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Skript zur Vorlesung Aufbau technischer Werkstoffe Prof. Dr.-Ing. H.-J. Christ Fakultät IV, Department Maschinenbau Lehrstuhl für Materialkunde und Werkstoffprüfung Universität Siegen

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Skript zur Vorlesung

Aufbau technischer Werkstoffe

Prof. Dr.-Ing. H.-J. Christ

Fakultät IV, Department Maschinenbau

Lehrstuhl für Materialkunde und

Werkstoffprüfung

Universität Siegen

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Inhalt

1. Bindung der Atome im Festkörper ................................................................. 6

1.1 Ionenbindung ............................................................................................ 8

1.1.1 Quantitative Behandlung der Gitterenergie im Gitterkristall .................. 9

1.1.2 Experimentelle Überprüfung der berechneten Bindungsenergie ......... 15

1.1.3 Stabilität der Strukturen, Ionenradienverhältnis .................................. 16

1.2 Die kovalente (homöopolare) Bindung .................................................... 19

1.3 Die metallische Bindung .......................................................................... 24

1.3.1 Typische Eigenschaften der Metalle .................................................. 24

1.3.2 Legierungsmischkristalle ................................................................... 25

1.4 Van – der – Waals – Bindung ................................................................... 30

1.5 Die Wasserstoffbrücken – Bindung ......................................................... 33

2. Grundzüge der Elektronentheorie der Metalle ............................................. 34

2.1 Die klassische Elektronentheorie (Drude, Lorenz) ................................... 34

2.2 Einfache quantenmechanische Betrachtung ........................................... 36

2.3 Zustandsdichte, Fermiverteilung ............................................................. 38

2.4 Das Bändermodell, Energielücken ........................................................... 40

3. Grenzflächen ................................................................................................ 43

3.1 Übersicht ................................................................................................. 43

3.2 Die Energie von Grenzflächen ................................................................. 44

3.3 Fremdatomadsorption an Grenzflächen .................................................. 48

3.4 Gekrümmte Grenzflächen ....................................................................... 49

3.5 Grenzflächenbestimmte Gleichgewichtsformen ...................................... 51

4. Thermodynamik der Legierung ..................................................................... 53

4.1 Zielsetzung, Vorgehensweise .................................................................. 53

4.2 Grundbegriffe .......................................................................................... 53

3

4.3 Molare spezifische Wärme ...................................................................... 55

4.4 Phasengleichgewicht in Einstoffsystemen ............................................... 57

4.5 Mehrstoffsysteme ................................................................................... 59

4.5.1 Mischungsgrößen .............................................................................. 59

4.5.2 Ideale und nichtideale Lösung ........................................................... 62

4.5.3 Methode zur Bestimmung partieller molarer Größen ....................... 64

4.6 Modell der regulären Lösung für binäre Mischphasen ............................ 66

4.6.1 Das Modell ........................................................................................ 66

4.6.2 Berechnung der integralen molaren Mischungsenthalpie ................. 67

4.6.3 Bestimmung der Mischungsenthalpie ......................................... 69

4.7.4 Die freie Enthalpie der Mischung ................................................ 70

4.8 Phasengleichgewicht und Zustandsdiagramm ......................................... 73

4.8.1 Gleichgewichtsbedingungen ............................................................. 73

4.8.2 Mischungslücken ............................................................................... 74

4.8.3 Eutektische Systeme ......................................................................... 76

5. Atomare Fehlstellen im Kristall ..................................................................... 78

5.1 Übersicht: Klassifizierung, Bedeutung für Diffusion ................................. 78

5.2 Messverfahren ........................................................................................ 80

5.3 Gleichgewichtskonzentration atomarer Fehlstellen ................................ 82

5.3.1 Einfache Leerstellen (Kennzeichnung: 1v) ........................................... 82

5.3.2 Leerstellenpaare (Doppelleerstellen) ................................................ 84

5.3.3 Wechselwirkung zwischen Leerstellen und Fremdatomen ................ 85

5.3.4 Fehlstellenkonzentration in stöchiometrischen Verbindungen ......... 85

5.3.5 Einfluß von mechanischem Druck...................................................... 86

5.4 Thermisch aktivierte Fehlstellenwanderung durch Platzwechsel ............ 87

6. Diffusion ....................................................................................................... 90

6.1 Ficksche Gesetze ..................................................................................... 90

6.2 Lösungen für konstanten Diffusionskoeffizient ....................................... 91

4

6.3 Diffusion durch Leerstellenmechanismus ................................................ 93

6.4 Chemischer Potentialgradient als Triebkraft der Diffusion ...................... 95

6.5 Korrelationseffekt ................................................................................... 95

6.6 Elektrischer Potentialgradient als Triebkraft ........................................... 96

6.7 Kirkendall – Effekt ................................................................................... 97

5

Literatur:

F. Vollertsen, S. Vogler: Werkstoffeigenschaften und Mikrostruktur,

Hanser Fachbuchverlag, 1989

A. H. Cottrell: An Introduction to Metallurgy, Hodder & Stoughton

Educational, 1967

D. A. Porter, K. E. Easterling, M. Y. Sherif: Phase Transformations in

Materials and Alloys, Routledge, 2009

P. Haasen: Physikalische Metallkunde, Springer, 2013

G. Gottstein: Physikalische Grundlagen der Materialkunde, Springer,

2001

H. Mehrer: Diffusion in Solids, Springer, 2007

uvm

6

1. Bindung der Atome im Festkörper

Fragen:

- Was bestimmt die (Gitter-) Struktur?

- Was hält die Gitterbausteine zusammen?

Aufgrund der Festigkeit bzw. Härte vieler Festkörper kann man schließen, dass

erhebliche Kräfte wirken. Bindungskräfte halten die Bausteine zusammen. Es

bedarf eines großen Energieaufwandes, um die Bausteine voneinander zu

trennen.

Man spricht von Bindungs- oder Gitterenergie.

Dies ist die Energie, die zur Abtrennung neutraler Atome (Ionen) aus dem

Festkörper bei T = 0 K aufzuwenden ist.

Oder präziser:

Bindungsenergie ist die Differenz zwischen der Energie der Atome/Ionen im

Festkörper und der Energie der freien Atome/Ionen (unendlicher Abstand).

allgemein:

Energiedifferenz = Energie des Endzustands – Energie des Anfangszustands

Einheiten:

bzw.

bzw.

1 cal = 4,2 J

1 eV = 3,85 ∙ 10-23 kcal = 1,6 ∙ 10-23 kJ

Loschmidt – Zahl: N = 6,022 ∙ 1023

1

≈ 100

Da bei der Bindungsenergie eine Energieerniedrigung vorliegt, sind alle

Bindungsenergien negativ definiert.

7

M

P

V

K

Halbleiter

Supraleiter

Silikone

Leitfähige Polymere

Alle Bindungsarten beruhen letztendlich auf einer elektrischen

Anziehungskraft, wie sie auch zwischen dem positiven Atomkern und der

Elektronenhülle wirkt. Allerdings tritt sie in unterschiedlichen Formen auf, mit

fließenden Übergängen.

Formen der Bindung:

- Van der Waals - Bindung Sehr schwache Bindung

Niedriger Schmelzpunkt

- Kovalente Bindung - Metallische Bindung - Ionenbindung }

Starke Bindung,

Hoher Schmelzpunkt > 1000 K

Mischformen:

- Keramik: Ionen-Bindung (u. kovalente Bindung)

- Metalle: Metallische Bindung (u. kovalente Bindung)

Zusammenhang von Werkstoffgruppen und Bindungstypen:

M: Metalle → metallische Bindung

K: Keramik → kovalente Bindung

P: Polymere → Kettenmoleküle

V: Verbundwerkstoff → Kombination

8

1.1 Ionenbindung

Die Ionenbindung ist besonders gut geeignet für quantitative Berechnungen.

Sie beruht auf der Differenz der Elektronegativität, d.h. dem Bestreben eines

Atoms Elektronen aufzunehmen (oder abzugeben), um die

Edelgaskonfiguration zu erhalten.

Beispiele:

Na 11: 1s22s22p63s1 Na +: [1s22s22p6]++e-

Cl 17: 1s22s22p63s23p5+e- Cl -: [1s22s22p63s23p6]-

oder:

Li 3: 1s22s1 Li +: [1s2]++e-

F 9: 1s22s22p5+e- F -: [1s22s22p6]-

Aber: Um die Ionen herzustellen, muss Energie aufgewandt werden:

z.B.:

Na +: Energieaufwand/ Ionisierungsenergie: Cl -: Elektronenaffinität wird frei:

Gesamter Energieaufwand

Allerdings muss noch berücksichtigt werden, dass die unterschiedlich

geladenen Ionen sich anziehen. Durch die Coulomb-Kraft rücken die Ionen

zusammen, die Kraft leistet Arbeit, die potentielle Energie wird erniedrigt.

