Aspekte zur Politik für die kommende Legislaturperiode des Bundes

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ASPEKTE ZUR POLITIK FÜR DIE KOMMENDE LEGISLATURPERIODE DES BUNDES

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Zur anstehenden Bundestagswahl hat die BDA sozial- und wirtschaftspolitische Schwerpunkte für die nächste Legislaturperiode zusammengestellt. Deutschland ist im internationalen Vergleich in vielen Bereichen gut aufgestellt. Jedoch stehen zentrale Handlungsfelder für die nächsten vier Jahre bereits fest.

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Aspekte zur politik für die kommende legislAturperiode des Bundes

Aspekte zur politik für die kommende legislAturperiode des Bundes

Deutschland ist im internationalen Vergleich in

vielen Bereichen gut aufgestellt: Die wirtschaft-

liche Entwicklung ist – wenn auch auf niedrigem

Niveau – stabil und die Entwicklung des deut-

schen Arbeitsmarkts äußerst positiv. Noch nie

waren in Deutschland so viele Menschen in Ar-

beit wie heute. Die Zahl der sozialversicherungs-

pflichtigen Beschäftigungsverhältnisse liegt auf

historisch hohem Niveau; die Sockelarbeitslosig-

keit sinkt erstmals seit Jahrzehnten. Die Sozial-

versicherungen verzeichnen Rekordeinnahmen.

Grundlage dieser hart erarbeiteten Erfolge sind

erfolgreiche, wettbewerbsfähige Unternehmen

und engagierte, gut ausgebildete Mitarbeiterin-

nen und Mitarbeiter, eine verantwortungsvolle Ta-

rifpolitik von Arbeitgebern und Gewerkschaften

sowie richtige politische Weichenstellungen.

Vorwort

2 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Vorwort

zurückliegenden Jahre – insbesondere in der

Arbeitsmarkt-, Renten- und Steuerpolitik – dür-

fen nicht zurückgedreht oder verwässert wer-

den. Auch für die Sozialversicherungen muss

eine nachhaltige Finanzierung der entschei-

dende Kompass in Zeiten des demografischen

Wandels sein. Die Unternehmen dürfen nicht

durch höhere Abgaben belastet werden und die

rasant steigenden Stromkosten unsere interna-

tionale Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden.

Die wichtigsten Herausforderungen der wirt-

schafts- und sozialpolitischen Agenda ste-

hen somit für die nächsten vier Jahre in vielen

Politikfeldern bereits fest. Die Politik muss diese

Punkte entschlossen anpacken. Die Arbeitge-

ber werden sich konstruktiv beteiligen.

In Europa gilt Deutschland in vielen Politikfeldern

als Vorbild: Schuldenbremse, duale Ausbildung,

funktionierende Sozial- und Tarifpartnerschaft,

ein starker Mix von Mittelstand und Großunter-

nehmen, flexible Arbeitszeiten und eine Lebens-

arbeitszeitverlängerung sind hierfür Beispiele.

Deutschland hat in vielen Politikfeldern seine

Hausaufgaben gemacht. Alle Baustellen sind

jedoch noch nicht abgearbeitet. Es gibt keinen

grund, die Hände in den schoß zu legen.

Die staatsschuldenkrise in europa ist noch

nicht überwunden. Auch Deutschland muss

seinen Haushalt konsolidieren, konsequent

Schulden abbauen und die Wettbewerbsfä-

higkeit weiter verbessern. Zudem heißt es

kurs halten: Die erfolgreichen Reformen der

prof. dr. dieter HundtArbeitgeberpräsident

3BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Vorwort

Vor weLchen  Herausforderungen steht unser LAnd in den koMMENDEN JAHREN?

Sozialsysteme nachhaltig ausrichten

Die Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen liegen aktuell auf Rekord-niveau. daraus sind Forderungen nach teuren Leistungsausweitungen entstanden, von de-nen erste bereits umgesetzt wurden. Langfristig kann sich unser Land jedoch keine weite-ren Leistungsausweitungen erlauben, sondern muss sich auf die haushaltskonsolidierung fokussieren und höhere Abgaben vermeiden. Auch die Sozialsysteme müssen – beson-ders mit Blick auf die demografische entwicklung – nachhaltig finanziert werden, damit ihre Funktionsfähigkeit garantiert ist.

Tarifeinheit gewährleisten

Die Tarifautonomie ist ein klarer Standortvorteil Deutschlands! Denn nur die Tarifpartner haben die notwendige Sachkenntnis und Erfahrung, um branchen- und unternehmensspe-zifische Besonderheiten bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen. so wird gewährleistet, dass Unternehmen wirtschaftlich arbeiten können, und damit Beschäf-tigung gesichert. Deshalb muss die Tarifautonomie gestärkt werden – insbesondere durch eine gesetzliche Regelung zur Wiederherstellung der Tarifeinheit.

Europäische Integration zielgerichtet vorantreiben

die deutsche wirtschaft profitiert im besonderen Maße vom europäischen Binnenmarkt und der gemeinsamen Währung. Unser Wohlstand und unsere Arbeitsplätze sind eng damit verknüpft, dass Europa im globalen kontext handlungsfähig bleibt. Daher sollte Deutschland an einer konsequenten Weiterentwicklung der europäischen Integration ge-zielt mitarbeiten.

Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sichern

Die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft Deutschlands müssen gestärkt werden, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Steuer- und Beitragserhöhungen jeglicher Art sind dabei kontraproduktiv. Die Energiewende darf nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Unternehmen führen.

Staatshaushalte in Europa und Deutschland konsolidieren und Schulden abbauenDie nahezu hemmungslose Verschuldung einiger krisenstaaten in Europa hat den Blick dafür getrübt, dass sich auch Deutschland maßlos und weit jenseits der Stabilitätskriterien verschuldet hat. Wir dürfen nicht weiter über unsere Verhältnisse und damit auf kosten künftiger Generationen leben. Die Staatsverschuldung muss durch Ausgabenreduzierung konsequent zurückgeführt werden. das ist eine wesentliche Lehre aus der europäischen Staatsschuldenkrise.

ArBeitsmArkt & ArBeitsrecHt

Arbeit bedeutet gesellschaftliche und soziale Teilhabe, verringert das Armutsrisiko und

ermöglicht Selbstbestimmung. Nachdem die Sockelarbeitslosigkeit praktisch seit der Gründung

der Bundesrepublik Deutschland unentwegt gestiegen ist, sinkt sie dank der richtigen Reformen

am Arbeitsmarkt im Zuge der Agenda 2010 seit 2005 erstmals.

Vielen Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen ist der (Wieder-)Einstieg in Arbeit gelungen,

oft über einfache Tätigkeiten in flexiblen Beschäftigungsformen. Beschäftigungshemmnisse

abzubauen und mehr Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist eine Frage

der Teilhabegerechtigkeit. Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den gesellschaft-

lichen Wohlstand angesichts des demografischen Wandels langfristig zu sichern, müssen

Teilhabemöglichkeiten bestmöglich ausgeschöpft und Fachkräftepotenziale gehoben werden.

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6 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

Gerechtigkeit. Zudem ist gerade für Menschen mit Erzie-hungs- oder Pflegeverantwortung eine teilzeitbeschäfti-gung – die am weitesten verbreitete flexible Beschäfti-gungsform – oft die einzige Möglichkeit, um Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Ein ausgewogener Beschäftigungsmix ist von zentraler Bedeutung für einen gesunden, anpassungsfähigen Arbeitsmarkt.

