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Insel-Taschenbücher 3340 Auf den Spuren Nils Holgerssons durch Schweden von Sabine Schwieder, Wolfram Schwieder 1. Auflage Auf den Spuren Nils Holgerssons durch Schweden – Schwieder / Schwieder schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Insel 2008 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 458 35040 8

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Insel-Taschenbücher 3340

Auf den Spuren Nils Holgerssons durch Schweden

vonSabine Schwieder, Wolfram Schwieder

1. Auflage

Auf den Spuren Nils Holgerssons durch Schweden – Schwieder / Schwieder

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Insel 2008

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 458 35040 8

Leseprobe

Schwieder, Sabine / Schwieder, Wolfram

Auf den Spuren Nils Holgerssons durch Schweden

Mit farbigen Fotografien und Landkarten (Lizenz: Nymphenburger)

© Insel Verlag

insel taschenbuch 3340

978-3-458-35040-8

Insel Verlag

Auch heute, 100 Jahre, nachdem die schwedische Literaturnobelpreis-tr�gerin Selma Lagerlçf ihr Kinderbuch Nils Holgersson verfasste, fas-zinieren ihre Erz�hlungen zahlreiche kleine und große Leser. Da-bei war die Geschichte des kleinen Bauernjungen, der mit einemSchwarmWildg�nse durch Schweden zieht, eigentlich als Schulbuchf�r den Landeskunde-Unterricht gedacht.Sabine und Wolfram Schwieder sind f�nf Jahre lang der Reiserouteder Lagerlçf ’schen G�nse gefolgt und haben alle Pl�tze und Orte be-sucht, an denen Nils Holgersson seine Abenteuer erlebte. Dabei stell-ten sie fest, dass die meisten Beschreibungen im Buch noch immermit den heutigen Gegebenheiten �bereinstimmen.Entstanden ist ein vergn�glicher und sinnlicher Reisef�hrer, einFamilienbuch, das Landschaft und Menschen, Traditionen und Ent-wicklungen des skandinavischen Landes auf einzigartige Weise er-fahrbar macht. Ein Buch, das Lust macht, sich auf eine Reise in denNorden zu begeben, mit zahlreichen Fotos und Textzitaten aus NilsHolgersson sowie praktischen Hinweisen zu �bernachtungsmçglich-keiten und Veranstaltungstipps.

insel taschenbuch 3340

Auf den Spuren Nils Holgerssonsdurch Schweden

Schloss Gripsholm am M�larsee

Sabine und Wolfram Schwieder

Auf den SpurenNils Holgerssonsdurch Schweden

Mit farbigen Fotografienund Landkarten · Insel Verlag

Umschlagabbildung: Hesslefors/F1onlineFotografien im Inhalt: Sabine und Wolfram Schwieder

insel taschenbuch 3340

Erste Auflage 2008Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig

� 2006 nymphenburger in derF. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, M�nchen

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der �bersetzung,des çffentlichen Vortrags sowie der �bertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

vervielf�ltigt oder verbreitet werden.Vertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch Verlag

Umschlag: Elke DçrrSatz: H�mmer GmbH, Waldb�ttelbrunnDruck: Druckhaus Nomos, Sinzheim

Printed in GermanyISBN 978-3-458-35040-8

1 2 3 4 5 6 – 13 12 11 10 09 08

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Hinweise zur Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . 13

Begegnung mit Selma Lagerlçf –eine Grundschullehrerin erz�hlt . . . . . . . . . . 15

Landkarte I: Der S�den . . . . . . . . . . . . . . . .24/25Z SCHONEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

V�stra Vemmenhçg – Nils Holgerssons Heimat . . . 28

Vombsee und �vedskloster – Begegnung mit Smirre 36

Glimmingehus – der Kampf der Ratten . . . . . . . . 46

Der Kullaberg – das Fr�hlingsfest der Tiere . . . . . 54

Z BLEKINGE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Ronneby Brunn – die Nacht im Kurpark . . . . . . . 62

Karlskrona – die Marinestadt . . . . . . . . . . . . . 68

Z �LAND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Die S�dspitze von �land – das Vogelparadies . . . . . 77

Z GOTLAND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Die Kleine Karlsinsel – Schafe und F�chse . . . . . . 86

Visby und Vineta – zwei St�dte am Meer . . . . . . . 94

Z SM�LAND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Taberg und Jçnkçping – Blick �ber Sm�land . . . . . 103