9

1.1.1 Quantitative Behandlung der Gitterenergie im Gitterkristall

a) Anziehung, Coulomb – Energie

Coulomb – Kraft zwischen zwei Ionen der Ladung Q1 und Q2

Vektoriell: F =

Betrag: F =

mit ,

(Dielektrische Feldstärke) =

= Wertigkeit des Ions

= Elektronenladung

= Ionenabstand

Bei NaCl und LiF:

Gewinn an Energie bei Annäherung aus ∞:

gilt für ein Ionenpaar:

Die Ionenbindung hat eine große Reichweite (1/r Abhängigkeit) und macht die

Einbeziehung der weiterentfernten Nachbarn erforderlich.

Betrachtung für einen Kristall:

2N Ionen; N – Ionenpaare; N = NL (1mol)

10

Über die Doppelsumme wird einmal über alle auftretenden Abstände von

einem Ion aus summiert, zum anderen über alle Ionen im Kristall. Durch den

Faktor

wird die Doppelzählung der Ionenpaare ausgeglichen.

ist ein Vielfaches von , dem Abstand nächster Nachbarn

M : Madelungzahl,

Sie ist eine reine Zahl (Konstante) und hängt nur von der Kristallstruktur ab.

M = 1 heißt: kein energetischer Unterschied zwischen Einzelpaaren und Kristall!

Beispiel: NaCl

Im Zentrum des Kristallsystems sitzt ein Na+

11

Nachbartyp Zahl Abstand Kraft Bindungsenergie

1 6 Cl - Anziehend

2 12 Na + Abstoßend

3 8 Cl - Anziehend

4 6 Na + Abstoßend

… … … … …

Die Reihe für die Madelung – Konstante konvergiert schlecht. Zur Berechnung

gibt es besondere Verfahren.

Man erhält:

- ZnS (Wurzit, hexagonal)

- ZnS (Zinkblende, kubisch)

- CsCl

- NaCl

Kristalliner Zustand ist im Vergleich zum Molekül mit deutlich geringerer

Energie verbunden, d.h. ist energetisch günstiger. Beim Aufbau des

Ionenkristalls wird immer Energie freigesetzt. Die Verdampfung des

Kristalls zu einem aus Ionen bestehenden Gas erfordert Energiezufuhr.

Berechnet man die Gitterenergie aus für , so erhält man etwa

einen 10 % zu hohen Wert. Der Grund ist, dass diesem Vorgehen die implizite

Annahme zugrunde liegt, dass bei eine abstoßende Wechselwirkung

abrupt einsetzt.

12

E

r

r0

Bisher: Ionen sind „Hard spheres“ (harte Kugeln)

b) Abstoßungspotential mit kurzer aber endlicher Reichweite

Ursache ist die Überlappung der Elektronenschalen. Die Reichweite ist im

Wesentlichen durch den nächsten Nachbarn bestimmt.

Ansätze:

Born-Lande: Born-Mayer:

Merkmale: 2 Parameter; positiv

Hinweis:

Anders als bei der Coulombenergie ist die abstoßende Wechselwirkung so

kurzreichweitig, dass sie sich auf die nächsten Nachbarschaften beschränkt.

13

Man erhält:

r

r0

z.B. für Born – Lande:

Bestimmung von B und n aus experimentellen Größen.

Gesucht: Gleichgewichtsabstand

d.h. Kräftefreiheit im Minimum

Einsetzen in liefert für die Gitterenergie :

Eges

EB

14

Analoge Berechnung für das Born – Mayer – Potential liefert:

Bestimmung (z.B. von n) über dem Kompressionsmodul K:

Mit : Kompressibilität

Beispiel NaCl:

Ionen

Ergebnis:

→ Berechnung von !

Hinweis:

- Elastische Konstanten werden von der Krümmung der – Kurve

bestimmt

- Sind nicht konstant!

15

1.1.2 Experimentelle Überprüfung der berechneten Bindungsenergie

Die Gitterenergie kann nun berechnet werden. Die experimentellen Werte

können indirekt über den Born – Haber – Zyklus ermittelt werden:

Born – Haber – Zyklus:

Sublimationswärme

½ Dissotiationsenergie

Gitterenergie

(fest)

Zahlenwerte:

[eV] 1. 1. 2. 3. 4.

1. Kaloriemetrisch

2. Diss.-Konst.

3. Ionisierungsmessung, z.B. Photoeffekt

4. Ionisierungsenergie des neg. Ions

Tabelle:

Verbindung Berechnet Experimentell

8,4 8,6

8,0 7,9

7,1 7,1

6,9 7,0

6,5 6,7

→ Gute Übereinstimmung!

Elektronenaffinität

Ionisationsenergie

Bildungsenthalpie

16

1.1.3 Stabilität der Strukturen, Ionenradienverhältnis

Wichtig für die Stabilität einer Struktur ist, dass die Energie die denkbar

niedrigste ist.

Dafür sind maßgeblich:

- hohe Koordinationszahl (d.h. hohe Madelungzahl)

- kleines (d.h. hohe Coulombenergie)

Möglichkeit für die Anordnung der Ionen in Kristallen:

– Kristallstruktur (krz) → 8 nächste Nachbarn

– Kristallstruktur (kfz) → 6 nächste Nachbarn

– Kristallstruktur (Diamant) → 4 nächste Nachbarn

CsCl – Kristallstruktur NaCl – Kristallstruktur ZnS - Kristallstruktur

Um zu verstehen, wieso eine bestimmte Verbindung in einer bestimmten

Struktur kristallisiert, betrachteten Goldschmidt, Pauling die Radienverhältnisse

im Modell starrer Kugeln.

Der Ionenabstand ungleicher Ionen soll so klein wie möglich sein, da dann die

Bindungsenergie am größten ist, d.h. die positiven und negativen Ionen sollten

sich berühren.

Entscheidend für die Kristallstruktur nach Goldschmidt, Pauling ist das

Radienverhältnis:

17

Beispiel NaCl-Struktur: (001) – Ebene

Berührung zwischen ungleichen Ionen (Anion ist größer als Kation):

→ günstig!

Berührung gleicher Ionen:

→ energetisch ungünstig!

18

Grenzfall: Berührung von gleichen und ungleichen Ionen:

→ Die NaCl – Struktur wird ungünstig, wenn sich nur gleiche Ionen berühren

würden. Dies wäre der Fall für:

Entsprechend kann man zeigen, dass die CsCl – Struktur ungünstig wird, wenn:

Ebenso gilt für die ZnS-Struktur, dass diese ungünstig wird, wenn:

19

Insgesamt erwartet man also:

CsCl KZ 8

NaCl KZ 6

ZnS KZ 4

Beispiele:

- NaCl – Struktur: NaCl, MgO, FeO, NiO

- CsCl – Struktur: CsCl, BaO

- ZnS – Struktur: ZnS, BeO

Merke: 1:1–Ionenkristalle sind meist vom Typ NaCl

1.2 Die kovalente (homöopolare) Bindung

Im Gegensatz zur Ionenbindung handelt es sich um eine Bindung zwischen

gleichartigen oder ähnlichen Atomen. Sie trifft auf bei Stoffen mit hohem

Schmelzpunkt, d.h. großer Kohäsionsenergie. Häufig handelt es sich um

Halbleiter oder Isolatoren.

Mit kleiner werdendem horizontalem Abstand im Periodensystem wird die

Differenz der Elektronegativität geringer. Dies entspricht einer zunehmenden

Entfernung von der Edelgaskonfiguration und einer geringeren Tendenz zur

Lokalisierung der Elektronen bei einem der Ionen. Gleichzeitig nimmt die

Tendenz zur Bildung gemeinsamer Elektronenpaare zu.

Bilden 2 Atome nur ein gemeinsames Elektronenpaar, so ergeben sich kovalent

gebundene Moleküle (z.B. ). Bilden sich mehrere Elektronenpaare zur

Erreichung einer edelgasähnlichen Konfiguration, so ergibt sich ein Gitter. Da

die Elektronenwellenfunktionen lokalisiert sind, ist die lokale Bindung stark

gerichtet. Maßgeblich ist deshalb die günstige Richtung und nicht die dichteste

Packung.

20

Für die Koordinationszahl gilt die Regel, da

Mit

N: Anzahl der Valenzelektronen pro Atom

Wasserstoff: (da K – Schale nur 2 Elektronen aufnehmen kann!)

