Ausgabe 01/2016

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Die neueste Ausgabe des Chemist! Dossier: "Farben und Chemie" Leitung: M. Hohlweck

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Seit einigen Semestern besteht die „Chemist“-Redaktion nicht nur aus Studierenden, sondern auch aus Dok-toranden. Den Anfang machte Mat-thias Stahl. Er hat Biochemie an der TUM studiert und promoviert inzwi-schen am Lehrstuhl von Prof. Sieber. Matthias ist nicht nur ein „Chemist“-Redakteur und Doktorand, sondern auch seit knapp einem Jahr Vater der kleinen Madita. In seiner Freizeit tritt er gerne bei diversen Science Slams landesweit auf, dabei räumt er immer wieder ein paar Preise ab. Auf Rei-sen geht er am liebsten nach Skandi-navien.

Für diese Ausgabe berichtet Mat-thias über ein Science Slam Event aus Karlsruhe. Mehr dazu auf der Seite 30.

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Liebe Leser,

„In jedem Ende liegt ein neuer An-fang“, so auch bei uns. Nachdem die Leitung des „Chemists“ im letzten Jahr auf mich übergegangen ist, melden wir uns jetzt endlich zurück. Die Redakti-on hat sich inzwischen verändert, neue Mitglieder sind hinzugestoßen und ei-nige der alten Hasen werden sich mit dieser Ausgabe verabschieden, doch der „Chemist“ selbst bleibt, wie er ist.

Das Dossier trägt diesmal den Ti-tel „Farben und Chemie“; unsere Re-dakteure haben unter anderem zu-sammengetragen, wofür Farben in der Chemie verwendet werden, wie Mensch und Tier sich von ihnen be-einflussen lassen und wie man in der Vergangenheit färbte. Mehr dazu ab Seite 20. Nachdem letztes Mal das Studiensekretariat interviewt wurde, haben wir uns diesmal ein anderes Team geschnappt, an dem kein Che-miker vorbeikommt: Richard, Anika und Thomy von der Vorbereitung, die uns erzählt haben, wie sie an die TU gelangt sind und was sie seither al-les erlebt haben. Ebenfalls „Im Visier“ ist Prof. Fässler, der mit uns über sei-

nen Werdegang und seinen Lehrstuhl gesprochen hat. Dabei spricht er un-ter anderem über all die Universitä-ten, die er kennengelernt hat oder wo-rauf man bei einem Auslandssemester achten sollte. In „60 Sekunden“ stellt uns Prof. Hintermann das Fachgebiet Organische Chemie vor. Nachdem un-sere Redakteure in der letzten Ausga-be in der Rubrik „Nachgefragt“ über die Vergütungen von Masteranden be-richtet haben, geht es diesmal um die Doktorandengehälter. Wer aus Gar-ching raus will, sollte Seite 6 aufschla-gen, dort berichtet unsere Redakteu-rin Verena über ihren Aufenthalt in Cambridge und die Unterschiede zur TUM. Doch auch der Campus kommt nicht zu kurz, Yuliya und Moritz haben die Baustellen in der Umgebung unter die Lupe genommen. Außerdem noch in dieser Ausgabe: Das HoPo-Referat, Science Slams in Deutschland, CO im Alltag und noch vieles mehr.

Viel Spaß mit der neuen Ausgabe und auf ein baldiges Wiedersehen!

Chefredakteur Maximilian Hohlweck

HoPo-Referat Seite 4Auslandsbericht Seite 6In 60 Sekunden Seite 7Nachgefragt Seite 8Interview: Vorbereitung Seite 10Im Visier: Prof. Fässler Seite 14Dossier Seite 20Aufdestilliert Seite 27Über den Kolbenrand Seite 28Science Slam Seite 30Das kleine ABC Seite 34

Editorial Inhalt

Impressum Ausgabe 1/2016 1000 Exemplare

Der „Chemist“ ist kein Erzeugnis im Sinne des Presserechts, sondern ein Rundbrief an alle Studenten der TUM und sonstig interessierten Per-sonen. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nur die Meinung des Verfassers wieder.

Redaktion: Yuliya Dubianok (YD)Benedikt Eisenreich (BE) Verena Fink (VF)Steffen Georg (SG)Marisa Götzfried (MG)Maximilian Hohlweck (MH)Moritz Ludwig (ML)Simon Nadal (SN)Matthias Stahl (MS)Marlene Weyerer Padrosa (MWP)

Externer Korrespondent:Martin Wolff (MW)

Freie Mitarbeiter:Iris Fechner (IF)Felix Schuster (FS)Sebastian Pios (SP)

Zeichnungen:Marisa Götzfried (MG)

Kontakt: [email protected]/DerChemist

FederhalterYD

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Für Freiheit, Gleichheit und StudierbarkeitWas macht eigentlich das Hochschulpolitik-Referat?

SG

Egal, ob es um Studiengebühren, Semesterticket oder andere großen Themen im Leben Studierender geht, immer sind sie Teil der Hochschulpoli-tik (kurz: HoPo). In der Fakultät Che-mie setzt sich dabei das HoPo-Referat der Fachschaft Chemie dafür ein, dass auf dieser hohen Ebene die Entschei-dungen möglichst günstig für Studie-rende gefällt werden. Ein Interview mit Basil Rohrer, dem langjährigen Re-feratsleiter.

Chemist: Du bist schon seit Beginn Deines Studiums im Hochschulpoli-tik-Referat der Fachschaft Chemie tä-tig – wieso hast du dort angefangen?

Basil: Im Grunde genommen hat mich damals Franziska Traube mit hin-eingebracht und dann bin ich einfach dabei geblieben.

Chemist: Auch Franziska war lange Zeit hochschulpolitisch aktiv, zuletzt als Vertreterin der Studierenden im Se-nat der TUM. Was hat Dich dann im Referat gehalten?

Basil: Man hat viel von der Uni mitbekommen. Als ich noch neu an der Uni war, war das sehr interessant. Das hat sich nie geändert, weswegen ich einfach dabei geblieben bin. Man hat Aufgaben und wenn diese abge-schlossen sind, kommen auch schon die nächsten. Es geht einfach immer weiter.

Chemist: Ich kann mir gut vor-stellen, dass manche Aufgaben ir-gendwann einfach von selbst lau-fen. Trotzdem ist HoPo doch oft mit langwierigen, schwierig zu erreichen-den Zielen verbunden. Welche weit-reichenden Veränderungen hat die studentische hochschulpolitische Ak-tivität Deiner Meinung nach in den letzten Jahren erreicht?

Basil: Da hat sich einiges Großes verändert. Zum einen sind die Studi-engebühren weggefallen. Daran wurde ganz intensiv von studentischer Seite aus gearbeitet, auch wenn das meiste über den AStA [Allgemeiner Studen-tischer Ausschuss] lief. Vieles muss-te hochschulweit organisiert werden, denn Studiengebühren betreffen alle Studierenden, die Hochschulen muss-

ten im Verbund arbeiten. Das hat of-fensichtlich gut geklappt. Außerdem bemerken, glaube ich, alle Studieren-den, dass sie ein Semesterticket ha-ben. Auch dieses wurde erst vor recht kurzer Zeit geschaffen.

Chemist: Alles in jedem Fall große Errungenschaften. Im Falle der Stu-diengebühren wurden diese durch die Studienzuschüsse ersetzt. Was hat sich dabei eigentlich geändert?

Basil: Zunächst einmal sind die-se Gebühren natürlich für Studieren-de weggefallen. Für die Universität hat sich dabei im Groben und Gan-zen nicht viel geändert. Einzig die Zu-teilung der Mittel wurde etwas von der Fakultät hin zur Zentralverwaltung verschoben, was leider auch heißt, dass nicht mehr ganz so viele Tutor-stunden und Skripte mitbezahlt wer-den können wie vorher. Wir sind und waren in der Chemie eine der weni-gen Fakultäten, die ihr Geld wirklich sinnvoll für Studierende ausgegeben haben.

Chemist: Gibt es denn Bestre-bungen, das beim Hochschulpräsi-dium anzuspre-chen?

Basil: Es wur-de bereits ange-sprochen. Da dies allerdings vom Präsidium selbst so abgeändert und umgesetzt wurde, bestand da von Anfang an wenig Hoffnung auf Er-folg, diese Ent-scheidung zu-mindest für die Chemie wieder umzuändern.

Chemist: Das waren, glaube ich, 20% vom Gesamt-zuschussbudget der Chemiefakul-tät weniger, oder?

Basil: Richtig,

vorher gingen 80% der Studiengebüh-ren direkt an die Fakultät, nun sind es nur noch 60% der Studienzuschüsse.

Chemist: Das wären dann sogar 25% weniger Mittel als vorher. Das ist natürlich einiges an Finanzmitteln, die jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen. Aber außer der Befreiung vieler Stu-dierenden durch den Wegfall der Stu-diengebühren wurden zumindest an der TUM auch viele durch die Einfüh-rung des Semestertickets etwas entlas-tet. Allerdings scheint es da momentan auch Probleme zu geben. Wird zur Zeit befürchtet, dass bei einer erneuten Wahl zum Semesterticket dieses nicht mehr befürwortet würde

Basil: Ja, so scheint momentan die Stimmung unter den Studierenden auszusehen, vor allem bei denen in der Innenstadt. Für diese ist das Semes-terticket mit Aufpreis einfach ein ho-her Betrag, den sie am Anfang des Se-mesters zahlen müssen und ihnen für Fahrten in der Innenstadt kaum Vor-

Basil Rohrer, Leiter des Hochschulpolitik-Referats Foto: Steffen Georg.

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teile bringt. Da verstehe ich sogar, dass manche sich das Aufpreisticket nicht kaufen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das Ticket in der Innenstadt kau-fen würde.

Chemist: Allerdings gibt es auch die Option, einfach nur den Sockelbetrag für € 62,50 zu nutzen, den jeder sowie-so bezahlen muss, und dafür den ge-samten MVV zwischen 18 und 6 Uhr zu nutzen!

Basil: Ja, das lohnt sich in meinen Augen auch für Innenstadt-Studieren-de. Wenn ich persönlich mir kein Mo-natsticket kaufen würde, wäre alleine die Anzahl an Fahrten beim Feiernge-hen ausreichend, um durch den So-ckelbetrag abgedeckt zu werden.

Chemist: So geht es mir auch. Nun noch einmal zurück zum HoPo-Refe-rat: Wie seid Ihr denn momentan auf-gegliedert? Welche Aufgabenbereiche gibt es bei Euch?

Basil: Zunächst einmal ist die hoch-schulpolitische Arbeit, die an der Fa-kultät direkt geleistet wird, eher gering im Vergleich zu dem, was vom AStA umgesetzt wird. An der Fakultät schau-en wir hauptsächlich, dass alle Gremi-en und Ausschüsse, welche studenti-sches Mitspracherecht erlauben, auch studentische Beisitzer haben und best-

möglich besetzt werden. Dazu gehören Fakultätsrat, Berufungen, ...

Chemist: ... der QM-Zirkel...Basil: ... ja, der QM-Zirkel, dessen

Einführung momentan noch im Raum steht, aber vor allem auch die Studi-engangskommissionen, deren Beset-zung unter Umständen sehr wichtig sein kann, insbesondere wenn größe-re Veränderungen anstehen. Weiter-hin gehört der Fachschaftenrat dazu, in welchem Vertreter aller TUM-Fach-schaften sich vernetzen, anstehende Beschlüsse besprechen und gemein-same Entscheidungen treffen. Und zu guter Letzt gilt es natürlich den all-jährlichen Wahlkampf zu den Hoch-schulwahlen zu organisieren.

Chemist: Bei diesen vielen Aufga-ben sollte es Einsteigern bei Euch ja nicht schwer fallen, passende Aufga-ben für sich zu finden.

Basil: Richtig, aber den besten Ein-stieg findet man, indem man auf die Fachschaftssitzungen kommt, dort mithört und mitdiskutiert oder ein-fach, indem man sich an aktive Mit-glieder aus dem Referat, zum Beispiel die FR-Vertreter Nora Weiner oder Gloria Hong, an die FSR-Vertreter Max oder Johannes oder eben einfach an mich wendet und nachfragt. Außer-

dem gibt es viele in der Fachschaft, die früher hochschulpolitisch aktiv wa-ren und mit denen man sich darüber unterhalten kann. Falls man übrigens nach einer Projektarbeit, also einem eingegrenzten Aufgabenfeld, sucht, sollte man sich direkt an den AStA wenden.

Chemist: Als Randbemerkung: Der AStA sucht immer neue aktive Mithel-fer und weist engagierte Neulinge ger-ne ein. Nun zum Schluss noch eine Frage: In internen Fachschaftszirkeln wird hinter vorgehaltener Hand gesagt, dass Du durch Deine langjährige Ar-beit im HoPo-Referat Kontakt zum le-gendären HoPo-Man aufbauen konn-test – stimmt das, und wenn ja, was muss man tun, wenn man dringend seine Hilfe in einer wichtigen großen Fragestellung zur studentischen Hoch-schulpolitik braucht?

Basil: Ja, dieser sehr unbekann-te Hochschulakt i -vist taucht immer wie-der überraschend auf und setzt sich nahe-zu kämpferisch für die hochschulpolitischen Interessen der Studie-renden der Chemie-Fa-kultät ein. Wer seine Hilfe dringend braucht, muss einfach nur einen rosa Zettel in das Ho-Po-Fach der Fachschaft legen – dann ist HoPo-Man schon unterwegs!

Chemist: Vielen Dank für Deine Hil-fe zur Kontaktaufnah-me mit HoPo-Man und ebenso für das Ge-spräch.

Der mysteriöse Hopo-Man Foto: Unbekannt.

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Praktikum im Venedig von EnglandVF

Zu Beginn meines Masters ent-schloss ich mich dazu, während des dritten Mastersemesters ein Urlaubs-semester einzulegen, um ein dreimo-natiges Praktikum in Großbritannien zu absolvieren. Durch Zufall wurde ich bei meiner Suche nach einem Prakti-kumsplatz auf eine Arbeitsgruppe am Department of Medicine der Universi-ty of Cambridge aufmerksam, die sich ausschließlich mit Durchflusszytomet-rie und Fluoreszenz aktivierter Zellsor-tierung (FACS) beschäftigt. Da ich diese Techniken gerne erlernen woll-te, bewarb ich mich bei der Gruppen-leiterin per E-Mail um einen Prakti-kumsplatz und bekam bald darauf eine Zusage.

Etwas schwierig gestaltete es sich, in Cambridge eine Unterkunft für drei Monate zu finden, da Wohnun-gen, Zimmer in WGs sowie Plätze im Studentenwohnheim meist für min-destens sechs Monate oder gar ein Jahr vergeben wurden. Zudem traf der Beginn meines Praktikums mit dem

Beginn des neuen Studienjahrs und damit des ersten Trimesters zusam-men, so dass auch viele neue Studen-ten nach einer Unterkunft suchten. Schließlich bekam ich eine Zusage für ein möbliertes Zimmer am Stadtrand bei einer Frau und ihrem zehnjährigen Sohn. Ich hätte zwar eigentlich gerne mit anderen Studenten zusammen ge-wohnt, um mehr Leute in meinem Al-ter kennen zu lernen, aber auch das Zusammenleben mit der Familie war sehr nett und wir verstanden uns sehr gut. Da ich die Vorweihnachtszeit in Cambridge verbrachte, hatte ich zu-dem die Gelegenheit, Weihnachts-bräuche in einer britischen Familie kennen zu lernen. Beispielsweise ist das Verschicken und Erhalten von Weihnachtskarten in England von äu-ßerst großer Bedeutung. So wurden alle Weihnachtskarten, die die Fami-lie erhielt, auf einer Kommode aus-gestellt. Über die gesamte Adventszeit häuften sich dort mindestens fünfzig Karten an.