Z �STERG�TLAND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

T�kern – der große Vogelsee . . . . . . . . . . . . . 112

Vadstena – die weise Frau von Ulf�sa . . . . . . . . . 120

Kolm�rden – der große Wald . . . . . . . . . . . . . 127

Z S�DERMANLAND UND N�RKE . . . . . . . . . . . 133

Stora Djulç – der schçne Garten . . . . . . . . . . . 135

Z V�STMANLAND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Im Bergwerksdistrikt – Engelsberg bruk . . . . . . . 144

Z DALARNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Falun – die alte Grubenstadt . . . . . . . . . . . . . . 154

R�ttvik – Walpurgisnacht am Siljansee . . . . . . . . 169

Z UPPLAND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

Uppsala – der Student und der Rabe . . . . . . . . . 180

Stockholm – die schwimmende Stadt . . . . . . . . . 189

Z G�STRIKSLAND UND H�LSINGLAND . . . . . . . . 201

Blacks�sen – die Neujahrsnacht der Tiere . . . . . . . 202

Landkarte II: Der Norden . . . . . . . . . . . . . .206/207Z MEDELPAD UND �NGERMANLAND . . . . . . . . . 208

Svartvik – die große S�gem�hle . . . . . . . . . . . . 209

Z V�STERBOTTEN, NORRBOTTEN UND LAPPLAND 219

Gammelstad – eine Kirchstadt im Norden . . . . . . 220

G�llivare und Malmberget – die Geschichtevon �sa und Klein-Mats . . . . . . . . . . . . . . . 228

Kiruna – der Bergbau und das Volk der Samen . . . . 238

Z J�MTLAND UND H�RJEDALEN . . . . . . . . . . . 248

�stersund – der Aussichtsturm auf dem �stberg . . . 250

Z V�RMLAND UND DALSLAND . . . . . . . . . . . . 259

M�rbacka – ein kleiner Herrenhof . . . . . . . . . . 260

Z BOHUSL�N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

V�derçarna – das Gold auf der Sch�re . . . . . . . . 272

Von Strçmstad bis Marstrand – Silber im Meer . . . . 280

Z V�STERG�TLAND UND HALLAND . . . . . . . . . 287

N��s – der große Herrenhof als Werkschule . . . . . 288

Die R�ckkehr nach Vemmenhçg . . . . . . . . . . . 300

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Auf den Spuren Nils Holgerssonsdurch Schweden

Vorwort

VOR GUT HUNDERT JAHREN bekam Selma Lagerlçf denAuftrag, eine schwedische Landeskunde f�r den Schulunter-richt zu schreiben. Ihr wurde offenbar schnell klar, dass siedas Interesse der Sch�ler nur gewinnen kçnnte, wenn sie dielandeskundlichen Informationen in eine spannende Rahmen-handlung einbetten w�rde.So entstand »Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgers-son«, ein Buch, das nicht nur die Sch�ler ihrer Zeit interessier-te, sondern bis heute weltweit unz�hlige Leser jeden Altersfand. Viele der in Buchhandlungen erh�ltlichen gek�rztenFassungen beschr�nken sich allein auf die Reise des kleinenNils mit den Wildg�nsen, die ungek�rzte Originalfassung isthingegen nach wie vor als eine zwar poetische, aber dennochsehr pr�zise Landeskunde zu lesen. W�hrend unserer erstenSchwedenreise etwa konnten wir bei einem Gang durch Karls-krona mit dem Buch in der Hand feststellen, dass man denn�chtlichen Spaziergang, den der Junge hier macht, Straßef�r Straße nachverfolgen kann – heute wie vor hundert Jah-ren.Daraus entstand die Idee zu diesem Buch: Wenn der »NilsHolgersson« Schweden vor hundert Jahren so genau darstellt,so m�sste man heute bei Reisen zu den beschriebenen Ortennachvollziehen kçnnen, was sich ge�ndert hat, wie es sichge�ndert hat und was bestehen geblieben ist. Wir haben alsoeinzelne Orts- und Landschaftsschilderungen der ungek�rz-ten Fassung des »Nils Holgersson« ausgew�hlt, sie in den Zu-sammenhang der Geschichte eingebettet und ihnen eine Be-schreibung aus der Sicht heutiger Reisender gegen�bergestellt,