Wichtig:

- → C (Diamant), Ge, Si;

- → As;

Typische Vertreter:

- Diamant (C), Ge, Si

- Ⅲ - Ⅴ Halbleiter: InSb, GaAs

Wichtig ist die Hybridisierung der s – und p – Elektronen, verbunden mit der

Bildung von Tetraedern mit geringer Raumerfüllung (z.B. 0,34 beim Diamant)

im Gegensatz zur dichtesten Packung (0,74).

21

Beispiel: Kohlenstoffatom

Vier Valenzelektronen

Das Kohlenstoffatom müsste eigentlich 2 – wertig sein. Tatsächlich tritt jedoch

beim Zusammentreffen mit einem Bindungspartner Hybridisierung ein.

Freies C – Atom:

Grundzustand: hybridisierter Zustand:

Grundzustand

Hybridisierter Zustand – Orbitale

Die Anregung erfordert 4 eV, aber der Gewinn ist viel höher aufgrund der

hohen Bindungsenergie, die frei wird.

Die – Hybridorbitale ordnen sich streng gerichtet, von C-Atomen

ausgehend, unter dem Valenzwinkel von 109,5 °. Die Elektronenpaare sind

zwischen den Atomen lokalisiert mit antiparallelem Elektronenspin!

4 sp3 – Orbitale

2 s2

2 sy

2 sx

22

E E

0

-3eV

Beispiel:

Kohlenstoffbindung im Diamantgitter:

Molekül:

Molekül, theoretisch sehr gut zu verstehen

Molekularbitaltheorie liefert:

σ*1s

1s 1s

σ1s

23

Bindungsenergie: spinabhängige Coulombenergie (Austauschenergie)

Triplettzustand:

- Spin parallel

- antibindend

Singulettzustand:

- Spin antiparallel

- bindend

→ Elektronen sind bevorzugt zwischen den Atomen!

→ Die Spins sind ↑↓!

Hinweis: Zwischen den Grenzflächen ionischer und kovalenter Bindung, gibt es

fast einen kontinuierlichen Übergang, d.h. z.B. kovalente Bindung mit

ionischem Anteil.

Beispiele:

B

Hochschmelzend, sehr hart!

Bereits erwähnt Mit

- Tetraeder Grundbaustein der kristallinen Silikate

24

1.3 Die metallische Bindung

1.3.1 Typische Eigenschaften der Metalle

- Metalle sind Elektronenleiter (Tolman-Experiment)

(Es liegen freie Elektronen vor.)

- Metalle zeigen Tendenz zur dichtesten Packung

- Metalle sind gut verformbar, besitzen hohe thermische Leitfähigkeit

und hohes Reflexionsvermögen

- Bindungsenergie variiert stark, von ca. 1 (Alkalimetalle) bis 15

(Übergangsmetalle)

- Bei sind keine abgesättigten kovalenten Strukturen (Isolatoren)

möglich

- Metalle besitzen weniger als 4 Außenelektronen

Potentialtrichtermodell:

+ + + + + +

3s

2pE

Freie Atom 2 Atome viele Atome

Die Energieniveaus der Elektronen der äußeren Schalen spalten sich wegen der

Überlappung in eng benachbarte Niveaus auf, die ein Band bilden, das nur

teilweise besetzt ist und somit Stromtransport ermöglicht.

Die Elektronen des „Elektronengases“ gehören zu allen Atomen, sie sind nicht

lokalisiert. Daher ist die Bindung ungerichtet. Sie existiert aus der

Wechselwirkung des Elektronengases mit den lokalisierten Atomrümpfen!

→ Tendenz zur dichtesten Packung

kfz: 74% dichtest gepackt, Z = 12, (Stapelfolge ABC, ABC, …)

hex: 74% dichtest gepackt, Z = 12, (Stapelfolge ABABAB…)

Krz: 68%, Z = 8

25

Beispiele:

1) Alkalimetalle: 1 Elektron pro Atom im Elektronengas. Die positiven

Ionen sind eingebettet im „See“ aus negativen Ladungen!

2) Übergangsmetalle: zusätzliche Bindungskräfte durch hohe

Bindungsenergie wegen innerer ungefüllter d – Schalen

Kennzeichnung der metallischen Bindung:

Abgabe der Valenzelektronen an gemeinsamen „Pool“ (Elektronengas,

Fermisee, Leitungsband)

→ In diesem Sinne handelt es sich um einen „Extremfall der kovalenten

Bindung“

Eine besondere Eigenschaft der Metalle ist ihre Fähigkeit zur

Legierungsbildung.

Im Wesentlichen gibt es zwei Arten:

1) Legierungsmischkristalle

2) Intermetallische Verbindungen

1.3.2 Legierungsmischkristalle

a) Substitutionsmischkristalle

lückenlose Mischkristallreihe:

Beispiel:

Atomradien Ag/ Au 0,144/ 0,144 kfz/ kfz

Cu/ Ni 0,128/ 0,125 kfz/ kfz Cr/ Mo 0,125/ 0,136 krz/ krz

begrenzte Mischbarkeit:

Beispiel:

Cu – Zn 0,128/ 0,133 kfz/ hex

Ni – Ag 0,125/ 0,144 kfz/ kfz

26

Daraus ergeben sich als Gesetzmäßigkeiten, dass

1) gleiche Gitterstruktur und

2) ähnliche Atomradien,

eine Voraussetzung für Mischbarkeit sind!

Regeln von Hume – Rothery für Strukturen in binären Legierungen:

1) Voraussetzung für gute Löslichkeit ist, dass sich die Atomgröße um nicht

mehr als 15 % unterscheidet:

Sonst wird der Gewinn an Energie durch Lösung von dem Aufwand an

Verzerrungsenergie überkompensiert.

Für unbegrenzte Löslichkeit gilt:

2) Unbegrenzte Löslichkeit ist nur bei Elementen gleicher Gitterstruktur zu

erwarten.

Beispiele:

- Cu/ Ni (binär)

- Ag – Au – Pt (ternär)

3) Die Löslichkeit zweier Metallatomsorten nimmt ab mit zunehmender

chemischer Affinität der beiden Atomsorten (unterschiedliche

Elektronegativität). Bei großer Affinität kommt es zur Bildung charakteristischer

Verbindungen mit ionischem Bindungsanteil.

4) Bedeutung der Valenzelektronenkonzentration (VEK)

27

Bei bestimmten VEK treten intermetallische Verbindungen bestimmter

Zusammensetzung und Kristallstruktur auf (sog. Elektronenphasen).

Bei Legierungen zweier Metalle verschiedener Wertigkeit ändert sich die VEK.

Mit zunehmender VEK kommt es zu einer bestimmten Aufeinanderfolge der

Phasen/ Strukturen.

Bekanntestes Beispiel für Hume – Rothery Phasen:

Cu – Zn: Cu: 1 – wertig Zn: 2 – wertig

kfz kfz bis 38 % Zn β (krz) γ (kompl. kub.) El. Zelle

ε (hdp) hdp

VEK 1 … 1,384 … 1,5 … 1,65 1,75 2

28

β – Messing ɣ – Messing

Zu den am häufigsten vorkommenden intermetallischen Verbindungen

gehören die Laves-Phasen:

- → hexagonale Struktur

- → kubische Struktur

Wesentlich für solche Strukturen vom Typ ist:

Dadurch wird eine sehr dichte Packung erreicht, mit einer mittleren

Koordinationszahl 13,3!

29

Typische Merkmale:

- spröde bei Raumtemperatur

- hohe elektrische Leitfähigkeit

b) Einlagerungsmischkristall

Voraussetzung ist hier, dass im Grundmetall Lücken ausreichender Größe sind,

in denen kleine Atome, vor allem Nichtmetallatome (Metalloide) auf

Zwischengitterplätzen eingelagert werden können:

Bedingung:

für begrenzte Löslichkeit!

Dies ist meist erfüllt bei C, N, B, O → einfache Strukturen!

Mit abnehmender Temperatur erfolgt eine starke Abnahme der Löslichkeit,

bedingt durch den Rückgang der Gitterschwingungen.

α) technisch unerwünschter Effekt:

Durch Zuführung thermischer (oder mechanischer) Energie kann im Falle des

eine Übersättigung mit N – Atomen erfolgen. Beim Abkühlen

entsteht ein Verzerrungszustand, es kommt zur Ausscheidung von Eisennitriden

(Ausscheidungshärtung) und zu einer Versprödung des Stahls (Alterung!)

Grund: N blockiert Versetzungen!

β) technisch erwünschter Effekt:

Stahlhärtung:

: geringe Kohlenstofflöslichkeit;

bei

löst 2 % C bei hohen Temperaturen; gelöst auf oktaedrischen

Lücken.

30

kommt es nach der Phasenumwandlung zur

Ausscheidung von (Zementit). Dagegen bleibt der Kohlenstoff bei rascher

Abkühlung auch im Gitter (α) zwangsgelöst. Es bildet sich Martensit

(tetragonal verzerrte krz Elementarzelle).

