige-nen und abhängigen Hintersassen gegen die Wikingerund die Mongolen und Ungarn, um weitere sechshun-dert Jahre als eine Parasitenaristokratie zu herrschen,die Land und Bewohner ausbeutete.“

Plat wurde sich der geduldigen Augen bewußt undsagte: „Verstehst du mich nicht?“

Einer von den kühneren Technikern sagte: „Mit EurerErlaubnis, Höherer, wir müssen an die Arbeit gehen.“„Ja, das ist richtig.“Der Techniker bedauerte, daß er ihn daran erinnern

mußte. Dieser Höhere war ein komischer Typ, aber ermeinte es gut. Obwohl er ziemlich viel Unsinn redete,erkundigte er sich auch nach ihren Familien, sagte ih-nen, daß sie feine Kerle seien und ihre Arbeit sie zu besseren und nützlicheren Mitgliedern der Gesell-schaft mache als die Höheren.

Also räusperte er sich und erklärte: „Seht Ihr, es isteine weitere Ladung Granit und Stahl für das neue

Page 45: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 45/167

45

Theater eingetroffen, und wir müssen die Energiever-teilung ändern. Es wird immer schwieriger, das zu tun.Die Höheren wollen nicht auf uns hören.“

„Nun, das versuchte ich dir die ganze Zeit klarzuma-chen, mein Freund. Ihr sollt die Höheren dazu bringen,daß sie auf euch hören.“

Aber sie starrten ihn bloß an, und in diesem Augen- blick stahl sich eine Idee in Plats Bewußtsein.

Leo Spinney erwartete ihn auf der Kristallebene. Erwar in Plats Alter, aber größer und ansehnlicher. Plat

hatte ein schmales, mageres Gesicht, seine Augen wa-ren blaßgrau, und er lächelte nie. Spinney hatte ein an-genehmes, ebenmäßiges Gesicht mit gerader Nase und braunen Augen, die immer zu lachen schienen.

Spinney rief: „Wir werden das Spiel noch verpassen!“„Ich habe keine Lust, hinzugehen, Leo. Bitte.“„Wieder bei den Technikern gewesen?“ fragte Spin-

ney. „Warum vergeudest du deine Zeit mit denen?“„Sie arbeiten“, sagte Plat zögernd. „Ich achte sie. Wel-

ches Recht haben wir, untätig zu sein?“„Sollte ich die Welt in Frage stellen, wenn sie mir in

allem so gut paßt?“„Wenn du es nicht tust, werden andere sie eines Tages

in Frage stellen.“„Das mag eines Tages sein, aber nicht heute. Und of-fen gesagt, du solltest lieber mitkommen. Der Gensekhat bemerkt, daß du bei den Spielen nie anwesend bist,und er hat sein Mißfallen darüber geäußert. Ich per-sönlich glaube, daß jemand ihm von deinen Gesprä-chen mit den Technikern und deinen Besuchen auf derOberfläche erzählt hat. Vielleicht denkt er sogar, daßdu mit den Niedrigen gemeinsame Sache machst.“

Spinney lachte darüber wie über einen Scherz, aberPlat sagte nichts. Es würde ihnen nicht schaden, wennsie mehr Umgang mit den Niedrigen pflegten und et-

Page 46: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 46/167

46

was über ihr Denken erführen. Atlantis hatte seineWaffen und seine Wachbataillone, doch eines Tagesmochte es die Erfahrung machen, daß dies nicht genüg-te. Nicht genügte, um den Gensek zu retten.

Der Gensek! Plat hatte einen schlechten Geschmackund verspürte das Bedürfnis, auszuspucken. Der volleTitel war „Generalsekretär der Vereinten Nationen“.Vor zwei Jahrhunderten war es noch ein Wahlamt ge-wesen, ein ehrenhaftes Amt. Jetzt konnte ein Mann wieGuido Garshthavastra das Amt ausfüllen, weil er be-

weisen konnte, daß er der Sohn eines - ebenso nichts-würdigen - Vaters war.„Guido G.“ nannten ihn die Niedrigen auf der Ober-

fläche. Und häufig fügten sie mit bitterer Ironie denTitel hinzu und sagten: „Schah Guido G.“, weil „Schah“die Amtsbezeichnung einer Dynastie despotischerorientalischer Könige gewesen war. Die Niedrigen er-kannten ihn als den, der er war. Plat wollte Spinneydas klarmachen, aber es war noch zu früh.

Die eigentlichen Spiele fanden in der oberen Strato-sphäre statt, hundert Kilometer über Atlantis, dasseinerzeit zwanzig Kilometer über dem Meeresspiegel

lag. Das weite Amphitheater war bis auf den letztenPlatz besetzt, und die ganze Aufmerksamkeit der Zu-schauer galt der großen, leuchtenden Kugel in der Mit-te. Jede der winzigen Einsitzermaschinen hoch imHimmel wurde von einem Leuchtzeichen in den Far- ben der jeweiligen Flotte wiedergegeben. Die kleinenLichtfunken stellten in maßstabgerechter Verkleine-rung die genauen Manöver der Maschinen dar.

Das Spiel hatte bereits angefangen, als Plat undSpinney ihre Sitze einnahmen. Die Lichtfunken, ur-sprünglich in zwei Formationen einander gegenüber, jagten schon aufeinander zu und versuchten, in kur-

Page 47: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 47/167

47

venreichen, komplizierten Manövern, den Gegner zufassen. Eine große Anzeigetafel verkündete den Standdes Gefechts in einer konventionellen Symbologie, diePlat nicht verstand. Es herrschte ein tobendes Durch-einander von Hochrufen und Anfeuerungsschreien für beide Flotten wie auch für einzelne Maschinen.

Unter einem Baldachin ganz oben thronte der Gen-sek, der Schah Guido G., wie die Niedrigen ihn nannten.Plat konnte ihn aus der Entfernung nicht deutlich se-hen, aber er sah die kleinere Version der leuchtenden

Kugel, die für den privaten Gebrauch des Gensek inseiner Loge aufgebaut war.Plat wohnte dem Spiel zum erstenmal bei. Er ver-

stand nichts von den Feinheiten und wunderte sichüber die allgemeine Erregung und die hitzigen Schreie.Er wußte nur, daß jeder Lichtpunkt eine Kampfma-schine darstellte und daß die häufig von diesen Licht- punkten ausgehenden Strahlen Energieprojektionenwiedergaben, die hundert Kilometer über ihnen uner- bittliche Wirklichkeit waren. Jedesmal, wenn einLichtstrahl hinausschoß, schwoll der Zuschauerlärman und erstarb kurz darauf in einem unheimlichen,vielstimmigen Stöhnen, wenn der Zielpunkt noch

rechtzeitig abschwenken und entkommen konnte.Und dann gab es einen allgemeinen Aufschrei, unddie Zuschauer im weiten Rund des Amphitheaters,Männer und Frauen, sprangen auf. Einer der Lichtfun-ken war getroffen worden und stürzte in langen Spira-len ab. Hundert Kilometer höher trudelte eine echteMaschine ab, stürzte mit zunehmender Geschwindig-keit in die tieferen, dichteren Schichten der Lufthülle,wo der speziell konstruierte Magnesiumrumpf durchdie Reibungswärme zu harmloser, pulvriger Ascheverglühte, bevor er die Erdoberfläche erreichen konn-te.

Page 48: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 48/167

48

Plat stand auf. „Ich gehe, Spinney.“Spinney machte eine Eintragung in seine Punktkarte

und sagte: „Das ist schon die fünfte Maschine, die dieGrünen diese Woche verloren haben. Wir ...“ Er sprangauf und schrie in wilder Begeisterung: „Noch eine!“

Der Ruf ging im aufbrandenden Gebrüll der Zu-schauermenge unter.

Plat sagte: „In dieser Maschine ist eben ein Mann ge-storben.“

„Darauf kannst du dich verlassen. Und einer von den

Besten, die die Grünen haben! Verdammt gute Sache.“„Ist dir klar, daß da oben einer umgekommen ist?“„Es sind bloß Niedrige. Was kümmert es dich?“Plat arbeitete sich langsam durch die Sitzreihe zum

Ausgang. Einige Leute blickten auf, sahen ihn und flü-sterten miteinander, aber die meisten hatten nur Au-gen für die leuchtende Kugel. Die Luft war parfümge-schwängert, und aus der Ferne war gelegentlich sanfteMusik zu vernehmen, wenn der Lärm ein wenig ab-flaute. Als Plat einen der breiten Ausgänge erreichte,ließ ein vieltausendstimmiger Aufschrei über ihm dieLuft erzittern. Plat kämpfte verbissen gegen die Übel-keit an.

Er ging eine halbe Stunde weit, dann machte er halt.Stahlträger schwangen an den Enden diamagneti-scher Strahlen wie von Geisterhand bewegt, und rauhgebrüllte Befehle in den Dialekten der Niedrigen flo-gen hin und her.

Auf Atlantis wurde immer gebaut. Vor zweihundertJahren, als Atlantis der wirkliche Regierungssitz ge-wesen war, hatte es weite Flächen und klare Linien ge-geben. Jetzt war es viel mehr als das; es war der Ver-gnügungspalast Xanadu, von dem Coleridge geschrie- ben hatte.

In den letzten zwei Jahrhunderten war das mächtige

Page 49: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 49/167

49

Kristalldach viele Male angehoben und erweitert wor-den. Jedesmal hatte man es zugleich verstärkt, damit esden möglichen Einschlägen kleiner Meteoriten wider-stehe, die in der dünnen äußeren Lufthülle noch nichtganz verglüht waren.

Und als Atlantis zunehmend nutzloser und anziehen-der wurde, überließen mehr und mehr Höhere ihreLandsitze und Fabriken den Händen von Verwalternund bezahlten Direktoren und nahmen ihren dauern-den Wohnsitz auf der Himmelsinsel. Diese wurde im-

mer größer, höher und komplizierter.Und hier war ein weiteres Bauwerk im Entstehen.Angehörige eines Wachbataillons standen in gleich-

mütiger Pflichterfüllung dabei. Es waren ausnahmslosFrauen, und aus gutem Grund. Richtig ausgebildet undtrainiert, waren Frauen zielbewußter und fanatischerals Männer, weniger anfällig für Zweifel und Gewis-sensbisse.

Wenn irgendwo gebaut wurde, waren Wachen dabei,denn die Bauarbeiten wurden von Niedrigen ausge-führt, und auf Atlantis mußten Niedrige bewacht wer-den. Genauso wie jene Niedrigen auf der Oberflächeeingeschüchtert werden mußten. Allein in den letzten

fünfzig Jahren war die Feuerkraft der auf der Unter-seite von Atlantis installierten weittragenden Atomar-tillerie verdreifacht worden.

Plat sah den Stahlträger langsam herabsinken undsanft aufsetzen, während zwei Männer einander An-weisungen zubrüllten. Bald würde es auf Atlantis kei-nen Raum mehr für neue Gebäude geben.

Die Idee, die ihm früher am Tag durch den Kopf ge-gangen war, kehrte zurück und füllte plötzlich sein Be-wußtsein aus.

Seine Nasenflügel blähten sich.Er näherte sich einem der Techniker, dessen Gesicht

Page 50: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 50/167

50

einen intelligenten Eindruck machte, und sagte: „Ichdenke ernsthaft daran, ein neues Haus zu bauen, undhätte gern deinen Rat hinsichtlich der bestmöglichenLage.“

Der Techniker war verblüfft und dankbar. „Ich dan-ke Euch, Höherer. Es ist gut, daß Ihr danach fragt, dennes wird immer schwieriger, Lastverteilung und vor-handene Energie miteinander in Einklang zu bringen.“

„Darum bin ich zu dir gekommen.“Sie sprachen lange miteinander. Plat stellte viele

Fragen, und als er zur Kristallebene zurückkehrte, warer tief in Gedanken und Überlegungen versunken.Zwei Tage vergingen mit quälenden Zweifeln, dann er-innerte er sich an den glänzenden Lichtfunken, wieer in langen Spiralen abgestürzt war, und die unbe-kümmerten braunen Augen, aus denen das Lachenauch dann nicht vergangen war, als Spinney gesagthatte: „Es sind bloß Niedrige.“

Er faßte einen Entschluß und bat um eine Audienz beim Gensek.

Des Genseks gedehnter Tonfall akzentuierte die Lan-geweile, die zu verbergen er sich keine Mühe gab. Ersagte: „Die Plats sind eine gute Familie, doch Sie unter-

halten sich mit Technikern. Man sagt mir, Sie sprächenzu ihnen wie zu Ebenbürtigen. Ich hoffe, es wird nichtnotwendig sein, Sie zu erinnern, daß Ihre Liegenschaf-ten auf der Erdoberfläche Ihrer persönlichen Anwe-senheit bedürfen.“

Das hätte natürlich Exil von Atlantis bedeutet. Platsagte: „Es ist notwendig, die Techniker im Auge zu be-halten, Herr. Sie sind von niederer Herkunft.“

Der Gensek runzelte die Stirn. „Das ist Aufgabe un-serer Wachmannschaft.“

„Die Wachen tun ihr Bestes, daran zweifle ich nicht,Herr, aber ich habe mich mit den Technikern angefreun-

Page 51: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 51/167

51

det. Sie sind nicht vertrauenswürdig. Würde ich meineHände mit ihnen beschmutzen, wenn es nicht um dieSicherheit von Atlantis ginge?“

Der Gensek hörte zu. Zweifelnd zuerst, dann mitdeutlicher Unruhe in den weichen Zügen. „Ich werdesie in Gewahrsam nehmen lassen“, sagte er. „Ich wer-de ...“

„Langsam, Herr“, sagte Plat. „Wir können vorerstnicht ohne sie auskommen, weil niemand von uns dietechnischen Installationen und die antigraven Anlagen

bedienen kann. Es wäre besser, ihnen keine Gelegen-heit zur Rebellion zu geben. In zwei Wochen soll dasneue Theater mit Spielen und Festlichkeiten eröffnetwerden.“

„Und was haben sie dann vor?“„Ich habe noch keine Gewißheit, Herr. Aber ich weiß

genug, um dringend zu empfehlen, daß eine DivisionWachtruppen nach Atlantis verlegt wird. Das müßtenatürlich im geheimen und in der letzten Minute ge-schehen, so daß die Verschwörer ihre Pläne nicht mehrändern und Spuren verwischen können. Das Eingrei-fen der Division muß im geeigneten Augenblick hand-streichartig erfolgen, mit einer einzigen, massierten

Landung. Ich brauche wohl nicht zu betonen, Herr, daßniemand im voraus von der Aktion erfahren darf.Wenn die Techniker vorzeitig über unsere Gegenmaß-nahmen unterrichtet würden, könnte es schlimm aus-gehen.“

Der Gensek strich sich das Kinn mit juwelenbesetz-ter Hand, überlegte - und glaubte.

Schah Guido G., dachte Philo Plat. Du wirst als SchahGuido G. in die Geschichte eingehen.

Philo Plat beobachtete die Lustbarkeiten aus derFerne. Schwarzes Menschengewimmel füllte die zen-tralen Plätze von Atlantis. Das war gut. Ihm selbst war

Page 52: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 52/167

52

es nur mit Schwierigkeiten gelungen, wegzukommen.Und keinen Augenblick zu früh, denn die Maschinender Wachdivision hatten bereits den Himmel gerastert.

Jetzt schlossen die Geschwader auf und gingen indichter Formation über Atlantis riesiger erhöhterLandefläche nieder, die imstande war, alle Maschinengleichzeitig aufzunehmen.

Plat blickte von dem imposanten Schauspiel dersenkrecht niedergehenden Luftflotte zur Stadt selbst.Auf den Plätzen und Straßen war es ruhiger geworden,

als die Bevölkerung die unerwartete Demonstration bestaunte, und es schien ihm, daß er auf der Himmelsin-sel noch nie so viele Höhere auf einmal gesehen hatte.Letzte Bedenken regten sich. Eine Warnung war im-mer noch möglich.

Noch als er daran dachte, wußte er, daß es nicht sowar. Die Flotte ging rasch auf das Landefeld nieder. Ermußte sich beeilen, wenn er mit seiner eigenen kleinenMaschine entkommen wollte. Er fragte sich beklom-men, ob seine Freunde auf der Erdoberfläche die gest-rige Warnung erhalten hatten und ob sie ihr glaubenwürden. Wenn sie nicht rasch handelten, würden dieHöheren sich von diesem ersten Schlag erholen, so ver-

nichtend er auch sein mochte.Er war in der Luft, als die Wachdivision landete, sie - benhundertfünfzig tropfenförmige Maschinen, die sichwie ein herabfallendes Netz auf das Flugfeld senkten.Plat zog den Steuerknüppel an und ließ die Maschinesteigen, während er beobachtete ...

Und Atlantis erlosch! Es war wie eine Kerzenflam-me, über der sich plötzlich eine mächtige Hand schließt.Eben noch hatte die Himmelsinsel mit Hunderttausen-den von Lichtern wie ein Leuchtfeuer weithin die Nacht erhellt; jetzt war sie in der unendlichen Schwär-ze untergegangen.

Page 53: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 53/167

53

Die ungezählten Angstschreie verschmolzen in PlatsKopfhörern zu einem dünnen Kreischen, das raschverstummte. Er floh, und die Schockwellen vom Auf- prall der Himmelsinsel Atlantis auf die Erde erfaßtenseine Maschine und schleuderten sie weit hinaus.

Der Schrei aber blieb ihm bis an sein Lebensende imOhr.

Fulton starrte ihn an. Er sagte: „Hast du das jemals jemandem erzählt?“

Plat schüttelte den Kopf.

Fulton blieb eine Weile still; auch seine Gedankengingen ein Vierteljahrhundert zurück. „Natürlichempfingen wir deine Botschaft“, sagte er endlich. „Esfiel uns schwer, daran zu glauben, wie du erwartetest.Viele fürchteten eine Falle, selbst nachdem die erstenMeldungen vom Absturz eingingen. Aber - nun, es istausgestanden, Geschichte geworden. Die Höheren, diesich auf der Erdoberfläche aufgehalten hatten, warendemoralisiert und wurden erledigt, ehe sie sich erholenkonnten. Aber sage mir, wie du es gemacht hast“, fragteer und wandte sich in plötzlicher Neugierde zu Plat.„Wir waren immer davon ausgegangen, daß du dieEnergieerzeugung sabotiertest.“

„Ich weiß. Die Wahrheit ist viel weniger romantisch,Fulton. Die Welt aber zieht es vor, an ihre Mythen zuglauben. Laß sie.“

„Darf ich wenigstens die Wahrheit erfahren?“„Wenn du willst. Wie ich dir sagte, wurde Atlantisimmer wieder erweitert und ausgebaut. Die antigravwirkenden Energiestrahlen hatten ein Gewicht zu tra-gen, das sich im Lauf der Zeit verdoppelte und verdrei-fachte. Die Forderungen der Techniker nach größerenund leistungsfähigeren Generatoren wurden abgewie-sen, da die Höheren den Raum und das Geld lieber für

Page 54: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 54/167

54

ihre herrschaftlichen Villen verwendeten und dieEnergieerzeugung immer noch ausreichend war.

So wurde ein Stadium erreicht, wo die Techniker sich bereits wegen der Errichtung einzelner Gebäude Sor-gen machten. Ich sprach mit ihnen und erfuhr, wie sehrder Sicherheitsspielraum zusammengeschrumpft war.Sie wollten nur noch die Fertigstellung des neuenTheaters abwarten, um abermals vorstellig zu werden.Sie wußten allerdings nicht, daß Atlantis auf meineAnregung hin die zusätzliche Last einer voll ausgerü-

steten Wachdivision mit siebenhundertfünfzig Ma-schinen würde tragen müssen!Als die Division landete, brach die Energieversor-

gung der Antigravanlage zusammen, und Atlantis warnur noch ein riesiger Brocken aus Metall und Gestein,zwanzig Kilometer über dem Erdboden. Was blieb ei-nem solchen Brocken übrig, als zu fallen?“

Plat stand auf. Zusammen traten sie den Rückweg zuihrer Maschine an.

Fulton lachte rauh auf. „Weißt du, Namen habenmanchmal etwas Verhängnisvolles.“

„Wie meinst du das?“„Nun, es ist das zweite Mal in der Geschichte, daß ein

Atlantis unterging.“Als David unterwegs war, wurde es offensichtlich, daßwir nicht in dieser unmöglichen Wohnung in Somervil-le bleiben konnten. Da ich nun in der Lage war, einenWagen zu fahren, waren wir nicht länger auf die Busli-nie angewiesen und konnten uns in der weiteren Um-gebung umsehen. Im Frühjahr 1951 bezogen wir eineWohnung in Waltham, Massachusetts. Sie stellte ge-genüber der vorigen eine große Verbesserung dar, ob-wohl auch sie im Sommer ziemlich heiß war.Im Wohnzimmer gab es zwei kleine eingebaute Bü-

Page 55: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 55/167

Page 56: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 56/167

56

Aber selbst in ihrer Entstehungszeit fand ich sienicht wirklich erfolgreich komisch, und das gleichegalt für mehrere andere lustige Geschichten, an denenich mich versuchte, wie etwa CHRISTMAS ON GANY-MEDE und ROBOT AL-76 GOES ASTRAY (Double-day, 1964).

Erst 1952 gelang mir der Durchbruch (nur in meinemeigenen Urteil; das Ihrige will ich damit nicht vorweg-nehmen). In den beiden Kurzgeschichten BUTTON,BUTTON und THE MONKEY’S FINGER glaubte ich

endlich den richtigen Ton gefunden zu haben. Wäh-rend des Schreibens kicherte ich in einem fort, und esgelang mir, beide Geschichten an „Startling Stories“ zuverkaufen, wo sie im Januar beziehungsweise Februar1953 erschienen.

Und, lieber Leser, wenn Sie sie nicht komisch finden,so sagen Sie es mir nicht. Lassen Sie mir meine Illusio-nen.

Aus Alt mach Neu

Der Smoking war es, der mich so täuschte, daß ich ihnnicht gleich erkannte. Für mich war er bloß ein mögli-

cher Klient, seit einer Woche der erste, den ein gütigesGeschick zu mir hereinwehte. Und er sah schön aus.Sogar um halb zehn Uhr früh und in einem Smoking

sah er schön aus. Zehn Zentimeter knochiges Handge-lenk und sechzehn Zentimeter knorrige Hand machtenweiter, wo der Ärmel aufhörte; Sockenränder und Ho-senbeine fanden nicht ganz zusammen; trotzdem sah erschön aus.

Dann blickte ich ihm ins Gesicht, und es war über-haupt kein Klient. Es war mein Onkel Otto. Mit derSchönheit war es vorbei. Onkel Ottos Gesicht hatte den

Page 57: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 57/167

57

gewohnten Ausdruck eines alten Schweißhundes, dergerade einen Fußtritt von seinem Herrn bekommenhat.

Meine Reaktion war nicht sehr originell. Ich sagte:„Onkel Otto!“

Sie würden ihn auch kennen, wenn Sie dieses Gesichteinmal in Ihrem Leben gesehen hätten. Als er vor un-gefähr fünf Jahren auf der Titelseite des Nachrichten-magazins TIME abgebildet wurde (das war entweder1957 oder 1958), gingen 204 Leserzuschriften ein, deren

Absender bekannten, daß sie dieses Gesicht niemalsvergessen würden. Die meisten fügten Bemerkungenüber Alpträume hinzu. Wenn Sie den vollen Namenmeines Onkels wissen wollen, er heißt Otto Schlem-melmayer. Aber lassen Sie sich nicht zu voreiligenSchlußfolgerungen verleiten. Er ist der Bruder meinerMutter. Ich heiße Smith.

Er sagte: „Harry, mein Junge“, und ächzte.Interessant, aber nicht erhellend. Ich sagte: „Warum

der Smoking?“Er sagte: „Er ist geliehen.“„Na schön. Aber warum trägst du ihn am Morgen?“„Ist es schon Morgen?“ Er blickte ungewiß umher,

dann ging er zum Fenster und schaute hinaus.Das ist mein Onkel Otto Schlemmelmayer.Ich versicherte ihm, daß es Morgen sei, und mit eini-

ger Anstrengung folgerte er, daß er die ganze Nachtdurch die Straßen gelaufen sein müsse. Er nahm eineHandvoll Finger von der Stirn und sagte verwundert:„Aber ich war so aufgeregt, Harry. Beim Bankett...“

Die Finger wedelten einen Augenblick ziellos vormeinem Gesicht, dann schlossen sie sich zu einer Faust,die auf meinen Schreibtisch niedersauste. „Aber jetztist Schluß! Von nun an mache ich es so, wie ich will.“

Das sagte mein Onkel Otto, seit es mit dem „Schlem-

Page 58: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 58/167

58

melmayer-Effekt“ angefangen hatte. Vielleicht über-rascht Sie das. Vielleicht glauben Sie, es sei der Schlem-melmayer-Effekt, der meinen Onkel berühmt gemachthat. Nun, es kommt alles darauf an, wie man es sieht.

Er entdeckte den Effekt im Jahre 1952; wahrschein-lich wissen Sie darüber so viel wie ich. Er entwickelteein Germanium-Relais, das auf Gedankenwellen, odervielmehr auf die elektromagnetischen Felder der Ge-hirnzellen reagiert. Er arbeitete jahrelang daran, einsolches Relais in eine Flöte einzubauen, so daß sie allein

durch die Kraft des Gedankens Musik spielen würde.Es war seine Liebe, sein Lebensziel, es sollte die Musikrevolutionieren. Jeder würde in Zukunft spielen kön-nen; Technik und Geschicklichkeit wären nicht mehrnötig - nur der Gedanke.

Dann, es mag fünf Jahre her sein, modifizierte Ste- phen Wheland, ein junger Forscher im Dienst der Rü-stungsfirma Consolidated Arms, den Schlemmelmay-er-Effekt und kehrte ihn gewissermaßen um. Er ent-wickelte ein Feld von Ultraschallwellen, die das Ge-hirn über ein Germanium-Relais aktivieren und bra-ten konnten. Im Experimentierstadium tötete er damiteine Ratte aus sieben Metern Entfernung. Wie sich spä-

ter herausstellte, wirkte die Methode auch bei Men-schen.Daraufhin erhielt Wheland einen Bonus von zehn-

tausend Dollar und wurde befördert, während dieMehrheitsaktionäre der Consolidated Arms Millionenmachten, als die Regierung die Patente kaufte und ihreAufträge erteilte.

Und mein Onkel Otto? Er kam auf die Titelseite derTIME.

Von da an wußte jeder, der sich ihm auf ein paar Ki-lometer näherte, daß er einen Kummer hatte. Manchemeinten, es liege daran, daß er kein Geld bekommen

Page 59: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 59/167

59

hatte; andere, daß seine großartige Entdeckung zu ei-nem Instrument des Krieges und des Tötens gemachtworden war.

Alles Unsinn! Es war seine Flöte! Der arme OnkelOtto. Er liebte seine Flöte. Er trug sie ständig bei sich,stets zu einer Demonstration bereit. Wenn er aß, ruhtesie in ihrem Spezialfutteral neben ihm auf dem Tisch,und wenn er schlief, verwahrte er sie am Kopfende sei-nes Bettes. Sonntagvormittags erfüllten Onkel Ottosnicht immer harmonische Flötentöne die Physiklabo-

ratorien der Universität, wenn das Instrument unterunvollkommener geistiger Kontrolle deutsche Volks-lieder zum besten gab.

Das Problem war, daß kein Hersteller etwas damit zutun haben wollte. Sobald die Existenz des neuartigenInstruments bekanntgeworden war, hatte die Musi-kergewerkschaft mit landesweitem Streik gedroht. DieUnterhaltungsindustrie alarmierte ihre Vertrauens-männer im Parlament und ließ einen Gesetzentwurfzur Unterbindung unlauterer Konkurrenz im Musik-wesen einbringen; und selbst der alte Pietro Faraninisteckte sich den Dirigentenstab hinters Ohr und gabgegenüber der Presse glühende Erklärungen über den

bevorstehenden Untergang der Kunst ab.Onkel Otto erholte sich von alledem nie mehr.„Gestern war meine letzte Hoffnung“, sagte er zu mir.

