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MITTEILUNGEN aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg ISSN 0174-5328

Haupteingang Schönborner Hof

Bd. 5 0998), Heft 6

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(Zeichnung: Rainer Erzgraber, Aschaffenburg)

September 1998

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Inhalt

Hans-Bernd Spies, Die Herkunft des Namens der ehemaligen Stiftskurie Greifenstein in Aschaffenburg . . . . . . . . . . 233

Hans-Bernd Spies, Gustaf II. Adolf von Schweden und Aschaffenburg 1631. Die Sage von der angeblichen Errettung der Stadt durch den Kapuziner-guardian Bernhard und ihr historischer Hintergrund .......... 241

Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Der Tod des Anton Freiherr von An­drian-Werburg am 6. September 1824. Zur Duellsäule in der Aschaffen-burger Fasanerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Martin Goes, Über den Altersaufbau der Aschaffenburger Bevölkerung 273

Helga Pösinger, Werner Krämer und Renate Welsch, Das erste Halbjahr 1998 im Spiegel der Lokalpresse . . . . . . . . ........ 280

Mitarbeiterverzeichnis

Dr. phil. Klaus Freiherr von Andrian-Werburg, Thomas-Mann-Str. 43, 90471 Nürnberg

Dr. med. Martin Goes, Backoffenstr. 3, 63739 Aschaffenburg Werner Krämer, Deutsche Str. 59, 63739 Aschaffenburg Helga Pösinger, Kästerweg 6b, 63741 Aschaffenburg Dr. phil. Hans-Bernd Spies, M. A., Neubaustr. 27, 63814 Mainaschaff Renate Welsch, Höhenstr. 9, 63829 Krombach

Vorschau auf kommende Hefte:

Martin Goes, Über die Anzahl der in Aschaffenburg seit 1821 nichtehelich Geborenen - Martin Goes, Wilhelm Mühlon und Friedrich Dessauer. Das Ende einer Freundschaft - Helmuth Dippner, Der AufenthaltJohann Philipp Graf von Stadions in A chaffenburg - Hans-Bernd Spi s, Wilhelm Heinse und Aschaffen­burg - Hans-Bernd Spies, Dalberg und die italienische Sprache - Hans-Bernd Spies, Das ,Alte Schloß' in Aschaffenburg - Wandel eines Begriffs

Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg im Auftrag der tadt Aschaffen­

burg - Stadt- und Stiftsarchiv - herausgegeben von Hans-B rnd Spies

Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Wermbachstraße 15, D-63739 Aschaffenburg

Gesamtherstellung: Verlagsdruckerei Schmidt GmbH, 91413 Neustadt an der Aisch

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Die Herkunft des Namens der ehemaligen Stiftskurie

Greifenstein in Aschaffenburg

von Hans-Bernd Spies

Die spätestens 1770 abgebro ·hene Stiftskurie Greifenstein' - zumindest bis Mitte des 18. Jahrhunderts trug sie die Tnschrift2 : ,,Dieses Hau.ß stehet in Gottes Hand, zum Greiffenstein ist s genant."-, die auf den h utigen Anwesen Metz­gergasse 11 und 13 sowie Wcbergasse 4 stand·' und in der Georg füdinger', Architekt und Baumeister des Aschaffenburger Schlosses, seine letzte Lebens­zeiL verbrachte und am Vormittag des 5. ovember 1617 starb\ war Ende des 14. Jahrhunderts nach ihrem damaligen Bewohner benannt worden6

• Das war spätestens seit dem Frühjahr 1386 Johann von Sayn, d ss n Vorgänger in die­sem Haus, der Stiftskanoniker Johannes Kremer genannt Zolner, am 8. Oktober 1384 verstorb n war7

.

Johann von ayn, aus einem bedeutenden mittelrheinischen Grafengeschlecht\ deren jüngeres Haus, von den Grafen von Sponheirn abstammend, mit dem 1283 verstarb nen Grafen Gottfried T. von Sayn9 begonnen hatte, war ein Sohn

' Diese Stirtskuric,, die 1750 jedenfalls noch gestanden hatte, wurde am 4. Dezember 1770 als nicht mehr vorhanden bezeichnet; vgl. Alois Cri111111, Aschaffenburgcr Häuserbuch 11. Altstadt zwischen Dal­bergstraßc und Schloß. Mainufer- Mainbrücke - Löherstraße (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bel. 3°1), Aschaffenburg 1991, S. 334. überliefert bei l'a/e11ti11 Ferdi11a11d Neicbs.fi'eiberr m11 C11de1111s, Codex Diplomaticvs. Sive anecclo­torvm, res Mogvntinas, Francicas, Trcvirenses, Colonicnses, finitimarvmqve rcgionvm. ec non ivs

,crm:inicvm et S. H. 1. historiam vcl maxirne illvstrativm, Bel. 2. Frankfurt am Main / Leipzig 1747. s. 351.

1 Vgl. Gri111111 (wie Anm. 1), S. 331-339 bzw .. '388 r.Zu diesem ( 1568-1617) vgl. l !a11s-!3emd -�/Jies, Schloß Johannisburg und sein Baumeister Georg Hi­clingcr. in: corg Riclingcr, Architektur des Schlosses Joh:innisburg zu Aschaffenburg. Faksimiledrucktk:r Ausgabe Mainz 1616. hrsg. u. mit einem erläuternden Beitrag versehen von Hans-Bernd Spies(Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Reihe Nachdrucke, Bel. 2),

sch;11Tenburg 1991, S. 1-20, dies S. 9-15. ' Vgl. cbcl., S. 15. " Entsprechende Belege für 1387 und 1393 bei Cri111111 (, ic Anm. 1), S. 331.

1-:ntsprcchcnclc Eintragung im drillen überlieferten ckrolog des Stiftes St. Peter und Alexander: Stadt­und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stiftsarchiv, Akten. 5310, fol. 213; vgl. aufkrclcm A11g11sl A111rbei11, Die Pr:ilatcn und anonikcr des ehemaligen Collegiatstifts 't. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, Würzburg 1882, S. 176 f. Zu dem angcfühnen ekrolog vgl. Cla11s Briig111a1111, Das älteste ekrolog des Stilb St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg. Ein Beit1�1g zur Erschlief�ung sp/it,nit1elalterlicher Nekrologe (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bel. 30), Aschaffen­burg 1989, S. 8.

' 1/.ur Geschichte der Grafen von S:iyn und ihrer Besitzungen vgl. /-!e/111111/b Ce11sicke, Landesgeschichte des Wcsterwalclcs (Veröffentlichungen der l listorischen Kommission für assau, Bel. 13). Wiesbaden 1958, S. 262-278 u. 338-343; vgl. :iuf3crclcm llen11a1111 Mi'iller. Die Grafen von Sayn aus dem Hause Sponheim, in: Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn (1 lrsg.), Sayn - rt und Fürstenhaus, Bcn­dorf-Sayn 1979. S. 51-68 u. 230, sowie l la11s-!3emd Spies, Sayn. in: Lexikon des Minelahers, ßd. 7, München 1995, Sp. 1423-1424, zum iiltcren rafenhaus Sayn jetzt grundlegend _foacbi111.f. Halbeka,111, Die iiltcren ,rafcn von Sayn. Personen-, Verfassungs- und Besitzgeschichte eines rheinischen Grafen­gcschl ·chts 1139-1246/47 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für assau, ßd. 61), Wicsh:1den 1997.

'' Zu diesem vgl. C:e11sicke(wie Anm. 8), S. 271 f., Mi"i//er(wie Anm. 8), S. 53-56, sowie Spies, Sayn (wie Anm. 8), Sp. 1424.

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· Burg Greifenstein, gegenwtirtiger Zustand (Aufnahllle: Verfasser). ach der Zerstörung der rrüheren Burg illl Jahre 1298 wurde sie ab 1382 wiederaufgebaut, und aus dieser Zeit sta!lllllen die beiden Türllle,clie auch heute noch das Landschaftsbild beherrschen; vgl. l?enkboJJ; Greifenstein (wie Anlll. 14), S. 182.

des zur jüngeren, nicht den Grafentitel führenden Engelbertlinie dieses Hauses Sayn 10 gehörenden Engelbert II. - Urenkels Gottfrieds I. -, der spätestens 1345 starb", und seiner Frau Agnes von Greifenstein. Letztere, einzige Tochter des 1325 bereits toten Gerhard II. von Greifenstein, hatte noch zu dessen Lebzeiten Engelbert II. geheiratet, wohingegen Engelberts Vater, Gottfried II., der ihn überleben sollte - er starb erst 1354 -, vor 1334 Gerhards Witwe Maria ehe­lichte 12 . Gottfried war 1322 von König Ludwig IV. ' 3 der Burgberg mit der Ruine Greifenstein verpfändet worden; sein Versuch, die Burg Greifenstein wieder-

•0 Zur Teilung cles jüngeren Hauses Sayn in die äliere, den Grafentitel führende Johann- und in die jün­

gere, sich lediglich als Herren bezeichnende Engelbertlinie illl Jahre 1294 vgl. Censicke (wie Anlll. 8),

S. 273 u. 277, Mr'iller (wie Anlll. 8), S. 56, /-lans-Benrd S/)ies, Die Mediatisierung der l lerrschart Holll­burg an der Mark (1806), in: Bonner Universitätshlfüter 1976, S. 65-67, dies S. 65 u. 67, sowie ders., Sayn (wie Anlll. 8), Sp. 1424.

" Vgl. Censicke (wie Anlll. 8), S. 186 u. 277 (belegt für die Zeit l325- l339), sowie Europäische Stallllll­tafeln. Stalllllltafeln zur Geschichte der europäischen Staaten, eue Folge, Bd. 4: Standesherrliche Häuser 1, hrsg. v. Detlev Schwennicke, Marburg 1981, Taf'. 120 (erst!llals belegt 1323, verstorben IJ. Januar 1340 bzw. 2J. Septe!llber 1345).

" Vgl. Ceusicke(wie Anlll. 8), S. 186 u. 277, sowie Sta!llllltareln, Bel. 4 (wie Anlll. 11), Taf. 120. " Zu Ludwig IV., clelll Bayern (1281/82-1347), seil 1314 rölllisch-deutscher König, seit l328 Kaiser, vgl.

Alois Scbrilz, Ludwig der Bayer, Kaiser, in: eue Deutsche Biographie, 13d. 15, Berlin 1987, S. 334-347, sowie Alois Schmid, Ludwig IV. der Bayer, in: Lexikon des Miuelalters, Bd. 5, München / Zürich 1991, Sp. 2178-2181 .

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aufzubauen, scheiterte'4. Gottfrieds II. Enkel Johann von Sayn nannte sich seit

1363 Herr von Greifenstein; gut drei Jahrzehnte später 0395) verkaufte er seine Herrschaft'5

. Mit seinem Tod, er starb nach dem 8. Juli 1406, erlosch die Linie Sa yn-Greifenstein 16•

Dieser Johann von Sayn genannt von Greifenstein verpflichtete sich am 12. Juni 1386 in einer Urkunde, dem Stift St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg jähr­lich 3'h Pfund Heller Aschaffenburger Währung von seinem Haus bei der Mut­tergotteskirche zu zahlen und das Gebäude in gutem baulichen Stand zu erhal­ten'7:

,Jch Johan von Seyn[,l den man nen(n)it G1yffinsteyn[,l beken(n)en vffin­lich in dissim brieffe[,l daz ich den erb(ar)n herren Dechan'8 vnd Capitel'9

des stifftis czu Aschaffinburg20[,] irn nachkom(m)en vnd dem selbin stiffteschuldig bin zu bezalen vnd zu reychin alle iar vff sente Mertins dag21 ane allirleye wedirrede vnd hindirniss(e), virdehalp phunt hellir Asch(affinbur­ger) weru(n)ge ierlichis zinsis, von myme huse vnd allin sine(n) czuge­hordin gelegen by vnsir frauwin kirchin22 zu Aschaffinb(urg)[,l daz ets­wan(n)e was hern Johans K.remers Cano(n)ken zu Asch(affinburg) selgin, als lange als ich daz selbe hus besitzen vnd inne han." Wenn ich das Haus

,,, Vgl. G'ensicke (wie Anm. 8), S. 186, sowie Otto Renkbo_/]; Greifenstein, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 4: Hessen, hrsg. v. Georg Wilhelm Sante, Stuttgart '1976, S. 182-183, dies S. 182. Zur Geschichte von Burg und Herrschaft Greifenstein vgl. G'ensicke, S. 184-187, Renkbo_ff,Greifenstein, S. 182 f., sowie Karl E. Demandt, Geschichte des Landes Hessen, Kassel / Basel '1972,S. 392 f., 397 u 507 ff.

" Vgl. G'ensicke (wie Anm. 8), S. 186. Käufer war Johann Graf von Nassau (1352-1420), erzbischöflich mainzischer Bevollmächtigter für Hessen; zu diesem vgl. Europäische Stammtafeln. Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten, Neue Folge, Bel. l: Die deutschen Staaten. Die Stammesherzoge, die weltlichen Kurfürsten, die kaiserlichen, königlichen und·großherzoglichen Familien, hrsg. v. Det­lev chwennicke, Marburg 1980, Taf. 109.

"' Vgl. G'ensicke (wie Anm. 8), S. 277, sowie Stammtafeln, Bel. 4 (wie Anm. 11), Taf. 120. " Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stiftsarchiv, Urkunden, 2880. Hier und bei allen weiteren Zita­

ten aus ungeclruckten Quellen diplomatische Wiedergabe der Vorlage, jeweilige Kürwngen in runden Klammern aufgelöst; die Zeichensetwng der Ausfertigung dieser Urkunde wurde durch weitere Satz­zeichen, die in eckigen Klammern stehen, ergänzt.

'" Dekan des Liftes, also der Vorsitzende des dortigen Kapitels, war damals, als solcher belegt seit 1385, Hermann Rost, der 1389 bereits einen Nachfolger in diesem Amt hatte und am 22. August "1391 starb; vgl. A1nrbei11 (wie Anm. 7), . 89. Zu Aufgaben und Funktion eines Dekans vgl. Franz Pototscbnig, Dekan. Ir. Kirchlicher Bereich, in: Lexikon des Mittelalters, Bel. 3, München/ Zürich 1986, Sp. 652-653.

''1 Das Kapitel w3r die Gemeinschaft der Kanoniker genannten Weltgeistlichen des Stiftes; vgl. Nam:/iir­

ge11 Becker, Kapitel. I. Dom- und Stiftskapitel, in: Lexikon, Bel. 5 (wie Anm. 13), Sp. 938-939, sowie N11dol/Scbie.f/er, Kanoniker, in: elxl., Sp. 903-904.

"' Das Stift Sr. Peter und Alexander zu Aschaffenburg war ein Kollegiatstift, also eine Gemeinschaft von Kanonikern, die unter der Leitung eines Dekans standen, für den Gottesdienst an der Stiftskirche zu­ständig waren und für ihre Tätigkeit Einkünfte (Pfründen) aus besonderen tiftungen erhielten; vgl. dazu Pbilibert Scbmitz, Kollegiatstift, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hrsg. v. Josef Höfer u. Karl Rahner, 13d. 6, Freiburg '1961, Sp. 373, l-lerrna11n Not1a1p, Srifl, in: ebcl., Bel. 9, Freiburg '1964, Sp. 1073-1074, sowie Nicbard P11za, Kollegiatkirchc, Kollegiatstift, in: Lexikon, Bel. 5 (wie Anm. 13), Sp. 1253-1254.

" Martinstag= 11. November; vgl. /-lerma1111 G'rote/e11d, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Minelalters und der Neuzeit, Hannover "1991, . 78.

" Das Haus zum Greifenstein lag der Mu1tergo1teskirche gegenüber, vgl. G'rim111 (wie Anm. l ), S. 233 (Isometrie) u. 306 ff. (Lagepliine).

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l'crgamcnturkundc (i\ul·n:il11nc: Foto 1\lkn. i\,d1affcnhurg) de, loh:11111 1·011 '>:Iyn gcn:I1111I 1·011 (;rL·ikn­stcin 1·0111 12. luni 1:186 (vgl. i\11111. 17), 1\u.,krtigung {(;icilsL': 2c,.- X 15.8 rn1.

0

l'li�·:1 :\,(, rn1). Sic·gcl de., i\usstcllcrs kl;lt, vorl1:1ndcn lvdiglich d:1., 1/.11·citc Sic·gcl, n:i1nlid1 d:1., de, Joli:11111 Cr:1f vrn,· N:1s.,:1u.

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verkaufe, werde ich dem Käufer sagen, daß er künftig die genannten Zin­sen an das Stift zahlen muß. ,,Auch sol vnd wil ich daz vorgen(annte) hus vnd was dar czu gehoret an dachin[,] wenden vnd an buwe halden yn gu­dem redelichirn buwe[,] allirley argelist vnd geuerde vsz geschliszen[.] Des czu vrkund han ich gebeden den Ediln Grafen Johan zu Nassawe25[,] mine(n) neffen24

[,] daz er sin Jngesiegil czu mym Jnges(iegil) hat an diss(en) brieff gehangen, des wir Johan Graffe zu Nassaw vorgen(annt) beken(n)en vffinlich in diss(ern) brieffe[,] der gegebin ist nach Cristis ge­burte druczehinhund(er)t iar dar nach in dem sesvntachtz(i)gistim Jare an dinstage yn der phingistwochin'5[.]"

Gut drei Monate später, am 30. September 1386, verzichtete das Stift auf Bitten des Erzbischofs Adolf I. von Mainz26, seines Bruders Johann Graf von Nassau27

und des Junkers Johann von Sayn genannt von Greifenstein auf diese jährliche AbgabeW. Letzterer, ,,Dornicellus29 Johan(n)es de Seyn al(ius) d(ic)tus G1yffin­steyn", machte am 26. April 1390 der Stiftskirche eine Seelgerätstiftung30

, indem er ihr „vnu(m) Thappetu(m) sericu(m)", einen seidenen Wandteppich, schenkte, damit jeweils am 26. April in der Messe seiner gedacht werde. Ent­sprechend wurde diese Stiftung nebst der damit verbundenen Verpflichtung un­ter dem 26. April im dritten überlieferten Nekrolog (Totengedächtnisbuch)3 ' des Stiftes St. Peter und Alexander vermerkt32

. Johann von Sayn genannt von Grei-

" Es handelte sich u111 jenen, cle111 Johann von Sayn wenige Jahre später (1395) seinen Anteil an cler Herrschaft Greifenstein verkaufte; vgl. An111. 15.

'' Eine direkte Verwanclschaft Onkel-Neffe zwischen Johann von Sayn und Johann Graf von Nassau ist nichr bekannt; vgl. Sta111111tafeln, Bel. 4 (wie An 111. 11), Taf. 120, sowie clgl., Bel. 1 (wie An111. 15), Taf. 109

" Zu111 Kalender cles Jahres 1386 vgl. Crotefencl (wie An111. 21), S. 206 f.: Pfingstsonntag fiel cla111als auf clen 10. Juni, cler Dienstag in cler Pfingstwoche war cle111nach der 12. Juni.

"' Zu cliese111 (1353-1390), aus cle111 Grafenhaus Nassau, 1371-1388 Bischof von Speyer, 1373/81 bis zu seine111 Tod Erzbischof von Mainz, vgl. Anton !3r(ick, Adolf 1., Graf von Nassau, Erzbischof von Mainz, in: Neue Deutsche Biographie, Bel. 1, Berlin 1953, S. 84, Alois Cerlicb, Adolf 1. v. Nassau, Ebf. v. Mainz, in: Lexikon des Mittelalters, Bel. 1, München/ Zürich 1980, Sp. 161, sowie Otto Renkbq//; Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus ·13 Jahrhunderten (Veröffentlichungen der Historischen Ko111rnission l'ür Nassau, Bel. 39), Wiesbaden '1992, S. 553 f.

" Der in Anm. 15 genannte Johann Graf von Nassau. '" Die entsprechende Urkunde ist nicht als Ausfertigung, sondern lecliglich abschriftlich überliefert:

Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stiftsarchiv, Liber I praesentiaru111, fol. 57-57'. '" Bezeichnung für einen jungen Dorn- oder Stiftsherren, der noch keinen Sitz i111 Chor und noch keine

Stirn111e i111 Kapitel und vor allem noch keine Kanonikerstelle hatte; vgl. F(riedricb} Merzbacber, Do­rnicellar, in: Hanclwört:erhuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hrsg. v. Aclalbert Erler u. EkkeharclKauf111ann, Bel. 1, Berlin 1971, Sp. 753-754. Dies ist - neben eine111 Rückvermerk auf der oben wie­dergegebenen Urkunde vo111 12. Juni 1386 (vgl Anm. 17): ,,l(itte)ra clo111icelli cle Griffe(n)st(ein) sup(er) Joh(ann) Krerner" - cler bisher einzige bekannte Beleg clafür, claß Johann von Sayn genannt von Greifenstein eiern Stift St. Peter und Alexander angehörte.

