AUF ACHSE GROSSE RUNDE: PROVENCE-ALPES … · 4 – Lavendel und Lavandin sind das Markenzeichen...

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Nr. 11/2017 — www.motosport.ch Nr. 11/2017 — www.motosport.ch 37 36 AUF ACHSE EIN LAND IN OCKER UND LILA GROSSE RUNDE: PROVENCE-ALPES-CÔTE D’AZUR Seit jeher lockt der Süden Frankreichs mit seinen besonderen Düften, intensiven Farben und meist angenehmen Temperaturen. Töfffahrer schwärmen zudem von den zahllosen gewun- denen Asphaltbändern, für die man andernorts Vergnügungssteuern bezahlt. TEXT: DANIEL RIESEN BILDER: RIESEN, TONI SACHER, THILO KOZIK SÜDFRANKREICH WELCH ANGENEHME KLIMAKAMMER HIER UNTEN! Permanent 11 Grad, das ist ideal für einen Rundgang in Töff- klamotten. Draussen sind’s 25 Grad im raren Schatten, bei jedem Halt überschreitet man die Transpirationsgrenze. Hier unten, in der Mine von Bruoux, ist nur das von den Wänden eingefärbte Licht warm. Es ist das rötliche Gelb von Ocker. Das Material, unwissenschaftlich ausgedrückt «ge- rosteter Sand», wurde in dieser Mine bei Gargas von 1880 bis 1950 abgebaut. Zu einer Zeit, in der Farbe rar und die Welt noch viel grauer war, diente das in der Gegend zwi- schen dem Plateau de Vaucluse und dem Luberon geschürfte Ocker als Bindemittel und als natürlicher Farbstoff. Ocker, das passt zur Provence. Bis heute setzen vielerorts im Süden Frankreichs solche Gesteinsformationen landschaftliche Akzente, und auch rötlich schimmernde Häuser strahlen innere Wärme aus. WO SICH AUCH FLEDERMÄUSE WOHL FÜHLEN Minenbesuche sind nicht so mein Ding, aber diese Ocker- mine gefällt mir. Man darf gerne auch milde Klaustropho- biker mitbringen, die Gänge sind teils über zehn Meter hoch. Für die Mineure von einst dürfte die Arbeit nicht ganz so grauslich gewesen sein wie jene in Kohle- oder Erzminen des 19. Jahrhunderts. Entsprechend fällt hier in Gargas die Be- klemmung weg, als Tourist unpassend vergnügt durch frühe- re Stätten des Grauens zu wuseln. Dafür sollte man sich nicht erschrecken, wenn ein Fledermäuschen vorbeiflattert; drei Arten haben es sich hier gemäss unserem Guide wohn- lich eingerichtet. Wieder draussen bewundern wir kurz den Ocker-Felsen, durch den wir uns eben einen Weg gebahnt haben. Das senk- recht im Halbrund ausgehauene, vielleicht 50 Meter hohe Kliff dient gelegentlich als Open-Air-Theater – ein bei stim- miger Beleuchtung gewiss aussergewöhnliches Ambiente. Doch schon ist es später Nachmittag und Zeit, dass wir, eine kleine Gruppe motivierter Reisejournalisten, unser Nachtlager anpeilen. Für das nahe gelegene Roussillon, das auf der Liste der «schönsten Dörfer Frankreichs» weit oben steht, fehlt uns die Zeit. Dafür reicht es vor dem Felsenstädt- chen Gordes – ebenfalls auf der Liste – für ein staunendes 1 – Das auf einer Felsnase erbaute Städt- chen Gordes. Ein Bijou in der Aussen- wie der Innenansicht. 2 – Kurven surfen in den Gorges de la Nesque. Höhe und Breite der Tunnel akribisch beschriftet. 3 – Café du Nord weit im Süden, im pitto- resken Städtchen Rosans. Und plötzlich hat man Zeit. 4 – Lavendel und Lavandin sind das Markenzeichen der Provence. Blüte meist ab Ende Juni. 5 – Rätselhaftes Verbotsschild im Hotel in Fontaine-de-Vaucluse. War Jesus zu Gast? 6 – Souvenirs für Ventoux-Fans. Drei Startorte, drei Strecken, ein Ziel. Der kleine Berner mit der grossen Klappe fährt gerne in Frankreich, sei es auf Tagestouren durch den Jura oder längeren Fahrten, die oft in Grenoble so richtig anfangen. Fährt privat eine Suzuki Hayabusa und eine Triumph Street Triple RS (seit einigen Tagen). Ist seit 29 Jahren fast verheiratet, liebt zudem seine drei Hunde und das Rennvelo. Trainiert immer noch für seine erste Mont- Ventoux-Eroberung aus eigener Kraft. Doping? Kaffee! MSS-Leser erinnern sich vielleicht noch an Riesens Jahre als Redaktor bei MSS 2001–2011. UNSER REISENDER DANIEL RIESEN 1 3 2 4 5 6