„Consolidated gab mir zu Ehren ein Bankett. Wer weiß,sagte ich mir. Vielleicht werden sie doch noch meineFlöte kaufen.“

Die Vorstellung erregte meine Phantasie. „Großarti-ge Idee!“ sagte ich. „Tausend riesige Flöten, an strategi-schen Punkten im Feindesland verborgen, lassenSchlager und Propagandamusik ertönen, bis ...“

„Still! Still!“ Onkel Otto schlug mit der flachen Handauf meinen Schreibtisch, daß es wie ein Pistolenschuß

Page 60: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 60/167

60

knallte, und der Plastik-Terminkalender sprang vorSchreck in die Höhe und fiel tot nieder. „Auch von dirGespött? Wo ist dein Respekt?“

„Es tut mir leid, Onkel Otto.“„Dann hör zu. Ich nahm an dem Bankett teil, und sie

hielten Ansprachen über den Schlemmelmayer-Effektund wie er die Kraft des Geistes bändige. Dann, als ichdachte, sie würden den Ankauf meiner Flöte verkün-den, gaben sie mir dies!“

Er zog etwas aus der Tasche, das wie ein Zweitau-

senddollar-Goldstück aussah, und warf es mir zu. Ichduckte mich.Hätte es das Fenster getroffen, so wäre es durch die

Scheibe geflogen und hätte einen Fußgänger erschla-gen, aber es traf die Wand, und ich hob es auf. Man konn-te am Gewicht merken, daß es nur vergoldet war. Aufeiner Seite stand in Großbuchstaben: ELIAS BAN-CROFT SUDFORD-PREIS, und in kleineren Buchsta- ben: „Dr. Otto Schlemmelmayer für seinen Beitrag zurwissenschaftlichen Forschung“. Auf der Rückseite warein Profil zu sehen, das offensichtlich nicht meinen On-kel Otto darstellte. Es sah überhaupt nicht wie irgend-eine Hundeart aus; mehr wie ein Schwein.

„Das“, sagte mein Onkel Otto, „ist Elias Bancroft Sud-ford, der Verwaltungsratsvorsitzende von Consolida-ted Arms.“

Er fuhr fort: „Als ich sah, daß das alles war, stand ichauf und sagte den Herren sehr höflich, sie sollten totumfallen, und ging hinaus.“

„Und dann liefst du die ganze Nacht durch die Stra-ßen“, ergänzte ich, „und kamst hierher, ohne auch nurdie Kleider zu wechseln. Du bist immer noch im Smo-king.“

Onkel Otto streckte den Arm aus und betrachtete dieRöhre, in der er steckte. „Ein Smoking?“ sagte er.

Page 61: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 61/167

61

„Ein Smoking.“Seine langen Hängebacken wurden fleckig rot, und

er brüllte: „Ich komme in einer Angelegenheit vongrößter Wichtigkeit hierher, und du bestehst darauf,daß wir über nichts als Smokings sprechen! Mein eige-ner Neffe!“

Ich ließ das Feuer ausbrennen. Mein Onkel Otto istder brillante Kopf in der Familie, daher suchen wirschwachsinnigen Verwandten zu verhindern, daß er inAbzugsgräben fällt oder aus Fenstern läuft, und lassen

ihn im übrigen in Ruhe.„Und was kann ich für dich tun, Onkel?“ fragte ichihn. Ich versuchte es geschäftsmäßig zu sagen und dasGespräch auf die Ebene Anwalt-Klient zu überführen.

Er wartete eindrucksvoll lange und sagte dann: „Ich brauche Geld.“

Da war er bei mir an der falschen Adresse. Ich sagte:„Onkel, im Moment habe ich nicht...“

„Nicht von dir“, sagte er, und gleich wurde mir woh-ler. „Es gibt einen neuen Schlemmelmayer-Effekt“,fuhr er fort. „Einen besseren. Diesen werde ich nicht inFachzeitschriften veröffentlichen. Ich werde meinengroßen Mund halten. Diese Erfindung soll allein mir

gehören.“ Während er sprach, fuchtelte er mit der kno-chigen Faust, als dirigierte er ein imaginäres Orche-ster. „Mit diesem neuen Effekt werde ich Geld verdie-nen und meine eigene Flötenfabrik eröffnen.“

„Großartig“, sagte ich zweifelnd.„Aber ich weiß nicht, wie.“„Schlecht“, sagte ich.„Das Dumme ist, ich bin einseitig begabt. Ich kann

Ideen entwickeln, mit denen gewöhnliche Leute über-haupt nichts anzufangen wissen. Aber leider, Harry,kann ich keine Methode entwickeln, wie mit meinen

Page 62: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 62/167

62

anderen Ideen Geld zu verdienen ist. Das ist ein Talent,das mir fehlt.“

„Schlecht“, sagte ich, diesmal mit Überzeugung.„Also komme ich zu dir als einem Rechtsanwalt.“Ich kicherte verlegen und hob abwehrend die Hände.„Ich komme zu dir“, fing er wieder an „daß du mir

mit deinem krummen, verschlagenen, hinterlistigen,unehrlichen Anwaltsgehirn hilfst.“

Ich verbuchte die Aufzählung innerlich unter „uner-wartete Komplimente“ und sagte: „Ich liebe und schät-

ze dich auch, Onkel Otto.“Er mußte die Ironie herausgehört haben, denn er lief purpurrot an und schrie: „Sei nicht so empfindlich! Seiwie ich: geduldig, verständnisvoll und ungezwungen.Holzkopf! Wer sagt etwas über dich als Mensch? AlsMensch bist du ein ehrlicher Dummkopf, aber als An-walt mußt du ein Halunke sein. Jeder weiß das.“

Ich seufzte. Die Anwaltsvereinigung hatte mich ge-warnt, daß es Tage wie diesen geben würde.

„Was hat es mit deinem neuen Effekt auf sich, OnkelOtto?“ fragte ich.

„Ich kann in die Zeit zurückgreifen und Dinge ausder Vergangenheit bringen.“

Ich handelte schnell. Mit der Linken zog ich meineTaschenuhr aus der Weste und starrte bestürzt auf dasZifferblatt. Mit der Rechten griff ich zum Telefon.

„Nun, Onkel“, sagte ich herzlich, aber mit einem ge-quälten Unterton, „mir fällt gerade ein, daß ich eine äu-ßerst wichtige Verabredung habe. Ich habe mich schonum eine Stunde verspätet. Es freut mich immer, dich zusehen, aber jetzt muß ich mich wirklich verabschieden.Tut mir leid. Ja, Onkel, es war mir ein Vergnügen, einechtes Vergnügen. Nun, auf Wiedersehen. Laß es dirgut...“

Ich konnte den Hörer nicht abnehmen. Ich zog mit al-

Page 63: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 63/167

63

ler Kraft, aber Onkel Ottos Hand lag auf der meinenund drückte sie nieder. Es war kein Wettkampf. Habeich gesagt, daß mein Onkel Otto während seiner Stu-dienjahre in Heidelberg Mitglied einer Ringermann-schaft war?

Er ergriff sanft (für seine Begriffe) meinen Ellbogen,und ich stand. Es ersparte mir jede Muskelanstren-gung. „Laß uns zum Laboratorium gehen“, sagte er.

Er ging zu seinem Laboratorium, und da ich wederdas geeignete Messer noch die Neigung hatte, mir den

linken Arm an der Schulter abzutrennen, ging ich auchzu seinem Laboratorium...Onkel Ottos Laboratorium ist in einem der Universi-

tätsgebäude untergebracht. Seit sich herausgestellthat, daß der Schlemmelmayer-Effekt eine große Sacheist, hat man ihn von aller Lehrtätigkeit befreit undganz sich selbst und seinen Forschungen überlassen.Sein Laboratorium sah danach aus.

Ich sagte: „Schließt du die Tür nicht mehr zu?“Er warf mir einen schlauen Blick zu, rümpfte die rie-sige Nase und schnüffelte. „Sie ist verschlossen. Mit ei-nem Schlemmelmayer-Relais. Ich denke mir ein Wort -und die Tür öffnet sich. Ohne das Wort kommt nie-

mand hinein. Nicht mal der Präsident der Universität.Ja, nicht einmal der Hausmeister!“Ich begann mich für die Sache zu erwärmen. „Nicht

möglich! Herr des Himmels, Onkel Otto! Ein gedan-kengesteuertes Schloß könnte dir eine Menge...“

„Hah! Ich soll das Patent verkaufen, damit ein ande-rer reich wird? Nach dem gestrigen Abend? Niemals!Ich will selbst reich werden.“

Eines muß man meinem Onkel lassen: Er gehörtnicht zu den Leuten, auf die man einreden muß wie aufeinen kranken Gaul, bevor ihnen ein Licht aufgeht. Bei

Page 64: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 64/167

64

ihm weiß man im voraus, daß er das Licht nie sehenwird.

Also wechselte ich das Thema und sagte: „Und dieZeitmaschine?“

Mein Onkel Otto ist einen Fuß größer als ich, dreißigPfund schwerer und stark wie ein Ochse. Wenn er ei-nem die Hände um den Hals legt und schüttelt, bleibteinem nichts übrig, als blau und violett anzulaufen.

„Pssst!“ machte er.Ich verstand.

Er ließ mich los und sagte: „Niemand weiß von Pro- jekt X.“ Er beugte sich über mich und wiederholte rau-nend: „Projekt X. Du verstehst?“

Ich nickte. Da mein Kehlkopf nur langsam heilte,hätte ich sowieso nicht sprechen können.

„Ich erwarte nicht, daß du dich mit meinem Wort zu-friedengeben wirst“, sagte er. „Ich will für dich eineDemonstration machen.“

Ich versuchte in der Nähe der Tür zu bleiben.„Hast du ein Stück Papier mit deiner eigenen Hand-

schrift darauf?“ fragte er.Ich suchte in meiner Brusttasche. Irgendwo mußten

Notizen sein, die ich für ein Gespräch mit einem Klien-

ten gemacht hatte.Onkel Otto sagte: „Zeig es mir nicht. Zerreiß es ein-fach in kleine Stücke und tue diese hier in den Becher.“

Ich zerriß das Blatt in einhundertachtundzwanzigStücke.

Er betrachtete sie gedankenvoll und begann Knöpfean einer - nun ja, an einer Maschine einzustellen. Aneiner Seite war eine dicke, undurchsichtige Glasplatte befestigt, die wie eine Instrumentenablage am Be-handlungsstuhl eines Zahnarztes aussah. Ich warteteeine Weile, während er sich mit der Einstellung be-schäftigte.

Page 65: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 65/167

65

Dann richtete er sich auf, sagte: „Aha!“ und trat einenSchritt zurück.

Ungefähr fünf Zentimeter über der Glasplatte er-schien etwas, das wie ein verschwommenes Stück Pa- pier aussah. Während ich hinsah, gewann es an Schär-fe, und - aber warum ein Aufhebens davon machen? Eswaren meine Notizen. Meine Handschrift. Das Blattwar vollständig und vom ersten bis zum letzten Buch-staben lesbar.

„Kann man es anfassen?“ Ich war ein bißchen heiser,

teils vor Verblüffung, teils wegen der überzeugendenArt meines Onkels Otto, Verschwiegenheit zu erzwin-gen.

„Geht nicht“, sagte er und fuhr mit der Hand durchdas vermeintliche Papier; es blieb, wo es war, unbe-rührt. Er sagte: „Es ist nur eine Wiedergabe im Brenn- punkt eines vierdimensionalen Paraboloiden. Der an-dere Brennpunkt befindet sich an einer Stelle in derZeit, als du das Blatt noch nicht zerrissen hattest.“

Ich steckte auch meine Hand durch das Papier. Eswar nichts zu fühlen.

„Nun paß auf“, sagte er. Er drehte einen Knopf an derMaschine, und die Wiedergabe des Papiers ver-

schwand. Darauf nahm er ein paar Papierfetzen ausdem Becher, warf sie in einen Ascher und zündete siean. Er spülte die Asche in den Ausguß. Zur Maschinezurückgekehrt, drehte er abermals den Knopf, und dieWiedergabe des Papiers erschien aufs neue. Aber et-was war anders. Das Blatt Papier zeigte hier und dortunregelmäßig gezackte Löcher.

„Die verbrannten Stücke?“ fragte ich.„Genau. Die Maschine muß in der Zeit den Vektoren

der Moleküle folgen, auf die sie eingestellt ist. Wenn bestimmte Moleküle umgewandelt oder in der Luftverteilt sind - pfffft!“

Page 66: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 66/167

66

Ich hatte eine Idee. „Angenommen, du hättest nur dieAsche eines Dokuments.“

„Dann könnten nur diese Moleküle zurückverfolgtwerden.“

„Aber angenommen, die Asche wäre noch beisam-men“, meinte ich. „Dann wären die Moleküle so gutverteilt, daß du vielleicht ein unscharfes Bild des gan-zen Dokuments gewinnen könntest.“

„Hmm. Vielleicht.“Ich begann die Idee aufregend zu finden. „Mensch,

Onkel Otto! Weißt du, wieviel die Polizeibehörden füreine solche Maschine bezahlen würden? Es wäre eineenorme Erleichterung für die ...“

Ich brach ab. Die Art und Weise, wie seine Haltungsich plötzlich versteifte, war mir unheimlich. Höflichsagte ich: „Was meintest du, Onkel?“

Er blieb bemerkenswert ruhig. „Ein für allemal, Nef-fe“, sagte er in einem Ton, der kaum mehr als einSchnauzen war. „Alle meine Erfindungen werde ichvon nun an selbst entwickeln. Zuerst muß ich Anfangs-kapital zusammenbringen. Kapital aus einer Quelle,die nicht dem Verkauf meiner Gedanken entspringt.Danach werde ich eine Fabrik für meine Flöten auf-

machen. Das kommt zuerst. Später kann ich mit mei-nen Gewinnen solche Maschinen herstellen. Aber zu-erst meine Flöten, vor allen anderen. Das habe ich mirgestern abend geschworen.

Durch die Selbstsucht einiger weniger wird die Weltgroßer Musik beraubt. Soll mein Name als der einesMörders in die Geschichte eingehen? Soll der Schlem-melmayer-Effekt eine Methode sein, die Gehirne vonMenschen zu braten? Oder soll er schöne Musik zumErklingen bringen? Große, wundervolle Musik, die vonDauer ist?“

Er hatte eine Hand orakelhaft erhoben und die ande-

Page 67: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 67/167

67

re hinter dem Rücken. Die Fenster vibrierten schrill zuseinen Worten.

„Onkel Otto“, sagte ich rasch, „man wird dich hören!“„Dann schrei nicht so laut!“ erwiderte er.„Aber so hör doch“, protestierte ich. „Wie willst du zu

deinem Anfangskapital kommen, wenn du nicht bereit bist, diese Erfindungen auszubeuten?“

„Ich habe es dir noch nicht gesagt, aber ich kann eineAbbildung Wirklichkeit werden lassen. Wie, wenn dieAbbildung wertvoll wäre?“

Das klang gut. „Du meinst, wie ein verlorengegange-nes Dokument oder Manuskript, eine Erstausgabe - soetwas, wie?“

„Nein, eigentlich nicht. Es gibt da einen Haken. ZweiHaken. Nein, drei.“

Ich wartete, daß er weiterzähle, aber drei schien dieGrenze zu sein.

„Was für Haken sollen das sein?“ fragte ich.„Erstens muß ich das Objekt in der Gegenwart vor

mir haben, um die Maschine darauf einzustellen, sonstkann ich es in der Vergangenheit nicht ausmachen.“

„Du meinst, du kannst nichts zurückholen, was nicht jetzt und hier existiert, wo du es sehen kannst?“

„Ja.“„In diesem Fall sind die Haken zwei oder drei reinakademischer Natur. Aber sage mir trotzdem, was siesind.“

„Ich kann nur ein Gramm Material aus der Vergan-genheit holen.“

Ein Gramm! „Warum nicht mehr? Nicht genug Ener-gie?“

„Es ist eine umgekehrt exponentiale Beziehung“, sag-te Onkel Otto ungeduldig. „Alle Energie des Univer-sums könnte nicht mehr als vielleicht zwei Gramm bringen.“

Page 68: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 68/167

68

„Und der dritte Haken?“ sagte ich.„Ja, also ...“ Er zögerte, nahm einen neuen Anlauf.

„Je weiter die zwei Brennpunkte voneinander entferntsind, desto flexibler die Verbindung. Sie muß eine ge-wisse Länge haben, bevor sie in die Gegenwart gezogenwerden kann. Mit anderen Worten, ich muß minde-stens einhundertfünfzig Jahre in die Vergangenheitgehen.“

„Ich sehe“, sagte ich und versuchte meiner Stimmeden selbstsicheren, geschäftsmäßigen Ton eines

Rechtsanwalts zu verleihen. „Du möchtest etwas ausder Vergangenheit bringen, was du in ein kleines Kapi-tal ummünzen kannst. Es muß etwas sein, was existiertund was du sehen kannst, also darf es kein verlorenerGegenstand von historischem oder archäologischemWert sein. Es darf nicht mehr als ein Gramm wiegen,also kann es nicht der Cullinan-Diamant oder etwasdergleichen sein. Es muß mindestens einhundertfünf-zig Jahre alt sein, also kann es auch keine seltene Brief-marke sein.“

„Genau“, sagte mein Onkel. „Du hast es verstanden.“„Ja, das ist wirklich interessant“, sagte ich. „Nun,

dann bis zum nächstenmal, Onkel.“ Ich glaubte nicht,

daß es klappen würde, aber ich versuchte, zu gehen.Es klappte nicht. Onkel Otto faßte mich bei den Re-vers meiner Jacke, und ich stand mit den Zehenspit-zen auf einem Zoll Luft.

„Du zerknitterst meine Jacke, Onkel Otto.“„Harold“, sagte er. „Als Rechtsanwalt schuldest du

mir als einem Klienten mehr als einen schnellen Ab-schied.“

„Ich habe keinen Vorschuß genommen“, gurgelte ich.Der Hemdkragen begann mir zu eng zu werden. Ichversuchte zu schlucken, und der oberste Knopf sprangab.

Page 69: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 69/167

69

„Unter Verwandten ist ein Vorschuß nicht so wich-tig“, sagte er. „Eine reine Formalität. Als Klient und alsOnkel habe ich einen Anspruch auf deine Loyalität.Und außerdem, wenn du mir nicht hilfst, werde ich dirdie Füße in den Nacken binden und Korbball mit dirspielen.“

Nun, als Anwalt bin ich für Logik immer empfäng-lich. Ich sage: „Ich gebe auf. Du hast gewonnen.“

Er ließ mich fallen.Und dann - dies ist der Teil, der mir im Rückblick am

unglaublichsten erscheint - hatte ich eine Idee.Es war ein Knüller von einer Idee. Eine, wie man sienur einmal im Leben hat.

Ich sagte Onkel Otto nicht alles auf einmal. Ich wolltemir ein paar Tage Zeit nehmen, um darüber nachzu-denken. Aber ich sagte ihm, was zu tun sei. Ich sagteihm, er würde nach Washington fahren müssen. Es warnicht einfach, ihn dazu zu überreden, aber wenn manmeinen Onkel Otto kennt, dann weiß man, daß es Wegegibt.

Ich fand zwei Zehndollarnoten, die jämmerlich inmeiner Brieftasche versteckt lagen, und gab sie ihm.„Ich werde einen Scheck für das Fahrgeld ausstellen,

und du kannst die zwei Zehner behalten, wenn sichherausstellt, daß ich unehrlich mit dir bin.“Er überlegte. „Du bist kein Dummkopf, der zwanzig

Dollar für nichts riskieren würde“, gab er zu. Und da-mit hatte er recht.

Zwei Tage später war er wieder da und verkündete,daß er die Einstellung für das Objekt habe. Es warnicht weiter schwierig gewesen, heranzukommen,denn schließlich war es öffentlich ausgestellt. Es wirdin einem mit Stickstoff gefüllten, luftdichten Glasbe-hälter verwahrt, aber mein Onkel meinte, das spielekeine Rolle. Und die Einstellung werde auch im Labo-

Page 70: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 70/167

70

ratorium, sechshundert Kilometer entfernt, unverän-dert genau bleiben.

Ich sagte: „Noch zwei Punkte, Onkel Otto, bevor wiretwas unternehmen.“

„Was? Was? Was?“ fragte er ungeduldig. „Was hastdu? Was? Was?“

Ich hatte den Eindruck, daß er unruhig wurde. „Bistdu sicher, daß das Stück, welches wir aus der Vergan-genheit holen, nicht aus dem Gesamtobjekt verschwin-den wird, wie es jetzt existiert?“

Onkel Otto rang die knochigen Hände, daß die Ge-lenke knackten, und sagte: „Wir erschaffen neue Mate-rie und stehlen keine alte. Wozu brauchten wir sonstdie enorme Energiemenge?“

Ich ging zum zweiten Punkt über. „Was ist mit mei-nem Honorar?“

Sie werden es nicht glauben, aber bis dahin hatte ichvon Geld nichts erwähnt. Mein Onkel Otto auch nicht,aber das war kein Wunder.

Sein Mund dehnte sich in der schlechten Imitation ei-nes verständnisinnigen Lächelns. „Ein Honorar?“

„Zehn Prozent der Einnahmen“, sagte ich. „So vielmuß ich haben.“

Seine Hängebacken zitterten. „Aber wie hoch sind dieEinnahmen?“„Vielleicht einhunderttausend Dollar. Dir würden

also neunzigtausend bleiben.“„Neunzigtausend - Himmel! Worauf warten wir

noch?“Er sprang zu seiner Maschine, und eine halbe Minute

später erschien über der Glasscheibe die Wiedergabeeines Stückes Pergament. Es war mit sauberer, gleich-mäßiger Handschrift bedeckt und sah wie eine Prü-fungsarbeit für einen Schönschreibewettbewerb aus.

Page 71: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 71/167

71

Am Fuß des Pergamentblatts standen viele Namen: eingroßer und fünfundfünfzig kleine.

Mir stockte der Atem. Ich hatte viele Reproduktionengesehen, aber dieses Ding war echt. Die echte Unab-hängigkeitserklärung!

„Ich - ich will verdammt sein“, stammelte ich ergrif-fen. „Du hast es geschafft.“

Onkel Otto kam sofort zur Sache. „Und die hundert-tausend?“ fragte er.

„Siehst du, Onkel, am Fuß des Dokuments stehen Un-

terschriften. Das sind die Namen von berühmten Män-nern, die wir alle als die Väter unseres Landes vereh-ren. Alles an ihnen ist für jeden echten Amerikanervon Interesse.“

„Von mir aus“, murrte Onkel Otto. „Wenn es für denVerkauf nützlich ist, werde ich dazu auf meiner Flötedie Nationalhymne spielen.“

Ich lachte schnell, um ihm zu zeigen, daß ich die Be-merkung als einen Scherz aufnahm. „Nun“, fuhr ichfort, „einer dieser Unterzeichner starb im Jahr 1777, einJahr nach der Unterzeichnung der Unabhängigkeits-erklärung. Er hinterließ der Nachwelt nicht viel, dar-um sind authentische Autographen von ihm außeror-

dentlich selten und werden von Spezialisten gesucht.Der Name des Mannes war Button Gwinnett.“„Und wie hilft uns das beim Kassemachen?“ fragte

Onkel Otto, unverändert auf die ewigen Wahrheitendes Lebens konzentriert.

„Hier ist eine authentische, echte Unterschrift vonButton Gwinnett, hier auf der Unabhängigkeitserklä-rung. Du siehst sie ganz links mit den zwei anderen Un-terschriften für den Staat Georgia, Lyman Hall undGeorge Walton. Du siehst, daß sie ihre Namen eng an-einander geschrieben haben, obwohl oben und untenreichlich Platz vorhanden ist. Der Anfangsbuchstabe

Page 72: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 72/167

72

G von Gwinnett kommt sogar mit Halls Namen in Be-rührung. Wir werden also nicht versuchen, sie zu tren-nen. Wir werden sie en bloc nehmen. Kannst du dasmachen?“

Haben Sie jemals einen Schweißhund gesehen, derein glückliches Gesicht machte? Nun, mein Onkel Otto brachte es zuwege.

Ein hellerer Lichtfleck wanderte über das Dokumentund kam auf den Namen der drei Unterzeichner ausGeorgia zum Stillstand. Onkel Otto sagte ein wenig

atemlos: „Ich habe das noch nie versucht.“„Was?“ fragte ich entgeistert.„Es hätte zuviel Energie benötigt. Ich wollte nicht,

daß die Universität mißtrauisch wird und nachforscht,was hier vorgeht. Aber keine Sorge! Meine Mathema-tik kann nicht falsch sein.“

Der Lichtschein wurde heller, und ein Summen ent-stand, das bald das ganze Laboratorium erfüllte undalle anderen Geräusche auslöschte. Onkel Otto drehteeinen Knopf, dann einen zweiten und einen dritten.

Erinnern Sie sich noch, welche Aufregung es gab undwie die Zeitungen zeterten, als vor nicht langer Zeitganz New York zwölf Stunden lang ohne Elektrizität

war, weil das Verbundnetz wegen Überlastung zusam-mengebrochen war? Ich will nicht sagen, daß wir dastaten, denn ich habe keine Lust, mich auf Schadener-satz verklagen zu lassen. Aber ich will so viel sagen: DerStrom fiel aus, als mein Onkel Otto den dritten Knopfdrehte.

Alle Lampen im Laboratorium erloschen, und als ichmeine momentane Benommenheit überwunden hatte,fand ich mich am Boden liegend, ein schrecklichesDröhnen und Summen in den Ohren. Onkel Otto lagüber mir.

Page 73: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 73/167

73

Wir halfen einander auf die Füße, und Onkel Ottofand eine Taschenlampe. Ein Blick auf seine Maschineließ ihn aufheulen. „Durchgebrannt! Geschmolzen!Meine Maschine ist ruiniert!“

„Aber die Unterschriften!“ schrie ich. „Hast du sie?“Er brach mitten im Gejammer ab. „Ich habe nicht

nachgesehen.“Er sah nach, und ich schloß die Augen. Das Ver-

schwinden von hunderttausend Dollar ist nicht schönanzusehen.

Dann hörte ich ihn. „Ah, ha!“ rufen und öffneteschnell die Augen. Er hatte ein Stück Pergament in derHand, nicht größer als fünf Quadratzentimeter. Es trugdrei Unterschriften, und die oberste gehörte ButtonGwinnett.

Die Unterschrift war absolut echt, wohlgemerkt. Siewar keine Nachahmung. Die ganze Transaktion warnicht im mindesten schwindelhaft, das möchte ichklargestellt wissen. Auf Onkel Ottos breiter Handflä -che lag Button Gwinnetts Unterschrift auf dem au-thentischen Pergament der echten Unabhängigkeits-erklärung.

Wir beschlossen, daß Onkel Otto mit dem Perga-

mentstück nach Washington fahren sollte. Ich war fürden Zweck weniger geeignet. Ich war Rechtsanwalt,und mir würde man zu viel Durchtriebenheit zutrauen.Er aber war ein, wissenschaftliches Genie, von demman keine faulen Tricks und Winkelzüge erwartete.Für jeden, der ihn kannte, war Dr. Otto Schlemmel-mayer die Ehrlichkeit selbst.

