Auf einem Dorfplatz, wie er im Buche stehtAuf einem Dorfplatz, wie er im Buche steht Nach den klaren...

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MAGAZIN 16 | Jungfrau Zeitung Anzeiger 17 | Jungfrau Zeitung Anzeiger Auf einem Dorfplatz, wie er im Buche steht Nach den klaren Umrissen in Gottfried Kellers Handschrift zeichnet das Landschaftstheater Ballenberg mit feinen Pinselstrichen die Geschichte von «Romeo und Julia auf dem Dorfe» in die Zeitlosigkeit wieder. Ein Blick auf einen der spannendsten Theaterschauplätze des kom- menden Sommers in fünf Akten. von Patrick Schmed BALLENBERG Viele kennen die Handlung aus ihrer Schulzeit, in gelben Pappbuchdeckeln gebunden als literarisches Werk aus dem Deutschunterricht. Gottfried Kellers «Romeo und Julia auf dem Dorfe» ist ein Klassiker der Schweizer Literatur, geschrieben im 19. Jahrhundert mit Inhalten, die sich noch heute auf einem Dorfplatz in einem ländlichen Dorf abspielen könnten. Der Acker zwischen den beiden Feldern von Manzes und Martis wird zum Stein des Anstosses, und die verfein- deten Familien sorgen mit Missgunst dafür, dass ihre Kinder Vreneli und Sali ihre Liebe nicht leben können – mit tragischem Ausgang. Wie die ganze Begebenheit mit feinen Pinsel- strichen so nachgezeichnet wird, dass sie erfrischend neu und doch bewährt gut wirkt, erzählen Regisseur Andreas Zimmermann und die Ringgenberger Schauspielerin Aline Beetschen in fünf Akten. Erster Akt: Das Finden des Schauplatzes «Der Schauplatz passt voll und ganz zur Zeit und zur Herkunft von Gottfried Keller», schwärmt Andreas Zimmermann. Mit dem Weinbauernhaus aus Richterswil von 1780 hat der Regisseur beispielsweise das perfekte Zuhause für Vreneli Marti gefunden, der von Aline Beetschen gespielten Hauptfigur aus dem Drama des 1819 in Zürich geborenen Autors. «Nicht weit entfernt steht das passende Bauernhaus der Familie Manz und dazwischen ein Hochgarten. Hier finden die Streitereien zwischen den verfeindeten Familien statt.» Mit dem Dorfplatz vor dem Brunnen bietet sich dem Regisseur eine perfekte Bühne, um die archetypische Geschich- te zwischen Liebe und Familienzwist mit Leben zu füllen. Zweiter Akt: Das Inszenieren im Freien «Als das Stück im 1991 zum ersten Mal im Ballenberg aufgeführt wurde, wurde es als Wandertheater inszeniert», weiss Andreas Zimmermann. Seine Inszenierung bezieht sich zwar auf die damalige Theaterfassung von Heinz Stalder, findet aber ausschliesslich auf dem Dorfplatz mit dem Brunnen und dem Hochgarten zwischen den zwei Bauern- häusern statt – inklusive Innenszenen wie aus der Amtsstube oder den Passagen am See. Wie der Regisseur diese nicht ganz einfache Aufgabe löst, verrät er noch nicht. «Das Frei- lichttheater wird auf eine Art die Dimension eines Films erhalten», lässt er durchblicken. «Unter anderem auch deshalb, weil die Akteure den Schauplatz von unterschied- lichen Seiten betreten und bespielen werden.» Dafür wird die Bühne ganz nah an den Bach gerückt und die 700 Zuschauerplätze steil nach oben angeordnet. Das Publikum soll nah am Geschehen sein, selbst wenn die Freilichtbühne eine grossartig grosse Spiel- fläche aufweist. Dritter Akt: Die Rolle der Schauspielenden «Sie sind richtige Profis im Landschafts- theater», meint Regisseur Andreas Zimmer- mann über die Schauspielerinnen und Schau- spieler des Vereins Landschaftstheater Ballenberg. Er selbst hat als Darsteller in Freilichtspielen mitgewirkt und weiss, wie wichtig beispielsweise die deutliche und laute Aussprache ist. «Weil alle Beteiligten des Vereins mitspielen werden, gelingt es sehr gut, das Dorfleben nachzustellen», streicht Andreas Zimmermann heraus. Auf Archiv- aufnahmen früherer Stücke des Landschafts- theaters entdeckte er