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Nr. 11/2017 — www.motosport.chNr. 11/2017 — www.motosport.ch 3736

AUF ACHSE

EIN LAND IN OCKER UND LILA

GROSSE RUNDE: PROVENCE-ALPES-CÔTE D’AZUR

Seit jeher lockt der Süden Frankreichs mit seinen besonderen Düften, intensiven Farben und meist angenehmen Temperaturen. Töfffahrer schwärmen zudem von den zahllosen gewun-denen Asphaltbändern, für die man andernorts Vergnügungssteuern bezahlt.TEXT: DANIEL RIESEN BILDER: RIESEN, TONI SACHER, THILO KOZIK

SÜDFRANKREICH

W E L C H A N G E N E H M E K L I M A K A M M E R H I E R U N T E N ! Permanent 11 Grad, das ist ideal für einen Rundgang in Töff­klamotten. Draussen sind’s 25 Grad im raren Schatten, bei jedem Halt überschreitet man die Transpirationsgrenze. Hier unten, in der Mine von Bruoux, ist nur das von den Wänden eingefärbte Licht warm. Es ist das rötliche Gelb von Ocker. Das Material, unwissenschaftlich ausgedrückt «ge­rosteter Sand», wurde in dieser Mine bei Gargas von 1880 bis 1950 abgebaut. Zu einer Zeit, in der Farbe rar und die Welt noch viel grauer war, diente das in der Gegend zwi­schen dem Plateau de Vaucluse und dem Luberon geschürfte Ocker als Bindemittel und als natürlicher Farbstoff. Ocker, das passt zur Provence. Bis heute setzen vielerorts im Süden Frankreichs solche Gesteinsformationen landschaftliche Akzente, und auch rötlich schimmernde Häuser strahlen innere Wärme aus.

WO S I C H AU C H F L E D E R M ÄU S E WO H L F Ü H L E NMinenbesuche sind nicht so mein Ding, aber diese Ocker­mine gefällt mir. Man darf gerne auch milde Klaustropho­

biker mitbringen, die Gänge sind teils über zehn Meter hoch. Für die Mineure von einst dürfte die Arbeit nicht ganz so grauslich gewesen sein wie jene in Kohle­ oder Erzminen des 19. Jahrhunderts. Entsprechend fällt hier in Gargas die Be­klemmung weg, als Tourist unpassend vergnügt durch frühe­re Stätten des Grauens zu wuseln. Dafür sollte man sich nicht erschrecken, wenn ein Fledermäuschen vorbeiflattert; drei Arten haben es sich hier gemäss unserem Guide wohn­lich eingerichtet.

Wieder draussen bewundern wir kurz den Ocker­Felsen, durch den wir uns eben einen Weg gebahnt haben. Das senk­recht im Halbrund ausgehauene, vielleicht 50 Meter hohe Kliff dient gelegentlich als Open­Air­Theater – ein bei stim­miger Beleuchtung gewiss aussergewöhnliches Ambiente.

Doch schon ist es später Nachmittag und Zeit, dass wir, eine kleine Gruppe motivierter Reisejournalisten, unser Nachtlager anpeilen. Für das nahe gelegene Roussillon, das auf der Liste der «schönsten Dörfer Frankreichs» weit oben steht, fehlt uns die Zeit. Dafür reicht es vor dem Felsenstädt­chen Gordes – ebenfalls auf der Liste – für ein staunendes

1 – Das auf einer Felsnase erbaute Städt-chen Gordes. Ein Bijou in der Aussen- wie der Innenansicht.

2 – Kurven surfen in den Gorges de la Nesque. Höhe und Breite der Tunnel akribisch beschriftet.

3 – Café du Nord weit im Süden, im pitto-resken Städtchen Rosans. Und plötzlich hat man Zeit.

4 – Lavendel und Lavandin sind das Markenzeichen der Provence. Blüte meist ab Ende Juni.