Arbeit ist die Voraussetzung für Teilhabe am gesell-schaftlichen Leben, an wohlstand und sozialer siche-rung. Flexible Beschäftigungsformen wie Befristungen, Zeitarbeit und Minijobs senken die Einstellungshürden vor allem für diejenigen, die keine Ausbildung oder Be-rufserfahrung haben oder lange arbeitslos waren. Wer flexible Beschäftigungsformen eindämmt, trägt dazu bei, dass gerade Langzeitarbeitslose und Geringqua-lifizierte vom Arbeitsleben dauerhaft ausgeschlossen werden. Ihnen den Einstieg, aber auch den Aufstieg in Beschäftigung zu ermöglichen, ist ein Gebot sozialer

Beschäftigung auf Rekordstand

Entwicklung der Erwerbsbeschäftigung, in Mio.

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2012

2005 2009 2012

39,0 40,4 41,6

Mehr Teilhabe durch flexible Beschäftigungsformen ermöglichen

7BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

die Vereinbarung von Branchenzuschlägen für immer mehr Einsatzbranchen haben die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit erneut ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, branchengerechte und systemkonforme Lösungen für die spezifischen Anforderungen der Zeitarbeitsbranche zu finden.

Zeitarbeit bietet in besonderer weise die chance auf ein-stieg in Arbeit. Zwei Drittel der in Zeitarbeit Beschäftigten waren zuvor beschäftigungslos, 8,2 % sogar langzeitar-beitslos. Zeitarbeit verdrängt keine Stammbelegschaft. Die Zahlen belegen, dass in allen Betrieben, die Zeit-arbeit einsetzen, auch die Zahl der Stammbelegschaf-ten gestiegen ist. Damit hilft Zeitarbeit, Auftragsspitzen abzufangen, und bietet gleichzeitig Beschäftigten die chance, erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt zu sam-meln. Trotz des Branchenwachstums liegt die Anzahl der Zeitarbeitnehmer bei nur 2 % aller Erwerbstätigen. Durch

Zeitarbeit wirkt als Beschäftigungsmotor

Folgende Anteile der Zeitarbeitnehmer waren vorher …

… noch nie beschäftigt … arbeitslos … beschäftigt

35,8 % 54,9 %

9,3 %

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Stichtag 30. Juni 2012

Beschäftigung auch durch Zeitarbeit sichern

8 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

Bewertung: Zeitarbeit ist eine reguläre, vollwertige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, mit flächendecken-der Tarifbindung und einem bundesweit geltenden Mindestlohn. Zu Recht wurden daher überkommene Beschränkun-gen der Zeitarbeit unter einer SPD-geführten Bundesregierung aufgehoben.

„Equal Pay“ ab dem ersten Tag hätte negative Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung. Betriebe verlören ein wichtiges Flexibilisierungsinstrument, mit dem auch Stammarbeitsplätze gesichert werden.

Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen bliebe eine wichtige einstiegsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt verwehrt. Für bereits neun Einsatzbranchen wurden von den Tarifpartnern – Arbeitgebern und Gewerkschaften – in der Zeitarbeit sog. Branchenzuschlagstarifverträge abgeschlossen, die teilweise Zuschläge von bis zu 50 % vorsehen.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – ZEITARBEIT

SPD und Bündnis 90/Die Grünen sehen in der Zeitarbeit eine „prekäre“ Beschäftigungs-

form, die zurückgedrängt werden soll. Dafür soll der Einsatz von Zeitarbeit weiter reguliert

werden. Beide Parteien fordern u. a. ein „Equal Pay“ – eine gleiche Bezahlung von

Zeit- und Stamm arbeitnehmern.

9BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

Befristete Arbeitsverhältnisse sind gerade für Berufs-anfänger ein erfolgreiches Modell für den Einstieg in Arbeit. Befristungen sind kein Massenphänomen, der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse liegt seit Jahren konstant unter 9 %. Die Quote der Arbeitnehmer, die di-rekt aus einer befristeten Beschäftigung in ein unbefris-tetes Arbeitsverhältnis übernommen werden, hat sich in den letzten Jahren aber auf fast 60 % gesteigert.

Befristete Arbeitsverhältnisse erweisen sich somit als Beschäftigungsmotor. Das Beschäftigungspotenzial befristeter Arbeitsverhältnisse muss durch gesetz-liche Entbürokratisierung unterstützt werden. Dazu ist es notwendig, rechtsunsicherheit und überflüssi-ge – von den Richtlinien der Europäischen Union nicht

geforderte – Beschränkungen aufzuheben und gesetzli-che Entbürokratisierung zu unterstützen. So sollte eine sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitgeber erneut nach Ablauf eines Zeitraums von höchstens zwölf Monaten möglich sein.

Dem Arbeitnehmer sollte das Recht eingeräumt werden, auch mehrfach mit demselben Arbeitgeber befristete Ar-beitsverhältnisse ohne Sachgrund zu vereinbaren. Vor 2001 galt sogar ein Zeitraum von vier Monaten als aus-reichend, der Gerichtshof der Europäischen Union lässt sogar drei Monate genügen.

Zahl der Befristungen unverändert, aber steigende Übernahmequote

Quellen: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Statistisches Bundesamt, 2012

Anteil der Befristungen an den abhängig Beschäftigten Übernahmequote

2005

2007

2011

2009

8,3 %

8,8 %

8,6 %

8,9 %

39 %

48 %

45 %

56 %

Beschäftigungspotenzial befristeter Arbeitsver hältnisse erweitern

10 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

Bewertung: Beide Parteien verkennen die positive Beschäftigungswirkung von Befristungen. Befristete Ar-beitsverträge, insbesondere sachgrundlos befristete, sind ein Beschäftigungsmotor besonders für Erstein-steiger auf dem Arbeitsmarkt.

Fast 60 % aller befristeten Arbeitsverhältnisse münden unmittelbar in einen unbefristeten Arbeitsver-trag. Leidtragende einer solchen regulierung wären insbesondere die schwächsten am Arbeitsmarkt – Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose.

Werk- und Dienstverträge keinesfalls einschränken

Arbeitsteilung und Spezialisierung sind für die Wert-schöpfung in Unternehmen unverzichtbar. Das gilt für Handwerksarbeiten ebenso wie für das produktionsinte-grierte Arbeiten. Werk- und Dienstverträge unterstützen Arbeitsteilung und Spezialisierung. Sie sichern Arbeits-plätze bei den Werkunternehmen und in den Einsatzbe-trieben. werk- und dienstverträge sind keine spezifischen Beschäftigungsformen. Vielmehr gilt für Arbeitnehmer,

die im Rahmen von Werkverträgen beschäftigt werden, das gesamte Arbeits- und Tarifrecht wie für jeden ande-ren Arbeitnehmer auch. Werk- und Dienstverträge sind eine Vertragsform, die durch Arbeitsteilung und Speziali-sierung die Zusammenarbeit unterschiedlicher Unterneh-men ermöglicht und damit Wertschöpfung in Deutschland hält. Somit sind sie eine für den Arbeitsmarkt unverzicht-bare Beschäftigungsform.

Bewertung: Die vorgesehenen Regelungen zur angeblich besseren Abgrenzung von Zeitarbeit und Werkverträgen würden den Einsatz von Werkverträgen und Umstrukturierungen in Unternehmen erheblich erschweren, teils auch unmöglich machen.

Zudem soll die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Vergabe von Aufträgen und bei Umstrukturierungen im Un-ternehmen ausgeweitet werden. Der Betriebsrat würde faktisch ein Vetorecht über die Fremdvergabe von Aufträgen erhalten, ohne gleichzeitig in die unternehmerische Verantwortung zu geraten.

Eine solche Stellung als ko-Unternehmer ohne entsprechende Haftung und Verantwortung ist mit der verfassungs-rechtlich garantierten Unternehmerfreiheit nicht zu vereinbaren.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – WERkvERTRäGE

SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen den Einsatz von Werkverträgen regulieren

und die Mitbestimmung des Betriebsrats wesentlich ausweiten.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – BEFRISTunGEn

SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen befristete Arbeitsverhältnisse mit Sachgrund

beschränken und sachgrundlose Befristung ganz abschaffen.

11BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

kündigungsschutz durch Abfindungsoption ergänzen

Das geltende kündigungsschutzrecht ist unübersichtlich und unklar. kündigungsschutzprozesse bedeuten lange Rechtsunsicherheit für beide Parteien. kalkulierbarkeit und Vorhersehbarkeit könnten durch eine Abfindungsop-tion geschaffen werden. Mit der Abfindungsoption würde Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Möglichkeit einge-räumt, vertraglich für den Fall der Beendigung des Ar-beitsverhältnisses gegen die Zusage einer Abfindung auf die Erhebung der kündigungsschutzklage zu verzichten. die Abfindungsoption ändert für bestehende Arbeitsver-träge nichts am geltenden kündigungsschutz, sondern ergänzt diesen. Schon jetzt ist es möglich, bei einer be-triebsbedingten Kündigung ein Abfindungsangebot des Arbeitgebers anzunehmen und einen Prozess zu vermei-den. Diese Möglichkeit muss ausgebaut und für Arbeits-verträge generell nutzbar werden.

Mitbestimmungsverfahren weiterentwickeln

Die Mitbestimmung hat sich in vielfältiger Weise bewährt. Die Verfahren der betrieblichen Mitbestimmung sind aller-dings den Anforderungen einer globalen, im zunehmenden

Wettbewerb stehenden Wirtschaft teilweise nicht ange-messen. Sie müssen durch die Einführung von Verfah-rensfristen beschleunigt werden. Die Unternehmensmit-bestimmung sollte – entsprechend dem europäischen Gesellschaftsrecht – für Vereinbarungslösungen geöffnet werden. Mitwirkung und Mitbestimmung sind wesentliche Elemente der Wirtschaftsordnung, dürfen aber die Unter-nehmerentscheidung nicht in Frage stellen.

Fachkräftemangel effektiv bekämpfen

um dem strukturellen, durch den demografischen wan-del wachsenden Fachkräftedefizit effektiv und nach-haltig zu begegnen, sind dringend weitere Schritte er-forderlich: Reformen im Bildungssystem, nachhaltige Aus- und Weiterbildungsaktivitäten und Maßnahmen zur noch stärkeren Erschließung inländischer Potenzi-ale, vor allem von Frauen, Älteren, Menschen mit Be-hinderung und Menschen mit Migrationshintergrund, sind notwendig. Auch über die richtigen Reformen im Zuwanderungsrecht hinaus sind zusätzliche Schritte er-forderlich, um Deutschland zu einem konkurrenzfähigen, attraktiven Ziel für internationale Fachkräfte zu machen. Neben der Entwicklung einer echten Willkommenskultur ist zu einer noch feineren Zuwanderungssteuerung eine Potenzialzuwanderung über transparente kriterien wie z. B. Qualifikation, Berufserfahrung, sprachkenntnisse („Punktesystem“) notwendig.

Bewertung: Die Mitbestimmung ist in Deutschland Teil unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Dazu stehen die Arbeitgeber. Einer Ausweitung der Mitbestimmung bedarf es jedoch nicht.

Beim Einsatz von Zeitarbeit hat der Betriebsrat bereits Mitwirkungsrechte nach dem Betriebsverfassungs-gesetz, rechtlicher Handlungsbedarf besteht nicht.

Demgegenüber ist die Vergabe von Werk- und Dienstaufträgen an Dritte nicht von Mitwirkungsrechten des Betriebsrats gedeckt. Eine Erstreckung hierauf würde im erheblichen Maße in die unternehmerischen Entschei-dungsfreiheiten eingreifen und wäre verfassungsmäßig bedenklich.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – MITBESTIMMunG

SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen die Mitbestimmungsrechte

des Betriebsrats ausweiten. Dies gilt insbesondere für den Einsatz

von Zeitarbeit und Werkverträgen.

12 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

Erwerbstätigkeit von Frauen umfassend ausbauen

Die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern gleicher-maßen zu fördern und den Frauenanteil in Führungs-positionen zu erhöhen, ist ein wichtiges Anliegen der deutschen Wirtschaft – auch vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels. Starre Zwangsquoten sind jedoch der falsche Weg. Die Förderung von Frauen sollte vor allem bei der Berufswahl und der Vermeidung längerer Erwerbsunterbrechungen ansetzen. Die Aus-gestaltung der familienpolitischen Instrumente und der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen wirkt sich entscheidend auf die Erwerbsintegration von Frauen aus und damit auf ihre Teilhabechancen im be-ruflichen Leben. sie sollten mit Blick auf diese integra-tionswirkung auf den Prüfstand gestellt werden: Es dür-fen keine Anreize für einen langfristigen Verbleib in nur geringfügiger Teilzeit oder gar zum Rückzug aus der Er-werbstätigkeit gesetzt werden. Andernfalls drohen Quali-fikationsverluste, Karriereeinbrüche und bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit Altersarmut.

vereinbarkeit von Familie und Beruf dringend erleichtern

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht zuletzt mit Blick auf die demografische entwicklung für die wirt-schaft von größter Bedeutung. Vereinbarkeit im Interes-se von Beschäftigten, Unternehmen und Gesellschaft gelingt aber nur, wenn alle Akteure zusammenwirken. die Arbeitgeber leisten ihren Beitrag z. B. mit flexiblen, familienbewussten Arbeitszeiten und Unterstützung beim beruflichen wiedereinstieg sowie bei der Kinderbetreu-ung. Eine qualitativ hochwertige und bedarfsdeckende kinderbetreuung sicherzustellen, ist allerdings vorrangig eine staatliche Aufgabe. Der Ausbau der kinderbetreu-ungsinfrastruktur muss höchste Priorität behalten. Eine wesentliche Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Fa-milie und Beruf ist aber auch ein modernisiertes Arbeits-zeitrecht. Mehr Arbeitszeitflexibilität wäre möglich, wenn das deutsche Arbeitszeitrecht in Übereinstimmung mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie künftig nicht mehr auf eine tägliche, sondern auf eine wöchentliche Höchst-arbeitszeit abstellt.

13BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Arbeitsmarkt & Arbeitsrecht

soziAle sicHerung

Die langfristige Finanzierbarkeit unserer sozialen Sicherungssysteme ist eine wichtige

Voraussetzung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Damit verbunden ist die Heraus-

forderung, dass aufgrund des demografischen Wandels immer weniger Arbeitnehmer die Finan-

zierungslast der Sozialversicherung zu tragen haben. Nur mit weiteren Strukturanpassungen

wird es daher gelingen, die Sozialabgaben dauerhaft auf unter 40 % zu begrenzen. Alles andere

wäre weder leistungs- noch generationengerecht.

Dazu sollten umlagefinanzierte Leistungen auf eine Basissicherung beschränkt, ihre Finanzie-

rung stärker vom Arbeitsverhältnis gelöst und durch individuelle Absicherungen ergänzt werden.

So können Solidarität und Subsidiarität wieder in ein angemessenes Verhältnis rücken. Zusätz-

liche Belastungen der Beitragszahler durch Leistungsausweitungen ohne solide Gegenfinanzie-

rung sind wachstums- und beschäftigungsfeindlich und damit unsozial.

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14 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – soziale sicherung

Gesetzliche Rentenversicherung weiter stabilisieren

Die Rentenreformen der vergangenen Jahre haben dazu beigetragen, die finanzielle tragfähigkeit der ge-setzlichen Rentenversicherung deutlich zu stärken. Jetzt kommt es darauf an, die Verlängerung der Le-bensarbeitszeit auf 67 Jahre konsequent umzusetzen und bereits beschlossene Maßnahmen nicht wieder in Frage zu stellen.

