Ausgabe / Issue 1 März/March 2011 — 8 Euro bauhaus · PDF filetige tendenzen der...

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künstler / artist bauhaus Die Zeitschrift der Stiftung Bauhaus Dessau The Bauhaus Dessau Foundation’s magazine Kurt Kranz, Josef Albers, Paul Klee, Olaf Nicolai, Ludwig Mies van der Rohe, Matthias Sauerbruch etc. Programmieren /code, Lehren / educate, Ausstellen / exhibit, Rekonstruieren /reconstruct, Vereinfachen / simplify, Auslagern /outsource, Schrumpfen /shrink etc. Ausgabe / Issue 1 März/March 2011 — 8 Euro

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Kurt Kranz, Josef Albers, Paul Klee, Olaf Nicolai, Ludwig Mies van der Rohe, Matthias Sauerbruch etc.

Programmieren /code, Lehren / educate, Ausstellen / exhibit, Rekonstruieren /reconstruct, Vereinfachen / simplify, Aus lagern /outsource, Schrumpfen /shrink etc.

A u s g a b e / I s s u e 1M ä r z / M a r c h 2 011 — 8 E u r o

i s b n : 978-3-940064-18-9i s s n : 2191-5105 8 Euro

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liebe leserinnen und leser, liebe freunde des bauhauses dessau, als im dezember 1926 das bau­

hausgebäude in dessau eröffnet wurde, erschien zum ersten mal die zeitschrift bauhaus. sie berichtete (mit unterbrechungen) vierteljährlich über das dessauer geschehen und über wich­tige tendenzen der moderne. walter gropius, lászló moholy­nagy, ernst kallai und hannes mey­er prägten das heft als herausgeber, paul klee, wassily kandinsky, marcel breuer, ludwig hil­berseimer und viele andere gehörten zu den autoren. 1931 kam die letzte ausgabe auf den markt. 80 jahre nach einstellung dieses periodikums geben wir als stiftung bau­haus dessau eine neue zeitschrift unter dem alten namen heraus. dabei wollen wir uns keines­wegs anmaßen, eine abgebrochene tradition zu kopieren. die stiftung bauhaus dessau setzt nicht das einmalige historische experiment ‹bauhaus› fort. aber sie arbeitet am gleichen ort — dem bauhausgebäude in dessau — und hat den auftrag, sich der pflege des erbes des histo­rischen bauhauses zu widmen und zugleich «angesichts der ideen und ansätze des historischen bauhauses zu den problemen der gestaltung der heutigen lebensumwelt beiträge zu leisten» (stiftungsgesetz bauhaus dessau). ziel der halbjährlich erscheinenden zeitschrift ist es, über die aktivi­täten der stiftung und ihrer kooperationspartner zu berichten und diese zu kommentieren. in den fokus geraten damit nicht nur die aktivitäten in dessau, sondern die eines internationalen netzwerkes zu fragen der gestaltung. es wird in diesem heft um die geschichte der moderne gehen und darum, was sie uns heute noch zu sagen hat. für jede ausgabe wählt die redaktion ein schwerpunktthema aus, das einen bezug zu einem größeren stiftungsprojekt besitzt. das erste heft ist dem künstler gewidmet und erscheint anlässlich der großen kurt­kranz­werkschau, einer der größten kunstausstellungen der stiftung in den vergangenen zehn jahren. das titelthema erlaubt es, verschiedene projekte in einen inhaltlichen zusammenhang zu stellen. dabei werden wir immer einen besonderen wert auf die verknüpfung von histori­schen positionen mit gegenwartsfragen legen. die moderne ist selbst längst zur geschichte ge­worden und nur in einer kritischen selbstreflexion der eigenen geschichte kann eine frucht­bare fortschreibung gelingen. das themenspektrum ist so breit wie die stiftungsarbeit selbst und umfasst alle gestalterischen disziplinen — von der bildenden und darstellenden kunst über grafik und produktdesign bis hin zu architektur und städtebau. die zeit­schrift will selbst auch eine plattform für heutige grafische gestaltung bieten: jedes jahr wählt die stiftung gemeinsam mit externen juroren einen neuen jahresgrafiker aus, der — neben weiteren produkten — jeweils zwei ausgaben der zeitschrift gestalten wird. den anfang macht die berliner agentur novamondo. wir wollen damit die vielschichtigkeit des bauhauserbes in neuer form in der gegenwart fortschreiben. nach jeweils zwei ausgaben wird die zeitschrift in völlig neuem gesicht erscheinen und damit selbst teil einer recherche heutiger gestalterischer positionen sein. p h i l i p p o s w a l t , herausgeber

bauhausA u s g a b e 1 M ä r z 2 011 — 8 E u r o

[ links ] di e e r st e … bauhaus, Jahrgang 1, Heft 1, 1926. Stiftung Bauhaus Dessau / © VG Bild­Kunst Bonn, 2011