5 – Rätselhaftes Verbotsschild im Hotel in Fontaine-de-Vaucluse. War Jesus zu Gast?

6 – Souvenirs für Ventoux-Fans. Drei Startorte, drei Strecken, ein Ziel.

Der kleine Berner mit der grossen Klappe fährt gerne in Frankreich,

sei es auf Tagestouren durch den Jura oder längeren Fahrten, die oft in

Grenoble so richtig anfangen. Fährt privat eine Suzuki Hayabusa und eine Triumph Street Triple RS

(seit einigen Tagen). Ist seit 29 Jahren fast verheiratet, liebt zudem seine drei

Hunde und das Rennvelo. Trainiert immer noch für seine erste Mont­

Ventoux­ Eroberung aus eigener Kraft. Doping? Kaffee! MSS­Leser erinnern sich vielleicht noch an Riesens Jahre

als Redaktor bei MSS 2001–2011.

UNSER REISENDER

DANIEL RIESEN

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was sonst zu einer gelungenen Reise gehört, vom blauen Himmel und ebensolchem Meer bis zu geschichtlichen, kulturellen und kulinarischen Höhepunkten. Wenn man denn dafür Zeit findet.

A B G E F Ü L LT I M C A M I O NEs gibt schon viel zu besprechen am ersten Abend. Zum Bei­spiel, wie wir morgens um sieben von einem Rasseln ge­weckt wurden. Schlaf hatten wir auf der Domaine de Cabas­se gefunden, einem Weingut der Côte du Rhone. Rausgerissen hat uns das Scheppern von Flaschen, die in einer mobilen Abfüllstation übers Band rumpelten.

Ein paar Motorradfahrer haben wir heute auch gese­hen … und ein paar tausend Velofahrer. Zuerst in den Gorges de la Nesque. Da war so eine Art Hobbyrennen im Gang. Mit vielen entspannten Teilnehmern allerdings, viele fanden Zeit für einen Schwatz. Die D942 schlängelt sich eng, aber unterhaltsam durch die Schlucht, viele ultrakurze Tunnels haben die Strassenbauer in den Kalkfelsen gesprengt.

Richtig, richtig viele Velofahrer überholen wir danach hinauf zum Chalet Reynard. Das Restaurant bildet die letzte Verpflegungsmöglichkeit hinauf zum Mont Ventoux. Unter Motorradfahrern ist der weitherum sichtbare Berg ein Muss, doch für Rennradler bildet er den heiligen Gral. Ein Mythos der Tour de France.

Heldengeschichten gibt es zuhauf. Nicht nur erfreuliche. Oberhalb des auf rund 1400 m ü. M. gelegenen Chalet Rey­nard ist der Ventoux kahl wie der Schädel von Marco Panta­ni, des inzwischen verstorbenen Bergspezialisten. Im Jahr 2000 war «il pirata», vermutlich dopinggestählt, den Doping­sündern Armstrong und Ulrich davongefahren. Dabei radel­

1 – Die Basilique Notre- Dame auf dem Hügel la Garde von Marseille. Monument und Aussichtsplatt-form.

2 – Die Provence zieht Künstler seit jeher an. Wuchtige Steinskulp-tur der deutschen Christel Schlierkamp in Trigance.

3 – Fast schon kitschig- blau, der Lac de Castillon. Hier wird der Verdon ein erstes Mal gestaut.

4 – Aussicht von der Basilika von Marseille auf die vier vorgela-gerten Inseln du Frioul. Auf einer davon hat auch der «Graf von Monte- Cristo» gewohnt – im Kerker.

ten sie am Gedenkstein von Tom Simpson vorbei, der in die­sem Anstieg schon Jahrzehnte zuvor, bis zum Trikotkragen voll mit Amphetaminen, seinen letzten Atemzug tat. Die unerfreuliche Seite des Sports trübt die Begeisterung von Veloenthusiasten aus aller Welt nicht im Geringsten. Sie kämpfen sich die – je nach Startort – bis zu 1600 Höhenme­ter den Berg hoch und werden zuweilen von Orkanböen wie­der heruntergefegt. Wir treffen im «Chalet» einen Vertreter des sauberen Sports, Pierre Faure. Er organsiert alljährlich im Frühling das Motorradrennen Ventoux Classic. Das Vor­bild ist das frühere 21­km­Rennen von Bedoin bis auf den Gipfel, doch sowas würde heute nicht mehr erlaubt.