" Seelgeriit ist clie „Güterübertragung an eine Kirche gegen das Versprechen ständiger Fürbitte irn Ge­bet"; vgl. Karl Kroescbe/1, Seelgerät, in: Lexikon, Bel. 7 (wie Anm. 8), Sp. 1680.

11 Zu dieser Quellengattung vgl. !3ni,�m.a11.n. (wie Anm. 7), S. 6-14, sowie.J(irgen. \.Vollascb, Necrolog, in: Lexikon des MitLclalters, Bel. 6, München/ Zürich 1991, Sp. 1437-1438.

" Einrragung, woraus vor.stehende Zirare, unrer diesem Datu111 (VT Kalenclas Maii): Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stiftsarchiv, Akten, 53JO, fol. 92. ßei C11dell11s (wie Anm. 2), Bel. 2, S. 351, fälschlich­weise „Vl KI. Apr." (- 27. März) als Datum, was bei Amrbeill (wie Anm. 7), S. 177, korrigiert; aller­dings gingen heicle davon aus, daß Johann von Sayn an diesem Tag im Jah�·e 1390 starb, was unrich-1ig.

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Siegel Johanns von Sayn an der Urkunde vom 6. Juli 1390 (vgl. Anm. 33), rund, Durchmesser: 2,4 cm, die Umschrifl lautet: .,+ S · 1O1 lA · VÖ · SEINNE··, das "iegelbilcl zeigt einen steigenden, herschauenden Löwen (Aufnahme: Foto Alfcn, Aschaffenburg).

fenstein war in jenem Jahr 1390 sowie 1394 und 1398 einer von mehreren Bür­

gen für drei Kautionen ünd siegelte neben anderen die entsprechenden Stifts­urkunden-'-'. Danach ist er in Aschaffenburg nicht mehr nachweisbar; da sein Va­ter sp�itestens am 21. September 1345 sLarb"' und Johann von Sayn genannt von Greifenstein am 8. Juli 1406 noch lebte'\ wurde er mindestens 60 Jahre alt.

Mit Urkunde vom 14. Januar 1410 schenkte, Erzbischof Johann Tl. von Mainz�' das Wohnhaus, ,,Curiam habitat(i)o(n)is d(ic)tam Griffenstey(n)", das vormals

Johann von Sayn genannt von Greifenstein, ,,Nobilis Johannes de Seyne al(iu)s dictus de Griffinstein", bewohnt halte, dem Stift SL. Peter und Alexander mit der Maßgabe, daß das Anwesen fortan eine Stiftskurie (,,Curia claustralis") sein

" Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Stiftsarchiv, Urkunden, ·1 - .. den ecleln Junghern ,loh:tn grefen von Seyn, den man nennet Gryfinstein" lnw .. ,Joh:111 grefe von Seyn" (6 . .Juli 1390) -, 1044 - .,Johan von Seyne den man nennet Gryffenstei1Y· bzw .. ,Johan ,·on Seyne" ('!. Sq,tember 139,1)- und 1047 -,,JunchernJohan von Seyne den man ndn)net ,ryffenstein" bzw .. ,JuncherJohan von Seyne den ii1:tn ne(n)net Gryffenstein" (22. Juli 1398). Die l linzulügung des Grafe111itels ist vermutlich ein Versehen cle.s Ausstellers oder Schreibers der Urkunde. auf dem Siegel bezeichnete sich Johann von S:1yn je­denfalls nicht als Graf.

" Vgl. Anm. 11. " Vgl. Anm. 16 und Text dazu. •· Zu diesem ( 1360- 1419), aus dem Grafenhaus N:tssau, Bruder Erzbischof Adolfs 1. von Mainz (vgl.

Anm. 26), von i.,97 bis zu seinem Tod Erzbischof von Mainz. vgl. /111/011 !'b/ilip/1/ lfrr"ick, Johann 11.v. Nassau, Erzbischof von Mainz, in: Neue Deutsche Biographie, ßd. 10, 13erlin 197•1. S. •196-,197. so­wie 11/ois C:erlicb, .Johann II. v. Nassau. Ebf. v. Mainz, in: Lexikon. Hel. 'i (wie Anm. 13). Sp. 'i 1 'i.

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nurg Grcil"cn,tl'in (Aufn:d1ml': Vl't-f:issn).

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. Aus dieser Urkunde ergibt sich eindeutig, daß die Stiftskurie Greifenstein ihren Nam n aufgrund eines ihrer Besitzer, nämlich des Adligen Johann von Sayn genannt von Greifenstein, rhielt. Dessen Zusatzbezeichnung wiederum ging auf seinen zeitweiligen Besitz der Herrschaft Greifenstein zurück. Mithin trug die ehemalige Stiftskurie Greifenstein in Aschaffenburg den Namen einer Herrschaft und Burg I ei Wetzlar; während diese Stiftskurie bereits vor 1770 ab­gebrochen wurde, sind auch heute noch beachtliche Reste ihrer namengeben­den Burg, die ab 1693, damals als Adelswohnsitz aufgegeben, allmählich v.er­fiel·II<, zu sehen.

1• Stadl- und S1.if1sarchiv Aschaffenburg, S1irtsarchiv, Urkunden, 2582, wonach ziIien; Druck: ValentinFerdinand Neicb4i·eiberr 110n G'11de1111s, Codex diplomaticvs anecdoIorv111, res MogvnIin:1s, Fr:1nciG1s. Tn.:virenses, l lassiacas, f'ini1i111arvmqve regionvm, nec non ivs Germanicvm el S. R. 1. hisIori�1111 vel ma­xime illvs1ran1ivm, 13d. 4, Frankfun am Main/ Leipzig 1758, S. 59 r.

"' Vgl. Ne11kboj/; Greifensiein (wie Anm. 14), S. 183.

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König Gustaf II. Adolf von Schweden und Aschaffenburg 1631

Die, age von der angeblich n Errettung der Stadt durch den Kapuzinerguardian Bernhard und ihr historischer Hintergrund

von Hans-Bernd Spies

In den vom damaligen Aschaffenburger Bürgermeister Adalbert von Herrlein' gesammelten und erstmals 1851 veröffentlichten Sagen des Spessarts gibt es als zehnte eine mit der Überschrift „Der Schwedenkönig Gustav Adolph zu Aschaffenburg"\ in der es nach einer Bemerkung über das Herannahen der schwedischen Armee, die u. a. in „Miltenberg bös gehaust", h ißt:

,,Darum war Aschaffenburg voller Schrecken und wer nur immer abkom­men konnte, floh mit seiner Habe aus der Stadt. Die B hörden entwichen nach Mainz, die Stiftsh rrn in die spanischen Nied rlande und die Jesui­ten nach Frankreich: nur die Kapuzin r hielten getreulich aus. Der Pater Guardian, Bernardus von Trier, ließ durch seine Geistlichen die Stift kir­che, so wie die Pfarrkirche zu . L. F. [Unserer Lieben Frau = Muttergot­teskirch ) und andre Kirchen besetzen und nahm sich auch des w lt­liehen Regimentes an. Endlich am 25. ovember (1631) nahte Gustav Adolph. Der Pater Guardian, begleitet von dem Stacltrathe, überreichte ihm jenseits der Mainbrücke knieend die Schlüssel et r Stadt und bat um

nade für dieselbe. Der König war wohl etwas befremdet ob des Stadt­kommandanten in der Kutte, aber er bewundert den Muth des Mannes und es fr ut ihn das Vertrauen, welches di ser ihm kund gab. Freund­lich sprach er mit dem Guardian und fragte nach sein r Wohnung, und nachd m ihm dieser sein bescheiden s Klösterlein gez igt hatte, sich rte ihm der König zu, daß er vor Allem bei ihm eink hren werde. W ährend des Einzugs ging et r Guardian neben dem Rosse des Königs einher; der König rkundigte sich nach allen Verhältnissen der Stadt und erfuhr nun, daß die mainzischen Beamten und die geistlichen H rrn die Stadt verlas­s n h�itten. Der König war am Schloss ang langt. Da sprach er: ,Ein fei­nes Schloß 1 Wenn füider daran wären, würden wir s nach Schwed n führen lassen. Da es aber nit transportirt werden mag und der Mainzer Bi­schof und s ine Diener es auch nit zu bewahren gewillt waren, so sind wir gemeint, das Schloß dem Kriegsvolke preis zu geben.' Da entgegnet der Guardian: ,Eure Majestät wolle geruhen, sich zu überzeugen, daß da Schloß mit mehr als hundert Rädern vers hen ist'·' - und dabei deu­tete er auf das Mainzer Wappen, das oberhalb aller Fenster des Hauptge­schosses und auch sonst am Schlosse angebracht ist - ,es fehlt darum nur

' Zu diesem ( 1798-1870), 1835-1864 Bürgermeister der Stadt Aschaffenburg, vgl. Carsle11 Pol/11ick,

Ascl1:1ffenhwger St�1dtoherhiiupter von 1818 his 1983, Würzburg 1983, S. 40-45. ' 1-idalherl 1•011 llerrlei11, Die Sagen des Spessans, Aschaffenburg 1851, S. 16 f. ' Anführungszeichen fehlt in der Vorlage.

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die Bespannung.' ,Pfäfflein, Pfäfflein' sprach der König, ,du gefällst uns; du bist eben so schlau, als herzhaft. Um deinetwillen wollen wir der Stadt und dem Schlosse Gnade angedeihen lassen.'

Darauf zog der König in das Kloster, wo ihn alle Kapuziner feierlich emp­fingen; später nahm er seine Wohnung im Schlosse. - Die Stadt mußte zwar eine erkleckliche Brandschatzung4 oder s. g. ,schleunige Hülfe' er­legen, wurde aber im Vergleiche gegen andere Städte sehr glimpflich be­handelt."

Diese zuvor in einem stadtgeschichtlichen Buch bereits 1843 in einer Kurzfas­sung5 gedruckte Sage6 wurde in überarbeiteter Form bis in die neuste Zeit im­mer wieder veröffentlicht

7

. Herrleins Hauptquelle dürfte die wenige Jahre zuvor in deutscher Sprache geschriebene Chronik des 1620 gegründeten Kapuziner­klosters Aschaffenburg8 gewesen sein, die sich in einem „Manuale in usum P. Guardiani 1845" betitelten Heft befindet9 und in dem der mit „Bedrängniß des

Zu dieselll Begriff vgl. Jobet1t11 Hei11ricb Zedler, Grosses volls1/indiges Universal-Lexikon, 13d. 4, Graz 1961 (Reprim der Ausgabe Halle / Leipzig 1733), Sp. :I079 ff., bes Sp. 1079: ,,Brand-Schatzung, ist eine gewisse Contributio11, so lllan delll Feinde bezahlet, Ulll sich vor Verheerung lllit Feuer loß zu kauffen."

' Eine ausführliche, der Fassung Herrleins größtenteils entsprechende Fassung war schon 1834 in einer Beilage zur ,Aschaffenburger Zeitung' erschienen: (A111011 Karl/ Sib/11, Gustav Adolfs von Schweden Einzug in Aschaffenburg (Rückblicke in Aschaffenburgs Vorzeit. Fortsetzung), in: Erheiterungen J834, Nr. 167-170 (18., 20., 22. u. 24. Oktober), S. 667 f., 671 f., 676 u. 680, dies S. 676; zu einelll Teilaspekl vgl. unten Anlll. 15.

'' V gl. St(eplxm/ Bebten u . .f(osepb} Merkel, Geschich1e und Beschreibung von Aschaffenburg und delll Spessart, Aschaffenburg 1843, S. 20 f.: Das schwedische Heer zog ,.gegen Aschaffenburg, welches bei dessen Annäherung von allen angesehenen Einwohnern verlassen wurde. Die Stifrsgeistlichen flüch-. teten lllit ihren Schätzen in die Niederlande, die Jesuiten nach Frankreich. Geistliche und weltliche Obrigkeiten halten sich entfernt, die Kirchen waren ohne Priester. Der Guardian der apuziner Pa1er Bernhard, ein geborener Trierer, ergriff die Zügel der geistlichen und weltlichen Verwaltung, und die C:1puziner versahen die Pfarreien. Es war alll 25. Novelllber 116311, als die schwedischen Truppen in

Aschaffenburg einzogen. Der Guardian, begleiter von Magistrarsrfühen, überreichte delll König auf der Mainbrücke die Schlüssel der Stadt auf einer lllil 131ulllen verzierten Schüssel. Der König fragte den Guardian: wo wohnst du, wo ist dein ! laus' Der Kapuziner deutete lllil delll Finger darauf und der

König versprach, bei ihlll einzukehren, was auch geschah, ehe er das kurfürstliche Schloß be1ra1. Jn Mitte des Conventes wiederholi:e Gustav Adolph delll Guardian freudig die Worte: deinerwegen hat die Stadt Gnade gefunden und es soll ihr nichts Uebels widerfahren, und so ward Aschaffenburg von Einem- Kapuziner gerettet." Diese Fassung wiederholt bei Josq/Baier/e/11, Aschaffenburger Kuli ur- und Geschichtsbläuer aus delll .16. und 17. Jahrhundert. Nach Ak1en des k. Landgerich1s Aschaffenburg bearbeitet, Abt. l, Aschaffenburg J891, S. 94 f.; clxl., S. 96 f. eine wei1ere Fassung, in der wie oben die lllainzischen Wappen alll Schloß eine Rolle spielen. V gl. Vale11ti11 P/'ei/'er, Spessart-Sagen, Westerngrund "J99l, S. 12 f., sowie, die g,rnze Geschich1e er­heblich ausschlllückend, Josq/Moder, Der König und der Kapuziner, in: clers. (Hrsg.), Der I önig und der Kapuziner. Aschaffenburger Geschichten, Aschaffenburg 1981, S. 35-50.

' Zur Geschichte dieses Klos1ers vgl. Sf.�is1111111d Lore11z, Asch:tffenburger Klosterbilder aus der Ge­schichte der Kapuziner zu Aschaffenburg .1620-J 908, Aschaffenburg .1908, zur Klos1ergrünclung S. 7-14. Zu dem J 52 volll Papst anerkann1en Kapuzinerorden vgl. zusalllmenf'assend Karl S11so Fra11k, IC1-puziner, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hrsg. v. Waller Kasper (künl'iig: 1;n1K), 13d. 5, Freil>urg

/ ßasel /Rom/ Wien 5.1996, Sp. 1220-1226 . . , Archiv des Kapuzinerklosters Aschaffenhurg, Abteilung l lm1s, Fach 1: l lau.,geschich1e, Faszikel 7: Ma­

nuale u. Chronik .1843. ßei dieser Jahreszahl 184.3 des neueren Aufkl ·bers auf dem I left h:tndeli es sich um einen Lesefehler. Hier und bei allen wei1eren Zitaten aus handschril'ilichen Texlen diplom:.lli­sche Wiedergabe der Vorlage.

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Klosters u der Stadt wegen Annäherung der Truppen des Schwedenkönigs" überschriebene § 8 nach einer zweisätzigen Vorbemerkung folgendermaßen lautet 1°:

„Defi am 25sien November 1631 am Feste der hl. Katharina näherte sichder Schweden König Gustav Adolph mit seinen Truppen der Stadt Aschaffenburg u erfüllte die Bürger mit unsäglicher Furcht u Bangigkeit.

achdem man sich lange beraten hatte, wie man dieses furchtbare Un-, g wirrer von der Stadt abwehren konte, kam man auf den Gedanken an

P. Guardian Abgeordnete zu senden u ihn zu bitten, er möchte mit denangesehensten Rathsherren dem Könige entgegengehen, ihm zum Zei­chen der Huldigung die Schlüssel der Stadt Thore11 übergeben, seineHuld anflehen u Altar u Herd der königlichen Macht anheimstellen, utaras cumfocis regiae potestati substerneret. Dieser Vorschlag gefiel um somehr, da sich die Patres Capucini bei diesen Bedrängnissen schon sothätig bewiesen haben. Den da Groß u Klein die Flucht ergriffen u selbstdi Stiftsherrn u Jesuiten Aschaffenburg verließen, waren die P. P. Capu­ciner der einzige Trost der Stadt. P. Bernard besorgte die verlasseneStiftskirche, bes tzte mit seinen Ordensgeistlichen die Muttergottes PFarru noch andere Kirchen u lenkte das Geistliche u Weltliche. Grund alsogenug, warum sich die Rathsherren in dieser verzweifelnden Lage an dashiesige Kloster wendeten. Man verfügte sich nun alsobald zum P. Guar­dian u trug ihm das Resultat ihrer Berathung vor. Dieser ward über dieseNachricht betroffen, erwog die Schwierigkeit der Sache u zauderte an­fangs ein wenig; endlich aber entschloß er sich doch dazu, u ging also­bald, d 11 es war schon Abend, auf Gottes Beistand vertrauend mit den12

Abgeordneten vor das Thor der Steinbrücke hinaus, warf sich vor demKönige auf die Erde nieder, überreichte ihm auf einem silbernen schöngezierten Teller die Schlüssel der Stadt u bath mit ernsten, aber demüthi­gen Worten für die Bürger um Schonung. Als er geredet hatte, sprach Gu­stav zu ihm: ,Surgevi,� et adoraDeum tuum.', Man stehe auf, u bethe dei­nen Gott an. Er staunte u lächelte über den Anzug eines solchen Stadt­regenten u fragte ihn: Wo wohnest du, u wo ist dein Haus? P. Guardianzeigte mit seinem Finger auf sein Kloster herüber u sprach zum König:Jch will Eurer Majestät alles zeigen u alles wird sich so in Wahrheit be­finden. Gustav rwiederte: Jch werde bei dir einkehren; u entließ ihnsarnt den Rathsherren mit der Zusicherung seiner Gnade, zog in die Stadtein u nahm in dem churfürstlichen Pallaste seine Wohnung."

Tn § 9 dieser Chronik, der mit „Gustav Adolph ko!'i1t in unser Kloster" über­schrieben ist, wird schließlich noch angefügt:

'" Dcr f"olgcndc Text auch bei Lore11z(wie Anm. 8), S. 23 r., aber weder buchstahengerrteu noch fehler­frei, .so h:11 diescr .. Mainbrücke··, obwohl in der Vorlage eindcutig „Stcinhrückc steht.

" Dieses Wort über der Zeile nachtr:iglich von gleicher Hand hinzugefügt. " Dieses Wort korrigicrt aus: dcm.

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„Was König Gustav versprach, geschah auch. Eines Tages kam er von dem Schloße in unsern Garten herüber u ging in das Kloster. Er wurde von dem versarnelten Conventeempfangen. Er besah auch die Kirche[. .. ]. Nach einem sehr langen Gespräche von den Begebenheiten in u außer der Stadt sprach er endlich zum P. Guardian, ,Deinetwegen hat die Stadt Gnade gefunden u soll auch kein Übel'3 leiden, obschon die meineidigen Großen die Stadt verlassen u alles Geld u Reichthum fortgeschleppet ha­ben.' Er gab uns unzweideutige Beweise seiner Huld u Gewogenheit u sein Kriegsrath erwieß uns alle Menschenfreundlichk it. Man erz�ihlt sich auch, daß einer seiner Offiziere einen gemeinen schwedischen Soldaten, weil er etwas entwendete, in unserm Refectorio mit dem Schwerte durch­bohren ließ."

Beim Vergleich zwischen dieser Chronik des Kapuzinerklosters und der von Herrlein gedruckten Fassung der Sage fallt auf, daß letzterer den Abschnitt über die Wappen am Schloß einer anderen Vorlage entnommen haben muß. Ver­mutlich war das die 1818 erschienene Stadtgeschichte des aus Mainz stammen­den und damals in Darmstadt tätigen Theologen und Historikers Johann Con­rad Dahl '4, in der die entsprechende Stelle so lautet":

„Von dem Könige Gustaph Adolph wird erzählt, daß, als er das Schloß zu Aschaffenburg genau betrachtet, er seine Generäle gefragt habe: ,wel­chen Hauptfehler dieses Schloß h�itte? ' Da nun die meisten stillgeschwie­gen und nicht gewußt lütten, was sie daran tadeln sollen, habe endlich

" Vorlage: Uhel.