Aline Beetschen und erkannte gleich ihr Talent. Als Absolventin im Abschluss des Theaterstudiums an der Hochschule der Künste Bern ist sie für die Rolle des Vreneli wie geschaffen. «In der aktuellen Inszenierung lege ich das Haupt- gewicht auf das Liebespaar», erklärt Andreas Zimmermann. Wie im Landschaftstheater Ballenberg üblich werden für Hauptrollen professionelle Schauspielende engagiert. «Alle anderen Rollen werden perfekt mit den bestehenden Laienschauspielenden besetzt», fasst Andreas Zimmermann zusammen. «Uns fehlte also nur noch der Sali.» Vierter Akt: Die Kunst des Regisseurs «Wir haben ein Casting durchgeführt, um den professionellen Hauptdarsteller zu fin- den», erklärt Aline Beetschen, die bei der Aus- wahl ein gewichtiges Wort mitreden konnte. «Es ist wichtig, dass die Chemie stimmt, damit wir die Emotionen in den Szenen auf natür- liche Weise wiedergeben können», macht die Ringgenbergerin klar. Mit dem erfolgreichen Jungschauspieler Saladin Dellers habe es von Anfang an einfach funktioniert. «Das macht das Spielen sehr viel einfacher», fährt Aline Beetschen fort. Dass Andreas Zimmermann auf der einen Seite viel Freiraum für die Kunst der Darstellerinnen und Darsteller lässt, aber gleichzeitig ganz klare Vorstellungen 1 Landschaftstheater Ballenberg Vorverkauf: Telefon 033 952 10 44 (Dienstag bis Freitag von 14.00 bis 17.00 Uhr) www.landschaftstheater-ballenberg.ch 1 Der Regisseur Andreas Zimmermann inszeniert die Geschichte der zwei Liebenden in einem kleinen Dorf bei Seldwyla mit der Ringgenbergerin Aline Beetschen in der weiblichen Hauptrolle. 2 Andreas Zimmermann fand im «Zürcher Unterland» den perfekten Standort, der auch zeitlich und geografisch zu Gottfried Keller passt. Fotos: Patrick Schmed 3 Der Freitod zweier unglücklich Verliebten inspirierte Gottfried Keller zu seinem um 1850 erstmals veröffentlichten Roman. Foto: Markus Flück 2 über die Szenengestaltung hat, macht die Arbeit schöpferisch ergiebig. «Man merkt, dass er über Erfahrung im Musiktheater verfügt», beobachtet die junge Künstlerin. «Er nutzt den Schauplatz auf die beste Weise und bringt die Charaktere mit einer grossen Tiefe zum Tragen», sagt sie. «So konnten wir in kurzer Zeit sehr viel erarbeiten und sind auf gutem Weg.» Fünfter Akt: Die Details verbinden Dass es Andreas Zimmermann gelungen ist, den Kern aus Gotthelfs Roman zeitlos in die moderne Zeit zu übertragen, erfüllt Aline Beetschen mit Bewunderung. Positiv über- rascht ist sie deshalb auch über die Kostüme. «Ich trage ein tolles Sommerkleid und dazu eine moderne Frisur mit Zöpfen», schildert sie. «Das passt zu Kellers Zeit, aber man sieht auf dem Land immer noch Menschen, denen ähnliche Kleidung sehr gut steht.» Während der Theaterausbildung hätte sie das Stück als modern-kontroverse Interpretation erlebt – im Grossstadtblock in Boxerstiefeln. «Das wäre hier wohl zum Stein des Anstosses ge- worden», schätzt Aline Beetschen. Doch auch wenn Stolpersteine im Stück eine wichtige Rolle spielen und während dem Zwist zwischen den Familien sogar über die Garten- zäune gegen Personen fliegen, will das Land- schaftstheater verbinden – über Altersgrenzen, Standesstufen, Kantönligeist oder festgefah- rene Wertvorstellungen hinweg. Beim Blick in die Entstehung der modernen und doch volkstümlich gebliebenen Inszenierung wird klar, dass dies dem Landschaftstheater Ballenberg auch dieses Jahr bravourös gelingen wird. Nr. 171416, online seit: 15. Mai – 15.03 Uhr 3 VORFÜHRUNGEN «Romeo und Julia auf dem Dorfe» im Landschaftstheater Ballenberg Die Premiere geht am Mittwoch, 3. Juli, über die Bühne. Die Vorstellungen finden jeweils Mittwoch bis Samstag vom 3. Juli bis am 17. August statt. Der Vorverkauf läuft seit dem 1. Mai.