Wir verbrachten eine Woche mit der Vorbereitungeiner geeigneten Geschichte. Ich kaufte zu dem Anlaßein Buch, eine alte Geschichte des Staates Georgiawährend der Kolonialzeit. Es war ein antiquarischesBuch, und Onkel Otto sollte es mitnehmen und be-

Page 74: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 74/167

Page 75: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 75/167

75

Der letzte Satz brachte Onkel Otto zum Lachen. Amfolgenden Tag nahm er den Zug nach Washington, er-füllt von Zukunftsvisionen, in denen Flöten die Haupt-rolle spielten. Lange Flöten, kurze Flöten, Baßflöten,Querflöten, Flöten für den Solisten und Flöten für dasOrchester. Eine Welt von Flöten für gedankenerzeugteMusik.

„Vergiß nicht“, waren seine letzten Worte, „ich habekein Geld, um die Maschine neu zu bauen. Diese Sachemuß klappen.“

Und ich sagte: „Onkel Otto, es kann nichts schiefge-hen.“Ha!

Nach einer Woche war er zurück. Ich hatte jeden TagFerngespräche geführt, und jeden Tag hatte er mir ge-sagt, daß sie Nachforschungen anstellten.

Nachforschungen. Was konnte ihnen das nützen?Ich erwartete ihn am Bahnhof. Er stieg mit aus-

drucksloser Miene aus dem Zug, und ich wagte es nicht,ihn in der Öffentlichkeit zu fragen. Ich wollte sagen:„Nun, wie ist es? Ja oder nein?“ Aber dann dachte ich,laß ihn reden.

Ich fuhr ihn zu meinem Büro, bot ihm eine Zigarreund etwas zu trinken an. Ich versteckte meine Händeunter dem Schreibtisch, aber das führte nur dazu, daßder Schreibtisch auch zitterte, also steckte ich sie in dieHosentaschen und zitterte am ganzen Körper.

Er sagte: „Sie haben nachgeforscht.“„Natürlich! Ich sagte dir, daß sie das machen würden,

nicht wahr? Ha, ha, ha! Hm?“Onkel Otto sog verdrießlich an der Zigarre, räusperte

sich umständlich und sagte: „Der Mann in der Doku-mentenabteilung kam zu mir und sagte: ,ProfessorSchlemmelmayer’, sagte er, ,Sie sind das Opfer eines

Page 76: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 76/167

76

schlauen Betrugs.’ Ich sagte: ,So? Wie kann es ein Be-trug sein? Ist die Unterschrift eine Fälschung?’ Und erantwortete: ,Sie sieht gewiß nicht wie eine Fälschungaus, muß aber eine sein!’ Und ich fragte ihn, warum eseine sein müsse.“

Mein Onkel Otto legte die Zigarre weg, stellte dasWhiskyglas auf den Schreibtisch und beugte sich zumir herüber. Er hatte mich so in Spannung gebracht,daß ich mich vorwärts neigte, ihm entgegen. So ver-diente ich in einer Weise, was ich bekam.

„Genau!“ babbelte ich aufgeregt. „Warum muß es ei-ne Fälschung sein? Sie können nicht beweisen, daß ir-gend etwas daran falsch ist, weil alles echt und richtigist. Warum muß es eine Fälschung sein, eh? Warum?“

Onkel Ottos Stimme war erschreckend ruhig undfreundlich. Er sagte: „Wir holten das Pergament ausder Vergangenheit, nicht wahr?“

„Ja. Du weißt es.“„Aus ferner Vergangenheit.“„Richtig. Mehr als hundertfünfzig Jahre. Du sag-

test ...“„Und vor hundertfünfzig Jahren war das Pergament,

auf dem die Unabhängigkeitserklärung steht, noch

ziemlich neu, nicht wahr?“Ich begann zu begreifen, aber nicht schnell genug.Onkel Ottos Stimme schwoll zu dumpf grollendemDonner an. „Und wenn Button Gwinnett 1777 starb, duelender Dummkopf, wie kann eine authentische Un-terschrift von ihm auf einem neuen Stück Pergamentstehen?“

Danach war alles um mich her nur noch ein Vor-wärts- und Rückwärtsstürzen.

Ich rechne damit, bald aus dem Krankenhaus entlas-sen zu werden. Die Schmerzen sind noch nicht vergan-

Page 77: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 77/167

Page 78: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 78/167

78

es mit Spragues Bemerkung über meine „großzügige,warmherzige Natur“ auf sich hat, die all jene verwun-dern mag, die mich als ein boshaftes, dreckiges Scheu-sal kennen.

Spragues Vorurteil zu meinen Gunsten beruht ver-mutlich auf einem einzigen Zwischenfall.

1942 arbeiteten Sprague und ich im Marinearsenalvon Philadelphia. Es war Kriegszeit, und zum Betretendes abgesperrten Geländes brauchten wir Ausweispla-ketten. Wer seine Plakette vergaß, mußte sich eine

Stunde lang mit der Bürokratie herumschlagen, um ei-nen befristeten Passierschein zu bekommen, büßte ei-nen Stundenlohn ein und erhielt eine Eintragung desVergehens in die Personalakte.

Als wir am bewußten Tag zum Tor gingen, nahm seinGesicht einen grünlichen Pastellton an, und er sagte:„Ich habe meine Plakette vergessen!“ Er hoffte zu derZeit auf die Ernennung zum Leutnant der Kriegsmari-ne und befürchtete, daß selbst ein kleiner Fleck auf sei-ner Weste nachteilige Auswirkungen haben könnte.

Nun, ich hatte keine solchen Ambitionen und warvon der Schule her so daran gewöhnt, ins Büro des Di-rektors gerufen zu werden, daß mich ein Anpfiff vom

Feldwebel nicht schrecken konnte.Also gab ich ihm meine Plakette und sagte: „Steckedir das an die Jacke und gehe ‘rein, Sprague. So genauwerden sie nicht hingucken.“ Er ging durch das Tor,und sie ließen ihn passieren. Ich meldete, daß ich meinePlakette vergessen hätte und holte mir meinen Anpfiff.

Sprague hat das nie vergessen. Bis zum heutigen Taggeht er herum und erzählt den Leuten, was für eingroßartiger Kerl ich sei, ungeachtet der Tatsache, daßalle ihn ungläubig anstarren. Diese eine impulsive Tathatte eine lebenslange Propaganda zu meinen Gunsten

Page 79: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 79/167

79

zur Folge. Laß dein Boot übers Wasser fahren, wie es bei Salomo 11,1 so schön heißt...

Aber wir wollen weitergehen.

Der Affe und die Schreibmaschine

„Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja“,sagte Marmie Tallin in sechzehn verschiedenen Tonla-gen und Modulationen, während der Adamsapfel inseinem langen Hals krampfhaft auf und nieder hüpfte.

Er war ein Schriftsteller.„Nein“, sagte Lemuel Hoskins und betrachtete ihnmit steinerner Miene durch die stahlgerahmten Bril-lengläser. Er war ein Herausgeber.

„Dann wollen Sie also keinen wissenschaftlichenTest akzeptieren. Sie wollen nicht auf mich hören. Ich bin überstimmt, wie?“ Marmie machte Anstalten, sichzu erheben, ließ sich wieder zurücksinken, wiederholteden Prozeß und schnaufte resigniert. Sein dunklesHaar stand in Büscheln aufrecht, wo er mit den Fin-gern hineingefahren war.

„Eins zu sechzehn“, sagte Hoskins.„Warum müssen Sie immer recht haben?“ sagte Mar-

mie. „Warum muß ich immer schiefliegen?“„Sie sollten doch wissen, Marmie, nach welchen Ge-sichtspunkten unsere Arbeit beurteilt wird, Ihre undmeine. Wenn die Auflage unserer Zeitschrift sinkt, binich ein Versager und fliege auf die Straße. Glauben Sie,der Verleger würde sich mit mir zusammensetzen undlange diskutieren? Er würde sich bloß die Umsatzzah-len ansehen. Aber die Auflage geht nicht herunter, siesteigt, und das macht mich zu einem guten Herausge- ber. Und genauso verhält es sich mit Ihnen, meinFreund: Wenn die Herausgeber Ihre Geschichten an-

Page 80: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 80/167

80

nehmen, sind Sie ein Talent. Wenn sie Ihre Geschichtenablehnen, sind Sie eine Null, ein Nichts. Im Augenblicksind Sie ein Nichts.“

„Es gibt andere Verleger und Herausgeber, wissenSie. Sie sind nicht der einzige!“ Marmie hob die Händemit gespreizten Fingern. „Können Sie zählen? Genau-so viele Zeitschriften würden mit Vergnügen und un- besehen eine Tallin-Geschichte nehmen.“

„Gesundheit“, sagte Hoskins.„Sehen Sie“, sagte Marmie, in dessen Stimme ein be-

schwörender Ton kam, „Sie wollten zwei Veränderun-gen, nicht wahr? Sie wollten eine einleitende Szene mitder Schlacht. Nun, die habe ich Ihnen geschrieben: Hierist sie.“ Er wedelte mit dem Manuskript unter Hoskins Nase, und Hoskin wich zurück.

„Aber Sie wollten auch, daß ich die Szene auf demSchiffsdeck unterbreche und eine Rückblende ein-schalte“, fuhr Marmie fort. „Und das können Sie nichthaben. Wenn ich diese Änderung machte, würde ich ei-nen Abschluß ruinieren, der, wie er jetzt ist, Pathos,Tiefe und Gefühl hat.“

Hoskins ließ sich in den Sessel zurückfallen undwandte den Kopf zu seiner Sekretärin, die während des

ganzen Gesprächs still an ihrem Platz gesessen und ge-tippt hatte. Sie war diese Szenen gewöhnt.Hoskins sagte: „Haben Sie das gehört, Miß Kane? Er

spricht von Pathos, Tiefe und Gefühl! Was weiß einSchreiber von solchen Dingen? Passen Sie auf, lieberFreund, wenn Sie die Rückblende einschalten, erhöhenSie die Spannung; Sie raffen die Geschichte; Sie ma-chen sie überzeugender.“

„Wieso würde ich sie dadurch überzeugender ma-chen?“ rief Marmie verzweifelt. „Meinen Sie etwa, daßdie Geschichte überzeugender wird, wenn ein paarLeute auf einem Schiff anfangen, über Politik und So-

Page 81: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 81/167

81

ziologie zu reden, während sie jeden Augenblick in dieLuft fliegen können? Mein Gott, Hoskins!“

„Sie können gar nichts anderes tun. Wenn Sie warten, bis der Höhepunkt vorüber ist, bevor Sie Ihre Politikund Soziologie diskutieren, werden Ihnen die Lesereinschlafen.“

„Sie irren sich, und ich kann es beweisen, Hoskins.Was nützt es, hin und her zu reden, wenn ich anhandeines vorbereiteten wissenschaftlichen Experiments beweisen kann, daß ich recht habe?“

„Was für ein wissenschaftliches Experiment?“ Hos-kins wandte sich wieder zu seiner Sekretärin um. „Wiegefällt Ihnen das, Miß Kane? Er hält sich für eine vonseinen eigenen Romanfiguren!“

„Zufällig kenne ich einen Wissenschaftler.“„Wen?“„Doktor Arndt Torgesson, Professor für Psychody-

namik an der Columbia-Universität.“„Nie von ihm gehört.“„Das will was heißen“, sagte Marmie geringschätzig.

„Sie haben nie von ihm gehört. Sie haben nie von Ein-stein gehört, bis Ihre Schriftsteller anfingen, ihn in ih-ren Geschichten zu erwähnen.“

„Sehr witzig. Was ist mit diesem Torgesson?“„Er hat ein System ausgearbeitet, um mit wissen-schaftlicher Methodik den Wert von etwas Geschriebe-nem zu bestimmen. Es ist eine ungeheure Sache. Esist...“

„Ist es geheim?“„Selbstverständlich ist es geheim. Er ist kein Roman-

professor. Wenn sich ein Romanprofessor eine Theorieausdenkt, läuft er gleich damit zu den Zeitungen. In derWirklichkeit sieht es anders aus. Ein Wissenschaftlerverbringt manchmal Jahre mit Experimenten undÜberlegungen, bevor er etwas in Druck gibt. Eine Ver-

Page 82: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 82/167

82

öffentlichung ist eine ernste Sache, von der der guteRuf abhängt.“

„Wie kommt es dann, daß Sie davon wissen?“„Doktor Torgesson ist zufällig ein Liebhaber meiner

Geschichten. Er hält meine Erzählungen für die bestezeitgenössische Abenteuerliteratur.“

„Und er zeigt Ihnen seine Arbeit?“„So ist es. Ich rechnete damit, daß Sie bei dieser Ge-

schichte hartnäckig bleiben würden, und bat ihn, einExperiment für uns durchzuführen. Er erklärte sich

einverstanden, vorausgesetzt, wir redeten nicht davon.Er sagte, es würde ein interessantes Experiment sein.“„Was ist an seiner Methode so geheim?“Marmie zögerte. „Nun ... angenommen, er hätte ei-

nen Affen, der Hamlet auf der Schreibmaschine aus-wendig schreiben kann.“

Hoskins sah ihn bestürzt an. „Was wollen Sie hier ab-ziehen, eine Scherzveranstaltung?“ Er wandte sich zuMiß Kane. „Wenn ein Schriftsteller zehn Jahre langAbenteuergeschichten schreibt, braucht er eine per-sönliche Gummizelle.“

Miß Kane tippte unbeeindruckt weiter.Marmie sagte: „Sie haben richtig gehört: ein ge-

wöhnlicher Affe, sieht sogar noch komischer aus alsder durchschnittliche Herausgeber. Ich habe für heutenachmittag eine Verabredung getroffen. Kommen Siemit mir, oder nicht?“

„Selbstverständlich nicht. Denken Sie, ich würde we-gen Ihrer dummen Witze einen so hohen Manuskript-stapel liegenlassen?“ Er hielt die Hand waagerecht vorseinen Kehlkopf. „Meinen Sie, ich würde den Stich-wortbringer für Sie spielen?“

„Wenn dies in irgendeiner Weise ein Scherz ist, Hos-kins, lade ich Sie in ein Restaurant Ihrer Wahl zumAbendessen ein. Miß Kane ist Zeugin.“

Page 83: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 83/167

83

Hoskins beugte sich vorwärts, dann ließ er sich in denSessel zurückfallen und stieß schnaufend die Luft aus.„Sie wollen mich zum Essen einladen? Sie, MarmadukeTallin, der bekannteste Mann in New York, weil erüberall anschreiben läßt, Sie wollen einen Scheck zuGeld machen?“

Marmie verzog schmerzlich das Gesicht, nicht überdie Erwähnung seiner mangelnden Kreditwürdigkeit,sondern weil der andere seinen Vornamen in der gan-zen schrecklichen Dreisilbigkeit ausgesprochen hatte.

Er sagte: „Ich wiederhole mein Angebot. Ein Abendes-sen auf meine Kosten, wo und was immer Sie wollen.Steaks, Pilze, Perlhuhnbrust, Alligatorenschwänze, al-les.“

Hoskins stand auf und nahm seinen Hut vom Abla-geschrank.

„Für eine Gelegenheit“, sagte er, „zu sehen, wie Sie ei-ne großformatige Banknote aus dem hohlen Absatz Ih-res linken Schuhes zaubern, wo Sie sie seit zwanzigJahren vor dem Gerichtsvollzieher versteckt haben,würde ich bis Boston gehen ...“

Dr. Torgesson fühlte sich geehrt. Er schüttelte Hoskins’

Hand mit Herzlichkeit und sagte: „Ich lese Ihre Zeit-schrift, seit ich in dieses Land gekommen bin, Mr. Hos-kins, und in all den Jahren habe ich mich dabei nie ge-langweilt. Besonders gut gefallen mir Mr. Tallins Ge-schichten.“

„Haben Sie das gehört?“ fragte Marmie.„Ich habe es gehört“, erwiderte Hoskins und seufzte.

„Professor, Marmie sagt, Sie hätten einen Affen mitTalent.“

„Ja“, sagte Torgesson, „aber das muß natürlich unteruns bleiben. Ich bin noch nicht soweit, daß ich etwas pu- blizieren möchte, und ein vorzeitiges Bekanntwerden

Page 84: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 84/167

84

dieser Dinge könnte meinem wissenschaftlichen Rufschaden.“

„Sie können sich auf meine Verschwiegenheit verlas-sen, Professor.“

„Gut, gut. Bitte setzen Sie sich, meine Herren.“ Erschritt vor ihnen auf und ab und rieb sich nachdenklichdas Kinn. „Was haben Sie Mr. Hoskins über meine Ar- beit gesagt, Marmie?“

„Keinerlei Einzelheiten, Professor.“„Ich sehe. Nun, Mr. Hoskins, als Herausgeber einer

Zeitung, die sich viel mit technologischen Fragen be-schäftigt, brauche ich nicht zu fragen, ob Sie etwas vonKybernetik verstehen.“

Hoskins schoß einen Blick durchdringenden Intel-lekts durch die Brillengläser und sagte: „Ah, ja. Com- puter - MIT - Norbert Wiener ...“ Seine Stimme verlorsich in Gemurmel.

„Ja. Ja.“ Torgesson beschleunigte seinen Schritt.„Dann müssen Sie wissen, daß man nach kyberneti-schen Prinzipien schachspielende Computer konstru-iert hat. Die Regeln und das Ziel des Schachspiels wer-den eingespeichert. Aus jeder gegebenen Konstellationauf dem Schachbrett kann die Maschine dann alle

möglichen Züge zusammen mit ihren Konsequenzendurchrechnen und denjenigen wählen, der die höchsteWahrscheinlichkeit bietet, das Spiel zu gewinnen. DerComputer kann sogar programmiert werden, das Tem- perament seines Schachpartners in Betracht zu zie-hen.“

„Ah, ja“, sagte Hoskins und strich sich über das Kinn.„Nun stellen Sie sich eine ähnliche Situation vor, in

der ein Computer Teile einer literarischen Arbeit er-hält, um sie aus seinem vollständigen Wortschatz zum Nutzen des literarischen Wertes zu ergänzen. Natürlichmüßte ein solcher Computer wesentlich komplizierter

Page 85: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 85/167

85

angelegt sein als ein Schachspieler, und seine Speicher-kapazität müßte ein Mehrfaches betragen.“

Hoskins regte sich unruhig. „Marmie erwähnte mirgegenüber einen Affen, Professor...“

„Darauf komme ich gleich zu sprechen“, sagte Tor-gesson. „Selbstverständlich kann im Grunde keine ge- baute Maschine hinlänglich vielseitig sein. Aber dasmenschliche Gehirn ist eine andere Sache. Dasmenschliche Gehirn ist selbst ein Computer von höch-ster Leistung. Selbstverständlich könnte ich für mei-

nen Zweck kein menschliches Gehirn verwenden; dieGesetze unseres Landes gestatten es nicht. Aber selbstdas Gehirn eines Affen kann mehr leisten als jede vonMenschen konstruierte Maschine. Warten Sie. Ich wer-de den kleinen Rollo holen.“

Er verließ den Raum. Hoskins wartete einen Augen- blick, dann warf er Marmie einen vorsichtigen Blickzu. Er sagte mit halblauter Stimme: „Junge, Junge!“

„Was ist los?“ fragte Marmie.„Was los ist? Der Mann ist nicht echt. Sagen Sie mir,

Marmie, wo haben Sie diesen Schwindler aufgega- belt?“

Marmie war entrüstet. „Schwindler? Dies ist das Bü-

ro von Professor Torgesson in der Columbia-Universi-tät. Ich hoffe, Sie haben die Gebäude erkannt. Sie müs-sen die Statue der Alma Mater in der 116. Straße gese-hen haben. Ich zeigte Ihnen Eisenhowers Büro.“

„Gewiß, aber...“„Ja, und dies ist Torgessons Büro! Sehen Sie sich den

Staub an.“ Er blies auf ein Buch und wirbelte eine Wol-ke auf. „Der Staub allein zeigt schon, daß alles hier echtist. Und sehen Sie sich den Titel des Buches an: ,DiePsychodynamik des menschlichen Verhaltens’, vonProfessor Doktor Arndt Rolf Torgesson.“

„Zugegeben, Marmie, zugegeben. Es gibt einen Tor-

Page 86: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 86/167

86

gesson, und dies ist sein Büro. Aber wie soll ich wissen,ob der echte Torgesson nicht in Ferien ist? Schließlichkönnten Sie es fertiggebracht haben, seine Erlaubniszur vorübergehenden Nutzung seines Büros zu erhal-ten. Aber wenn Sie kommen und mir sagen wollen, die-ser komische Kerl mit seinen Affen und Computern seider echte Torgesson, dann geht das zu weit! Warumführen Sie mich nicht gleich in ein Marionettenthea-ter? Ha!“

„Bei Ihrer mißtrauischen Natur kann ich nur anneh-

men, daß Sie eine sehr traurige, elende Kindheit hattenund von allen zurückgewiesen wurden.“„Mein gesundes Mißtrauen ist bloß das Ergebnis lan-

ger Erfahrung mit Schriftstellern, Marmie. Ich habemir das Restaurant schon ausgesucht, und diesesAbendessen wird Sie ein hübsches Stück Geld kosten.“

Marmie schnaufte ärgerlich. „Es wird mich nicht malden schäbigsten Pfennig kosten, den Sie mir je bezahlthaben. Still, er kommt zurück.“

Auf Torgessons Schulter saß ein melancholisch drein-schauender Kapuzineraffe. „Das ist der kleine Rollo“,sagte der Professor. „Sage guten Tag, Rollo.“

Der Affe zupfte an seinen Stirnhaaren.Torgesson lächelte und sagte entschuldigend: „Er istein wenig müde, fürchte ich. Nun, ich habe hier einStück von seinem Manuskript.“

Er setzte den Affen nieder und ließ es zu, daß das Tiersich an seinem Finger festhielt, während er zwei Blät-ter Papier aus der Jackentasche zog und Hoskins reich-te.

Hoskins las mit halblauter Stimme: „Sein oder Nicht-sein, das ist hier die Frage: Ob’s edler im Gemüt, diePfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdul-den, oder sich waffnend gegen einen Schwarm von

Page 87: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 87/167

87

Plagen, durch Widerstand sie enden? Sterben - schla-fen - nichts weiter! - und zu wissen, daß ein Schlaf...“

Er blickte auf. „Der kleine Rollo hat dies getippt?“„Nicht genau. Es ist eine Kopie des von ihm Geschrie-

benen.“„So, eine Kopie. Nun, der kleine Rollo kennt seinen

Shakespeare doch nicht so gut. Es heißt: ,sich waffnendgegen eine See von Plagen’.“

Torgesson nickte. „Sie haben ganz recht, Mr. Hoskins.Shakespeare schrieb tatsächlich ,See’. Aber sehen Sie,

das ist eine vermischte Metapher. Gegen eine Seekämpft man nicht mit Waffen. Mit Waffen kämpft mangegen eine Armee oder einen Schwarm. Rollo entschiedsich für ein anderes einsilbiges Wort und tippte,Schwarm’. Diese etwas verunglückte Metapher ist ei-ner von Shakespeares seltenen Fehlern.“

Hoskins sagte: „Ich möchte ihn gern schreiben se-hen.“

„Selbstverständlich.“ Torgesson schob einen kleinenfahrbaren Tisch mit einer Schreibmaschine heran. EinKabel hing daran, und er erklärte: „Es ist notwendig,eine elektrische Schreibmaschine zu verwenden, weildie körperliche Anstrengung andernfalls zu groß wäre.

Außerdem ist es notwendig, Rollo an seinen Umformeranzuschließen.“Er tat dies mittels zweier Elektroden, die aus dem

Fell auf dem Schädel des kleinen Tieres ragten.„Rollo“, sagte er, „wurde einer sehr delikaten Gehirn-

operation unterzogen, wobei feine Drahtsonden inverschiedene Regionen seines Gehirns eingeführtwurden und sie mit unserem elektronischen Impulsge- ber verbanden. Wir können sein Willenszentrum prak-tisch ausschalten und sein Gehirn einfach als Compu-ter gebrauchen. Ich fürchte, die Einzelheiten würdenhier...“

Page 88: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 88/167

Page 89: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 89/167

89

Nach und nach entstand ein Text: sie trotzten der-weißen republik über den küsten italiens sie schlugendasadriatische rund - den löwen der see: und der papst-rang im kummer die hände untröstlich beklagendden verlust, undrief die könige der christen heit daß siedem treiben einhalt geböten und sich scharten um daskreuz.

„Mein Gott!“ sagte Hoskins.„Dann geht Chestertons Text ungefähr in dieser

Form weiter?“ fragte Torgesson.

„Allmächtiger!“ rief Hoskins.„Wenn Übereinstimmung da ist, muß Chesterton gu-te, konsequente Arbeit geleistet haben.“

„Heiliger Strohsack!“ sagte Hoskins.„Sehen Sie?“ sagte Marmie, die Hand auf Hoskins’

Schulter. „Sehen Sie?“„Verdammt will ich sein!“ sagte Hoskins.„Genug davon“, sagte Marmie, der sich während der

Niederschrift mit nervösen Fingern durchs Haar ge-fahren war, daß es wie der Kamm eines Kakadus auf-recht stand. „Kommen wir zur Sache. Befassen wir unsmit meiner Geschichte.“

„Gut, aber...“

„Es geht durchaus nicht über Rollos Fähigkeiten hin-aus“, versicherte Torgesson. „Ich lese Rollo häufig Tex-te aus verschiedenen Erzählungen vor. Es ist erstaun-lich, welche Verbesserungen sich auf diese Weise errei-chen lassen.“

„Das ist es nicht“, meinte Hoskins. „Jeder Affe kann bessere Geschichten schreiben als einige der Gro-schenheftautoren, mit denen wir zu tun haben. AberMarmies Erzählung ist dreizehntausend Worte lang.Der Affe würde eine Ewigkeit brauchen, sie zu tippen.“

„Keineswegs, Mr. Hoskins, keineswegs. Ich werde

Page 90: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 90/167

90

ihm die Geschichte vorlesen, und an der entscheiden-den Stelle lassen wir ihn fortfahren.“

Hoskins verschränkte die Arme. „Dann fangen Siean. Ich bin bereit.“

„Und ich bin mehr als bereit“, sagte Marmie. Auch erverschränkte die Arme und nickte herausfordernd zuHoskins hinüber.

Der kleine Rollo kauerte vor der Schreibmaschine, ein pelziges kleines Bündel kataleptischen Elends, wäh-

rend Torgessons weiche Stimme ruhig und mit sorgfäl-tiger Betonung die Schilderung des Kampfes und dieanschließenden Bemühungen der Helden vorlas, ihrsteuerlos treibendes Schiff wieder in ihre Gewalt zu bringen. Einer der Helden arbeitete sich auf das ver-wüstete, schräg liegende Deck hinaus, und Torgessonlas: „... Stalny blieb stehen und starrte empor in dieStille der ewigen Sterne. Doch der pochende Schmerzin seinem Knie ließ sich nicht lange aus dem Bewußt-sein verdrängen, und er ...“

Marmie zupfte an Torgessons Ärmel, und der Profes-sor blickte auf, nickte und zog die Kontaktstecker vonden Elektroden auf dem Kopf des kleinen Affen.

„Das war’s“, sagte Marmie. „Ungefähr an dieser Stel-le bringt Hoskins seine klebrigen Finger ins Spiel. Beimir läuft die Szene auf dem Schiffsdeck weiter, bisStalny die an Bord gegangenen Gegner erledigt hat.Dann kommen die Erklärungen und Reflexionen. Hos-kins möchte, daß ich diese Szene unterbreche, insSchiffsinnere zurückkehre, den Fortgang der Aktionfür die Dauer von zweitausend Worten aufhalte underst dann wieder hinausgehe. Haben Sie jemals solchenMist gehört?“

„Ich schlage vor, wir lassen den Affen entscheiden“,sagte Hoskins.