'' Zu diesem 0762-1833) vgl. C11yot de Fere, Jean-Conrad Dahl, in: Nouvelle Biographie Generale de­puis !es temps !es plus recules jusqu'a nos jours, avec !es renseingnements hihliographiques et l'indi­cation des s urces a consulter, ßd. :12, bearh. v. l)ean-Chretien-Ferdinandl Hocrer, Paris 1855, Sp. 782, (Philipp Alexander Ferdinand( Walther, Joh. Konrad Dahl, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 13d. 4, Leipzig 1876, S. 691-692, sowie Otto Ne11khq/J; Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahr­hunderten (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau, 13d. 39), Wiesbaden '1992, s. 118.

" .J(ohctn.n( Courad Dah!, Geschichte und Beschreibung der Stadt Aschaffenburg, des vormaligen Klo­sters Schmerlenbach und des Spessarts, Darmstadt 1818, S. 60. Vgl. auch Sibi11 (wie Anm. 5), S. 676: ,,Als nun der König in der Mitte seiner Heerführer an der Tafel saß, und alle das schöne Schloß loh­ten, ließ Gustav Adolf den damals noch lebenden Baumeister, den berühmten Rüclinger, welcher sich in Aschaffenburg ansäßig gemacht hatte, vor sich rufen, lobte sein Werk, bemerkte aber, daß es einen großen Fehler habe. Bescheiden schwieg der Baumeister, und die l leerführer riethen vergebens; da meinte der König: der Fehler sey der, daß es nicht vier Riider habe, um es nach Schweden rühren zu können. Rasch entgegnete Rüdinger: Diesen Fehler hat es nicht, sehen Euere Majestiit auf die vier Türme, die vier Räder - die kurmainzer Wappdnl - sind da, es bedarf nur des Künstlers, der das Schloß umzukehren vermag. Diese Antwort gefiel dem Könige so wohl. daß er den Baumeister reich­lich beschenkte". Allein die Tatsache, daß der Baumeister des Schlosses, Georg Riclinger (1568-1617), damals etwas mehr als :14 Jahre tot war, genügt, um den Wahrheitsgehalt dieser Fassung der S,1ge zu bewerten; zu Riclinger vgl. zusammenfassend mit ausführlichen Literaturangahen /-/a11s-8er11d 51Jies, Georg Riclinger 0568-1617). in: Fr:inkische Lebensbilder, Bel. 17, hrsg. v. Alfred Wendehorst (Veröf­fentlichungen der Gesellschaft für friinkische Geschichte, Reihe VII A, Bel. 17), Neustadt/Aisch 1998. S. 73-78. Zu den historischen Tatsachen des angeblichen Nachbaues des Aschaffenhurger Schlosses in Schweden vgl. ders., Schloß Johannisburg in Aschaffenburg und Schloß Skokloster am M:il;irsee in Schweden (Beihefte zum Aschaffenhurger .Jahrbuch, Heft 3), Aschaffenburg 1998, hes. S. 5, 7, 10, 15, 17-24 LI. 26 ff.

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König Gus1af" 11. Adolf von Schweden ( 1594-1632); Gemiilde, Manlüus Merian d. Ä. (1593-1650) zu­geschrieben - Wiedergabe nach /300 uo11 /Vla/111bo1g Samtida porträit av Gustaf 11 Adolf. Populär sam­manfa1tning (Smftskrif"ter utgivna av Svenska l'ortr:ittarkivet, Nationalmuseum, Nr J ), Stockholm 1944, Abb. 3J.

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cler König gesagt: ,Es fehle nichts daran, als zwei große Walzen, um dar­auf selbiges über die Ostsee nach Schweden walzen zu können."'

Ähnliches war dem schwedischen Orientalisten Jacob Jonas Björnstähl 16 am 17. April 1774 in Hanau erzählt worden, als man ibm zu Beginn seines dortigenAufenthaltes, der fast sechs Wochen währen sollte'7, den Besuch Aschaffen­burgs empfahl'8

; hier war der Schwede dann am 1. Mai und wiederholte bei derBeschreibung des Schlosses auch das, was er zwei Wochen vorher in Hanauvernommen hatte'9

. Diese von Björnstähl mitgeteilte Überlieferung läßt sich zu­mindest bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen20, allerdingsfindet sieb nichts davon in der Kapuzinerchronik.

Andererseits wurde die Geschichte von einem mutigen Mann, der den Schwe­den entgegengezogen sei, nach einer nicht weiter bezeichneten handschrift­lichen Quelle erstmals 1821 in gedruckter Form von dem in Roßdorf bei Darm­stadt geborenen und damals in Seligenstadt als Advokat tätigen Juristen Johann W ilhelm Christian Steiner2

1 auch für Niedernberg veröffentlicht22:

Alle Niedernberger waren vor den Schweden bis auf einen Mann nach Aschaffenburg, Obernburg usw. geflohen. ,,Dieser, welcher größeres Zu­trauen zur schwedischen Großmuth hatte, als seine übrigen Landsleute, ging den feindlichen Soldaten beh rzt entgeg n und verlangte vor den

"' Zu diesem (1731-1779) vgl. Hans-Bernd Spies, Der schwedische Orientalist Jacob Jonas Björnstähl in Aschaffenburg (1774), in: Mitteilungen aus eiern Stadt- uncl Stiftsarchiv Aschaffenburg 2 (1987-1989), S. 211-218, dies S. 211 f.

" Ankunft von Frankfurt am Main mit eiern Postboot in Hanau am 16. April 1774, Rückfahrt von Hanau, von wo aus er mehrere Tagesausflüge in clie Umgebung unternommen hatte, nach Frankfurt am . 26. Mai, ebenfalls mit eiern Schiff; vgl. ebcl., S. 21 I.

'" Vgl. ehcl., S. 213 f. "' Vgl. ebcl., S. 2:14 f. Zum Aufenthalt ßjörnstf1hls am selben Tag in Wasserlos vgl. l-la11s-/3ernd 5/Jies, Ein

Schwede zu Besuch beim Schloßherrn von Wasserlos im Jahre 1774: Jacob Jonas Björnstähl, in: Unser Kahlgruncl. Heimatjahrbuch für clen ehemaligen Landkreis Alzenau 3.3 (1988), S. 63-66.

"' Vgl. Jobamt Hübner, Vollständige Geographie, Tl. 3: Von Böhmen, Oesterreich, Bayern, Francken, Schwaben, Ober-Rhein, Nieder-Rhein, Westphalen, Nieder-Sachsen und Ober-Sachsen, Hamburg 1731, S. 432: ,,Der König in Schweden, G11stavus Adolphus, ließ seine Generale·rathen, was dieses Schloß vor einen Haupt-Mangel hätte? und sagte zuletzt, es fehlte nichts daran, als zwey große Walt­zen, darauf man es über die Ost-See nach chweden schieben könte." Hinsichtlich der Überlielkrung einer ähnlichen Äußerung des Schwedenkönigs über die Residenz in München vgl. Spies, Schlo� (wie Anm. 15), S. 22 f., sowie ders., Orien1alist (wie Anm. 16), S. 214 f. u. 217.

" Zu diesem (1785-1870), der 1831 aufgrund seiner bisherigen historischen Arbeiten zum Historiogra­phen des Gr ßherzogturns Hessen und seines Herrscherhauses ernannt wurde, vgl. Georg Wi11ter, Jo­hann Wilhelm Christian Steiner, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 35, Leipzig 1893, . 703-705, sowie, allerdings nicht ganz wverlässig;)akoh.Jung, Johann Wilhelm Christian Steiner, der erste Ge­schichtsschreiber des Kahlgruncls, in: Unser Kahlgrund. Heimatjahrbuch für den ehemaligen Landkreis Alzenau 37 0992), S. 145-148.

" Job/c11111) Wilb/e!rn) Cbrislia11 Steiner, Geschichte und Topographie der alten Grafschaft und Cerlt Ost­heim und der Stadt Obernburg am Main (ders., Altenhümer und Geschichte des Bachgaus im alten Maingau, Tl. 1), Aschaffenburg 1821, S. 194 f.; die Geschich1e mit f lgendem Satz eingeleitet: ,,Fol­gende mündliche Nachricht ist uns von dieser Zeit aus der ostheirner ent übrig geblieben." Als An­merkung zu der Geschichte auf S. 198 lediglich der Hinweis: .,Handschrif1liche Nachrichten." Diese Geschichte ist im Laufe der Zeit immer weiter ausgemalt und auch für politische Zwecke propagan­distisch ve,wendet worden; vgl. Albert Wag11er, Niedernberg. Geschich1e und Gegenwan einer Ge­meinde am bayerischen Un1ermain, Niedernberg 1994, S. 168-172.

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König gefC1hrt zu werden, welcher sich zu Aschaffenburg befand. Man willigte in sein Verlangen. Auf die Frage des Königs: warum er nicht Glei­ches, wie seine übrigen Mitbewohner gechan habe, antwortete er: dazu wäre er zwar beredet worden, allein sein Vertrauen zur Großmuth des Königs wäre so groß, daß er sich unmöglich überzeugen könne, er werde getödtet werden. ,Weil dein Vertrauen also ist'23, erwiederte der König, ,so24 geschehe dir Gnade; die Hofraithen des Orts, welche mit Feuer ver­heert worden wären, sollen dein Eigenthum seyn.' Auf diese Art wurde Niedernberg gerettet, und nachdem die Einwohner zurückgekehrt waren, gab der Alte gern die Hofraithen zurück."

Im Gegensatz zur deutschen Fassung der Kapuzinerchronik von 1845 ist jene in lateinischer Sprache zwischen 1703 und 1716 angelegte und innen als „Annota­tiones Conventus Aschaffenburgensis ab anno Millesimo Sexcentesimo V igesimo" bezeichnete25 hinsichtlich des fraglichen Sachverhaltes wesentlich knapper26

:

Auch hier heißt es, Pater Bernhard aus Trier27, der Guardian des Kapuzinerklo­sters, wurde am 25. November 1631, dem Festtag der heiligen Katharina, und zwar gegen Abend, seitens der Aschaffenburger Bürgerschaft gebeten, mit ihren

" Anführungszeichen fehlt in der Vorlage. ,, Dgl. " Archiv des Kapuzinerklosters Aschaffenburg, Abteilung Haus, Fach T: Hausgeschichte, Faszikel 7:

Chronik 1620-1814. Der zeitliche Rahmen für die Anlage dieser Chronik ergibt sich zunächst aus der jüngsten Jahreszahl in dem von einer Hand geschriebenen ersten Teil es. 1-22), nämlich 1703 es. 19), und der ersten der dann chronologisch folgenden Eintragungen von anderen Händen, nämlich 1716 es. 22)

"' Ebcl., S. 6 f. - Abkürzungen der Vorlage in runden Klammern aufgelöst, nicht konsequente Groß- und Kleinschreibung wurde insofern verändert, als nur Namen- und wichtige Bezeichnungen groß ge­schrieben-: ,,25 Novelllbris in fcsto S(anctre) Catharinre Virginis et Martyris, circa vesperam ä civitate Aschaffenburgensi requisit(us), ut cum quib(us)dalll ex Magistraru prilllarijs, ante ponam pontis, Gu­stavo Regi Suecire culll terribili exercitu aclvenienri obvialll iret, et claves civitaris in signum debitre submissionis prresentaret, ciusq(ue) clementiam et Regiam protectionem imploraret; hanc autem ponderosam magnreq(ue) considerationis colll(m)issione!ll in se suscipere prrefat(us) p(are)r Guar­dian(us) nonnihil tergiversat(us), tanclelll ta!llen a!llore et colll(m)iseratione religiosä erga civitatelll vict(us), adijt Gustavulll Regelll forti anilllo, eiq(ue) humillime claves civitatis ante portam, flexis ge­nib(us) in ornata patina obtulit postulanclo: gratiam Regialll; quem cum Rex ira in terra prostratum et humiliatulll intuiteus), hisce ipsum ·verbis affat(us) est. Vir surge et aclora D(omi)num Deum nostrulll." Das ist übrigens die einzige Chronikfassung dieser Geschichte, in der von einem eiern Schweclenkönig und eiern Kapuzinerguarclian gellleinsa!llen Gou (,Deus noster'), nicht von eine!ll besonderen Gott des Kapuziners (,Deus ruus') die Rede ist.

'' Dieser, 1619 in den Kapuzinerorden eingetreten, war 1624-1627 und erneut 1631-1634 Guardian des Kapuzinerklosters Aschaffenburg und ab 1634 desjenigen in Trier, 1638-1641 war er Provinzial der rheinischen Orclensprovinz, 1642 wurde er Guardian des Klosters in Mainz, 1643 begleitete er als Ge­neralkustos seinen Nachfolger im Amt des Provinzials auf dessen Rolllreise, er starb 1646 in Aschaffen­burg; zu cliese!ll vgl. Hierotbeus CO"l�jluenli-nus, Provincia Rhenana Fratrulll Minorum Capucinorulll a fundationis sure prilllordiis usque ad annulll MDCCL. in quinque libris fideli narratione vulgata, Hei­delberg '1750, S. 110, Lorenz (wie Anm. 8), S. 21-26, Arseni11s Jacobs, Ein Kapuzinerguarclian, Retter der Stadt Aschaffenburg in der Schwedenzeil', in: Mainzer Journal 1931, Nr. 259 (7. November), S. [41, sowie KI. Lentes, Pater Bernhard von Trier, der Re11cr der Staclr Aschaffenburg aus Schwedennot, in: Trierische Heimat 8 (1932), Hefl 4/5 (Januar/Februar), S. 55-59, dies S. 57 f. Guardian ist die Bezeich­nung des Vorstehers eines Kapuzinerklosters; vgl. 1-Jeinz-MeinolfStamm, Guardian(us), in: LThK (wie Anm. 8), Bel. 4, Freiburg/ Basel/ Rom/ Wien .11995, Sp. J087.

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Latl! iniscill! l'a.ssung (111:1rkil! rll! Stl!ill! ) dl!r S:tgl! von K:tpuzinl!t),:uardian lkrnh:11'(1 und König Gust:11' 11.

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Adolf von Schweden (vgl. Anm. 26) in der lilLesten Chronik (vgl. Anm. 25) des Kapuzinerkloslers

Aschaffenburg.

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Vertretern dem mit einem schrecklichen Heer heranziehenden Schwedenkönig vor das Brückentor entgegenzugehen, ihm als Zeichen der Unterwerfung die Stadtschlüssel zu überreichen und ihn sowohl um Milde als auch um könig­lichen Schutz zu bitten. Dies tat der Kapuziner auch, indem er sich vor Gustaf Adolf niederkniete, der ihn jedoch aufforderte: ,,Mann, erheb dich und bet den Herrn, unseren Gott, an."

Hier ist also keineswegs - wie in der deutschen Kapuzinerchronik - davon _die Rede, der Kapuzinerguardian habe wegen der Flucht der Stiftsgeistlichen, Je­suiten und der landesherrlichen Beamten sowohl das kirchliche als auch das weltliche Regiment in der Stadt an sich gerissen; in dieser Hinsicht ist die deut­sche Fassung außerdem widersprüchlich, denn wenn Bernhard die weltliche Gewalt übernommen hätte, dann hätten auch keine offiziellen Vertreter der Stadtve,waltung mehr in Aschaffenburg sein dürfen2

". Eine Zwischenstellung zwischen der lateinischen und der deutschen Fassung der Kapuzinerchronik nimmt die in einer Geschichte der rheinischen Kapuzinerprovinz im Druck überlieferte Schilderung der Begegnung von Schwedenkönig und Kapuziner­guardian ein, die ebenfalls in Aschaffenburg entstand2'!_

Beide Fassungen der Kapuzinerchronik, sowohl die sp�itere deutsche als auch die frühere lateinische, geb n als Datum für den Einzug des Schwedenkönigs in Aschaffenburg den 25. Nov mber 1631 an, in beiden Fällen ist noch der ent­sprechende kirchliche Festtag, nämlich der der heiligen Katharina'0

, hinzuge­setzt, so daß die Angabe eindeutig und ein Sehr ibfehler - etwa versehentlich 25. statt 23. November - ausgeschlossen ist5 '. Trotz dies r Tatsache ist das Da­tum 25. November 1631, welches in zahlreiche Arbeiten zur Aschaffenburger.

'" Das Herausstellen der Rolle der Kapuziner hinsichtlich des geistlichen Wirkens in der deutschen Chro­nikfassung scheint ihren Grund in Konflikten mit den Stif'Lsherren gehabt zu haben; vgl. über ent­sprechende Auseinandersetzungen di<.: lateinische Chronik (wie Anm. 25), S. 7-10.

-"' Vgl. f-fierolbe11s Co11jl1.1e11/i1111s (wie Anm. 27), S. 272: .,Su<.:corum Rex ad diem S. Catharin::c Virgini & Martyri sacrum copiis suis Aschaffenburgo propinquans, omnem civem indicibili timore perccllit; inopes itaque consilii, tandem I'. Bernardum Trevirensem Conventüs nostri Guardianum per delega­tos irnplorant, u1 cum Senatoribus occurens Regi, portarum illi claves in signum submissiones offern.:t, clementiam peteret, arasque cum focis Regix potestati substernerel: hxrebat ad h.ec, reique gravitate perpensa, aliquantulC11n cunctabatur Bernardus, demum tamen divinil assistenti:1 fretus, cum deputa­tis extra portam lapidei pon1is procedit, humi se coram Regi prosternit, in argentea, ornatäque patena claves Civita1is prxsentat, ac pro salute civium graviter ac submissc peroral: cui Rex, s111'l!e \ li1; & adora De11m 11.111m. illis itaque cum grati;c asseveratione dimissis, Rex Civirntem ingreditur, occupat Electorale l'alaliu111, ex e6que nostru111 ad honum & Conventum aliquando descendens, inspicit Eccle­sia111 1 ... 1, ac deinceps non obscura nobis clementi::c signa, ejus autem Senmus Bellicus 0111nem hu111a­nita1e111 exhibuil. pra::ter h::cc habet tradi1io, quod bellicus quida111 officialis Suecum gregariu111, .. inac­cep1a sibi perferentem, in refectorio nostro gladio confossu111 pere111eril." Dar, diese Fassung nicht außerhalb Aschaffenburgs entstand, ergibt sich aus den For111ulierungen .,Conventüs nostri Guardi:1-num'·, .,ex e6que nostrum ad hortu111 & Conventu111 aliquando descendens" und .,in refectorio nostro".

"' Der Festtag d<.:r Katharina von Alexandrien, die als historisch<.: Persönlichkeit nicht nachweisbar und deren Verehrung als Heilige (Märtyrerin) erst seit de111 8. Jahrhundert quellenm/if�ig gesich<.:n is1, isl der 25. November; vgl. /-/ans Nei11bard Seelip,e1; Katharina v. Alexandri<.:n. in: LThK, 13d. 5 (wie

Anm. 8), Sp. 13.30-1331. " Die bei /-lierotbe11s Co11/l11e11li1111s g<.:druck1e Fassung der Chronik (wie Anm. 29) hat in der Schilde­

rung der Vorgänge des Jahres 1631 lediglich den Fesnag als Da1u111.

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Geschichte übernommen wurde3', schlichtweg falsch, denn König Gustaf II. Adolf von Schweden33 war bereits zwei Tage früher in die Stadt eingezogen und befand sich am Abend des 25. ovember schon längst in Hanau.1-,_

Die schriftliche Fassung der Sage von der Schlüsselübergabe durch den Kapu­zinergardian an den König von Schweden läßt sich lediglich bis Anfang des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen, was hinsichtlich ihres Quellenwertes natur­gemäß schon eine erhebliche Wertminderung darstellt. Die falsche Datierungdes Einnahme Aschaffenburgs ist ein weiteres Indiz, das gegen sie spricht.Berücksichtigt man ferner, daß dem Schweden Björnstahl 1774 zwar von demangeblichen Wunsch des Schwedenkönigs, Schloß Johannisburg mit in seineHeimat nehmen zu können, aber nichts von dessen Begegnung mit dem Kapu­zinerguardian erzählt wurde, dann werden die Bedenken noch größer. Sie wer­den zusätzlich gesteigert bei der Betrachtung dessen, was vor dem Erstdruckder Ka puzinergeschichte (1735)3' über die Einnahme Aschaffenburgs durchschwedische Truppen veröffentlicht wurde. So steht in einer 1714 erschienenenGeschichte Seligenstadts nur, daß Aschaffenburg mühelos vom Schwedenkönigunterworfen wurde36

, ohne etwas von einer Mitwirkung des Kapuzinerguardi-

" Vgl. z. ß. Sibin (wie Anm. 5), S. 676, Beble11/Merkel (wie Anm. 6), S. 21, Franz Spiri11ge1; Zur Ge­schichte des Aschaffenburger höheren Schulwesens. 1. Das Aschaffenburger Gymnasium unter Leitung des Jesuitenordens 1620-1773, Aschaffenburg 1901, . 24, Lorenz(wie Anm. 8), S. 22 u. 24, undjos(!/ Wirth, Aschaffenburg. Eine Sammlung alter Stiche, Lithographien, Zeichnungen und Gemälde. '117 ausgewählte Ortsansichten von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts/ mit einer Zeittafel zur Geschichte Aschaffenburgs bis 1850, Aschaffenburg 1948, S. 22.