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16 | Jungfrau Zeitung Anzeiger 17 | Jungfrau Zeitung Anzeiger

Auf einem Dorfplatz, wie er im Buche stehtNach den klaren Umrissen in Gottfried Kellers Handschrift zeichnet das Landschaftstheater Ballenberg mit feinen Pinselstrichen die Geschichte von «Romeo und Julia auf dem Dorfe» in die Zeitlosigkeit wieder. Ein Blick auf einen der spannendsten Theaterschauplätze des kom-menden Sommers in fünf Akten.

von Patrick Schmed

BALLENBERG Viele kennen die Handlung aus ihrer Schulzeit, in gelben Pappbuchdeckeln gebunden als literarisches Werk aus dem Deutschunterricht. Gottfried Kellers «Romeo und Julia auf dem Dorfe» ist ein Klassiker der Schweizer Literatur, geschrieben im 19. Jahrhundert mit Inhalten, die sich noch heute auf einem Dorfplatz in einem ländlichen Dorf abspielen könnten. Der Acker zwischen den beiden Feldern von Manzes und Martis wird zum Stein des Anstosses, und die verfein­

deten Familien sorgen mit Missgunst dafür, dass ihre Kinder Vreneli und Sali ihre Liebe nicht leben können – mit tragischem Ausgang. Wie die ganze Begebenheit mit feinen Pinsel­strichen so nachgezeichnet wird, dass sie erfrischend neu und doch bewährt gut wirkt, erzählen Regisseur Andreas Zimmermann und die Ringgenberger Schauspielerin Aline Beetschen in fünf Akten.

Erster Akt: Das Finden des Schauplatzes«Der Schauplatz passt voll und ganz zur Zeit und zur Herkunft von Gottfried Keller», schwärmt Andreas Zimmermann.

Mit dem Weinbauernhaus aus Richterswil von 1780 hat der Regisseur beispielsweise das perfekte Zuhause für Vreneli Marti gefunden, der von Aline Beetschen gespielten Hauptfigur aus dem Drama des 1819 in Zürich geborenen Autors. «Nicht weit entfernt steht das passende Bauernhaus der Familie Manz und dazwischen ein Hochgarten. Hier finden die Streitereien zwischen den verfeindeten Familien statt.» Mit dem Dorfplatz vor dem Brunnen bietet sich dem Regisseur eine perfekte Bühne, um die archetypische Geschich­te zwischen Liebe und Familienzwist mit Leben zu füllen.

Zweiter Akt: Das Inszenieren im Freien«Als das Stück im 1991 zum ersten Mal im Ballenberg aufgeführt wurde, wurde es als Wandertheater inszeniert», weiss Andreas Zimmermann. Seine Inszenierung bezieht sich zwar auf die damalige Theaterfassung von Heinz Stalder, findet aber ausschliesslich auf dem Dorfplatz mit dem Brunnen und dem Hochgarten zwischen den zwei Bauern­häusern statt – inklusive Innenszenen wie aus der Amtsstube oder den Passagen am See. Wie der Regisseur diese nicht ganz einfache Aufgabe löst, verrät er noch nicht. «Das Frei­lichttheater wird auf eine Art die Dimension eines Films erhalten», lässt er durchblicken. «Unter anderem auch deshalb, weil die Akteure den Schauplatz von unterschied ­ lichen Seiten betreten und bespielen werden.» Dafür wird die Bühne ganz nah an den Bach gerückt und die 700 Zuschauerplätze steil nach oben angeordnet. Das Publikum soll nah am Geschehen sein, selbst wenn die Freilichtbühne eine grossartig grosse Spiel­fläche aufweist.

Dritter Akt: Die Rolle der Schauspielenden«Sie sind richtige Profis im Landschafts­theater», meint Regisseur Andreas Zimmer­mann über die Schauspielerinnen und Schau ­ spieler des Vereins Landschaftstheater Ballenberg. Er selbst hat als Darsteller in Freilichtspielen mitgewirkt und weiss, wie wichtig beispiels weise die deutliche und laute Aussprache ist. «Weil alle Beteiligten des Vereins mitspielen werden, gelingt es sehr gut, das Dorfleben nachzustellen», streicht Andreas Zimmermann heraus. Auf Archiv­aufnahmen früherer Stücke des Landschafts­theaters entdeckte er Aline Beetschen und erkannte gleich ihr Talent. Als Absolventin im Abschluss des Theater studiums an der Hochschule der Künste Bern ist sie für die Rolle des Vreneli wie geschaffen. «In der aktuellen Inszenierung lege ich das Haupt­gewicht auf das Liebespaar», erklärt Andreas Zimmermann. Wie im Landschafts theater Ballenberg üblich werden für Haupt rollen professionelle Schauspielende engagiert. «Alle anderen Rollen werden perfekt mit den bestehenden Laienschauspielenden besetzt», fasst Andreas Zimmermann zusammen. «Uns fehlte also nur noch der Sali.»