Page 91: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 91/167

91

Torgesson schaltete den kleinen Rollo ein, und einrunzliger schwarzer Finger streckte sich zögernd zurTastatur aus. Hoskins und Marmie beugten sich gleich-zeitig vorwärts, bis ihre Köpfe über Rollos zusammen-gekauertem Körper fast zusammenstießen. Die Ma-schine tippte den Buchstaben z, dann ein o und ein g,worauf sie in rascherem Tempo fortfuhr: „zog sichüberverbogene stahlplatten und scharf kantig zerfetz-tes metall vorwärts, eindröhnendes schlagen beim vor-deren not ausstieg ließ ihn erschrocken zusammenfah-

ren als er sich gefaßt hatte ...“„Wort für Wort“, sagte Marmie hingerissen.„Jedenfalls hat er Ihren Allerweltsstil gut getroffen“,

sagte Hoskins. „Dabei muß man zugeben, daß Sie hier ,weniger schwülstig sind als sonst.“

„Die Leser mögen es so.“„Sie würden es nicht mögen, wenn ihre geistige Ent-

wicklung nicht auf der Stufe von...“ Hoskins brach ab.„Reden Sie nur weiter“, sagte Marmie, „sagen Sie es

ruhig. Sagen Sie, daß die geistige Entwicklung des Le-sers auf der Stufe von Zwölfjährigen stehengebliebenist, und ich werde Sie in allen Fan-Zeitungen des Lan-des zitieren.“

„Aber meine Herren“, sagte Torgesson. „Sie störenden kleinen Rollo.“Sie wandten ihre Aufmerksamkeit wieder der

Schreibmaschine zu, die immer noch stockend vor sichhin klapperte: - die sterne kreisten überihm im samte-nen schwarz als stalny sich taumelnd um seineachsedrehte und zu boden stürzte mitgerissen vom schwerfällig rollenden schiffsrumpf...“

Der Wagen der Schreibmaschine fuhr zurück, um ei-ne neue Zeile zu beginnen. Marmie hielt den Atem an.Wenn überhaupt, würde hier -

Page 92: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 92/167

92

Und der runzlig kleine Finger bewegte sich über dieTastatur und machte: *

Hoskins schrie: „Sternchen!“„Sternchen“, stieß Marmie durch die Zähne hervor.„Sternchen?“ sagte Torgesson. Neun weitere Sternchen folgten in der Zeile.„Das genügt mir, mein Freund“, sagte Hoskins und

wandte sich dem verdutzten Torgesson zu. „Marmiehat die Gewohnheit, eine Reihe von Sternen zu ma-chen, wenn er einen radikalen Szenenwechsel vor-

nimmt. Und ein radikaler Szenenwechsel ist genau,was ich wollte.“Die Schreibmaschine begann einen neuen Absatz: im

schiffsinnern -„Schalten Sie ihn aus, Professor“, sagte Marmie.Hoskins rieb sich die Hände. „Wann kriege ich die re-

vidierte Fassung, Marmie?“„Welche revidierte Fassung?“ fragte Marmie kühl.„Sie sagten, die Version des Affen ...“„Richtig. Darum brachte ich Sie hierher. Damit Sie

sehen, daß der kleine Rollo eine Maschine ist; eine kal-te, brutale, logische Maschine.“

„Und?“

„Und die Sache ist die, daß ein guter Schriftstellerkeine Maschine ist. Er schreibt nicht mit dem Verstand,sondern mit dem Herzen. Seinem Herzen!“ Marmieschlug sich mit der Faust an die Brust.

Hoskins ächzte. „Was tun Sie mir an, Marmie? WennSie wieder vom Herzen und der Seele des Schriftstel-lers anfangen, dann bleibt mir nichts übrig, als michhier und jetzt zu übergeben. Bleiben wir lieber beimVerstand und bei der gewohnten Für-Geld-schreibe-ich-alles-Basis.“

Marmie sagte: „Hören Sie mich eine Minute an, Hos-kins. Der kleine Rollo korrigierte Shakespeare. Sie

Page 93: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 93/167

93

selbst haben darauf hingewiesen. Rollo wollte Shake-speare ,Schwarm von Plagen’ sagen lassen, und vonseinem Maschinenstandpunkt aus gesehen hatte errecht. Eine ,See von Plagen’ ist unter den Umständenkeine glückliche Metapher. Aber meinen Sie nicht, daßShakespeare sich darüber im klaren war? Shakespearewußte eben, wann er Regeln durchbrechen mußte, dasist alles. Rollo ist eine Maschine, die keine Regelndurchbrechen kann, aber ein guter Schriftsteller kannes, und manchmal muß er es. ,See von Plagen’ ist ein-

drucksvoller; es hat Schwung und Kraft. Zum Teufelmit der vermischten Metapher.Wenn Sie jetzt kommen und mir sagen, ich solle die

Szene unterbrechen, dann folgen Sie mechanischenRegeln zur Aufrechterhaltung der Spannung, und esist selbstverständlich, daß Rollo darin mit Ihnen über-einstimmt. Aber ich weiß, daß ich die Regel durchbre-chen muß, um die tiefe emotionale Wirkung desSchlusses zu erreichen, wie ich ihn sehe. Andernfalls bekämen wir ein mechanisches Produkt, das ein Com- puter auswerfen kann.“

Hoskins sagte: „Aber...“„Nur zu“, sagte Marmie, „stimmen Sie für die mecha-

nische Lösung. Sagen Sie, daß der kleine Rollo derideale Herausgeber ist.“„In Ordnung, Marmie, ich werde die Geschichte neh-

men, wie sie ist“, sagte Hoskins mit einem leichten Be- ben in der Stimme. „Nein, geben Sie sie mir nicht mit;schicken Sie sie mit der Post. Ich muß jetzt einen trin-ken gehen, wenn Sie nichts dagegen haben.“

Er drückte sich den Hut in die Stirn und wandte sichzum Gehen. Torgesson rief ihm nach: „Erzählen Sieniemandem vom kleinen Rollo, bitte.“

„Halten Sie mich für verrückt?“ Das Zuschlagen derTür bekräftigte die Antwort.

Page 94: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 94/167

94

Marmie rieb sich ekstatisch die Hände, als Hoskinsdraußen war. „Köpfchen, das war es“, sagte er und bohrte den Zeigefinger so tief in seine Schläfe, wie esging. „Dieser Verkauf hat mir Spaß gemacht. DieserVerkauf, Professor, ist mir mehr wert als alle anderenzusammengenommen.“ Er ließ sich froh und zufriedenauf den nächstbesten Stuhl fallen.

Torgesson nahm den kleinen Affen behutsam mit ei-ner Hand und hob ihn auf die Schulter. „Aber washätten Sie getan, Marmaduke“, sagte er sanft, „wenn

Rollo Ihre Version getippt hätte?“Ein bekümmerter Ausdruck überschattete für kurzeZeit Marmies Gesicht. „Ja, verdammt noch mal“, sagteer, „genau das hatte ich erwartet!“

Der Schriftsteller und der Herausgeber in dieser Ge-schichte waren übrigens einem echten Paar nachemp-funden, das über eine wirkliche Geschichte stritt. Da- bei ging es um die Erzählung C-CHUTE, die im Okto- ber 1951 in der Zeitschrift „Galaxy“ erschien und späterin meinen Sammelband NIGHTFALL AND OTHERSTORIES aufgenommen wurde. Ich war natürlich derSchriftsteller, und Horace Gold war der Herausgeber.

Obwohl der Streit und die Geschichte authentischsind, habe ich die handelnden Personen karikiert. Ich bin überhaupt nicht wie der Schriftsteller in der Ge-schichte, und Horace ist ganz gewiß nicht wie der Her-ausgeber. Horace hat seine eigenen Besonderheiten, die bei weitem interessanter sind als jene, die ich mir fürdie Erzählung ausgedacht habe, und Ähnliches läßt sichvon mir sagen - aber das tut hier nichts zur Sache.

Von all meinen Geschichten, die einmal und dann niewieder erschienen sind, ist diese nächste diejenige,über die ich am meisten spreche. Ich habe sie in Dut-

Page 95: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 95/167

95

zenden von Gesprächen erwähnt und gelegentlich so-gar darüber geschrieben, und das aus einem sehr gutenGrund.

Im April 1953 war ich in Chikago. Ich reise nicht viel,und dies war mein erster Besuch in Chikago (seitdem bin ich nur einmal wieder dort gewesen). Ich nahm aneiner Tagung der Amerikanischen Chemikergesell-schaft teil, bei der ich einen kleinen Vortrag haltensollte. Das war nicht sehr lustig, und so beschloß ich,mir ein wenig Abwechslung zu verschaffen und be-

suchte die Geschäftsräume der Zeitschrift „UniverseScience Fiction“ im nördlichen Vorort Evanston.Die Zeitschrift wurde damals von Bea Mahaffey her-

ausgegeben, einer außerordentlich gutaussehenden jungen Frau. Sie begrüßte mich mit großer Freude undfragte sofort, warum ich ihr nicht eine Geschichte zurVeröffentlichung mitgebracht habe.

„Sie wollen eine Geschichte?“ sagte ich, mich in ihrerSchönheit sonnend. „Ich werde Ihnen eine schreiben.Bringen Sie mir eine Schreibmaschine.“

Tatsächlich wollte ich sie bloß beeindrucken undhoffte, daß sie sich in einem Anfall unbändiger Vereh-rung mir in die Arme werfen würde. Aber sie tat es

nicht. Sie brachte mir eine Schreibmaschine.Ich mußte zu meinem Wort stehen. Da die Ersteigungdes Mount Everest in jenen Tagen viel abgehandeltwurde (seit dreißig Jahren waren Besteigungsversu-che unternommen worden, und der siebte Versuch wargerade gescheitert), überlegte ich rasch und schriebEVEREST.

Bea Mahaffey las die kleine Geschichte, fand Gefal-len daran und bot mir dreißig Dollar, die ich mit Freu-den annahm. Prompt gab ich die Hälfte davon für einfeines Abendessen mit ihr aus und bemühte mich mitsolchem Erfolg, charmant, rücksichtsvoll und liebens-

Page 96: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 96/167

96

würdig zu sein, daß die Bedienung mir anvertraute, sowie mich wünschte sie sich ihren Schwiegersohn.

Das berechtigte zu den schönsten Hoffnungen, undmit leichtem Herzen brachte ich Bea nach Haus. Ich binnicht sicher, was ich vorhatte, aber wenn ich wirklichan etwas dachte, was nicht absolut schicklich war (si-cherlich nicht!), wurde es vereitelt. Bea brachte es fer-tig, in die Wohnung zu schlüpfen und mich auf demKorridor stehen zu lassen, ohne daß ich die Tür aufge-hen sah.

Mount Everest

Im Jahre 1952 waren die Alpinisten der Welt nahe dar-an, ihre Versuche zur Ersteigung des Mount Everestaufzugeben. Daß weitere Versuche unternommenwurden, lag nur an den Fotografien.

Wie es bei Fotografien häufig der Fall ist, zeigten sienicht viel her; sie waren verschwommen, streifig, undwas das allgemeine Interesse an ihnen bewirkte, warennur ein paar dunkle, formlos-klumpige Flecken imWeiß. Aber diese dunklen Flecken waren Lebewesen.Die Männer beschworen es.

Ich sagte: „Was zum Teufel, seit vierzig Jahren wirdvon Schneemenschen und ähnlichen Wesen geredet, dieauf den Gletschern des Everest herumrutschen. Es istan der Zeit, daß wir den Dingen auf den Grund gehen.“

Jimmy Robbons (mit vollem Namen James AbramRobbons) war derjenige, der mich in diese Positiondrängte. Er ist ein alter Bergsteiger und Expeditions-teilnehmer, und er wußte auch genau darüber Be-scheid, daß die Tibeter dem Mount Everest nicht zu na-he kommen, weil er der Berg der Götter ist. Er kanntedie Legenden der Einheimischen vom Yeti, dem rätsel-

Page 97: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 97/167

97

haften Schneemenschen, und wußte von jedem men-schenähnlichen Fußabdruck, der jemals im ewigenSchnee entdeckt worden war; und ebensogut, wie ervon dünnen weißlichen Gestalten zu berichten wußte,die Klüfte übersprangen und vereiste Grate entlang- jagten, konnte er von den dramatischen und nicht sel-ten tragischen Schicksalen früherer Expeditionen er-zählen.

Es ist immer gut, einen begeisterten Kollegen wie ihnim Vermessungstrupp zu haben.

Die letzten Aufnahmen verliehen seinen Worten je-doch Gewicht. Schließlich war die Vorstellung, daß esmenschenähnliche Lebewesen sein mochten, nicht völ-lig von der Hand zu weisen.

Jimmy sagte: „Sieh mal, die Frage ist nicht die, daß essie gibt, die Frage ist vielmehr, daß sie schnell sind.Schau dir diese Gestalt an; sie ist ganz unscharf.“

„Die Aufnahme könnte verwackelt sein.“„Die Felskante hier ist scharf genug. Und die Männer

schwören, dieses Ding sei wie der Teufel gerannt. Stelldir vor, was für ein Stoffwechselsystem jemand habenmuß, um in dieser dünnen Luft zu rennen! Und nochwas: Würdest du an Tiefseefische glauben, wenn du nie

von ihnen gehört hättest? Es gibt Fische, die auf derSuche nach neuen Existenznischen weiter und weiterin die Tiefe vordringen, bis sie sich den Bedingungendort soweit angepaßt haben, daß sie nicht zurückkeh-ren können. Die Anpassung ist so gründlich, daß sie nurin völliger Dunkelheit, unter tonnenschwerem Wasser-druck und bei Temperaturen leben können, die kaumzwei Grad über dem Gefrierpunkt liegen.“

„Nun...“„Kannst du das Bild nicht umkehren? Lebewesen

können gezwungen sein, sich in unzugängliche Ge- birgshöhen zurückzuziehen und in dünnerer Luft und

Page 98: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 98/167

98

bei niedrigeren Temperaturen zu überleben. Sie kön-nen sich von Moosen und Flechten ernähren, vielleichtauch von anderen Lebensformen, die sich in ihren Be-reich verirren, ähnlich wie die Tiefseefische von derabgestorbenen Fauna der oberen Regionen leben, dieallmählich absinkt. Auch in diesem Fall erreicht dieArt einen Anpassungsgrad, der es ihr schließlich un-möglich macht, in die Täler zurückzukehren. Ich willnicht einmal behaupten, daß diese Lebewesen Men-schen seien. Sie können Gemsen oder Bergziegen sein.“

„Die Augenzeugen behaupten, sie hätten ungefährmenschenähnlich ausgesehen“, beharrte ich. „Und diegemeldeten Fußabdrücke scheinen das zu bestätigen.“

„Sie können auch bärenähnlich sein“, meinte Jimmy.„Das ist schwer zu sagen.“

An diesem Punkt erklärte ich: „Es ist an der Zeit, daßwir den Dingen auf den Grund gehen.“

Jimmy zuckte die Schultern und sagte: „Du meinst,wir sollten den Everest ersteigen? Nein, mein Lieber,das ist nichts für uns.“ Und er schüttelte den Kopf.

„Ihr Bergsteiger seid alle verrückt, Gott ist mein Zeu-ge“, sagte ich. „Ihr seid nicht einfach daran interessiert,auf den Gipfel zu kommen; ihr seid nur daran interes-

siert, ihn in einer bestimmten Art und Weise zu errei-chen. Nein, ich denke, es ist an der Zeit, daß wir aufhö-ren, mit Eispickeln, Seilen, Zwischenlagern und demganzen Zeug herumzuspielen.“

„Worauf willst du hinaus?“„Das Flugzeug wurde schon um neunzehnhundert

erfunden, weißt du.“„Du meinst, den Everest überfliegen?“ Er sagte es un-

gefähr so, wie ein englischer Lord sagen würde: „EinenFuchs schießen?“

„Ja“, sagte ich. „Den Mount Everest mit einem Hub-

Page 99: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 99/167

99

schrauber überfliegen und jemanden auf den Gipfelhinunterlassen. Warum nicht?“

„Er würde nicht lange leben. Der Bursche, den duhinunterläßt, meine ich.“

„Warum nicht?“ fragte ich. „Du versorgst ihn mitVorräten und einem Sauerstoffgerät, und außerdemkann er entsprechende Kleidung tragen, meinetwegeneinen Raumanzug.“

Es dauerte ziemlich lange, bis wir die Erlaubnis dernepalesischen Regierung bekamen und einen geeigne-

ten Hubschrauber sowie das nötige Material mietenkonnten, und als es soweit war, hatte Jimmy Robbonsseine Meinung geändert und wollte selbst derjenigesein, der auf dem Gipfel des Everest landen würde.„Schließlich werde ich der erste Mensch sein, der dortoben steht“, vertraute er mir an.

Das ist der Anfang der Geschichte. Die Geschichteselbst ist sehr einfach und kann mit viel weniger Wor-ten erzählt werden.

Die Maschine wartete zwei Wochen während dergünstigsten Jahreszeit, bis das Wetter nur mäßigschlecht war, dann startete sie. Der Pilot schaffte es,

den Gipfel anzufliegen, als er gerade frei von Wolkenwar, und dann schilderte er, wie Jimmy Robbons überdie Strickleiter von Bord ging.

Gleich darauf hüllten Schneewolken den Gipfel ein,und der Hubschrauber erreichte mit knapper Not denBasisplatz, und weitere zwei Wochen vergingen, ehedas Wetter einen neuen Flug erlaubte.

Und während dieser ganzen Zeit war Jimmy mutter-seelenallein auf dem Dach der Welt, und ich nanntemich einen Mörder und haßte mich.

Sobald die Bedingungen es erlaubten, startete derHubschrauber aufs neue mit einem kleinen Suchtrupp

Page 100: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 100/167

100

an Bord, um im Schnee der Gipfelregion nach JimmyRobbons Leichnam zu forschen. Ich weiß nicht, wozu esgut gewesen wäre, wenn sie den Leichnam gefundenhätten, aber die Menschen sind nun mal so. Wie vieleTote hatte der letzte Krieg gefordert? Wer kann sohoch zählen? Aber weder Geld noch Gefahren oder et-was anderes sind ein Hindernis, wenn es darum geht,ein Leben zu retten oder auch nur einen Toten zu ber-gen.

Seinen Leichnam fanden sie nicht, aber ein Rauchsi-

gnal, das in die dünne Luft aufstieg und von den Wind- böen fortgerissen wurde. Sie ließen eine Strickleiterhinunter, und Jimmy kletterte an Bord, noch immer inseinem Schutzanzug. Er sah höllisch aus, war aber ent-schieden lebendig.

Das Postskriptum zu der Geschichte betrifft meinenBesuch im Krankenhaus Anfang letzter Woche. Jimmyerholte sich sehr langsam. Die Ärzte sprachen vonSchock, von Erschöpfung, aber Jimmys Augen spra-chen von mehr.

Ich sagte: „Wie sieht es aus, Jimmy? Du hast nicht mitden Reportern gesprochen, du hast nicht mit den Leu-

ten von der Regierung gesprochen. Schön, wie wär’s,wenn du mit mir sprechen würdest?“„Ich habe nichts zu sagen“, wisperte er.„Klar hast du“, sagte ich. „Du hast auf dem Gipfel des

Mount Everest einen zweiwöchigen Schneesturmüberlebt. Das hast du nicht allein geschafft, nicht mitden wenigen Vorräten und Sachen, die du bei dir hat-test. Wer half dir, Jimmy?“

Wahrscheinlich merkte er, daß er mit einem Bluffnicht durchkommen würde. Oder vielleicht wollte er esendlich loswerden. Er sagte: „Sie sind intelligent, weißtdu. Sie komprimierten Luft für mich. Sie bauten einen

Page 101: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 101/167

101

kleinen Generator auf, um mich warm zu halten. Siemachten das Rauchsignal, als sie den Hubschrauberzurückkommen sahen.“

„Ich verstehe.“ Ich wollte ihn nicht drängen. „Es ist,wie wir dachten. Sie haben sich dem Leben in der Höheangepaßt. Sie können nicht mehr ins Tal zurück.“

„Nein, das können sie nicht. Und wir können nichthinauf. Selbst wenn die dünne Luft und das Wetter unsnicht daran hinderten, sie würden es tun!“

„Nach deinen Worten sind es freundliche Geschöpfe,

warum also sollten sie etwas dagegen haben? Dir ha- ben sie sogar geholfen.“„Sie haben nichts gegen uns. Sie sprachen zu mir,

weißt du. Telepathie.“Ich runzelte die Stirn. „Was du nicht sagst.“„Aber sie wollen ungestört bleiben. Sie beobachten

uns, verstehst du? Sie müssen. Wir haben die Atom-energie. Wir bauen Weltraumraketen. Sie machen sichunseretwegen Sorgen. Und der Mount Everest ist ne- ben ein paar anderen Achttausendern der einzige Ort,von dem aus sie uns überwachen können!“

Mein Stirnrunzeln vertiefte sich.„Nur langsam, Junge“, sagte ich. „Reg’ dich nicht auf.

Was in aller Welt sind das für Geschöpfe?“Und er sagte: „Wer könnte deiner Meinung nach sosehr der dünnen Luft und den arktischen Temperatu-ren angepaßt sein, daß der Everest für sie der einzige bewohnbare Ort auf Erden ist? Das ist der eigentlichePunkt, verstehst du? Sie sind überhaupt nicht von derErde. Sie sind vom Mars.“

Und das ist alles.

Und nun lassen Sie mich erklären, warum ich so häufigüber diese kleine Geschichte spreche.

Natürlich glaubte ich nicht wirklich, daß es Marsbe-

Page 102: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 102/167

102

wohner auf dem Mount Everest gebe oder daß irgendetwas die Ersteigung des Berges unmöglich machenwerde. Ich dachte nur, daß die Leute den Anstand ha- ben würden, sich der Erstersteigung zu enthalten, bisdie Geschichte veröffentlicht wäre.

Aber nein! Am 29. Mai 1953, weniger als zwei Monate,nachdem ich EVEREST geschrieben und verkauft hat-te, standen Edmund Hillary und Tensing Norkay aufdem Gipfel des Mount Everest und sahen weder Mars- bewohner noch Schneemenschen.

Sicherlich hätte „Universe Science Fiction“ dreißigDollar opfern und die Geschichte unveröffentlicht las-sen können; oder ich hätte sie zurückkaufen können.Keiner von uns beiden unternahm etwas, und EVE-REST erschien in der Dezembernummer 1953.

Da ich häufig aufgefordert werde, meine Meinungzur Zukunft der Menschheit abzugeben, kann ich nichtumhin, EVEREST als ein Beispiel dafür anzuführen,welch ein hervorragender Futurologe ich bin. Schließ-lich prophezeite ich fünf Monate nach der Ersterstei-gung, daß der Mount Everest niemals erstiegen würde.

Heutzutage ist es üblich geworden, Anthologien von

Erstveröffentlichungen herauszubringen. Ich mißbil-lige diese Praxis. Sie nimmt den SF-Zeitschriften Er-zählungen und Leser weg und gefährdet sie in ihrerExistenz. Das aber ist eine bedenkliche Entwicklung,denn meiner Überzeugung nach sind diese Zeitschrif-ten wichtig.

Wo kann ein junger Schriftsteller eine erste Chancefinden? Zeitschriften, die sechsmal oder zwölfmal imJahr erscheinen, haben einen ständigen Bedarf anKurzgeschichten. Eine Anthologie kann zurückgestelltwerden, bis die erwünschten Geschichten hereinkom-men; eine Zeitschrift kann das nicht. Unter dem Druck

Page 103: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 103/167

103

unabänderlicher Termine muß eine Zeitschrift gele-gentlich Geschichten annehmen, die unter dem Durch-schnittsniveau liegen, und junge Schriftsteller erhal-ten eine Chance, selbst wenn sie vielleicht noch nichtden Qualitätsansprüchen genügen. So konnte auch icheinen Anfang machen und Erfahrung sammeln.

Das bedeutet selbstverständlich, daß dem Leser einerSF-Zeitschrift gelegentlich amateurhafte Geschichtenzugemutet werden, aber die Autoren dieser Geschich-ten werden durch die Veröffentlichung zur Weiterar-

beit ermutigt, können sich verbessern und vielleichtgute Schriftsteller werden.Als die ersten Anthologien erschienen, ahnte ich je-

doch nicht, daß ich dem Niedergang der SF-Zeitschrif-ten Vorschub leistete, wenn ich für sie schrieb. Tat-sächlich schrieb ich gern für sie, weil sie bessere Hono-rare zahlten, als die Zeitschriften es zu tun pflegten.

Die erste der neuen Gattung war NEW TALES OFSPACE AND TIME, herausgegeben von Raymond J.Healy (Henry Holt, 1951), und für sie schrieb ich IN AGOOD CAUSE - eine Erzählung, die später ebenfalls in NIGHTFALL AND OTHER STORIES übernommenwurde.

Einige Jahre später gab August Derleth eine Antho-logie von Erstveröffentlichungen heraus, für die ichTHE PAUSE schrieb.

Die Pause

Das weiße Pulver lag in einer dünnwandigen, transpa-renten Kapsel. Die Kapsel wiederum war heißversie-gelt in einen Doppelstreifen Transparentfolie. DieserStreifen enthielt in regelmäßigen Abständen weitereKapseln der gleichen Art.

Page 104: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 104/167

104

Der Streifen bewegte sich im Takt weiter. Jede Kap-sel gelangte dabei für eine Minute auf eine Metall- platte unmittelbar unter einem Sichtfenster aus Glim-merglas. Auf der anderen Seite des Strahlungszählerswurde auf einen abrollenden Kontrollstreifen eine Nummer ausgedruckt. Dann wurde die Kapsel weitertransportiert, und die nächste nahm ihren Platz unterdem Fenster ein.

Um 13:45 Uhr wurde die Nummer 308 ausgedruckt.Eine Minute später erschien die Nummer 256. Eine Mi-

nute später, 391. Eine Minute später, 477. Eine Minutespäter, 202. Eine Minute später, 251. Eine Minute später,000. Eine Minute später, 000. Eine Minute später, 000. Ei-ne Minute später, 000.

Kurz nach zwei kam Alexander Johannison am Zäh-ler vorbei und warf einen flüchtigen Blick auf denKontrollstreifen mit seiner Zahlenreihe. Zwei Schrit-te weiter blieb er stehen und kehrte um.

Er drehte den Ausdruckzylinder zurück, las die Zah-len ab, ließ ihn wieder vorlaufen und murmelte: „Ver-rückt!“

Alexander war groß und hager, mit derbknochigenHänden, sandfarbenem Haar und hellen Augenbrau-

en. Er sah müde und, im Augenblick, verdutzt aus.Gene Damelli kam mit der für ihn charakteristischenheiteren Gelassenheit des Weges. Er war dunkel, be-haart und untersetzt. Er hatte ein gebrochenes Nasen- bein, und so entsprach sein Aussehen kaum der land-läufigen Vorstellung von einem Kernphysiker.

Damelli sagte: „Mein verdammter Geigerzählernimmt nichts auf, und ich bin nicht in der Stimmung,die Innereien durchzusuchen. Hast du eine Zigarette?“

Johannison hielt ihm eine Packung hin. „Was ist mitden anderen im Gebäude?“

Page 105: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 105/167

105

„Ich habe nicht nachgesehen, kann mir aber nichtdenken, daß sie alle hin sind.“

„Warum eigentlich nicht? Mein Zähler zeigt auchnichts an.“

„Hat nichts zu bedeuten, Alex“, meinte Damelli.„Wird an der Stromversorgung liegen. In zehn Minutenzeigen die Dinger wieder an. Laß uns ‘rausgehen undeine Cola trinken.“

Johannison schüttelte energisch den Kopf. „Nein,mein Lieber, ich werde zu George Duke gehen und mir

seine Maschine ansehen. Wenn sie auch nichts an-zeigt ...“Damelli schloß sich ihm an. „Dukes Maschine muß

anzeigen, Alex. Sei kein Esel.“George Duke hörte Johannison an und betrachtete

ihn mißbilligend über die randlose Brille hinweg. Erwar ein Mann unbestimmten Alters, mit wenig Haarund noch weniger Geduld.

