Atello-14-2010

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128 Artenvielfalt Im hintersten Pitztal steht eine Holzscheune. Davor ruhen große Glasbehälter mit Johanniskrautextrakt, Holzspäne säumen den Weg die Treppe hinauf. Es riecht nach Zirbe und Kräutern. Hinter der Tür versteckt sich die kleine Produktionsstätte eines Tiroler Naturkosmetikherstellers. Hier wird Zirbenholz gehobelt, werden Kissen genäht, mit Kräutern und Zirbenholzspänen befüllt. Zu den Mitarbeitern zählen Bienen und Murmeltiere, Zulieferer sind Wälder und Wiesen der umliegenden Berge, die Bauern helfen beim Sammeln der Rohstoffe, deren Frauen bei den Näharbeiten. Im angrenzenden Haus mischt „Miraculix“ Martin Gundolf aus Propolis, wertvollen Ölen und von Hand gepflückten und wild gewachsenen Kräutern pure Naturprodukte. Gänzlich ohne syn- thetische Farb-, Duft- oder Konservierungsstoffe. Reinhard Schuler (62), Mitbegründer von Alpienne, wusste schon immer, was er werden wollte. „Selbstständig.“ Wieso? „Weil ich aus Wald im Pitztal komme. Und wer Sohn eines Kleinbauern ist, mit der Natur aufwächst und ihr jeden Tag alles abringen muss, der kann sich nur schwer unterordnen.“ Reinhard Schuler war erst 20, als er seinen Entschluss fasste. Weil man seinerzeit von Gesetzes wegen 24 Jahre alt sein musste, um den Schritt in die Selbstständigkeit gehen zu dürfen, entschloss er sich, zum dama- Wild gewachsen. Text: Katerina Pantok Vor zwölf Jahren fing alles mit einer Murmel- creme an. Eine Tiroler Geschichte abseits von Wachstumswahn und Gewinnmaximierung.

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Artikel über alpienne - Kraft der Alpen in Atello

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128 Artenvielfalt

Im hintersten Pitztal steht eine Holzscheune. Davor ruhen große Glasbehälter mit Johanniskrautextrakt, Holzspäne säumen den Weg die Treppe hinauf. Es riecht nach Zirbe und Kräutern. Hinter der Tür versteckt sich die kleine Produktionsstätte eines Tiroler Naturkosmetikherstellers. Hier wird Zirbenholz gehobelt, werden Kissen genäht, mit Kräutern und Zirbenholzspänen befüllt. Zu den Mitarbeitern zählen Bienen und Murmeltiere, Zulieferer sind Wälder und Wiesen der umliegenden Berge, die Bauern helfen beim Sammeln der Rohstoffe, deren Frauen bei den Näharbeiten. Im angrenzenden Haus mischt „Miraculix“ Martin Gundolf aus Propolis, wertvollen Ölen und von Hand gepflückten und wild gewachsenen Kräutern pure Naturprodukte. Gänzlich ohne syn-thetische Farb-, Duft- oder Konservierungsstoffe.

Reinhard Schuler (62), Mitbegründer von Alpienne, wusste schon immer, was er werden wollte. „Selbstständig.“ Wieso? „Weil ich aus Wald im Pitztal komme. Und wer Sohn eines Kleinbauern ist, mit der Natur aufwächst und ihr jeden Tag alles abringen muss, der kann sich nur schwer unterordnen.“ Reinhard Schuler war erst 20, als er seinen Entschluss fasste. Weil man seinerzeit von Gesetzes wegen 24 Jahre alt sein musste, um den Schritt in die Selbstständigkeit gehen zu dürfen, entschloss er sich, zum dama-

Wild gewachsen.Text: Katerina Pantok

Vor zwölf Jahren fing alles mit einer Murmel-creme an. Eine Tiroler Geschichte abseits von Wachstumswahn und Gewinnmaximierung.

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ligen Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer zu fahren. „Grüß Gott, ich bin der Reinhard Schuler aus Wald im Pitztal und ich möchte selbstständig werden“, sagte er. „Was willst denn überhaupt machen? Hast wenigstens genug Geld?“ ant-wortete der Landeshauptmann. „Ja, also der Vater hilft mir und ich brauche nicht viel – ich mache das ganz klein und was ich verdienen muss, verdiene ich mir!“

Reinhard Schuler baute das größte Elektrogeschäft Tirols auf, beschäftigte am Ende 60 Mitarbeiter und erzielte zehn Milli-onen Euro Jahresumsatz. „Alles, was ich mache, mache ich ordentlich oder gar nicht“, lautet seine Lebensphilosophie. Er spürte allerdings, dass er nicht glücklich in dieser Branche war. „Sie war mir nicht unbedingt auf den Leib geschnitten.“ Irgendwann hat er erkannt, dass er seiner Familie mit seinem Unternehmen keinen Gefallen tat. Er trat vor seine engsten Mitarbeiter und sagte: „Hört zu! Möchtet ihr den Betrieb denn nicht kaufen? Ihr seid tüchtige Männer und ich mache euch folgendes Angebot: Das erste Jahr bekommt ihr zehn Prozent vom Gewinn, das zweite 20 Prozent, das dritte Jahr 30 Prozent und wenn ihr seht, dass der Betrieb eine gute Sache ist, dann könnt ihr ihn mir abkaufen.“ Die Mitarbeiter stimmten dem

Vorschlag zu und führten das Unternehmen im Alleingang. Sie waren viel sparsamer, haben besser auf die Mitarbeiter aufgepasst und die Umsätze und Gewinne gesteigert. Zum 50. Geburtstag von Reinhard Schuler haben sie sein Unter-nehmen übernommen. Für ihn ein Befreiungsschlag. „Wenn ich heute durch die Straßen gehe und ein Elektrogeschäft sehe, wechsle ich automatisch die Straßenseite“, lacht er.