11 Zu diesem (1594-J 632), :J 611 bis zu seinem Tod am 16. November 1632 in der Schlacht bei Lützen Kö­nig von Schweden, vgl. u. a. Nils Abnlu.n.cl, Gusrav Adolf den store, Stockholm 11932, Michael Roberts,Gustavus Aclolphus. A History of Sweden 161'1-1632, Bel. 1-2, London / New York/ Toronto 1953-1958, Ulricb Bracber, Gustav Adolf von Schweden. Eine historische Biographie, Stuttgart / Berlin / Köln/ Mainz 1971, Günter Bar11dio, Gustav Adolf - der Große. Eine politische Biographie, Frankfurt 1982, Uun.1stkammare11 (Hrsg.), Gustav II. Adolf - 350 f1r efter Lützen, Stockholm 1982; eine zusam­menfassende Untersuchung der Literatur bis 1990 bietet Sverker Oredsson, Gustav Adolf, Sverige och Trenio rige krige1. Historieskrivning och kult (ßibliorheca Historica Lunclensis, Bel. 70), Lund 1992.

,., Vgl. Ceneralstabe11, veriges Krig ]611-1632, Bel. 5: Frän Breitenfeld till Lech, Stockholm 1938, S. 89, sowie Erik Zeeb u. Nils /Je//i·aue (Hrsg.), Dagbok förcl i det svenska fältkansliet 26 maj 1630-6 novem­ber 1632 üournal de Gustave Aclolphe) (Historiska Hancllingar, Tl. 30, Nr. 3), Stockholm 1940, S. 33: „Den 15. 1/25.1 Novemb. 1 ... 1. 1. M. seine! selbigen Tags lvon Steinheim! nach Hanaw gezogen, vnd den Orth besichtiget." Da Schweden damals noch den julianische Kalender hatte, der im 17. Jahrhundert gegenüber dem Gregorianischen Kalender, der in Aschaffenburg bereits seit 1583 galt, einen Rück­stand von zehn Tagen hane, muß wie vorstehend umgerechnet werden; vgl. f-lerma1111 Crol(!/en.d, Ta­schenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover 131991, S. 27 f.

" Der Erstdruck der genannten Schrift von l-lierotbe11s Con/711e11/in11s (vgl. Anm. 27) mit der Sage auf S. 295 erschien 1735 in Mainz; vgl. Anton Ph/ilipp} Bri'ick, Aus der Schwedenzeit Aschaffenburgs 1631-1634, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes(künftig: A.Jb) 4 (1957), S. 7.19-736, dies S. 724.

·•· Vgl. jo/bkmn.es Wein.cke11s, Vir fama super a::thera not:us Eginhartus, Quonclam Caroli Magni cancella­rius, Dein Antiqissirrne & Rcgalis nosrrzc Ecclesia:: Seligenstacliensis fundator, Sub Patrocinio Sanctorum Manyrum Marcellini & Petri; Nunc autem illusrratus, & Contra quosclam Authores vindicarus. In Fine aclject:e sunt ejusdem Eginhani epistola:, In Gcrmania hacrenüs pr:elo nunquam subjet.:e, Frankfurt am Main J 714, S. 72: ,.facili negotio sibi Aschaffenburgum subegit'·. Der 25. November 1631 allerdings fölschlichcrweise als Abmarschtag von Aschaffenburg in Richtung Seligenstadt angegeben ebd., S. 73: ,,die 25. Novembris, pra:missis plurirnis milirum cohortibus. & innumeris Regii comiratus Officialibus, Generalibus, Colonellis pr::cceclentibus, tanclem Rex ipsemet Aschaffenburgo versus Seligenstadium iler instituit". Zum genauen Datum vgl. Zeeb/Bel/i·age (wie Anm. 34), S. 33: .. Den '14. [/24.l Nov: kam

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ans zu erwähnen, obwohl der Autor ansonsten gerne auch Anekdotenhaftes in seine Darstellung aufnahrn57

. Auch in veröffentlichten Werken des 17. Jahrhun­derts gibt es keine Hinweise auf Besonderheiten bei der schwedischen Ein­nahme Aschaffenburgs, selbst wenn sie recht bald nach 1631 erschienen. So heißt es in eiern die entsprechende Zeit behandelnden zweiten Band des erfolg­reichen Chronikwerkes Theatrum Europaeum°" über den Marsch des schwedi­schen Königs von Würzburg aus mainabwärts59

:

„Derselbe hat sich [ ... ] von Würtzburg vnnd claherumb mit seiner Armee auffgemacht [ ... ] auff beyclen Seythen cleß Mayns / mit in 20000. Mann starck / beneben vielen Schiffen / so mit Proviand / Munition und Stücken beladen waren / fort marchiret / vncl vnclerwegens sich vieler schöner vncl fester Stättlein vnncl Plätze / als Wertheimb / Miltenburg / Aschaffenburg / Seligenstatt / Steinbeimb·•0 vncl anderer / ohne sonder­lichen W iderstand bemächtiget."

Auch die bereits 1637 in London veröffentlichten Kriegserinnerungen des Schotten Robert Monro·11

, der als, Offizier in schwedischen Diensten gestanden hatte, enthalten keine Hinweise auf außergewöhnliche Ereignisse beim Vorrücken der schwedischen Armee durch das Maintal zwischen Miltenberg und Steinheim in der zweiten Novemberhälfte 1631 4

':

lh. M. nacher Seligenstatt, von dar Sie 111it ethliche111 Volck vff Steinhei111h gangen, darinen 800 keijs: Soldaten gelegen 1„.1. Den 15. 1/25.I Nove111b. seind die Soldaten zu SIeinhei111h 111it Ober vnd Under­gewehr, doch ohne Sriel uss der Statt gezogen, von denen sich viel haben vnrerhalten lassen."

" V gl. Weincke11s (wie An111. 35), S. 73. "" Zu111 Theatru111 Euroraeu111, das Für den Zeitrau111 1618-1718 in 21 Teilen von 1633 bis J 738 erschien,

und zu seinen Autoren vgl.· /-lermann Binge/, Das Theatru111 Euroraeu111, ein Beitrag zur Publizistik cles 17. und 18. Jahrhunclens, Berlin 1909.

" jo/b/arm Philipp Abelin, Theatri Evropxi, Das ist: HisLOrischer Chronick / Oder Warhaffter Beschrei­bung aller Fürneh111en vnd denckwürdigen Geschicht en / so sich hin vncl wider in cler Welt/ 111eisten theils aber in Europa/ von Anno Christi 1629. biß auff clas Jahr 1633. zugetragen: Jnsonderheit / was auff clas i111 Reich publicierte Keyserliche / die Restitution der Geistlichen von den l'rotesIierenclen eingezogenen Gütern/ betreffende Eclict / so wol in Kriegs- als Politischen vnd andern Sachen/ zwi­schen den Catholischen / eines: So dann den Evangelischen/ 111i1. Assistentz des Königs in Schweden

/ andern Theils / erfolget: Der Ander Theil, Frankfun a111 Main 11646, S. 489. Die er�te Auflage erschien 1633, die zweite 1637 uncl clie vierte 1679; vgl. ßingel(wie An111. 38), S. 6 u. 16, zu Teil 2 außercle111 S. 17-4:1. Zu Abel in 0600-1634) vgl. Erich Angermann, Johann Philipp Abelinus, in: Neue Deutsche Biographie, Bel. 1, Berlin 1953, S. 15.

'" Zu de111 dort angetroffenen W iderstand vgl. clxl., S. 479: Steinhei111 wurde, ,,weil die Kayserische dar­inn / so in 80. Mann starck waren / stand gehalten vnnd sich gewehret / 111it Ernst angegriffen. Auff welches die darin/ als ein grosses Stück an der Mawren durch hefftiges schiessen der Schweden nider geworffen worden / sich endlich ergeben / vnd ein freyen Abzug erlanget/ aber 111ehrerntheyls sich in Schwedische Dienst eingelassen." Bei der Angabe cler Stärke der Besatzung in Steinhei111 handelt es sich um einen Fehler, denn es waren nicht nur rund 80, sondern ungcf'cihr 800 Mann; vgl. Schluß von An111. 36 sowie G'enera/staben (wie Anm. 34), ßd. 5, S. 89: , , l -luvudar111ens nlista m:ll var Steinheim, so111 en garnison om 800 man försvarade, Sedan svenskarna skjutit briisch, gav sig staden redai� den 15 l/251 nove111ber, varvid huvuddclen av försvararnas truprer övergingo i svensk tjiinst."

" Zu diese111, der vor seiner schwedischen Zeit 1627-1629 in diinischen Diensten gestanden haue und 1680 auf seinen Gütern in Irland starb, vgl. l-!elrn111 lVlabr, Wallenstein vor Nürnberg 1632. Sein Lager bei Zirndorf und die Schlacht an der Alten Veste, dargestellt durch den Plan der Gebrüder Tn.:xel 1634, Neustadt/ Aisch 1982, S. 118.

" Nobert Monro, His Expedition with the Worthy Scots Regiment (called Mac-Keyes Regi111en1) levied in August 1626. by Sr. Donald Mac-Key Lord Rhees, Colonel! for his Majesties service of' Denmark, and reduced after the ßattaile of Nerling, ro one Company in September 1634. at Wormes in 1he Paltz. Dis-

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,,His Majesty having beset \Vurtzburg Castle with a strong Swedens Garri­son [. .. ], preparation being made for the march, the Colonel! of the Artil­lery, Leonard RichardsonY a Swede, was directecl downe the Maine, with the great Cannon, and three hundrecl command cl musketiers of Scots [. .. ]: they had abundance of Cannon, fire-workes, Amunition, and all other fur­niture belonging to Artill ry, with them by water, having got orders to take in all strengths on the Maine, which lay in their way, where they and he who commanded them, macle good booty, having taken severall Cast­! s, and Miltenburg also, and from thence continu d their course downe the water towards Asha:ffenburg, a City and a Castle on the Maine [. .. ], where they had orders to remaine till his Majesties coming with the Army. [ ... ] Having come with the Army, the length of Hanow, leaving Ashaffen­burg behinde us, we marched to Steinheim, which presently we tooke in by accord, where the most part of the Souldiers did take service".

König Gustaf II. Adolf von Schweden selbst schrieb seinem Feldmarschall Gustaf Horn· 1·• am 25. November 1631 aus Steinheim am Mai1Y 15, daß er „heüt mit Göttlicher hülff" diesen Ort „p(er) accord eröbert" hatte, erwähnte aber nicht die Einnahme Aschaffenburgs·•<>, obwohl er sich noch drei Tage vorher aus Mil­tenberg folgendermaßen über s ine entsprechenden Pläne geäußert hatte·11:

chargecl in severall Duties ancl Observations of service First uncler the magnanimous King of Denmark, cluring his warres against the Emperour; afterwarcl, uncler the lnvincible King of Sweclen, cluring his Majesties life time; ancl since, uncler the Directour General!, the Rex-chancellor Oxensterne ancl his Generalls. Collectecl ancl gatherecl together at spare-houres; for the use of all worthie Cavaliers fa­vouring rhe laudable profeßion of Armes. To which is annexecl rhe Abriclgement of Exercice, ancl di­vers practicall Observations, for the younger Officer his Consicleration; encling with the Souldierts Me­ditations going on service, London 1637, Tl. 2, S. 88.

" Es handelt sich um einen Fehler Monros, denn gemeint ist Lennart Torstensson (]603-1651), seit 1630 berst der schwedischen Feldartillerie, der 1632 zum General und 1641 zum Feldmarschall befördert

wurde, nachdem er im selben Jahr schon zum Reichsrat ernannt worden war, 1641-1646 war er Ober­befehlshaber der schwedischen Truppen in Deutschland, wurde 1647 in den Grafenstancl erhoben und war von 1648 bis zu seinem Tod Generalgouverneur von Västergötlancl, Värmlancl, Da! und Hal­lancl; zu diesem vgl. A(/Aberg, Lennart Torsrenson, in: Svenska män och kvinnor (künftig: SMK), Bel. 1-8, Stockholm 1942-1955, dies Bel. 8, S. 19-20. Zu der von Monro erwiihnren Operation vgl. auchZeeb/tJel/i·age(wie Anm. 34), S. 33: .,Den 4. 1/14.I ovemb: 1. . .1. Oberst von der Artillerie [Torstenssonlist auff einen Anschlag auff Rotenfelss geschickht."

" Zu Gustaf l lorn 0592-1657), seit· 1625 Reichsrat und seit 1628 Feldmarschall, 1634-1642 in Kriegs­gdangenschaft, 1644-1645 Oberbefehlshaber im Krieg gegen Dänemark, 1651 in den Grafenstancl er­hoben, 1652 Generalgouverneur von Livland, seit 1653 Priisiclent des Kriegskollegiums, vgl. \.'(la/de-111c11· Le11di11, Gu.�taf Horn, in: SMK (wie Anm. 43), Bel. 3, S. 535.

'' Gustaf 11. Aclolf( Steinheim, 15. 1/25.I November 1631, Ausfertigung) an Horn: Hiksarkivet Stockholm, E 2348.

''' Lediglich im Zusammenhang mit der Mitteilung einer Übereinkunft mit der Stadt Frankfurt am Main erwiihnte der König - Gustaf Adolf (l löchst am Main, 19. l/29.I November 1631, Ausfertigung) an l lorn: ebcl.; Abschrift mir auf der ersten Seite in der Überschrift falschem (18. l/28.1), aber auf den bei­den folgenden Seiten richtigem Monatstag: Riksarkivet Stockholm, Riksregisrrarur 1631 jun-clec, fol. 628'-629' - Aschaffenburg noch einmal in einer Aufziihlung eingenommener Städte: .,\Xlij kunne ecler, her Feltmarschalck, n, cleligen icke förhalla, hurulecles \Xlij, seclhan Miltcnburg, Aschaffenburg och Steinheim i w�1re händer kampne äre, haffna trälfat mecl Staclen Franckfurt een saclan förlijkning".

ustaf II. Adolf(Miltenberg, 12. 1/22.J ovembcr .1631, Ausfertigung) an Horn: Riksarkivet Stockholm, I' 2:348. 1 lier und in den weiteren Flillen Groß- und Kleinschreibung der aufgrund der Schriftart in der Vorlage zumeist groß geschriebenen Buchstaben v, w und z nach modernem Gebrauch.

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König Gustar 11. Adolf von Schw<:d<:n ( Milt<:nh<:rg, 12. 1/22.I Nov<:111hcr 1(,51) :111 l'cld111;,rschall Gust:,r

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l lorn, Kanzl<.:iausfcnigung 111i1 cigcnlüindigcr LJn1crschrif1 (vgl. /\11111. -17).

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,,Wir verhalten Euch nicht, daß Wir numehr im aufzug nacher Aschaffen­burg sein [. .. ]. [ ... ] Wir sein fast willenß weiter nit alß bieß nacher Aschaf­fenburgh zugehen, vnd daselbsten still zu liegen, vmb auf deß feindes Contenance acht zugeben, sonderlich wan sich Franckfurt accomodiren

wolte"", weilen weiter zugehen wegen der vielen vorliegenden Pläzen, die noch vom feind besezt, zimblich beschwerlich [ ... ], Hingegen Wir von Aschaffenburgh auf alle fäll balt zu Wirzburgh, balt zu Franckfurt, oder wo eß die noth erfordert, sein vnd dem feind '9 begegnen konnen".

In seiner Sage „Der Schwed nkönig Gustav Adolph zu Aschaffenburg" hatte Herrlein 1851 behauptet'": ,,Miltenberg war nach kurzer Gegenwehr gefallen [ .. .l. Die Schweden hatten zu [ ... ] Miltenberg bös gehaust; Plünderung, Z r­störung [ ... ] waren überall in ihrem Gefolge". Dem steht zunächst das derartige Vorkommnisse nicht erwähnende Tagebuch der schwedischen Feldkanzlei ent­gegen, in dem über die Zeit vom Aufbruch Gustaf Adolfs aus Würzburg am 19. November 1631 bis zu seiner Ankunft in Aschaffenburg am 23. Novemberfolgendes vermerkt ist":

„Den 9. (/19.] Novemb: se,nd Ih: M. von Würzburg vffgebrochen, mit der Armee.[ ... ] Den 10. (/20.] ovemb: kompt Ihr. M. nacher Wertheimb. Den 11. (/21.] Novemb: kamen Ihr: M. nacher Miltenburg, welches die Keijs: den vorigen Tag quitiret. Den 12. (/22.] marchirten lh: M. nacher Obernburgk. Den 13. (/23.] kamen Ihre M. nach Aschaffenburg".

Man könnte nun natürlich unterstellen, Übergriffe der schwedischen Truppen 1 ei ihrem Zug von Würzburg mainabwfüts w�iren im Feldkanzleitagebuch ab­sichtlich nicht erwähnt worden. Ab r auch in den zeitgenössischen Veröffent­lichungen, so im Theatrum Europaeum, ist nicht von derartigen Vorfällen die R de52

. Andererseits wird jedoch darin berichtet, daß Gustaf Adolf nach seiner

'" Vgl. 7eeb/l3e/Ji-age(wie An111. 34), S. 33 L: ,,Den 15.1/25.I ovemb. J„.I. Die Stall Franckfonh hau an lh: K. M. geschickht vnd sich zur Devo1ion erkläret, doch dass keine Guarnison dahin·eingeleg1 wird!. Den 16. 1/26.I ovemb.: 1 ... 1 die von Franckfonh haben sich ercliirel loco juramenli per reversales Ihr M. sowol für sich alss die Soldaten sich Verbündnüss zu machen 1„.1. /...1 Den 20. 1/30.I seind lh. M. mil gros­ser Sollennilät zu Franckfonh einri11en, der Rarh isl Derselben emgegenkom111en 1„.1. 1 ... 1 Den 23. 1/3.Deze111berl seind die Trac1a1.en mit der Stall Franckfonh vorgenommen worden." Zu Frankl'unw;ihrend seiner Zugehörigkei1 zum schwedischen Einnur�hereich vgl. 11111011 Scbi11dli11g, \Vachs1u111und Wandel vo111 Konfessionellen Zeitalrer his zum Zeitalter Ludwigs XIV. Frankfurt am Main 1555-1685, in: Frankfurt am Main. Die Geschichte der Stadt in neun ßeilriigen, hrsg. von der Frankfuner l li­storischen Kommission (Veröffen1lichungen der Frankfuner His1orischen Kommission, 13d. 17), Sig­maringen 1991, S. 205-260, dies S. 239-243.

''' Zur militärischen Lage im Rhein-Main-Gehiel im Novemher/Dezemher 1631 his zum schwedi,�chen Einzug in Mainz vgl. u. a. L11d1/ J(� Frob11bä11ser, Gustav Adolf und die Schweden in Mainz und am Rhein, in: Archiv für Hessische Geschichte und Altenumskunde, . F. 2 (1899), S. 1-234, dies S. 1-103 u. 221-225, Ceneralstabe11 (wie Anm. 34), ßd. 5, S. 86-106, sowie l ler11w1111-Oieter Mi'ille1; Der schwe­dische Staal in Mainz 1631-1636. Einnahme, Verwahung, Absich1en, Heslilulion (13ei1räge zur Ge­schichte der Stadt Mainz, 13d. 24), Mainz 1979, S. 40-43 u. 52-59.

" / -lerrlei11 (wie Anm. 2), S. 16. " Zeeh/1:Je(/i-age (wie Anm. 34), S. 33. " Vgl. das Zitat nach Anm. 39.

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Ankunft in Hanau (25. November) kritisierte, daß bei Einnahme der Stadt am 11. November Zivilisten getötet worden waren53

: Der König, der „zu Hanawstattlich eingel-iolet vnd mit grossen Frewden empfangen worden" war, ,,warvbel zu Frieden / daß b y Eynnehmung selbiger Statt etliche Bürger auff demPlatz geblieben / vermeinte / die seinigen hetten sich wol anderer gestalt ohneBlutvergiessen der Statt bemächtigen können".