Ziel meines Praktikums in Eng-land war es, die Techniken FACS und Durchflusszytometrie zu erler-nen. Die Arbeitsgruppe hatte selbst keine Forschungsprojekte, sondern führte Zellsortierungsexperimente für Forscher durch, wartete die Durch-flusszytometer und gab Einführungs-kurse für neue Nutzer der Durch-flusszytometer. Zunächst lernte ich, Analysen mithilfe eines Durchflusszy-tometers durchzuführen, um schließ-lich auch Einführungskurse für neue

Nutzer zu übernehmen. Spä-ter führte ich eigenständig Zellsortierungsexperimente durch und wartete die Ge-räte.

Cambridge selbst ist eine wunderschöne kleine Stadt mit etwa 124.000 Einwoh-nern, von denen ca. 24.500 Studenten sind. Das Stadt-bild wird stark durch die Uni-versity of Cambridge und ihre zugehörigen insgesamt 31 Colleges geprägt, die über die ganze Stadt verteilt lie-gen. Wegen der 23 Brücken über den Fluss Cam wird Cambridge auch als „Venedig von England“ bezeichnet. Die Rückseite einiger der schöns-ten Colleges und die zugehö-rigen Gärten kann man vom Wasser aus beim „Punting“ (Stechkahn fahren) beson-ders gut bewundern.

Cambridge hat aber noch viel mehr zu bieten als sei-ne berühmte Universität, es gibt natürlich auch zahlrei-che Pubs, Kinos, Museen und Seufzerbrücke im St. John‘s College, Cambridge. Foto: Verena Fink.

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Theater. Unter der Woche ging ich ge-legentlich zusammen mit meinen Ar-beitskollegen nach der Arbeit in ein nahe gelegenes Pub, zu Veranstaltun-gen in der Innenstadt, ins Kino oder ins nahegelegene Fitnessstudio. In der Weihnachtszeit sowie zu Feierta-gen und speziellen Festen wie der Guy Fawkes Night am 5. November gibt es häufig Veranstaltungen in der In-nenstadt, die zu besuchen sich auf je-den Fall lohnt. Guy Fawkes und seine Mitverschwörer versuchten am 5. No-vember 1605 König Jakob I, seine Fa-milie und alle Parlamentarier durch ein Sprengstoff-Attentat auf das Par-lament im Palast von Westminster in London zu töten. Im Gedenken an das Scheitern des „Gunpowder Plot“ wird jedes Jahr bei einem Fest am 5. No-vember eine Puppe von Guy Fawkes verbrannt und ein Feuerwerk entzün-det.

Da ich an den Wochenenden frei hatte, hatte ich während der drei Mo-nate ausreichend Zeit, um Cambridge und auch andere Teile Englands zu er-kunden. Ich fand ein Reiseunterneh-men, das an Samstagen und Sonn-tagen eintägige Ausflüge anbot. Mit dieser Firma fuhr ich nach Stone-henge, Bath, Windsor, Oxford, Brigh-ton sowie zum Beachy Head. Dabei lernte ich die unterschiedlichen Sei-ten des Landes kennen und traf Leu-te aus anderen Ländern, von denen viele beruflich oder zum Studium ei-nige Zeit in Cambridge verbrachten. Mit dem Zug machte ich Tagesausflü-

ge in näher gelegene Städte wie Ely und Norwich oder fuhr für ein gan-zes Wochenende in größere Städte wie York und London, um diese auf eige-ne Faust zu besichtigen. An einem Wo-chenende besuchte ich eine Freun-din in Birmingham, ein paar Wochen später spielte ich dann für sie und ein paar andere Erasmus-Studenten aus Birmingham die Stadtführerin in Cambridge. Somit war ich fast an je-dem Wochenende in England unter-wegs und hatte ausreichend Möglich-keiten, England zu erforschen, obwohl ich keine Urlaubstage hatte. Wenn ich noch länger dort geblieben wäre, hät-

te ich sicher einmal ein verlängertes Wochenende in Schottland oder Wales verbracht.

Insgesamt waren das Praktikum und die Zeit in Cambridge eine große Be-reicherung für mich. Auch wenn ich durch dieses Praktikum keine ECTS für meinen Master einbringen konn-te, bin ich sehr froh darüber, dass ich mich dazu entschied, es zu absolvie-ren. Ich kann jedem, dem die Möglich-keit offensteht für einige Zeit ins Aus-land zu gehen, nur empfehlen, diese Chance zu nutzen!

Ely Cathedral in Ely, eine kleine Stadt in der Nähe von Cambridge. Foto: Verena Fink.

In 60 SekundenBE

Dozenten erklären persönlich in kompakten 60 Sekunden ihre aktuelle Forschungsarbeit. Diesmal stellt Prof. Lukas Hintermann die Projekte seiner Arbeitsgruppe vor.

„Wir sind im Bereich der syntheti-schen organischen Chemie tätig – mit dem Schwerpunkt katalytische Syn-theseverfahren. Die Synthesechemie stellt Stoffe für alle möglichen Alltags-anwendungen bereit, ist aber auch ein Werkzeug der Grundlagenforschung. Die ideale organische Synthese ermög-licht den effizienten und nachhaltigen Zugang zu beliebigen Stoffen. Wichti-

ger Schlüssel dazu ist die Katalyse als Technik der Reaktionskontrolle. Im Einklang damit entwickeln wir allge-mein anwendbare neue katalytische Syntheseverfahren und testen die Leis-tungsfähigkeit solcher Verfahren, in-dem wir Moleküle herstellen, die für Projekte der Grundlagenforschung von Interesse sind.“

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Wie viel verdiene ich in der Promotion SN & YD

Nachgefragt

Eine zentrale Frage auf der Suche nach einer Promotionsstelle ist ne-ben dem wissenschaftlichen Thema und dem passenden Doktorvater ist das Gehalt. Dabei gibt es erheblich Unterschiede zwischen den einzel-nen Lehrstühlen. Die Deutsche For-schungsgesellschaft (DFG) empfiehlt eine 65 % Stelle basierend auf der Ent-geltgruppe 13 des Tarifvertrags des öf-fentlichen Dienstes (E13 TV-L). Das entspricht einem monatlichen Netto-Gehalt von 1512 Euro (inkl. Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenver-sicherung). Mit Berücksichtigung der Arbeitserfahrung kann dieser Betrag nach oben korrigiert werden (höhere Stufe innerhalb von E13 TV-L).

Dennoch halten sich nicht alle Lehrstühle und Fachgruppen an die Empfehlung. Einige zahlen ihren Dok-

toranden lediglich eine 50%-Stel-le, welche 1223 Euro im Monat ent-spricht. Die restlichen 15% werden zurückgehalten, um Geräte und Ma-terialien anzuschaffen – je nach Geld-geber können Personalkosten in Mate-rialausgaben umgeschrieben werden.

Ein anderes Spar-Modell der Pro-motionsfinanzierung ist ein gestuftes Aufbaumodell, bei dem sich das Ge-halt nach der Phase der Promotion und wissenschaftlichen Publikationen richtet. Dabei startet man in der Re-gel mit einer 50%-Stelle, die am Ende der Promotion auf eine 65%-Stelle er-weitert wird.

Manche Promotionen werden durch Stipendien finanziert. Stiftun-gen oder auch Unternehmen fördern Doktoranden je nach Themenbereich und Leistung. Akademisch betrachtet bringt ein Stipendium Vorteile, z.B. ein Netzwerk und Prestige. Finanziell ist es jedoch oft von Nachteil, da man zu-sätzlich eine freiwillige Krankenversi-cherung abschließen muss. Außerdem zahlt man keine Sozialabgaben und ist somit nicht in das Sozialsystem integ-riert. Das ist der Grund, weshalb die Max-Plank Gesellschaft mit ihrer Um-

stellung zugunsten von Förderverträ-gen, welche einer festen Einstellung ähnlich sind, sich gerne in eine Vorrei-terrolle begeben hat.

Es empfiehlt sich also, bei der Su-che nach einer Promotionsstelle ein wachsames Auge auf die Vergütung zu haben. Die Lage in Deutschland hat sich zwar in den letzten Jahren verbes-sert, dennoch bleibt sie im internatio-nalen Vergleich mit Ländern mit einer ähnlichen Promotionsstruktur (Skan-dinavien, Schweiz) deutlich zurück. Damit junge Nachwuchswissenschaft-ler Deutschland und insbesondere die TUM weiterhin als attraktives For-schungsumfeld betrachten, muss sich das dringend ändern.

Become a part of “Chemist”!

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„Baustelle nicht betreten!“ – ist überall auf dem Campus Garching zu lesen. Bauzäune, Zementsäcke, Dixi- Klos und Baukräne (wir zählten 7) ge-hören schon längst zum studentischen Alltag. Ob vor dem Chemiegebäude, neben der U-Bahn oder hinter dem Katalyse-Zentrum: Überall wird gegra-ben und gebaut. Wir haben uns zwi-schen Metallstreben und Zementblö-cken umgeschaut und fassen für euch die wichtigsten Baumaßnahmen am Campus Garching zusammen.

Die wohl größte Baustelle am For-schungsgelände ist das Großprojekt Galileo. Die „Neue Mitte“ soll mehre-re Büroeinheiten für hochrangige Ins-titute beherbergen, darunter die Mu-nich School of Engineering und das Munich Center for Technology and Society. Kernstück von Galileo stellt ein Kongresszentrum dar. Bis zu 1300 Teilnehmer finden hier für Konferen-zen und kulturelle Veranstaltungen wie zum Beispiel Kino oder Theater Platz. Für internationale Gäste und Gastwissenschaftler steht ein Gäste-haus – oder wer es edler mag – ein 4-Sterne-Hotel zur Verfügung. Um ein Studentenleben am Campus zu er-möglichen, soll „Garchosibirsk“ durch Restaurants, Supermärkte, ein Fit-nesscenter und diverse Dienstleister belebt werden. Bis Anfang 2017 hält der Baulärm definitiv noch an. Doch dafür kann man sich hoffentlich nach der Vorlesung in einer Saftbar oder zum Eisessen verabreden.

Nur wenige hundert Meter weiter sind Bauzäune vor dem Chemiegebäu-de aufgebaut. Im Gegensatz zu dem

ewigen Sorgenkind Katalyse Zentrum nimmt hier das zukünftige Zentrum für Energie und Information (ZEI) bereits Gestalt an. Seit der Grundsteinlegung im Juli 2015 kann man jetzt schon den Rohbau begutachten. Anfang 2017 sollen auf drei Etagen Nachwuchsfor-schergruppen, der Lehrstuhl für er-neuerbare und nachhaltige Energie-systeme, eine Simulationshalle und Labore für Photovoltaik- sowie Bat-terieforschung untergebracht wer-den. Das ZEI ist als Teil der Munich School of Engineering geplant und soll so Energie- und Informationstech-nik miteinander verknüpfen. Das vom Wissenschaftsministerium geförderte Projekt beläuft sich auf ca. 17 Millio-nen Euro.

Im nördlichen Abschnitt der Bolz-mannstraße wird derzeit ein Versor-gungskanal gebaut. Dieser ist der

Grund für die Sperrung der beiden Straßen Ernst-Otto-Fischer-Straße sowie Am Coulombwall. Der Versor-gungskanal gehört zur Erschließungs-maßnahme für die kommenden Neu-bauten der Mensa und des Center for Advanced Laser Applications (CALA).

Natürlich gibt es noch viele weite-re Baustellen, auf die wir nicht einge-gangen sind. Als Beispiel wäre ein For-schungsbau von Siemens zu nennen. Mindestens bis 2017 muss man sich noch vor herunterstürzenden Dachzie-geln und Baumaterialien in Acht neh-men. Hoffentlich gehören Baukräne, Bagger, Umleitungen und der einher-gehende Lärm danach nicht mehr zum täglichen Leben auf dem Gelände und „Garchosibirsk“ wird seine Metamor-phose zum lebendigen Campus vollzo-gen haben.

Der Campus - Eine ewige Baulandschaft ML & YD

Vor dem Chemiegebäude entsteht das zukünftige Zentrum für Energie und Information. Foto: Moritz Ludwig.

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Ohne sie geht in den Grund-praktika nichts: Richard Wet-zel, Anika Kwiatkowski und Thomy Vollmer bereiten je-des Semester die Versuche für Hunderte von Studenten vor. Der „Chemist“ setzt seine Rei-he an Interviews bekannter Persönlichkeiten an der Fakul-tät fort und hat sich für diese Ausgabe mit der Praktikums-vorbereitung getroffen.

Chemist: Jeder Student kennt euch aus den Grund-praktika im Bachelor-Studi-um. Welche Vorbereitungen fallen unter Eure Aufgaben?

Richard: Für die meisten Praktika, ob Erst-, Zweit- oder Drittsemester und CIW, sind wir zuständig. Im Winterse-mester sind es nur für das ers-te Semester etwa 360 Studen-ten, im März kommen noch bis zu 100 CIW-ler dazu. Wir machen die Ein-teilung im Praktikumsportal, also die Platz- und Gruppenzuordnung und be-reiten das Curriculum vor. Dann ma-chen wir die Bestellungen rund ums Praktikum: Angebote für Chemikalien einholen, Geräte anschaffen. Das sind meine Aufgaben. Die Lösungen her-stellen und die Platzabnahme machen wir zu zweit [zeigt auf Thomy].

Thomy: Ich stelle die Lösungen her und bestimme den Titer dafür, damit wir den Sollwert liefern können. Auch andere Lösungen in der kleinen Vor-bereitung müssen verfügbar sein. Au-ßerdem übernehme ich die Verwal-tung von Spinden. Ich kontrolliere auch, dass Pumpen und andere Gerä-te in den Laboren da sind und kümme-re mich um die Entsorgung. Auch die Betreuung der Studenten gehört dazu. Häufig kommen Studenten zu uns in die Vorbereitung rein und fragen: „Wo ist der Herr Wetzel?“ Daraufhin fange ich sie ab, um Anika und Richard den Rücken frei zu halten. Die meisten Sa-chen kann ich auch klären, dadurch komme ich mit den Studenten in Kon-takt – das gefällt mir gut. Viele kom-men panisch rein, weil sie z.B. etwas verschüttet haben und befürchten, keine Punkte zu bekommen. Dann ver-suchen wir, eine Lösung zu finden.

Richard: Deine Hilfe wird uns feh-len, wenn Deine Stelle gekürzt wird. Durch ihn können wir konzentrierter an unseren Aufgaben arbeiten und wer-den weniger unterbrochen – irgendwas ist immer los. Die Kürzung von Tho-mys Stelle wird auch ein Nachteil für die Studierenden, denn die Arbeit wird nicht weniger für uns. Notfalls müs-sen wir Studenten wieder wegschicken oder Termine ausmachen. Ein weiteres Problem ist der Wegfall von Dr. Tho-mas Wagners Stelle. Er koordiniert die AC-Praktika von Lehrämtlern, stimmt diese auf den Studienplan der Lehr-amtsstudiengänge ab und sorgt für ei-nen reibungslosen Ablauf der Praktika. Neben seinen eigentlichen Aufgaben unterstützt er uns stark, indem er uns bei fortgeschrittenen chemischen Fra-gestellungen berät und beim Aufbau von Praktika und bei den Platzabnah-men hilft, wenn Not am Mann ist.