Immerhin dürfen die Veteranenfreunde ein Wochenende lang ein Stück von 2,6 km unten bei Malaucène. Und natür­lich redet man nur von Demofahrten, eine (offizielle) Zeit­messung gibt es nicht. Die Zeiten für Töfffans sind eben hart, auch in Südfrankreich. Später auf unserer Tour überqueren wir den Col d’Allos, der im Hochsommer jeden Freitag für drei Stunden den Velofahrern vorbehalten bleibt. Sympha­tisch – und undenkbar für Motorradfahrer.

U N D P L Ö TZ L I C H U R B A N E H E KT I KAm nächsten Tag tauchen wir in eine andere Welt ein. Natur ade, rein in die Stadt. In die Stadt am Meer, Marseille. Nach einem deliziösen Mittagessen im Hafen von l’Estaque und einer Verbrüderung mit Fussball­Fans, die sich fürs abend­liche Spiel warmsingen, geht’s quer durch die Stadt. Wir wollen, wie wohl alle Marseille­Touristen, zur Basilique de Notre­ Dame: einige wollen die Kathedrale sehen, alle die pracht volle Aussicht hinaus aufs Meer und die Inseln von Frioul.

Aaah und ein paar schnelle Fotos. Einen kurzen Gasdrehgriff weiter steht in einem lauschigen Tälchen die Abbaye de Sénanque. Bei geglücktem Timing bildet in Reih und Glied stehender, lila blühender Lavandin einen tollen Kontrast zu den grauen, alten Klostermauern. Wir aber sind zu spät dran, wegen der Schatten, und doch zu früh, denn Mitte Juni hat die Blüte gerade eben noch nicht eingesetzt. Kruzitürken, da pack ich meine Kamera gar nicht erst aus.

D I R E KT A N D E R Q U E L L EZwei Stunden später: Hunger! Während die Stiefel auf dem Balkon des Hotelzimmers in Fontaine­de­Vaucluse auslüf­ten, marschieren wir in der Dämmerung durchs Städtchen. Es liegt, wie es der Name andeutet, unweit einer Quelle; nicht etwa der Vaucluse, so heisst das Département, sondern der Sorgue. In Flussnähe finden wir La Figuière. Im zauber­haften Garten des Restaurants fragen wir uns, ob wir nun die Ente an Morchelsosse oder den «Fisch des Augenblicks» (poisson du moment) wählen sollen.

Der milde Sommerabend im «La Figuière» mit Kir de figue zum Apéro, exquisiter Küche und einem feinem Côte du Rhone wäre der perfekte Abschluss unserer Tour. Doch heute war bloss der erste Tag unserer Runde durch Paca. Die Abkürzung steht für die Region Provence­Alpes­Côte d’Azur. Das muss sich der Reisende nicht merken, denn unterwegs nimmt man Regions­ und Départements­Grenzen höchstens wegen der «Bienvenue»­ und «Adieu»­Schilder wahr. Klar ist, «Paca» hat so viele Zutaten zum Töfffahrerglück wie kaum eine Weltenregion. Von Gap bis zum Cap Canaille war­ten Kurvenorgien, die dich bis in den Schlaf begleiten, und das auf oft extrem griffigem Asphalt. Und ja, natürlich, auch

EIN MUSEUM, DAS LEBT

MUSÉE DE LA MOTO IN MARSEILLE

Das 1989 eröffnete, von der Stadt Marseille getragene Motorradmuseum begeistert auch Museumsmuffel. Nicht nur wegen der 250 Exponate, inklusive vieler

französischer Marken, sondern auch wegen ihrer Präsentation. Direktor François Sassu (oben, mit Bikes der Marke Nougier) versteht sein Haus, das im schlecht

beleumundeten Norden der Stadt liegt, auch als Integrationsprojekt.

Das Highlight: MGC. Es blieb beim Prototypen.

Mehr als nur Bikes in Reih und Glied.

Mit heimischen Marken: Monet & Goyon.

Ferrari-Rot. Ist ja auch ein Ferrari.

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galledia\keithe • 11.05.17 11:58Was dürfen die Freunde?

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sensibilisiert. Auf einem Bauernhof bei Tourtour wird uns eine grosse Auswahl von Ziegenkäse serviert. Die Produzen­ten – die Ziegen eben – schauen zu, wenden sich aber bald wieder dem Notwendigen zu und knabbern eifrig an Heu­ und Strohhälmchen. Bin kein Ziegenversteher, doch scheint es ihnen im grossen und hellen Laufstall wohl zu sein.