D i e Z e i t s c h r i f t d e r S t i f t u n g B a u h a u s D e s s a u T h e B a u h a u s D e s s a u F o u n d a t i o n ’ s m a g a z i n e

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b a u h a u s — A u s g a b e 1 I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Der Künstler als Generalist 6

Warum Künstler die besseren Architekturlehrer sind und was es mit dem Generalismus am Bauhaus auf sich hat, ver­rät To r s t e n B l u m e

Der Künstler als Programmierer 16

C h r i s t i a n H i l l e r buchstabiert das visionäre Werk des Bau­hausschülers, Werbegrafikers und Vorreiters der seriellen Kunst, Kurt Kranz

Präzision der Unschärfe 74Zur Zukunft der Dessauer Meisterhäuser

Griff ins Bauforschungsarchiv 76

Kunst und Wissenschaft — eine neue Ordnung 78Zum 125. Geburtstag von Ludwig Mies van der Rohe

Auspackzeremonie 80Ein Blick in den Nachlass von Eduard Ludwig

Bauhaus revisited — Besucher 2009/2010 82

Bauhausnetz 83

Design mit Sonnenbrilleneffekt 84Das Erbe der HfG Ulm ist in Gefahr

Hinter der Guten Form 86Das schöne iPhone — bad design?

Der Künstler als Entdecker 26

Mit seinem Vorkurs hat Josef Albers den Grundstein gelegt für ein parametergesteuertes Gestalten, das heute aktueller ist als je zuvor. Von A n d r e a s

K ü h n l e i n

Der Künstler als Lehrer 32

C h r i s t i n e H o p f e n g a r t und M i c h a e l B a u m g a r t n e r erfor­schen in Bern die Vorlesungs­manuskripte von Paul Klee. Ein Gespräch über die Un­möglichkeit, Kunst zu unter­richten

Der Künstler als Kurator 42 Räume als künstlerisches Projekt — K a i ­ U w e H e m k e n beschäftigt sich mit avantgar­distischen Ausstellungsräu­men und zeigt, was einen Künstler zum Kurator macht

Der Künstler als Ästhetiker 50

Ästhetik zwischen Wahrneh­mung, Kunst und Politik. Der Künstler O l a f N i c o l a i über den Mythos Bauhaus und eine nachhaltige Wirkung auf sei­ne Sicht der Dinge

Das A und O des Bauhauses 87Das neue Erscheinungsbild der Stiftung Bauhaus Dessau

Weniger ist Zukunft 90Ein Ausblick nach der IBA Stadtumbau 2010

Beweg die Stadt! 92Internationale Sommerwerkstatt 2010

Home is Everywhere 93Studenten aus der ganzen Welt besuchen die Bauhaus­Sommerschule

Rundschau 94Was macht das Bauhaus in der Welt?

Vorschau 98

Service 100Bauhaus­Shop

Fünf Fragen an . . . 103Wie viel Bauhaus steckt in Ihnen, Matthias Sauerbruch?

Von Dessau in die Welt 58

Zwischen lokalem Engage­ment und internationaler Prä­senz: Warum das Bauhaus tat­sächlich nach Dessau gehört, erklärt P h i l i p p O s w a l t

Wer will schon die Gropius­Operette? 64

R e g i n a B i t t n e r , R o l f K u h n und P h i l i p p O s w a l t stellen sich 17 Jahre nach Gründung der Stiftung Bauhaus Dessau einem Streitgespräch über den schwierigen Umgang mit dem Erbe

Univercities 145

Das Bauhaus­Kolleg XI auf der Spur des modernen Campus. Wie Bildung Städte formt — und was wir daraus für die Bil­dungsstadt der Zukunft lernen können. R e g i n a B i t t n e r , W i l f r i e d

H a c k e n b r o i c h und S t e f a n R e t t i c h haben es mit den Bauhaus­ Kollegiaten herausgefunden

t i t e l t h e m a : d e r k ü n s t l e r a m b a u h a u s

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m a g a z i n

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… u n d di e l etzt e ausga be de r h istor isch e n z e i tsch r i f t b au h au s . bauhaus, Jahrgang 5, Heft 3, 1931. Faksimile­Nachdruck in Zusammenarbeit mit dem Bau­haus­Archiv Berlin, Kraus Reprint, Nendeln (Liechtenstein), 1977, Stiftung Bauhaus Dessau (Reprint) / Bauhaus­Archiv Berlin (Original) / © VG Bild­Kunst Bonn, 2011

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3 2 — 3 3 b a u h a u s — A u s g a b e 1

d e r k ü n s t l e r a l s l e h r e r —

von der unmöglichkeit, kunst zu unterrichten

das zentrum paul klee in bern forscht zum unterricht des künstlers am bauhaus. ein gespräch über seine auseinan­dersetzung mit den farben, seinen naturbegriff und die schwierigkeit, intuition zu vermitteln