Chemist: Wie seid ihr angestellt? Über die Fakultät?

Richard: Ja, Anika und ich sind aus Studienzuschüssen angestellt, die Stel-len wurden inzwischen auch verstetigt. Thomy und Dr. Thomas Wagner sind auf befristeten Stellen angestellt. Wir gehören zwar prinzipiell zur Fakultät, sind aber dem Studiendekanat unter-stellt; der amtierende Studiendekan ist unser Chef.

Chemist: Man sieht Euch auch im-mer wieder in Vorlesungen.

Anika: Das gehört zu meinen Aufga-ben. Ich bin zu ¾ für Vorbereitungen für Vorlesungen und ¼ für Praktika eingestellt. Dazu gehören die Experi-mentalvorlesungen im Winter für Erst-semester. Im Sommer betreue ich die Experimentalvorlesung CIW/ TUM BWL und die der Physiker. Wir hel-fen darüber hinaus regelmäßig bei Ver-anstaltungen wie dem Tag der offe-nen Tür, bei Schülertagen, dem „Girl’s Day“ oder dem Schnupper-Studium. Diese Aufgaben machen an sich viel Spaß, sind aber auch aufwändig – ins-besondere das Aufräumen und Vor-bereiten. Das vergessen viele Studen-ten und manche Kollegen. Es benötigt auch Erfahrung, damit die Versuche zuverlässig funktionieren – man weiß, was sich bewährt hat.

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Hüter der PraktikaML & SN

Die zentrale Praktikumsvorbereitung der Fakultät Chemie: Thomy Vollmer, Richard Wetzel, Anika Kwiat-kowski (von links nach rechts). Foto: Simon Nadal.

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Richard: Es ist auch ein Problem für uns, wenn Praktika umgestellt wer-den und Versuchsvorschriften aus Zeit-mangel nicht geändert werden könn-ten und/oder noch alte Vorschriften im Umlauf sind. Dann kann es vorkom-men, dass die Versuche nicht klappen. Das ist dann für alle ärgerlich.

Anika: Deshalb hatten wir die Idee, einen zentralen Versuche-Pool anzule-gen – einschließlich der Versuchsvor-schriften. Mit dem Wegfall der Stel-len von Thomy und Thomas weiß ich aber nicht, ob wir die Zeit dafür fin-den werden.

Chemist: Fallen auf Euch auch Aufgaben über die Unterstützung bei Praktika und Vorlesungen hinaus?

Anika: Wir kriegen auch externe An-fragen. Wir sind so etwas wie die zent-rale Ansprechstation der Fakultät Che-mie. Vor ein paar Monaten war ein Maschinenbaustudent hier. Er woll-te irgendwas mit H2S testen. Da ha-ben wir uns Gedanken gemacht, wie man das umsetzen kann. Für Physiker haben wir auch Brechungsindexe von Salzlösungen gemessen.

Richard: Einmal war eine Studen-tin da, die Akrobatik macht. Sie woll-te für ihren Auftritt etwas, was raucht und farbig ist.

Anika: Da hatten wir eine beratende Funktion. Wir mussten uns überlegen, wie sie das machen kann, ohne dass wir Chemikalien besorgen. Also Rohr-reiniger als Lauge verwenden oder To-nic Water für phosphoreszierende Lö-sungen.

Richard: Die Fragestellungen von außerhalb sind recht interessant. Ein-mal hat jemand wegen eines Wärme-kissens aus Magnesium und Säure nachgefragt. Wir haben ihm von dieser Idee abgeraten, das wäre zu gefährlich. Dr. Thomas Wagner hatte noch eine Anfrage von Galileo. Gerade bei diesen externen Anfragen ist es für uns sehr hilfreich, einen erfahrenen Chemiker zur Seite zu haben.

Chemist: Koordiniert ihr über die-se Anfragen hinaus viel auf Ebene der Fakultät?

Richard: Wir werden eingebunden, wenn es um die Verteilung von Gel-dern geht. In einem Gremium sind die Praktikumsleiter der verschiedenen Bereiche anwesend, auch ich werde dazu eingeladen. Dort kann dann je-der seine Wünsche äußern, über die dann diskutiert wird. Dass man den

Techniker mit einbindet, finde ich sehr gut und auch nicht selbstverständlich. Das zähle ich als Anerkennung unse-rer Arbeit.

Thomy: Du weißt einfach, was ge-braucht wird.

Richard: Deshalb habe ich auch angefangen, Anträge für Studienzu-schüsse zu schreiben. Dadurch konn-ten wir die Probenabfüllung automa-tisieren, früher wurde alles per Hand gemacht. Das ist für uns eine deutli-che Arbeitserleichterung.

Chemist: Wie kann man sich das vorstellen?

Richard: Das ist ein Automat, ein Probenwechsler. Wir haben das mit ei-nem Barcode-System kombiniert. Es ist einfach praktisch, ich scanne alles ein und stelle die nötigen Gefäße in ein Gestell. Der Automat füllt alles ab – vor allem die flüssigen Analyten für die Studenten. Meistens geht es dabei um 130 – 140 Proben diverser Lösun-gen. In der Zwischenzeit können wir unsere anderen Arbeiten erledigen. Das ist eine der wichtigsten Investi-tionen gewesen. Früher standen wir für solche Aufgaben teilweise bis um 9 Uhr abends noch im Labor.

Anika: Auch kleine Sachen wie der Transportwagen, um die Sachen von der Chemie in den Maschinenbau zu transportieren und nicht mehr schlep-pen zu müssen, haben wir über Anträ-ge für Studienzuschüsse bekommen. Das erleichtert den Alltag.

Richard: Mittlerweile haben wir auch Geräte für die Analytik erhalten, wie Titratoren oder Geräte für die Io-nenchromatographie. Diese dürfen auch fortgeschrittene Studierende, z.B. in der Bachelorarbeit verwenden. Da helfen wir gerne.

Chemist: Richard, welche Ausbil-dung hast Du gemacht und wie bist Du an die TUM gekommen?

Richard: Ich bin CTA. Ich habe zuerst bei 3M ESPE gearbeitet. Die Firma stellt Dentalprodukte her, also

Zahnfüllungen, Abformmassen und ähnliche Sachen. Dort war ich im Qua-litätsmanagement-Labor tätig. Das war vor allem Analytik. Übergangs-weise habe ich eine Urlaubsvertretung im Kraftwerk Nord gemacht. Es war eine interessante Erfahrung, in einem Kraftwerk zu arbeiten. Dann habe ich die Stelle an der TUM gesehen. Ei-gentlich ist das schon witzig gewesen, denn es war das kürzeste Bewerbungs-gespräch, das ich in meinem Leben hatte. Es hat sich herausgestellt, dass ich für die Stelle eigentlich überqua-lifiziert bin [lacht]. Ich dachte schon, dass die Sache erledigt ist. Dann habe ich einen Anruf bekommen, ich wür-de die Stelle bekommen, wenn ich sie noch will. Da habe ich gleich zugesagt.

Chemist: Ist Dir die Umstellung von der Industrie an die Uni leicht ge-fallen?

Richard: Am Anfang habe ich schon meine alte Stelle vermisst, weil sie so vielfältig im Bereich Analytik war. Aber es kamen auch neue Aufga-ben auf mich zu, wie die Automatisie-rung der Probenabfüllung.

Chemist: Wie lange bist Du schon an der TUM?

Richard: Seit 2008. Ich war der ers-te meiner Art [lacht]. In darauffolgen-den Jahren hat es viel Wechsel gege-ben, z.B. hat ein Kollege von mir selbst ein Studium aufgenommen. Anika ist seit 2012 bei uns.

Chemist: Anika, bist Du auch CTA?Anika: Ja, ich habe 2010 meine Aus-

bildung angefangen, war zuerst in der Nähe von Aachen auf einer Berufs-fachschule und habe dann nach ein paar Monaten auf ein Berufskolleg in Köln gewechselt, gleich ins zwei-te Lehrjahr. Dadurch war ich mit der Ausbildung im Frühjahr 2012 auch schon fertig. Ich hatte auch nicht ge-plant, nach München zu gekommen. Das gebe ich ganz ehrlich zu.

Richard: Sie haben dich hier an-genommen, dummerweise [beide la-chen].

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Anika: In NRW gab es wenig Stel-len, die meisten waren auch im Be-reich Biochemie und das ist nicht ganz meine Richtung. Analytik war eher mein Ding. Mir fehlt die Analytik tat-sächlich auch ein bisschen, muss ich ganz ehrlich zugeben. Das Abfüllen von Flaschen usw. ist ja nicht das, was man gelernt hat. Man hat eine Ausbil-dung hinter sich.

Chemist: Hat sich an der Arbeit mit den Studenten seit früher etwas geän-dert?

Richard: Mittlerweile kann ich die Leute nicht mehr einordnen. Früher wusste ich ihre Namen und sogar ihre Laborplatznummern. Mit den immer größer werdenden Gruppen und der immer weniger werdenden Zeit hat das aufgehört. Ich habe mich nur noch mit Angeboten und Beschaffungen für Praktika beschäftigt. Leider komme ich nicht mehr so oft zu den Studenten ins Praktikum.

Anika: Man will den Studenten ja eigentlich helfen, aber als Einzelner bei 160 Mann ist es kaum möglich, insbesondere, wenn man noch andere Aufgaben hat.

Richard: Ich erinnere mich noch an den Anfang… Man kennt das ja selbst aus der Ausbildung. Wenn ein Versuch nicht funktioniert hat, pro-biert man ihn nochmal, versucht einen anderen Weg, fragt nach Hilfe oder Nachsubstanz. Wenn wir das bei ei-nem Studenten machen, müssten wir das eigentlich bei allen machen und

haben auf einmal 100 Leute vor der Türe stehen, die fragen: “Könnten wir doch nochmal…?“. Das ist etwas, was ich am Anfang auch lernen musste – „Nein“ sagen zu können.

Chemist: Sicherlich ist die Arbeit mit den Studenten nicht immer ein-fach. Über was ärgert man sich?

Anika: Manche kommen mit der Einstellung: „Ich gehe jetzt ins Labor und weiß eigentlich schon alles!“ Zum Glück sind es nur wenige, die behaup-ten, sie wüssten es besser. Ich denke mir dann immer: Nein, ich habe das gelernt und stehe schon eine länge-re Zeit im Labor. Die Studenten be-schweren sich über zwei Tage Wasser wiegen, das macht man in der Ausbil-dung ein paar Wochen.

Richard: Es kommen auch Kom-mentare wie: „Muss ich im Labor wirk-lich so viel stehen, kann man keine Stühle aufstellen? Warum muss ich überhaupt ins Labor, nach meiner Promotion stehe ich da sowieso nicht mehr.“

Anika: Das geht nicht! Als Chef muss man doch seinen Mitarbeitern sagen können, was sie tun sollen oder zumindest wissen, was sie tun. Einige kommen hierher und erwarten ihren Doktor serviert zu bekommen, ohne et-was zu tun. Das sind – wie gesagt – nur Einzelbeispiele.

Richard: Man muss sagen: Jeder Professor hat auch mal titriert. Das macht man seit 100 Jahren so und das wird man wohl in 100 Jahren im-mer noch so machen. Das Grundhand-werkszeug muss gelernt werden. Die Versuche im Quali-Praktikum gehören auch dazu, auch wenn heutzutage in der Industrie nur noch Wenige Nach-weise auf diese Art und Weise machen. Es geht ja darum zu verstehen, wie die Chemie dahinter funktioniert.

Chemist: Ihr habt uns schon viel Spannendes aus eurem Beruf erzählt. Was gefällt euch an eurem Job am meisten?

Richard: Das Schöne an unseren Stellen hier ist, dass wir frei arbeiten

können. Wir machen vieles in Selbst-verwaltung und das macht Spaß. Das Zweite, was mir gefällt, ist das Zwi-schenmenschliche. Ob es die Fach-schafts-Weihnachtsfeier ist oder das Sommerfest, man hockt sich zusam-men und unterhält sich mit den Leu-ten auch außerhalb des Praktikums.

Anika: Es ist auch total spannend zu erfahren, warum die Menschen dieses Studium machen oder warum sie auf-hören. Hierher kommen nicht nur fri-sche Schulabgänger. Viele hatten vor-her eine Ausbildung. Das merkt man ihnen dann auch an. Sie bringen eine gewisse Ruhe ins Praktikum. Wir hat-ten auch schon Leute mit ganz ver-schiedenen Hintergründen und Ab-schlüssen.

Chemist: Was war das lustigste Missgeschick im Labor bisher?

Anika: Wir wollten sie alle mal auf-schreiben! Man könnte damit Bücher füllen. Da gibt es so viele, die in den Situationen einfach komisch sind.

Richard: Eine Assistentin hat ein-mal eine Studentin geschickt, um zu fragen, welches Wasser wir für den In-dikator hergenommen haben – das ba-sische oder das saure.

Thomy: Jemand hat mal seinen Tie-gel mit der Zange aus dem Muffel-ofen geholt. Leider ist er an 12 ande-ren hängen geblieben. Seiner war zwar heil, aber die anderen waren stinksau-er.

Anika: Einmal hat der Gashahn ge-brannt. Und eine Assistentin ist mit dem Feuerlöscher hin und wollte das Feuer löschen. Zum Glück war ein an-derer Assistent schneller und hat das Gas abgestellt.

Chemist: Welches Stück im Labor geht am häufigsten kaputt?

Anika: Die Porzellan-Filtertiegel fal-len gerne runter. Vor allem, wenn sie aus dem heißen Muffelofen kommen.

Richard: Viel bekommen wir nicht mit. Bei der Platzabgabe muss schließ-lich alles vollständig sein [lacht].

Chemist: Danke für das Interview.

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Ein Lehramtler unter ProfessorenBE & MWP

Im Visier

Zu Beginn des Studiums konnte sich Thomas Fässler nicht entschei-den, ob er eher zu den Philosophen oder Naturwissenschaftlern gehören wollte. Nach einer Zeit in Städten wie Heidelberg, Chicago und Zürich, ist er seit 2003 an der TUM. Die Wahl für die Naturwissenschaft war eindeutig richtig.

Chemist: Sie haben Mathe und Chemie studiert. War Mathe ein Ne-benfach oder war das im Rahmen ei-nes Lehramtstudiums?

Prof. Fässler: Ich habe das mit dem Abschluss Staatsexamen studiert, also praktisch als Lehramtsstudium. Das waren mehr oder weniger zwei vollwertige Studien.

Chemist: Was genau hat Sie dann dazu bewogen, nicht Lehrer zu wer-den, sondern den akademischen Weg fortzuführen?

Prof. Fässler: Die Fächer Ma-thematik und Chemie haben mich schon immer interessiert. Zum einen interessierten mich ganz grundlegen-de Fragestellungen wie z. B. Logik, zum anderen die Naturwissenschaft mit Praxisbezug. Zu Beginn des Stu-diums konnte ich mich einfach nicht entscheiden. Aber es gab diese Fächer-kombination und klar, der Lehrerberuf war auch spannend. Ich war damals der einzige Student in Konstanz, der die-se Kombination stu-diert hat. Es gab kei-nen abgestimmten Stundenplan und es galt als unstudierbar. Aber ich hab mich durchgeboxt, weil mich einfach beides interessiert hat. Und während des Studi-ums hab ich dann festgestellt, dass ich Lust an der Labor-arbeit habe, so dass sich dann Chemie zu meinem Schwer-punkt entwickelte.

Chemist: Sie ha-ben also kein Refe-rendariat gemacht?