Angesichts des demografischen wandels und der zwin-genden Notwendigkeit, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, sind neue Leistungsversprechen in der gesetzlichen Alterssicherung nicht finanzierbar. im Ge-genteil: Durch weitere Strukturveränderungen muss der Beitragssatz auch dauerhaft unter 20 % gehalten werden.

Bewertung: Der kurswechsel der SPD in der Rentenpolitik käme die Beitrags- und Steuer-zahler teuer zu stehen. Die Rentenversicherung würde in den nächsten Jahren mit stark steigen-der tendenz finanziell belastet. Langfristig (2030) entstünden für die Beitrags- und Steuerzahler Mehrbelastungen von weit über 40 Mrd. €, und das zusätzlich zu den ohnehin aufgrund der de-mografischen entwicklung zu erwartenden Aus-gabensteigerungen in der Rentenversicherung.

Die vorgeschlagene „Solidarrente“ wäre teuer und würde auch vom Grundsatz abweichen, dass sich die Höhe der Renten nach den zuvor eingezahl-ten Beiträgen richtet. Nicht nur Geringverdiener würden begünstigt, sondern auch Personen, die deshalb wenig verdient haben, weil sie nur wenige Stunden pro Woche gearbeitet haben. Die kos-ten für eine derartige „Solidarrente“ würden nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums bei min-destens 10 Mrd. € pro Jahr liegen.

Außerdem fordert die SPD die Einführung einer steuer finanzierten

„Solidarrente“ in Höhe von „nicht unter 850 €“ im Monat für Versicherte

mit mindestens 30 Beitrags- und 40 Versicherungs jahren.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – REnTE

Die SPD plant rentenpolitische Änderungen, die eine nahezu vollständige Abkehr

von allen von ihr selbst mitbeschlossenen Rentenreformen bedeuten: Aussetzung

der „Rente mit 67“, Beibehaltung des Rentenniveaus und Möglichkeiten für eine

Frührente ohne Abschläge.

15BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – soziale sicherung

Bewertung: Die vorgeschlagene „Garantierente“ wäre nicht nur teuer und in der Sache auch grundlegend falsch. Auch sie wäre eine Ausnahme von der Regel, dass sich die Höhe der Renten nach den zuvor eingezahlten Beiträgen richtet. Eine solche Ausnahme wäre allenfalls dann vertretbar, wenn sie auf langjährig in Vollzeit tätige Beitragszahler beschränkt würde, die dennoch über kein ausreichendes Alterseinkommen verfügen. 30 Versicherungsjahre – dazu zählen auch Zeiten der Ausbildung und Arbeitslosigkeit – stellen hingegen keine besonders zu begünstigende Lebens-leistung dar.

Zudem würden nicht nur Geringverdiener begünstigt, sondern auch Personen, die deshalb wenig verdient haben, weil sie nur wenige Stunden pro Woche gearbeitet haben. Das kann nicht gewollt sein. Zudem fehlt es an einer konzent-ration dieser Leistung auf Personen, die über kein ausreichendes anderes einkommen verfügen. die Kosten für eine derartige „Garantierente“ würden nach einer ersten Einschätzung bei rd. 15 bis 20 Mrd. € liegen.

Immer weniger Erwerbsfähige müssen Rente schultern

verhältnis von Erwerbsfähigen und Rentenbeziehern

1950 1980 2010 2030*

6:1 4:1 3:1 2:1

* Prognose

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2013; eigene Darstellung

Erwerbsfähige (20 bis 64 Jahre) Rentner (ab 65 Jahre)

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – REnTE

Bündnis 90/Die Grünen fordern u. a. eine steuerfinanzierte

„Garantierente“ von mindestens 850 €. Allen Neurentnern mit

mindestens 30 Versicherungs jahren soll eine Rente oberhalb

der Grundsicherung garantiert werden.

16 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – soziale sicherung

Bewertung: das Vorhaben von cdu/csu einer „Lebensleistungsrente“ wäre teuer und in der sache falsch. es wäre eine Ausnahme von der Regel, dass sich die Höhe der Renten nach den zuvor eingezahlten Beiträgen richtet. Die Folge wäre, dass ein Versicherter mit höherer Beitragsleistung als ein anderer Versicherter trotzdem später eine geringere Rente erhalten könnte.

Eine rentenrechtliche Besserstellung von Müttern, die ihre kinder vor dem Jahr 1992 geboren haben, ist abzulehnen. Sie hätte langfristige jährliche Mehrausgaben von 7 bis 8 Mrd. € zur Folge. Die geplante Finanzierung aus der Renten-kasse widerspricht dem richtigen Grundsatz, dass versicherungsfremde Leistungen von den steuerzahlern und nicht von den Beitragszahlern und damit fast ausschließlich zulasten von Löhnen und Gehältern finanziert werden sollten.

Es wäre äußerst kurzsichtig, die Rentenausgaben durch eine deutliche Erhöhung der „Mütterrenten“ über viele Jahr-zehnte hinweg zu steigern, nur weil die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung augenblicklich gut gefüllt ist. denn allein aus der nachhaltigkeitsrücklage lassen sich die geplanten rentenerhöhungen nicht finanzieren.

Schon in den nächsten 15 Jahren würden die Pläne mehr als 100 Mrd. € Belastung für die Rentenkassen bedeu-ten. Das ist mehr als die bis dahin erreichte Entlastung durch die schrittweise Einführung der „Rente mit 67“. Das zeigt, wie schwer die finanzielle nachhaltigkeit der gesetzlichen rentenversicherung bei einführung der „Mütterrente“ geschädigt würde.

Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersvorsorge verbessern

der demografische wandel erfordert neben der Begren-zung des Ausgabenanstiegs in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung den Ausbau von ka-pitalgedeckter Altersvorsorge. Attraktive steuer- und beitragsrechtliche Bedingungen und ein strikter Ver-zicht auf überflüssige Bürokratie sind die wichtigsten Voraussetzungen, um die betriebliche Altersvorsorge zu fördern. Dann bestehen gute Aussichten, dass die

betriebliche Altersvorsorge auf freiwilliger Grundlage noch weitere Verbreitung über das heutige Niveau von rd. 60 % hinaus findet. Kontraproduktiv wäre hingegen ein gesetzliches obligatorium, das als Zwangslösung in den Betrieben Bürokratie, Regulierung und Personalzu-satzkosten steigern würde.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – REnTE

CDu und CSu wollen eine sog. Lebensleistungsrente einführen. Wer 40 Jahre versichert

ist und privat vorgesorgt hat, soll einen Zuschuss zur Rente auf 850 € erhalten.

CDu und CSu planen zudem ab 2014 für alle Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren

wurden, die Erziehungsleistung mit einem zusätzlichen Rentenpunkt in der Alterssicherung

zu berücksichtigen („Mütterrente“). Das entspricht bei zwei Kindern

durchschnittlich 650 € mehr Rente im Jahr.

17BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – soziale sicherung

Gesetzliche krankenversicherung effizienter ausrichten

Weitere Strukturreformen, die sowohl auf der Finanzie-rungs- als auch auf der Leistungsseite ansetzen, sind nach wie vor dringlich. Insbesondere muss die krank-heitskostenfinanzierung über den kassenindividuellen Zusatzbeitrag hinaus vom Arbeitsverhältnis entkoppelt werden. Zur effizienzsteigerung und Ausgabenbegren-zung muss der Wettbewerb vor allem durch mehr Ver-tragsfreiheit auf allen Ebenen intensiviert und die Eigen-verantwortung der Versicherten wieder deutlich gestärkt werden. Einheitsversicherungen sind teurer und führen zu geringerer Versorgungsqualität.