→ große Härte (Stahlhärtung)

Abkühlung muss so rasch erfolgen, dass der Kohlenstoff keine Zeit zur Diffusion

und Bildung hat.

1.4 Van – der – Waals – Bindung

Van-der-Waals-Kristalle sind aus Bausteinen (Atomen, Moleküle) aufgebaut, die

keine freien Valenzen mehr besitzen und somit keine Hauptvalenzbindung

eingehen können.

Beispiele:

- Edelgaskristalle → kfz:

- Molekülkristalle →

- Organische Kristalle →

Betrachten wir ein Edelgasatom, dann gilt für dieses:

1) Die Ionisierung ist aufgrund der geschlossenen Elektronenschalen sehr

groß, z.B. bei Argon

2) Es liegt eine kugelsymmetrische Ladungsverteilung ohne permanentes

elektrisches Dipolmoment vor.

Wäre diese Ladungsverteilung absolut starr, gäbe es keine Wechselwirkung.

Dennoch kommt es zu einer Wechselwirkung induzierter elektrischer

Dipolmomente, wie die folgende halbquantitative Betrachtung zeigt:

31

Wir betrachten 2 Atome!

Die kreisenden Elektronen des Atoms 1 erzeugen ein zeitabhängiges

elektrisches Feld am Ort des Atoms 2. Dieses Feld ist gegeben durch

Mit : Elektrisches Dipolmoment des Atoms 1

(t): Elektrische Feldstärke

und induziert im Atom 2 wegen der Polarisierbarkeit α ein Dipolmoment

.

Die potentielle Energie dieses Dipolmomentes im Feld ist:

Nun gilt zwar , nicht jedoch ! sondern

Also ist und

→ bindendes Potential, welches schwach ist und stark mit r abfällt!

Wenngleich dieses Ergebnis halb klassisch einzusehen ist, so handelt es sich

tatsächlich um einen Quanteneffekt.

Man beschreibt die gesamte Wechselwirkungsenergie zweier Edelgasatome

mit dem Lennard-Jones-Potential:

Es ist anharmonisch und sehr flach, daher erklärt es:

- eine geringe Bindungsenergie

- große Kompressibilität

- niedrigerer Schmelzpunkt

32

Die Gitterenergie erhält man durch aufsummieren über alle Atompaare

(ähnlich wie bei Ionenkristallen), die Reihen konvergieren jedoch besser.

Man erhält für den Gleichgewichtsabstand:

kfz:

;

Somit beschreibt σ ungefähr die Reichweite des abstoßenden Potentials und E

bestimmt die Größe der Bindungs , Gitterenergie.

Der Beitrag der Abstoßungsenergie ist 6 mal größer als bei Ionenkristallen!

Die Bindungsenergie ergibt sich theoretisch aus

1,14 1,11 1,10 1,09

0,02 0,08 0,116 0,17

0,027 0,089 0,12 0,172

Außer bei den Edelgaskristallen ist die Van – der – Waals – Bindung wichtig bei

Molekülkristallen:

- Festes . Die – Moleküle sind in sich kovalent gebunden ( –

Hybridisierung), untereinander durch Van – der – Waals Kräfte

-

E

1 r/σ

33

H

O

O

O

O

H

H H H

HH

O

H H

+

-

+

Interessant sind die Bindungsverhältnisse im Graphit mit seiner Schichtstruktur.

0,246nm

(Durch kovalente Bindung bestimmt)

0,67nm(Durch Van der Waals Bindung)

In der Schicht eines jedes C-Atom mit 4 Valenzelektronen 3 nächste Nachbarn.

Aufgrund einer nichtlokalisierten Doppelbindung bleibt immer ein freies

Elektron, das die elektrische Leitfähigkeit in der Schichtebene vermittelt.

Wegen der schwachen Van-der-Waals-Bindung zwischen den Schichten lässt

sich Graphit leicht spalten und parallel zu den Schichten scheren. Wegen

letzterer Eigenschaft ist Graphit als Schmiermittel geeignet.

1.5 Die Wasserstoffbrücken – Bindung

Zum Schluss sei noch auf eine weitere Nebenvalenzbindung hingewiesen: Die

Wasserstoffbrückenbindung.

Sie hat einen stark ionischen Charakter und führt zu Bindungsenergien von ca.

0,2 .

Das Wasserstoffatom gibt sein eines Elektron „gleichzeitig“ an zwei Atome

stark entgegengesetzter Elektronegativität ab.

Wichtiges Beispiel:

Wasser

Eis

34

2. Grundzüge der Elektronentheorie der Metalle

2.1 Die klassische Elektronentheorie (Drude, Lorenz)

Modell „Freie Elektronen“ bewegen sich zwischen den ionisierten

Atomrümpfen und vermitteln elektrische Leitfähigkeit:

Die Leitungselektronen bilden das Elektronengas; Ähnlich zu Gas (kinet.

Gastheorie)

- +

ohne elektrisches Feld mit elektrischem Feld

→ Joulsche Wärme

Elektrische Stromdichte:

Mit : Dichte freier Elektronen

: Driftgeschwindigkeit

: el. Leitfähigkeit

: el. Feld

Berechnung von :

35

V

VD

T

bzw.

mit

und l: mittlere freie Weglänge

Genauere Lösung ohne Quotient 2, da zusätzlich wirkende Reibungskraft

berücksichtigt wird!

Damit lässt sich erklären:

a) Hohe elektrische Leitfähigkeit der Metalle

b) Wiedemann – Franzsches Gesetz:

c) Tolman-Effekt: rasches Abbremsen el. Spannungsstoß

Abgesehen von zahlenmäßigen Ungenauigkeiten, führt die klassische

Elektronentheorie zu einem unüberbrückbaren Widerspruch:

Spezifische Wärme des freien Elektronengases:

Gemäß kinetischer Gastheorie sollte gelten:

→ einatomiges Gas und

pro Freiheitsgrad (pro mol:

)

τ

36

Beitrag zur spezifischen Wärme:

Elektronengas:

Gitteratome:

(→ 3 quadratische Freiheitsgrade (Schwingung))

→ Insgesamt: 4,5 R aber Widerspruch zu der Regel von Dulong und Petit!

Man findet

→ elektrischer Anteil ist vernachlässigbar!

Grund: Zulässige Energiezustände der Elektronen im Festkörper

2.2 Einfache quantenmechanische Betrachtung

a) Dualismus: Welle ↔ Teilchen

Nach de Broglie können wir für ein bewegtes Teilchen schreiben:

Wellenlänge:

: Wellenzahlvektor (Maß für Impuls oder Geschwindigkeit)

Für die kinetische Energie der Elektronen des freien Elektronengases erhält

man:

37

→ Parabolischer Zusammenhang!

b) Lösung der Schrödingergleichung für Teilchen im dreidimensionalem Kasten

→ Nur bestimmte Energieniveaus sind möglich

Besetzt man alle möglichen Energieniveaus mit allen Elektronen bei 0 K, so

ergibt sich als Grenzenergie die Fermieenergie .

Die mittlere Energie ist

Für die Grenzenergie (Fermienergie) gilt:

Mit ne: Elektronendichte

Typische Werte von :

Metall Na Ag Cu

3,23 5,48 7,00

Ekin

K

38

G(E)

Setzt man in Beziehung zu , wobei

, so sehen

wir

→ Entartetes Elektronengas, Entartungstemperatur

→ Klass. Theorie der spez. Wärme trifft nicht zu!

2.3 Zustandsdichte, Fermiverteilung

Für ergibt sich aus dem Ansdruck für

Zustandsdichte:

Anzahl der Energieniveaus:

Zahl der Elektronenenergiezustände (pro Vakuum) im Energieintervall dE

Einfluss der Temperatur muss noch berücksichtigt werden!

39

Temperaturerhöhung:

Auflockerung der Zustände unterhalb von ;

mehr und mehr Elektronen erreichen Zustände höherer Energie (höherer –

Wert). Die Besetzungsdichte bei beliebiger Temperatur ist

Mit f(E,T): Besetzungswahrscheinlichkeit

→ Fermi-Dirac-Verteilung:

(Boltzmann)

0 Kf(E,T)

EF E

F(E,T)

E

2kT

2kBT

40

Damit können wir auch auf das Problem der spezifischen Wärme des

Elektronengases zurück kommen:

Die betroffenen Elektronen befinden sich überschlagsmäßig in einem Bereich

in der Umgebung der Fermikante. Es handelt sich also um

Elektronen/ Volumeneinheit

Energiezuwachs pro VE:

Andererseits:

Fazit: Nur wenige Elektronen (in der Nähe von ) können Energie aufnehmen!