Prof. Fässler: Nein, das ers-te Staatsexamen ist ja vergleichbar mit dem Diplom, also mit dem Mas-ter heute. Das Staatsexamen ist ein Hochschulabschluss, mit dem man natürlich promovieren kann und es gab keinen Grund, auch das Diplom zu machen. In Konstanz hatte ich den Vorteil, dass es keinen eigenen Stu-diengang für das Staatsexamen gab, das heißt, man war immer unter den Diplomstudierenden, so dass auch die Professoren nicht unterscheiden konnten, wer in diesen Studiengängen was studiert. Um das nochmal zusam-menzufassen: Ich bin dann direkt nach dem Staatsexamen in die Promotion eingestiegen.

Chemist: Sind Sie dann auch aus Konstanz?

Prof. Fässler: Ich habe in Kons-tanz studiert, komme aber aus Ober-schwaben.

Chemist: Wo genau in Oberschwa-ben liegt ihr Heimatort?

Prof. Fässler: Der Ort heißt Bad Waldsee und liegt so zwischen Ulm und dem Bodensee auf halber Strecke. Gehört zum Kreis Ravensburg, das kennt man vielleicht von den Ravens-burger Spielen.

Chemist: Was vermissen Sie an Ih-rem Heimatsort am meisten?

Prof. Fässler: Nichts. Also erstmal ist die Landschaft sehr ähnlich zu die-sem Teil in Bayern. Mir gefällt die Vor-alpenlandschaft sehr gut. Außerdem ist München eine viel größere Stadt und bietet Abwechslung, von daher vermisse ich nichts.

Chemist: Und wo sind die Brezn besser?

Prof. Fässler: Die Brezn sind überall in kleinen Bäckereien am bes-ten. Solche findet man noch eher auf dem Land in Oberschwaben als in München. Leider gibt‘s hier nur noch Fertigbrezn, die nach drei Stunden hart sind und für die kann ich mich nicht begeistern. Aber wenn man gute selbstgebackene bekommt, dann sind die hier genauso gut.

Chemist: Sie waren außer in Kon-stanz noch in Heidelberg, Chicago, Zürich, Darmstadt und jetzt eben in München. Wo hat es Ihnen insgesamt

Professor Thomas Fässler, Leiter des Lehrstuhls für Anorganische Chemie. Foto: Prof. Fässler.

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am besten gefallen?Prof. Fässler: Mir hat‘s eigentlich

immer überall gut gefallen, weil ich versucht habe, das je zu meinem Le-bensmittelpunkt zu machen. Konstanz war für‘s Studium ideal. Das ist eine kleine Uni, man hatte direkten Kon-takt zu den Professoren, es war land-schaftlich mit dem See vor der Haus-türe – total schön. Das war für die Studienzeit, finde ich, der beste Ort. Zur Promotion ging ich nach Heidel-berg, das ist eine bekanntere Uni, es hat ein größeres Institut für Anorgani-sche Chemie, das fand ich sehr span-nend. Chicago, das war eine Stadt, vor der ich erstmal riesigen Respekt hatte, eine Großstadt mit zweifelhaf-tem Ruf. Die University of Chicago liegt auf der Südseite, das ist eine Ge-gend, die nicht als sicher gilt. Aber die Großstadterfahrung hat mir unheim-lich Spaß gemacht und mein Bild von Amerika total verändert. Dass die USA wenig Kultur kennt, das trifft auf die Großstädte und auf Chicago zweimal nicht zu. Ich habe mich damals nicht darum geschert, ob die University of Chicago einen guten oder schlechten Namen hat. Ich habe mich für Theo-rie – und dort war ein guter Theoreti-ker – interessiert. Der Zufall wollte es dann, dass es eine sehr renommierte Universität ist, und das hat mir dann auch nicht geschadet. Natürlich hat mir auch der Wechsel nach Zürich sehr gut gefallen, denn dort habe ich auch meine Frau kennengelernt. Die Arbeitsbedingungen zum Forschen an der ETH Zürich waren einfach fan-tastisch und auch wieder eine Stadt mit See, den Bergen in unmittelba-rer Nähe, also da habe ich mich ge-nauso wohlgefühlt wie in München. In Darmstadt war ich gleich am Lehr-stuhl und ich musste erst mal Einiges an Erfahrungen sammeln. Doch dann kam gleich nach zwei Jahren das An-gebot nach München zu wechseln, so-

dass ich jetzt vielleicht sagen würde, von den Städten habe ich von Darm-stadt am wenigsten mitgenommen.

Chemist: Wo würden Sie einen Auslandsaufenthalt empfehlen? Eher Richtung China oder USA?

Prof. Fässler: Zunächst mal möch-te ich jedem empfehlen, das zu ma-chen, was ihn total interessiert und es ist erstmal sekundär, wo das ist. Es gibt überall gute Leute. In China ist es sicher kulturell erstmal am schwie-rigsten. Wenn man China spannend findet und auch ein bisschen Chine-sisch kann, kann man sich da sicher gut einbringen. Wenn man ansonsten nur auf seine Arbeitsgruppe begrenzt ist und mit ein paar Leuten dort Eng-lisch spricht, finde ich das persönlich weniger spannend. Ansonsten kann ich nur sagen, dass das Thema interessant sein muss, denn die meiste Zeit ver-bringt man dann doch im Institut. Und wenn es dann verschiedene Möglich-keiten gibt, dann würde ich an zwei-ter Stelle auch schauen, dass es eine renommierte Universität ist, vor allem eine gute Arbeitsgruppe, in der man was lernen kann. Und an dritter Stel-le sicher auch das kulturelle Umfeld. Wenn man ins Ausland geht, sollte man neben der Wissenschaft auch et-was Kultur aus dem Land mitnehmen.

Chemist: Geht es für Sie in Zukunft noch woanders hin, gibt es eine Stadt, in der Sie unbedingt noch etwas ma-chen wollen?

Prof. Fässler: Es ist so, wenn man bereits so viel umgezogen ist und in meinem Alter ist, sieht man einen Wechsel nicht mehr so einfach. Auch meine Kinder sind in München sehr gut integriert. Zürich ist natürlich im-mer eine Option. Die ETH bleibt ein spannender Ort, was die Forschung angeht, aber eigentlich bin ich hier sehr zufrieden.

Chemist: Wie geht Ihre Familie mit den langen Arbeitszeiten eines Profes-sors um?

Prof. Fässler: Einmal die Woche versuche ich von zu Hause aus zu ar-beiten, um daheim zu sein, wenn die Kinder aus der Schule zum Essen kom-men. Es funktioniert nicht immer, aber das ist prinzipiell mein Ziel. Und am Wochenende arbeite ich möglichst nur abends. Dann ist das eigentlich gut vereinbar.

Chemist: Festkörperchemie wird

häufig als „Steinebacken“ bezeichnet. Auch ansonsten wird häufig behaup-tet, dass die organische Chemie in der Industrie wichtiger sei, als die Anor-ganik. Welche Gebiete der Anorganik sprechen gegen solche Behauptungen?

Prof. Fässler: Diese Behauptung ist falsch. Vor Allem in der Halbleiter-technik, bei Energiematerialien und der Katalyse wird im Moment in der Industrie sehr viel geforscht. Die Pro-duktion ist noch nicht so angelaufen, aber da ist ein großer Umbruch da und viele meiner Mitarbeiter haben sehr spannende Jobs angenommen.

Chemist: Also gibt es Zukunft?Prof. Fässler: Da hilft uns im Mo-

ment die Energiewende. Auch wenn ich nicht unbedingt überzeugt bin, dass es so viele Elektroautos geben wird, wie Frau Merkel angekündigt hat, gab das Programm einen unglaub-lichen Schub in der Forschung von erneuerbaren Energien. Und da ist vor allem die Materialchemie an al-len Ecken und Enden gefragt. Selbst BMW hat eine große Gruppe aufge-baut, um auf Lithiumionenbatteri-en zu forschen. Auch dort ist ein frü-herer Mitarbeiter von mir tätig. Also da sind wir in den besten Zeiten. Die-ser Sektor wächst, während bei den Großproduktionsanlagen immer wie-der diskutiert wird, ob man sie in ei-nem Ballungsraum wie Deutschland in Zukunft überhaupt erhalten kann. Bei der Herstellung von Grundchemikali-en werden viele organischen Chemiker angestellt, aber man wird sehen, was die Zukunft bringt.

Chemist: Wieso halten Sie in die-sem Jahr nicht die Vorlesung „Anorga-nische Experimentalchemie“?

Prof. Fässler: Da gibt es eine ein-fache Regel. Ich wechsle mich mit dem Lehrstuhl AC1 ab, der zurzeit durch Kollegen Kühn vertreten wird. Drei Jahre mache ich die Vorlesung, dann übernimmt sie Herr Kollege

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Kühn wieder für drei Jahre, immer zu-sammen mit dem Seminar Prinzipien und Methoden. Das ist gut so, man be-kommt etwas Abstand, macht die Vor-lesung nach drei Jahren wieder neu, überlegt sich neue Dinge, die man ein-fließen lässt, so kommt wieder frischer Wind rein.

Chemist: Die Vorlesung ist toll! Man fängt an, Chemie zu studieren und vieles ist nicht so, wie man es sich vorstellt, aber in einer Vorlesung gibt es dann doch brennende Seifenblasen.

Prof. Fässler: Klar! Manchmal denkt man sich: Oje, jetzt hab ich wie-der diese vierstündige Vorlesung, aber wenn man dann im voll besetzen Hör-saal steht und die Versuche klappen, dann macht es mir einfach Spaß. Auch wenn ich selbst oft nur noch was zün-de, flackert da meine alte Liebe zur Ex-perimentalchemie auf.

Chemist: Welcher Studententyp ist Ihnen denn am liebsten?

Prof. Fässler: Jemand, der neugie-rig ist, der mir ein Loch in den Bauch fragt, das ist mir am liebsten. Wenn ich das Gefühl habe, die Leute interessie-ren sich für etwas. Und dadurch be-

kommt man auch als Lehrer ein Feed-back, dann weiß ich, wo steh ich, was ich den Leuten beigebracht habe oder wo hat ich vielleicht auch einen Wider-spruch hervorgerufen habe. Das ist mir mit Sicherheit der liebste Typus. Ich habe auch nichts dagegen, wenn die Studenten fleißig sind und wenn man das Gefühl hat, sie warten nicht bis al-les an sie herangetragen wird, sondern erarbeiten sich die Inhalte selbst. Das freut mich – das freut einen Lehrer im-mer. Es macht auch Freude, wenn ich sehe, dass Studierende begeistert sind. Und man muss auch Biss zeigen, wenn im Praktikum manche Dinge nicht klappen oder wenn später in der For-schung ein Projekt nicht läuft. Das ist auch sehr wichtig.

Chemist: Und welcher Studen-tentyp waren Sie?

Prof. Fässler: Ich war einer, der die Professoren nach der Vorlesung immer mit Fragen gelöchert hat. Ich glaube, dass ich da manchmal eher nervig war. Außerdem war ich ein Exot in dem Sinn, dass ich zwischen Che-mie und Mathe stand und auch viel selber erarbeiten musste. Aber dieser

Freiraum hat mir auch Spaß gemacht, man konnte mich nicht so klar einord-nen. Ich hab auch mal in einem Se-mester nur politische Vorlesungen ge-hört. Ich war auch engagiert in der Fachschaft und war als Student poli-tisch aktiv.

Chemist: Uns ist aufgefallen, dass Sie in Ihrer Vorlesung öfters Bücher erwähnen. Was sind drei Bücher, die jeder Chemiestudent gelesen haben sollte?

Prof. Fässler: Die Dunkle Seite des Mondes von Martin Suter finde ich sehr spannend, weil die Haupt-person psychisch an ihre Grenze geht, das passt ja auch irgendwie zum Che-miestudium. Der Holleman Wiberg ist und bleibt das Standardwerk der Anor-ganik. Ich würde dieses Buch auch auf eine einsame Insel mitnehmen. Und Doktor Faustus von Thomas Mann ist ebenfalls ein großartiges Buch. Darin wird auch der chemische Garten, den ich im ersten Semester gerne zeige, be-schrieben: Man sieht, wie in der Anor-ganik etwas Lebendiges wachsen kann.

Chemist: Vielen Dank für Ihre Zeit.

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Wir alle planen. Sei es der Lebens-mitteleinkauf, der Urlaub oder das Monatsbudget, alles will organisiert und geplant werden. Im Studium ist Planung im Hinblick auf den erfolg-reichen Abschluss wichtig. Mein Ziel war in den letzten Jahren meines Stu-diums, viele Studienleistungen pro Se-mester zu erbringen, um so schnell wie möglich mit dem Studieren fer-tig zu werden. Ohne eine detaillier-te Planung, wäre es mir nicht möglich gewesen, mein Bachelor-Masterstu-dium Chemie letztes Wintersemester 2014/15 abzuschließen. Dadurch habe ich neun Semester für mein gesam-tes Studium gebraucht. Damit liege ich ein Semester unter der Regelstu-dienzeit. Wie bin ich vorgegangen, um mein Studium zügig durchzuführen? Für mich waren folgende Punkte maß-geblich, um voranzukommen:

1. Studienübersicht erstel-len und die eigenen Res-

sourcen beurteilen

Zuerst habe ich mir einen Überblick über meine erforderlichen Studienleis-tungen verschafft und ausführliche In-formationen eingeholt bezüglich Zeit, Ort und eventueller Voraussetzungen. Auf deren Basis habe ich meine einzel-nen Semester ausgearbeitet. Wichtig hierbei ist die Einschätzung der eige-nen zeitlichen und körperlichen Res-sourcen. Die Semesterplanung muss durchführbar sein. Den Weitblick zu

besitzen, um zukünftige Probleme be-reits im Vorfeld zu erkennen und zu berücksichtigen ist eine Fähigkeit, die ich erst im Laufe des Studiums erlernt habe. Nicht selten habe ich aus Ehr-geiz meine eigenen Ressourcen über-schätzt und mir zu viel zugemutet. Beispielsweise habe ich in einem Se-mester acht Prüfungen und zwei Prak-tika absolviert. Danach war ich zwei Wochen lang krank. Solche Ereignis-se führten zur Umgestaltung meiner Arbeitsdichte in der Semesterplanung. Ich habe gelernt, so zu planen, dass ich leistungsfähig bleibe, auch für zukünf-tige Semester.

2. Der Plan B oder die Kunst des Improvisierens

Ich hatte drei Vorgehensweisen, um meinen Zeitplan nicht zu gefährden. Zum einen habe ich die Vorlesung ei-ner Veranstaltung nicht mehr besucht und habe lediglich die Prüfung mitge-schrieben. Zum anderen habe ich die Prüfung um ein paar Wochen gescho-ben. Das ist bei uns in der Chemie möglich, da zu Beginn der Semester-ferien die reguläre Prüfung und zu de-ren Ende die Wiederholungsprüfung geschrieben wird. Als letzten Ausweg habe ich die Veranstaltung in ein an-deres Semester verlegt. Für das Impro-visieren ist es deshalb enorm wichtig, flexibel zu sein und einen Puffer in je-des geplante Semester einzubauen, der eine Veranstaltung notfalls auffangen kann. Die Methoden der Flexibilität hängen dabei stark vom Studiengang aber auch vom eigenen Ehrgeiz ab. Oft genug habe ich mich zu sehr auf einen Plan versteift und dabei meine Kräfte zu sehr erschöpft.