L E E R E ST R A S S E N – N O C H I ST N I C H T J U L IDanach überfahren wir nordwärts die Departementsgrenze von Nummer 83 (Var) zur Nummer 04 (Alpes de Haute­ Provence) und quartieren uns im Hotel des Gorges du Ver­don in La Palud ein.

Ein Geheimtipp sind die aussichtsreichen Strassen beid­seits des spektakulären Grand Canyon du Verdon längst nicht mehr. Ein Muss sind sie trotzdem. Bemerkenswert zu­dem, wie relativ verkehrsarm sie Mitte Juni noch sind. Und einen kleinen Tipp ist es sicher wert, die Route des Crètes von und nach La Palud im Uhrzeigersinn zu fahren. Anders­rum ist beim Chalet Maline – Terrasse mit gfürchiger Aus­sicht – wegen Einbahnverkehr Schluss.

Vom restlichen Fahrtag, weiter gen Norden, bleibt uns der Col d’Allos am besten in Erinnerung. Landschaftlich ver­unstalten die Spuren des Wintertourismus die Südflanke, dafür staune ich, wie locker ich auf der weder schlanken noch leichten FJR die Kollegen auf ihren trendigen Reise­enduros auch durch engste Kehren vor mich hertreibe. Auf 2250 Metern werden Temperatur und Ausblick hochalpin, die Talfahrt nach Barcelonnette dank makellosem Asphalt und Blick auf die 3000er­Gipfel zum Vergnügen.

Im Alpenstädtchen, das vor allem für seine mexikani­schen Villen bekannt ist, gibt es etwas Gesundes zwischen

1 – Mines de Bruoux bei Gargas.

2 – Die Ockermine von aussen.

3 – Burgruine, hoch oben in Vaison-la- Romaine.

4 – Von weit her wirkt der Mont Ventoux gar nicht so schrecklich. Und doch: 1600 Höhen-meter bis auf den windigen Gipfel.

5 – Da staut sich was, aber nicht auf der Strasse. Der riesige Lac de Serre-Ponçon.

Die fünftägige Tour führte uns durch die Region Paca

(Provence-Alpes- Côte d’Azur),

bestehend aus den Departementen

Alpes- de-Haute-Provence, Alpes

Maritimes, Bouches-du-Rhône, Hautes-

Alpes, Var und Vaucluse. Wir unter-nahmen die Tour auf Einladung von Paca Tourisme und unter Leitung von Jochen

Ehlers. Der Mann hinter www.enduro-

funtours.com. findet alle Kurven.

Reiseregion/Distanz/Dauer: Provence; Südostfrankreich. Strecke ab Bern ca. 1800 km, fünf gemütliche Reisetage für die Runde.

Info, Reiseveranstaltung: In der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur spielt der Tou-rismus eine wichtige Rolle. 141 000 Perso-nen erwirtschaften dabei 13 % des BIP. Infozentrale auf www.tourismepaca.fr. Touren in diversen Regionen Frankreichs, On- und Offroad, sind bei www.endurofun-tours.com, Jochen Ehlers buchbar.

E-Mail: [email protected], Tel 0049 4825 1695

Sprache, Verständigung: Bei der Anmel-dung und der Veranstaltung wird in Franzö-sisch oder Englisch kommuniziert.

Unterkunft: «Basislager» Domaine de Cabasse, Séguret, www.cabasse.fr – gleich an der Quelle. – Fontaine-de-Vaucluse, Dichterhotel, www.hoteldupoete.com – wundervolle Lage am Wasser.

– Gémenos, Hotel Bastide Magdeleine, www.relais-magdeleine.com – schick, etwas teurer. – La Palud, www.hotel-des-gorges-du-ver-don.fr – tolle Lage, feines Essen, Spa. – Gap, Mon Hôtel de Gap, www.monhotel-degap.com – zentral, funktional.

Karten: Michelin Nr. 527, Regionalkarte Paca, 1 : 200 000, € 6,95 für die reissfeste Version oder Regionalkarte Provence Côte d’Azur von Kümmerly+Frey, 1 : 200 000, CHF 17.90, www.travelcenter.ch

ROUTE/DISTANZAn-/Rückreise: Gap als nördlichster Punkt der Route ist über etwas mehr als 400 km in knapp fünf Stunden von Bern her erreichbar. Das Weingut Cabasse in Séguret in den Côtes du Rhone erreichte ich über Grenoble- Serres und die fantastische Strecke entlang des Flusses Eygues nach Nyons.