T i t e l t h e m a : D e r K ü n s t l e r a l s L e h r e r

[ links ] de r kü nst l e r u n d se i n vor l esu ngssk r i p t, um 1928. Paul Klee, Bildnerische Gestaltungslehre: Bildnerische Gestaltung, um 1928, Feder auf Papier, 329 x 210 mm, Zentrum Paul Klee, Bern (PN9 M8/3). [ unten ] de r kü nst l e r i n se i n em at e l i e r i m dessau e r m e ist e r h aus, 1927. Fotoab­zug, Silbergelatinepapier, 175 x 230 mm, Foto: Lucia Moholy, Bauhaus­Archiv Berlin (F 12434/60.1) / © VG Bild­Kunst Bonn, 2011

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3 4 — 3 5 b a u h a u s — A u s g a b e 1

Den Vorlesungsmanuskripten für Paul Klees Unterricht am Bauhaus widmet sich das Berner Zentrum Paul Klee in einem dreijährigen Forschungsprojekt. Der Künstler bereitete sich akribisch auf seine Vorlesungen vor, die alle zwei Wochen stattfanden. In der Zwischenzeit lösten die Studierenden seine Übun­gen. Aus dem Material wird ersichtlich, dass sich Klee in Weimar noch ganz darauf konzentrierte, seine Beispiele aus der Natur zu erklären, in Dessau aber viel selbstbewusster auf solche Anleihen verzichtete und weitaus theoretischer agierte. Dem Projekt, an dem Fabienne Eggelhöfer und Marianne Keller vom Zentrum Paul Klee arbeiten, geht es um ein neues Verständnis von Klees bildnerischer Gestaltungslehre. Nicht länger soll diese bloß als Anleitung zur Interpretation seines künstlerischen Werks gelesen werden, sondern als pä­dagogisches Material in seiner Originalität zur Geltung kommen. 3.900 Ma­nuskriptseiten werden in einer Online­Datenbank öffentlich zugänglich ge­macht. Das gesamte Material wird nach Klees Inhaltsverzeichnis in 24 Kapi­tel geordnet und mit einer kurzen Einführung versehen. Das Berner Zentrum will weitere Forscher motivieren, das Material zu durchforsten. Im Sommer 2012 wird es zur Bedeutung Klees als Lehrerpersönlichkeit eine Ausstellung in der Fundacion Juan March in Madrid geben. Wie der Künstler Handwerk vermittelte, warum das Wort ‹Intuition› in seinen Vorlesungen so gut wie nie vorkam und wie er selbst zum Lehrer wurde, darüber sprachen Philipp Oswalt und Wolfgang Thöner mit Michael Baumgartner, Leiter der Abteilung Samm­lung, Ausstellungen und Forschung am Zentrum Paul Klee, und mit der Kon­servatorin für Forschung, Dokumentation und Bibliothek, Christine Hopfen­gart. Es wurde ein Gespräch über den Kosmos Klee.

P h i l i p p O s w a l t : Paul Klee ist als ein zentraler Pädagoge des Bauhauses bekannt, nicht zuletzt durch sein legendäres Pädagogisches Skizzenbuch von 1925, ein Buch, in dem er sein Lehrkonzept ausführlich darlegt. Doch welche Ausbil­dung hat er selbst genossen? Wie wurde er überhaupt Künstler?

C h r i s t i n e H o p f e n g a r t : Klee versuchte, an die Münchner Kunstakademie zu kom­men. Nachdem er dort, wie auch manch andere Künstler, zum Beispiel Kan­dinsky, zuerst abgewiesen worden war, ging er an eine Privatschule. Mit dieser Zusatzausbildung im Rücken bewarb er sich beim damaligen Münchner Ma­lerfürsten Franz von Stuck und nahm dort Unterricht im figürlichen Zeich­nen. Dabei wurde er aber nicht glücklich, ähnlich wie Kandinsky. Beide haben nach einem Semester wieder aufgehört. Dann zog sich Klee in sein Elternhaus nach Bern zurück, um dort eine Art Selbstausbildung zu betreiben. Das muss ein relativ langer und, wenn man seinem Tagebuch folgt, auch emotional schmerzhafter Prozess gewesen sein. Klee plagten ständig Selbstzweifel, er schwankte zwischen der älteren Kunstlinie des Impressionismus, symbolisti­schen Einflüssen und eigenen Vorstellungen einer ima ginativen Kunst. Er pen­delte zwischen Gesehenem und Erfundenem, sichtbar auch in verschiedenen Klassen von Zeichnungen — nach Naturvorbild und ohne Naturvorbild. Das ging immerhin fast zehn Jahre lang so, bis er begann, sich dem zu nähern, was er ‹das Angeborene› nennt. Sein oberstes Ziel war absolu te Authentizität: Er wollte eine Ausdrucksform finden, die ganz individuell, ganz persönlich ist. Dennoch muss man natürlich sagen, dass er sich an vielen Vor bildern orien­tiert hat, sie aber immer wieder verwarf, um dieses ‹Angeborene› zu finden. p