3. Reflexion und Validierung

Jede Planung wird hinfällig, wenn sie nicht realisierbar ist. Daher ist für mich ein wichtiger Punkt die regelmä-ßige Reflexion und Validierung meiner Studienplanung: Wo stehe ich? Bin ich dort, wo ich ursprünglich hinwollte? Was ist der nächste Schritt, um mein Berufsziel zu erreichen? Steht die bis-herige Planung im Einklang mit mei-nen Ressourcen? Deshalb habe ich meine Studienleistungen genau fest-

Episode 2: Die PlanungIF

Iris‘ Retrospektionen

Ich studiere Chemie im Master. Mein Hauptfach ist Technische Chemie und mein Neben-fach ist Katalyse. Wie ich mein Studium erfolgreich bestreite, musste ich in den vielen Semes-tern autodidaktisch erlernen. Meine Studienzeit neigt sich nun dem Ende zu und rückblickend stelle ich fest, dass es ein harter Weg bis hierher war, und zwar vor allem, weil das notwendi-ge Selbstmanagement, wie es im Neudeutschen heißt, im Studium kaum thematisiert wird. Der Erfolg im Studium hängt davon aber entscheidend ab. Seit dem Wintersemester 2013/14 nehme ich am LerntutorInnen-Programm der ProLehre Lernkompetenzförderung teil. Mein Anliegen ist es, einen Teil meiner Geschichte retrospektiv wiederzugeben, in der Hoffnung, dass meine Erfahrungen Euch Anregungen dazu geben, den Weg im Studium zu erleichtern. Schließlich müssen wir alle das Rad nicht neu erfinden.Iris, das Laborwiesel ;-)

„Über Rosen lässt sich dichten, In die Äpfel musst du beißen.“Johann Wolfgang von Goethe „Faust, Der Tragödie Zweiter Teil“, Vers 5168 f.

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gehalten, indem ich die absolvierten Veranstaltungen abgehakt habe. Das verschaffte mir einen aktuellen Über-blick, was ich hinter bzw. vor mir habe. Bei all der Planung darf der Überblick niemals verloren gehen. Ein gut ge-führter Terminkalender ist meiner An-

sicht nach hierfür unerlässlich.Manch einer mag den Eindruck ge-

wonnen haben, ich sei bis in die Haar-spitzen durchorganisiert. Aus der Sicht meines Studiums stimmt das durch-aus. Ich weiß gern, wo ich stehe und wohin ich gehe. Jedoch bin ich auch eine Person, die mal den Abwasch ver-gisst oder keinen Kaffee mehr im Haus hat. Ich plane lediglich dort, wo es in meinem Leben wichtig ist.

Was bei der Weiterentwicklung der eigenen Planungsmethoden durchaus helfen kann, sind entsprechende Kurs-angebote der ProLehre-Lernkompe-tenzförderung. Ich selbst habe dort für mich didaktisch sehr wertvolle Kurse

besucht. Bezüglich des Themas habe ich folgende Kurstipps mitzugeben:

„Überblick statt Tunnelblick – Er-folgreich und entspannt studieren mit einem Lernplan“ und „Erfolgreich ler-nen“. Beide Kurse werden auch im Wintersemester 2016/17 wieder an-geboten.

Kurstipps:Weitere Informationen und Anmel-dung zu den kostenfreien Kursen unter: www.prolehre.tum.de/learning

Hattet ihr mal wieder einen har-ten Tag an der Uni? Praktikumstag gut hinter sich gebracht? Eure Simulation ist endlich konvergiert? Ihr wollt ein-fach nur abschalten und euer verdien-tes Feierabendbier genießen? Oder ihr habt heute einen Anlass zum Feiern?

Bei uns in der C2 seid ihr an der richtigen Adresse! Hier könnt ihr auf einen erfolgreichen Tag anstoßen oder einen eher weniger erfolgreichen Tag

gut sein lassen. Wir bieten euch süffi-ge Biere und erfrischende Cocktails zu studentenfreundlichen Preisen. Auch für den kleinen und großen Hunger ist bei uns gesorgt. Eine große Auswahl an Sandwiches, Nachos und ständig wechselnde Wochengerichte stehen auf der Speisekarte.

Dabei ist unsere Cneipe komplett studentisch organisiert, von eurer Be-dienung bis zum Organisationsteam –

und das interfakultär. „Von Studenten für Alle“ ist das Motto. Selbstverständ-lich suchen wir auch immer begeister-te Unterstützung für unser Team.

Also schaut vorbei! Ihr findet uns di-rekt neben der Mensa zwischen Che-mie und Maschinenwesen, im Internet unter www.c2.tum.de und gebt uns außerdem einen Like auf Facebook!

Wir freuen uns auf euch!

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Eine tiefblaue Lösung, ein karmin-rotes Salz; Farben erfreuen das Herz eines jeden Chemikers. Auch die Ge-schichte der Chemie ist eng mit der Geschichte der Färbung verwoben. So verdankt der weltweit größte Chemie-konzern BASF seine Existenz den Far-ben: Der Name steht für „Badische Anilin- und Sodafabrik“. Warum Far-ben uns Menschen faszinieren, wie sie funktionieren und genutzt werden, er-zählt Euch der „Chemist“ in diesem Dossier.

Farben – Was seid ihr ei-gentlich?

Eigentlich scheint die Antwort ganz klar, man hat es von Kind auf gelernt: Die Tomate ist rot, die Zitrone gelb, die Wiese grün und der Schnee weiß. Das wussten doch schon unsere Groß-eltern. Von wegen! Beobachtet die vier Kästchen anbei. Die Farben des inne-ren Ringes sind gleich und doch sehen wir sie unterschiedlich. Ein anderer Versuch: Fixiert lange ein grünes Käst-chen. Dann schaut auf eine weiße Un-terlage. Sie wird dann leicht rosa er-scheinen.

Individuen nehmen Farben anders wahr, Frauen sehen die Welt oftmals bunter als Männer, diese wiederum haben ein ausgeprägteres Empfinden für Kontraste. Menschen sehen Far-ben anders als Tiere. Farbe ist eine in-dividuelle visuelle Wahrnehmung, die durch Licht hervorgerufen wird.

Heißt das nun wir können nicht mit Sicherheit beantworten, was eine Far-be ist? Nicht ganz. Physikalisch lässt sich das Phänomen Farbe einfach be-schreiben, sie entspricht einer Wellen-länge im elektromagnetischen Spekt-rum – nur unsere Wahrnehmung des Lichtes dieser definierten Wellenlänge

ist sehr persönlich. Dabei sei gesagt, dass der Mensch nur einen sehr klei-nen Bereich des elektromagnetischen Spektrums überhaupt sehen kann.

Wie kommen nun Moleküle zu ihrer Farbe? Wenn wir sagen, eine Verbin-dung sei farbig, meinen wir damit, dass sie das Licht einer Farbe (die den Pho-tonen oder Lichtteilchen eines speziel-len Wellenlängenbereichs entspricht) stärker als das Licht anderer Farben reflektiert. Eine Zitrone erscheint gelb, weil die Farbpigmente in ihrer Schale überwiegend blaues Licht absorbieren. Sie sieht deshalb gelb aus, weil nach der Absorption des blauen Lichts mehr gelbes Licht reflektiert wird. Man sagt auch, gelb ist die Komplementärfar-be zu blau.

Was bringt nun Moleküle dazu, das Licht einer bestimmten Wellenlän-ge zu absorbieren? Farbstoffe enthal-ten leicht anregbare Elektronen, das ist eine Gemeinsamkeit aller farbigen Moleküle. Nur so sind sie in der Lage, aus dem sichtbaren Licht Spektralbe-reiche zu absorbieren. Wie genau die-se „leichte Anregbarkeit“ ihrer Elektro-nen bewirkt wird, hängt von der Art der Verbindung ab. Anorganische Farbstoffe enthalten oft ihr zentrales Element in zwei verschiedenen Wertigkeitsstufen.

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Farben und ChemieFS, MS, MW, MWP, YD & SN

by Marcus Kaiser

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Zwischen beiden findet ein intensiver Elektronentransfer statt. Ein Beispiel ist das Berliner Blau, das im Kristall-gitter Eisen(II)- und Eisen(III)-Ionen (zum Teil komplex gebunden) enthält: Fe(III)4[Fe(II)(CN)6]3. Komplexverbin-dungen verdanken ihre Farben dem Übergang eines Elektrons nach der An-regung von einem Liganden zum Zen-tralatom oder umgekehrt. Dies nennt man auch Charge-Transfer-Komple-xe. So ist z. B. das reine Kupfer(II)-Ion farblos, während die komplexierten Kupfer(II)-Ionen je nach Ligandenart alle Farbtöne von Blaugrün bis Purpur annehmen können. Organische Farb-stoffe verfügen meist über ein stark de-lokalisiertes System. So können die Elektronen von einem niedrigeren in ein höheres Energieniveau überge-hen. Wenn man nun ins Detail geht, ist das dahinterliegende Prinzip aller-dings für alle Farbstoffarten gleich: Ein Elektron wird durch Absorption eines Photons von einem Molekülor-

bital (oftmals das HOMO) in ein hö-her gelegenes Mo-lekülorbital (oft-mals das LUMO) angeregt, sofern der Übergang aus Symmetrie-Überle-gungen erlaubt ist. Doch nun genug der Theorie. Wid-men wir uns den faszinierenden Ge-

schichten, welche Farben uns erzäh-len.

Eine Geschichte der Farben

Die Geschichte der Farben ist viel-mehr eine Geschichte der Färbung. Verschiedene Tiere sind in der Lage Farben zu unterscheiden (darunter auch Farben, die Menschen nicht se-hen können). Gerade Primaten kön-nen ihre Farbeindrücke auch wieder-geben, wie das Bild auf der nächsten Seite zeigt.

Insbesondere der Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er eine Farbe, z. B. die eines Mammuts, mit völlig un-terschiedlichen Materialien durch Mi-schen nachbilden kann.

Beeindruckende Höhlenmalerei-en aus der Steinzeit zeigen, wie der Mensch bereits vor 40000 Jahren Mal-techniken entwickelte. Dabei verwen-

dete er als Anstrichmittel Eisenoxide (Hämatit) für rote und Manganoxi-de oder Holzkohle für schwarze Far-ben. Die Wahrnehmung von Farben ist eng mit abstrakten Betrachtungen und religiösen Ansichten verbunden. Wie sonst ist Gold kulturübergreifend als Abglanz der Sonne wahrgenom-men worden? Rohstoffe zum Färben, wie das zum Blaufärben von Schmuck benötigte Lapislazuli-Mineral, gehör-ten bereits vor tausenden von Jahren zu extrem begehrten Handelswaren. Auch Tiere (Purpur-Schnecke, Coche-nille-Schildlaus) und Pflanzen (Indi-go) wurden zum Färben für Kleidung verwendet.

Auch aufgrund des Wertes der Far-ben sind Regeln erlassen worden, wer, je nach gesellschaftlicher Stellung, welche Farbe tragen durfte. So ließen die Pharaonen ihre Tempel und Grab-mäler reichlich bemalen; insbesonde-re blau (aus Kupfer- und Calciumsili-cate) und grün (Malachit) waren sehr beliebt. Purpur war die offizielle Far-be der Macht im antiken Rom, der rö-mische Kaiser Nero verbat unter To-desstrafe den Besitz dieser Farbe. Für wohlhabende Patrizier war das teure Zinnober-Rot die Farbe der Wahl, Blau galt als Farbe der Barbaren, da kelti-sche Stämme sich oftmals in dieser Farbe den Körper bemalten (aus dem Färberwaid).

Durch Kreuzzüge und die Entwick-lung von Handelsrouten entwickelte sich im Mittelalter und in der Renais-

Dossier

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Das elektromagnetische Spektrum.

Die wichtigsten organischen Farbstoffklassen mit prominenten Vertretern. Das namensgebende Grundgerüst ist blau unterlegt.

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sance die Malerei. Viele Manufakturen in Europa spezialisierten sich auf die Herstellung von Pigmenten aus Pflan-zen. So wurde in Frankreich aus dem Färberkrapp der rote Farbstoff Alizarin gewonnen, in England blaues Pigment aus der Indigo-Pflanze. Viele Rohstof-fe und Färbemittel wurden darüber hi-naus aus Asien teuer importiert.

Durch die zufällige Entdeckung ei-

ner Synthesemöglichkeit von Mau-vein im Jahr 1856, welches zu einem beliebten Farbstoff für Kleider im vik-torianischen England wurde, startete die Ära der synthetischen Farbstoffe. Diese Entdeckung löste eine gewalti-ge Explosion wissenschaftlicher und industrieller Aktivitäten in Deutsch-land aus, was zur Gründung zahlrei-cher Firmen führte, wie z.B. BASF. In den 1860er Jahren war Deutschland für die organische Chemie, was Silicon Valley derzeit für Computer ist. Durch die synthetische Herstellung von In-digo, Alizarin und weiterer Farbstof-fe wurde Deutschland zum führenden Zentrum der chemischen Industrie. Auch zahlreiche neue anorganische Farben sind in dieser Zeit entdeckt worden, die, abgesehen davon, dass

sie AC2-Praktikanten erfreuen, auch echte Anwendungen haben: Berliner Blau/Preußisch Blau (Öl-/Aquarellfar-ben), Rinmans Grün (Öl-/Zementfar-ben) und Schweinfurter Grün (Pflan-zenschutzmittel).

Dennoch ist die Bedeutung natür-lich hergestellter Farbstoffe auch in heutigen Tagen nicht erloschen. Ein Beispiel hierfür sind Lebensmittelfarb-stoffe.

Buntes Essen

Begeht man die Süßigkeitenabtei-lung im Supermarkt, fällt auf, wie bunt die kleinen Gummibärchen, Apfel-Ringe und Cola-Fläschchen sind. Ein Blick auf die Zutaten zeigt eine Liste mit E-100er Einträge. Diese stehen für hinzugefügte Farbstoffe und sind nach EU-Recht gekennzeichnet.

Heute gibt es ungefähr 40 zugelasse-ne Lebensmittelfarbstoffe. Diese kön-nen entweder pflanzlichen Ursprungs sein, synthetische Nachbildungen von in der Natur vorkommenden Substan-zen oder gänzlich synthetische Ver-bindungen. Welchen Ursprung sie auch immer haben möchten, Ziel ist es immer, das Produkt appetitlicher zu machen und Schlüsselreize beim Konsumenten zu wecken. Eine Strate-gie, welche viele Pflanzen mit bunten Früchten übrigens auch verfolgen, um ihre Samen zu verbreiten.

Das Färben von Lebensmitteln, ins-besondere der gänzlich synthetischen Lebensmittel-Zusatzstoffe, hat einen

Der Borneo-Orang-Utan Barito (*2000) begann seine künstelerische Laufbahn im Alter von 9 Jahren. Der malende Affe lebt heute im ZOO von La Palmyre in Frankreich.

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sehr schlechten Ruf. Es scheint, eine Injektion potentiell schädlicher Stof-fe in unsere Nahrung zu sein. Und das, obwohl viele Lebensmittelfarben aus der Nahrung gewonnen und in andere Nahrungsmittel transplantiert werden – sie sind nicht giftiger als im ursprünglichen Lebensmittel. Gelb-orangene Carotinoide (E 160) werden beispielsweise aus Karotten gewon-nen und fördern die Sehkraft. Meist sind Farben künstlicher oder minera-lischer Herkunft ebenfalls unbedenk-lich, denn die Konzentration im End-produkt ist sehr gering – man möchte ja nicht den Geschmack verändern. Dennoch stehen Azofarbstoffe im Ver-dacht, Allergien oder Hyperaktivität auszulösen.