Daneben gibt es als weitere Quellen Berichte, die während des Vormarsches der schwedischen Armee durch das Maintal an den- landgräflichen Hof in Darm­stadt gesandt wurden. So heißt es in einer am Abend des 22. November 1631 geschriebenen Mitteilung5·1: Gustaf Adolf hat am 21. ,,nachts in person zu Mil­tenberg gelegen, nachgehends den 121en [/22.] zu Mittag mahlzeit gehalten, vnd fortens gegen Aschaffenburg marchirt', die Infanterie, ,,die all in ihrer Ord­nung vnd vnerhörter still, ohne sonderbarn Trommenschlag vor Heübach [Großheubach] vber passirt, solch praf Volck dergleichen nit viel würd gesehen sein worden", Geschütz und anderes Kriegszeug sind auf dem Main „in vnzeh­lichen Schiffen vnd Flösen herab kommen", die 6000 Mann starke Reiterei quar­tiert heute in der Herrschaft Breuberg. ,,Morgen mit dem Tag würd Aschafen­burg attaquirt werden, ergibt sichs in güte nicht, werdet ihr die Stück zeitlich Spielen Hören. [ ... ] Es kan nit genugsam gerumbt werden, die gute Ordnung, so vom König gehalten würd, lest keinen menschen Vbertrang thun, wie dan in Miltenberg kein Schloß oder thür verwüst worden sein soll, weniger ein fenster eingeschmissen". Am gleichen Tag wurde aus Lichtenberg im Odenwald mit­geteilt55, daß es „ein selzam ansehen" hätte, daß aus Aschaffenburg stündlich Waffen und „alle munition weg naher Mäintz geführt worden".

Am 23. November schrieb „in Eyl" ein „in diesem Moment" von Hanau nach Frankfurt zurückkehrender Informant56 über den Abzug der kaiserlichen Trup­pen aus Aschaffenburg und über die Einnahme der Stadt seitens der Schweden unter Oberstleutnant Torsren Stälhandske57 : Diesen Morgen traf ein von Gustaf

" Abeli11 (wie An111. 39), Tl. 2, S. 489. Bei eine111 Gefecht innerhalb Hanaus waren a111 1./11. Nove111ber 163.I '16 Einwohner u111s Leben geko111111en; vgl. Er11st.f. Zimmerman.11, Hanau Stadt und Land. Kul­turgeschichte und Chronik einer-friinkisch/wetterauischen Stadt und ehe111al. Grafschaft. Mit beson­derer Berücksichtigung der älteren Zeit, Hanau '1917, S. 725. Zur Bedeutung der Einnah111e Hanausfür Gus1:1f Adolf' vgl. G'e11eralstabe11 (wie An111. 34), Bel. 5, S. 81.

<, ,,Extract eines Vertraulichen Schreibens" (o. 0., 12. 1/22.] November 1631 „hora 9. Vespertina"): Hessi­sches Staatsarchiv Dar111staclt, E 8 A, 76/1.

« J. B. Schrautenliach (Lichtenberg, 12. 1/22.I November 163'1; Eingangsvermerk vorn 13. 1/23.D an den ,,l'r::csiclcnlen zu Dar111bstall", Johann Ludwig Wolff von und zu Karspach: elxl.

«, DI'. (Frankfun a111 Main, 13. 1/23.I Nove111ber 1631; Eingangsvermerk vo111 14. 1/24.J) an clens.: ebcl. Bei DI'. könnte es sich u111 Dietrich Bertolcl von Plessen, Keller zu Rlisselshei111, handeln; vgl. Frobnbä11-ser (wie An 111. 49), S. 221.

" Zu diese111 ( l 594-1644), i111 damals zu Schweden gehörenden Finnland geboren, 1629 Oberstleutnant bei der Kav:tllcrie, von '1632 bis zu seine111 Tod Kom111ancleur eines finnischen Kavallerieregi111entes, 1634 zu111 Gencral111ajor befördert, vgl. Zedler(wie An111. 4), Bel. 39, Graz 1961 (Reprint der Ausgabe Lcipzig / .Halle 1744), Sp. 1042 ff., sowie lc'rik Birck u. AI/Abe1g, Torsten Stälhanclske, in: SMK (wie An111. 43), Bel. 7, S. 310. Hinsichtlich der zahlreichen Schreibweisen seines Na111ens vgl. Detlev Pleiss, Ein Schwedisch-Finnischer Schwiegersohn i111 Hause Hohen lohe, in: Wür(te111bergisch Franken. Jahr-

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Torsten Stalhandske ( 1594-1644): Kopie von.). G. W:tnglx:rg 1797 n:tch eine111 Origin:tl von 1 (i,,4 - Wie­

dergabe nach SMK (wie Anm. li5), 13d. 7, S. 310.

huch de., Historischen Vereins für \X

l

ürt1e1111Jergisch Franken 75 ( 1991 ). S. 157-162. dies S. 157: . .T:1ucht in der Literatur als St:tllhans, St:1hlhan.,, Swrrhase, Stallo. Suteho111es und vielen :inderen V:1ri:1111en :1uf. 1. .. 1 Seihst schrieb er sich Stollh:1nsch:1.·'

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Adolf gesandter Fähnrich in Hanau ein, der berichtete, daß am Vortag die Kai­serlichen Aschaffenburg verlassen hatten, ,,das Churfürstl[iche) Schloß zufor­clerst geplündert, vnd als sie schon vor der Statt gewesen, wid[er) vmb kehren, vnd die bürger auch blündern wöllen, so sich aber zur wehr gesetzt"; darauf haben nach mittag 6. Conipagnien finländer vnder dem Obr[ist) Starrhaasen der Statt genähert, denen man die Schlüssel entgegen getragen, also die Statt occu­pi1t vnd wird der König heüt vnd morgen daselbsten gewiß zu Hanaw ankom­men. Der König kombt mit dem Geschütz zu wasser vnd die armata marchi1t vf iener59 seit des Meins, wöllen gerad vf Maintz zu·, gestalt sie dan die brücken mit führen sollen." Aschaffenburg wurde also am 22. November60 kampflos von schwedischer Kavallerie unter St�1hlhandske, dem die Stadtschlüssel übergeben wurden, besetzt. Am folgenden Tag, einem Sonntag6

', zog dann Gustaf Adolf in die Stadt ein62 und verließ sie nach einer Nacht wieder65

Ungeklärt ist, wer Stählshandske die Schlüssel der Stadt entgegentrug. Eine mögliche Lösung bietet eine undatierte, etwa um 1675 von dem damaligen Nie­dernberger Schulmeister geschriebene Bittschrift64

, in der er über seinen Vater sagte: Als der „König auß schweden vngefehr in anno 1630, vndt 631. die statt hat eingenommen, hat Er die statt erhalten, durch einen fußfall den Er gethan hat". Wie gezeigt wurde, wurden die Stadtschlüssel nicht Gustaf Adolf, sondern einen Tag früher einem seiner Offiziere überreicht, weshalb diese Behauptung so nicht stimmen kann; andererseits hätte der Bittsteller, wenn allgemein be­kannt gewesen wäre, daß der Kapuzinerguardian die Stadtschlüssel mit einem Kniefall übergeben hätte, kaum so etwas schreiben können. Auch zeigt die un­genaue Jahresangabe 1630 oder 1631, daß sich der 1620 geborene Schulmeister

"' V gl. auch Abeli11 (wie Anlll. 39), Tl. 2, S. 479: ,,Als die dase)bst ligende Kayserische solches vernolll­lllen / haben sie solche Ankunlh nicht erwarten wollen / sondern cliß Orth selber außgeplünclert / vnnd sich davon gelllacht.'·

"' Volll rechtslllainisch gelegenen Frankfurt aus gesehen, auf „iener seit" heißt also in clieselll Fall auf cler linken Mainseite.

'" Dieses Datum wird auch durch ein weiteres Schriftstück - Christoph Wogeßer ([Groß-[Ulllstadt, 14. 1/24.[ November J63J; Eingangsvermerk vom J 5. [/25.[) an Johann Ludwig Wolff von uncl zu Karspach: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, E 8 A, 76/1 - besWtigt: ,.vorgestern clie Schwedische in Aschaffen­burg eingezog[en[ seinclt".

"' V gl. G'rote/e11d(wie Anm. 34), S. J82 f. (julianischer Kalender) bzw. 202 f. (Gregorianischer Kalender). ''' Vgl. oben den Schluß cles Zitates nach Anm. 51. "' Vgl. das dritte Zitat in Anm. 36. ''' Biuschrift Joannes Lares' (o. 0., o. D.) an den erzbischöflichen Kommissar in A,schaffer.burg: Bayeri­

sches SL�1at.sarchiv Würzburg, Mainzer Vikariatsakten, 107/260 IV Das älteste datierte Schriftstück in dieser Akte stammt aus dem .Jahre 1735. Zum erzbischöflichen Kommissariat Aschaffenburg, einer Ein­richtung der geisLlichen Verwalwng, vgl. /-leln/.1/tb Fatb, Das archicliakonale Gericht des Propstes von St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg. Die ludices Ecclesie Aschaffenburgensis, in: AJb (wie Anm. 35) 5 0972), S. 5J-249, dies S. 153-171, sowie / -/elm11/ W11kel. Pfarrer und Seelsorge im Aschaffenbur­ger Raum. Die Landkapitel Mon tat uncl Rodgau ] 550-1650 (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bel. 17), Aschaffenburg 1980, S. 16-21. Da cler Schreiber, 1620 geboren, sich als „alten schulmeister" bezeichnet, dürfte die Bittschrift nicht vor 1675 entstanden sein. Hin­sichtlich seines Geburtsjahres vgl. /-lei11z F Friedericbs, Aschaffenburg im Spiegel cler Stiftsmatrikel1605-l650. Beitr'.ige zur Geschichte uncl Genealogie cler kurmainzischen Residenz im DreißigjährigenKriege (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg, Bel. 6), Aschaffenburg1962, s. 65.

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Die letzten Zeilen der ersten Seite der Bittschrift des Niedernberger Schulmeisters Jo(h)annes Lares (wie Anm. 64) mit dem Hinweis auf die Übergabe der Schlüssel der Stadt Asch affenburg durch seinen Vater, den Stiftsstäbler Thomas L ares.

nicht ganz sicher war. Dennoch kann seine Behauptung im Kern richtig sein, denn sein Vater, der aus Klingenberg stammende und 1617 Bürger Aschaffen­burgs gewordene Thomas Lares6

\ war zu jener Zeit Stiftsstäbler. Da es zu des­sen Amt gehörte, bei Festen inner- und außerhalb der Kirche den Marschallstab voranzutragen66, ist es durchaus möglich, daß er derjenige war, der Stähl­handske die Schlüssel der Stadt entgegentrug, nur wurde die Geschichte inner­halb der Familie Lares insofern ausgeschmückt, als der Empfänger der Schlüs­sel nicht ein schwedischer Offizier, sondern König Gustaf II. Adolf von Schweden persönlich war.

Zusammenfassend ergibt sich folg nd s:

1. Die Sage von König Gustaf Adolf von Schweden und dem AschaffenburgerKapuzinerguardian Bernhard ist in gedruckter Form erstmals 1735 veröffentlichtworden, und die �ilteste handschriftliche Fassung im Kloster geht nicht über den Anfang des 18. Jahrhunderts zurück.

2. Alle auf der Kapuzinerchronik aufbauenden Angaben über die Einnahme Aschaffenburgs durch die Schweden haben ein falsches Datum (25. November1631), das durch Hinzufügen des entsprechenden Heiligenfesttages eindeutigist, so daß ein versehentlicher Schreibfehler ausgeschlossen werden kann.

3. Sämtliche vor 1735 gedruckten achrichten von d r schwedischen Ein­nahme, auch die 1714 erschienene Geschichte Seligenstadts, erwähnen nichts von der Mitwirkung eines Kapuziners bei der übergab Aschaffenburgs.

''' Vgl. Friedericbs (wie Anm. 64), S. 65. Thomas Lares starb 1632 in Mainz, vgl. clxl. Lares war auf jeden Fall am 4. J anuar 1631 noch Stiftsstiibler; vgl. Hein rieb Ft1/sbab11 (ßearb.), Das älteste Kirchenbuch der kath. Pfarrei SI. Agatha/Aschaffenburg, Aschaffenburg 1995, S. 50.

"' Vgl. A11g11sl A111rbei11, Die Priilaten und Canoniker des ehemaligen ollegiatstifts SI. Peter und Alex­ander zu Aschaffenburg, Würzburg 1882, S. 17, sowie Friedericbs(wie An111. 64), S. 34.

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4. Keine schwedische Quelle, weder von Gustaf Adolf selbst noch aus seinemUmfeld, enthält Berichte über besondere Vorkommnisse bei der EinnahmeAschaffenburgs.

5. Dies gilt auch für Berichte, die aus dem Maingebiet nach Darmstadt gesandtwurden. Aus diesen geht außerdem eindeutig hervor, daß Aschaffenburg amNachmittag des 22. November 1631 von schwedischen Truppen unter Stahl­handske, dem man die Schlüssel der Stadt entgegentrug, eingenommen wurde.König Gustaf Adolf zog am folgenden Tag in Aschaffenburg ein.

6. Auch di Aussage des Niedernberger Schulmeisters Lares in seiner Bittschriftspricht gegen die Behauptung, daß der Kapuzinerguardian Bernhard durchÜberreichung der Stadtschlüssel Aschaffenburg rettete.

Daher ist festzustellen, was ein Kapuziner, der sich gründlich mit der Kapuzi­nersage befaßt hatte, bereits 1931, allerdings noch etwas zurückhaltend, in einer Veröffentlichung andeutete67

, daß die Geschichte unglaubwürdig ist und nicht den Tatsachen entspricht. Wahrscheinlich wurde die Sage um 1700 im Ka­puzinerkloster Aschaffenburg erfunden, um die Bedeutung dieser Einrichtung für die Stadt hervorzuheben. Man muß also davon ausgehen, daß die Ge­schichte von der angeblichen Errettung Aschaffenburgs durch den Kapuziner­guardian lediglich eine aus propagandistischen oder sonstigen Gründen er­dachte Sage ist.

,,- Vgl. Jacobs (wie Anm. 27), S. 141: .. Man wird also sagen müssen. daß der ßerichr über die Schlüssel­übergabe so viele Ungenauigkeiten emhiih, daß seine Glaubwürdigkeit sta,·k herabgeminden wird.'·

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Der Tod des Anton Freiherr von Andrian-Werburg am 6. September 1824

Zur Duellsäule in der Aschaffenburger Fasanerie*

von Klaus Freiherr von Anc.lrian-Werburg

Ein Denkmal für ein Duell bzw. für einen Duellanten ist mit gutem Grund eine große Seltenheit. Das hängt zusammen mit c.l r im Verlauf mehrerer Jahrhun­derte völlig veränderten Einstellung zum Duell in Staat und Gesellschaft'. Am Anfang steht der gerichtlich gebotene oder zumindest zugelassene Zweikampf als Gottesurteil in einem unentschiedenen ordentlichen Streitverfahren; das ist seit der späten Karolingerzeit erkennbar. Mit dem Zweikampf verbanden sich im ausgehenden Mittelalter Elemente des Fehderechts, und es bildeten sich die später gültigen Formalien im entstehenden Turnierwesen aus. Erst in neuerer Zeit wurde das Duell zum persönlichen Entscheidungskampf bei j)rivaten Eh­renh�indeln. Weil dafür nun die ,Satisfaktionsfahigkeit' unabdingbar war, das ist die Beschränkung auf Leute, die gesellschaftlich berechtigt waren, einen Degen zu führen, geriet das Duell wieder in die �ihe der Fehe! . Diese galt aber ih­rerseits seit dem sp�iten Mittelalter als Landfriedensbruch. Außerdem stand und steht die Selbsthilfe im Gegensatz zur Zusammenfassung des Rechtsschutzes beim absoluten Staat bzw. bei der verfassungsm�ißigen Gewalt. Es ist deshalb verständlich, daß das Duell vorn 17. Jahrhundert an bis heute - mit einer be­merkenswerten Ausnahme im Dritten Reich - bei Strafe untersagt war und ist', wenn die Gesetze früher auch unterschiedlich angewandt wurden. Streng for­maljuristisch gesehen wird mit dem Denkmal auf dem Andrianspl�itzchen einer Straftat gedacht.

Aus dem Duell vom 6. September 1824 ist nur die Person des Getöt ten mit Sicherheit zu identifizieren. Anton Ferdinand Freiherr von Andrian-Werburg kam am 10. M�irz 1807 in Amberg als sechstes - von insgesamt 16, von denen aber nur sieben das Säuglingsalter überlebten - Kind des damaligen Hofge­richtsrats daselbst Anton Freiherr von Andrian-Werburg 0772-1846) und dessen Ehefrau Maria Anna geb. Meierhofer, einer Amb rger Bürgerstochter, zur Welt. Er wuchs mit vier Schwestern auf, von denen eine älter war als er; sein einziger großgewordener 13ruder, von dem das heute existierende Geschlecht Andrian abstammt, wurde erst 1816 geboren, als Anton vor dem Verlassen des Eltern­hauses stand-'.

· • Am 30. Juli 1997 wurde das neugestaltc.:te /\ndri:1nspl:i1zchen mil der renovienen Gedenks:iule der ÖffemlichkeiL übergehen. Die folgende Miszelle entstand :1us diesem Anl:1K

' Vgl. d:izu zus:imrnenfassend Achatz 1 1011 M(i/le1; Sch:1uspiele der Gew:ilt. Vom Zweikampf zum Duell, in: Uwe Scllultz (Hrsg.), Das Duell. Der tödliche K:1111pf um die Ehre, Frankfun :1111 Main / Leiw.ig 1996, S. 12-33 LI. 416-418.

' Vgl. Klar/( /Je111ete1; Duell, in: 1-landwönerbuch zur deu1schen Rechtsgeschich1e (künftig: 11 RG ). 13d. 1, hrsg. v. Adalhen Erler u. Ekkehard K:iufmann, Berlin 1971, Sp. 789-790.

' Die iiltcre Genealogie ist d,1rgesrellt in: Gothaische., Genc.,alogi.sche.s T:1.schenhuch der f"reillc.,rrlichc.,n 1-liiuser, Goth:1 19IO, S. 6-J 1, zu den hier behandelten Personen vgl. S. 7.

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,\11,lri:rns-lJ,·,i'k,11:rl i11 ck-r ;\sd1:rlk11liurgl'r 1::1.s:rrll'l'il' (i\111'11:rl1111,·: Tllorn:r.s lk.,sl'. i\scl1:ri'l,·11l,urg. l')')-1).

26:,

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Anton Freiherr von Andri:111-Werhurg ( 1807-182•1 ). l'oto eines im /.weitL·n Weltkrieg ,·erhr:innten l':1.,tcll­

l'ortr:iit.s.

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Um diese Zeit war sein Vater, nach fünfjähriger Dienstzeit als Rat am Bamber­ger Appellationsgericht, eben Landrichter in Kemnath im damaligen Obermain­kreis geword n, bekleidete also eine Funktion, die bis zur bayerischen Verwal­tungsreform von 1862 der eines Bezirksamtmannes bzw. Landrats und eines Amtsrichters in einer Person entsprach. Sein Jahreseinkommen von 1200 Gul­den nebst freier Wohnung" war eben hinreichend zur Ernährung einer größeren Familie und zur Erfüllung der mit dem Amt verbundenen Repräsentationsver­pflichtungen, solange außergewöhnliche Umstände nicht eintraten. Zum Ver­gleich sei auf ein Gutachten hingewiesen, in dem zur gleich n Zeit im Herzog­tum Coburg das für den Dienstposten eines Justizamtmanns ausgeworfene Jah­reseinkommen von 1200 Gulden als nicht ausreichend bezeichnet wird\ die Funktion des coburgischen Justizamtmanns entsprach in etwa derjenigen des bayerischen Landrichters. Dabei ist zu bedenken, daß die Beamtenbesoldung für eine Person im ganzen 19. Jahrhundert unverändert blieb6

- es gab keineDienstaltersstufen mit prozentualer Gehaltserhöhung und erst recht kein mo­dernes Bonussystem. Teuerung und Geldentwertung mußten einen Beamten und seine Familie deshalb besonders 1-iart treffen.