Soziale Pflegeversicherung demografiefest gestalten

damit die soziale Pflegeversicherung dem demografi-schen Wandel standhalten kann, sollte sie weiterhin dem Teilleistungsprinzip folgen. Eine Vollversicherung ist weder finanzierbar noch generationengerecht. in den kommen-den Jahrzehnten darf die Belastung der Arbeitskosten durch Pflegeversicherungsbeiträge nicht noch weiter stei-gen. Ein künftiges Ausgabenwachstum, das den Anstieg der Beitragsbemessungsgrundlage übersteigt, darf nicht mehr zulasten von Löhnen und Gehältern gehen, sondern muss über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge der Versicherten mit sozialausgleich finanziert werden.

Bewertung: Das Bürgerversicherungsmodell ist wachstums- und beschäftigungsfeindlich. Demogra-fiefeste und generationengerechte Lösungsansätze für die herausforderungen im Gesundheitswesen fehlen bei der Bürgerversicherung völlig. im Gegenteil: das demografieanfällige umlageverfahren wür-de weiter ausgebaut, weil künftig alle Bürger in die umlagefinanzierte Bürgerversicherung einzahlen müssten.

die Bürgerversicherung ist ausschließlich darauf fixiert, durch eine Ausweitung der Beitragsbemes-sungsgrundlage und der Beitragszahler zusätzliche Beitragseinnahmen zu generieren, und schafft da-bei sogar neue ungerechtigkeiten: das solidarprinzip würde überstrapaziert, wenn Beiträge und Leis-tungen noch weiter auseinanderfallen.

Die mit einer Bürgerversicherung verbundene faktische Abschaffung der Privaten krankenversicherung (PkV) wäre ein schwerer Fehler. Denn im Gegensatz zur gesetzlichen krankenversicherung ist die PkV aufgrund der gebildeten Alterungsrückstellungen von 146 Mrd. € auf die demografische entwicklung gut vorbereitet. Dieser Betrag entspricht mehr als dem Sechsfachen der jährlich ausgezahlten Versi-cherungsleistungen. Auf solche kapitalgedeckte Vorsorge künftig zu verzichten, wäre angesichts der unausweichlichen demografischen Veränderungen fahrlässig.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – kRAnkEnvERSIChERunG

SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern die

Einführung einer Bürgerversicherung.

18 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – soziale sicherung

Leistungen der unfallversicherung anpassen

Die seit langem angekündigte, aber nie umgesetzte Re-form des Leistungsrechts muss endlich angegangen wer-den. Bislang hat es bei Strukturanpassungen in der Unfall-versicherung einseitig Leistungsausweitungen gegeben. Ausgabensenkende Anpassungen sind dagegen weitge-hend unterblieben. nur durch eine Leistungsrechtsreform kann die – angesichts der deutlich rückläufigen Zahl der Arbeitsunfälle mehr als überfällige – Beitragsentlastung der Unternehmen erreicht werden.

versorgung psychisch Erkrankter schnell verbessern

die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ihrer Be-schäftigten ist ein wichtiges Anliegen der Unternehmen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die psychische Gesund-heit der Arbeitnehmer. hier ist der einflussbereich der Ar-beitgeber jedoch begrenzt, weil die Ursachen psychischer erkrankungen meist außerhalb des beruflichen umfelds liegen. Insbesondere durch eine Verkürzung der viel zu langen Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Be-handlung muss die ambulante Erstversorgung psychisch Erkrankter deutlich verbessert werden.

19BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – soziale sicherung

wAcHstum, steuern & stAAtsfinAnzen

Es ist eine Frage der Leistungs- und Generationengerechtigkeit, die Bürger nicht

unverhältnismäßig stark mit Abgaben und Steuern zu belasten und Schulden zu vermeiden. Die

Staatsschuldenquote in Deutschland beträgt mehr als 80 %. Da die Staatsschulden von heute

die investitions- und beschäftigungsfeindlichen Steuern von morgen sind, ist eine konsequent auf

ausgabenseitige Haushaltskonsolidierung und mehr Wachstumsdynamik setzende Steuer- und

Wirtschaftspolitik unverändert erforderlich.

Diese auf Nachhaltigkeit beruhende Doppelstrategie ist zugleich ein zentraler Eckpfeiler, um

nachfolgenden Generationen die Sicherung ihres Wohlstands zu ermöglichen und zugleich der

öffentlichen Hand wieder neue fiskalische Handlungsspielräume zur Erfüllung ihrer originären

staatlichen Aufgaben zu verschaffen.

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20 Bda | aspekte zur Politik für die kommende Legislaturperiode des Bundes – Wachstum, steuern & staatsfinanzen

umso wichtiger ist, dass in der kommenden Legisla-turperiode die Rückführung der Staatsschuldenquote prioritär angegangen wird. Dafür sollten einerseits die Wachstumskräfte nachhaltig gestärkt werden, insbeson-dere die für Beschäftigung sorgende private Investitions-tätigkeit. Andererseits ist eine auf Ausgabenkürzungen statt Einnahmenerhöhungen gerichtete konsolidie-rungspolitik fortzuführen.

Mittelstand stärken statt mit zusätzlichen Steuern belasten

Der Mittelstand ist das Herz unserer Wirtschaft. Rund 60 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze sind in kleinen und mittelständischen unternehmen zu finden.

haushaltskonsolidierung konsequenter fortsetzen – Schuldenstand senken

solide staatsfinanzen sind eine Grundvoraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Deutschland hat mit der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse eine zentrale Voraussetzung geschaffen, um die öffent-liche kreditaufnahme zurückzuführen. Daran muss zu-künftig konsequent festgehalten werden. Zugleich steht Deutschland vor der zentralen Herausforderung, seinen mit über 80 % immer noch um ein Drittel über der im Maastrichter Vertrag festgelegten Staatsschuldenober-grenze von 60 % liegenden Schuldenstand abzubau-en. Hohe Staatsschulden führen zu hohen Zins- und Tilgungslasten in der Zukunft und schränken damit die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik für nachfolgende Generationen ein.

Steuereinnahmen auf Rekordniveau

Steueraufkommen im Zeitverlauf

* Prognose

Quelle: Bundesfinanzministerium, 2013

2008 2012 2017*

21Bda | aspekte zur Politik für die kommende Legislaturperiode des Bundes – Wachstum, steuern & staatsfinanzen

Bewertung: Steuererhöhungen würden die Investitionsspielräume der Unternehmen extrem einschränken. Eine Vermögensteuer hätte zur Folge, dass Betriebe selbst dann Steuern zah-len müssten, wenn sie kaum Gewinne machen oder gar Verluste einfahren. Die Unterneh-men müssten die Vermögensteuer nach gegenwärtigen Plänen aus ihrer Substanz bezah-len – zulasten ihrer Eigenkapitalbasis. Aber auch bei einer begrenzten, gewinnabhängigen Steuer in Höhe von 30 % können sich zusammen mit der Einkommensteuer und dem Soli-daritätszuschlag Belastungen in Höhe von rd. 80 % bezogen auf den Gewinn ergeben. Was dem Mittelstand vom Gewinn genommen wird, fehlt aber bei den Investitionen und gefährdet damit Wachstum und Beschäftigung.

Andere Staaten haben dies längst erkannt, so dass eine Vermögensteuer in der EU eine absolute Ausnahme ist. Die Einführung einer Vermögensteuer ist reine Neid- und Symbol-politik. Überdies stünden die möglichen Mehreinnahmen in keinem Verhältnis zu den kosten der Erhebung, die jedoch weit über dem Durchschnitt aus anderen Steuerarten liegen.

Deutschland hat kein Einnahmenproblem. Im Gegenteil: Mit Steuereinnahmen von rd. 600 Mrd. € wurde 2012 eine neue Rekordhöhe erreicht, nach amtlichen Steuerschät-zungen ist die Tendenz für die nächsten Jahre steigend. Die Anhebung des Spitzensteuer-satzes würde aber die selbstfinanzierungskraft gerade von mittelständischen unternehmen empfindlich treffen und die Bildung von eigenkapital stark beschränken. dadurch wären in-vestitionen und mittelfristig auch Arbeitsplätze gefährdet. Zudem würde die Steuererhöhung schon Einkommen von rd. 50.000 € zusätzlich belasten und somit auch Facharbeiter treffen.