„Ich habe zu tun“, sagte er abwehrend.„Zuviel zu tun, um nachzusehen, ob Ihre Anlage ar- beitet, in Gottes Namen?“

Duke stand auf. „Ich frage mich, wann man hier zumArbeiten kommt?“ murmelte er verdrießlich. Sein Re-

chenschieber fiel auf verstreute Blätter liniierten Pa- piers, und er umrundete seinen Schreibtisch.Er ging zu einem Abteil neben einem mit Apparaten

überladenen Labortisch und hob den schweren grauenBleideckel von einem strahlensicheren Behälter. Erlangte mit einer halbmeterlangen Zange hinein undnahm einen kleinen, silbrigen Zylinder heraus.

„Bleiben Sie, wo Sie sind“, knurrte er.Johannison und Damelli hatten den Rat nicht nötig;

sie blieben auf Distanz. Es hatte keinen Sinn, sich un-nötig einer wie auch immer gearteten Dosis radioakti-

Page 106: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 106/167

106

ver Strahlung auszusetzen, und was Duke in der Kap-sel hielt, war „heißes“ Kobalt.

Duke trat zum Labortisch und hielt die glänzendeMetallkapsel mit der Zange vor das Fenster seinesZählers. Auf einen Meter Entfernung hätte der Zählerwie ein Maschinengewehr knattern müssen. Aber er blieb still.

Duke sagte: „Was?“ und ließ den kleinen Behälter mitdem Kobalt fallen. Hastig bückte er sich, bekam ihnwieder in die Zange und hielt ihn abermals ans Fenster,

diesmal ganz nahe.Der Zähler gab keinen Ton von sich. Die Lichtpunkteauf der Meßskala blieben auf der Nullmarke.

Johannison sagte: „Nicht mal Hintergrundgeräu-sche.“

„Jesus Maria!“ rief Damelli.Duke tat das Kobalt wieder in den Bleibehälter,

schloß den Deckel und starrte seine zwei Besucher fin-ster an.

Johannison stürmte, gefolgt von Damelli, in Bill Eve-rards Büro. Er sprach minutenlang und begleitete seineRede mit aufgeregten Gesten seiner knochigen Hände.

Everard hörte ruhig zu, aber seine glatten, frischrasier-ten Wangen färbten sich rosig, und der dicke Halsschien aus dem steifen, weißen Kragen quellen zu wol-len.

Während Johannison noch redete, blickte Everard zuDamelli und zeigte mit fragender Daumenbewegungzu Johannison. Damelli zuckte mit den Schultern, brei-tete die Arme aus und zog die Stirn in Falten.

Everard sagte verdrießlich: „Ich verstehe nicht, wiealle zusammen versagen können.“

„Sie haben, das ist alles“, entgegnete Johannison.„Ungefähr um zwei Uhr fielen sie alle aus. Das ist jetzt

Page 107: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 107/167

107

über eine Stunde her, und nichts hat sich geändert. So-gar George Duke ist ratlos. Ich sage Ihnen, es liegt nichtan den Zählern.“

„Aber Sie sagen doch, daß es an den Zählern liegt!“„Ich sage, daß sie nicht anzeigen. Aber das liegt nicht

daran, daß die Zähler allesamt defekt wären. Sie habeneinfach nichts anzuzeigen.“

„Wie soll ich das verstehen?“„Ich meine, es gibt keine Radioaktivität mehr. Weder

in diesem Gebäude noch sonstwo.“

„Ausgeschlossen.“„Wissen Sie, wenn eine Patrone mit heißem Kobalteinen Geigerzähler nicht zum Ticken bringt, dann istder Zähler vielleicht nicht in Ordnung. Aber wenn die-selbe Patrone nicht einmal Schleier auf einen fotogra-fischen Film bringt, dann ist mit der Patrone etwasnicht in Ordnung.“

„Na gut“, meinte Everard. „Dann ist es eben eine tau- be Nuß. Es wurde versäumt, sie zu füllen.“

„Gut, vielleicht können Patronen irgendwie ver-tauscht werden. Aber ich habe diesen Brocken Pech- blende aus unserem Schaukasten im vierten Stock ge-holt, und auf ihn reagieren die Zähler ebensowenig. Sie

werden mir doch nicht erzählen wollen, jemand habevergessen, das Uran hineinzutun.“Everard rieb sich das Ohr. „Was meinen Sie, Damel-

li?“Damelli schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Erklä-

rung dafür.“„Jetzt ist keine Zeit zum Denken“, sagte Johannison.

„Es ist Zeit zum Handeln. Sie müssen Washington an-rufen.“

„Weswegen?“ fragte Everard.„Wegen der Atomwaffenvorräte.“„Was?“

Page 108: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 108/167

108

„Das könnte die Antwort sein, Mr. Everard. Ange-nommen, jemand hat eine Methode gefunden, die jedeArt von radioaktivem Zerfall zum Stillstand bringenkann. Vielleicht überdeckt dieses Phänomen unserganzes Land. Wenn das der Fall ist, kann es nur denZweck haben, unsere Atomwaffen zu neutralisieren.Da der Gegner nicht weiß, wo wir sie lagern, muß erdas gesamte Territorium abdecken. Und wenn das derFall ist, bedeutet es, daß mit einem Angriff gerechnetwerden muß. Vielleicht jeden Augenblick. Rufen Sie

Washington, Mr. Everard.“Everards Hand griff zum Telefon. Sein Blick begeg-nete Johannisons. Er sagte: „Bitte ein Ferngespräch.“

Es war fünf Minuten vor vier. Everard legte den Hörerauf.

„War das der Regierungskommissar?“ fragte Johan-nison.

Everard nickte stirnrunzelnd.„Was sagt er?“„,Lieber Freund’“, sagte Everard, „sagte er zu mir, ,was

für Atomwaffen?“‘Johannison sah ihn verwirrt an. „Was, zum Teufel,

meint er damit? ,Was für Atomwaffen?’ Warten Sie, ichkann es mir denken! Sie haben bereits festgestellt, daßsie lauter Blindgänger in den Arsenalen haben undwollen nicht darüber reden. Nicht mal mit uns. Was jetzt?“

„Jetzt nichts“, sagte Everard. Er ließ sich in seinenStuhl zurücksinken und musterte den Physiker mitverdrießlicher Miene. „Alex, ich weiß, unter welcherAnspannung Sie stehen, darum will ich kein Aufhe- bens davon machen. Ich frage mich bloß, wie Sie es fer-tiggebracht haben, mich in diesen Unsinn hineinzuzie-hen?“

Page 109: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 109/167

109

Johannison erbleichte. „Es ist kein Unsinn, Sir. Sagteder Regierungskommissar vielleicht, daß es Unsinnsei?“

„Er nannte mich einen Dummkopf, und das bin ichwohl. Was, zum Teufel, bezwecken Sie damit, daß Siemit Geschichten über Atomwaffen zu mir kommen?Was sind Atomwaffen? Ich habe nie davon gehört.“

„Sie haben nie von Atombomben gehört? Soll das einScherz sein?“

„Nie davon gehört“, bekräftigte Everard. „Es hört

sich nach etwas aus einem Comic-Heft an.“Johannison wandte sich zu Damelli, dessen olivfar- benes Gesicht von tiefen Sorgenfalten durchzogen war.„Sag’ du es ihm, Gene.“

Damelli schüttelte den Kopf. „Ich halte mich da‘raus.“

„Meinetwegen.“ Johannison beugte sich vor undspähte zu den aufgereihten Buchrücken in den Regalenüber Everards Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, was dasalles zu bedeuten hat, aber ich kann Ihnen einen Be-weis geben. Wo haben Sie den Glasstone?“

„Hier, gleich hinter mir“, sagte Everard.Johannison trat näher und las den Titel auf dem

Buchrücken. „Nein, nicht das Lehrbuch der physikali-schen Chemie. Ich meine sein Nachschlagwerk überAtomenergie.“

„Nie davon gehört.“„Was sagen Sie da? Das Buch hat hier in Ihrem Regal

gestanden, seit ich im Institut bin.“„Nie davon gehört“, beharrte Everard.„Dann haben Sie wahrscheinlich auch noch nie von

Kamens ,Radioaktive Spuren in der Biologie’ gehört?“„Nein.“

„Also gut“, sagte Johannison mit mühsam gewahrter

Page 110: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 110/167

110

Beherrschung. „Dann nehmen wir Glasstones Lehr- buch. Es wird den Zweck schon erfüllen.“

Er zog das dicke Buch aus dem Regal und begann zu blättern. Erst einmal, dann ein zweites Mal, Er runzeltedie Stirn und sah auf der Titelseite nach. Dort stand:Dritte Auflage, 1956. Er blätterte die beiden ersten Ka- pitel Seite um Seite durch. Da stand alles über Atom-struktur, Quantenzahlen, Elektronen und ihre Hüllen,Übergangsserien - aber nichts über Radioaktivität undden Zerfall radioaktiver Elemente.

Er schlug die Seite mit dem Verzeichnis der bekann-ten Elemente auf und brauchte nur ein paar Sekunden,um zu sehen, daß bloß einundachtzig Elemente aufge-führt waren, die einundachtzig nicht radioaktiven.Seine Kehle war plötzlich trocken und schmerzte. Er blickte zu Everard auf und sagte: „Vermutlich habenSie noch nie von Uran gehört, nicht wahr?“

„Was soll das sein?“ fragte Everard kalt. „Eine Han-delsbezeichnung?“

Johannison ließ den Glasstone fallen und griff ver-zweifelt nach dem Handbuch der Chemie. Er schlug imIndex nach und suchte die Stichworte Uran, Plutoni-um, radioaktive Serien, Isotope. Nur das letztere Stich-

wort war verzeichnet. Mit zitternden Fingern schlug erdie Tabelle der Isotope auf. Ein Blick genügte. Nur diestabilen Isotope waren verzeichnet.

Er stieß seufzend den Atem aus und sagte: „Gut, ichgebe auf. Genug ist genug.“ Er versuchte zu lächeln.„Sie haben ein paar präparierte Bücher in die Regalegestellt, um mich durcheinanderzubringen, nichtwahr?“

Everards Haltung versteifte sich, und er starrte Jo-hannison halb verdrießlich und halb verwundert an.„Seien Sie nicht albern, Johannison. Ich glaube, Siesollten lieber einen Arzt konsultieren.“

Page 111: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 111/167

111

„Mir fehlt nichts.“„Sie mögen es nicht glauben, aber es scheint doch so

zu sein. Sie brauchen einen Urlaub, also zögern Sienicht, und nehmen Sie sich eine Woche frei. Damelli,tun Sie mir einen Gefallen. Bringen Sie ihn zu einemTaxi, und sorgen Sie dafür, daß er nach Hause kommt.“

Johannison stand unschlüssig. „Wozu haben wirdann all die Geigerzähler im Haus?“ brach es verzwei-felt aus ihm hervor. „Wozu sind sie da?“

„Ich weiß nicht, was Sie unter Geigerzählern verste-

hen. Wenn Sie vielleicht Computer meinen, die sindhier, um bei der Lösung unserer Probleme zu helfen.“Johannison zeigte auf eine wappenähnliche Plakette

an der Wand. „Sehen Sie diese Initialen! A.E.B. Dassteht für Atomenergiebehörde!“

Everard blickte über die Schulter, dann starrte erJohannison an, als sähe er ihn zum erstenmal. „Ameri-kanische Energiebehörde. Bringen Sie ihn nach Hause,Damelli.“

Als sie das Gebäude verlassen hatten und auf demGehsteig standen, flüsterte Johannison Damelli ein-dringlich zu: „Hör zu, Gene, laß dich von diesem Kerl

nicht für dumm verkaufen. Everard spielt falsch. Siemüssen ihn irgendwie für sich gewonnen haben. Diese präparierten Bücher hinzustellen und einfach so zutun, als ob ich verrückt wäre!“

„Beruhige dich, Alex“, sagte Damelli ruhig. „Du bist bloß ein bißchen mit den Nerven herunter. Everard istschon in Ordnung.“

„Du hast ihn selbst gehört. Er weiß nichts von Atom-waffen. Uran ist eine Handelsmarke. Wie kann er inOrdnung sein?“

„Was das angeht, so habe ich auch noch nie von

Page 112: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 112/167

112

Atomwaffen oder Uran gehört.“ Er hob die Hand undwinkte. „Taxi!“

Es sauste vorbei.Johannison überwand das würgende Gefühl in der

Kehle. „Gene! Du warst dabei, als die Geigerzähler aus-fielen! Du warst dabei, als die Pechblende aufhörte, ra-dioaktiv zu sein. Du kamst mit mir zu Everard, um derSache auf den Grund zu gehen und über die nächstenSchritte zu beraten.“

„Wenn du die Wahrheit wissen willst, Alex, sagtest

du, du hättest etwas mit dem Chef zu besprechen undob ich nicht mitkommen wolle. Mehr weiß ich nichtdarüber. Soviel mir bekannt ist, ist nichts schiefgegan-gen, und was, zum Henker, sollten wir mit dieser Pech- blende anfangen? Wir verwenden kein Teer. - Taxi!“

Ein Wagen fuhr an die Gehsteigkante.Damelli öffnete den Schlag und bedeutete Johanni-

son, einzusteigen. Johannison folgte der Aufforderung,dann wandte er sich wütend um, riß die Tür aus Da-mellis Hand, schlug sie zu und rief dem Taxifahrer eineAdresse zu. Als das Taxi wegfuhr, kurbelte er hastigdie Scheibe herunter und beugte sich zum Fenster hin-aus zu Damelli, der am Straßenrand stand und ihm

verdutzt nachstarrte.„Sag Everard, daß es nicht klappen wird!“ schrie erihm zu. „Ich weiß jetzt über euch Bescheid!“

Er zog den Kopf zurück, kurbelte die Scheibe hochund fiel erschöpft in die Polster zurück. Bestimmt hat-te Damelli gehört, welche Adresse er dem Taxifahrergegeben hatte. Würden Sie vor ihm zum FBI laufenund irgendeine Geschichte über einen Nervenzusam-menbruch erzählen? Würden sie Everards Aussage ge-gen die seine setzen? Sie konnten nicht leugnen, daß dieRadioaktivität aufgehört hatte. Sie konnten nichtleugnen, daß die Bücher in Everards Büro gefälscht

Page 113: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 113/167

113

oder präpariert waren. Ein einfacher Vergleich mußtees zeigen.

Aber was nützte es? Ein feindlicher Überfall mußteunmittelbar bevorstehen, und Männer wie Everardund Damelli... Wie verfault und von Verrat zerfressenwar das Land?

Er fuhr von seinem Sitz auf. „Fahrer!“ rief er. Dannnoch einmal lauter: „Fahrer!“

Der Mann am Lenkrad wandte nicht einmal denKopf. Häuser und Straßen glitten vorbei.

Johannison versuchte, vom Rücksitz hochzukommenund sich über die Rückenlehne des Beifahrersitzes zu beugen, aber ihn schwindelte. „Fahrer!“ murmelte er.Dies war nicht die Route zum FBI. Er wurde nach Hau-se gebracht. Aber woher wußte der Taxifahrer, wo erwohnte?

Kein gewöhnlicher Taxifahrer, natürlich; sie hattenden Mann eigens auf ihn angesetzt. Er konnte kaumnoch sehen, und in seinen Ohren rauschte ein Wasser-fall.

Herr im Himmel, was für eine Organisation! Es warzwecklos, dagegen anzukämpfen. Ihm wurde schwarzvor Augen.

Er bewegte sich den Gehweg zu dem kleinen zweistök-kigen Haus mit der roten Ziegelfassade hinauf, woMercedes und er wohnten. Er wußte nicht, wie er ausdem Taxi herausgekommen war. Als er sich umwand-te, war weit und breit kein Taxi mehr zu sehen. Erfühlte instinktiv nach Brieftasche und Schlüsseln. Siewaren da. Nichts fehlte.

Mercedes erwartete ihn an der Tür. Sie schien nichtüberrascht, ihn um diese ungewohnte Zeit zu sehen. Erwarf einen Blick auf die Uhr und sah, daß es noch eineStunde bis zur Zeit seiner gewohnten Heimkehr war.

Page 114: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 114/167

114

Anstelle einer Begrüßung sagte er: „Mercy, wir müssenvon hier verschwinden und ...“

„Ich weiß Bescheid, Alex“, sagte sie mit tonloserStimme. „Komm ’rein!“

Sie erschien ihm wie ein Ort himmlischer Geborgen-heit. Ihr dunkelblondes Haar in der Mitte gescheiteltund im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden.Aber ihre weit auseinanderstehenden blauen Augen blickten ängstlich und sorgenvoll, und um die vollenLippen lag ein angespannter Zug.

Er sagte: „Hat Everard dich angerufen? Oder Damel-li?“„Wir haben einen Besucher“, sagte sie.Sie sind schon bei ihr, dachte er. Er könnte sie aus der

Türöffnung ziehen und mit ihr weglaufen, versuchen,sich und sie in Sicherheit zu bringen. Wahrscheinlichaber stand der Besucher in den Schatten der Diele hin-ter ihr, ein düsterer Mann mit einer gutturalen, bruta-len Stimme und ausländischem Akzent, eine Hand inder Jackentasche, die dicker ausgeheult war als dieHand allein rechtfertigte. Wie betäubt trat er ein.

„Im Wohnzimmer“, sagte Mercedes. Ein Lächelnhuschte über ihr Gesicht. „Ich glaube, es ist in Ord-

nung.“Der Besucher erwartete ihn stehend. Er hatte etwasUnwirkliches an sich, die Unwirklichkeit der Perfek-tion. Gesicht und Erscheinung waren makellos und freivon jeder individuellen Note. Er wirkte, als ob er auseinem Werbeplakat gestiegen wäre. Seine Stimme hat-te den kultivierten und leidenschaftslosen Klang des berufsmäßigen Radioansagers. Sie war völlig frei von jedwedem Akzent.

Er sagte: „Es war ziemlich mühsam, Sie nach Hausezu bringen, Doktor Johannison.“

„Was immer es ist, was immer Sie wollen“, erwiderte

Page 115: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 115/167

115

Johannison steif, „auf meine Kooperationsbereitschaftkönnen Sie nicht zählen.“

„Nein, Alex, du verstehst nicht“, schaltete sich Merce-des ein. „Wir haben gesprochen. Er sagt, alle Radioakti-vität habe aufgehört.“

„Ja, das hat sie, und ich wollte, diese Farbanzeigewürde mir sagen, wie das gemacht worden ist! HörenSie, Sie - sind Sie Amerikaner?“

„Du verstehst noch immer nicht, Alex“, sagte seineFrau. „Sie hat auf der ganzen Erde aufgehört. Dieser

Mann ist nicht von der Erde. Sieh mich nicht so an,Alex. Es ist wahr. Ich weiß, daß es wahr ist. Sieh ihnan.“

Der Besucher lächelte. Es war ein vollkommenes Lä-cheln. Er sagte: „Dieser Körper, in dem ich erscheine,ist sorgfältig nach genauen Spezifikationen gebaut,doch er ist nur Materie. Er steht unter absoluter Kon-trolle.“ Er streckte eine Hand aus, und die Haut ver-schwand. Muskeln, Sehnen und krumme Adern lagenoffen. Die Aderwände verschwanden, und das Blut floßwie zuvor in seinen Bahnen, ohne die Notwendigkeitder Eingrenzung. Alles löste sich auf, bis der glatte,grauweiße Knochen erschien. Dann verschwand auch

er.Gleich darauf kehrte alles zurück.„Hypnose!“ murmelte Johannison.„Keineswegs“, erwiderte der Besucher ruhig.Johannison sagte: „Von wo kommen Sie?“„Das ist schwierig zu erklären. Ist es wichtig?“„Ich muß verstehen, was hier gespielt wird“, sagte

Johannison heftig. „Leuchtet Ihnen das nicht ein?“„Doch, gewiß. Es ist eigentlich der Grund meiner An-

wesenheit. In diesem Augenblick spreche ich zu mehrals hundert Leuten wie Ihnen auf dem ganzen Plane-ten. In verschiedenen Verkörperungen, versteht sich,

Page 116: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 116/167

116

da die Bevölkerungsgruppen im Hinblick auf die kör- perliche Erscheinung unterschiedliche Vorstellungenund Vorlieben haben.“

Johannison fragte sich flüchtig, ob er am Ende dochverrückt sei. Er sagte: „Sind Sie vom - vom Mars? ÜbenSie jetzt die Macht aus? Hat dies zu bedeuten, daßKrieg ist?“

„Sehen Sie, Doktor Johannison“, sagte der Besucher,„gerade diese Haltung ist es, die wir zu korrigieren su-chen. Ihr Volk ist krank, Doktor Johannison, sehr

krank. Seit Zehntausenden von Ihren Jahren habenwir gewußt, daß Ihre Gattung große Möglichkeitenhat. Es war eine große Enttäuschung für uns, daß IhreEntwicklung in eine pathologische Richtung gegangenist.“ Er schüttelte bekümmert den Kopf. „Entschieden pathologisch.“

Mercedes sagte: „Bevor du kamst, sagte er mir, daß erversuchen werde, uns zu heilen.“

„Wer hat ihn darum ersucht?“ murrte Johannison.Der Besucher lächelte bloß. „Die Aufgabe wurde mir

schon vor langer Zeit zugewiesen, aber solche Krank-heiten sind immer schwierig zu behandeln. Da ist zumBeispiel die Schwierigkeit der Verständigung.“

„Wir verständigen uns“, sagte Johannison.„Ja, in einer Weise ist das richtig. Ich verwende IhreBegriffe, Ihr Kodesystem. Leider ist es ganz unzurei-chend. Ich könnte Ihnen nicht einmal die wahre Naturder Krankheit Ihrer Gattung erklären. Wenn ich IhreBegriffe verwende, kann ich nur sagen, daß es eineKrankheit des Geistes ist, doch bleibt das notwendiger-weise eine unscharfe, sehr allgemeine Feststellung.“

„Sie meinen also, wir wären geisteskrank?“„Es ist eine soziale Krankheit, die sehr schwierig zu

behandeln ist, wie ich bereits sagte. Darum habe ichlange Zeit gezögert, eine direkte Therapie anzuwen-

Page 117: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 117/167

117

den. Es wäre traurig, wenn uns durch eine Verkettungunglücklicher Umstände ein so begabtes Potential wie jenes Ihrer Rasse verlorenginge. Während der letztenJahrtausende versuchte ich, indirekt durch die weni-gen Individuen in jeder Generation zu wirken, die einenatürliche Immunität gegenüber der Krankheit besit-zen. Philosophen, Moralisten, auch Krieger und Politi-ker. All jene, denen der Begriff der Brüderschaft allerMenschen etwas bedeutete. All jene, die ...“

„Na gut. Sie hatten keinen Erfolg. Lassen wir es da-

mit bewenden. Nun erzählen Sie mir von Ihrem Volk,nicht von meinem.“„Was könnte ich Ihnen sagen, das Sie verstehen wür-

den?“„Woher kommen Sie? Fangen Sie damit an.“„Sie haben keinen geeigneten Begriff. Ich bin nicht

von irgendwo im Hof.“„Welchem Hof?“„Im Universum, meine ich. Ich komme von außerhalb

des Universums.“Ehe Johannison antworten konnte, schaltete sich

Mercedes wieder ein und sagte eindringlich: „Alex,verstehst du nicht, was er meint? Angenommen, du

landetest an der Küste von Neuguinea und verständig-test dich mit den Eingeborenen durch Fernsehen. MitEingeborenen, die noch nie jemand gesehen oder ge-hört haben, der nicht ihrem Stamme angehört. Könn-test du ihnen erklären, wie das Fernsehen funktioniertoder wie es dir die Möglichkeit verschafft, zu vielenMenschen an verschiedenen Orten zugleich zu spre-chen? Könntest du erklären, daß das Fernsehbild nichtdeine eigene Person ist, sondern lediglich eine Illusion,die du verschwinden und wieder erscheinen lassenkannst? Du könntest nicht einmal erklären, woher du

Page 118: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 118/167

118

kamst, wenn die eigene Insel das ganze Universum ist,das sie kennen.“

„Gut, dann sind wir also Wilde für ihn. Ist es das?“sagte Johannison.

Der Besucher sagte: „Ihre Frau neigt zu Umschrei- bungen. Lassen Sie mich schließen. Ich kann nicht län-ger versuchen, Ihre Gesellschaft zur Selbstteilung zuermutigen. Die Krankheit ist zu weit fortgeschritten.Ich werde die Wesensart der Rasse ändern müssen.“

„Wie?“

„Auch um das zu erklären, fehlen mir die Worte undBegriffe. Sie müssen verstehen, daß unsere Herrschaftüber physikalische Materie umfassend ist. Es war ganzeinfach, allen radioaktiven Zerfall zum Stillstand zu bringen. Es war ein wenig schwieriger, dafür zu sorgen,daß alle Gegenstände und Schriften einer Welt ange- paßt wurden, in der Radioaktivität nicht existiert. Eswar noch schwieriger und zeitraubender, alle Gedan-ken an Radioaktivität aus dem Bewußtsein der Men-schen auszulöschen. Wie die Dinge jetzt liegen, existiertUran auf Erden nicht. Niemand hat je davon gehört.“

„Ich habe“, sagte Johannison. „Wie ist es mit dir, Mer-cy?“

„Ich erinnere mich auch an alles“, sagte sie.„Sie blieben aus einem bestimmten Grund ausge-spart“, sagte der Besucher. „Ebenso wie mehr als hun-dert andere Männer und Frauen in allen Teilen derWelt.“

„Keine Radioaktivität“, murmelte Johannison. „Fürimmer?“

„Für fünf von Ihren Jahren“, antwortete der Besu-cher. „Es ist eine Pause, nichts weiter. Bloß eine Pause -oder nennen Sie es eine Periode der Anästhesie, damitich die Gattung ohne die Gefahr eines zwischenzeitli-chen Atomkriegs operieren kann. In fünf Jahren wird

Page 119: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 119/167

119

das Phänomen der Radioaktivität wiederkehren, undmit ihm alles Uran und Thorium, das gegenwärtignicht existiert. Das Wissen darum wird jedoch nichtzurückkehren. Das ist der Punkt, wo Ihre Aufgabe be-ginnen wird. Ihre Aufgabe und die der anderen, die wieSie sind. Sie werden die Menschheit von neuem unter-weisen.“

„Das ist eine schwierige Aufgabe. Wir brauchtenfünfzig Jahre, um den gegenwärtigen Stand der Ent-wicklung zu erreichen. Selbst wenn es beim zweiten

Mal nicht so lange dauern sollte, wäre es nicht einfa-cher, das Wissen einfach wiederherzustellen? Das kön-nen Sie doch, nicht wahr?“

„Die Operation“, sagte der Besucher, „wird ernst sein.Es kann eine Dekade oder länger dauern, bis Gewißheit besteht, daß es keine Komplikationen gibt. Also soll die Neuerziehung langsam vonstatten gehen. Das ist beab-sichtigt.“

Johannison meinte: „Woher sollen wir wissen, wanndie Zeit kommt? Ich meine, daß die Operation vorüberist und mit der Neuerziehung begonnen werden kann.“

Der Besucher lächelte. „Wenn die Zeit kommt, wer-den Sie es wissen. Seien Sie dessen sicher.“

„Nun, es ist eine höllische Sache, fünf Jahre zu war-ten, bis im Kopf ein Gong schlägt. Wie, wenn es nie dazukäme? Wenn Ihre Operation nicht erfolgreich wäre?“

„Die Menschheit kann gut ohne Uran und Radioakti-vität auskommen“, antwortete der Besucher mit nüch-ternem Ernst. „Aber hoffen wir, daß die Operation ge-lingen wird.“

„Wäre es nicht für alle Fälle besser, auch unser Be-wußtsein zeitweilig von diesem Wissen zu befreien?Dann könnten wir normal wie alle anderen leben, bis essoweit ist.“

„Nein, das ist leider nicht möglich. Ich brauche Ihr

Page 120: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 120/167

120

Bewußtsein, wie es ist, unberührt. Wenn die Operationmit einem Fehlschlag enden sollte und die Therapie ihrZiel nicht erreicht, werde ich ein kleines Reservoir nor-maler, unberührter Geister brauchen, aus denen eineneue Bevölkerung auf diesem Planeten entstehenkann. Diese wird dann einer neuen Therapie unterzo-gen. Um jeden Preis gilt es, Ihre Art zu erhalten. Sie istuns wertvoll. Darum wende ich so viel Zeit auf, um Ih-nen die Situation zu erklären. Hätte ich Sie verlassen,wie Sie vor einer halben Stunde waren, so würden fünf

Tage ausgereicht haben, um Sie vollständig zu zerrüt-ten, von fünf Jahren gar nicht zu reden.“Darauf verschwand er ohne ein weiteres Wort.