Ähnliche Farbstoffe wie in den Le-bensmitteln werden auch in der Kos-metik verwendet – übrigens auch beim Paintball oder beim Färben von Textili-en. Mit dem gleichen Hintergedanken: Farben beeinflussen unser Verhalten.

Farbe trifft Kopf –

Psychologie der Farben

Die Einschätzung, ob das Mensa-essen gut schmeckt oder nicht, unter-liegt der individuellen Wahrnehmung – Geschmackssache eben. Geprägt werden diese Empfindungen vor allem von Erinnerungen an frühere Mahlzei-ten. So bewirkt eine plötzliche Erkran-kung nach dem Verzehr einer süßen Sahnewaffel mit heißer Schokolade, dass diese Nahrungsmittel-Kombina-tion in Zukunft zu meiden ist. Damit es in jeder Situation verstanden wird, belegt unser Hirn die Speisen mit ei-ner abscheulichen Geschmackswahr-nehmung. Geprägt wird sie aber vor allem durch frühkindliche Erinnerun-gen: „Bei Mama schmeckt’s am bes-ten“. Während dieses Wissen bereits Teil der landläufigen Allgemeinbildung ist, kann das nicht für das Farbsehen behauptet werden.

Gerade die visuelle Wahrnehmung ist durch und durch geprägt von Erin-nerungen und Erfahrungen. Nur weni-ge Farben erzeugen bei Menschen ein einheitliches Empfinden. Rot zum Bei-spiel wird so gut wie immer als war-me Farbe verstanden, während blau mit Kälte assoziiert ist. So deutliche Zuordnungen kommen in der Praxis durchaus zur Anwendung. Die far-bigen Punkte auf Wasserhähnen für warmes und kaltes Wasser kennt je-der. Etwas skurriler geht es mitunter in Gefängnissen zu. Aggressive Häftlinge werden auch bei uns in Deutschland

zur Farbthera-pie in pink ge-strichene Zellen gebracht. Das sogenannte Ba-ker-Miller-Pink kühlt die Gemü-ter in Minuten-schnelle ab.

D i e f i x e n Farbzuordnun-gen sind aber nur eine Min-derheit im Meer der verschiede-nen Farbwahr-nehmungen. Of-fensichtlich wird das beim Ver-gleich verschie-dener Kultur-kreise: Bei uns gilt grau etwa als

traurige, langweilige Farbe. Bei india-nischen Volksgruppen ist grau hinge-gen eine sehr positive, glückselige Far-be. Die Klimabedingungen bewirken in diesem Fall den Unterschied: Grau = Regen.

Schließlich hat jeder seine eigene Farbdatenbank im Hirn. Erst kürzlich ging ein vermeintlich blau-schwarzes oder weiß-goldenes Kleid durch die so-zialen Netzwerke. Je nach Betrachter wurden die Farben verschieden wahr-genommen. Der Grund liegt vermut-lich in der Filtertechnik unseres Hirns. Farbwahrnehmung ist relativ und je nachdem welche Hintergrundbeleuch-tung angenommen wird und welche Erfahrungen jeder einzelne dazu hat, wird die durch das Auge aufgenom-mene Farbe korrigiert. Wer das nicht glaubt, sollte Verwandte nach der Far-be des abgebildeten Kleids fragen und anschließend staunen. Wer es dann immer noch nicht glaubt, sollte ein Schwarzweiß-Bild einer Banane be-trachten. Das Gehirn filtert in Rich-tung gelb. Wetten die Banane ist dann blau?

Doch nicht nur wir Menschen, auch Tiere haben eine ganz besondere Wahrnehmung von Farben.

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Welche Farben siehst Du?

Ist die Banane blau?

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Farben im Tierreich

Die Farbenpracht im Tierreich hat ganz unterschiedliche Gründe. Die gif-tigen Frösche im Regenwald warnen mit ihren auffälligen Farben andere Tiere davor, sie zu fressen. Schwebe-fliegen signalisieren mit ihren schwarz-gelben Streifen ebenfalls, dass es ge-fährlich wäre, sie anzugreifen. Doch im Gegensatz zur Biene oder Wes-pe, als die sie sich tarnen, haben sie keinen Stachel. Auch die Tiger tar-nen sich mit ihren Streifen, allerdings nicht um sich zu schützen, sondern um unbemerkt an ihre Beute zu kom-men.

Und Vögel verfolgen wieder ganz andere Ziele. Sie wollen die Weibchen beeindrucken und auf sich aufmerk-sam machen. Die Weibchen selbst da-gegen sind meist eher unauffällig be-fiedert, um sich mit der Brut besser zu verstecken.

Chamäleons kommunizieren sogar über ihre Farben. Sie geben ihren Art-genossen zu verstehen, dass sie bei-spielsweise Hunger haben oder müde sind. Und sie passen sich der Tempe-ratur in ihrer Umgebung an. Je kälter es wird, desto dunkler wird ihre Farbe, um möglichst viel Sonnenlicht einfan-gen zu können. Ebenfalls interessant

ist, dass die Farben der Chamäleons mit Krank-heit oder zunehmenden Alter verblassen. In der Hinsicht ähneln sie ir-gendwie dem Menschen.

Aber nicht nur die Gründe für die Farben, sondern auch die Effek-te, die für die Farbigkeit sorgen, sind vielfältig.

Der häufigste Farb-stoff der Tierwelt, den alle Säugetiere und auch die meisten der ande-ren Tierklassen besitzen, ist das Melanin. Dieses

kommt meistens als dunkelbraun bis schwarzes Eumelanin vor. Nicht alle Tiere, die Eumelanine in der Haut ha-ben, sind allerdings schwarz. Es färbt die epiderme Hautschicht nur etwas dunkler. Melanine sind wichtig, da sie durch UV-Licht zersetzt werden und dadurch die DNA-schädigende UV-Strahlung in Wärme umwandeln.

Die Carotinoide, eine Farbstoffklas-se, die aus Carotinen und ihren sau-erstoffhaltigen Derivaten, den Xan-thophyllen, bestehen, färben viele Vogelfedern, Insekten (wie z.B. Ma-rienkäfer) und auch die Panzer von Krebstieren rot. Die rosa Farbe von Flamingos entsteht, weil sie Krebse es-sen, und damit deren Carotinoide auf-nehmen.

Manche grüne und blauen Schmet-terlinge verdanken ihre Farbe den so-genannten Gallenfarbstoffen, die beim Abbau von Hämoglobin entstehen. Ih-ren etwas seltsamen Namen hat die Farbstoffklasse, weil sie zuerst in der Galle nachgewiesen wurde.

Die beiden Farben können aber auch ohne Farbpigmente entstehen. Viele Schmetterlinge wirken blau oder grün, weil die Strukturen der Schup-pen auf den Flügeln gewisse Wellen-

längenbereiche des Lichts stark reflek-tieren und andere durchlassen. Käfer, die grün und bläulich glänzen, haben meist transparente Vielfachschichten mit abwechselnd großem und kleinen Brechungsindex, die für eine selektive Reflexion sorgen.

Kolibris, Raben und auch Pfaue ver-danken ihr Schillern wiederum Inter-ferenzeffekten. Bei Pfauen bewirken mikroskopisch kleine Muster, dass sich die Lichtstrahlen überlagern. Bei Koli-bris und Raben dagegen ist es ein ähn-licher Effekt wie bei Seifenblasen oder einem Ölfilm auf dem Wasser. Die dünne, optisch transparente Schicht, wie das Öl oder eben die Kolibriflügel, erscheint farbig. Dabei interferieren die Lichtstrahlen, die an der oberen und der unteren Grenze der dünnen Schicht reflektiert werden.

Bei Chamäleons ist es sogar noch komplizierter. Es gibt gleich mehrere Hautschichten, die für die Farbe zu-ständig sind. Die unterste produziert durch den kristallinen Farbstoff Gua-nin einen irisierenden Farbeffekt. Die zweite Zellschicht besteht aus Melani-nen und die dritte aus Carotinen. Die Zellschichten können durch Muskeln gedehnt und gestreckt werden. Die verschiedenen Anordnungen der über-einanderliegenden Farbschichten be-wirken die unterschiedlichen Färbun-gen.

Eine Besonderheit mancher Tiere ist ihre Gabe, UV-Licht zu sehen. Bie-nen zum Beispiel können viel weiter in den UV-Bereich sehen als wir Men-schen. Das machen sich manche Blu-men zu nutze. Sie sind dafür bekannt, unter UV-Licht auf dramatische Weise anders auszusehen. Durch diese Mus-ter versuchen sie, Bienen anzulocken. Wie diese Farbtöne nun heißen, kön-nen wir Menschen nicht sagen. Ihre Namen lassen sich nur in der Tanz-sprache der Bienen aussprechen.

Doch nicht nur Blumen und Bienen nutzen UV-Licht, auch der Mensch verwendet dies, unter dem Namen „Schwarzlicht“.

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Ein blauer Pfeilgiftfrosch. Die Farbe dient zum Schutz gegen Fressfeinde.

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Farben des Feuerwerks

Strontium- Salze Calcium-

Salze

Natrium- Salze Barium-

SalzeMischung Cu & Sr

Kupfer- Salze Mg & Al

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Feuerwerk – was ist drin?

Ein Feuerwerk besteht aus zwei Hauptkomponenten: Der Treibladung und dem Oxidationsmittel. Als Treibla-dung wird häufig Schwarzpulver einge-setzt, der aus 75% Kaliumnitrat, 15% Holzkohlepulver und 10% Schwefel besteht. Dabei ist die Partikelgröße der Bestandteile ausschlaggebend: Je fei-ner die Pulver, desto größer die Ober-fläche. Eine große Oberfläche ermög-licht eine schnelle Reaktion und somit ein rasches Verbrennen.

Für die Verbrennung der pyrotech-nischen Sätze sind Oxidationsmittel notwendig. Diese stellen den Sauer-stoff für die Redox-Reaktion zur Ver-fügung. Häufig werden Nitrate, Chlo-rate und Perchlorate verwendet, da sie weder hydroskopisch sind noch ihren Sauerstoff bei zu hohen Temperaturen

abgeben.Verschiedene Alkali- und Erdalka-

limetalle sowie Kupfer, Aluminium und Titan sind für die Farbgebung der Feuerwerke verantwortlich. Diese wer-den in der Regel als Chlorate, Nitra-te und Carbonate beigemischt. Durch die Energiezufuhr der Verbrennungs-reaktion werden energiereiche Elekt-ronen des jeweiligen Metalls angeregt. Bei dem Zurückfallen in den Grund-zustand wird die Energie in Form von Licht emittiert. Je nach der Wellenlän-ge des Lichtes entspricht die Emission einer anderen Farbe. So werden rote Farben durch Zugabe von Strontium- oder Lithiumsalzen erzeugt, während grüne ihre Farben durch Barium-Ver-bindung erhalten.

Bindemittel sind ebenfalls wichti-ge Bestande der pyrotechnischen Sät-ze. Häufig werden Stärke, Dextrin oder

Wasser eingesetzt. Diese fungieren als eine Art „Klebstoff“ und halten die re-aktiven Bestandteile, meist Pulver, auf einer Unterlage fest.

Die Brennmasse einer Wunderkerze enthält üblicherweise 55% Bariumnit-rat, 25% Eisenpulver, 5% Aluminium-pulver sowie 15% Dextrin als Binde-mittel. Hier dient Bariumnitrat jedoch nicht mehr als Farbgeber, sondern als Sauerstofflieferant. Bei der Zersetzung von Bariumnitrat wird Sauerstoff frei, außerdem entsteht Bariumnitrit, wel-ches in Folgereaktionen zu Bariumoxid und Stickstoffdioxid umgesetzt wird. Zunächst das feine Aluminiumpulver und anschließend das grobe Eisenpul-ver reagieren mit Sauerstoff, wobei die für Wunderkerzen charakteristischen Funken und Licht entstehen.

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Schwarzlicht

Schwarzlicht ist nicht etwa das Lichtspektrum, das von einem schwar-zen Strahler abgegeben wird, sondern Licht, das zum Beispiel in Discos ver-wendet wird.

Beim Schwarzlicht handelt es sich um Licht, das die Farbe schwarz hat. Das erscheint zunächst unsinnig, da die Abwesenheit von Licht vom menschlichen Auge als schwarz wahr-genommen wird und somit gar kein Licht Schwarzlicht wäre. Jedem Wel-lenlängenbereich im Spektrum des sichtbaren Lichts wird vom Auge in Zusammenarbeit mit dem menschli-chen Hirn (den Sehnerv lassen wir mal außen vor, so genau geht’s hier nicht) eine Farbe zugeordnet. Das Schwarz-licht ist nun nicht der Rest des gesam-ten möglichen Spektrums an elektro-magnetischen Wellen – das manchmal neben dem sichtbaren Licht auch ein-fach als Licht bezeichnet wird – son-dern eigentlich nur Licht im UV-Be-reich.

In Discos findet das Schwarzlicht dadurch Verwendung, dass Farbstoffe eingesetzt werden, die elektromagneti-sche Wellen aus dem UV-Bereich, also Schwarzlicht, absorbieren und infolge-dessen Licht im sichtbaren Wellenlän-genbereich emittieren (Fluoreszenz).Solche Farbstoffe werden immer mehr zum Färben von Kleidungsstücken ver-wendet, damit noch deutlich sichtba-rere, „strahlendere“ Farbeindrücke er-

zeugt werden können, indem auch das UV-Licht aus dem Sonnenlicht durch die mit modernen Farbstoffen gefärbte Kleidung absorbiert wird. In einer Dis-kothek mit Schwarzlicht ist der Effekt natürlich eindrucksvoller. Dort ist es klassischerweise sehr viel dunkler und es ist praktisch nur noch das Emissi-onsspektrum zu sehen.

Kunst für die Ewigkeit

Untersucht man die von bekannten Künstlern verwendeten klassischen Pigmente, mit denen sie dauerhafte Werke der Kunst schufen – Ölgemälde, Fresken oder dergleichen – bestehen diese oft aus einfachen, anorganischen Verbindungen. Diese sind stabiler als organische Farbstoffe.

Ein großes Problem vieler organi-scher Farbstoffe ist ihre Lichtunbe-ständigkeit. Viele verblassen im Laufe der Zeit. Durch die anhaltende Absorp-tion von Licht in ihrem spezifischen Bereich des elektromagnetischen Spektrums sind sie durch Schäden von genau diesem Licht nicht geschützt.

Folglich können Nebenreaktio-nen, wie Oxidationen oder radi-kalische Reaktionen auftreten, welche die farbgebenden Struk-turen im Molekül zerstören.

Anorganische Farbstoffe ha-ben dieses Problem nicht. Die Kristallstrukturen anorganischer Feststoffe sind sehr dicht ge-packt. Selbst wenn Atome ange-regt oder aus ihrer ursprüngli-chen Position entfernt werden, kommen sie nicht weit. Die Lo-gik des Kristalls verlangt, dass sie sofort an die Stelle zurückfallen, an der sie waren.

Anorganische Pigmente schaf-fen allerdings nur Farben aus ei-nem sehr begrenzten Bereich, insbesondere leuchtende und stark gesättigte Farben sind be-sonders knapp. Viele dieser Far-

ben wurden aus Edelsteinen oder Halbedelsteinen gewonnen, wie bei-spielsweise der blaue Lapislazuli. Die-se Farbstoffe waren dadurch sehr teu-er und nur etablierten Künstlern oder reichen Familien zugänglich. Dank der modernen Synthesechemie gibt es nun auch organische Farbstoffe, wel-che sehr robuste Molekülstrukturen besitzen und dicht gepackte Kristal-le bilden, beispielsweise das Chinac-ridonrot.