Tag 1: Séguret – Malaucène – Mont Ventoux – Gorges de la Nesque – Gargas – Gordes – Fontaine- de-Vaucluse.

Tag 2: Fontaine – Lourmarin – Cadenet – L’Estaque/Marseille – Gémenos.

Tag 3: Gémenos – Col de l’Espigoulier – St-Maximin-la-Ste-Baume – Barjols – Tourtour – Château-double – Trigance – La Palud-sur-Verdon.

Tag 4: La Palud – Castellane – Lac de Castillon – Al-los – Barcelonette – Barrage de Serre – Ponçon – Gap.

Tag 5: Gap – Serres – Rosans – Buis-les-Baronnies – Crestet – Vaison-la-Romaine – Séguret.

REISEINFO: SÜDFRANKREICH

die Kiemen, bevor wir entschlossen westwärts halten. Mehr­mals stoppen wir an Panoramabuchten oberhalb des Lac de Serre­Ponçon. Ein gewaltiger Staudamm (124 m hoch, bis zu 123 m dick und über 600 m lang) staut die Flüsse Durance und Ubaye zu einem See von fast 30 km2 Fläche.

Das Hotel Pavillon/Carina in Gap liegt etwas ausser­ und oberhalb des Zentrums. Praktisch für die Anfahrt, aber nach­teilig für Nachtschwärmer. Doch erstens sind unsere Beine schwer und zweitens könnten wir sorglos den Bus nehmen –

in der Hauptstadt des Departements Hautes­Alpes ist der ÖV nämlich gratis.

AC H T E R B A H N U N D RU H E - OA S EAm letzten Fahrtag, zurück zum Weingut in der Rhone­ Ebene, konzentrieren wir uns auf einen «Umweg» und ein malerisches Bergdörfchen. Den Umweg, die D26, findet man, wenn man in Serres auf dem Kreisel dem Schild Richtung Orange und Rosans folgt, und 12 km weiter, oben auf dem kaum merkbaren Col de la Saulce, rechts die Abzweigung zum Col de la Tourette erwischt. Das Asphaltband in ansons­ten unberührter Wildnis windet sich in alle Richtungen, und kleine Kuppen würzen die Achterbahnfahrt.

Durch die Dörfer Montmorin, Bruis und La Charce geht der Slalom weiter nach Rosans, dem idealen Ort, um das Adrenalin in ein ruhigeres Glückshormon umzuwandeln. Dieses Städtchen – oder ist es ein Dorf ? – ist nun wirklich ein Geheimtipp: Es gehört nicht zu den «plus beaux villages de la France», wir aber würden es sofort listen. Gut gepflegte Steinhäuser und scheinbar zufällig wuchernde Blumen und Sträucher zaubern ein wohliges Provence­Ambiente.

Auch Rosans wäre ein würdiger Abschluss unser Paca­ Tour (wer weiss noch, wofür genau Paca steht?), doch den feiern wir dann doch an unserem Start­ und Zielort. Zuerst muss ein Sprung in den Hotelpool sein. Danach nehmen sich Weingutbetreiber und Hotelbesitzer Benoît und Anne Bau­dry Zeit, uns die Systematik der Weinhierarchie der Côtes du Rhone zu erklären, in vier Stufen vom undefinierten Côtes du Rhone bis zum Cru. Einleuchtend, wenn man es mal weiss. Und ach ja, es ist bei den blossen Erklärungen nicht geblieben. Prost!

Mit dem Motorrad soll man die Spur halten? Ein solches Prinzip ist dem Biker in Marseille unbekannt. So legen halt auch wir die Ohren an und pfeilen zwischen den Kolonnen durch. Schnell denken und handeln ist gefragt. Dem wohl­erzogenen Holländer in unserer Gruppe erscheint das Ge­wusel, besonders im mehrspurigen Tunnel unter dem alten Hafen, wie die Verkehrs­Vorhölle: Autofahrer wechseln er­ratisch die Spur, Rollerfahrer fräsen sich mit offenen Tüten den Weg durch die Kolonnen und talentierte Biker nutzen die Einspurstrecke für Einlagen auf dem Hinterrad. Alles ziemlich heikel, doch mir gefällt’s. Warum sollte ich mich auch träge wie ein Auto bewegen, wenn ich auf dem Töff sitze? BfU bitte nicht mitlesen.