Er kaufte eine 30 ha große Alm. „Nicht zum Geld verdienen, sondern für meine Kinder“, sagt der Tiroler. „Wir bäuerliche Menschen denken nicht in einer Generation. Was wir von der Natur bekommen, wollen wir erhalten und wenn es geht, vermehren.“ Bei einer Bauernversammlung appellierte er an die anderen Bauern: „Seid nicht verrückt, ihr müsst doch keine Milch verkaufen, wenn ihr kein Geld dafür bekommt, ihr müsst Sachen veredeln!“ Als Antwort bekam er: „Du brauchst gar nicht so gescheit daherreden, mach du das selber und sag uns, was du von uns benötigst.“ Begonnen wurde vor zwölf Jahren mit Murmelcreme, Johan-niskraut und Arnika. Ohne wirtschaftlichen Druck. Aus Überzeugung. „Glaubst, dass es unsere Höfe gäbe, wenn alle Menschen nur pures Gewinnstreben hätten?“

Foto: Alpienne

Reinhard Schuler, Gründer des Tiroler Naturkosmetikherstellers Alpienne, und sein Sohn Christian.

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Eines Tages kam Josef Knabl, der Mitbegründer der Bestwell-nesshotels, zu Reinhard Schuler: „Ich habe gehört, du machst so gute Sachen“, sagte er und kaufte 70.000 kleine Cremen für seine Hotels. Er wurde später zum gleichberechtigten Gesellschafter von Alpienne.

In der kleinen „Hexenküche“ von Martin Gundolf können täglich bis zu 7.000 Tiegel per Hand abgefüllt werden. Es riecht nach Kräuteressenzen und Bienenwachs, überall stehen große Behälter mit wertvollen Ölen. „Bei uns gibt es keine Emulgatoren oder sonstige Haltbarkeitsmittel.“ Die Hotellerie war Auslöser für eine unerwartete Entwicklung. „Wenn du die dreißig besten Hotels von Mitteleuropa beliefern kannst, dann traust dir auch mehr zu“, erzählt Reinhard Schuler. Vor einigen Jahren kam die Zirbe als elementarer Rohstoff hinzu und wurde den Naturprodukten zugesetzt und als eigenes Produkt lanciert: Zirbenkissen, Zirbenbettauflage, Zirbenbad oder Zirbenspray. Das Joanneum Research wurde beauftragt, um die seit Jahrhunderten bekannte wohltuende Wirkung von Zirbenholz zu bestätigen. In einer Studie konnte nach-gewiesen werden, dass bei Verwendung dieser Holzart bis zu 3.500 Herzschläge in einer Nacht eingespart werden. Eine weltweite Innovation ist die Zirben-Klimabox, die mit Zirbe, Propolis und Zeolith-Gestein für bioenergetische Luftwäsche und -befeuchtung sorgt. Ohne Strom, Chemie oder sonstige Geräusche. „Wir zeigen, wie man sich die ganze Kraft der Natur zu Nutze machen kann“, so Reinhard Schuler.

Wohin wird der Weg Reinhard Schuler noch führen? „Wir überlegen täglich, ob wir nicht einfach alles in der Größe belassen wollen wie jetzt, oder ob wir noch weiter wachsen sollen“, sagt er nachdenklich. Und erzählt, dass er einen Auf-trag von Austrian Airlines bekommen hat, 400.000 Cremen für ihre Businessclass- und Interkontinentalflüge herzustellen. „Als ich hochgerechnet habe, was der arme Martin maximal machen kann, habe ich ihnen gesagt: Das schaffen wir in einem Jahr nicht, wir brauchen dafür drei Jahre.“ Es sei eine schöne Werbegeschichte und wirklich eine „feine Sache“, die den Namen und die Philosophie von Alpienne in die richtigen Ebenen trägt. „Reich wird man nicht davon. Aber ich brauche auch nicht reich werden, ich will nur den Martin und unsere Bauern weiter gut bezahlen.“

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Die Zirben-Klimabox ist eine Weltneuheit und der erste natürliche Luftbefeuchter, der die Raumluft zugleich effektiv reinigt, ionisiert und mit Zirbenduft anreichert. Ohne Strom und Chemie.

Die Natur ist der Lieferant aller Zutaten für die Produktpalette von Alpienne.

Zeitintensive Beschäftigung: Die wildgewachsenen Kräuter müssen einzeln abgezupft werden. „Das kann keine Maschine machen. So behalten wir die Ehrfurcht vor der Natur bei“, sagt Reinhard Schuler.