Mercedes bereitete mechanisch ein Abendessen, undsie saßen am Tisch, als sei es ein Tag wie jeder anderegewesen.

„Ist es wirklich wahr?“ murmelte Johannison. „Wares nicht bloß Hypnose oder Suggestion?“

„Ich sah ihn auch“, erwiderte Mercedes. „Ich weißnoch alles, was er sagte.“

„Während du das Essen machtest, sah ich meine eige-nen Bücher durch. Sie sind alle verändert. Wenn diese -

diese Pause vorüber ist, werden wir Übriggebliebenenallein nach dem Gedächtnis arbeiten müssen. Wir wer-den alle notwendigen Instrumente und Apparate neukonstruieren müssen. Es wird lange dauern, um jene,die sich nicht erinnern werden, mit alledem vertraut zumachen.“ Der Zorn wallte von neuem in ihm auf. „Undwozu, möchte ich wissen! Wozu?“

„Alex“, sagte Mercedes schüchtern, „sagte er nicht, ersei schon früher auf der Erde gewesen und habe zu denMenschen gesprochen? Er lebt seit Tausenden und Aber-tausenden von Jahren. Könnte es sein, daß er ist, waswir uns so lange als - als ...“

Page 121: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 121/167

121

Johannison blickte zu ihr auf. „Als Gott vorgestellthaben? Wolltest du das sagen? Wie sollte ich es wissen?Ich weiß nur, daß seine Leute, wer und was immer siesind, unendlich weiter fortgeschritten sind als wir unddaß er uns von einer Krankheit heilt.“

„Dann stelle ihn dir als einen Arzt vor oder was inseiner Gesellschaft das Äquivalent dafür ist.“

„Ein Arzt? Nach seinen Worten ist die Schwierigkeitder Verständigung das große Problem. Welcher Arztkann sich nicht mit seinen Patienten verständigen? Ein

Veterinär! Ein Tierarzt!“Er stieß den Teller von sich.Seine Frau schob ihm den Teller wieder hin und sag-

te: „Trotzdem. Wenn er den ewigen Kriegen ein Endemachen kann...“

„Warum sollte er das wollen? Was sind wir für ihn?Wir sind Tiere, buchstäblich. Übrigens wäre es ihm beinahe herausgerutscht. Als ich ihn fragte, woher erkäme, sagte er, er sei nicht vom ,Hof’. Hast du verstan-den? Vom Geflügelhof oder was. Dann machte erschnell das ,Universum’ daraus. Er sei überhaupt nichtaus dem ,Universum’ gekommen. Seine Verständi-gungsschwierigkeiten verrieten ihn. Er sprach aus,

was unser Universum ihm bedeutet und nicht, was esuns bedeutet. Also ist das Universum ein Hof, und wirsind die Hühner oder Schafe darin. Du kannst dir aus-suchen, was du lieber sein willst.“

„Der Herr ist mein Hirte“, sagte Mercedes mit leiserStimme. „Ich werde nicht Mangel leiden ...“

„Hör auf! Das ist eine Umschreibung; dies ist dieWirklichkeit. Wenn er ein Hirte ist, dann sind wirSchafe mit einem perversen, unnatürlichen Trieb, ein-ander zu töten. Warum uns daran hindern?“

„Er sagte ...“

Page 122: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 122/167

122

„Ich weiß, was er sagte. Er sagte, wir hätten ein gro-ßes Potential. Wir seien sehr wertvoll. Richtig?“

„Ja.“„Aber worin besteht das Potential und der Wert von

Schafen für den Hirten? Die Schafe können das nichtwissen. Wenn sie nämlich wüßten, warum sie so gehegtund gepflegt werden, würden sie es vielleicht vorzie-hen, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Dannwürden sie lieber das Risiko von Wölfen und kampflu-stigen Artgenossen auf sich nehmen.“

Mercedes schaute ihn hilflos an.„Das ist die Frage, die ich mir jetzt vorlege“, sagteJohannison gequält. „Wohin gehen wir? Wissen Schafe,wohin sie getrieben werden? Wissen wir es? Könnenwir es wissen?“

Sie saßen da und starrten auf ihre Teller, ohne zu es-sen.

Draußen war der Verkehrslärm zu hören, und dieRufe spielender Kinder. Die Nacht brach herein, undallmählich wurde es dunkel.

Während ich schrieb und schrieb, verlief meine beruf-liche Arbeit in der medizinischen Fakultät sehr zufrie-

denstellend. Im Jahr 1951 hatte man mich zum außer-ordentlichen Professor für Biochemie ernannt, und ichkonnte meiner Doktorwürde den Status eines Profes-sors hinzufügen. Diese doppelte Titeldosis schien mei-ne Würde jedoch nicht im mindesten zu vermehren. Ich behielt meine frische, joviale, überschäumende Art,wie Sprague sagen würde, und daran hat sich bis heutenichts geändert, wie jeder bezeugen kann, der mit mirzusammenkommt. Nur mein „welliges, braunes Haar“ist länger und weniger braun, als es zu sein pflegte.

All dieses Überschäumen kam mir im Umgang mitden Studenten sehr zustatten, aber vielleicht nicht so

Page 123: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 123/167

123

sehr bei einigen der Fakultätsmitglieder. Glücklicher-weise wußten alle, daß ich schrieb. Das half! Es schiensie mit dem Umstand zu versöhnen, daß ich ein Exzen-triker war, und aufgrund dessen vergaben sie mir vie-les.

Sechs Wochen vor meiner Berufung zum außeror-dentlichen Professor hatte ich mein erstes Buch ver-kauft, das den Titel PEBBLE IN THE SKY trug. Ichwußte nicht, daß Doubleday meine neue berufliche Po-sition in Verbindung mit dem Buch ausbeuten wollte.

Erst als ich den Schutzumschlag sah, wurde ich auf denRückseitentext aufmerksam. Unter einem sehr hüb-schen Foto von mir im Alter von fünfundzwanzig Jah-ren (was mir jetzt das Herz bricht, wenn ich es sehe),stand da als Schlußsatz zu lesen: „Dr. Asimov lebt inBoston, wo er sich in der medizinischen Fakultät derUniversität mit Krebsforschung befaßt.“

Ich dachte eine Weile darüber nach, worauf ich be-schloß, den geraden Weg zu beschreiten. Ich bat um einGespräch mit Dekan James Faulkner und legte ihm al-les offen dar. Ich sagte, ich hätte seit Jahren Science-Fiction-Geschichten geschrieben, und nun käme meinerstes Buch unter meinem eigenen Namen heraus, und

meine Zugehörigkeit zur Fakultät würde im Klappen-text erwähnt. Ob er meine Kündigung wolle?Der Dekan, ein würdiger Herr mit Sinn für Humor,

sagte: „Ist es ein gutes Buch?“„Der Verlag ist der Meinung“, sagte ich vorsichtig.Und er sagte: „In diesem Fall wird die medizinische

Fakultät sich gern damit identifizieren lassen.“Damit war der Fall erledigt, und solange ich der Fa-

kultät angehörte, hatte ich niemals Schwierigkeitenwegen meiner Science Fiction. Einige Leute kamen so-gar auf den Gedanken, mein schriftstellerisches Talentnutzbar zu machen. Im Oktober 1954 baten mich die

Page 124: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 124/167

124

Herausgeber einer Studentenzeitung an der Universi-tät um eine kleine SF-Geschichte zur Auflockerung ei-ner ihrer Ausgaben. Ich tat ihnen den Gefallen mitLET’S NOT, einer Skizze, die dann im Dezember 1954erschien.

Verzweiflung

Professor Charles Kittredge rannte mit langen, unsi-cheren Schritten. Er kam gerade rechtzeitig, um sei-

nem Kollegen Heber Vandermeer das Glas von denLippen zu schlagen. Es war beinahe wie eine Übung inZeitlupe.

Vandermeer, der augenscheinlich so in sein Tun ver-tieft gewesen war, daß er Kittredge nicht hatte kom-men hören, schaute erschrocken und beschämt drein.Sein Blick fiel auf das zerbrochene Glas und die kleinePfütze Flüssigkeit zwischen den Scherben.

„Was war es?“ fragte Kittredge grimmig.„Zyankali. Ich hatte ein bißchen aufbewahrt, als wir

abreisten. Für alle Fälle ...“„Was hätte das genützt? Und nun ist ein Glas zer-

schlagen. Die Scherben müssen zusammengekehrt

werden ... Nein, ich werde es tun.“Kittredge fand ein kostbares Stück Pappe zum Auf-nehmen der Splitter und Scherben und ein noch kost- bareres Stück Stoff zum Auftupfen der giftigen Flüs-sigkeit. Er ging und schüttete die Scherben - und mitBedauern auch das Stück Stoff - in den Abfallbehälter,der in unregelmäßigen Abständen mit dem Aufzugachthundert Meter zur Oberfläche hinaufbefördertund ausgeleert wurde.

Als er zurückkehrte, sah er Vandermeer auf demFeldbett sitzen, die Augen starr auf die Wand gerichtet.

Page 125: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 125/167

125

Sein Haar war schneeweiß geworden, und natürlichhatte er Gewicht verloren. In der Zuflucht gab es keinedicken Menschen. Kittredge, der schon immer lang,mager und grauhaarig gewesen war, hatte sich, im Ge-gensatz zu seinem Kollegen, kaum verändert.

Nach einer Weile sagte Vandermeer mit lebloserStimme: „Denke an die alten Tage, Kitt.“

„Ich versuche, es nicht zu tun.“„Es ist das einzige Vergnügen, das uns geblieben ist“,

fuhr Vandermeer fort. „Es gab Vorlesungsräume, Ge-

räte, Studenten, Luft, Licht und Menschen. Leute.“„Eine Schule ist eine Schule, solange es einen Lehrerund einen Schüler gibt.“

„Du hast beinahe recht“, murmelte Vandermeertraurig. „Hier gibt es sogar zwei Lehrer. Und einen Ab-solventen. Er wird der erste Mensch sein, der hier un-ten zum Doktor der Philosophie promovieren wird. Ei-ne besondere Auszeichnung. Der arme Jones.“

Kittredge steckte die Hände in die Taschen, um sieruhig zu halten. „Es gibt zwanzig weitere junge Leute,die eines Tages ein Studium abschließen werden.“

Vandermeer blickte müde auf. Sein Gesicht war grauund hoffnungslos. „Was sollen wir sie in der Zwischen-

zeit lehren? Geschichte? Wie der Mensch entdeckte,was den Wasserstoff zum Krachen bringt, und wie erfroh und munter weiterspielte, bis es überall krachte?Geographie? Wir können beschreiben, wie der Windden glitzernden Staub überall hin wehte und wie dieWasserströmungen die aufgelösten Isotope in alleWeltmeere trugen.“

Kittredge fand es sehr hart. Er und Vandermeer wa-ren die einzigen qualifizierten Wissenschaftler, dierechtzeitig davongekommen waren. Die Verantwor-tung für das Leben von mehr als hundert Männern,Frauen und Kindern hatte sie bewegen, die unbere-

Page 126: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 126/167

126

chenbaren Gefahren und Unbilden der Oberfläche zufliehen und hier in dieser Lebensblase Zuflucht zu su-chen, achthundert Meter unter der Kruste des Plane-ten.

Verzweifelt suchte er Vandermeer neuen Mut zu ma-chen. „Du weißt, was wir sie lehren müssen“, sagte er soeindringlich er konnte. „Wir müssen die Wissenschaftam Leben erhalten, damit wir eines Tages die Erdewiederbevölkern können. Damit es einen neuen An-fang geben kann.“

Vandermeer antwortete nicht. Er wandte das Ge-sicht zur Wand.„Warum sollte das nicht möglich sein?“ sagte Kitt-

redge. „Auch Radioaktivität währt nicht ewig. Laß estausend Jahre dauern, oder meinetwegen fünftausend.Einmal wird die Strahlungsmenge auf der Erdoberflä-che auf erträgliche Werte sinken.“

„Einmal.“„Natürlich. Eines Tages. Siehst du nicht, daß hier die

wichtigste Schule in der Geschichte der Menschheitexistiert? Wenn wir Erfolg haben, du und ich, dannwerden unsere Abkömmlinge wieder einen freienHimmel über sich sehen und reines Wasser aus mur-

melnden Bächen schöpfen.“ Er zeigte dem anderen einschiefes Lächeln und fügte hinzu: „Vielleicht werdensie sogar Schulen wie jene besitzen, an die wir uns erin-nern.“

„Ich kann nichts davon glauben“, sagte Vandermeer.„Zuerst, als es besser schien als der Tod, hätte ich allesgeglaubt. Aber die Jahre gehen dahin, und es ergibteinfach keinen Sinn mehr. Wir lehren sie hier unten,was wir wissen, und dann sterben wir ... auch hier un-ten.“

„Aber nicht lange, und Jones wird mit uns lehren,und dann wird es andere geben, welche die Fackel der

Page 127: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 127/167

127

Gelehrsamkeit weitertragen werden. Die Jungen, diesich kaum noch an das alte Leben erinnern, werdenLehrer, und ihnen werden die hier geborenen Jungenfolgen. Das wird der kritische Punkt sein. Sobald diehier Geborenen die Leitung übernehmen, wird es keineErinnerungen mehr geben, die die Moral untergraben.Dies wird ihr Leben sein, und sie werden ein Ziel ha- ben, etwas, wofür sie kämpfen können... eine ganzeWelt, die es wiederzugewinnen gilt. Wenn, Van, wennwir die Kenntnis der Naturwissenschaften auf dem

Doktorandenniveau am Leben erhalten können. Duverstehst, warum, nicht wahr?“„Natürlich verstehe ich“, erwiderte Vandermeer

reizbar, „aber das macht es noch nicht möglich.“„Aber jedes Aufgeben wird es unmöglich machen.

Soviel ist gewiß.“„Gut, ich werd’s versuchen“, sagte Vandermeer im

Flüsterton.Kittredge legte sich auf sein Feldbett und schloß die

Augen und wünschte sich verzweifelt, daß er in seinemSchutzanzug auf der Planetenoberfläche stünde. Nurfür eine kleine Weile. Er würde kurz nach Sonnenun-tergang neben dem Gerippe des Schiffes stehen, das de-

montiert und ausgeschlachtet worden war, um die Le- bensblase hier unten zu schaffen. Und er würde seinenMut zusammennehmen und, aufblickend durch diedünne, kalte Marsatmosphäre, noch einmal den strah-lenden, toten Abendstern sehen, der die Erde war.

Manche Leute beschuldigten mich, daß ich alles, wasich schreibe, bis zum letzten ausquetsche. Tatsächlichist das keine vorsätzliche Politik von mir, aber ich mußzugeben, daß die Nachdrucke und Neuauflagen sich zusummieren schienen. Das war schon 1954 so.Ich hatte LET’S NOT für eine Studentenzeitung an

Page 128: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 128/167

128

meiner Universität geschrieben und natürlich wederGeld dafür erwartet noch bekommen. Nicht lange da-nach bat mich Martin Greenberg von der Gnome Press jedoch um eine Einleitung für eine neue Anthologie, dieer herausgeben wollte. Sie sollte den Titel ALLABOUT THE FUTURE tragen und 1955 erscheinen.

Ich wollte nicht ablehnen, weil ich Martin Greenbergmochte, obwohl er mit seinen Tantiemenzahlungen Jah-re im Rückstand war. Andererseits wollte ich ihn auchnicht mit mehr Material belohnen, also schloß ich einen

Kompromiß.„Wie wäre es statt dessen mit einer kleinen Geschich-te?“ sagte ich und bot ihm LET’S NOT an. Er brachte sieals eine der Einleitungen (die andere, eine mehr kon-ventionelle, war von Robert A. Heinlein) und, Wunderüber Wunder, zahlte mir zehn Dollar.

Im gleichen Jahr gab es wieder einen Wendepunkt inmeinem Leben. (Komisch, wie viele Wendepunkte es imLeben gibt und wie schwierig sie zu erkennen sind,wenn sie kommen.)

Seit den Tagen meiner Dissertation hatte ich immerwieder Sachliteratur geschrieben, wenn man es so nen-

nen kann, denn es handelte sich hauptsächlich um wis-senschaftliche Aufsätze im Zusammenhang mit mei-ner Forschungsarbeit. Es waren nicht viele, weil ich bald entdeckte, daß ich kein begeisterter Forscher war.Hinzu kam, daß das Abfassen der Artikel eine schreck-lich mühsame Arbeit darstellte, da die wissenschaftli-che Terminologie scheußlich stilisiert ist und geradezunach schlechter Lesbarkeit verlangt.

Das Lehrbuch war angenehmer, aber ich war durchmeine beiden Mitautoren ständig behindert und aufge-halten worden, weil sie - wunderbare, nette Kollegen -einen anderen Stil schrieben. Meine Frustration weck-

Page 129: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 129/167

129

te in mir das Verlangen, ganz allein ein Buch über Bio-chemie zu schreiben, nicht für Studenten, sondern fürdie Allgemeinheit. Aber ich betrachtete es lange als ei-nen Traum, denn ich konnte zu der Zeit nicht über mei-ne Science Fiction hinausblicken.

Mein Mitautor Bill Boyd hatte jedoch ein populär-wissenschaftliches Buch über Genetik geschrieben,GENETICS AND THE RACES OF MAN (Little-Brown,1950), und im Jahre 1953 kam ein gewisser Henry Schu-man aus New York, Besitzer eines kleinen Verlagshau-

ses, das seinen Namen trug. Er versuchte, Bill zu über-reden, daß er ein Buch für ihn schreibe, aber Bill hatteandere Pläne, und weil er eine gutherzige Seele ist, ver-suchte er, Mr. Schuman die Absage schmackhaft zumachen, indem er mich mit ihm bekannt machte undvorschlug, er möge mich als Autor des Buches gewin-nen.

Natürlich war ich einverstanden und schrieb dasBuch. Als die Zeit der Veröffentlichung heranrückte,hatte Henry Schuman seinen Verlag jedoch an einenanderen Verlag verkauft, Abelard. Als mein Buch dannerschien, trug es den Titel THE CHEMICALS OF LIFE(Abelard-Schuman, 1954).

Es war das erste Sachbuch für die breite Öffentlich-keit, an dem kein Mitautor beteiligt gewesen war unddas allein meinen Namen trug. Es hatte mir großenSpaß gemacht, und nicht nur das, es hatte sich als einesehr einfache Aufgabe erwiesen, viel leichter als meineScience Fiction. Ich schrieb das Buch in nur zehn Wo-chen, wobei ich niemals mehr als zwei Stunden am Tagdafür aufwendete. Sofort begann ich mir Gedankenüber andere, ähnliche Sachbücher zu machen, die ichschreiben könnte, und damit begann eine Arbeitsweise,die mein Leben füllen sollte - obgleich ich zu der Zeitkeine Ahnung davon hatte.

Page 130: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 130/167

130

Im selben Jahr begann es auszusehen, als ob einzweiter Sprößling unterwegs wäre. Auch dies über-raschte uns und schuf ein ernstes Problem.

Als wir im Frühjahr 1951 in unsere Wohnung in Walt-ham eingezogen waren, da waren wir nur zu zweit ge-wesen. Wir schliefen in einem Schlafzimmer, und dasKinderzimmer war der Arbeitsraum. Mein Buch THECURRENTS OF SPACE (Doubleday, 1952) entstand indiesem Kinderzimmer.

Nachdem David zur Welt gekommen und groß genug

geworden war, daß er ein eigenes Zimmer brauchte, be-kam er das Kinderzimmer, und mein Arbeitsraumwurde ins Elternschlafzimmer verlegt, wo ich THECAVES OF STEEL (Doubleday, 1953) schrieb.

Dann wurde am 19. Februar 1955 meine Tochter Ro- byn Joan geboren, und in Erwartung unausweichlicherKomplikationen verlegte ich meinen Arbeitsplatz inden Korridor. Es war der einzige Ort, der mir noch blieb. Die vierte meiner LUCKY STARR-Novellenwurde am selben Tag in Angriff genommen, als derneue Sprößling von der Klinik nach Hause gebrachtwurde. Die Novelle erhielt den Titel LUCKY STARRAND THE BIG SUN OF MERCURY (Doubleday, 1956)

und erhielt die Widmung: „Für Robyn Joan, die ihr Be-stes tat, sich störend einzumischen.“Die störende Einmischung war nur allzu wirksam.

Mit einem Kind in jedem Zimmer und mir im Korridorwar es schlimm genug, aber mit der Zeit würde RobynJoan größer werden und ein eigenes Zimmer brauchen,und so entschlossen wir uns, nach einem Haus Aus-schau zu halten.

Das war eine traumatische Erfahrung. Ich hatte niein einem Haus gelebt. Während aller fünfunddreißigJahre meines Lebens hatte ich in einer Reihe von Miet-wohnungen gelebt. Was sein mußte, mußte jedoch sein.

Page 131: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 131/167

131

Im Januar 1956 fanden wir ein Haus in Newton, Massa-chusetts, im westlichen Vorortbereich von Boston, undam zwölften März 1956 zogen wir ein.

Am 16. März 1956 erlebte Boston einen der schwer-sten Schneestürme seit Menschengedenken, in dessenVerlauf ein Meter Schnee fiel. Nachdem ich nie zuvorhatte Schnee schaufeln müssen, fing ich nun mit einertiefen, breiten Einfahrt an. Kaum hatte ich sie freige-schaufelt, als am 20. März 1956 ein zweiter Blizzardüber Boston hereinbrach und weitere eineinhalb Meter

Schnee ablud.Der Schnee lag fest gegen die Außenwände des Hau-ses gepackt, Schmelzwasser sickerte in den Keller, undwir hatten eine kleine Überschwemmung. Herr imHimmel, wie wünschten wir uns in die Wohnung zu-rück!

Aber wir überlebten das, und dann kamen ernstereSorgen - zumindest für mich. Mein Leben hatte sich soradikal verändert - mit zwei Kindern, einem Haus undeiner Hypothek -, daß ich mich zu fragen begann, ob ichnoch würde schreiben können. (Mein Roman THE NA-KED SUN, Doubleday- 1957, war zwei Tage vor demUmzug abgeschlossen worden).

Wissen Sie, man entwickelt ein so starkes Gefühl, daßdas schriftstellerische Talent eine zarte Pflanze sei, diesorgsam gepflegt und genährt werden müsse, wenn sienicht dahinwelken soll, daß man befürchtet, jede ein-schneidende Veränderung der Lebenssituation werdealle Blüten und Triebe abschneiden.

Durch die Blizzards und das Schneeschaufeln unddas Kellerauspumpen und alles andere hatte ich eine Weilekeine Gelegenheit, mich im Schreiben zu versuchen.

Aber dann bat mich Bob Lowndes um eine Geschich-te für seine Zeitschrift „Future“, und im Juni 1956 be-gann ich im neuen Haus zu schreiben. Es war die erste

Page 132: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 132/167

132

Hitzewelle des Sommers, aber im Keller war es kühl,und so stellte ich meine Schreibmaschine dort auf undgenoß den Luxus der Kühle inmitten einer Hitzewelle.Es gab keine Schwierigkeiten. Ich konnte immernoch schreiben. Die Kurzgeschichte bekam den TitelEACH AN EXPLORER und erschien in Heft 30 von„Future“ (die Ausgaben dieser Zeitschrift folgten zudieser Zeit in so unregelmäßigen Abständen aufeinan-der, daß man darauf verzichtete, den Monat des Er-scheinens anzugeben).

Entdecker

Herman Chouns war ein Mann, der viel von seinemRiecher hielt. Manchmal zu Recht, manchmal zu Un-recht; das Verhältnis stand ungefähr fünfzig zu fünf-zig. Trotzdem, bedenkt man, daß es ein ganzes Univer-sum von Möglichkeiten gibt, aus denen eine richtigeAntwort gezogen werden muß, beginnt fünfzig zufünfzig recht gut auszusehen.

Chouns aber war über die Sache nicht immer soglücklich, wie man hätte meinen können. Es war ihmeine zu große Anspannung. Wenn andere mit einem

Problem nicht zurechtkamen, pflegten sie sich an ihnzu wenden und zu sagen: „Was meinen Sie, Chouns?Schalten Sie mal Ihre Intuition ein.“

Und wenn es dann zu einem Fiasko kam, wurde dieVerantwortlichkeit selbstverständlich ihm angelastet.

Sein Beruf als Feldforscher machte es noch schlim-mer.

„Meinen Sie, daß es sich lohnt, diesen Planeten ge-nauer anzusehen?“ pflegten sie zu sagen. „Was meinenSie, Chouns?“

Da war es eine Erleichterung, zur Abwechslung einer

Page 133: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 133/167

133

Zweiergruppe zugeteilt zu werden (was bedeutete, daßdie nächste Reise in ein Zielgebiet von geringerer Be-deutung führen und der Druck von oben fehlen würde)und obendrein Allen Smith als Partner zu bekommen.

Smith war so nüchtern wie sein Name. Am erstenTag draußen sagte er zu Chouns: „Die Sache mit dir istdie, daß du ein gutes Gedächtnis für Einzelheiten hast.Vor ein Problem gestellt, erinnerst du dich an genugkleine Dinge, die uns anderen nicht in den Sinn kom-men und die dir eine Entscheidung erleichtern. Da von

einem Riecher zu reden, macht es nur geheimnisvoll,und das ist es nicht.“Er strich sich übers Haar, als er das sagte. Er hatte

helles Haar, das wie eine Kappe um seinen Schädel lag.Chouns, dessen Haar sehr ungebärdig und dessen

Nase knollig und ein wenig zur Seite verschoben war,sagte sanft, wie es seine Art war: „Ich denke, vielleichtist es Telepathie.“

„Was?“„Bloß eine Spur davon.“„Unsinn!“ sagte Smith laut und höhnisch, wie es seine

Art war. „Seit tausend Jahren hat die Wissenschaftdiesen parapsychologischen Phänomenen nachgejagt

und ist nicht weitergekommen. Es gibt keine Telepa-thie, genausowenig wie Telekinese oder Hellseherei.“„Das gebe ich zu, aber denke einmal nach. Wenn ich

ein Bild davon bekomme, was jeder in einer Gruppevon Menschen denkt, weiß ich mehr als jedes einzelneIndividuum der Gruppe. Folglich kann ich mir ein bes-seres Urteil bilden als die anderen - wenigstens in derTheorie.“

„Hast du irgendwelche Indizien dafür, daß es bei dirso ist?“

Chouns richtete seine sanften braunen Augen aufden anderen. „Bloß so eine Ahnung.“

Page 134: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 134/167

134

Sie kamen gut miteinander aus. Chouns schätzte dieerfrischende Nüchternheit und den praktischen Sinndes anderen, und Smith betrachtete die Spekulationenseines Kollegen mit gönnerhafter Neugierde. Sie wa-ren häufig unterschiedlicher Meinung, stritten jedochnie.