Farben und unsere Gesellschaft sind eng miteinander verwoben. Wir erfreu-en uns an schönen Farben, doch hel-fen sie auch, die Forschung und unser Wissen voranzubringen – Veröffentli-chungen in der Zellbiologie ohne fluo-reszenzmikroskopische Bilder sind in-zwischen eine Rarität. So gab es auch für die Entdeckung des grün fluores-zierenden Proteins (GFP) den Nobel-preis im Jahre 2008. Inzwischen gibt es zahlreiche Varianten dieses Prote-ins in den unterschiedlichsten Farben. Manche Künstler haben diese verwen-det, um Kunst mit biologischen Mate-rialien zu machen, BioArt. Nach wie vor wird noch an der Entwicklung neu-er Farben geforscht, z.B. Autolacke. Eine bunte Zukunft steht bevor.

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Mehr Wissen:

Theodore Gray: Moleküle. Die Ele-mente und Architektur aller Dinge. Fackelträger Verlag, Köln, 2015.

„Schön! Färberei!“, Die Zeit Online, 5.4.2013

Ein Beispiel für BioArt. Dieser Sonnenuntergang zeigt eine achtfarbige Palette von Bakterienkolonien, wel-che von GFP und dem rot fluoreszierenden Protein ds-Red abgeleitet sind. Kunstwerk: Nathan Shaner. Foto: Paul Steinbach.

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Farbnormierung

Honig- oder doch melonengelb? Vielleicht aber auch maisgelb? Um etwas Systematik in die Welt der Farben reinzubringen, gibt es bei-spielsweise im Druckbereich Farb-kataloge. Die Farbkataloge verbin-den definierte Farbdarstellungen mit Farbenbezeichnungen. Die Heraus-geber solcher Farbsysteme sind in der Regel Farbenhersteller, wie etwa HSK, RAL sowie Patrone. So sind bei RAL allen im Farbkatalog ent-haltenen Farben vierzählige Num-mern zugeordnet. Dadurch lassen sich z.B. die oben erwähnten Gelb-töne unterscheiden.

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Wer braucht eigentlich dieses CO?MW

Aufdestilliert

Kohlenstoffmonoxid ist in vielen Be-reichen von Natur und Technik ein all-gegenwärtiges und gleichzeitig hoch-brisantes Molekül. Bekannt ist es vor allem durch die von ihm immer wie-der verursachten zahlreichen Todesfäl-le. Dieser Artikel soll verschiedene Fa-cetten dieses eigentlich recht simplen Moleküls aufzeigen.

CO ist farb- und geruchslos und et-was leichter als Luft. Es entsteht in der Natur durch vulkanische Aktivitä-ten, unvollständige Verbrennung und der Zersetzung von aus Pflanzen emit-tiertem Methanol. Die geschätzte na-türliche Konzentration von 0,05 ppm hat sich in der Erdatmosphäre durch die Industrialisierung fast verdoppelt. Die Ozeane gelten als mit CO über-sättigt, was auf Tiefseevulkane zurück-führbar ist.

Ist die Technik im Spiel, so nehmen die CO-Konzentrationen drastisch zu. Die Tabelle unten liefert die nötigen Fun Facts, um auf der Grillparty des Oldtimer-Clubs in der Tiefgarage die Stimmung zu vergiften – und damit womöglich das Leben der Gäste und die Besitzverhältnisse der Autos zu ret-ten. Kohlenmonoxid bindet sich mit ei-ner 200-fach höheren Affinität an Hä-moglobin als Sauerstoff. Bei einem Anteil von 1% in der Atemluft tritt der Tod innerhalb von zwei Minuten ein. In den USA hat es im Jahr 2011 ins-gesamt 15000 Notarzteinsätze mit 500

Todesfällen gegeben.Vergiftung durch CO ist in Deutsch-

land seit 1990 meldepflichtig und der ärztliche Report hierzu liefert vermu-tete und unvermutete Gefahrenquel-len. Am gefährlichsten erweisen sich defekte Gasthermen und Öfen (etwa durch Vogelnester verstopft). Durch verbesserte Heizungstechnik hat das Bewusstsein gegenüber CO abgenom-men. So haben sich Indoor-Grills zu einer neuen Gefahrenquelle heraus-bilden können, bei denen im Winter beim Grillen vor dem Fernseher die Holzkohle bei geschlossenen Fens-tern kritische Dosen CO über meh-rere Stunden hinweg freisetzt. Auch bei der zunehmenden Neueinrichtung von Pelletheizungen sollte erwähnt werden, dass die Pelletlagerung gro-ße Mengen CO freisetzt, wodurch zwi-schen 2002 und 2011 weltweit nach-weisbar 14 Menschen gestorben sind.

Es gibt allerdings auch technische Prozesse, bei denen CO absichtlich er-zeugt wird. Zusammen mit Wasserstoff bildet es ein Gasgemisch, das groß-technisch bei der Methanolherstel-lung oder der Fischer-Tropsch-Syn-these Verwendung findet. Schon früh benutzte man (allerdings ohne sich dessen bewusst zu sein) CO zur Eisen-verhüttung. Durch die Verbrennung von Koks und die sogenannte Boudou-ard-Reaktion bildet sich CO, welches anschließend Eisenoxid wirkungsvoll reduziert.

Für Arbeiten an Arbeitsplätzen, an denen ein CO-Austritt passieren kann, werden Gaswarnsensoren verwendet, welche spätestens bei 60 ppm einen

Alarm auslösen. Gefährlich ist dabei vor allem eine Desensibilisierung ge-genüber diesem Alarm, wenn dieser noch unterhalb einer ernsthaft schäd-lichen Konzentration liegt, insbeson-dere deshalb, weil der tatsächliche Wert meistens unbekannt bleibt.

Doch nicht für alle Lebewesen ist CO zwangsläufig schädlich. An Or-ten mit erhöhtem CO-Gehalt haben Archaea und Bakterien dieses Mole-kül in ihren Stoffwechsel einbezogen und verwenden es als Energie- und Kohlenstoffquelle. Dabei kann CO so-wohl zu Kohlenstoffdioxid oxidiert als auch zu Methan oder Essigsäure redu-ziert werden. In der Frage, ob es Leben auf dem Mars gibt oder gegeben hat, wird vermutet, dass die Methanatmo-sphäre auf dem roten Planeten durch eben diesen Prozess zustande gekom-men ist.

Erdatmosphäre 0,05 - 0,14Venusatmosphäre 50Marsatmosphäre 700Abgas eines Hawaiianischen Vulkans 3700Durchschnittswerte in Wohngebäuden 0,5 - 15Stadtgebiet mit sehr schlechter Luft 100 - 200Auto ohne Abgaskatalysator 7000Grenzwert Auto mit Ottomotor/Dieselmotor 500 / 1000Transportraum von Holzpellets 10.000Zigarettenrauch in ungelüftetem Raum mit 30 m² 2,2Kopfschmerzen 200Schwindel und Übelkeit 800Letale Dosis über 30 Minuten 1000

Tabelle: Relevante und interessante CO-Konzentrationen in ppm

 

Verschiedene Reaktionsgleichungen mit CO. Der Leser darf die Gleichungen selbstständig richtig stellen und sich etwas für das „?“ über-legen. Wer eine plausible Antwort für das un-terste Beispiel findet, muss umgehend den Au-tor kontaktieren.

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Katalonien und seine Unabhängigkeit MWP

Über den Kolbenrand

Jedes Jahr am 11. September finden in ganz Katalonien riesige Demonstra-tionen statt. Dabei halten Hundertau-sende von Katalanen Schilder hoch, auf denen man Sprüche wie „Wir sind eine Nation“, „Katalonien, ein souve-räner Staat in Europa“ oder „Kataloni-en ist nicht Spanien“ lesen kann.

Am 11. September 1714 ergab sich Barcelona den Truppen von Felipe V, dem damaligen spanischen König. Seitdem ist Katalonien eine Region Spaniens und genau 300 Jahre später sollte dieser Prozess umgekehrt wer-den. „Ara és l‘hora“ („Jetzt ist die Stun-de“) war das Motto der bisher größten Demonstration der Geschichte Kata-loniens, die am 11. September 2014 stattfand. Damit war das Referendum gemeint, mit dem die Katalanen – ähn-lich wie die Schotten vor einigen Mo-naten – darüber abstimmen wollten, ob sie sich von Spanien abspalten. Aber im Gegensatz zur englischen Re-gierung, die mit größter Nervosität das Referendum erlaubte, entschied Mad-rid, dass eine Abspaltung verfassungs-widrig sei. Somit war das Referendum, das am 9. November 2014 trotzdem stattfand, nur symbolisch. Bei dieser Wahl, für die berühmte Katalanen wie Pep Guardiola sogar extra in ihre Hei-mat flogen, wählten 81% für eine Ab-spaltung und 15% dagegen. Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 37%. Bei einer so wichtigen Wahl wäre sie im Ernstfall vermutlich ähnlich wie in Schottland bei fast 90%. Somit bleibt

offen, was in einem solchen Fall das Ergebnis wäre.

Bayern ist seit 1871 ein Teil von Deutschland. Also erst seit 145 Jah-ren. Und hier sieht man, so sehr sich manch verschrobener alter Mann sei-nen König Ludwig zurückwünscht, keine Demonstrationen, die für eine Unabhängigkeit Bayerns kämpfen. Was also ist der Unterschied?

Ein sehr großer Unterschied ist, dass die Katalanen eine eigene Spra-che haben. (Und nein, Bayrisch ist kei-ne Sprache, sondern ein Dialekt.) Au-ßerdem haben sie natürlich auch eine eigene, sehr alte Kultur. Die ersten

Werke in der katalanischen Literatur sind auf Anfang des 12. Jahrhunderts datiert. Sie haben Tänze, bei denen spezielle Instrumente spielen, die es nur in Katalonien gibt. Und sie haben keine Stierkampftradition.

Aber – argumentieren die Gegner der Abspaltung (die es in diesem zweigeteil-ten Volk in ungefähr der gleichen Anzahl gibt) – liegt nicht ge-rade in der Abwechs-lung der Reiz? Kann man nicht innerhalb eines Landes ver-schiedene Traditio-nen und auch Spra-chen haben? In allen Staaten dieser Welt gibt es regionale Un-terschiede und statt sie zu betonen und gegeneinander auszu-

spielen könnte man sich an beiden bereichern. Jedes katalanische Kind wächst zweisprachig auf. Nach einer Unabhängigkeit würde wahrscheinlich kein Spanisch mehr unterrichtet wer-den (die Unterrichtssprache in fast al-len katalanischen Schulen ist bereits jetzt Katalanisch, aber es gibt obliga-torische Spanischstunden). Außer-dem gibt es viele Katalanen, vor allem in der Hauptstadt Barcelona, die sich schlichtweg als Spanier und Katala-nen fühlen. Und natürlich gibt es die zugezogenen Spanier, die sich durch die teilweise extremen Äußerungen zur Unabhängigkeit ausgegrenzt fühlen.

Ein großer Punkt der Unabhängig-keitsbewegung ist – wie sollte es an-ders sein – das Geld. Katalonien ist die wirtschaftlich stärkste Region Spani-ens. Alle Regionen Spaniens sind, ob-wohl es offiziell eine Zentralregierung ist, bis zu einem gewissen Grad auto-nom. Sie sind zuständig für Bildung, Kultur, Gesundheit und Sozialpolitik, der größte Teil der Steuern fließt aller-dings direkt nach Madrid. Die Regie-rung dort verteilt dieses Geld dann auf die verschiedenen Regionen in Form von Infrastruktur und ähnlichem oder direkt als Finanzspritze. Dabei gibt Katalonien dem spanischen Staat je-des Jahr mehr als es zurückbekommt. 2009 zum Beispiel flossen 61.812 Mil-lionen Euro Richtung Madrid und nur 45.403 Millionen zurück. Somit wä-ren die Katalanen ohne die Spanier fi-nanziell besser dran. Und das ist auch eines der größten Probleme, die das sowieso schon wirtschaftsschwache Spanien bei einer Unabhängigkeit hät-te. Großbritannien konnte es riskieren seine ärmste Region, die Schottland Unabhängigkeitsgegner tragen eine spanische und katalonische

Flagge. Foto: independent.co.uk

Bei jedem Freundschaftsspiel des FC Barcelo-na hängt dieses Schild in ihrem Stadion.

Katalonien in Spanien. Foto: Wikimedia Com-mons.

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nunmal ist, zu verlieren. Aber Spanien konnte einem Referendum nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustimmen.

Bei diesem Streitpunkt appellieren die Gegner der Abspaltung an die So-lidarität der Katalanen. Es gibt Regio-nen, vor allem im Süden Spaniens, in denen Menschen in großer Armut le-ben, wohingegen Katalonien sehr vie-le Einnahmen unter anderem durch den Ruf Spaniens als Urlaubsland hat. Und auch in anderen Ländern werden Steuereinnahmen verteilt, um einen Sozialstaat zu gewehrleisten. Nicht zu-letzt Deutschland mit seinem Länder-finanzausgleich ist ein Beispiel dafür. Eine Abspaltung, finden viele, ist au-ßerdem in einer Zeit, in der die ganze Welt immer weiter zusammenwächst, sei es durch Staatenbunde wie die EU, durch Wirtschaftspakte, oder durch das Internet, gegen den Zeitgeist.

Ein gewisser Kompromiss wäre Ka-talonien mehr Selbstbestimmungs-rechte, vor allem im finanziellen Bereich, zu geben wie es in einem fö-deralen Staat üblich ist. Von dieser Lö-sung wollen interessanterweise aber keine der beiden Seiten hören. Die ei-nen sehen darin nur einen Trostpreis, für die anderen ist die Umstrukturierung des gesamten Staatsappa-rates schlichtweg undenk-bar.

Die Diskussion um das pro und contra einer Ab-spaltung wird die katala-nische Gesellschaft und mit ihr ganz Spanien wie es scheint noch viele Jah-re beschäftigen und po-larisieren. Es gibt leider keinen Kompromiss, der beide Seiten zufrieden-

stellen kann und es bleibt nur zu hof-fen, dass die jetzt schon tiefen Spal-ten zwischen den Parteien nicht zu Gräben werden, die diese bisher stets friedliche Bewegung zu einem gewalt-samen Konflikt werden lassen.

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Markierungsfreie Visualisierung von intrazellulären Bakterien

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Staphylococcus aureus ist eines der häufigsten Humanpathogene, das als fakultativ intrazelluläres Bakterium-lebensbedrohliche Erkrankungen wie Endokarditis (Entzündung der Herz-innenhaut) und Sepsis verursachen kann. Die Pathogenität des Bakteri-ums beruht auf vielfältigen Anpas-sungsstrategien, zahlreichen Patho-genitätsfaktoren und der Fähigkeit, in verschiedene Zelltypen z. B. En-dothelzellen einzudringen. Bisher ist noch wenig darüber bekannt, wie es dem Bakterium gelingt, im Zellinneren den Abwehrmechanismen der Zelle zu entgehen. Die Forschungsgruppe um Christina Groß entwickelte nun ein Raman-basiertes bildgebendes Verfah-ren, um intrazelluläre Staphylococcus aureus-Bakterien dreidimensional in Endothelzellen zu lokalisieren. Bei die-ser Methode werden Raman-Spektren mit einem konfokalen Raman-Mikros-kop aufgenommen. Aus den Spektren werden markierungs- und zerstörungs-frei Informationen über den meta-

bolischen Zustand der Bakterien ge-wonnen. Damit kann dann z. B. die Wachstumsphase der Bakterien be-stimmt werden. Mit Hilfe dieses Ver-fahrens konnten die Forscher bereits zeigen, dass sich intrazelluläre Sta-phylococcen in einer exponentiellen Wachstumsphase befinden und sich aufgrund ihrer Anpassung an die Wirts-zellen biochemisch von extrazellulären

Staphylococcen unterscheiden.Dieses neuartige Verfahren ist ein

wertvolles Werkzeug, um die komple-xen intrazellulären Mechanismen von Pathogenen zu untersuchen. Erkennt-nisse über die Adaptionsstrategien sol-cher Pathogene könnten dann zur Ent-wicklung neuartiger Präventions-und Therapiestrategien gegen intrazellulä-re Bakterien genutzt werden.