Nach einem Abstecher ins sehenswerte Motorradmuse­um der Stadt (siehe Kasten Seite 39) entsprechen wir dem Wunsch unseres vorsichtigen Kollegen und flüchten wieder aufs Land, ins Hotel nach Gémenos. Richtung Osten wäre es nicht weit bis zum Circuit Paul Ricard, doch wir biegen anderntags nordwärts ab. Kaum die Pneus auf Betriebs­temperatur, fahren wir uns am kleinen, aber feinen Col de l’Espigoulier schwindlig. Viel Gummiabrieb in den schier unendlich drehenden Kehren deuten an, dass hier Rad­Ar­tisten aller Art gerne an ihrem Können feilen.

Wir halten gen Nord­Nord­Ost, die Gorges de Verdon sind als Tagesziel gesetzt. In Barjols ist vorübergehend die Strasse gesperrt. Schüler ziehen mit Trara durch die Gassen. Mitte Juni wird hier jeweils die Fête de l’eau begangen – der Nachwuchs soll für die Bedeutung des Wassers als Trink­same und Lebensraum sensibilisiert werden.

Wir werden kurze Zeit später von einem lokalen Touris­mus­Vertreter für die Verlockungen der hiesigen Käsekultur

Alles Wichtige zum Wein der Côtes du Rhone erklärt Benoît Baudry von der Domaine de Cabasse in Séguret.

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D I E STA D T LU Z E R N reizt mit ihrem einladenden Zen­trum am Vierwaldstädter­see und mit ihrer touren­technisch guten Lage. Zu­ dem ist man mit dem Töff schnell im Geschehen, aber auch wieder draussen. Ruck, zuck sind wir in Rich­tung UNESCO­Biosphäre Entlebuch unterwegs, aber nicht auf der Hauptachse Nummer 10, die via Bern bis nach Frankreich führt, son­dern auf der rechten Seite der Kleinen Emme. Bereits hinter Littau wird es ländli­cher. In Schachen zweigt bei der Herz­Jesu­Kapelle eine unscheinbare Strasse links Richtung Rengg ab. Es folgt

ein kurzer, geschwungener Aufstieg. Wir cruisen vorbei an einsamen Höfen; auf den Feldern sind die Bauern am Heuen. Eine herrlich milde Würze liegt in der Luft.

U R I G E S PA S S - B E I Z L IAb Finsterwald reisen wir etwas zügiger dem Glauben­bergpass entgegen. Doch aufgepasst: Hier ist stets mit Kühen oder Kuhfladen auf der Fahrbahn zu rech­nen. Nach der Passhöhe (1540 m) lässt sich im Berg­hotel Langis, wo am 24./25. Juni das Blutspenden statt­findet, einkehren. Wer es auf der Abfahrt in Richtung Sarnen, etwas ruhiger an­geht, kann auch mal einen Blick auf den Sarnersee und das Stanserhorn wagen.Wieder im Tal, gilt es rechts zu halten – Richtung Wilen

und Giswil. Nächster Höhe­punkt ist die Panorama­strasse über den Glauben­bielenpass, der wie der Glaubenberg Obwalden mit dem Entlebuch verbindet. Die Strasse ist recht schmal und lässt das Kreuzen zweier Autos an manchen Stellen nicht zu. Es emp­fiehlt sich also, das Gas nicht zu weit zu öffnen und sich dafür etwas mehr an den wechselnden Aussich­ten zu ergötzen. Die ehrwürdige Panorama­ strasse bringt uns zum be­schaulichen Wintersport­gebiet Mörlialp. Die wenig später zu erreichende Pass­höhe liegt auf 1611 m. Hier geniesst man einen weiten Blick – sowohl ins Obwald­ner als auch ins Luzerner und Berner Land. Ein Pass­restaurant gibt es zwar

HEIMATKUNDEINNERSCHWEIZ

Kleinere Pässe, duftende Heuwiesen, fantastische Ausblicke und wundervolle Seen prägen diese Geniesser-Tour durch das Herz der Schweiz. TEXT UND BILDER: DIMITRI HÜPPI

nicht, dafür aber ein Info­ häuschen mit einem Snack­ automaten, der nebst Ge­tränken und Süssigkeiten auch Käse und Joghurt aus der umliegenden Alpwirt­schaft liefert.