CDu/CSu und FDP schließen Erhöhungen der

Einkommensteuer und eine Einführung der

Vermögen steuer aus.

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – STEuERn

SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen den Spitzensteuersatz

in der Einkommensteuer auf 49 % anheben und die Vermögen steuer

wieder einführen – Bündnis 90/Die Grünen planen sogar

eine Vermögensabgabe.

22 Bda | aspekte zur Politik für die kommende Legislaturperiode des Bundes – Wachstum, steuern & staatsfinanzen

Investitionsbremsen wirkungsvoll lösen

Deutschland leidet an einer massiven Investitionsschwä-che, besonders im öffentlichen Bereich. Investitionen in die Zukunft und auch in die öffentliche Infrastruktur sind aber unerlässlich, um den Wohlstand dauerhaft zu si-chern. Dafür müssen bürokratische und steuerliche In-vestitionshemmnisse, wie z. B. die langen Verfahren zur Planung und Genehmigung von Infrastrukturprojekten so-wie die investitionsfeindlichen gewerbesteuerlichen Hin-zurechnungen in der Gewerbesteuer, dringend abgebaut werden. Auch der sich weiter verschärfende Fachkräfte-mangel muss effektiv bekämpft werden.

keil zwischen Brutto und netto endlich verringern

Die auf dem Faktor Arbeit lastenden Abgaben sind in deutschland im oecd-Vergleich besonders hoch. Ge-rade bei niedrigen Einkommen machen dabei die Sozi-albeiträge den größten Teil der Abgabenlast aus. Um den Abgabenkeil zwischen Bruttoarbeitskosten und Net-toverdiensten zu verringern, bedarf es daher vor allem Strukturreformen in der Sozialversicherung. Zudem ist der deutsche Einkommensteuertarif infolge der sog. kal-ten Progression nicht leistungsgerecht: Lohnerhöhungen, die lediglich dem Ausgleich der inflation dienen, bewirken höhere Steuerlasten, ohne dass sich die wirtschaftliche Situation des Einzelnen verbessert. Weil der Steuersatz im unteren Bereich besonders schnell ansteigt, sind klei-ne und mittlere Verdiener übermäßig stark von der kal-ten Progression betroffen. Es ist daher ein Gebot der Leistungsgerechtigkeit, in regelmäßigen Abständen den steuerlichen Grundfreibetrag anzuheben und in gleicher prozentualer Höhe den gesamten Einkommensteuertarif zu verschieben.

23Bda | aspekte zur Politik für die kommende Legislaturperiode des Bundes – Wachstum, steuern & staatsfinanzen

tArifAutonomie

Die Tarifautonomie ist einer der Grundpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft in Deutsch-

land. In den Krisensituationen der jüngsten Vergangenheit wurde deutlich, wie wichtig die Arbeit

der Sozial- und Tarifpartner für die Beschäftigung und die gesamte Wirtschaft in Deutschland ist.

Denn der tarifpolitische Modernisierungsprozess der letzten Jahre – in Form von produktivitäts-

orientierten Tarifabschlüssen und einer Ausweitung betrieblicher Gestaltungsspielräume – hat

maßgeblich dazu beigetragen, dass die Betriebe trotz Wirtschaftseinbruch und anhaltender

Konjunkturrisiken über Freiraum zur nachhaltigen Arbeitsplatzsicherung verfügen.

Dies zeigt, dass die in Deutschland gelebte Sozialpartnerschaft nach wie vor ein Erfolgsmodell

ist. Deshalb ist eine wichtige Aufgabe, die Tarifautonomie zu erhalten und zu stärken.

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24 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – tarifautonomie

Tarifautonome Lohngestaltung stärken

Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn gefährdet Ar-beitsplätze. Leidtragende wären vor allem Geringquali-fizierte und Langzeitarbeitslose, die ohne einen funkti-onierenden Arbeitsmarkt für einfache Tätigkeiten kaum mehr chancen auf einen einstieg in Arbeit hätten. Alle europäischen Länder mit einheitlichem gesetzlichem Mindestlohn haben z. B. eine deutlich höhere Jugendar-beitslosigkeit. Gleichzeitig beeinträchtigt ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn die Tarifautonomie und das bewährte system der Lohnfindung, bei dem Arbeitgeber

und Gewerkschaften gemeinsam die Löhne unabhängig von staatlichen einflüssen aushandeln. statt der jeweili-gen konkreten Situation in den einzelnen Branchen wür-den bei der Festsetzung der Mindestlohnhöhe politische Erwägungen in den Vordergrund rücken. Deutschland verfügt über ein funktionierendes Tarifsystem, das nicht durch staatliche eingriffe in die Lohngestaltung ausge-hebelt werden sollte.

Bewertung: Sämtliche Forderungen nach einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn bzw. einer Lohnuntergrenze, unabhängig davon, welches Modell der Lohnfindung zugrunde liegt, sind konse-quent abzulehnen. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn ist ein schwerwiegender staatlicher eingriff in die Lohngestaltung durch die tarifparteien.

Im Ergebnis würde es sich immer um einen politisch motivierten Mindestlohn, der vor Wahlen zum Spielball der Politik würde, handeln. Die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wären er-heblich. Bereits bei dem geforderten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 € wären nach Berechnungen des ifo Instituts etwa 1,2 Mio. Arbeitsplätze gefährdet, was vor allem die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt träfe.

CDu und CSu planen „für die Bereiche, in denen es keine Tarif-

verträge gibt, die Tarifpartner gesetzlich in die Pflicht zu nehmen. Sie

sollen gemeinsam in einer Kommission einen tariflichen Mindestlohn

festlegen, wobei die unterschiedlichen Situationen in den Regionen

und Branchen berücksichtigt werden können.“

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – MInDESTLohn

SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern die Einführung eines

einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 €.

25BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – tarifautonomie

© dpa

26 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – tarifautonomie

Tarifeinheit wiederherstellen

Die Tarifeinheit muss gesetzlich geregelt werden. Durch das vermehrte Auftreten neuer, für kleine Arbeitneh-mergruppen agierende Gewerkschaften droht die Ta-riflandschaft immer stärker zu zersplittern, wodurch die Sozialpartnerschaft zunehmend in Gefahr gerät. Neue Tarifforderungen mit immer neuen Arbeitskämpfen treten auf. Letztendlich entsteht so eine Vielzahl sich überschneidender Tarifverträge, was dazu führt, dass

die Friedenspflicht des tarifvertragssystems am ende leerläuft. Nur die Tarifeinheit schafft hier die notwendi-ge Rechtsklarheit. ohne Tarifeinheit ist die ordnung und Befriedung des Arbeitslebens als wichtigste Funktion von Tarifverträgen in Deutschland nicht denkbar.

Bewertung: Die Aussagen der FDP überraschen, da sich der Parteivorsitzende und Bundeswirt-schaftsminister, Dr. Philipp Rösler, und der Spitzenkandidat der FDP, Rainer Brüderle, mehrfach für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit ausgesprochen haben. Die Behauptung im Wahlprogramm der FDP, dass der Gefahr des Missbrauchs der Tarifautonomie durch Spartengewerkschaften mit einer Änderung des Arbeitskampfrechts hinreichend begegnet werden kann, ist realitätsfremd. Wenn es die Politik schon nicht schafft, das geltende Tarifvertragsgesetz um eine klarstellung zu ergänzen, welche die Tarifautonomie verfassungsgemäß ausgestaltet, wie soll dann eine Änderung des Arbeitskampf-rechts gelingen?