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erg�nzt jeweils um einige reisepraktische Informationen. Da-bei kommt der S�den Schwedens deutlich ausf�hrlicher zurSprache als der Norden, doch das entspricht sowohl der Vorla-ge als auch dem Reiseverhalten der meisten Schwedenbe-sucher.Zudem hatten wir das Gl�ck, die Reise der Wildg�nse in Tei-len selbst aus der Luft zu erleben. Ein Freund, der Segelflug-lehrer ist, flog mit Wolfram �ber ganz Schweden bis nachLappland und zur�ck. Zwei Wochen lang konnten die beidenvom Motorsegler aus �berpr�fen, inwieweit Selma LagerlçfsBeschreibungen »aus der Luft« der Wirklichkeit entsprechen.Und wir stellten voller Bewunderung fest, dass die Autorinallein durch ihren gr�ndlichen Blick auf die Landkarte und ih-re gute Vorstellungskraft ein ziemlich genaues Bild gelieferthat. Wir hatten es da leichter: Oft drehte unser Pilot bereitwil-lig eine weitere Runde, damit die Luftaufnahmen f�r diesesBuch entstehen konnten.W�hrend unserer Reisen durch Schweden trafen wir immerwieder auf Menschen, die sich sehr f�r unser Projekt interes-sierten und uns mit wertvollen Hinweisen oder interessan-ten Gespr�chen weiterhalfen. Sie alle hatten sich auf unter-schiedliche Weise mit dem Buch auseinander gesetzt: Dieeinen hatten es als Schullekt�re zum Lesenlernen eher lang-weilig gefunden, die anderen verkn�pften es mit Erinnerun-gen an die Kindheit, in der oft aus diesem Buch vorgelesenworden war.Einer unserer Gespr�chspartner erz�hlte uns eine kleine Ge-schichte, die zeigt, dass bereits w�hrend der vergangenen hun-dert Jahre von Zeit zu Zeit Deutsche auf den Spuren Nils Hol-gerssons gereist sind: Ein Mann bat einmal einen Freund, derSchriftsteller und ein ausgewiesener Schweden-Kenner war,ihn mit vorbereitender Lekt�re f�r eine Skandinavienreise zu

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versorgen. Der Freund empfahl ihm, den »Nils Holgersson«zu lesen, meinte aber, eine Warnung aussprechen zu m�ssen.Sicherlich habe sich seit Entstehen des Buches vieles ver�n-dert. Der Reisende kam zur�ck, erz�hlte begeistert von sei-nen Erlebnissen und f�gte hinzu: »Und es war alles ganz ge-nau so, wie im ›Nils Holgersson‹ beschrieben.«

Hinweise zur Benutzung

Mit der ungek�rzten Ausgabe der »Wunderbaren Reise deskleinen Nils Holgersson mit den Wildg�nsen« haben die Le-ser ein ziemlich umfangreiches und umfassendes Werk vorsich. Viele kennen die Geschichte nur aus den gek�rzten Ju-gendbuchausgaben, vom Bilderbuch her oder als Trickfilm,in dem Figuren hinzuerfunden wurden. Wer aber das eigent-liche Buch zur Hand nimmt, das urspr�nglich als Lese- undSchulbuch f�r schwedische Kinder gedacht war, der stçßtauf eine wahre Fundgrube an Wissen, eingebettet in spannen-de und außergewçhnlich gut geschriebene Geschichten. Werbeim Lesen den Atlas oder eine Landkarte neben sich liegenhat, der stellt fest, dass er am Ende von Schweden mehr weißals von seinem eigenen Heimatland.Unser Buch beschreibt mehrere Reisen auf den Spuren vonNils Holgersson. Es kann auch zur Reisevorbereitung dienenoder als Reiselekt�re. Wer den »Nils Holgersson« fr�her ein-mal gelesen und die Geschichte nicht mehr vollkommen pa-rat hat, f�r den habenwir jedem Kapitel eine kleine Inhaltsan-gabe vorangestellt. Geht die Reise zum Beispiel nach Dalarna,Stockholm und Gotland, dann kann man sich anhand der