A L S WÄ R E D I E Z E I T ST E H E N G E B L I E B E NBei der Abfahrt erfordern schmale Passagen an steil abfallenden Hängen eine gewisse Schwindelfreiheit. Nach Sörenberg wird die Talfahrt immer zügiger. Wieder in tieferen Lagen bleiben wir zunächst auf der Hauptstrasse 10 in Richtung Bern, biegen aber in Wiggen Richtung Thun ab. Auf einer unmarkierten Landstrasse geht es durch eine Gegend, die einem Ag­glomerationsbewohner ebenfalls das Gefühl gibt,

REISEINFOINNERSCHWEIZ

Route: Luzern – Littau – Schachen – Entlebuch – Glaubenberg – Sarnen – Wilen – Giswil – Glauben-büelenpass (Panoramastrasse) – Sörenberg – Escholzmatt – Marbach – Schallenberg – Steffisburg – Merligen – Interlaken – Niederried – Brienz – Brü-nigpass – Giswil – Sachseln – Alpnachstad – Luzern.

Distanz: 331 km

Essen und Trinken: Im Berggasthaus Gabelspitz auf dem Schallenberg sind Motorradfahrer willkommen – jeden Freitag ist in der Saison ab 17 Uhr ausdrücklich Töfftreff angesagt. Bei guter Witterung sind in diesem Sommer zudem diverse Probefahrt-Events mit den wöchentlichen Töfftreffs verbunden. www.schallenberg.ch

Sehenswürdigkeit: Die etwas andere Art der Abkühlung am Thunersee kann man in den St.-Beatus-Höhlen erleben. Vom Höhlensystem sind bisher 14 km erforscht. Der beleuchtete und gesicherte Besucherweg reicht einen Kilometer weit in den Berg. www.beatushoehlen.ch

Tipp: Nicht ganz günstig, dafür ein Erlebnis ist eine Fahrt mit der Brienz-Rothorn-Bahn. Seit 1892 sind auf der 7,6 km langen Strecke, die auf 2244 m führt, verkehren bis heute Dampflokomotiven. www.brienz-rothorn-bahn.ch

Karte: Michelin Blatt 551, Regionalkarte Schweiz Nord, 1:200000, CHF 13.90, bei www.buch.ch

Das Berggasthaus Gabelspitz auf der Schallenberg- Passhöhe (1167 m) ist ein beliebter Töfftreff.

1 – Aufstieg auf den Glaubenbielenpass mit Blick auf den Sarnersee.

2 – Zweisamkeit auf dem Glaubenbielenpass mit freiem Blick ins Obwaldner Land.

3 – Eine Gedenktafel erinnert an die Erstellung der Panoramastrasse 1941 bis 1947.

4 – Entlang des Thunersees gibt es zahlreiche lauschige Rastgelegenheiten.

die Zeit sei stehengeblieben: Weite Landwirtschaftsflä­chen mit einzelnen Höfen und wenigen Dörfern prägen das Gesamtbild. Die nächs­ten herrlichen Schwünge folgen beim Aufstieg auf den Schallenberg. Eine wei­tere Gelegenheit für einen Stopp ergibt sich in Thun, dem wirtschaftlichen Zent­rums des Berner Oberlands. Auch ein Sprung ins kühle Nass bietet sich an, z.B. im Thuner Strandbad. Zudem finden sich an der Strasse entlang des nördlichen Ufers diverse Rastplätze mit Bänken und Tischen – und zwar unmittelbar am blaugrünen Wasser. Nicht weniger reizvoll ist der nach Interlaken folgende Ab­schnitt am Brienzersee mit

dem Städtchen Brienz am Fusse des Brienzer Rothorns.Nach Brienz steuern wir über den Brünigpass wieder langsam in Richtung Luzern. Zwischen Lungern und Giswil muss man sich vor­sehen, um nicht unfreiwillig im Umfahrungsbunker zu verschwinden, denn viel schöner ist natürlich auch hier die Strasse entlang des Lungernsees und des Sar­nersees (diesmal auf der anderen Seite). Von Sarnen aus geht es nun einige Kilo­meter lang eher kurvenfrei, nach Alpnachstad, wo dann nochmals ein letztes, äus­serst reizvolles, dem Alp­nachersee folgendes Stück gewundenen Asphalts das Ende dieser Geniessertour einleitet.

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