Positionen aus den Wahlprogrammen der Parteien – TARIFEInhEIT

CDu und CSu bekennen sich klar dazu, die Tarifeinheit gesetzlich

zu regeln und damit die Tarifpartnerschaft zu stärken. Die Union

betont in ihrem Programm, dass sich die Tarifeinheit über

Jahrzehnte bewährt hat.

Auch die SPD bekennt sich in ihrem Wahlprogramm zum Prinzip

der Tarifeinheit und hat bereits in der Vergangenheit wiederholt eine

gesetzliche Regelung gefordert.

Die FDP sieht keinen Bedarf,

die Tarifeinheit gesetzlich neu zu regeln.

27BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – tarifautonomie

europA &gloBAlisierung

Die globale Wettbewerbsfähigkeit ist für die Zukunft der Europäischen Union (EU)

entscheidend. Nur wenn es der EU als Ganzes gelingt, sich neben den USA und China mit ent-

sprechendem wirtschaftlichem Gewicht dauerhaft zu behaupten, kann sie die Politik in der Welt

mitgestalten. Dafür ist eine vertiefte europäische Integration notwendig, also eine Wirtschafts-

und Währungsunion, die um eine politische Union ergänzt wird.

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28 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – europa & globalisierung

Wirksame kontrollen und Sanktionen durchsetzen

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt, dass die Wirtschafts- und Währungsunion in ihrer jetzigen Form ein unvollendetes Projekt ist. Deshalb müssen die kurz-fristigen Notfallmaßnahmen zur Rettung des Euro von grundsätzlichen weichenstellungen flankiert werden. es bedarf einer verbesserten Governance in der Finanz- und Haushaltspolitik mit verbindlichen Regeln zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der Einhaltung solider staatsfinanzen sowie europäischer Kontroll- und ein-griffsrechte. Jeder Mitgliedstaat der Eurozone muss dabei akzeptieren, dass im Interesse der gemeinsamen Wäh-rung die nationale Souveränität nicht uneingeschränkt bestehen bleiben kann, wenn die Währungsunion funk-tionieren soll.

Arbeits- und Sozialrecht beschäftigungs freundlich gestalten

Die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern, muss die Maßgabe sein, nach der das Arbeits- und Sozialrecht gestaltet wird. oft ist dies besser auf nationalstaatli-cher Ebene möglich. Hier hat es in den letzten Jahren eine Fehlentwicklung gegeben, weil die Europäische kommission ihre kompetenzen vielfach fehlinterpre-tiert und mit zahlreichen Richtlinienvorschlägen zu tief in das Arbeits- und Sozialrecht der Mitgliedstaaten ein-gegriffen hat. Deshalb sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass nicht mehrheitsfähige Richtlini-envorschläge, die seit Jahren im Rat blockiert sind, von der kommission zurückgezogen werden, wie z. B. die Antidiskriminierungsricht linie und die Richtlinie zur Revi-sion der Mutterschutzrichtlinie. Um unnötige oder büro-kratietreibende Regulierungen von vornherein zu verhin-dern, sollten für alle neuen EU-Richtlinien grundsätzlich ein systematischer Wettbewerbs check sowie eine unab-hängige Folgenabschätzung erfolgen.

Subsidiaritätsprinzip einfordern

Da viele Regelungen besser auf nationalstaatlicher Ebe-ne getroffen werden können, ist das Subsidiaritätsprin-zip konsequent einzufordern. Darauf zielt das mit dem Lissabon-Vertrag eingeführte instrument der subsidiari-tätsrüge, auf das die Bundesregierung bei Bedarf auch zurückgreifen sollte.

Europäische Integration ausbauen

Nur wenn die europäische Integration vertieft wird, kann sich die EU auf einen gemeinsamen Weg in der Haus-halts- und Finanzpolitik verbindlich verständigen, der auf konsolidierung, Wettbewerbsfähigkeit und langfristiges Wachstum zielt.

Dieser Weg liegt im ureigenen Interesse der deutschen Wirtschaft, denn deutsche Belange können nur im europä-ischen kontext, mit einem stabilen Euro und einer funkti-onierenden Währungsunion erfolgreich vertreten werden. ohne die Fortführung der europäischen Einigung droht der Rückfall in die kleinstaaterei. Das wäre für Deutsch-lands Zukunft in einer globalisierten Welt – ebenso wie für alle anderen europäischen Staaten – verheerend.

Um diese Ziele erreichen zu können, muss sich die EU auf ihre Kernaufgaben gemäß dem Vertrag von Lissabon konzentrieren. Die Bundesregierung sollte darauf hinwir-ken, dass die institutionelle Fortentwicklung der EU zu mehr demokratischer Legitimation führt. nur dann können eine gemeinsam getragene Haushalts- und Finanzpolitik wie auch die EU-Außenpolitik mit der notwendigen par-lamentarischen kontrolle realisiert werden. Gleichzeitig sollte ein Mentalitätswandel herbeigeführt werden, der die angemessene Zuordnung von kompetenzen wieder-herstellt. Dezentralisierung für die Bereiche, die besser nationalstaatlich geregelt werden können, muss zum Leit-prinzip europäischer Politik werden.

Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise bewältigen

Die Weichen zur Überwindung der europäischen Staats-schuldenkrise wurden gestellt, aber ein solidarisches Miteinander der Mitgliedstaaten ist unerlässlich. Alle Mit-gliedstaaten der EU müssen sich nicht nur dazu beken-nen, dass konsolidierungsmaßnahmen unumgänglich sind, sondern diese auch konsequent durchführen. Die strukturellen Reformen besonders in den krisenländern müssen konsequent angegangen und auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überwacht werden. Finanzhilfen und Strukturfondsmittel sollten nur in Verbindung mit strikten konditionalitäten gewährt werden.

29BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – europa & globalisierung

energiepolitik

Für einen global wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Deutschland ist eine

verlässliche, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung unerlässlich. Die

Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen darf nicht durch den weiteren unkontrollierten

Ausbau erneuerbarer Energien und den damit verbundenen Kostenanstieg gefährdet werden.

Allein die EEG-Umlage ist jüngst um 50 % gestiegen. Für eine wirksame Kostenbegrenzung

ist eine Generalrevision des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) notwendig.

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30 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – energiepolitik

rd. 300 Mio. €. Diese staatlich bedingte Abgabenlast muss durch eine Absenkung der Stromsteuer reduziert werden, um die Stromverbraucher zu entlasten.

Bessere koordinierung auf nationaler und europäischer Ebene

Die bisherige Umsetzung der Energiewende ist unzurei-chend – auch vor dem Hintergrund, dass der Ausstieg aus der kernenergie bis 2021 abgeschlossen sein soll. Vor allem beim neubau von Leitungen, speicher- und kraftwerkskapazitäten muss stärker aufs Tempo ge-drückt werden, um die Energieversorgung nicht zu ge-fährden. Sich gegenseitig behindernde Bundes- und Landeszuständigkeiten und gegensätzliche interessen zwischen Bund und Ländern bei der energiewende ge-fährden den sehr engen Zeitplan. Deutschland braucht angesichts der vielen ungelösten Probleme bei der Ener-giewende eine bessere koordination, um die Energie-versorgung auch in Zukunft zu sichern. Für schnellere und verlässliche Entscheidungen darf nicht länger die kompetenzkonzentration in einem Ministerium tabu sein. Zudem brauchen wir beim grenzüberschreitenden Netz-ausbau eine bessere Abstimmung mit den europäischen Partnern. Mit dem steigenden Export teuer produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien überfordert Deutsch-land bereits jetzt seine Nachbarn. Europa braucht eine gemeinsame, abgestimmte Energiepolitik und keine nationalen Alleingänge.