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entsprechenden Kapitel ein Bild machen, wie es zur Zeit Sel-ma Lagerlçfs aussah und was die Reisenden heute erwartet.Erg�nzt haben wir die jeweiligen Kapitel um reisepraktischeHinweise, die jedoch keineswegs vollst�ndig sein kçnnen. F�reine umfassende Reisevorbereitung kann dieses Buch also kei-nen klassischen Reisef�hrer ersetzen.Auch wenn Schweden heute politisch in die etwas anders auf-geteilten L�n (Verwaltungsbezirke) gegliedert wird, spielendie Regionen nach wie vor eine wichtige Rolle. Jede Region(mit Ausnahme Norrbottens) wird bei Selma Lagerlçf entwe-der in der Haupthandlung oder çfter in einer Sage oder Er-z�hlung vorgestellt. Daher haben wir zu allen Landesteilenkleine Exkurse verfasst, die die einzelnen Regionen kurz ausSelma Lagerlçfs und aus unserer Sicht charakterisieren.F�r einige Orte gibt es unterschiedliche Schreibweisen: zumeinen die deutsche und die schwedische (Schonen – Sk�ne),zum anderen die alte und die heute gebr�uchliche (Gellivare –G�llivare). Wir haben die Namen jeweils so geschrieben, wiesie in den Zusammenhang passen. Dar�ber hinaus wurdendie Zitate aus der Gesamtausgabe des »Nils Holgersson« imvorliegenden Buch kursiv gesetzt. Sie sind stellenweise ge-k�rzt, ohne jede K�rzung einzeln kenntlich zu machen.W�hrend unserer Arbeit haben wir im Laufe der Jahre mehrund mehr Bewunderung f�r die Autorin empfunden. Je çf-ter man im Buch liest, desto mehr realisiert man, wie kunst-voll alles miteinander verwoben ist. Wer also das Buch »Diewundersame Reise des Nils Holgersson mit den Wildg�nsen«noch nicht gelesen hat, der bekommt vielleicht durch seineSchwedenreise Lust dazu. Wir jedenfalls kçnnen es nur emp-fehlen.

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Begegnung mit Selma LagerlçfEine Grundschullehrerin erz�hlt

WIR HATTEN W�HREND UNSERER REISEN oft sehr vielGl�ck mit unseren Gespr�chspartnern. Nicht selten fand sich�berraschend jemand, der viel �ber die Autorin zu erz�hlenhatte oder uns einen guten Hinweis auf Schaupl�tze gebenkonnte. Dass wir jedoch Selma Lagerlçf persçnlich begegnenw�rden, damit hatten wir nicht gerechnet – denn immerhinist sie seit �ber 60 Jahren tot. Und doch war es so: Wir trafenSelma Lagerlçf w�hrend eines Urlaubs auf einem ehemali-gen Bauernhof in Sçdermanland.Die Begegnung hatte unser Vermieter am Vorabend unsererAbreise vermittelt, demwir bei einemGlasWein von unseremProjekt erz�hlt hatten. Da fiel ihm ein: »Ach, wir haben eineLehrerin hier in der Gegend, die hat sich fr�her f�r ihre Sch�-ler als Selma Lagerlçf verkleidet.« Wir waren nat�rlich neu-gierig, wir wollten immer schon mehr �ber Nils HolgerssonsWirkung auf Sch�ler erfahren, also batenwir umeinGespr�ch.Am Samstagmorgen, kurz vor unserer Abreise, k�ndigte un-ser Vermieter an: »Sie kommt – und sie kommt verkleidet.«Aus dem Auto steigt eine alte Dame, ganz in Schwarz: Kos-t�m, riesiger Hut, Fuchspelz um den Hals, Seidentuch �berdem einen Arm, Kr�ckstock in der anderen Hand, Brille. Dieperfekte Darstellung Selma Lagerlçfs, so wie man sie vomZwanzig-Kronen-Schein her kennt. Die alte Dame nestelt einbisschen an ihrem Kost�m, ist bei der Suche nach einem nichtallzu sonnigen Platz zum Unterhalten erstaunlich schweig-sam. Dann baut sie sich vor uns auf, bedeutet uns mit leichtherrischer Geste, Platz zu nehmen, und beginnt in wunder-bar klarem Schwedisch:

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»Ich heiße Selma Ottilia Lovisa Lagerlçf, bin geboren am20. November 1858 in M�rbacka, in V�rmland.« – Uns l�ufttrotz der Sommersonne ein Schauer �ber den R�cken. Na-t�rlich wissen wir, dass Selma Lagerlçf schon lange nichtmehr lebt, aber hier, auf diesem sonnenbeschienenen schç-nen Flecken Erde in Sçdermanland, ist sie uns tats�chlich er-schienen. Hinter der nahezu perfekten Maskerade steckt Ing-rid Rydefalk, eine �ltere Dame, die der Autorin erstaunlich�hnlich sieht. Sie war Grundschullehrerin hier, und es mussf�r die Kinder ein eindrucksvolles Erlebnis gewesen sein,wenn sie in ihrem schwarzen Kost�m vor die Klasse trat

Lehrerin im Sinne des Vorbilds: Ingrid Rydefalk hat sich

im Unterricht oft als Selma Lagerlçf verkleidet und

ihren Sch�lern aus dem Leben der Schriftstellerin erz�hlt.