Selbst als sie ihr Ziel erreichten, einen Kugelhaufenüber der Ebene der Galaxis, der noch nie von Menschen besucht worden war, führte die zunehmende Span-nung nicht zu einer Klimaverschlechterung.

Smith sagte: „Ich frage mich, was sie zu Hause mit alldiesen Daten anfangen. Scheint eine Verschwendung.“„Die Menschheit beginnt sich gerade erst auszubrei-

ten“, meinte Chouns. „Schwer zu sagen, wie weit sie ineiner Million von Jahren oder so kommen wird. AlleDaten, die wir über fremde Welten sammeln können,werden unseren Nachfahren eines Tages zustattenkommen.“

„Du redest wie ein Anwerber für den Außendienst.Meinst du, daß wir in dem Ding was Interessantes fin-den werden?“ Er zeigte hinaus zu dem nahen Stern-haufen, der wie verschütteter Talkumpuder aussah.

„Vielleicht. Ich habe so ein Gefühl...“ Chouns brach

ab, schluckte, zwinkerte einmal oder zweimal undschenkte seinem Kameraden ein schwächliches Lä-cheln.

Smith schnaubte. „Legen wir einen Kurs durch dienächsten Sterngruppen und sehen wir zu, was wir fin-den. Ich wette zehn zu eins, daß wir ein Bewohnbar-keitsverhältnis von weniger als 0,2 finden werden.“

„Die Wette verlierst du“, murmelte Chouns. Wiederverspürte er jene rasche, wärmende Erregung, die ihnimmer überkam, wenn neue Welten vor ihnen lagen.Sie legten ihren Kurs fest und begannen die Sterne derUmgebung nach Planetensystemen abzusuchen. Die

Page 135: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 135/167

135

Computer und Meßgeräte taten ihre Arbeit. Die Mengeder eingespeicherten Informationen wurde größer undgrößer, und alles nahm in zufriedenstellender Weiseseinen routinierten Gang - bis in unmittelbarer Nähedes Systems Nr. 23 der Schiffsantrieb versagte.

„Komisch“, murmelte Chouns. „Die Schadenanalysezeigt nicht an, wo der Fehler liegt.“

Er hatte recht. Die Anzeigennadeln taumelten überdie Skalen und verweilten niemals lange genug an ei-ner Stelle, daß eine Diagnose möglich gewesen wäre.

Infolgedessen konnten sie keine Reparaturen ausfüh-ren.„So was ist mir noch nicht untergekommen“, grollte

Smith. „Wir werden alles ausschalten und selbst aufFehlersuche gehen müssen.“

„Dann können wir es genausogut unter bequemerenUmständen tun“, sagte Chouns, der bereits am Tele-skop war. „Die Hilfstriebwerke sind in Ordnung, unddieses System hat zwei anständige Planeten.“

„Ja? Wie anständig, und welche sind es?“„Der erste und der zweite von vieren: beide Wasser-

Sauerstoff. Der erste ein bißchen wärmer und größerals die Erde, der zweite ein bißchen kälter und kleiner.

Zufrieden?“„Leben?“„Auf beiden. Jedenfalls Vegetation.“Smith grunzte. Daran war nichts Überraschendes;

Vegetation war auf Wasser-Sauerstoff-Welten einehäufige Erscheinung. Und anders als tierisches Leben,konnte Vegetation spektroskopisch ausgemacht wer-den. Nur vier fotochemische Pigmente waren je in pflanzlichen Formen gefunden worden, und jede ließsich aus der Natur des Lichtes bestimmen, das es re-flektierte.

Chouns sagte: „Die Vegetation ist auf beiden Plane-

Page 136: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 136/167

136

ten vom Chlorophylttyp, nicht weniger. Es wird genauwie zu Hause sein; richtig gemütlich.“

„Welcher ist näher?“„Nummer zwei, und wir sind schon unterwegs. Ich

habe das Gefühl, daß es ein hübscher Planet sein wird.“„Das beurteile ich lieber nach den Instrumenten,

wenn es dir nichts ausmacht“, sagte Smith.Aber dies schien einer der Fälle zu sein, in denen

Chouns den richtigen Riecher hatte. Der Planet warmild und heiter, mit einer sehr gleichmäßigen Vertei-

lung von Land und Wasser, die ein Klima von geringenTemperaturschwankungen erwarten ließ. Die Ge- birgszüge waren niedrig und gerundet, und die Vertei-lung der Vegetation ließ auf hohe und verbreiteteFruchtbarkeit schließen.

Chouns hatte die Handsteuerung eingeschaltet und bereitete die Landung vor. Sein Gefährte wurde unge-duldig. „Wozu suchst du so lange herum? Eine Stelle istwie die andere.“

„Ich suche nach einem kahlen Flecken“, sagteChouns. „Wozu einen halben Hektar Pflanzenlebenverbrennen?“

„Und wie, wenn du es tätest?“

„Und was, wenn ich es nicht tue?“ sagte Chouns undfand seine freie Fläche.Dann erst, nach der Landung, bemerkten sie, wohin-

ein sie geraten waren.Tierisches Leben kam viel seltener vor als Vegeta-

tion, und noch viel seltener war ein Schimmer von In-telligenz; doch hier, keinen Kilometer vom Landeplatzentfernt, gab es eine Ansammlung niedriger, schilfge-deckter Hütten, die offensichtlich das Produkt einer beachtlichen Intelligenz darstellten.

„Vorsicht“, sagte Smith, noch benommen von derÜberraschung.

Page 137: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 137/167

137

„Ich glaube nicht, daß wir etwas zu befürchten ha- ben“, meinte Chouns. Er kletterte von Bord und betratmit fester Zuversicht die Oberfläche des Planeten;Smith folgte ihm.

Chouns konnte seine freudige Erregung nur mitMühe zügeln. „Das ist phantastisch!“ rief er immerwieder. „Bisher hat niemand etwas Besseres als rauch-geschwärzte Höhlen oder geflochtene Zweige entdeckt.Wir sind die ersten, die das Dorf einer fremden intelli-genten Rasse gefunden haben!“

„Hoffentlich sind die Leute harmlos.“„Alles ist hier so friedlich, daß sie gar nicht anders alsharmlos sein können“, erwiderte Chouns. „Riech nurdie Luft!“

Während des Niedergehens hatten sie gesehen, daßdas ganze Land bis zu einer niedrigen Hügelkette amHorizont von einem freundlichen, blaßrosa gespren-kelten Grün war. Aus der Nähe gesehen zeigte sich, daßdieses Blaßrosa von ungezählten individuellen Blütenherrührte, zart und duftend. Nur die Nachbarschaftder Hütten zeigte die bernsteinähnlichen Farben vonPflanzen, die an reifes Getreide erinnerten.

Nun kamen Geschöpfe aus den Hütten und näherten

sich dem Schiff mit einer Art von zögerndem Vertrau-en. Sie hatten vier Beine und einen abfallenden Körper,der eine Schulterhöhe von einem Meter erreichte. DieKöpfe saßen fest und wenig beweglich auf diesenSchultern und hatten einen Kranz hervorquellenderAugen (Chouns zählte sechs), die rings um den Kopfangeordnet und der verwirrendsten unabhängigen Be-wegungen fähig waren. (Das erklärt die Unbeweglich-keit des Kopfes, dachte Chouns.)

Jedes Tier hatte einen am Ende gegabelten Schwanz,der hochgehalten wurde. Die langen, dünnen Gabelen-den befanden sich die meiste Zeit in schwirrender Be-

Page 138: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 138/167

138

wegung, so daß man sie nur verschwommen sehenkonnte.

„Komm mit“, sagte Chouns. „Sie werden uns nichtstun; ich bin ganz sicher.“

Die Tiere, oder was immer sie waren, umringten diezwei Männer in vorsichtiger Distanz. Ihre Schwanzen-den machten ein moduliertes summendes Geräusch.

„Vielleicht verständigen sie sich auf diese Weise“,meinte Chouns. „Und ich glaube, es gibt keinen Zweifel,daß sie Vegetarier sind.“ Er zeigte zu einer der Hütten,

wo ein kleines Exemplar der Gattung auf den Hinter-keulen saß und eine Ähre des bernsteinfarbenen Ge-treides mit dem gegabelten Schwanz durch den Mundzog.

„Menschen essen auch Gemüse“, sagte Smith, „aberdas beweist gar nichts.“

Weitere geschwänzte Geschöpfe kamen zum Vor-schein, betrachteten die fremden Besucher und ver-schwanden wieder im Grün und Rosa der Vegetation.

„Für mich gibt es keinen Zweifel, daß sie Vegetariersind“, sagte Chouns mit Entschiedenheit. „Sieh dir nurdie Art und Weise an, wie sie die Hauptfrucht kultivie-ren und pflegen.“

Die Hauptfrucht, wie Chouns es nannte, bestand auseiner Krone weicher, lanzettförmiger Blätter in Bo-dennähe, aus deren Mitte ein behaarter Stamm wuchs,der in Abständen von fünf Zentimetern fleischige, geä-derte und so lebendig wirkende Knospen trug, daß siefast zu pulsieren schienen. Der Stamm endete an derSpitze in den blaß rosa Blüten, die noch am ehesten anirdische Pflanzen gemahnten.

Die Gewächse standen in genau ausgerichteten Rei-hen, und der Boden um sie her war sorgfältig gelockertund mit einer Substanz überpudert, die vernünftiger-weise nichts als Dünger sein konnte. Schmale Pfade,

Page 139: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 139/167

139

gerade breit genug für einen Dorfbewohner, zogen sichkreuz und quer durch das Feld, und jeder dieser Pfadewurde zu beiden Seiten von schmalen Gräben gesäumt,die offenbar der Bewässerung dienten.

Die meisten Dorfbewohner waren in die Felder zu-rückgekehrt, wo sie fleißig und mit gebeugten Köpfenarbeiteten. Nur wenige blieben in der Nähe der beidenMänner.

Chouns nickte anerkennend. „Gute Landwirte, dieseSchwanzleute.“

„Nicht schlecht“, pflichtete ihm Smith bei. Er ging zurnächsten der blaßrosa Blüten und wollte sie pflücken;aber kurz vor dem Zugreifen wurde er von unvermit-telt zu schriller Höhe anschwellenden Summtönen undder Berührung eines Schwanzendes aufgehalten. DieBerührung war behutsam, aber fest.

Smith wich zurück. „Was zum Henker ...“Er griff zur Waffe, als Chouns sagte: „Kein Grund zur

Aufregung; laß das Ding stecken.“Ein halbes Dutzend der seltsamen Geschöpfe ver-

sammelte sich jetzt um die beiden. Die Vierbeiner bo-ten ihnen mit sanften und beinahe demütig anmuten-den Gebärden Getreidehalme und Ähren an. Einige

hielten sie mit den Schwanzgabeln, andere in den Mün-dern.„Sie sind friedfertig, das siehst du selbst“, sagte

Chouns. „Blumenpflücken könnte gegen ihre Sittensein; wahrscheinlich müssen die Pflanzen nach stren-gen Regeln behandelt werden. Jede landwirtschaftli-che Kultur hat wahrscheinlich Fruchtbarkeitsriten,und der Himmel weiß, was bei diesen Leuten damit zu-sammenhängt. Die Regeln für den Anbau der Pflanzenmüssen strikt sein, sonst gäbe es nicht diese genau ab-gezirkelten Reihen ... Teufel noch mal, zu Hause wer-den sie Augen machen, wenn sie das hören!“

Page 140: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 140/167

140

Das Schwanzgesumm ging wieder in eine hohe Ton-lage über, und die Geschöpfe in ihrer Nähe zogen sichein wenig zurück. Aus einer größeren Hütte im Mittel- punkt des Dorfes kam ein weiteres Mitglied der Art.

„Wahrscheinlich der Häuptling“, sagte Chouns.Der neue Vierbeiner kam langsam auf sie zu, den

Schwanz in die Höhe gereckt und jedes der Gabelendenum einen kleinen, schwarzen Gegenstand gewickelt.Knapp zwei Meter vor ihnen machte das Wesen haltund bog den Schwanz wie ein Skorpion vornüber, ih-

nen entgegen. „Er will uns etwas geben“, sagte Smithverblüfft. „Da, sieh es dir an!“Chouns starrte die Dinger an, zwinkerte die Augen

und schüttelte den Kopf. „Das sind hyperspatiale Ga-mow-Visiergeräte“, stieß er hervor. „So ein Ding kostetzehntausend Dollar!“

Nach einer Stunde an Bord kam Smith wieder zumVorschein und rief aufgeregt aus der Einstiegsöffnung:„Sie arbeiten. Sie sind völlig einwandfrei. Wir sindreich.“

„Ich habe ihre Hütten durchsucht“, rief Chouns zu-rück. „Mehr von der Sorte konnte ich nicht finden.“

„Die zwei sind auch nicht zu verachten, mein Gott, diesind so gut wie bares Geld.“Aber Chouns blickte verdrießlich umher, die Arme in

die Seiten gestemmt. Drei von den Schwanzleuten hat-ten ihn von Hütte zu Hütte geführt - geduldig, ohne ihnzu behindern, aber immer zwischen ihm und den geo-metrisch angepflanzten blaßrosa Blumen bleibend. Nun starrten sie ihn aus ihren vielen Quellaugen an.„Übrigens sind sie vom neuesten Modell“, sagte Smith,als er zu ihm kam. „Sieh hier.“ Er zeigte auf die einge- prägte Schrift, und Chouns las: „Modell X-20, Gamow,Warschau.“

Page 141: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 141/167

141

Chouns wandte sich achselzuckend ab und sagte un-geduldig, während er über die Felder blickte: „Mir liegtdaran, mehr von den Dingern zu bekommen. Ich weiß,daß es irgendwo noch welche geben muß, und ich wer-de sie mir holen.“ Sein Gesicht war gerötet, und er at-mete schwer.

Die Sonne ging unter; die Temperatur sank rasch,und es wurde unangenehm kühl. Smith nieste zwei-mal, dann auch Chouns.

„Wir werden uns noch eine Lungenentzündung ho-

len“, sagte Smith durch die Nase.„Ich muß ihnen verständlich machen, was ich will“, beharrte Chouns. Er hatte hastig Würstchen aus derDose gegessen und zwei Tassen Kaffee in sich hinein-gegossen und war bereit für einen neuerlichen Ver-such.

Er hob das Visiergerät in die Höhe. „Mehr“, sagte er,„mehr“, und machte kreisende Armbewegungen dazu.Er zeigte auf ein Visiergerät, dann auf das andere, dannauf die imaginären, die vor ihm aufgereiht schienenund die es herbeizuschaffen galt. „Mehr!“

Dann, als das Abendrot am Horizont verblaßte, erhobsich aus allen Feldern ein gewaltiges, durchdringendes

Summen, und alle Vierbeiner in der Nähe neigten dieKöpfe, hoben die gegabelten Schwänze und stimmtenin das schrille Abendkonzert ein.

„Was zum Teufel“, stieß Smith unbehaglich hervor.„He, sieh dir die Blüten an!“ Er nieste wieder.

Die blaßrosa Blüten welkten sichtbar.Chouns mußte laut sprechen, um sich durch das

schrille Summen und Vibrieren Gehör zu verschaffen.„Es könnte eine Reaktion auf den Sonnenuntergangsein. Du weißt schon, manche Blüten schließen sichabends. Und der Lärm könnte eine religiöse Andachtzur Begleitung des Vorgangs sein.“

Page 142: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 142/167

142

Eine leichte Schwanzberührung am Handgelenk ließChouns aufmerken. Der Schwanz gehörte einem derGeschöpfe in der Nähe und wurde nun zum Himmelemporgereckt, zu einem strahlend hellen Gestirn tiefam Westhimmel. Die gegabelte Schwanzspitze schwenk-te beweglich herum und zeigte auf das Visiergerät,dann wieder hinauf zu dem Himmelskörper.

„Natürlich! Der innere Planet; der andere, auch be-wohnbare“, sagte Chouns aufgeregt. „Diese Gerätemüssen von dort gekommen sein.“ Der Gedanke brach-

te ihn auf eine Idee, und er rief in plötzlichem Er-schrecken: „Mensch, Allen, der Hauptantrieb ist nochnicht repariert!“

Smith machte ein erschrockenes Gesicht, als ob aucher es vergessen hätte; dann murmelte er: „Ich wollte esdir schon vorhin sagen - es ist wieder in Ordnung.“

„Du hast ihn gerichtet?“„Überhaupt nicht angerührt. Aber als ich die Visierge-

räte überprüfte, schaltete ich die Bordinstrumente ein,und sie funktionierten. Alle Anzeigen standen auf Nor-mal. In dem Moment fiel es mir gar nicht auf; ich hatteganz vergessen, daß wir einen Schaden hatten. Jeden-falls scheint alles in Ordnung.“

„Dann laß uns starten“, sagte Chouns ohne zu zögern. Nicht einen Augenblick kam ihm der Gedanke anSchlaf in den Sinn.

Der Flug dauerte sechs Stunden, und keiner der beidentat ein Auge zu. Sie harrten mit einer fast rauschhaftenLeidenschaft in der Pilotenkabine aus, bis sie am Zielwaren. Wieder wählten sie für die Landung eine freieFläche aus.

Es war ein heißer, subtropischer Nachmittag; undunweit von ihnen zog ein breiter, lehmgelber Fluß träge

Page 143: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 143/167

143

vorüber. Die steilen Uferböschungen waren an vielenStellen von großen Löchern ausgehöhlt.

Die beiden Männer kletterten von Bord, sahen sichum, und Smith rief mit heiserer Stimme: „Herman, siehnur!“

Chouns schüttelte die zupackende Hand des Gefähr-ten ab. „Die gleichen Pflanzen!“ sagte er verdutzt.

Die blaßrosa Blüten, die behaarten Stengel mit ihrengeäderten Knospen und der Kranz lanzettförmigerBlätter am Fuß waren unverkennbar. Und auch hier

standen die Pflanzen sorgfältig aufgereiht, und der Bo-den war gejätet und gedüngt.„Wir können doch nicht einen Fehler gemacht und

die gleiche Welt umkreist haben“, sagte Smith.„Nein, du brauchst dir bloß die Sonne anzusehen; sie

hat fast den doppelten Durchmesser. Und dort!“Aus einigen der Baue in der Uferböschung glitten

gelbbraune, bewegliche Tiere wie Schlangen. Sie wa-ren ungefähr drei Meter lang und mochten einenDurchmesser von dreißig Zentimetern haben. Die bei-den Enden waren stumpf und ohne irgendwelcheMerkmale, doch entlang ihren Oberseiten befandensich beulenartige Erhebungen, die vor den Augen der

beiden Männer im Gleichmaß anschwollen, sich wielippenlose Münder spalteten und mit schmatzendenGeräuschen wieder schlossen.

Bald darauf schienen die seltsamen Geschöpfe ihre Neugierde befriedigt zu haben, und geradeso, wie diegeschwänzten Dorfbewohner es auf dem äußeren Pla-neten getan hatten, entfernten sich die meisten von ih-nen zu den sorgfältig gepflegten Anpflanzungen.

Smith nieste. Die Gewalt der ausgestoßenen Atem-luft traf den angehobenen Jackenärmel und ließ eine pulverige Wolke davon aufstäuben. Er starrte verwun-dert auf den Ärmel, dann begann er seine Kleider ab-

Page 144: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 144/167

144

zuklopfen und sagte: „Verdammt, alles ist staubig.“ DerStaub erhob sich wie blaßrosa Nebel. „Du bist auchganz eingestaubt“, fügte er hinzu und beklopfte ChounsKleidung.

Beide niesten und niesten.„Das müssen wir auf dem anderen Planeten einge-

fangen haben, nehme ich an“, sagte Chouns.„Wir könnten uns eine Allergie zuziehen.“„Ausgeschlossen.“ Chouns hielt eins der Visiergeräte

in die Höhe und rief den Riesenwürmern zu: „Habt ihr

solche Dinger?“Für eine Weile gab es keine andere Antwort als dasPlatschen des Wassers, als eines der walzenförmigenLebewesen in den Fluß glitt und mit triefenden Klum- pen irgendwelcher Wasserpflanzen wieder auftauchte,die bald in einem verborgenen Mund unter dem Körperverschwanden.

Aber dann kam einer der Riesenwürmer herange-krochen, das stumpfe Vorderende angehoben und, blindlings suchend, von einer Seite zur anderen ta-stend. Eine der Rückenerhebungen schwoll an, sanftzuerst, dann überraschend schnell, und öffnete sich miteinem Geräusch wie das Entkorken einer Flasche. In

den beiden Hälften ruhten zwei weitere Visiergeräte,die Duplikate der ersten zwei.„Herr im Himmel, ist das nicht wunderbar?“ rief

Chouns ekstatisch. Er trat schnell vorwärts undstreckte die Hand nach den Visiergeräten aus. Die bei-den Hälften der geöffneten Blase wurden dünner undlänger, bis sie kurzen Armen glichen, die sich ihnenentgegenstreckten.

Chouns lachte glücklich. Es waren tatsächlich Ga-mow-Visiergeräte; genaue Duplikate der ersten zwei.Chouns drehte und wendete sie beglückt zwischen denFingern.

Page 145: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 145/167

145

„Kannst du nicht hören?“ rief Smith. „Herman, ver-dammt noch mal, so hör doch!“

Chouns blickte auf und sagte: „Was?“ Ihm wurde un-deutlich bewußt, daß Smith seit einiger Zeit zu ihmherübergerufen hatte.

„Sieh dir die Blumen an, Herman!“Die Blüten schlossen sich, wie die anderen auf dem

äußeren Planeten es getan hatten, und zwischen denReihen der Pflanzen reckten die Riesenwürmer dieVorderleiber empor und schwankten in einem seltsa-

men, unterbrochenen Rhythmus. Ihre stumpfen Vor-derenden erhoben sich über das blaß rosa Blütenmeer.Smith sagte: „Du kannst nicht sagen, sie schlössen

sich, weil es Abend würde. Es ist heller Tag.“Chouns zuckte die Schultern. „Ein anderer Planet,

andere Pflanzen. Komm mit! Wir haben hier nur zweiVisiergeräte bekommen; es muß mehr davon geben.“

„Herman, laß uns an Bord gehen.“ Smith ergriff sei-nen Arm und hielt ihn zurück.

Chouns wandte das gerötete Gesicht zu ihm um undmusterte ihn ärgerlich. „Was soll das?“

„Wenn du nicht sofort mit an Bord kommst, schlageich dich k.o.“

Einen Augenblick stand Chouns unschlüssig; dannverlor sich die gespannte Wildheit, die eben noch seineHaltung bestimmt hatte. Er entspannte sich und sagte:„In Ordnung. Meinetwegen.“

„Wie geht es dir?“ fragte Smith.Chouns richtete sich in seiner engen Koje auf und

fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Normal, denkeich; wieder bei Sinnen. Wie lange habe ich geschlafen?“

„Zwölf Stunden.“„Und du?“„Ich habe hin und wieder ein Nickerchen gemacht.“

Page 146: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 146/167

146

Smith wandte sich ostentativ den Instrumenten zu undnahm einige geringfügige Einstellungen vor. Nach ei-nem forschenden Seitenblick zu Chouns, sagte er:„Weißt du, was auf den Planeten dort geschehen ist?“

Chouns wollte den Kopf schütteln, runzelte statt des-sen die Stirn und fragte: „Weißt du es?“

„Ich glaube, ja.“„Wirklich? Darf ich hören?“„Es war auf beiden Planeten die gleiche Pflanzenart“,

sagte Smith. „Das wirst du mir wohl zugestehen, wie?“

„Selbstverständlich.“„Sie wurde irgendwie von einem Planeten zum ande-ren verpflanzt; auf beiden gedeiht sie ausgezeichnet;aber gelegentlich ist eine Kreuzung der beiden Gattun-gen notwendig, vielleicht, um die Widerstandskraft derArt zu erhalten. Das gehört auch auf der Erde zu denPrinzipien der Arterhaltung.“

„Das ist richtig, ja.“„Aber wir waren die Wirkkraft, die die Vermischung

besorgte. Wir landeten auf einem Planeten und warenmit Pollen bedeckt. Erinnerst du dich an das Sich-schließen der Blumen? Das muß kurz nach der Entlas-sung ihres Pollens gewesen sein; und darum mußten

wir auch niesen. Dann landeten wir auf dem anderenPlaneten und klopften den Pollen aus unseren Klei-dern. Die Folge davon wird eine neue Hybridenart sein.Wir waren bloß zweibeinige Bienen, Herman, die ihrePflicht taten, indem sie die Blüten bestäubten.“

Chouns mußte lächeln. „Eine nicht sehr ruhmreicheRolle, in einer Weise.“

„Zum Teufel, das ist es nicht. Siehst du die Gefahrnicht? Siehst du nicht, warum wir so schnell wie mög-lich nach Hause zurückkehren müssen?“

„Warum?“„Weil Organismen sich nicht umsonst anpassen. Die-

Page 147: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 147/167

147

se Pflanzen scheinen auf interplanetarische Bestäu- bung spezialisiert zu sein. Wir wurden sogar belohnt,genau wie Bienen belohnt werden; nicht mit Nektar,aber mit Gamow-Visiergeräten.“

„Ich verstehe. Aber worauf willst du hinaus?“„Nun, interplanetarische Bestäubung ist nur mög-

lich, wenn etwas oder jemand da ist, der die Arbeit aus-führt. Diesmal taten wir es, aber wir waren die erstenMenschen, die jemals in diesen Kugelhaufen einge-drungen sind. Also müssen es bei früheren Gelegenhei-

ten Nichtmenschen besorgt haben. Das heißt, daß es ir-gendwo in diesem Sternhaufen eine Rasse intelligenterLebewesen gibt; intelligent genug für die Raumfahrt.Die Erde muß davon erfahren.“

Smith runzelte die Brauen. „Findest du meine Logikfehlerhaft?“

Chouns stützte den Kopf in beide Hände und machteeine unglückliche Miene. „Ich würde sagen, daß dir fastalles entgangen ist.“

„Was soll mir entgangen sein?“ verlangte Smith auf-gebracht zu wissen.

„Deine Bestäubungstheorie ist gut, aber du hast eini-ges dabei nicht berücksichtigt. Als wir uns dem Stern-

system näherten, fiel unser Hauptantrieb aus, und dieautomatische Fehleranzeige konnte weder eine Dia-gnose stellen noch den Fehler beheben. Nach der Lan-dung unternahmen wir nichts, um die Fehlerquelle zusuchen. Um die Wahrheit zu sagen, wir vergaßen ein-fach, daß ein Defekt aufgetreten war. Und als du späterdie Instrumente einschaltetest, fandest du, daß allesvöllig in Ordnung war. Die Entdeckung beeindrucktedich jedoch so wenig, daß du sie mir gegenüber nichteinmal erwähntest.

Nimm etwas anderes: Wie praktisch und bequemwar es, daß wir Landeplätze wählten, die auf beiden

Page 148: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 148/167

148

Planeten in unmittelbarer Nähe von Ansammlungentierischen Lebens waren. Bloßer Zufall? Und unserunglaubliches Vertrauen in die Gutwilligkeit undHarmlosigkeit der Geschöpfe! Wir machten uns nichtmal die Mühe, die Atmosphären auf Spuren von Gift-stoffen zu untersuchen, bevor wir uns ihnen aussetz-ten.