Stromkostenbremse aufstellen

Erforderlich ist eine kostenbremse, die alle Verbraucher ent-lastet, ohne Arbeitsplätze in der exportorientierten industri-ellen Basis zu gefährden. Industrieunternehmen mit durch-schnittlichem Stromverbrauch müssen hierzulande bereits rd. 20 % mehr als im EU-Durchschnitt für ihren Strom be-zahlen – Tendenz steigend. Diese unzumutbare kostenent-wicklung geht primär von der steigenden EEG-Umlage aus. Nach dem derzeitigen Fördersystem wird die Produktion von Strom aus erneuerbarer Energie auch dann vergütet, wenn sie wegen Überproduktion nicht ins Netz eingespeist werden kann. diese ineffizienz im eeG-Fördersystem muss dringend korrigiert werden – sonst drohen durch die um-fangreichen neuen Vergütungszahlungen weitere kosten-steigungen. Neuanlagen für erneuerbare Energien sollten deshalb nicht weiter subventioniert, aber auch die Subventi-onierung bestehender Anlagen muss schrittweise abgebaut werden. Eine Rückführung der EEG-Ausnahmeregelungen für stromintensive unternehmen, wie sie von Bündnis 90/Die Grünen gefordert wird, ist entschieden abzulehnen.

Stromsteuer senken

Steuern und Abgaben machen etwa die Hälfte des Strompreises aus. Der Staat verdient also kräftig mit: rund 7 Mrd. € jährlich fließen aus der stromsteuer in den Haushalt, außerdem stehen dem Staat bei jeder Strom-preiserhöhung zusätzliche Erlöse aus der Mehrwertsteu-er zu, allein bei der jüngsten Erhöhung der EEG-Umlage

Drastischer Anstieg der Stromkosten

Entwicklung der durchschnittlichen Industriestrompreise zwischen 2001 und 2013

Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, 2013

2001 2013

Erzeugung, Transport, Vertrieb

EEG-Umlage

Stromsteuer

Sonstige Abgaben: konzessionsabgabe, kWk-Aufschlag, §19-Umlage, offshore-Haftungsumlage

15,1 cent/kwh0,45

6,5 cent/kwh0,30

0,310,24

5,62

7,845,27

1,54

31BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – energiepolitik

Bildung & integrAtion

Die hohe Zahl von Jugendlichen ohne Ausbildungsreife und Aufstiegschancen ist

die größte soziale wie bildungspolitische Herausforderung unserer Zeit. Unserem Schulsystem

mangelt es nach wie vor an Bildungsgerechtigkeit, denn die individuellen Chancen hängen immer

noch zu sehr von der Herkunft ab.

Angesichts des Nachwuchsmangels in vielen wirtschaftlichen Bereichen können wir aber auf

keinen Kopf verzichten. Deutschland braucht ein leistungsfähiges Bildungssystem – damit der

Einzelne sich beteiligen, Potenziale entfalten und sein Leben eigenständig gestalten kann,

aber auch um die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts und damit unseren allgemeinen

Wohlstand und Fortschritt zu sichern.

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32 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Bildung & integration

Ganztagsschulen flächendeckend ausbauen

Ganztagsschulen ermöglichen eine intensive und geziel-te Förderung für alle Schüler – ob leistungsschwächer oder -stärker. Der politische konsens zum Ausbau der Ganztagsschulen ist vorhanden; allerdings besteht in einigen Ländern großer nachholbedarf. da der Ausbau seinerzeit nur durch ein Bundesinvestitionsprogramm entscheidend vorangekommen ist, halten wir ein neues, vom Bund finanziertes Ganztagsschulprogramm für rich-tig und notwendig.

Chancen für kinder mit ungünstigen Ausgangslagen erhöhen

kinder aus Migranten- und bildungsfernen Familien sind mehr als andere auf gute Bildung angewiesen, werden aber bislang nicht ausreichend gefördert. Vor allem bei Migran-tenkindern kann und muss deutlich aufgeholt werden, z. B. durch intensive Sprachförderung schon in der kita. Der Bund sollte die Sprachförderung und eine begleitende Wirksam-keitsforschung kontinuierlich fortsetzen. Auch bei kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann mehr Poten-zial entfaltet werden als bisher: Die zunehmende Inklusion in kitas und Schulen ist eine immense Herausforderung für Bildungseinrichtungen; dafür brauchen sie handhabbare konzepte und konkrete Unterstützung.

Primarstufe

84 %

77 %

37 %

23 %

100 % 100 %

Übergang zur gymnasialen oberstufe

Übergang zur Hochschule

Quellen: Deutsches Studentenwerk, Hochschul-Informations-System GmbH, 2013; eigene Darstellung

Bildungstrichter: Soziale herkunft entscheidet zu stark

Bildungsverlauf von Akademiker- und nichtakademikerkindern

Akademikerkinder Nichtakademikerkinder

33BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Bildung & integration

Finanzierung der hochschulen verstetigen

Der Bund hat sich mit Hochschulpakt und Exzellenziniti-ative finanziell an der hochschulforschung und dem Aus-bau von Studienplätzen beteiligt und so wichtige Impulse gesetzt. Beide Initiativen laufen jedoch in der nächsten Legislaturperiode aus. hier ist auch der Bund weiterhin gefordert, die Bedingungen für eine international wett-bewerbsfähige Hochschullandschaft zu sichern. Dazu gehören eine Anpassung des Grundgesetzes, um koope-rationen von Bund und Ländern im hochschulbereich ab-zusichern, sowie eine Mitfinanzierung von hochschulen in besonderen Bereichen. Studienplätze sind vor allem im MINT-Bereich dringend notwendig, aber kosteninten-siv. An dieser Stelle ist ein Hochschulpakt von Bund und Ländern weiterhin notwendig und bis 2020 zu verlängern.

Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung fördern

die Zahl der beruflich Qualifizierten, die ein studium auf-nehmen, ist zwar gestiegen, aber immer noch auf nied-rigem Niveau. An den Hochschulen fehlen Teilzeitstudi-engänge, die eine kombination von Berufstätigkeit und Studium ermöglichen. Hier sollte der Bund Hochschulen beim Ausbau unterstützen. Solche Angebote sind aber auch für Studierende mit Abitur erforderlich, die z. B. kin-dererziehung oder Pflege mit dem studium in einklang bringen müssen.

Übergang Schule – Beruf verbessern

Der Übergang von der Schule in die Ausbildung ist nach wie vor für zu viele Jugendliche ein Stolperstein. Trotz des demografischen wandels und der daraus resultierenden besseren chancen von Jugendlichen geht der „Über-gangsbereich“ mit Maßnahmen zwischen Schule und Be-ruf nur langsam zurück. Es existieren zahlreiche Maßnah-men, die aber nur eine „Aufbewahrung“ der Jugendlichen bedeuten, während betriebsnahe Maßnahmen weit effek-tiver in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt führen. Ziel muss es sein, dass alle Jugendlichen mit ihrem Schul-abschluss die Ausbildungsreife erreichen und möglichst nahtlos ihren beruflichen weg anschließen können.

Duale Ausbildung in Europa stärken

In Deutschland trägt die duale Ausbildung entscheidend zur niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit in Europa bei. An-dere Länder wie spanien, italien und Griechenland fragen zunehmend nach, wie die duale Ausbildung auch bei ih-nen funktionieren kann. Eine immer wichtigere Aufgabe der Bundesregierung wird es sein, Elemente der dualen Ausbildung in europa zu stärken und damit zu chancen wie zum Wohlstand junger Menschen beizutragen.

34 BdA | Aspekte zur politik für die kommende legislaturperiode des Bundes – Bildung & integration

BdA | Bundesvereinigung derDeutschen Arbeitgeberverbände

Mitglied von BUSINESSEURoPE

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Briefadresse:11054 Berlin

t +49 30 2033-1070f +49 30 2033-1075

[email protected]

Stand: 7. August 2013

redaktion:kristian SchalterElisa Schellenberger

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