Eben ein solcher Schicksalsschlag trat im Sommer 1816 ein, als eine unzurei­chende Brotfruchternte mit folgender Verdoppelung der Getreidepreise zu den Hungerjahr n 1816/17 führte

7

. Das Ereignis bestimmte auch die Lebensverhält­nisse der Familie des Kemnather Landrichters. Der Sohn Anton wurde, weil sich dort eine kostengünstige Ausbildung bot, an das Gymnasium in Neuburg an der Donau gegeben; im Alter von etwa zehn Jahren verließ er das Elternhaus.

un wurden allerdings im otfall die Staatsdiener - zumal die kinderreichen -von der Obrigkeit nicht im Stich gelassen. Als Anton Freiherr von Andrian-Wer­burg von Neuburg aus am 2. November 1822 in die Königlich Bayerische Na­tional-Forstlehranstalt in AschaffenburgH bereits· aufgenommen war, wurde er

' Staatsarchiv Allllx:rg, Regierung von Oberpfalz und Regensburg, Kallllller der Finanzen, Nr. 1693. -Sein älterer Bruder Ferdinand, der spätere Ansbacher Regierungspräsident, bezog zur selben Zeil als l'olizeidirektor in Augsburg und dann als Rat bei der 1-iofkollllllission in Würzburg einen Sold von jiihrlich 2500 Gulden plus 500 Gulden ,.Gratification" plus freier Wohnung (Bayerisches Hauptstaats­archiv Münchl!n, Minisll!riulll des Innern, Nr. 4351.1). Auch sachlich vergleichbare Dienstposten wa­n:n hesoldungsmlißig sehr unterscl1iecllich eingestuft, die Höhe rich1e1e sich u. a. nach de!ll durch Be­völkerungszahl und Wohnclich1e illl Alllt vorgegebenen Arbeitsanfall.

' Vgl. Klaus Freiberr uo11 A11dric111-Werb111'{;, Die coburgische Gerichtsorganisation im 19. Jahrhunclen und die ErrrichIung des Bayerischen Landgerichts oburg 1921, in: Jahrbuch der Coburger Landes­stiftung 1971, S. 39-74, dies S. 68, Anlll. 16.

'' Vgl. Nei11hard /-leyde11reuter; Rech!, Verfassung und Verw:iltung in Bayern 1505-1946 (Ausstellungs­katalog der S1a:11lichen Archive ßayl!rns, Bel. 13), Neustadt an der Aisch 1981, S. 77 f.

' Vgl. Adol/Sa11dhe1;�e1; Die Lanclwinschaft, in: Max Spindler (Hrsg.), Handbuch der Bayerischen Ge­schichte, ßcl. 4,2, München 1975, S. 732-748, dies S. 732.

' Zu dieser Einrichtung, 1807 als Forstinstilut gegründet, 1819 in Königlich Bayerische National-Forst­lehranstalt umgl!wandcil, 1832 aufgehoben, 1844 als Königliche Forstschule wiedererrich1e1, 1850 in Centralforstlehranstah und J875 in Forstlehranstalt ulllhcnannt, J878 teilweise und 1910 vollständig mil der Universil:il München vereinigt, vgl. /-len11a111t F(irsl, Chronik der König!. Bayr. Forstlehranstah Aschaffenburg für die Jahre 1844-1894. Zu Ehren ihres 50jiihrigen Bestehens, Aschaffenburg 1894, so­wie '/beodor/o,!€!/7 Scberg, Das Schulwesen unter Karl Theodor von Dalberg besonders im Fürsten­tum Asch:11Tenburg 1803-1813 und im Großherzogtum Frankfurt 1810-1813, München-Solln 1939, S. 497 ff. LI. 506

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mit zehn anderen Forsteleven „auf Seiner Königlichen Majest�it [Maximilian I. Joseph] Befehl und auf Allerhöchste Rechnung" - mit einem Stipendium ver­sehen also - in die Wohnung des Forsthochschulprofessors Strauß9 einge­wiesen. Die in ihn damit gesetzten Erwartungen enttäuschte er insofern nicht, als er am 3. September 1824 das Examen des II. Kurses in der Anstalt bestand und das sogenannte „Absolutorium niederer Klasse" erhielt, das ihn zur Auf­nahme in die höhere Klasse befähigte'". Drei Tage später war er tot.

Wie es dazu kommen konnte, lehrt ein Blick auf die äußer n Umstände, denen die Aschaffenburger Forststudenten ausgesetzt waren. Man muß sich eine An­sammlung junger, kaum dem Kindesalter entwachsener Leute vorstellen - der Eleve Anton starb mit 17 1

/2

Jahren und nicht mit 20, wie in örtlichen Zeitungs­berichten mehrfach zu lesen war" -, die mit mäßigen Mitteln ausgestattet in ei­ner damals kleinen Stadt - um 1814/16 bis 1830 hatte Aschaffenburg zwischen 7192 und 7339 Einwohner 12

- auf engem Raum zusammenlebten. und neben dem Studium außer ihrer eigenen Gesellschaft kaum eihe sinnvolle Zerstreuung fanden. Daß es dabei zu Spannungen kommen mußte und auch kam, wird je­der nachfühlen können, der jemals in einem Internat erzogen wurde. In der Tat berichten die Akten der Lehranstalt wie auch örtliche Polizeiberichte des öfte­ren von Schlägereien unter den Eleven - die Bezeichnung ,Student' war den Kandidaten an den Universitäten vorbehalten-; auch die Abhaltung von Zwei­k�impfen, die allerdings keine schwereren Folgen als Körperverletzung n zei­tigten, ist überliefert. Bei einer solchen Gelegenheit trug der Eleve Anton von Andrian, der schon im Februar 1824 drei Tage im Karzer der Forstlehranstalt zu­gebracht hatte'\ im Juni des Jahres eine Verletzung davon.

'' Zu Ansellll Franz SIrauß Cl 780-183 0), 1808 l'rofessor für Chelllie an der Karlsuniversitiil Asch,1ffen­burg, 1809 zugleich auch alll ForstlehrinsLiLuL, ab 1819 Professor für Chelllie und l'hysik an der Forsl­lehranstalt, 1827-1829 Inhaber der von ihlll gegründeIen Steingutlllanuf"aktur in D,I117117 bei Aschaffen­burg, vgl. Erich Slen,(!er, Die SteinguLfalirik Dalllm bei Aschaffenburg 1827-1884, Aschaffenliurg 1949, s. 22-28.

'" ArchivexzerpLe, ulll 1925 angefertigt von Carl Freiherr von Andrian-\Xlerburg. " So zuleLzr Garsten Pol/11/ck, Die \XliclersinnigkeiL eines Zweikalllrfes oder das Duell in der F:1sanerie

illl Jahre 1824. Als Aschaffenburg Hochschulstadt war - GedenksLCin errichtet, in: Aschaffenhurger VolksblaLL 1981, Nr. 251 (3J. Oktober), S. 11.

" Vgl. Cii11/er CZ1rist, Aschaffenburg, in: Bayerisches SrädLebuch, Tl. 1, hg. v. Erich Keyser u. l leinz Stoob (DeULsches Süidtehuch. Handbuch sliidlischer GeschichLe, hrsg. v. dens., 13d. 5, l), SLuLLgan / Berlin/ Köln/ Mainz 1971, S. 59-73 , dies S. 63.

11 Staatsarchiv \Xlürzhurg (künf"tig: StA\Xlü), Regierung von Unterfranken, Ahgahe 1943/45 (künf"Lig:· 1kg. Abg. "1943/45), Nr. 13 505, fol. 36 f. - Im K:1rzer wurde auch das auf einem SLalllmbuchhlau - einge­klebt illl Gedenkbuch des S1adu11useums Aschaffenburg: SLaclt- und SLif"isarchiv Aschaffenburg, AuI0-grarhen, 12 - festgehaliene Gedicht niedergeschrieben (UrnersLreichungen der Vorlage hier kursiv, cloppelLe UnIersIreichung kursiv und halbf"e11): ,.Des Lebens Frühling eilL dahin, Begilickt, wer ihn genicf;t \Xler nie aus Laun und Eigensiii Der Freude sich verschlicf;L;

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Es bedarf in dem Zusammenhang eines Blickes auf die allgemeinen Zeitum­stände 1 ·1. Die Mobilisierung des Volkes in den Freiheitskriegen gegen das Napo­leonische Frankreich hatte in großer Breite Gedanken und Bestrebungen frei­gesetzt, die mit dem Selbstverständnis des spätabsolutistischen Staates nicht in Einklang zu bringen waren. Zu einem der Vorbilder der studentischen Jugend wurde das Lützowsche Freikorps, seinen sinnfälligen Ausdruck fand das gegen die M tternichsche Reaktion gerichtete Wollen der akademischen Jugend im Zusammenschluß zu Burschen- und üilteren) Landsmannschaften bzw. Corps, wobei die letzteren die mitt lalterlichen ,nationes'" der europäischen Univer­sitäten zu Paten hatten, ohnen ihnen aber ganz zu gleichen.

Burschenschaften hatten sich 1815 an der Universität Jena mit dem politischen Ziel der deutschen Einigung zusammengeschlossen. Von da aus erfolgte nach dem Wartburgfest im Oktober 1817 im Oktober 1818 - wieder in Jena - die Gründung der Allgemeinen Deutschen Burschenschaften, die dann in den Karlsbader Beschlüssen vom 20. September 1819 verboten wurden. Ihr Prinzip, das mit dem der - allerdings unpolitischen - Landsmannschaften bzw. Corps übereinstimmte, war die unbedingte Satisfaktion mit der Waffe und die Bestim­mungsmensur.

Mit einiger zeitlicher Verzögerung suchten sich die Kandidaten anderer, nicht­universit�irer Lehranstalten benfalls in Korporationen zu vereinen, wobei unter den Forstlehranstalten Aschaffenburg eine Vorreiterrolle spielte, denn von hier aus brachten Forsteleven das Korporationswesen an die Forstlehranstalten in Fulda, Tharand im Königreich Sachsen und Dreißigacker im Herzogtum Sach­sen-Meiningen'6

Als dies geschah, waren die Korporationen allerdings als Folge der Karlsbader Beschlüsse von den Regierenden im Deutschen Bund als „gesetzwidrige Ver-

Doch ghicklicbe1; - wer beim Genuß Sein 1-ferz derU11scb11l€l weibt, Und Freundschart, Liehe, Scherz und Kuß

An seine Tugend reiht! -

Aschaffenburg den 27/2 1824. gescbriehe11 i111 Karzer

Zur freundschaftlichen Erinerungmeinem lieben Friinzchen. Lebe recht wohl, und vergif, nie deinen dich aufrichtig liebenden Frleundl ulndl 13rluderJ Ferdina'ld v Andrian

aus S1ad1 Ke111nath.'· Quer zu den Gedichtzcilen steht: .,Sy111b: Pri.ire, und was die Probe hält - behalte!'· Hinter „Friinzchen·' verbirgt sich der Freund Franz Schmitt. Die Reimerei, über deren Verfasserschaft sich s1rei1en liißt, die jedenfalls das schwiirmerische Empfinden der Romantik spiegelt, wäre der Er­wi.ihnung nichl wen, wenn sie nichl in Teilen der Andrianschen Familie zu dem Mißverständnis ge­fühn hiilll!, dar, sie auf eine mif,glückte Liebesaffäre u111 ein Mädchen deute, welche für das Duell ur­siichlich gewesen sei.

" Vgl. '1170111as Nipperdey, Deu1sche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker S1aat, München 1983, S. 82-101 LI. 272-402.

" Vgl. Jacq11es \le1;c;er, Natio. 2., in: Lexikon des Miltelalrers, 13d. 6, München / Zürich 1993, Sp. 1038-1040.

"' S1AWü, Reg. Abg. 1943/45. Nr. 12796.

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Andrians-Denkmal nach der Restaurierung (Aufnahme l lans-13ernd Spies. M;iinasch:iff, 1998).

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1\mlri:1,1.s lknkm:d - l11,d1rif1 (ihn dil' llL'llL'.,IL' lks1:iurinung 19<;- ( i\uf11:d 1111v: ll:111s-lll'rnd Spil's. 1\ l:1 i11 :1.,cli:1fl, l ')')H l.

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bindungen" eingestuft, die es zu bekämpfen galt'7, da ihre politischen Ziele de­

nen des Bundes, insbesondere der Vormacht Österreich, diametral entgegenge­setzt waren; dabei wurde zwischen Burschen- und Landsmannschaften - zu Unrecht - von den deutschen Regierungen kein Unterschied gemacht.

In Aschaffenburg waren bereits in der Dalberg-Zeit unter den Eleven der 1807 errichteten For tlehranstalt Parteiungen entstanden, die schon durch ihre Selbst­bezeichnung als „Türken" und „Griechen"'" erkennen lassen, daß sie mehr als Ausdruck kinderüblicher Spielereien zu bewerten sind, wenngleich vom Phil­hellenismus der Älteren beeinflußt, der sich an wiederholten Aufständen gegen die türkische Herrschaft in Griechenland im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts immer wieder neu entzündete. Der Jugend gab das aber wohl mehr die Gele­genheit zum altersgemäßen Austoben, so wie man 60 Jahre später begann, In­dianer und Yankee zu spielen.

Erst 1816 errichteten ältere Forsteleven eine Burschenschaft Arminia und wohl gleichzeitig entstand die Landsmannschaft Bavaria, die wechselweise schon als ,,Corps" bezeichnet wurde'9 und heute als - vor allem forstliches - Corps Armi­nia in München fortlebt. Die Korporationen führten auch an der Aschaffenbur­ger Forstakademie ein ,Sitten- und Ehrengericht' ein. Dessen Aufgabe sollte es sein, Streitigkeiten unter Forsteleven zu schlichten, womit es allerdings in die Kompetenz der Anstaltsleitung eingriff. Ein Verfahren vor dem Ehren- und Sit­tengericht zielte auf die ,Abbitte' der unterlegenen Streitpartei bei der obsie­genden ab, konnte das Ziel aber auch verfehlen. Denn der Verurteilte konnte der auferlegten Abbitte mit der Forderung der Gegenpartei zum Duell auswei­chen20, mußte dann abei• - eine interessante (ob aber bewußte?) Reminiszenz an Erscheinungen im Einungswesen des Mittelalters21

- vor dem Duell aus seiner · Verbindung austreten22

, um diese im Entdeckungsfall nicht zu belasten.

Anton von Andrian trat nach seiner Aufnahme in die Forstlehranstalt der Bur­schenschaft Arminia bei; zu dem Zeitpunkt war er noch keine 16 Jahre alt. Er hat sich offensichtlich am Korporationsleben rege beteiligt, denn in seinem nach dem Duelltod beschlagnahmten Nachlaß fand sich das Manuskript einer Rede über „Deutschen Geist und deutsche Gesinnung", der n Inhalt allerdings im Urteil des untersuchenden Polizeikommissärs „von wenigem Werthe" war25 . Es dürfte das Niveau des Verbindungslebens in Aschaffenburg wohl ganz allge-

" Ebd., Aktentitel. - § 10 der „Gesetze" der Forstlehranstalt verpflichtete jeden eidesfiihigen Kandidaten zur Abgabe eines schriftlichen Reverses, daß er keiner „geheimen Verbindung" angehöre; cbcl., fol. 79.

" Ebd., fol. 88' ff. " Ebcl. " Ebd., fol. 212. " So mußten im späteren Mittelalter etwa Bürger, welche mit ihrer Stadt in Unfrieden gerieten und

sie befehden wollten, aus dem Bürgerrecht austreten; vgl. K/arl/ Kroesche/1, Bürger, in: I-IRG (wie Anm. 2), 13d. !, Sp. 543-553, dies Sp. 548 f.

" StAWü, Reg. Abg. 1943/45, Nr. 12796, fol. 218. " Ebd., fol. 149 ff.

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mein eher gering gewesen sein, nebulöse Vorstellungen beherrschten die Köpfe, wofür auch eine Äußerung des Eleven Anton von Andrian über die bur­schenschaftlichen Farben Schwarz-Rot-Gold steht, von denen seiner Auffassung nach „das Gold die Ehre, die schwarze Farbe den Ernst, die rote Farbe die Zu­neigung und Liebe der Mitglieder unter sich" andeute'4. Dies mag ja so emp­funden worden sein, doch findet man kein Wort darüber, daß die späteren Far­ben des Paulskirchenparlaments und die heutigen deutschen Farben von der Uniform des Lützowschen Freikorps stammen: schwarze Uniform mit roten Aufschlägen und goldenen Knöpfen. Das muß zehn Jahre nach dem Ende der Befreiungskriege noch im öffentlichen Bewußtsein gewesen sein.

Aus unbekanntem Grund verließ Anton von Andrian die Burschenschaft Armi­nia zwischen Mitte Juli und Mitte August 1824 und schloß sich der Landsmann­schaft Bavaria an'5; vielleicht hatte darauf der Vater bestanden, der die politi­schen Absichten der Burschenschaften als Staatsdiener nicht gutheißen konnte. Da dies wenige Wochen vor Antons gewaltsamem Tod geschah, könnte hier dessen Anlaß gesucht werden. Aber auch als Folge der von ihm ausgegangenen Verbalbeleidigung des Miteleven Karl von Plotho aus Weihenzell'6, deren Berei­nigung untereinander beiden Kontrahenten wegen Mißachtung der Rechte der Anstaltsleitung im Februar des Jahres die erwähnte Arreststrafe eingetragen hatte, könnte das Duell vom 6. September gesehen werden. Der Verdacht kon­zentrierte sich indessen aus nicht mehr ersichtlichem Grund auf den Würzbur­ger Studenten Johann Baptist Berg'7 aus St. Alban im damaligen pfälzischen Amt Rockenhausen. Dieser war ein Absolvent des Aschaffenburger Lyzeums. Zum Zeitpunkt des Duells hielt er sich in Aschaffenburg auf und machte sich an­schließend durch fluchtähnliche Abreise verdächtig; er wurde dann in Mainz verhaftet28

. Von ihm scheint nur so viel sicher zu sein, daß er neben dem als Se­kundant fungierenden Würzburger Mediztinstudenten Peter Küffner'9 am Schauplatz des Duells anwesend war - nur diese beiden Namen wurden ak­tenkundig, obwohl es mehrere Teilnehmer bzw. Zeugen gegeben haben muß. Berg wurde zwar in eine Untersuchung gezogen, doch blieb seine Täterschaft Vermutung.

So bleiben also letztendlich Anlaß und zweiter Hauptbeteiligter an dem Duell in heute nicht mehr durchdringbarem Zwielicht. Auffällig ist die Errichtung der Gedenksäule durch des Toten Kommilitonen, das waren die neueren aus der

" Ebcl., fol. 218. " Ebd., fol. 157 ff. "' StAWü, Reg. Abg. 1943/45, Nr. 13505, fol. 36 f. " Vgl. '/heodorJose/Scberg, Dalbergs Hochschulstadt Aschaffenburg, Bel. 1: Geschichte der Karls-Uni­

versität (] 798-18:18) und des Bayerischen Luceums (1818-1873), Aschaffenburg 1954, S. 686 f., sowie Bel. 2: Matrikelhuch der Karls-Universität (1798-1818) und des Bayerischen Lyceums (1819-1873). Mit Lebensdatei1, Aschaffenburg 1954, S. 69.

" StAWü, Reg. Abg. 1943/45, Nr. 12796, fol. 77. " Wie Anm. 10.

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Landsmannschaft Bavaria - sollte das Duell also doch etwas mit dem Übertritt zu tun gehabt haben'

Das ist nur eine unter anderen Vermutungen. Sicher und durch die Säule augen­fällig ist allein, was das Pfarrbuch der Aschaffenburger Muttergotteskirche unter dem 7. September 1824 verzeichnet: ,,Septdtus est, in duello gladio interfectus, Antonius de Andrian ex Kemmat"30

.

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Stammbuchblan des Anion Ferclinancl Freiherr von Anclrian-Werburg für Franz Schmitt (vgl. Anm. 13).

w Dg!.

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Über den Altersaufbau der Aschaffenburger Bevölkerung

von Martin Goes

Überblick

Die grafische Darstellung der vom Einwohnermeldeamt der Stadt Aschaffen­burg nach dem Stand vom 31. Dezember 1996 vorgelegten Alterstabelle (s. Gra­fik I) ergibt eine Anhebung der Alterspyramide vom 25. Lebensjahr, dem Jahr­gang 1971, an und zeigt zwischen 1964 und 1972 einen Geburtenrückgang -ebenso wie in der für die Bundesrepublik Deutschland am 31. Dezember 1995

(s. Grafik II)'. Doch ihren 81,8 Millionen Einwohnern2 stehen nur 66397 Aschaf­fenburger Einwohner gegenüber. Deshalb sind in der zweiten Grafik die Kon­turen ausgeglichener. Bei den älteren Jahrgängen sieht man den Geburtenaus­fall im Zweiten Weltkrieg (1939-1945), einschneidend auch während der Wirt­schaftskrise um 1932 und besonders im Ersten Weltkrieg (1914-1918), dazu als Folge die Asymmetrie zu Lasten der Männer bzw. den Frauenüberschuß, der aber in 40-50 Jahren ausgeglichen sein wird.