2.4 Das Bändermodell, Energielücken

Das Modell des freien Elektronengases vermag die wichtigen elektronischen

Eigenschaften der Metalle zu klären, es erklärt nicht, wieso die Metalle gute

Leiter sind, dagegen andere Elemente oder Verbindungen Isolatoren oder

Halbleiter.

Wir hatten gefunden:

41

Dabei gilt zusätzlich zu berücksichtigen, dass im Kristall die Elektronenwellen

sich nicht ungehindert ausbreiten können, da sie an den Netzebenen reflektiert

(gebeugt) werden!

Konsequenz: Bei bestimmten k – Werten, die nicht erlaubt sind, macht die

Energie einen Sprung.

Verboten:

2. verbotene Zone

1. verbotene Zone

E

E

k

k

42

E

G(E)

ΔE

Modifikation der Zustandsdichte durch „verbotene Zonen“:

Zunahme von g(E) in der Nähe der Lücken!

Energiebänder:

a)

b)

c) Leiter: Überlappung

Typisch für 1-wertiges Metall Typisch für 2-wertiges Metall

(erstes Band teilweise gefüllt) (erstes Band fast gefüllt,

2. Band teilweise gefüllt)

E

G(E)

43

Allgemein, vereinfacht Valenzband und Leitungsband:

Leer

Verboten

Nicht besetzt

E ≈ kT Leitungsband

Δ

Verboten

Leer

Verboten

Gefüllt

Metall: Valenzband Halbleiter Isolator

Nicht gefüllt

3. Grenzflächen

3.1 Übersicht

Es gibt beispielsweise folgende Arten von Grenzflächen:

a) Oberflächen: Grenzfläche zwischen kondensierter Materie (fest/ flüssig)

und gasförmiger Materie

b) Korngrenzen: Grenzfläche in kristalliner Phase, trennt Körner

unterschiedlicher Orientierung. Bei kleinen Orientierungsunterschieden

Kleinwinkelkorngrenze oder Subkorngrenze (aus Versetzungen

aufgebaut)

c) Phasengrenzen:

Beispiele:

- Flüssigkeit 1/ Flüssigkeit 2 (Metallschmelze/ Schlacke)

- fest/ flüssig (Lot/ Lötgut)

- fest/ fest (Phase α/ Phase β, α und β z.B. verschieden in

Kristallstruktur und/ oder Zusammensetzung)

44

d) Bereichsgrenzen: Trennen Bereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften

- Verschiedene Ordnungszustände

- Verschiedene Magnetisierungsrichtungen (Blockwände)

3.2 Die Energie von Grenzflächen

a) Grundbegriffe

Betrachtung einer Oberfläche:

Atom im Inneren: Gleiche Kräfte in allen Richtungen

Atom an der Oberfläche: resultierender „Druck“ nach Innen:

Kohäsionsdruck

Da die Zahl der Bindungen der Atome an der Oberfläche geringer als im Inneren

ist und da jede Bindung eine Erniedrigung der potentiellen Energie bedeutet

→ potentielle Energie der Oberflächenatome ist größer als bei inneren Atomen.

Das bedeutet aber: die Erzeugung einer Oberfläche erfordert einen

Energieaufwand (entsprechend für jede Grenzfläche)

Zusätzliche freie Enthalpie / Flächeneinheit: γ

→ freie Enthalpie des Körpers:

mit

45

A

S

KF

L

Vergrößerung von A erfordert Kraft:

Oberflächenspannung:

Arbeit:

Andererseits:

Gleichsetzen:

→ Konsequenz: , wenn

Gilt für Flüssigkeit und Festkörper (bei ausreichend hoher Temperatur), da sich

Atome schnell umordnen. Ist die Oberflächenstruktur von A abhängig,

gilt !

→ Eine Oberfläche mit einer freien Oberflächenenthalpie

führt zu

einer Oberflächenspannung

In Festkörpern ist die Beweglichkeit der Atome langsamer, benötigt Zeit. Daher

ist die Konstanz der Oberflächenstruktur nicht gewährleistet:

und

Bei hohen Temperaturen sind die Atome jedoch hinreichend beweglich und

(analoge Betrachtung für Phasengrenzen, bei Korngrenzen und

Bereichsgrenzen bezieht man sich auf den einheitlichen Einkristall)

b) Atomistische Modelle zur Ermittlung von

Theoretische Ansätze zur Berechnung von beruhen auf der Abschätzung der

freien Exzessenthalpie durch unterbrochene Bindungen. Diese Vorgehensweise

ist eigentlich nur gerechtfertigt bei kovalenter Bindung, da man hier die

gerichteten Bindungen abzählen kann. Für Metalle liegen quantenmechanische

Rechnungen vor, ohne befriedigendes Ergebnis!

46

a0

Besseres Ergebnis liefert eine einfache empirische Abschätzung:

Überschussenergie pro mol Oberflächenatome

Mit ε: Bindungsenergie pro Bindung

Z: Zahl der Bindungen

Z‘: Zahl der ungebrochenen Bindungen

Es gilt näherungsweise:

Mit Ls: Sublimationswärme (Schmelz – plus Verdampfungswärme)

(bezogen auf 1 mol Oberfläche)

(bezogen auf hkl Fläche)

Mit Zahl der Atome pro Flächeneinheit der Fläche

Anmerkung: Diese Abschätzung bezieht sich nur auf den Enthalpietherm (nicht

auf die Entropie); Relaxation!

Beispiel: krz, {110}

47

Vernachlässigt:

- Metallische Bindung

- Entropiebeitrag (Schwingungsentropie, Konfigurationsentropie)

Typische experimentelle Werte:

Gemittelt über alle Flächen!

Al 660 °C 1080 324

Au 1063 °C 1390 378

Cu 1084 °C 1720 625

W 3407 °C 2650 1080

Empirisch:

Weitere nützliche Abschätzungen via E – Modul:

Oberflächenenergie:

Grenzfläche fest/ fest:

Grenzfläche flüssig/ fest:

Zwillingsenergie:

E ist in

einzusetzen; dann hat die Einheit

!

48

Mit Adsorption

Reines Metall

c) Oberflächenentropie

Geänderte Bindungsverhältnisse der Oberflächenatome führen zu

Zusatzentropie. Ursachen :

- Höhere Beweglichkeit (niedrigere Frequenz) → Schwingungsentropie

Einstein:

Durch Bildung von Oberflächenleerstellen ergibt sich zusätzliche

Konfigurationsentropie.

Temperaturabhängigkeit von :

Da →

, gilt

wegen

→ Bei reinen Metallen fällt mit steigender Temperatur! Anstieg deutet auf

Fremdatomadsorption hin.

3.3 Fremdatomadsorption an Grenzflächen

Die Absorption von Fremdatomen erniedrigt die Grenzflächenenergie. Dies ist

besonders wichtig bei tiefen Temperaturen. Bei höheren Temperaturen kommt

es zunehmend zur Gleichgewichtsverteilung (Entropieeinfluss)!

49

Für die Überschusskonzentration (Menge je Flächeneinheit) gilt für

verdünnte Lösungen die Gibbsche Adsorptionsisotherme:

Anreicherung wenn:

Desorption wenn:

Anreicherung an Grenzflächen, insbesondere an Korngrenzen sind technisch

bedeutsam (z.B. Phosphor im Stahl).

3.4 Gekrümmte Grenzflächen

Kapillardruck ist Differenzdruck an gekrümmten Oberflächen

Tröpfchen:

(differentielle Änderung von G pro Fläche bei

Änderung dr)

Dies muss gleich sein mit der mechanischen Arbeit pro Flächeneinheit

Bei nichtsphärischen Flächen!

Der Differenzdruck wirkt nach innen!

dr

r

50

Erhöhter Dampfdruck (Konzentration) über kleine Tröpfchen (kleine

Ausscheidungen).

= 0 bei T = konst.

Kondensierte Phase:

Erhöhung von G pro Volumen .

Für ein Gas gilt:

Im Gleichgewicht muss gleich sein zu (während des

Gleichgewichts)

→ Erhöhung des Dampfdruckes kleiner Tröpfchen

Kelvin-Gleichung:

Beobachtbar für !

Für den Festkörper gilt entsprechend:

Gemäß Henrysches Gesetz:

→ Erhöhung der Löslichkeit kleiner Teilchen

Grundlage der Oswaldreifung „big fish eat small fish“

p0 r p(r)

51

1

2

3

Technisch wichtig:

- Keimbildung

- Teilchenvergrößerung

- Sintern

- Grobkornbildung

3.5 Grenzflächenbestimmte Gleichgewichtsformen

3 Phasen

z.B.