Und was mich am meisten von allem stört, ist derUmstand, daß ich über den Gamow-Visiergerätenschier den Verstand verlor. Warum? Die Dinger sind

wertvoll, ja, aber so wertvoll nun wieder auch nicht.Und im allgemeinen springe ich für ein Stück Geldnicht gleich über Bord.“

Smith hatte während der Rede unbehaglich ge-schwiegen; jetzt sagte er: „Ich verstehe nicht, was daszu sagen haben sollte.“

„Hör schon auf damit, Allen; du weißt es besser. Es istoffensichtlich, daß unser Bewußtsein von außen ge-steuert wurde.“

Smith verzog den Mund zu einer Grimasse, die aufhalbem Weg zwischen Hohn und Zweifel steckenblieb.„Fängst du wieder mit der Telepathie-Masche an?“

„Warum nicht? Tatsachen sind Tatsachen. Ich sagte

dir, daß mein Riecher eine Form von rudimentärer Te-lepathie sein könnte.“„Ist das auch eine Tatsache? Vor ein paar Tagen

dachtest du es nicht.“„Jetzt denke ich es. Sieh mal, ich bin ein besserer

Empfänger als du, und infolgedessen wurde ich stärker beeinflußt. Nun, da es vorbei ist, verstehe ich mehr da-von, was geschehen ist, weil ich mehr empfing. Be-greifst du das?“

„Nein.“„Dann höre mich weiter an. Du sagtest selbst, die Ga-

Page 149: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 149/167

149

mow-Visiergeräte seien der Nektar, der uns zur Be-stäubung verleiten sollte. Du selbst sagtest das.“

„Richtig.“„Nun gut, woher kamen die Dinger? Es waren Er-

zeugnisse der Erde; wir lasen sogar Modellnummernund Hersteller darauf, Buchstabe für Buchstabe.Trotzdem, wo kamen die Dinger her, wenn noch nie einMensch in diesem Sternhaufen gewesen ist? Solangewir dort waren, machte sich keiner von uns darüberGedanken; du scheinst es nicht einmal jetzt zu tun.“

„Also, ich meine...“„Was tatest du mit den Visiergeräten, nachdem wiran Bord gingen, Allen? Du nahmst sie mir ab; darankann ich mich erinnern.“

„Ich tat sie in den Safe“, sagte Smith.„Hast du sie seitdem angerührt?“„Nein.“„Habe ich sie angerührt?“„Meines Wissens nicht.“„Du hast mein Wort, daß ich es nicht getan habe.

Warum machst du den Safe nicht auf?“Smith erhob sich und trat zögernd vor den Safe. Das

Schloß war auf seine Fingerabdrücke eingestellt und

öffnete sich auf Anhieb. Ohne nachzuschauen, griff erhinein. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, und er bückte sich mit einem unterdrückten Fluch und starrtehinein, dann scharrte er den Inhalt heraus.

Als er sich umwandte, hatte er vier Gesteinsbrockenvon verschiedener Farbe in den Händen. Das einzigeGemeinsame an ihnen war die grob rechteckige Form.

„Sie benutzten unsere eigenen Gefühle, um uns zulenken“, sagte Chouns sinnend. „Sie machten uns glau- ben, der Schiffsantrieb sei defekt, damit wir auf einemder Planeten landeten; vermutlich war es gleich, wel-chen wir wählten. Nachdem wir landeten, machten sie

Page 150: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 150/167

150

uns glauben, wir hätten Präzisionsinstrumente in derHand, damit wir auf der Jagd nach weiteren Instru-menten zum Nachbarplaneten rasen würden.“

„Wer sind sie?“ fragte Smith verdrießlich. „Die Ga- belschwänze oder die Riesenwürmer? Oder beide?“

„Weder die einen noch die anderen“, sagte Chouns.„Es waren die Pflanzen.“

„Die Pflanzen? Die Blumen?“„Gewiß. Wir sahen zwei verschiedene Tierarten die-

selbe Pflanzengattung pflegen. Da wir selbst Tiere

sind, vermuteten wir, daß die Tiere die Herren wären.Aber warum sollten wir das vermuten? Die Pflanzenwaren es, für die gesorgt wurde.“

„Auch wir bauen auf der Erde Pflanzen an, Herman.“„Aber wir essen diese Pflanzen“, erwiderte Chouns.„Und vielleicht essen diese Lebewesen ihre Pflanzen

ebenfalls.“„Ich weiß, daß sie es nicht tun“, sagte Chouns. „Die

Pflanzen manipulierten uns, und sie machten ihre Sa-che gut. Erinnerst du dich, wie sorgfältig ich darauf be-dacht war, eine freie Fläche als Landeplatz zu finden?“

„Ich verspürte keinen solchen Drang.“„Du warst auch nicht an der Steuerung; deinetwegen

waren sie nicht besorgt. Und denke daran, daß wir denBlütenstaub überhaupt nicht bemerkten, obwohl wirdamit bedeckt waren. Erst als wir auf dem innerenPlaneten gelandet waren und in der Nähe gleichartigerPflanzen standen, fiel es uns auf, und wir klopften denPollen aus unseren Kleidern. Auf Befehl.“

„Ich habe noch nie so etwas Unmögliches gehört.“„Warum sollte es unmöglich sein? Wir vermuten in

Pflanzen keine Intelligenz, weil Pflanzen keine Ner-vensysteme haben; aber diese könnten eines besitzen.Erinnerst du dich an die fleischigen Knospen an denStengeln? Außerdem können Pflanzen sich nicht frei

Page 151: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 151/167

151

bewegen. Aber das haben sie auch nicht nötig, wenn sietelepathische Fähigkeiten entwickeln und von frei be-weglichen Tieren Gebrauch machen können. Sie wer-den umsorgt, gedüngt, bewässert, bestäubt und so fort.Die Tiere pflegen sie mit aufrichtiger Ergebenheit undsind glücklich dabei, weil die Pflanzen ihnen dieses Ge-fühl eingeben.“

„Du tust mir leid“, meinte Smith. „Wenn du nachHause kommst und diese Geschichte erzählst, möchteich nicht in deiner Haut stecken.“

„Ich mache mir keine Illusionen“, murmelte Chouns.„Aber was bleibt uns anderes übrig, als die Erde zuwarnen? Du siehst, was sie mit den Tieren tun.“

„Nach deiner Version machen sie Sklaven aus ihnen.“„Schlimmeres. Die Schwanzleute oder die Würmer

oder alle beide müssen einmal hinlänglich zivilisiertgewesen sein, um die Raumfahrt zu entwickeln; an-dernfalls könnten die Pflanzen nicht auf beiden Weltenvorkommen. Aber sobald die Pflanzen telepathischeKräfte entwickelten, vielleicht durch eine Mutation,nahm diese Art von Zivilisation ein Ende. Tiere im Sta-dium der naturbeherrschenden technischen Zivilisa-tion sind gefährlich; sie neigen zu rücksichtslosem

Umgang mit der Pflanzenwelt. Also wurden sie dazu ge- bracht, ihre ganze Zivilisation zu vergessen und zuwerden, was sie jetzt sind. Ich sage dir, Allen, diesePflanzen sind verdammt gefährlich! Die Heimat mußinformiert werden, denn eines Tages könnten andereMenschen in diesen Sternhaufen eindringen.“

Smith lachte. „Weißt du, ich glaube, du liegst da völligschief. Wenn diese Pflanzen uns wirklich unter Kon-trolle gehabt hätten, warum sollten sie uns dann fort-gelassen haben, um die nach uns Kommenden zu war-nen?“

„Das weiß ich auch nicht.“

Page 152: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 152/167

152

Smiths gute Laune war wiederhergestellt. „EinenAugenblick lang war ich nahe daran, dir zu glauben“,sagte er.

Chouns rieb sich angestrengt das Kinn. Warum hat-ten sie gehen dürfen? Und was das betraf, warum ver-spürte er diesen schrecklichen Drang, die Erde vor einerSache zu warnen, mit der die Menschheit wahrschein-lich für Jahrtausende nicht in Berührung kommenwürde? Er grübelte, bis er die Antwort in Reichweitefühlte, doch als er zugreifen wollte, entzog sie sich ihm.

Es war beinahe so, als ob der Gedanke fortgestoßen wor-den wäre; aber dann verging auch dieses Gefühl.Er wußte nur, daß sie sich beeilen mußten.

Auf diese Weise waren nach ungezählten Jahren wie-der die geeigneten Bedingungen zustande gekommen.Die Protosporen von zwei planetarischen Unterartender Hauptgattung kamen zusammen und vermischtensich in den Kleidern, im Haar und im Schiff der neuenTiere. Beinahe sofort bildeten sich die Hybridensporen,die allein das Potential und die Fähigkeiten besaßen,sich den Bedingungen eines neuen Planeten anzupas-sen.

Jetzt warteten die Sporen still im Schiff, währendder letzte, den Geschöpfen an Bord von der Mutter- pflanze mitgeteilte Impuls sie mit größter Beschleuni-gung einer neuen, reifen Welt näher brachte, wo frei- bewegliche Lebewesen sich ihrer Bedürfnisse anneh-men würden.

Mit der Geduld von Pflanzen (der alles bezwingen-den Geduld, die kein Tier jemals zu erfassen vermag)erwarteten die Sporen ihre Ankunft auf einer neuenWelt - jede, in ihrer winzigen Art und Weise, ein Ent-decker ...

Page 153: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 153/167

153

Die in diesem Band gesammelten Kurzgeschichten sindnoch nicht oft in Anthologien erschienen. Das ist derGrund, weshalb ich sie ausgewählt habe. EACH ANEXPLORER ist jedoch schon zweimal in Anthologienherausgekommen, einmal 1957 und einmal 1973.

Aber das ist noch immer nicht viel. Manche meinerErzählungen erscheinen viele Male. Eine kleine Ge-schichte mit dem Titel THE FUN THEY HAD ist seitder Erstveröffentlichung im Jahre 1951 bis heute min-destens zweiundvierzigmal erschienen und wird in ab-

sehbarer Zeit noch achtmal herauskommen. Mögli-cherweise ist sie auch noch anderswo erschienen, aberich habe nur zweiundvierzig Belege in meiner Biblio-thek.

Herausgeber versuchen, sich immer wieder einen Drehauszudenken. Manchmal bin ich dabei das Opfer.

Am 14. November 1956 war ich im Büro der „InfinityScience Fiction“ und sprach mit dem Herausgeber Lar-ry Shaw. Wir kamen gut miteinander aus, er und ich(das soll nicht wie eine Ausnahme klingen. Ich kommemit nahezu jedem gut zurecht), und ich besuchte ihnhäufig, wenn ich nach New York kam.

An diesem Tag hatte er eine Idee. Er wollte mir denTitel für eine Geschichte geben - den am wenigsten in-spirierenden Titel, den er sich ausdenken konnte -, undich sollte auf der Stelle eine Kurzgeschichte zu diesemTitel schreiben. Dann würde er denselben Titel zweianderen Schriftstellern geben, und sie würden das glei-che tun.

Ich fragte vorsichtig, was für ein Titel das sei, und ersagte: „Nichts.“

„Nichts?“ sagte ich.„Nichts“, bestätigte er.Also dachte ich ein wenig nach und schrieb die fol-

Page 154: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 154/167

154

gende Kurzgeschichte unter dem Titel BLANK! (miteinem Ausrufungszeichen).

Randall Garrett schrieb eine Geschichte mit dem Ti-tel BLANK?, und Harlan Ellison schrieb eine mit demTitel BLANK ohne jede Interpunktion.

Nichts!

„Vermutlich“, sagte August Pointdexter, „gibt es so et-was wie frevelhaften Übermut. Die Griechen nannten

es Hybris und betrachteten es als eine Herausforde-rung der Götter, die immer von Strafe und Vergeltunggefolgt wurde.“ Er rieb sich die blaßblauen Augen undseufzte.

„Sehr hübsch“, erwiderte Dr. Edward Barron unge-duldig. „Hat das irgendeinen Zusammenhang mit dem,was ich sagte?“ Er hatte eine hohe Stirn mit horizonta-len Falten, die sich scharf einschnitten, wenn er gering-schätzig die Brauen hob.

„Jeden Zusammenhang“, sagte Pointdexter. „DieKonstruktion einer Zeitmaschine ist in sich selbst eineHerausforderung des Schicksals. Mit Ihrem plattenOptimismus machen Sie es nur schlimmer. Wie können

Sie so gewiß sein, daß Ihre Zeitmaschine sich ohne dieMöglichkeit eines Paradoxons durch die Zeit arbeitenwird?“

„Ich wußte nicht, daß Sie abergläubisch sind“, sagteBarron. „Eine Zeitmaschine ist eine Maschine wie jedeandere, nicht mehr und nicht weniger frevelhaft; dasist die einfache Tatsache. Mathematisch ist sie einemAufzug analog, der in seinem Schacht auf und niederfährt. Welche Vergeltungsgefahr sollte darin liegen?“

„Ein Aufzug schließt keine Paradoxa mit ein. Sie

Page 155: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 155/167

155

können nicht vom fünften Stock in den vierten fahrenund ihren Großvater als Kind umbringen.“

Dr. Barron schüttelte in gequälter Ungeduld denKopf. „Darauf habe ich gewartet. Genau darauf. War-um konnten Sie nicht sagen, daß ich mir selbst begeg-nen oder den Gang der Geschichte ändern würde, in-dem ich etwa McClellan erzählte, daß Stonewall Jack-son einen Flankierungsmarsch auf Washington durch-führen werde oder sonst etwas täte? Ich frage Sie un-umwunden: Wollen Sie mit mir in die Maschine kom-

men?“Pointdexter zögerte. „Ich ... lieber nicht.“„Warum machen Sie es mir so schwer? Ich habe be-

reits erklärt, daß die Zeit unverändert ist. Wenn ich indie Vergangenheit gehe, wird es so sein, weil ich bereitsdort gewesen bin. Alles, was ich zu tun beschlossen ha- be und tun werde, das werde ich bereits in der Vergan-genheit getan haben, darum werde ich nichts ändern,und keine Paradoxa werden entstehen. Wenn ich be-schlösse, meinen Großvater als Säugling umzubringenund es wirklich täte, würde ich nicht hier sein. Aber ich bin hier. Daher tötete ich meinen Großvater nicht.Gleichgültig, wie angestrengt ich versuchen und pla-

nen würde, ihn zu töten, die Tatsache bleibt bestehen,daß ich ihn nicht tötete, also werde ich es auch nichttun. Nichts könnte das ändern. Verstehen Sie, was ichdamit sagen will?“

„Ich verstehe Sie gut, aber haben Sie auch recht?“„Natürlich habe ich recht. Ein Jammer, daß Sie keinMathematiker geworden sind, sondern ein Maschinistmit Collegeausbildung.“ In seiner Ungeduld konnteBarron seine Geringschätzung dem anderen gegen-über kaum verbergen. „Sehen Sie, diese Maschine istnur möglich, weil es mathematisch berechenbare Be-ziehungen zwischen Raum und Zeit gibt. Sie verstehen

Page 156: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 156/167

156

das, nicht wahr, selbst wenn Ihnen die mathematischenEinzelheiten fremd sind? Die Maschine existiert, alsohaben die mathematischen Beziehungen, die ich ausar- beitete, eine Entsprechung in der Realität. Sie habengesehen, wie ich Kaninchen eine Woche in die Zukunftschickte. Sie sahen die Tiere aus dem Nichts erschei-nen. Schließlich sahen Sie mich ein Kaninchen eineWoche in die Vergangenheit schicken, und zwar eineWoche, nachdem es erschien. Und keinem der Tierewurde dabei ein Haar gekrümmt.“

„Das ist richtig, ich gebe es zu.“„Dann werden Sie mir auch glauben, wenn ich Ihnensage, daß die Gleichungen, auf denen diese Maschine beruht, davon ausgehen, daß Zeit aus in einer unverän-derlichen Ordnung existierenden Partikeln besteht, al-so eine Konstante ist. Wenn die Ordnung der Partikelin irgendeiner Weise verändert werden könnte, wür-den die Gleichungen ungültig sein, und diese Maschinewürde nicht arbeiten; diese Methode des Zeitreisenswürde unmöglich sein.“

Pointdexter schaute nachdenklich drein. „Ichwünschte, ich verstünde etwas von Mathematik.“

Barron sagte: „Betrachten Sie nur die Tatsachen. Sie

versuchten, das Kaninchen zwei Wochen in die Ver-gangenheit zu schicken, als es nur eine Woche in dieVergangenheit gekommen war. Das hätte ein Parado-xon geschaffen, nicht wahr? Aber was geschah? DerIndikator blieb bei einer Woche stehen und wollte nichtweichen. Sie konnten kein Paradoxon schaffen. WollenSie jetzt mitkommen?“

Pointdexter wich zurück. „Nein.“„Ich würde Sie nicht um Ihre Hilfe bitten, wenn ich

diese Arbeit allein verrichten könnte“, sagte Barron,„aber Sie wissen selbst, daß zwei Personen erforderlichsind, um die Maschine für Intervalle von mehr als ei-

Page 157: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 157/167

157

nem Monat zu bedienen. Ich brauche jemanden, der die Normaleinstellungen überwacht, damit wir präzisezum vorbestimmten Zeitpunkt zurückkehren können.Und Sie sind derjenige, zu dem ich am meisten Ver-trauen habe. Wir werden uns in den Ruhm teilen,Pointdexter. Wollen Sie das ganze Projekt durch wei-tere Zeitverluste in Gefahr bringen, indem Sie michzwingen, eine dritte Person zu finden und einzuwei-sen? Dafür ist noch Zeit, nachdem wir uns als die erstenZeitreisenden in der Geschichte etabliert haben. Gro-

ßer Gott, wollen Sie nicht sehen, wo wir heute in hun-dert Jahren sein werden, oder in tausend? Wollen Sienicht Napoleon sehen, oder Jesus, was das angeht? Wirwerden wie ...“ Barron ließ sich von seiner Begeiste-rung mitreißen und breitete die Arme aus, als wolle er jemand segnen „ ... wie Götter sein!“

„Genau“, murmelte Pointdexter. „Hybris. Das Zeit-reisen ist nicht gottähnlich genug, als daß ich riskierenmöchte, außerhalb meiner eigenen Zeit zu stranden.“

„Hybris! Stranden! Sie machen sich selbst Angst.Zeitreisen ist sicherer als Aufzugfahren, weil ein Auf-zugkabel brechen kann, während es in der Zeitmaschi-ne keine Schwerkraft geben wird, die uns abstürzen

läßt. Es kann überhaupt nichts Schlimmes geschehen,dafür garantiere ich.“ Barron stieß sich den Mittelfin-ger der Rechten gegen die Brust.

„Hybris“, murmelte Pointdexter und fiel gleichwohlin den Abgrund der Zustimmung, endlich überwältigt.

Gemeinsam bestiegen sie die Maschine.Pointdexter verstand die Bedienungsinstrumente

nicht in dem Sinne, wie Barron es tat, denn er war keinMathematiker, aber er wußte, wie sie gehandhabt wer-den mußten.

Barron war an der Propulsionsanlage, mit deren An-trieb die Maschine die Zeitachse entlang bewegt wer-

Page 158: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 158/167

158

den sollte, Pointdexter an den Regulatoren, die Ziel- punkt und Ausgangspunkt fixierten, so daß die Ma-schine jederzeit zurückkehren konnte.

Pointdexters Zähne klapperten, als die erste Bewe-gung in seinem Magen fühlbar wurde. Es war wie dasAnfahren eines Aufzugs, aber nicht ganz; es war subti-ler und zugleich sehr real. Er sagte: „Was, wenn...“

„Bitte!“ sagte Barron gereizt. „Es kann nichts schief-gehen.“

Und auf einmal gab es einen Stoß, und Pointdexter

fiel schwer gegen die Wand.„Was zum Teufel?“ sagte Barron.„Was ist passiert?“ fragte Pointdexter atemlos.„Ich weiß nicht, aber es spielt keine Rolle. Wir sind

nur zweiundzwanzig Stunden in der Zukunft. Gehenwir hinaus und sehen wir nach.“

Die Tür glitt schnurrend zur Seite, und Pointdexterstieß den Atem mit einem keuchenden Laut aus. „Da -da ist nichts.“

Nichts. Keine Materie. Kein Licht. Nichts!Pointdexter schrie auf. „Die Erde hat sich bewegt!“

stammelte er entsetzt. „Wir vergaßen es. In zweiund-zwanzig Stunden hat sie auf ihrer Bahn um die Sonne

Tausende von Kilometern zurückgelegt.“„Nein“, sagte Barron mit unsicherer Stimme, „das ha- be ich nicht vergessen. Die Maschine ist so eingestellt,daß sie der Zeitbahn der Erde folgt, wo immer die hin-führt. Außerdem, selbst wenn sich die Erde fortbewegthaben sollte, wo ist die Sonne? Wo sind die Sterne?“

Er kehrte zu den Bedienungsgeräten zurück. Nichtsrührte sich. Nichts funktionierte. Die Tür ließ sichnicht mehr schließen. Nichts!

Pointdexter bemerkte, daß es schwierig wurde, zuatmen und sich zu bewegen. Mit Mühe sagte er: „Wasist denn passiert?“

Page 159: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 159/167

159

Barron bewegte sich langsam zur Mitte der Maschi-ne. Mit einem Gesichtsausdruck, als bereite ihm dasSprechen Schmerzen, sagte er: „Die Zeitpartikel. Ichvermute, daß wir ... zwischen zwei Partikeln ... stek-kengeblieben sind.“

Pointdexter versuchte, die Hand zur Faust zu ballen,aber es war nicht möglich. „Verstehe nicht.“

„Wie ein Aufzug. Wie ein Aufzug.“ Barron konnte dieWorte nicht mehr aussprechen, nur noch die Lippenbe-wegungen machen. „Wie ein Aufzug, der... zwischen

den Stockwerken ... steckengeblieben ist.“Pointdexter war nicht einmal mehr in der Lage, dieLippen zu bewegen. Er dachte: In der Nichtzeit kannnichts geschehen. Alle Bewegung steht still, alles Be-wußtsein, alles. Sie selbst standen noch unter dem Ein-fluß des Trägheitsgesetzes, das sie eine Minute oder sodurch die Zeit weitertrug, ungefähr wie die Vorwärts- bewegung eines Körpers in einem Fahrzeug, wenn plötzlich abgebremst wird, aber der Effekt ließ raschnach.

Das Licht innerhalb der Maschine wurde trüb underlosch. Empfindungen und Bewußtsein erstarrten zu Nichts.

Ein letzter Gedanke, ein letzter, schwächlicher Gei-stesseufzer: Hybris, Vergeltung!Dann hörte auch das Denken auf.Stasis! Nichts! Wo selbst die Ewigkeit bedeutungslos

war, gab es in alle Ewigkeit nur - Nichts!

Alle drei Nichts-Erzählungen erschienen in der Juni-ausgabe 1957 von „Infinity“, und der Sinn der Sachewar vermutlich, daß die Leser vergleichen und sehensollten, was drei verschiedene Phantasien aus einemunscheinbaren und inhaltsleeren Stichwort machenwürden.

Page 160: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 160/167

160

Vielleicht wünschen Sie, geneigter Leser, Sie könn-ten alle drei Erzählungen hier finden, um selbst denVergleich anzustellen. Nun, das ist nicht möglich.

Erstens müßte ich von Randall und von Harlan dieErlaubnis einholen, und das mag ich nicht auf michnehmen. Zweitens unterschätzen Sie meine egozentri-sche Natur. Ich will ihre Erzählungen nicht in einemBand mit meinen eigenen haben!

Ferner habe ich die Gewohnheit, Zeitschriften, in de-nen Geschichten von mir erschienen sind, auseinan-

derzunehmen. Es gibt zu viele Zeitschriften und nichtgenug Raum. Ich nehme meine Geschichte heraus undhefte sie für künftigen Gebrauch in Ordner ab. Inzwi-schen fehlt mir der Platz für die Ordner.

Wie auch immer, als es zum Ausschlachten der Juni-ausgabe 1957 von „Infinity“ kam, nahm ich nurBLANK! heraus und warf BLANK? und BLANK fort.

Oder vielleicht unterschätzen Sie meine egozentri-sche Natur nicht und erwarten ganz selbstverständlichvon mir, daß ich mich so verhalte.

ENDE

Page 161: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 161/167

Als UTOPIA-CLASSICS-Taschenbuch Band 56erscheint:

William Voltz

Robot-Legende

Roboter im All -sie sollen die Menschheit retten

Die Menschheit stirbt

Die bemannte Raumfahrt fordert Opfer über Opfer, undes scheint ein unabänderliches Gesetz zu sein, daßMenschen den längeren Aufenthalt im Weltraum nichtertragen können.

Oliver Lintock, der Raumschiffskonstrukteur, ist jedochnicht gewillt, sich mit dieser Tatsache abzufinden und zu

resignieren. Er versucht, den Traum vom Sternenflug

mit allen Mitteln zu verwirklichen, und die Mutanten hel-fen ihm dabei. Sie, die sich als nächste Entwicklungsstu-

fe der Menschheit verstehen, wissen um die psionische

Schockwelle, die in Kürze die Erde erreichen und dieExistenz des Homo sapiens auslöschen wird. Deshalb unterstützen sie Lintocks Plan, damit wenig-stens eine Gruppe von Menschen dem drohenden Un-tergang entrinnen kann.

UTOPIA-CLASSICS-Taschenbücher erscheinen mo-natlich und sind überall im Zeitschriften- und Bahn-hofsbuchhandel erhältlich.

Page 162: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 162/167

Page 163: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 163/167

Page 164: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 164/167

Page 165: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 165/167

Science Fictionim Pabel-Moewig-Verlag

Unser Programm im Juli 1983

Nr. 8 „Die galaktische Föderation“ Nr. 55 Isaac Asimov:„Das Ende der Dinosaurier“ Nr. 244 Arndt Ellmer: „Streiflichter der Ewigkeit“ Nr. 170 Clark Darlton:„Das Geheimnis von Wardall“ Nr. 59 H. G. Ewers:„Projekt Kosmopolit’ Nr. 3617 Jack Williamson: „Das Wing-4-Syndrom“ Nr. 3618 H. J. Alpers (Hrsg.): „Kopernikus 9“

Taschenbücher: CLARK DARLTONUTOPIA CLASSICSPERRY RHODAN IPERRY RHODAN IIPERRY RHODAN IIIMOEWIG-TB Hefte: PERRY RHODAN(1. Auflage)

PERRY RHODAN(2. Auflage)

PERRY RHODAN(3. Auflage) PERRY RHODAN(4. Auflage) PERRY RHODAN(5. Auflage)

ATLAN(1. Auflage) ATLAN(2. Auflage) MYTHOR

TERRA ASTRA

Nr. 1141 William Voltz:„Die Zeit bleibtSieger“ Nr. 1142 H. G. Ewers:„Sammelpunkt Vier-

Sonnen-Reich“ Nr. 1143 H. G. Francis:„Die Goon-Hölle“ Nr. 1144 H. G. Francis:„Operation

Hornissenschwarm“ Nr. 907 Marianne Sydow:„DasWettraumbaby“

Nr. 908 William Voltz: „Aura des Friedens“

Nr. 909 Hans Kneifel: „Die Falle der Kryn“

Nr. 910 Clark Darlton:„Planet derTelepathen“

Nr. 544 Hans Kneifel:„DleSpiherderOEVARI“

Nr. 545 William Voltz:„Der Maskentriger“

Nr. 546 H. G. Ewers:„Menschen unterCynos“

Nr. 547 Kurt Mahr:„Die Sonne warf keinen

Schatten“ Nr. 300 K. H. Scheer:„Alarm im SektorMorgenrot“

Nr. 301 William Voltz: „Die Plattform desSchreckens“ Nr. 302 Clark Darlton:„Gestatten, Gucky

und Sohn!« Nr. 303 H. G. Ewers: „Im Labyrinth desTodes“ Nr. 40 Clark Darlton:.Aktion gegen

Page 166: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 166/167

Page 167: Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

8/19/2019 Asimov Isaac Das Ende Der Dinosaurier Erzählungen

http://slidepdf.com/reader/full/asimov-isaac-das-ende-der-dinosaurier-erzaehlungen 167/167