Vierter Akt: Die Kunst des Regisseurs«Wir haben ein Casting durchgeführt, um den professionellen Hauptdarsteller zu fin­den», erklärt Aline Beetschen, die bei der Aus­wahl ein gewichtiges Wort mitreden konnte. «Es ist wichtig, dass die Chemie stimmt, damit wir die Emotionen in den Szenen auf natür­liche Weise wiedergeben können», macht die Ringgenber gerin klar. Mit dem erfolgreichen Jungschauspieler Saladin Dellers habe es von Anfang an einfach funktioniert. «Das macht das Spielen sehr viel einfacher», fährt Aline Beetschen fort. Dass Andreas Zimmermann auf der einen Seite viel Freiraum für die Kunst der Darstellerinnen und Darsteller lässt, aber gleichzeitig ganz klare Vorstellungen

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Landschaftstheater Ballenberg Vorverkauf: Telefon 033 952 10 44 (Dienstag bis Freitag von 14.00 bis 17.00 Uhr) www.landschaftstheater-ballenberg.ch

1 Der Regisseur Andreas Zimmermann inszeniert die Geschichte der zwei Liebenden in einem kleinen Dorf bei Seldwyla mit der Ringgenbergerin Aline Beetschen in der weiblichen Hauptrolle. 2 Andreas Zimmermann fand im «Zürcher Unterland» den perfekten Standort, der auch zeitlich und geografisch zu Gottfried Keller passt. Fotos: Patrick Schmed 3 Der Freitod zweier unglücklich Verliebten inspirierte Gottfried Keller zu seinem um 1850 erstmals veröffentlichten Roman. Foto: Markus Flück

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über die Szenengestaltung hat, macht die Arbeit schöpferisch ergiebig. «Man merkt, dass er über Erfahrung im Musiktheater verfügt», beobachtet die junge Künstlerin. «Er nutzt den Schauplatz auf die beste Weise und bringt die Charaktere mit einer grossen Tiefe zum Tragen», sagt sie. «So konnten wir in kurzer Zeit sehr viel erarbeiten und sind auf gutem Weg.»

Fünfter Akt: Die Details verbindenDass es Andreas Zimmermann gelungen ist, den Kern aus Gotthelfs Roman zeitlos in die moderne Zeit zu übertragen, erfüllt Aline Beetschen mit Bewunderung. Positiv über­rascht ist sie deshalb auch über die Kostüme. «Ich trage ein tolles Sommerkleid und dazu eine moderne Frisur mit Zöpfen», schildert sie. «Das passt zu Kellers Zeit, aber man sieht auf dem Land immer noch Menschen, denen ähnliche Kleidung sehr gut steht.» Während der Theaterausbildung hätte sie das Stück als modern­kontroverse Interpretation erlebt – im Grossstadtblock in Boxerstiefeln. «Das wäre hier wohl zum Stein des Anstosses ge­worden», schätzt Aline Beetschen. Doch auch wenn Stolpersteine im Stück eine wichtige Rolle spielen und während dem Zwist zwischen den Familien sogar über die Garten­zäune gegen Personen fliegen, will das Land­schaftstheater verbinden – über Altersgrenzen, Standesstufen, Kantönligeist oder festgefah­rene Wertvorstellungen hinweg. Beim Blick in die Entstehung der modernen und doch volkstümlich gebliebenen Inszenierung wird klar, dass dies dem Landschaftstheater Ballenberg auch dieses Jahr bravourös gelingen wird.Nr. 171416, online seit: 15. Mai – 15.03 Uhr

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VORFÜHRUNGEN

«Romeo und Julia auf dem Dorfe» im Landschaftstheater Ballenberg Die Premiere geht am Mittwoch, 3. Juli, über die Bühne.

Die Vorstellungen finden jeweils Mittwoch bis Samstag vom 3. Juli bis am 17. August statt.

Der Vorverkauf läuft seit dem 1. Mai.