Zu beachten ist der Anteil von 8430 Nichtdeutschen an der Aschaffenburger Be­völkerung(= 12,6 %). Wie sich aus Tab II 1 ergibt, ist bei den Jahrgängen 1972-1976 unter den Männern jeder vierte, bei den Frauen jede fünfte nichtdeutsch, und bei den vor der Schulpflicht stehenden Kindern ist der Ant il auf 18 bzw. 19 % angestiegen - mit anderen Worten: Um den Anteil der Deutschen an der Aschaffenburger Bevölkerung der jeweiligen Jahrgänge zu ermitteln, sind die Zahlen dieser Tabelle al zuziehen. Doch trotz der Zunahme der nichtdeutschen Kleinkinder, das sind die im Gastland g borenen, zeigen die grafischen Darstel­lungen den Zug der Zeit, die Tendenz zum weite_ren Geburtenrückgang.

Tabelle 1: Anteil der Nichte! utschen an der A chaffenburger Bevölkerung

Jahrgänge männlich weiblich

1932-1936 7,5 % 5,2 % 1937-1941 9,5 % 6,1 % 1942-1946 14,8 % 9,5 % 1947-1966 14,6 % 12,3 % 1967-1971 20,0 % 16,6 % 1972-1976 25,9% 21,8% 1977-1981 16,8 % 15,8 % 1982-1986 13,6 % 13,6 % 1987-1991 16,3 % 15,8 % 1992-1996 18,0% 19,0%

' S1a1is1isches Jahrbuch .1997 für die Bundesrepublik Deu1schland, hrsg. volll Sta1is1ischen Bundesalllt Wiesbaden, Stullgan 1997, S. 57; hinsichtlich des Anleils der ausländischen Bevölkerung in Deutsch­land vgl. elxl., S. 67. Für die Zeit vor der ]990 vollzogenen Wiedervereinigung sind die Zahlen der dalllaligen beiden deu1schen Staaten zusallllllengcfaßt.

' Vgl. chd., S. 62.

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GRAFIK I

Altersaufbau der Aschaffenhurger .Be völlrerung

Gefallene de.S .2. 'We.lfl(,r/egs

männlich

f&ebvr fenavs fall l/m 1. We.lfl<.rie!J

r6eburte.MOIUS{c,I/ wänY8"1cl der LWirt�c.ho,ffsl<.ri.se vm 1932

Alte,

tM Jahnn

100

90

[Ge.bvrtenausfall Ende cles

�----'-------------· so 2. WeltXrie.fJS

40

r------r----..-----,------,------'---,-----;-------.-----l 0

800 700 600 500 400 300 200 100

274

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am 31.12.1996 (einschl. a'er ll//chlcleutschen)

Aller

in :Jahren

100

801---------r'

70

weiblich

6ebvrtenau�fali] �-�'m_,_,1. W e /1 K,,, e.,_J J

Geburtenausfall wäh,-encl a'er] W/rtschafls!{l'l.se um 1932

201----------------

10-------------.----''

Geburtenausfall ] Ende des

2. Welllfrle:J �

01------------'--------------------

0 100 200 300 400 500 600 700 800

275

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GRAFIK II

Alter in Jahren

Gdallcne des :.i Wol!i<ne,..Js

Ccl'l\Jrtenauslall wahrend der

Männlich

Geburtenausfall im 1. Weltkrieg

Wirtschaftskrise �---lun 1932 ,-L-------------l

Gcb\1rtenausta11 Enc!e des 2 WeltkriCCJS

100

90

80

70

60

50

Weiblich

------- FRAUEN·

ÜBERSCHUSS

Geburtenausfall im 1 . Weltkrieg

Geburtenaus!all während der

Wirtschattskrise ' um 1932

f-------....c:;-- ---- Gebu�e::�'=�

2. Weltkriegs

.... ---------! 20 1---------l;

10

0

800 700 ·500 500 400 300 200 100 0 0 1 00 200 300 400 500 600 700 800

Tausend je Alters,ahr Tausend je Altersjahr

Altersaufhau der Bevölkerung Deutschlcinds am 31. 12. 1995 <einschl. der 8,8 % iclndeutschen).

Zum aktuellen Stand der GeburLenzahlen

für den nach den Jahren des Babybooms, also die Nachkriegszeit bis etwa 1963, anhaltenden und ohne zwingende ot eingetretenen Geburtenausfall werden hauptsächlich die BerufsLätigkeit der Frauen, der Trend zur Kleinfami­li und ein verändertes Konsumverhalten angcführL'. Doch warum ereignete

' Vgl. (,'ahrie/e G'oellle, Sie waren weit,;, grün oder rosa Frauen erinnern sich, in: Gisela Staupe u. Lisa Vieth (llrsg.), Die Pille. Von der Lust und von der Liebe, Berlin 1996, S. 181-192, dies S. 189.

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sich dieser Vorgang innerhalb von zehn Jahren, obwohl man für eine solche Entwicklung eine längere Anlaufzeit voraussetzt"? Es sei die Pille gewesen, die seit 1961 in der Bundesrepublik Deutschland angeboten wird5 und diesen Knick ausgelöst habe. Doch sie zwingt nicht zur Ein- bis Zweikindbeziehung, sie ermöglicht sie nur; ebenso kann sie hormonal auch eine Drei- bis V ierkind­beziehung steuern, und die Alterspyramide bliebe bestehen. Es handelt sich demnach bei der Pille nur um ein Hilfsmittel, das dem Trend zur Kleinfamilie entgegenkam. In Tabelle 2 ist das aktuelle Umdenken auf die Ein- bis Zwei­kindehe festgehalten6

Tabelle 2: Kinderwunsch von 16- bis 18jährigen nach Geschlecht

1972/74 1980 1990 keine Kinder

männlich 1% 0% 5% weiblich 1% 0% 4%

ein Kind männlich 9% 5% 15 % weiblich 8% 4% 18 %

zwei Kinder männlich 74% 77% 54 % weiblich 69% 74% 56 %

drei oder mehr Kinder männlich 11% 18 % 7% weiblich 20 % 22 % 9%

noch un ntschieden m�innlich 5% 19 % weiblich 2% 13 %

ach dem fünften Familienbericht des Bundesministeriums für Familie und Senioren7 entscheiden sich die Paare „gar nicht immer so rational [ ... ], wie mit Hinweis auf die heute möglichen Antikonzeptiva häufig behauptet wird". Schon 1985 hatten 20 % der Ehen keine Kinder, 30 % ein Kind, 35 % zwei Kinder, 10 % drei Kinder und nur 5 % vier oder mehr Kinde,.s. Demnach sind viel mehr Ehen kinderlos, als vor der Eheschließung gewollt. ,,Vornehmlich wegen der Schwie-

' Vgl. das unten S. 279 nach ebd. wieclergegebene Schaubild „Deutsche Lebenskurve 1900-1978". ' Vgl. Sabine Sie8, ,,Anovlar" - die erste europäische Pille, in: Staupe/Vieth (wie Anm. 3), S. 131-144,

cliesS. 131 f. '' Zahlen nach Konrad \Velleru. Kurt /arke, Zeitvergleiche. Veränderungen 1970-1990 (DDR), in: Gun-

1er Schmidt (Hrsg.), Jugenclsexualilfü. Sozialer Wandel, Gruppenunterschiede, Konfliktfelder (Beiträge zur Sexualforschung, Bel. 69), Stungan 1993, S. 49-65, dies S. 61. Familien uncl Familienpolitik im geeinten Deutschland - Zukunft des Humanvermögens. Fünfter Fa­milienbericht, hrsg. v. Bundesministerium für Familie und Senioren, Bonn 1994 (künftig: Familienbe­rich1), Zitat -S. 74.

• Vgl. Nosen/Clrie Naue-Herz, Kinderlose Ehen. Eine empirische Studie über clie Lebenssituation kinder­loser Ehepaare und die Gründe für ihre Kinderlosigkeit, Weinheim/ München 1988, S. 18.

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rigkeit der Vereinbarkeit von hoher Berufsorientierung und Familiengründung wird zuweilen zunächst eine befristete Kinderlosigkeit gewählt, die dann aber zu einer lebenslangen unfreiwilligen wegen bestimmter Ereignisse (Krankheit, Unfall, Alter u. a. m.) werden kann"9

. Dazu gehören auch eine vorerst nicht ge­plante Weiterbildung und der Erwerb von zusätzlichen Qualifikationen, mit an­deren Worten'0

: Die „Erfüllung des Wunsches nach einem Kind" ist „in der Re­gel das Ergebnis eines langen Prozesses, in dem die als notwendig angesehe­

nen Voraussetzungen für eine Familiengründung geschaffen werden. [. .. ] Das hat zur Folge, daß die Phase der Familiengründung heute in den alten Bundes­ländern oft sehr lange dauert und sich der Wunsch nach einem Kind mit zu­nehmendem Alter immer häufiger verflüchtigt oder nicht mehr verwirklichen läßt."

Angesprochen ist die Berufstätigkeit der Frauen". Wer sich an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erinnern kann, der weiß, daß ein Mädchen ohne das Ver­ständnis und die materielle Unterstützung der Eltern nicht in eine mittlere oder höhere Schule kam, den Abschluß erreichte und beruflich aufsteigen konnte. Töchter von Arbeitern und kleinbürgerlich denkenden Eltern blieben ihrem Herkommen verhaftet, und in bürgerlichen Kreisen galt die Versorgung der un­verheirateten Töchter als gesichert. Nach der Inflation sah man das Elend der Krieg 1-witwen und der ledig gebliebenen Tant n ohne erlernten Beruf. Da be­gannen Väter und Mütter, sich umzustellen, und brachten ihre Töchter in Lehrstellen und weiterführenden Schulen unter. Was vor d m Krieg Ausnahme war und in den 20er und 30er Jahren sich aufbaute, erzwang nach dem Zwei­ten Weltkrieg den allgemeinen Durchbruch zur Emanzipation der Frau, nämlich Gleichstellung in Bildun·g und Beruf und ebenso zur eigenen finanziellen Ab­sicherung im Alter. Es handelt sich dabei um ein n säkularen Vorgang.

Angesprochen ist auch das veränderte Konsumverhalten. Mehr Kinder bedeu­ten für viele Eltern eine Einschränkung im Haushalt und in der Freizeitgestal­tung. Gerade junge Eltern wollen weniger gebunden sein, als ihre Eltern ge­wesen sind. Dafür wird ihnen von der Verbrauchsindustrie und von den Ban­k n in Vielfaches geg nüber früher geboren. Zum rhöhten Aufwand trägt die beruftstätige, die mitverdienende Ehefrau bei. W gen ihrer fühlt sich manche Nur-Hausfrau zurückgestellt. Aber der nach dem Zweiten Weltkrieg in den Auf­wind geratene Lebensstandard kostet seinen Preis. Entsprechend hat sich das neue Denken festgesetzt und wird anhalten. So ist vorauszusehen, daß in knapp einem halb n Jahrhundert der Altersaufbau der Bevölkerung sich gra-

' Familienbericht (wie An111. 7), S. 75. '" lrene l--/ardacb-l'i11ke, Über die Vereinlx1rkei1 von ßeruf' und Familie. Ein SiIu:1IionsherichI aus Osl­

und Wesid<:utschland (Wiener Vorlesungen i111 Rathaus, 13d. 42), Wien 1995, S. 41. " Vgl. Ncl/le-l-lerz (wie Anm. 8), S. 16, 43 ff. u. 97 IT., Familienhericlll (wie Anm. 7), S. 74. sowie

llardacb-Pinke (wie Anm. IO), S. 13 IT.

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fisch von der ,,,zerzausten Wettertanne' [ ... ] allmählich in einen ,Pilz' mit breiter Haube und schmalerem Stiel" ve1wandelt 12

Das neue Denken zeigt sich auch im durchschnittlichen Heiratsalter der Ledi­gen. Dabei sind die Frauen um zwei bis drei Jahre jünger als die Männer, wie aus Tabelle 3 hervorgeht.

Tabelle 3: Durchschnittliches Heiratsalter der Ledigen

Bundesrepublik Deutschland' 3

1970 1989

Gesamtdeutschland '4

1985 1990 1995

Männer 25-26 Jahre29-30 Jahre

26,6 Jahre 27,9 Jahre 29,7 Jahre

Frauen 22-23 Jahre26-27 Jahre

24,1 Jahre 25,5 Jahre 27,3 Jahre

Die verläng rte Berufs- und Weiterbildungszeit der Männer und nachziehend der Frauen ist offensichtlich der Hauptgrund für das ansteigende Heiratsalter sowie für eine weitere Abnahme der Geburtenzahlen und Verkleinerung der Familien.

DEUTSCHE LEBENSKURVE 1900-1978 (ab 1946: Bundesrepublik Deutschland)

Lebendgeborene auf je 1000 Einwohner

Graf'ik III aus G'oe///e(wie Anm. 4), S. ·139_

" Nai11er G'eif,ler, Die Sozials1ruk1ur Deu1schlands. Zur gesellschahlichen Entwicklung mit einer Zwi­schenbilam .. zur Vereinigung, Oplaclen '1996, S. 344.

" Vgl. Familienliericht (wie Anm. 7), S. 48. '' St:11istisches Jahrbuch (wie Anm. J). S. 7 J.

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Das erste Halbjahr 1998 im Spiegel der Lokalpresse

von Helga Pösinger, Werner Krämer und Renate Welsch

2. JanuarVom alten bis in die frühen Morgenstunden des neuen Jahres tanzten die Gäste derAschaffenburger Tanzschule Alisch im Casino an der Berliner Allee zu den Klängendes Augsburger Tanzorchesters ,,Ikarus". Die hauseigene Tanzshow-Truppe sorgtemit ihren Einlagen für Überraschungen.

Markt-Renner vor eiern Jahreswechsel waren Fischwaren und Sauerkraut, denn die „Aschaffenburger wissen, was sich am Neujahrstag gehört"; fleißig gekauft wurden auch die obligatorischen Glücksbringer wie Marzipanschweinchen, Glücksklee­Töpfchen, Schlotfeger, Pilzehen oder Champagnerflaschen.

5. JanuarHeute wird Paul (Felix) Brass, langjähriger Mitinhaber der Opel-Niederlassung,70 Jahre alt. Den Chefsessel, den er 1956 zusammen mit seinen Brüdern Otto undOskar übernommen hatte, gab er 1995 an seinen Sohn Ulrich weiter.

7. JanuarInnerhalb von 20 Jahren hat sich die Zahl der in Unterfranken gemeldeten Kraft­fahrzeuge fast verdoppelt: 450 000 Fahrzeuge 1977; am 1. Januar 1997 fast 863 000.Im Landkreis Aschaffenburg waren zum Stichtag die meisten Pkw gemeldet.

8. JanuarUm den Kunden künftig Wege und Wartezeiten zu ersparen, ziehen einige Abtei­lungen des Arbeitsamtes in das Kinopolis um. Berufsberatung, Berufsinformations­zentrum, Familienkasse, Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten und die Stelle zurBekämpfung illegaler Beschäftigung.

10. JanuarNach 35 Jahren im ehrenamtlichen Dienste der Pfarrbücherei St. Gertrudis inSehweinheim zieht sich der 70jährige Hermann Karpf zurück. Zu seiner Nachfolge­rin wurde Margit Goldhammer ernannt. Derzeit werden rund 5500 Bücher und 500Spiele, Kassetten und Zeitschriften ausgeliehen.

12. JanuarMit einem Festgottesdienst, zelebriert von Weihbischof Helmut Bauer, MonsignoreEdgar Röhrig und Pfarrer Wolfgang Senzel, feierte· die Gemeinde das 75jährige Be­stehen der Pfarrkirche St. Laurentius in Leider.

13. JanuarGestern konnte Walter Diehm sein neues großzügig s Einrichtungshaus, daseinen markanten architektonischen Punkt an der Ecke Hanauer-/Müllerstraße setzt,eröffnen. Zum Angebot an exklusiven Interieur bestehen bleibt ein jugendlicheresSortiment im bisherigen Möbelgeschäft.

Gestern wurde mit dem Abriß des Parkhauses der City Galerie begonnen. Bis zum Frühjahr 1999 sollen Umbau, Erweiterung und Modernisierung des Einkaufszen­trums abgeschlossen sein.

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15. JanuarZum Thema Vogel des Jahres 1998 - die Feldlerche - zeigt das aturwissenschaft­liche Museum im Schönborner Hof eine Ausstellung. Nach Zählungen von Vogel­kundlern gehört die Feldlerche bereits auf die Rote Liste, also zu den hierzulandevom Aussterben bedrohten Vögeln.

„In 30 Jahren den Schülern ein ,Ersatzvater' geworden". Oberbürgermeister Dr. Willi Reiland zeichnete den Hausmeister des Kronberg-Gymnasiums für sein Engage­ment im Schulbereich und um die Schuljugend mit der Verdienstmedaille des Ver­dienstordens der ßundesrepublik Deutschland aus.

20. JanuarUm ihre neue Selbständigkeit zu dokumentieren, füh1t die Berufschule zur indivi­duellen Lernförderung in Aschaffenburg, die bisher zur Würzburger Don-Bosco-Be­rufsschule gehörte, künftig den Namen des französischen Priesters Johannes de laSalle, der im 17. Jahrhundert in seinem Heimatland den Grundstein für ein neuzeit­liches Schulwesen legte.

21. Januar

Mit Mehrheit beschloß der Stadtrat die Kündigung des bisherigen Leiters der Stadt­werke (seit 1987) Hubertus Elster zum 30. Juni, jedoch mit sofortiger Freistellung.Elster war aus verschiedenen Gründen in die Schußlinie geraten, vor allem durchcli Kostenexpolosion beim Bauprojekt Wasseraufbereitungsanlage von ursprüng­lich 50 auf nunmehr 90 Millionen DM.

22. Januar

euer Kreishandwerksmeister und damit Sprecher der Kreishandwerkerschaft inStadt und Landkreis Aschaffenburg ist seit 1. Januar Diester Eser, Obermeister der Friseur-Innung Aschaffenburg. Er trat die Nachfolge von Karlheinz Burger, über­m ister der Bäcker-Innung, an. Zur Vorstandschaft gehört auch der neue Vize, An­ton Kittel, Obermeister der Metzger-Innung Aschaffenburg Stadt und Land.

26. Januar

An1 24. Januar - genau 40 Jahre nach der Aschaffenburg-Premiere - wurde im hiesi­gen Kinopolis in Anwesenheit des Regisseurs Kurt Hoffmann der beliebte Film „DasWirtshaus im Spessa,t" aufgeführt. Jnitiie1t wurde das „Räuberspektakel", an demauch Albrecht Graf Ingelheim, Schloßherr in Mespelbrunn, eiern einstigen Drehort,und die Spessartbühne beteiligt waren, vom Stadt- und Stiftsarchiv. Im SchönbornerHof wird dazu noch eine Ausstellung „Spessartr�iuber im Rampenlicht" stattfinden.

29. Januar

Neuer Leiter der Pathologie im Klinikum ist Prof. Dr. Franz Borchard. Für sein wis­senschaftlich s Gesamtwerk - mehr als 200 Publikationen, 340 Vorträge und 150Fortbildungsreferate - erhielt r cl n Ruclolf-Virchow-Preis. Borchard lehrte 27 Jahrean der Heine-Universität in Düsseldorf, davon 23 Jahre als Professor.

31. Januar

1997 war ein schwarzes Jahr auch für cl n regionalen Arbeitsmarkt. Rund 26 000Frauen und Männer meldeten sich in den Arbeitsämtern Aschaffenburg, Alzenau,

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Obernburg und Miltenberg arbeitslos. Im Jahresdurchschnitt wurden 13 922 gezählt. Damit betrug die Arbeitslosenquote 8,8 % 0996: 8,2 %).

4. FebruarIm Alter von 96 Jahren starb am 1. Februar die Malerin Elsa-Bertha Fischer, geb.Ginsburg. 45 Jahre lebte die Künstlerin, die bereits in jungen Jahren malte, mitihrem Mann Heinrich Fischer in Aschaffenburg. 1968 übersiedelte sie nach Frank­furt, um nach dessen Tod 1995 wieder zurückzukehren. Nach einem Leben vollkünstlerischem Schaffen verstarb sie in der Obhut ihrer Nachkommen.