- drei verschiedene Phasen

- Korngrenztripelpunkt

Gleichgewichtsform wird durch ein Kräftegleichgewicht bestimmt:

Für

Kann bei geglühten Metallen beobachtet werden

→ aber: ist orientierungsabhängig!

52

2 Phasen an Korngrenztripelpunkt

, wenn

→ Eventuell Reduktion der Grenzflächenenergie

Besonderer Fall:

→ cos

Vollständige Benetzung der KG

Diese kann verheerende Folgen haben:

- wenn bei tieferen Temperaturen schmilzt als α (Hg in Messing)

- Versprödung durch spröde Phasen KG (Bi, Pb in Cu)

- Bildung von Sulfiten/ Karbiden im Stahl (Versprödung)

→ heterogene Keimbildung wegen Energiegewinn!

Positiver Effekt:

z.B. Karbide in HT-Legierungen zur Vermeidung von Korngrenzgleitung

Bedeutung der Grenzflächen:

- Keimbildung (homogen / heterogen)

- Teilchenvergrößerung

- Sek. Dekristallisation

- Sintern (Abbau von Grenzfläche!)

- Bei mechanischen Eigenschaften!

53

4. Thermodynamik der Legierung

4.1 Zielsetzung, Vorgehensweise

Ziel: - Relative Stabilität verschiedener Zustände eines Systems untersuchen,

um Voraussagen über Zustandsänderungen zu machen

Kriterium für Beurteilung:

- Gibbsche freie Enthalpie G: Vergleich zwischen zwei Zuständen

ist ein Maß für die Triebkraft, die eine Zustandsänderung zu

bewirken versucht, vom höheren zum niedrigeren G

- Geschwindigkeit, mit der die Zustandsänderung erfolgt: Kinetik

4.2 Grundbegriffe

- 1. Hauptsatz der Thermodynamik:

innere Energie Wärme mech. Arbeit

Nur U ist eine Zustandsgröße; Q und W sind keine Zustandsgrößen!

für : (keine Volumenarbeit)

für :

, mit

(bei Festkörpern, da dV ≈ 0)

- 2. Hauptsatz der Thermodynamik

Entropie:

54

rev. heißt reversible Versuchsführung (d.h. infinitesimale Änderung von p oder

T immer im Gleichgewicht)

Spezialfall Umwandlung:

Für ein abgeschlossenes System gilt:

reversibler Vorgang:

irreversibler Vorgang:

Alle spontan ablaufenden Prozesse erfüllen die letzte Bedingung im

abgeschlossenen System.

Für ein geschlossenes System definiert man die Gibbssche freie Enthalpie

(p, T = konst) Gleichgewichtszustand

(p, T = konst) irreversibler Vorgang, freiwillig

ablaufende Änderung

nicht freiwillig ablaufende Änderung

Andere Formulierung: Das (geschlossene) System strebt den Zustand minimaler

freier Enthalpie an!

55

G C

A

B

Gleichgewichtszustände:

A: metastabiles Gleichgewicht (z.B. C bei Raumtemp.: Diamant)

B: stabiles Gleichgewicht (Graphit)

C: instabiles Gleichgewicht

Guggenheimersches Merkschema (Guggenheim-Quadrat)

Charakteristische Funktionen. z.B.:

Differentialquotienten: z.B.:

, , , : thermodynamische Potentiale (charakteristische Funktionen),

gesucht ist ein thermodynamisches Potential, z.B. dG

Differentiale liegen an den Ecken neben dem gesuchten Potential.

Differentialquotienten befinden sich an den Ecken gegenüber liegender

Symbole (für und ). Die Differentialquotienten, die auf der linken Seite

des Quadrats liegen, enthalten ein negatives Vorzeichen (für dG: - S)

4.3 Molare spezifische Wärme

Mit c: molare spezifische Wärme

- S U V H F - P G T

56

:

Es gilt , da bei die dem System zugeführte Energie z.T. in die

mechanische Arbeit umgewandelt wird.

Bestimmung von aus :

Experimentell ermittelt:

Grenzwert für

(Dulong-Petit)

für Festkörper

Mit

:

mit

:

weil

cp

T

T

S

T

H

57

schließlich:

4.4 Phasengleichgewicht in Einstoffsystemen

a) Schmelzwärme und Schmelzentropie

Beispiel: fest (1) flüssig (2)

Entropie ist in der Schmelze höher!

Werkstoff schmilzt

Werksstoff erstarrt

Gleichgewicht zwischen zwei Phasen

Bei T:

Bei T = Tm:

T

H,G

H

G

TS

G

TTm

ΔG

fest

flüssig

58

Einsetzen liefert für T:

Gilt für kleine

b) Druckabhängigkeit der Gleichgewichtstemperatur

Im Gleichgewicht gilt:

und

→ Clausius – Clapeyron – Gleichung

→ normal (z.B. Schmelzvorgang) und

Ausnahme: Wasser! Beispiel Schlittschuhläufer!

c) Verdampfung

flüssig (1) → gasförmig (2)

Annahmen: 1) ideales Gas:

2)

3)

59

1np

Bestimmung von :

4.5 Mehrstoffsysteme

4.5.1 Mischungsgrößen

Extensive Zustandsgrößen, die der Masse proportional sind, verhalten sich

additiv

(Gegensatz → Intensive Größen: p, T, )

für Stoff 1 (reiner Stoff)

z.B.

60

Mischung verschiedener Stoffe:

In der Regel treten Lösungsvorgänge auf (Volumenänderungen,

Mischungswärme)

→ Z ist nicht mehr einfach die Summe der Einzelbeträge.

2 Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Mischungseffekten:

a) „Physikalische“ Betrachtungsweise:

: integrale (molare) Mischgröße

b) „Chemische“ Betrachtungsweise:

Man versucht, die Mischungseffekte auf die Einzelkomponenten zu verteilen.

→ Man definiert partielle molare Größen:

ist eine intensive Größe!

Anschaulich:

ist die Änderung von Z bei Zugabe eines mols der Komponente i in eine

unendlich große Menge Lösung, d.h. die Zusammensetzung darf als konstant

angesehen werden.

Die bekannteste partielle molare Größe ist das chemische Potential:

61

Aus der Definitionsgleichung für folgt:

Gedankenexperiment:

Aufbau des Systems durch infinitesimale Zugabe der Komponenten so, dass die

Konzentration unverändert bleibt. Durch Integration bei gleichbleibender

Zusammensetzung folgt:

Dies gilt allgemein, unabhängig von der speziellen Versuchsführung, da Z eine

Zustandsgröße ist.

Aus der Ableitung folgt:

Vergleich zeigt:

Anwendung auf Zweistoffsystem mit chemischem Potential:

→ Ist das chemische Potential einer Komponente als Funktion der

Zusammensetzung bekannt, so kann das der zweiten Komponente berechnet

werden.

62

4.5.2 Ideale und nichtideale Lösung

Ausgangspunkt: Ideales Gas

Üblicherweise:

Bei realen Gasen:

Anstatt : Fugazität ; Fugazitätskoeffizient

Kondensierte ideale Mischphase

Da gilt:

wobei der Standardzustand (reiner Stoff) ist!

(ideales Gas)

Nichtideale Lösung

Man schreibt nach G.N. Lewis:

; mit Aktivität

Die Aktivität ist eine Funktion von :

Verknüpfung: mit: Aktivitätskoeffizient

63

Abweichung von dem idealen Zustand

Zweistoffsystem:

aB

1

0 1

xB

a (Henry)B

1

0

Henryische GeradeRaoulsches G

esetz

positive Abweichung

Negative Abweichung von R.G.

Raoultsches Gesetz:

(nahezu einheitliche Umgebung der B-Atome)

Henrysches Gesetz:

Beim Standardzustand „unendlich verdünnte Lösung“ wird der Aktivitätsverlauf

auf die Henrysche Gerade bezogen!

64

4.5.3 Methode zur Bestimmung partieller molarer Größen

Betrachten wir ein Zweistoffsystem.

Als Beispiel für eine integrale Größe wird G, als Beispiel für eine partielle Größe

wird betrachtet; gilt aber allgemein!

Für 1 Mol gilt:

= 0 (Gibbs – Duhem)

Weiterhin gilt:

(siehe oben)

Einsetzen liefert:

und

Man erhält : 1. Analytisch, wenn bekannt ist

2. graphisch: Tangentenregel

65

- Betrachtung bei bestimmter Konzentration

- Tangente an die Kurve ergibt Ordinatenschnittpunkte der chemischen

Potentiale

Oft interessieren nur die partiellen molaren Mischgrößen:

(Übersetzung der chemischen Betrachtungsweise in die physikalische)

Mit:

G

0x2

1

G

66

0x2 1

4.6 Modell der regulären Lösung für binäre Mischphasen

4.6.1 Das Modell

Ideale Lösung:

=0

trifft näherungsweise bei Gasgemischen zu, nicht jedoch bei

kondensierten Phasen:

endotherme Reaktion

exotherme Reaktion

Die Mischungsenthalpie entspricht der Reaktionswärme, die frei wird

oder aufgenommen wird (Kalorimetrie).