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und aus Selma Lagerlçfs Leben und von Nils Holgersson er-z�hlte.Auch uns bringt sie die Biografie der Autorin aus der Ich-Per-spektive nahe, und obwohl wir das ja alles bereits kennen,sind wir vçllig gebannt von ihrer Erz�hlung. In ihren kleinenAnekdoten schildert sie in einfacher Sprache, die auch Kindergut verstehen kçnnen, von den Anf�ngen im v�rml�ndischenM�rbacka. Sie erz�hlt vom Vater, Leutnant und GutsbesitzerErik Gustav Lagerlçf, und von der Mutter Louise, geboreneWallroth. Sie berichtet von Selmas Großmutter v�terlicher-seits, Lisa Maja Wennervik, deren Lebensgeschichte etlichespannende Episoden enth�lt und die so wunderbare Geschich-ten erz�hlen kann. Schließlich gibt es noch die Tante Lovisa,die f�r die M�dchen der Gegend den Brautschmuck herstellt.Im Nachbarhaus wohnt Tante Wennervik, die Pfarrersfrau,die am Abend von Selmas Geburt dem M�dchen die Zukunftvoraussagt. Die Tante prophezeit unter anderem, dass dasKind sein ganzes Leben lang kr�nklich bleiben, dass es vielmit Papier und B�chern zu tun haben und lange Reisen unter-nehmen werde, dass es hart arbeiten m�sse und nie heiratenwerde.Selmas Kindheit kann trotz eines angeborenen H�ftleidensund zeitweiliger Kinderl�hmung als gl�cklich bezeichnet wer-den. Die Krankheit wird ihr zeit ihres Lebens eine Sonder-stellung einr�umen. »Ich werde nie einen Webstuhl bedienenkçnnen«, sagt sie, eine T�tigkeit, die in jenen Jahren f�r jungeM�dchen von großer Bedeutung war. Die Familie unternimmteine Fahrt zur Bohusl�n-K�ste, nach Strçmstad, wo sich dieEltern Besserung von Selmas Leiden erhoffen. Wie es tats�ch-lich zu einer Heilung gekommen ist, kann man sehr schçnin ihren Kindheitserinnerungen »M�rbacka« nachlesen, mitdenen Selma Lagerlçf ihrer v�rml�ndischen Heimat und des

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Heims ihrer Kindheit gedacht hat. Der »Paradiesvogel«, derdem M�dchen zu seinen ersten Schritten verholfen hat, istheute noch in M�rbacka zu bewundern: Sie selbst hat, alssie den Hof sp�ter zur�ckkaufte, einen Pfau installiert, undnoch heute ist hier das Kreischen seines Nachfolgers zu hç-ren.Selmas Kindheit ist stark von ihrem Vater, Leutnant Lager-lçf, gepr�gt und von der großen Familie, die hier oft und ger-ne zu Festen zusammenkommt. »Mein Vater wollte, dass ichzu einem Ball gehe, aber ich war Hinkebein-Selma. Ich hatteauch keine Ballkleider, sondern nur sehr kindliche Kleider,und ich wurde nicht aufgefordert. Da verstand mein Papa,dass er mich nicht zwingen sollte, zu einem Ball zu gehen.«Mit f�nf Jahren entdeckt Selma das Lesen. Ihr erstes Buch istein Indianerbuch. Und dannwird viel gesungen bei den h�ufi-gen Festen imHause Lagerlçf. »Mein Papa, der ein netter undgeselliger Mensch war, sang immer Bellmann-Lieder.« CarlMikael Bellmann (1740 bis 1795) gilt bis heute als schwedi-scher Nationaldichter. Er trug seine Lieder, zu denen er auchdie Musik komponierte, meist selbst vor. Bekannt ist er (auchin Deutschland) vor allem durch recht deftige Trink- undSpottlieder, und von Selma Lagerlçfs Vater heißt es ebenfalls,er sei Alkoholiker gewesen. »Ich bin aber immer sehr vor-sichtig gewesen, dar�ber zu schreiben, denn ich liebte ihnsehr.« Sie habe immer um die dunkle Seite des Menschen ge-wusst, und daraus seienWerke wie »Gçsta Berling« (1891) und»Der Fuhrmann des Todes« (1912) entstanden, sagt die alteDame vor uns. Aber auch die Sagen und Trollgeschichten,die ihre Großmutter erz�hlt hat, sind in ihre Werke eingeflos-sen. Und das besonders innige Verh�ltnis zu ihrem Vater wirddeutlich, wenn man ihre Dankesrede zur Verleihung des No-belpreises (1909) liest, mit der sie ihm ein anr�hrendes Denk-