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Der Zuschauerraum vor der legendär-en Bühne im Karlsruher Jubez ist bis auf die letzte Reihe gefüllt. Schnell werden noch ein paar provisorische Klappstühle aufgestellt, damit niemand stehen muss. Die Stimmung ist angeregt, Gläser klir-ren, Spannung liegt in der Luft. Hinter der Bühne geht Philipp Schrögel noch einmal in sich. Die Moderationskarten liegen bereit, ein kurzer Blick zur Uhr, es ist soweit: Der Karlsruher Science Slam kann beginnen.

Wer bisher dachte, Wissenschaft kann auf keinen Fall unterhaltsam oder gar verständlich sein, dem seien Science Slams wärmstens ans Herz gelegt. Seit etwa zehn Jahren finden die Veranstal-tungen in ganz Deutschland statt. An die landläufig bekannten Poetry Slams angelehnt, bei denen vorzugsweise Ly-rik oder Prosa aus der Feder des Vortra-genden zum Besten gegeben wird, dreht sich beim Science Slam alles um die ei-gene Forschung. So kann es passieren, dass die Brown’sche Molekularbewegung mit einer Cocktailparty erklärt wird oder Supraleitung zur Liebesgeschichte zwei-er Elektronen mutiert. Ähnlich wie beim Dichterwettstreit bewertet das Publikum die Einzelvorträge dann nach Wissens- und Unterhaltungswert.

Schrögel, 33 Jahre alt, beschäftigt sich seit Jahren beruflich wie privat mit dem Thema Wissenschaftskommunika-tion. Nach seinem Diplom in Physik an

der Universität Erlangen-Nürnberg ver-schlug es ihn an die Harvard Kennedy School, wo er einen Master in Public Po-licy nachlegte. Neben zahlreichen Ak-tivitäten in der Hochschulpolitik, Bür-gerdialogprojekten und der angestrebten Promotion auf diesem Gebiet gründe-te er im September vergangenen Jahres sein eigenes Büro für Wissenschafts- und Technikkommunikation. Hinzu kommt die Moderation des Karlsruher und Er-langer Science Slams. Etwa alle drei Mo-nate findet sich so ein illustres wie auch interessiertes Publikum zusammen, um Schrögel und den Slammern zu lauschen.

Die Scheinwerfer strahlen so hell, dass Schrögel sein Publikum kaum se-hen kann. Egal, er kann es hören. Nach ein paar Regelerläuterungen ist es Zeit für Tobias Sauer, den ersten Slammer. Sauer ist Theologe und momentan noch

eine Ausnahme auf den deutschen Büh-nen, denn die sind klar von Naturwis-senschaftlern dominiert. „Auf die Plät-ze, Science…“, ruft Schrögel und das Publikum antwortet mit einem kraftvol-len „Slam!“. Die Uhr läuft. Sauer hat nun gute zehn Minuten Zeit das Thema sei-ner Dissertation zu präsentieren. Das Pu-blikum johlt schon nach wenigen Sekun-den. Sauer zieht sich erst einmal selbst durch den Kakao und stellt den gemei-nen Theologen als Tee-Trinker dar. Aber schließlich wird auch Wissen von der Bühne zur Audienz transportiert. Selbst lateinische Texte auf der Leinwand scho-cken hier niemanden mehr und Sauer versteht es seinem Publikum geschickt und mit Witz die Grundprobleme der Kirche in der heutigen Zeit nahe zu brin-gen. Selbst nach dem Vortrag in der Pau-se kommen interessierte Zuhörer auf ihn und die anderen Slammer zu, lebhafte Diskussionen beginnen. Schrögel, der Moderator, liebt diese lockere Atmosphä-re: „Die jungen Wissenschaftler können sich einfach mal ausprobieren. Natürlich ist ein Fachvortrag etwas anderes, aber auch dort geht es darum, das Publikum zu erreichen und eine Geschichte zu er-zählen. Die mag zwar etwas ernsthaf-ter sein, aber die eine oder andere Poin-te schadet auch einem Konferenzvortag nicht.“ Und mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: „Denn mal ehrlich: Wer hat schon Lust auf die immer gleichen lang-weiligen Sessions, bei denen man nur auf die Kaffeepause danach wartet?“.

Wissenschaft! Verständlich! Unterhaltsam!Science Slams sind eine hervorragende Möglichkeit für Nachwuchswissenschaftler ihr

Forschungsthema einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei geht es nicht nur

um die Wissensvermittlung, sondern auch um eine verständliche und unterhaltsame

Rhetorik. Ein Abend in Karlsruhe.

MS

Philipp Schrögel, 33, Science Slammer mit dem Thema Wissenschaftskommunikation. Foto: Daniel Sittenhöfer.

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Wissenschaft

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Wissenschaft

In der Karlsruher Pause jedenfalls warten viele auf die zweite Hälfte des Programms. Ein Highlight: Felix Spen-kuch, Chemiker aus Mainz, der es nicht wagt über sein Forschungsthema zu spre-chen, sondern vielmehr über Scheitern in der Wissenschaft referiert. Der Be-amer projiziert Bilder von ausgebrann-ten Abzügen und überschwemmten La-boren an die Wand. Doch Spenkuch hat auch eine einfache Nachricht: Schei-tern gehöre einfach zur Wissenschaft dazu. Thomas Edison entwickelte hun-derte Versionen seiner Glühlampe bis sie überhaupt einmal zum Leuchten er-weckt wurde. Der geneigte Zuhörer sol-le also nicht davor zurückschrecken, Pro-jekte ohne langes Überlegen einfach anzugehen, Scheitern hin oder her. Ein Wermutstropfen bliebe es aber trotzdem, dass die EU-Kommission die Glühlampe nun verboten hat. Spenkuch überzeugt und ist vielleicht mit seinem Mix aus Humor und Nachdenklichkeit ein Mus-terbeispiel eines guten Slammers. „Sci-ence Slams sollen keine flache Comedy sein“, meint auch Philipp Schrögel. „Für mich ist ein Vortrag dann am besten, wenn ich die Person hinter der Slamme-

rin oder dem Slammer erkenne. Was ist deren Motivation und was kann ich da-raus lernen?“

Nachdem alle sechs Slammer vorge-tragen haben (es war dieses Mal leider keine Wissenschaftlerin mit dabei, dafür ist der nächste Science Slam in Karlsru-he eine „Women’s Edition“), ist das Pub-likum an der Reihe. Aufgeteilt in wenige Gruppen diskutieren die Zuschauer über die Punktevergabe: Maximal zehn Punk-te für den Wissenswert und ebenso viele Punkte für den Unterhaltungsfaktor. Am Ende gewinnt Matthias Beyer, der eine kurze Abhandlung zu biodegradierbaren Biopolymeren – also selbstabbauenden Plastiktüten – zum Besten gab.

Der enorme Zulauf bei Science Slams oder verwandten Veranstaltungen wie das 3-Minuten-Format FameLab wird aber auch von dissonanten Tönen beglei-tet. So kommt immer wieder der Vorwurf auf, bei den Slams handele es sich vor-rangig um die Selbstdarstellung und Ver-marktung von existenzbedrohten Wis-senschaftlern. Schrögel hält dagegen und findet, dass der Dialog mit der Öffent-lichkeit ja gerade die Kernidee der Aben-de sei. Er geht sogar noch weiter: “Wenn eine Slammerin oder ein Slammer ei-nen Crowdfunding-Aufruf für seine For-schung teilt oder beispielsweise zum Mitmachen bei einer Studie aufruft, fin-de ich das sogar großartig. Es soll ja um einen engeren Austausch zwischen Wis-senschaft und Öffentlichkeit gehen. “Die Abneigung gegenüber Science Slams kommt oft aus der Wissenschaftswelt selbst. Dabei spielen wohl Ängste um den Verlust des guten alten Elfenbein-turms eine Rolle. Das breite Publikum wird dann als diabolische Öffentlich-keit missverstanden, das dem Wissen-schaftler seine vermeintlich herausge-hobene gesellschaftliche Position streitig macht. Schrögel entgegnet dem versöhn-

lich: „Die Freiheit der Forschung ist und bleibt ein wichtiger Grundpfeiler, aber für mich ist die gesellschaftliche Veran-kerung von Forschung ein genauso wich-tiger, zweiter Grundpfeiler.“

Betrachtet man die Science Slams aus Sicht des Publikums, sind sie eine ein-fache Möglichkeit, verständliche Einbli-cke in verschiedene Wissenschaftsberei-che zu bekommen. Der aktuelle Erfolg beruhe sicher auf der Unterhaltsamkeit der Vorträge. „Aber selbst wer am Anfang nur mit dem Ziel einen lustigen Abend zu erleben gekommen ist, nimmt doch auch etwas vom Inhalt mit“, freut sich Schrögel. Gefragt nach der Zukunft des Formats sieht er einen festen Platz der Science Slams in der Wissenschaftskom-munikation. „Der bisherige Erfolg ermög-licht es auch, mit dem Format zu experi-mentieren und Neues auszuprobieren.“ So habe er in Erlangen kürzlich den ers-ten „Art & Science Slam“organisiert. Da-bei haben sowohl Wissenschaftler als auch Künstler ihre Sichtweise auf ein ge-meinsames Themenfeld präsentiert. Es bleibt spannend.

Karlsruher Science Slam auf Youtube

Mehr Wissen:

Auch in München gibt es dieses Jahr wieder Science Slams. Zum Beispiel den 5. Müncher Science Slam am 3. Mai im Einstein Kultur. Dort könnt Ihr euch dann auch den Vortrag von Matthias Stahl ansehen, der diesen und andere Artikel im Chemist ge-schrieben hat.

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Unterhaltung

Gefangen zwischen den SemesternIV

Ach i wo...

Längere Zeit ist vergangen seit der letzten Kolumne. Ursächlich hierfür ist die Natur des Bachelorstudiums, die viele von uns einfach leicht unter-schätzt haben. Also an die jüngeren Semester ist dies schon einmal eine kleine Vorwarnung, ab dem vierten Se-mester wird es für sieben Monate we-sentlich voller im Zeitplan und die An-sprüche werden ebenfalls etwas höher geschraubt. Wenn man aber ein Fazit zieht, dann kann man durchaus davon sprechen hier die größten Fortschrit-te machen zu können. Man lernt zum

Beispiel das für die Bachelorarbeit es-sentiell wichtige Einhalten von Dead-lines, das Schreiben von viel Text in kürzester Zeit und vor allem bekommt man das erste Mal einen tieferen Ein-blick in den Alltag eines Chemikers – wie schön. Unschön, aber auch not-wendig sind die Erfahrungen, dass nicht alles, was man beginnt funk-tioniert und man dann einfach wei-termachen muss, dass zwei identisch durchgeführte Versuche von zwei un-terschiedlichen Studenten völlig nicht reproduzierbare verschiedene Ergeb-nisse liefern können und dass man zu Beginn das Gefühl hat, dass man-che Gegebenheiten im Studium ein-fach nur von Glück abhängen. Spätes-tens ab dem Synthesepraktikum oder einer präparativen Bachelorarbeit fällt einem auf, dass es so etwas wie Glück hier leider nicht gibt, sondern einfach die Arbeitsweise ursächlich für das Gelingen oder Scheitern ist. Durch Übung kann man dies jedoch etwas steuern. Nutzt aus diesem Grund jede

Möglichkeit, um im Labor stehen zu können. Eine letzte Sache würde ich gerne noch anfügen: unser Jahrgang ist mittlerweile damit gebrandmarkt worden, der wirklich schlechteste zu sein. Vermutlich hört das jeder Studi-engang an irgendeiner Stelle. Deswe-gen an alle, macht euch nichts daraus, es sind immer die kleinen und großen persönlichen Erfolge, die euch von an-deren abgrenzen und euch die nächs-ten Möglichkeiten eröffnen.

Bürorätsel:Auflösung auf der Seite 33

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Unterhaltung

3333

Auflösung der Bürorätsel auf der Seite 32: Links: Prof. Kühn; Rechts: Dr. Michel

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34

Unterhaltung

3434

Sudoku

Das kleine ABCML

2 7

9 1 3

4 5 7

3 6 5

5 7 8

4 3 9

5 1 9

6 4 8

8 9 2 5

3 5 4 6

5 8

6 2

1 9

5 8

3 7 5 2

9 8 1

3 4

6 8

A…wie Asbest, ist eine Sammel-bezeichnung für Silikatminerale. Neben Braunasbest und Blauasbest wird Weiß-asbest (Chrysotil) schon seit über 2000 Jahren abgebaut. Aufgrund seiner hohen Zugfestigkeit und Flexibilität wurde As-best (altgriech. asbestos „unvergänglich“) auch „Wunderfaser“ genannt. Es ist sehr hitze- und säurebeständig, hat gute ther-mische sowie elektrische Isolierfähigkeit und verrottet nicht. Durch all diese Ei-genschaften fand es unter anderem in der Schifffahrt, Bauindustrie sowie Wär-medämmung in Form von Asbestzement (Eternit), Papier und Pappe Verwendung. Seit 1990 ist es wegen seiner gesund-heitsschädlichen Wirkung in vielen Staa-ten verboten.

B… wie Botulinumtoxin (BTX) oder Botox (ugs.). Das bezeichnet neu-rotoxische Proteine der Bakterienspezi-es Clostridium botulinum. Ihren Namen verdankt sie der Tatsache, dass sie sich in alten Wurstkonserven vermehrt (lat. botulus Wurst). BTX verhindert die Aus-schüttung des Neurotransmitters Acetyl-cholin, wodurch die Muskulatur gelähmt wird. Das Nervengift wird seit den 80er Jahren stark verdünnt zur Behandlung von Bewegungsstörungen, Migräne und Zähneknirschen verwendet. Trotz seiner Risiken ist es in der Schönheitsmedizin ein Wundermittel gegen Falten. Botox gehört zu den stärksten bekannten Gif-ten. Schon eine intravenös verabreich-te Menge von 4 ng/kg kann tödlich sein.

C… wie Chromatographie. Sie ist ein chemisches Trennverfahren, wel-ches 1901 von dem russischen Botani-ker Michail S. Zwet beschrieben wur-de. Triebkraft ist die Aufteilung einzelner Bestandteile zwischen einer stationären und einer mobilen Phase. Das Gemisch wird mittels Druck, Kapillaren oder elek-trischer Spannung in der mobilen Pha-se transportiert. Das Stoffgemisch wird durch die stationäre Phase bewegt, wel-che mit den einzelnen Substanzen des Gemisches wechselwirkt, wodurch sich die Substanzen an unterschiedlichen Streckenpunkten ansammeln. Die Subs-tanzen werden mittels Absorption, Licht-streuung, Fluoreszenz, Wärmeleitfähig-keit oder Färbung bestimmt.

Orbitrap: Hochsicher-heitsgefängnis für hoch geladene Verbrechner.

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Aus der Proteasom-Foschung:

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