8. FebruarBundesgesundheitsminister Horst Seehofer würdigte anläßlich des fünfjährigen Be­stehens des Aschaffenburger Kindernetzwerks für kranke und behinderte Kinderund Jugendliebe in der Gesellschaft die einzigartige Pionierarbeit, die hier geleistetwurde. Rund 1200 Krankheitsbilder und jede Menge Kontaktadressen sind in derDatenbank gespeichert, und schon viele verzweifelte Eltern fanden durch diesesInternet-Angebot ein „Bindeglied der Kommunikation zwischen Fachleuten undBetroffenen". Vorsitzender des Kindernetzwerkes ist Prof. Dr. Hubertus von Voß,Leiter des Büros in der Hanauer Straße 15 Raimund Schmid.

9. FebruarAschaffenburg hat bei drei Volksentscheiden abgestimmt. Bei einer Wahlbeteiligungvon 25,89 Prozent (47 644 Stimmberechtigte) sprachen sich rund 73 % für eine Re­form von Landtag und Staatsregierung aus; für eine Abschaffung des bayerischenSenats stimmten fast 70 % und nahezu 25 % waren für eine Reform dieses deutsch­landweit einmaligen Gremiums.

13. FebruarNach 35 Jahren wird zum März das renommierte Restaurant „Poststation" im Hotel,,Post" schließen. Küchenchef Klaus Heininger, der 1969 den begehrten Michelin­stern erkochte, wird künftig im benachbarten Bistro „Oscar" die Hotelgäste und,,Szenegänger" verwöhnen.

14. FebruarDie Tage des Aumühlturms auf dem Geländ der Papierfabrik SCA an der Aschaffsind gezählt. Trotz Bemühungen, die hemalige Windmühle zu erhalten, erteilte dieRegierung von Unterfranken die Abrißgenehmigung.

21. FebruarAufgrund iner neuen sogenannten Flechtenkartierung (FI ehren reagieren in be­sond rem Maße auf Schadstoffe) kann im Vergleich zu 1991 eine Luftverbesserungin der Stadt um 10 bis 15 % verzeichnet werden.

22. FebruarDie Manufaktur Imhof in der Maximilianstraße ist seit Anfang der 70er JahreMaßschneiderei für historische Uniformen und ausgefallene Garderobe für Fast­nachter in ganz D utschland. 2600 Vereine können auf Wunsch mit jeder Art vonKostümen eingekleidet werden. Deshalb haben die Firmenchefs Reinhard Hajekund Frau Zeljka auch von August bis weit in die Fastnachts-Kampagnen hinein Nar­ren-Hochzeit, in der bis zu 1500 Teile angef rtigt werden.

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27. FebruarIm Dezember 1993 faßte der Stadtrat den Grundsatzbeschluß zum Bau der städti­schen Trinkwasseraufbereitungsanlage, Kosten 50 Millionen DM. Aufgrundeiner inzwischen eingetretenen Kostenexplosion werden die Aschaffenburger unddie angeschlossenen Gemeinden ab dem Jahr 2000 einen Wasserpreis von 5 DM- statt heute 3 DM - pro Kubikmeter bezahlen müssen.

Der „Kapitän" geht von Bord - Sparkassendirektor Hermann Beck geht in den Ru­hestand. Am 1. März 1966 wurde er Leiter der Stadt- und Kreissparkasse Aschaffen­burg (158 Mitarbeiter, 17 Geschäftsstellen, Bilanz 175 Millionen DM). Nach 32 Jah­ren unter seiner Ägide weist das Unternehmen 1000 Mitarbeiter in 67 Geschäfts­stellen und eine Bilanzsumme von 5,1 Milliarden DM auf. Die offizielle Verabschie­dung fand im Rahmen einer Feierstunde in der Stadthalle statt. Der Wechsel auf der „Kommandobrücke" der Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau wurde zum 1. März vollzogen. An der Spitze stehen jetzt Vorstandsvorsitzender Heinz Danner und die Vorstände Carsten Claus und Heinrich Reiche!.

2. MärzBereits seit 40 Jahren ist Rudi Stock Vorsitzender des Aschaffenburger Mietervereins.Jetzt wurde er für weitere vier Jahre im Amt bestätigt.

3. MärzAnläßlich des 25jährigen Bestehens der Fachakademie für Sozialpädagogikhaben neun Erzieherinnen und drei Dozenten dieser Einrichtung einen Schulvereinunter dem Vorsitz von Elke Flärchinger gegründet.

7. MärzSeit 1989 sank das Restmüllaufkommen der Stadt von 78 600 t auf 14 300 t. Davonentfallen 70 Prozent auf Haushaltungen. Insgesamt weist die Abfallbilanz 1997 rund31 000 t aus Haushalten auf, wobei der Zuwachs an Wertstoffmengen enorm ist.

12. Mi:irzAnläßlich des 100. Geburtstages des Malers Anton Bruder, geboren 11. Juni 1898,findet bis Ende Juli eine Ausstellung seiner Werke im Schloßmuseum statt. AntonBruder kam 1949 nach Aschaffenburg, wo er auch nach seinem Tod am 17. Februar1983 auf dem Waldfriedhof seine letzte Ruhe fand.

16. MärzFast ein Jahr war die Stelle des Dekanantsaltens elsorgers für die Stadt nicht besetzt.Am vergangenen Samstag wurde Pfarrer Albrecht Leutbecher von St. Pius in diesesAmt eingeführt.

21. M�irzNach 140 Jahren Pflegedienst-Tradition nehmen die Ordensfrauen Gerlanda, Edel­burga, Giswalda und Eucharia als letzte Schwestern des Allerheiligsten Erlösers Ab­schied von Aschaffenburg. Künftig wird die Arbeit der Caritas-Sozialstation St. Eli­sabeth e. V. in der Badergasse von weltlichen Mitarbeiterinnen übernommen.

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23. MärzMit einem Festabend in der Stadthalle wurde das 50jährige Bestehen des Kreisver­bandes der Europa-Union in Aschaffenburg gefeiert. Kreisvorsitzender Hubert Kle­bing zeichnete dabei zusammen mit dem Präsidenten der Europa-Union D utsch­land, Prof. Dr. Hans Gerd Pöttering, das Gründungsmitglied Erich Feiler aus.

24. MärzEin Anrudern auf dem Main war der Auftakt zu den Jubiläums-Veranstaltungen an­läßlich des l00jährigen 13esteh ns des Ruderclubs Aschaffenburg. Der 1. VorsitzendeDr. Gerhard Schmitt steht inem Traditionsver in vor, d r zu den „Hauptschlag­adern'· des Bayerischen Ruderverbandes gehört (rund 00 Mitglieder, 71 Boote).

26. MärzHeute wird Gretl Hock, die Tochter des Aschaffenburger Malers Adalbert Hock, zuGrabe getragen. Sie wurde am 18. Januar 1903 geboren, arbeitete bis ins hohe Alterals ßuchbinderrneisterin und verstarb hochbetagt im Senior nstift St. Elisabeth.

29. März.,Herr über fast 12 000 Wanzen" und damit eine der weltweit umfangreichstenSammlungen i t Hans Joachim Mühlig, Verwalter des aturwissenschaftlichen Mu­seums im Schönborner Hof. Die 402 Gattungen und 2437 Arten zuzuordnendenWanzen wurden der Stadt Aschaff nburg vom Arzt und aturforscher Karl Singer0965-1959) vermacht.

31. März30 Jahre lang versah das .Mesner-Ehepaar Heinz und Hella Köthe seinen Dienst inChristuskirche und -gemeinde. Nachfolger wird zum 20. April Konstantin Betcher.

1. AprilWird Grabpflege auf dem Altstadtfriedhof zur Pfandsache? Das st�idtische Gart n­und Friedhofsamt will mit einem Münzsy ·tem (Einsatz 5 DM) dem Diebstahl vonGießkannen vorbeugen! Das ist kein Aprilscherz!

38 Konkurse meldet das Bayerische Landesamt für Statistik im Jahr 1997 für Aschaffenburg-Stadt, 5 % m hr als im Vorjahr. Landesweit stieg di Zahl der Kon­kurse um 7,1 % an und erreichte damit einen neuen Höchststand.

6. April1 as Liebes- und Katastrophen-Epos „Titanic" erreichte auch im Kinopolis inAschaffenburg Besucherrekorde. Schon jetzt konnte der 50 000ste Besucher mitSekt und ßlumen vom Theaterleiter Andreas Söhnge b 'grüßt werden.

8. AprilGestern starb die beliebte Wirtin des Weinhauses Kitz, Magda Kitz, im Alter von 76Jahren. S it Jahrzehnten hieß es in der Aschaffenburger Szene: ,,Komm, wir gehenzur Magda!" 'eit 1985 führt sie den 1861 gegründeten Familienbetrieb allein. MitMagda Kitz endet ein gutes Stück Ascheberger Lokal-Tradition.

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18. AprilAb der neuen Saison wird der ehemalige Aschaffenburger Fußballer und Ex-ProfiRudi ßommer (VfR Mannheim) neuer Cheftrainer beim Fußball-Oberligisten Vikto­ria Aschaffenburg. Co-Trainer der Weiß-Blauen wird Peter Löhr.

21. AprilAm 29. April hat das neue Boulevard-Stück „Die Bengalische Rolle" in Zimmer­theater in der Grünewaldstraße Premiere. Nach dem Tod Peter Rauchs hat WilfriedHaugg als neuer Vorsitzender des Theatervereins ,Junge Bühne" und als Ensemble­leiter dieses noch von Rauch ausgesuchte Stück mit einer neuformierten Truppe aufdie Bühne gebracht. Neuer Spielleiter ist das Allround-Talent Ulf Bolling.

25. AprilHeute eröffnet Michael Joachimi in der Wermbachstraße sein neues Projekt „Wohn­concept", das ein Mobilhaus und sieben Fachgeschäfte mit exklusiven Angebotenunter einem Dach vereint. In Kürze werden auch das Bistro „Filmriß" und das Re­staurant „Scenario" eröffnen.27. AprilMit einem musikalischen Fest in der Stiftsbasilika feierten die Stiftschorknaben ihr25jähriges und die Mädchenkantorei ihr 15jähriges Bestehen.

29. AprilKomplett ist jetzt das Ärzteteam in der Hofgartenklinik. Als letzter von insgesamt 16Belegärzten nimmt ein Facharzt für Augenheilkunde (spezialisiert auf Kataraktope­rationen bei Grauem Star) seine Arbeit auf. Bereits seit Frühjahr 1996 praktizierenhier zwei Anästhesisten, ein Gefäßchirurg, sechs Orthopäden, fünf HNO-Ärzte so­wie ein Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.

4. MaiDekan Dr. Manfred Kießig führte mit einem Gottesdienst, an dem auch katholischeGeistliche und die Nilkheimer Bevölkerung beider Konfessionen rege teilnahmen,das neue evangelische Pfarrerehepaar Susanne Arnold-Geißendörfer und MarkusGeißendörfer in ihr Amt im Kirchenzentrum St. Jakobus ein.

6. MaiDer Recyclinghof wird noch in diesem Jahr von seinem Provisorium in der Matt­straße an seinen neuen Standort in der Graves-Kaserne umziehen. 11 000 Quadrat­meter wurden nach dem Abzug der US-Army jetzt von der Bundesvermögensver­waltung an die Stadt verkauft.

12. MaiMit drei Gründertagen in Aschaffenburg startet am 14. Mai die Regionalmarketing­Initiative Bayerischer Untermain eine auf zwei Jahre ausgelegte „Gründer-Offen­sive". Damit sollen Existenzgründer zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur an dieRegion gebLinden werden. Zuvorderst sollen sie Information, Beratung und Betreu­ung erfahren, um Flops zu vermeiden.

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14. MaiDie V izepräsidentin des Europaparlaments, Ursula Schleicher, die aus einer Aschaf­fenburger Arztfamilie stammt, wird 65. 1972 wurde sie Bundestagsabgeordnete,1979 Mitglied des Europaparlaments und trat 1984 in das Vizepräsidium ein. Hierliegt ihr Aufgabenbereich in der Bewahrung der Eigenständigkeit von Menschenund Regionen. Ihr Engagement gilt von jeher auch den Frauenfragen und Umwelt­problemen.

15. MaiDer rekonstruierte Stiftsbrunnen ist durch den Aufsatz des neugotischen Giebelsfast fertiggestellt. un fehlt nur noch die Statue des Schwabenherzogs Otto in derNische unter dem Baldachin.

16. Mai10 Millionen DM investierte die Metzgerei Häuser, Stammhaus gegründet 1952 inLaufach, in den Um- und Erweiterungsbau im Strietwald. Hier wurde der bisherigeFleischerei-Produktions- und Verkaufsbetrieb auf den modernsten Stand gebrachtund um ein Seif-Service-Restaurant „Lukullus" und einen Frischemarkt, in dem auchObst, Gemüse, Fisch und Backwaren angeboten werden, erweitert.

Die Dalbergschule in Damm fei rte mit einem dreitägigen Fest ihr 40jähriges Be­stehen. Die beiden amtierenden Rektoren sind Franz Mader (Grundschule) und Joachim Zentgraf (Hauptschule).

23. MaiGestern wurde die erste _von drei Info-Tafeln, die Aschaffenburgern und Touristenauf einen Blick die Sehenswürdigkeiten der „Stadt der Schlösser, Parks und Mu- .seen" zeigen sollen, an der Stadthalle enthüllt. Weitere Tafeln, initiiert vom Ver­kehrsverein in Zusammenarbeit mit Hans-Holger Frenzel vom Automuseum RossaBianco, werden am Bahnhof und an der Schiffsanlegestelle im Floßhafen installiert.

25. MaiPünktlich um 10.11 Uhr gaben !HK-Präsident Horst Michaels und· BürgermeisterGünter Dehn am vergangenen Sonntag dem aus ürnberg gekommenen ICE 820,dem ersten in Aschaffenburg haltenden ICE-Zug, das Abfahrtssignal in RichtungFrankfurt. Zumindest bis zum Herbst 1998 bleibt Aschaffenburg ICE-Halt.

26. MaiBayerns Innenminister Dr. Günther Beckstein eröffn te nach dem Ringabschnittzwischen Adenauerbrücke und Schweinheimer Straße im Jahre 1995 jetzt auch das28 Millionen DM teure Ringstraßenstück zwischen Schweinheimer Straße -undWürzburger Straße. Das Band durchschnitt er g meinsam mit d m bayerischen Ju­stizminister Hermann Leeb und Oberbürgermeister Dr. Willi Reiland.

30. MaiDerzeit läuft der Umzug der Museumsverwaltung in die neuen Räume im Nord­westflügel von Schloß Johannisburg auf vollen Touren. Hier bekommt auch das

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Team der archäologischen Abteilung, das im Schönborner Hof unter akutem Platz­mangel und mangelhafter Unterbringung ihrer Fundstücke litt, ein geeignetes Do­mizil.

2. JuniNoch einmal fordern die Altstadtfreunde den Stopp der Abrißgenehmigung für denWindmühlenturm auf dem SCA-Gelände in Damm zum 1. Juli. Tatsache ist, daß1854 der Aumüller durch den Stadtmagistrat die Genehmigung zur Errichtung einerWindmühle und eines Brunnens erhielt.

3. JuniSpatenstich durch Landrat Roland Eller, Oberbürgermeister Dr. Willi Reiland und dieArchitekten Reinhold Jurasik und Werner Hörnig nach sechsjähriger Planung fürden 12,8 Millionen DM teuren Etweiterungsbau der Maria-Ward-Schule. Entstehensollen Turnhalle, Musiksäle, Klassenzimmer und Pausenhalle. Zum Spaten griffenauch die Schulleiterin Sr. Renata Rohleder und die Hausoberin Sr. Elfriede.

12. JuniErstmals gibt es seit etlichen Jahren auf dem Aschaffenburger Volksfest auch einrichtiges Festbier. Am 15. April wurde bei der kleinsten Brauerei der Region, derSchwindbräu in Sehweinheim, der besondere Gerstensaft von Braumeister LudwigThaler eingebraut. Di Festmaß blieb mit 8,90 DM preisstabil.

13. JuniDie Teilnahme der Freiwilligen Feuerwehr Aschaffenburg am 125jährigen Jubiläumder Berufsfeuerwehr Miskolc war ein erster Schritt zur Festigung der neuen Part­nerschaft mit der ungarischen Stadt, 1200 Kilometer von Aschaffenburg entfernt. EinGegenbesuch wurde vereinbart.

17. JuniZwei Traditions-Geschäfte in Aschaffenburg schließen: Schreibwaren-Schinzel inder Goldbacher Straße, hervorgegangen in den 20er Jahren aus dem Laden der „Bil­der-Marie" in der Friedrichstraße, und „Suzanne-Moden, Dirndl und Trachten" inder Sandgasse, vor 1964 in der Ohmbachsgasse.

18. JuniDer Schweinheimer Landwirt und ßutsschänke-Wirt Gert Lüder, ,,Fidel", nutzt seinegroßzügigen Räumlichkeiten jetzt ,auch als Kunstgalerie. Auftakt ist eine Gedächt­nis-Ausstellung mit Werken der kürzlich verstorbenen Elisabeth Dering; es folgenAusstellungen mit Arbeiten von Elsa-Bertha Fischer-Ginsburg und Bruno Supernok.

19. JuniTrotz unerfreulicher Einbußen bei den Steuereinnahmen fällt die Jahresrechnungd r Stadt für 1997 positiv aus: 31,9 Millionen DM wurden aus den laufenden Ein­nahmen und Ausgaben selbst für Investitionen erwirtschaftet. Dies ist der höchsteBetrag seit 1992. Bei der Einkommensteuer wurde dagegen das schlechteste Ergeb­nis seit 1990 erzielt.

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Fleißig probt die neue Chorabteilung des Männergesangvereins „Melomania 1847" für ihren Premierenauftritt im August. Mit „Swing" will der neue Musical- und Jazz­chor, gegründet von Dirig nt Friedhelm ßloss, neuen Wind in den Verein und das Aschaffenburger Kulturleben bringen.

24. JuniBayernweit einzigartig ist die Ausbildung zum „Streitschlichter·' an der Knabenreal­schule. In einem mehrtägigen Seminar wurden zwölf Schüler auf ihr künftiges Amt,Streitigkeiten unter den Kindern mit kühlem Kopf, friedlich und mit Diplomatie zulösen, vorbereitet. An oberster Stelle der Probleme an der Schule stehen Mobbingund Unterdrückung der Mitschüler.

Einer von 100 Bayern, die heuer mit einer Ehrenmedaille für besondere Verdienste und Engagement im Vereinsleben ausgezeichnet wurden, war der Aschaffenburger Hermann Piskora. Schon 1961 begann er seine ehrenamtliche Tätigkeit als Kreis­sportwart beim 13ayerischen Tischtennisverband. Seit 1997 ist er Vizepr�isiclent und verantwortlich für dessen Finanzen.

26. Juni,,Rathaus rechnet mit Parksüncler-G leiern" - und kann sich auf seine Verkehrs­sünder verlassen. Mit fast 1,5 Millionen DM wird im laufenden Jahr an „Knöllchen·',d. h. Verwarnungsgelcler und Gebühren, ausgestellt von den sogenannten Stadt­sheriffs, gerechnet.

27. JuniDer Deutsche Paketcliens� mit Hauptsitz in Aschaffenburg hat in zwei weiteren Be­reichen den Wettbewerb mit der Post aufgenommen. ,,Parcel-Letter" und „Pakets­hop" befördern täglich 20 000 Päckchen und Briefe von Privatkunden. LediglichBriefe unter 200 Gramm müssen weiterhin durch die Post versendet werden.

30. JuniMit einem erfreulichen Jahresabschluß kann die Raiffeisenbank Aschaffenburg­Sehweinheim ihr l00jähriges B stehen feiern. Auch die Filiale in Gailbach bestehtseit einem Jahrhundert. Der damals ,'ogenannte Darlehenskassenverein wurde inSehweinheim im Gasthaus „Zur Linde" von 86 Gründern ins Leben g rufen, woauch die erste Zahlstelle eingerichtet wurde. Heute beträgt die ßilanzsumme über180 Millionen DM.

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,,Wenn Künstler, Schriftsteller und Gelehrte, verfolgt, ent­

fernt und mißhandelt werden; so wird die Zahl derjenigen

Männer bald verschwinden, die das Feld der Wissenschaf­

ten und Künste anbauen. Es würde alsdann allerdings zu

besorgen seyn, daß Unwissenheit, Jrrthum und Barbarey

wieder an die Stelle der Wahrheit, Wissenschaft und Ausbil­

dung kom1nen."

[Carl von Dalberg], Von dem Einflusse der Wissenschaften und schönen Künste in Beziehung auf öffentliche Ruhe, Erfurt 1793, S. 5 f.