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mal gesetzt hat. Auch im M�rbacka-Kapitel des »Nils Holgers-son« (»Ein kleiner Herrenhof«) spielt der Vater eine kleine,aber nicht unwichtige Rolle.Sowohl Selma als auch der Familie ist klar, dass die junge Frauwohl kaum heiraten wird, und so verl�sst sie ihr geliebtesM�rbacka bereits 1882, um in Stockholm das Hçhere Lehre-rinnenseminar zu besuchen. »Es war nicht leicht, mit mei-ner Lehrerinnenausbildung zu beginnen, aber Papa hatte keinGeld, und es war meine einzige Chance, voranzukommen.«Sie habe aber eine gute Grundausbildung erhalten: durch t�ch-tige Gouvernanten, die Mutter und die Tante Lovisa, die allesehr belesen waren.Selma arbeitet von 1885 bis 1895 als Lehrerin an der M�d-chenschule von Landskrona. In dieser Zeit entsteht ihr erstesBuch, »Gçsta Berling«, f�r dessen erste f�nf Kapitel sie inStockholm einen Preis gewinnt und das sie schnell auch �berdie Grenzen Schwedens hinaus bekannt macht. In der Ge-schichte des ehemaligen Pfarrers Gçsta Berling beschreibtSelma Lagerlçf den Untergang der schwedischen Herrenhçfemit all seinen sozialen und moralischen Folgen.Ein Stipendium ermçglicht ihr von 1895 bis 1896 eine Reisenach Italien, die sie gemeinsammit Sophie Elkan, einer Schrift-stellerkollegin und sehr guten Freundin, unternimmt. Diebeiden waren zuvor auf Gotland gewesen, und von da an istSophie Elkan »der beste Reisekamerad, den ich bekommenkonnte«. Sie ist aus Selmas Leben nicht mehr wegzudenken,und heute wird vermutet, dass die beiden mehr als nur eineFreundschaft verband. Gemeinsam reisen sie sp�ter nach �gyp-ten und Pal�stina, eine Reise, deren Erfahrungen in das Buch»Jerusalem« m�nden.Als der Vater 1887 hoch verschuldet stirbt, muss die Familieden Gutshof verkaufen; die Familienmitglieder werden in alle

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Winde verstreut. Ihre Schwester Gerda zieht wie sp�ter auchMutter und Tante nach Falun in Dalarna. 1897, zehn Jahrenach dem Tod des Vaters also, siedelt Selma ebenfalls dort-hin �ber, um fortan als freie Schriftstellerin zu leben undihrer Familie nahe zu sein.Der Konkurs M�rbackas geht ihr sehr nahe: »Ich sah, wiemein Kinderbett verschwand. Alles verschwand bei fremdenMenschen. Und da habe ich beschlossen: Ich werde B�cherschreiben. Ich werde reich sein. Ich werde M�rbacka zur�ck-kaufen. Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich schreibenkann.« Aus den Worten der schwarz gekleideten, aufrechtenFrau vor uns spricht ein Selbstbewusstsein, das typisch istf�r Selma Lagerlçf. Sie wusste ihren Wert immer zu sch�tzenund legte im Alter großen Wert auch auf Repr�sentation.Und dann erh�lt Selma Lagerlçf den Auftrag, ein neues Lese-

Wer den G�nsen nahe kommen will, hat dazu Gelegenheit

im Freilichtmuseum Skansen in Stockholm, wo einige von ihnen

den ganzen Sommer verbringen.

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