Einfaches Modell nach Hildebrandt für zwei Atomsorten A und B:

- Vorgegebene Anordnung der Plätze (Gitter: reines A und B haben

gleiche Gitterstrukturen, z.B. kfz)

- Statistische Verteilung der A – und B – Atome auf vorgegebenen

Plätzen

- Berücksichtigung der Bindungen nächster Nachbarn

67

Bindungen: A – A B – B A – B

Bindungsenergie:

Jeweils < 0

(anziehende Wechselwirkung unabhängig von der Konzentration)

4.6.2 Berechnung der integralen molaren Mischungsenthalpie

Vergleich

Ausgangszustand Endzustand

A – A – Bindung

B – B – Bindung

A – B – Bindung

– Wechselwirkungsenergie

68

Nochmals: Wechselwirkungsenergie

kann 0 sein!

ist symmetrisch bezüglich und

3 Fälle

a)

Durchmischung: Homogene Lösungen werden bevorzugt. Ungleiche

Atome sind stärker als die gleichen gebunden.

b)

Entmischung: Gleiche Atome ziehen sich stärker an. Segregation

c)

Unspezifische Bindung entspricht idealer Mischung

Stabilität wird jedoch durch G bestimmt!

B

HM

A H <0M

H >0M

69

4.6.3 Bestimmung der Mischungsenthalpie

Nach Boltzmann gilt:

Mit W = Maß für Regellosigkeit; Zahl der unterscheidbaren Mikrozustände bzw.

Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Zustand.

W ist Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Zustand! Hier geht es um die

Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Verteilung der Atome der

Sorte A und der Atome der Sorte B auf Gitterplätzen

vorliegt.

Insgesamt existieren Möglichkeiten, die Atome anzuordnen!

Davon sind aber nur

unterschiedlich.

Stirlingsche Formel:

70

Mit ;

;

;

Diskussion des Verlaufs von

- symmetrisch bezüglich

-

-

-

Deutung der unendlich großen Steigung bei und :

Kleinste Fremdatombeimengungen führen zu starker Erhöhung der

Mischungsentropie und damit starker Absenkung der freien Enthalpie.

→ Es ist schwierig fast reine Stoffe noch reiner zu machen.

4.7.4 Die freie Enthalpie der Mischung

Bisher:

SM

Rln2

0,5BA

71

1)

→ ideales Verhalten

2)

Wie oben:

Ausdrücken mit

Mit

folgt

;

Betrachtung von :

für : →

Raoultsches Gesetz

72

für : →

Henrysches Gesetz

für : →

→ Positive Abweichung vom idealen Verhalten; Segregationstendenz!

für : →

→ Negative Abweichung vom idealen Verhalten; Verbindungstendenz!

Kurvenform von :

a)

hohe Temp. niedrige Temp.

b)

hohe Temp. niedrige Temp.

A B

HM

-TSM

GM

A B

HM

-TSM

GM

A BGM

HM

-TSM

HM

GM

-TSM

A B

73

Interessanter Fall: (niedrige Temperatur)

→ mittlerer Bereich mit

4.8 Phasengleichgewicht und Zustandsdiagramm

4.8.1 Gleichgewichtsbedingungen

Frage: Wodurch wird das thermodynamische Gleichgewicht zwischen 2 Phasen

und der Zusammensetzung und

bei gegebener Temperatur

bestimmt?

G muss für das 2 – Phasengemisch minimal sein! →

Da:

Da und beliebig sind, folgt:

In Worten: Das chemische Potential aller Komponenten muss in beiden Phasen

gleich groß sein.

74

G

A B

4.8.2 Mischungslücken

→ Im Gleichgewicht liefern die Tangenten an dem Verlauf gleiche

Schnittpunkte bei und 1

→ Doppeltangente

Für alle

ist Zweiphasengemisch energetisch günstiger als (feste)

Lösung.

Anteile der Phasen ergeben sich nach dem Hebelgesetz!

4.8.3 Löslichkeitslinien

Das Problem ist gut darstellbar am Beispiel der regulären Lösung.

Beschränkung auf symmetrischen Fall:

Gesucht: Löslichkeit im thermodynamischen Gleichgewicht

Normierte Temperatur:

75

Ferner von Interesse: Spinodale:

Bedeutung von Spinodalen:

Innerhalb der Spinodalen können die Atome der Komponenten A und B einfach

auseinanderdiffundieren. Die Diffusion baut Konzentrationsunterschiede auf!

Erhöhung der Konzentration führt zu Erniedrigung der freien Enthalpie. Mit

Hinblick auf die Fick‘schen Gesetze heißt dies: Der chemische

„Diffusionskoeffizient“ ist negativ!

Als Grenztemperatur für vollständige Löslichkeit ergibt sich:

Löslichkeit für kleine

Aus

folgt,

G

GA

A B

G G

xB

GB

T’= 0

0,2

0,3

0,4

0,5

A BxB

T’ 0,5

Phasengemisch

homogene Lösung

76

T

A B

L

4.8.3 Eutektische Systeme

a)

→ nimmt mit zu!

77

b) → Mischungslücke reicht bis in die Liquiduslinie

78

1. Beispiel

und

Eutektischer Punkt: 3 Phasen im Gleichgewicht!

2. Beispiel

anstatt 2

3

5. Atomare Fehlstellen im Kristall

5.1 Übersicht: Klassifizierung, Bedeutung für Diffusion

a) Elemente (Metalle)

Die primären atomaren Fehlstellen sind:

- Leerstellen

- Zwischengitteratome

- Fremdatome

79

b) Stöchiometrische Verbindungen

Aus Gründen der Erhaltung der Stöchiometrie, ergeben sich 5 Grundtypen von

Fehlstellen.

1: Frenkel-Fehlordnung im MX (z.B. NaCl)

2: Frenkel-Fehlordnung

3: Schottky-Fehlordnung

4: Gleiche Zahl von M- und X-Atomen im ZG

5: Antistrukturfehlordnung

(unwahrscheinlich)

Atom geht an Oberfläche; hinterlässt Leerstelle; Vacancy

Atom von Oberfläche geht auf ZwGP; Interstitial

Verlagerung eines Atoms auf ZwGP; LS+ZGA→ Frenkel-Defekt: typisch für Strahlenschäden

80

5.2 Messverfahren

a) Dichteänderung (Längenmessung)

Gitterplätze; Vol.: (Ω: Atomvolumen)

Dichte

+ Leerstellen

Entsprechend gilt, wenn Zwischengitteratome hinzu kommen:

b) kombinierte Dichte – und Gitterparameteränderungen

Bei völlig starrem Gitter würde gelten:

Dies ist nicht ganz korrekt, da die Atome in der Nähe einer Fehlstelle elastisch

relaxieren. Dies führt zu einer Gitterparameteränderung!

Es folgt (nach Eshelby):

(Gleichung gilt für jede Temperatur, da die thermische Ausdehnung und

gleichermaßen beeinflusst)

81

Meist ist → wird bestimmt!

Berühmte Messung von Simmons und Baluffi (1960).

Man misst Gleichgewichtskonzentration! Man findet am Schmelzpunkt:

c) Makroskopische physikalische Eigenschaften (insbesondere der elektrische

Widerstand)

Betrachtet man den spezifischen elektrischen Widerstand , so gilt für das

ideale Gitter, dass ρ primär durch Streuung der Elektronen durch die

Gitterschwingungen bedingt ist.

82

T

Ideal

g (T)ges

Matthiesensche Regel:

Bei tiefen Temperaturen kann der Restwiderstand gemessen werden, der

ein Maß für die Fehlstellendichte ist (oder Reinheit).

z.B.

weitere Methoden (erwähnen):

-

- Kaloriemetrie

- FIM

5.3 Gleichgewichtskonzentration atomarer Fehlstellen

5.3.1 Einfache Leerstellen (Kennzeichnung: 1v)

Vorgehensweise wie bei Mischphasen

Änderung von G pro mol gebildeter Leerstellen in einem reinen

Stoff A (f: Formation)

Es gilt pro mol:

Konfigurationsentropie

Gleichgewicht:

)

αT

σ

83

rührt von Schwingungen und auch von elektronischen Effekten her.

→ Aus der Auftragung von gegen

ergibt sich

!

Abschreckexperimente:

Cu Ag Au Al Pb

1,04 0,99 0,92 0,65 0,5

0,3 0,5 0,9 0,8 0,7

Zwischengitteratome:

, d.h. im thermischen Gleichgewicht ist

(Anmerkung: Versetzungen können ebenfalls nicht im thermischen

Gleichgewicht erzeugt werden pro b)

84

5.3.2 Leerstellenpaare (Doppelleerstellen)

Wenn keine Wechselwirkung zwischen den LS existiert, dann ist aus statischen

Gründen die Konzentration:

- Wahrscheinlichkeit, dass auf Gitterplatz eine LS ist:

- Wahrscheinlichkeit, dass auf Nachbarplatz eine LS ist:

→ Konzentration der LS in Form der DLS:

→ atomare Konzentration der DLS:

Mit Wechselwirkung:

: Gibbsche freie Enthalpie zur Bildung einer DLS (

Massenwirkungsgesetz:

kfz: 6 verschiedene Sorten von Doppelleerstellen!

85

5.3.3 Wechselwirkung zwischen Leerstellen und Fremdatomen

Massenwirkungsgesetz:

→ Abnehmende Assoziationstendenz mit steigender Temperatur

5.3.4 Fehlstellenkonzentration in stöchiometrischen Verbindungen

a) Gleichgewichtskonzentration bei Schottky – Fehlordnung (bezieht sich auf

Leerstellenpaare)

b) Gleichgewichtskonzentration bei Frenkel – Fehlordnung

mit: = Zahl der Frenkelpaare

= Zahl der Zwischengitterplätze

mit: N = Zahl der Kationenplätze

86

5.3.5 Einfluß von mechanischem Druck

Da Fehlstellenbildung mit Volumenänderung verknüpft ist, wird die

Fehlstellenbildung durch mechanischen Druck erleichtert oder erschwert.

Anschaulich:

Es ist schwieriger, eine Leerstelle, die mit Volumenzunahme gebildet wird,

gegen einen äußeren hydrostatischen Druck zu bilden (leichter bei

Zugspannung)

bzw.

p kann resultieren aus: a) mechanischer Spannung

b) gekrümmte Grenzflächen

Beispiele: - Nabarro-Herring Kriechen

- Sintern

mech. Arbeit

87

12

3

4

6

3

G

Xx

Sattelpunktlage

5.4 Thermisch aktivierte Fehlstellenwanderung durch Platzwechsel

a) Platzwechselmechanismen

4 bis 6: Bisher nicht nachgewiesen!

Zu allen Fällen müssen Atome aus der Gleichgewichtslage bewegt werden. Es

muss eine Potentialschwelle überwunden werden.

b) Thermisch aktivierte Platzwechsel

Platzwechselhäufigkeit eines Atoms:

mit: : Frequenz der Gitterschwingung

: Wahrscheinlichkeit, dass Versuch erfolgreich ist (klassisch)

Nicht berücksichtigt: Tunneleffekt bei leichten Atomen (z.B. H)

1) Leerstelle – Mechanismus

2) Zwischengitter – Mech. (direkt)

3) Zwischengitter – Mech. (indirekt)

4) Direkter Austausch

5) Ringtausch

6) Crowdion

Wichtig: thermische Energieschwankungen!

88

x

Mechanismus über Leerstellen:

mit:

→ Aktivierungsenthalpie der Selbstdiffusion

(Debye – Frequenz)

c) Experimenteller Nachweis atomarer Platzwechsel

Messung anelastischer Effekte

anelastisch: zeitabhängiges elastisches Verhalten

Grund: bekanntestes Beispiel C in

x: mögliche C – Position

: günstig bei Zug, da zwischen zwei Atomen,

da zwischen 2 Atomen, die in Zugrichtung

benachbart sind

aber: Umlagerung der C – Atome benötigt Zeit!

x

x

x x

x

x

x

x

x x

xx

x

x

x

89

T

Mechanische Nachwirkung:

t

mit: Relaxationszeit Zeit für Platzwechsel

Andere Methode: Innere Reibung/ Torsionspendel

Torsionsschwingung auf Draht;

Platzwechsel entspricht Energie (Dämpfung)

→ gedämpfte Schwingung

Logarithmisches Dekrement:

aus

90

aus Messung von durch Variation von →

(mittlere Verweilzeit des C – Atoms)

6. Diffusion

6.1 Ficksche Gesetze

Allgemein:

(1. Ficksches Gesetz)

Statistische Betrachtung:

mit: Beobachtungszeit

Wurzel aus mittlerem Verschiebungsgradient

einfachster Fall: eindimensonal

Vorstellung: Diffusion versucht Konzentrationsunterschiede auszugleichen!

91

Frage: zeitliche Änderung der Konzentration am Ort x: ?

Kontinuitätsgleichung: (Konzentrationsänderung ergibt sich aus der Differenz

der Ströme)

1 – dimensional:

Wenn

(partielle Diff. – Gleichung 2. Ordnung)

6.2 Lösungen für konstanten Diffusionskoeffizient

2 Typen von Lösungen (siehe „Crank“)

a) Fourier-Lösung

Gilt für Probleme, bei denen lange Zeiten und kleine Geometrien betrachtet

werden. Methode der Trennung der Variablen liefert:

Die Koeffizienten , , ergeben sich aus den Randbedingungen. Meist

kann die Reihe nach wenigen Gliedern abgebrochen werden:

z.B.: Aufkohlung bei konstanter C – Aktivität

Mit: Endkonzentration

Ausgangskonzentration

Blechdicke;

92

Sandwichprobe x

C

Glockenkurve

b) Quellenlösung

Kurze Zeit, unendliche Geometrie:

Konzentration nimmt zwischen den Wendepunkten ab

und

außerhalb zu!

Superposition der Quellenlösung

C0 C0

→ = Errorfunktion

→ liegt tabelliert vor, da nicht

analytisch lösbar!

93

6.3 Diffusion durch Leerstellenmechanismus

a) allgemeine Betrachtung: Diffusion von Atomen i über LS:

Teilchenstrom:

Mit: Geometriefaktor (Gitterabh.)

Zahl der Atome / Einheitsfläche

Ersetzen von durch :

Bisher keine Triebkraft, d.h. !

b) gewichtete Diffusion

Wahrscheinlichkeit für Sprünge in eine Richtung muss größer sein als die der

Rücksprünge.

G

X

G

X1 2

1

22

Ga

A0

a0

94

Differenz der Häufigkeit für Sprünge in +x und –x – Richtung:

mit: Komponentendiffusionskoeffizient

Andererseits: mit: mittlere Geschwindigkeit

Nernst – Einstein – Beziehung

mit: → Kraft!

ist konzentrationsabhängig, da und von der Zusammensetzung

abhängen!

95

6.4 Chemischer Potentialgradient als Triebkraft der Diffusion

Für setzen wir ein

mit

Wichtig: - Darkenfaktor liefert zusätzliche Konzentrationsabhängigkeit

- Ideale Lösung:

→ 1. Ficksches Gesetz

- Bewegen sich Atome/ Isotope im eigenen Gitter:

Komponentendiffusionskoeff. = Selbstdiffusionskoeff.

Es gilt im 2 – Stoffsystem:

Mit Gibbs – Duhem:

ist negativ innerhalb der Spinodalen!

6.5 Korrelationseffekt

Korrelationseffekte treten auf, wenn die Sprungwahrscheinlichkeit nicht für

jeden Sprung dieselbe ist, sondern vom vorausgegangenen Sprung abhängt!

96

1

2

Wichtig bei: Tracerdiffusion

Wahrscheinlichkeit des Rücksprungs höher als für anderen Sprung.

mit: Tracerdiffusionskoeffizient

Korrelationskoeffizient

Selbstdiffusionskoeffizient

Faustregel:

- Korrelation ist wichtig, wenn mindestens 3 Teilchenarten

unterschieden werden müssen (Wirtsgitter, LS, Tracer)

- Für Einfachleerstellenmechanismus gilt:

6.6 Elektrischer Potentialgradient als Triebkraft

Thermisch aktivierte Stromleitung:

mit:

97

jA

jB

6.7 Kirkendall – Effekt

Diffusion in binären Substitutionsmischkristallen

Diffusion durch eine Bezugsebene

Gesamtzahl der Atome pro Volumeneinheit sei konstant:

Wenn

d.h. es bewegen sich mehr Atome nach rechts als nach links, bzw. mehr

Leeerstellen nach links!

Fazit: Bezogen auf die Probenenden, bewegt sich die Gitterebene nach links.

da

folgt:

Bezogen auf die Probenenden gilt:

mit:

Diffusionsstrom

Strom aufgrund Gitterebenenbewegung

98

Interdiffusionskoeffizient;

Gemeinsamer chemischer Diffusionskoeffizient

Hinweis: Kirkendall - Poren