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T i t e l t h e m a : D e r K ü n s t l e r a l s L e h r e r

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3 6 — 3 7

B a u m g a r t n e r : Es tritt etwas in den Hintergrund. Aber es ist natürlich faszinierend, wie Klee zum Beispiel das Wachsen eines Blattes untersucht und es in ver­schiedenen Varianten durchspielt.

H o p f e n g a r t : In Dessau ist er formalisierter. In Weimar versucht er noch, Naturer­scheinungen strukturell zu durchschauen. In Dessau geht Klee mehr von For­menprinzipien aus, es ist weniger das analytische Nachspüren von Strukturen der physischen Erscheinung.

O s w a l t : Kann man sagen, in Dessau ist Klee konstruktivistischer?H o p f e n g a r t : Ja, genau. Klee ist in Dessau vom Konstruktivismus beeinflusst, was

das Forscherisch­Analytische aus der Weimarer Zeit mit einem stärkeren geo­metrisierten Schematismus verbindet. Das Schematisch­Künstlerische wird stärker, das Analytisch­Beobachtende tritt zurück.

O s w a l t : Hat das einen Rückfluss auf sein künstlerisches Schaffen? Gibt es eine Be­ziehung zwischen dem pädagogischem Arbeiten und künstlerischem Schaffen?

H o p f e n g a r t : Man muss sich davor hüten, allzu schnell Schemen seiner Lehre auf sein Werk zu übertragen. Sein Werk ist sicherlich nicht die Verbildlichung sei­ner Lehre. Klee hat immer Freiheit von der Lehre für sich beansprucht und hat seine Ferien nach Belieben ausgedehnt. Dieses Spannungsverhältnis zwi­schen Lehre und künstlerischer Freiheit muss man unbedingt mitbedenken.

T h ö n e r : Man kann aber durchaus sagen, dass er bewusst eine problemhafte Situa­tion für die Studierenden erzeugen wollte und dafür auch verschiedene Lösun­gen akzeptierte. Es gibt die Erinnerung von Helene Nonne­Schmidt an den Unterricht bei Klee, als er sagt: «Das ist eine Methode, die ich euch hier zeige, ich bediene mich ihrer übrigens nicht.»

H o p f e n g a r t : Klee und Kandinsky waren sich oft im Formalen und von den Ele­menten her ähnlich. Sie unterschieden sich in der Vermittlung ihrer Lehre. Während Kandinsky ein Lehrbuch schrieb, versuchte Klee, die Künstler zu ei­ner eigenen Formensprache zu bringen. Bei allen verborgenen Richtlinien hat er immer wieder darauf hingewiesen: Das ist ein Vorschlag, jeder muss aber seinen eigenen Weg finden.

B a u m g a r t n e r : Zentral für Klees künstlerisches Schaffen und auch seine Pädago­gik ist das Werden und der Prozess. Er denkt nicht, ich mache jetzt ein Bild, das so aussehen soll, sondern er beginnt mal mit dem Punkt in Bewegung, gibt die Linie und entwickelt das immer mehr, wo er noch nicht genau weiß, wie das endet. Gestaltung soll sich entwickeln und sich nicht auf ein Resultat kon­zentrieren. Es geht ihm um diesen Arbeitsprozess.

O s w a l t : Klee hat in den ersten Jahren am Bauhaus keine Künstler ausgebildet, son­dern Gestalter — Architekten, Textil­ und Möbelgestalter, Grafiker usw. Er hat also eine Lehre für eine ganz andere Profession konzipiert. Hat das für seine Konzeption eine Rolle gespielt oder waren die Fragen von grundlegender Natur?

H o p f e n g a r t : Darüber gibt es keine Aussagen. Dabei wäre es interessant zu erfah­ren, wie er künstlerische Prinzipien an Leute vermittelt hat, die eigentlich keine Künstler werden wollten. Ich glaube, dass er vielleicht in der Reduktion auf eine Elementarlehre darauf rekurriert hat, dass er denen vermittelt, die in verschiedenen Formen des visuellen Gestaltens und nicht nur des Künstleri­schen tätig sind.

T h ö n e r : Klee hat eine Zeit lang auch speziellen Unterricht für die Weberei gege­ben, wo man dann solche Einflüsse direkt formal am besten nachweisen kann. In den anderen Disziplinen ist das natürlich viel vermittelter.

O s w a l t : Wie hat er das gefunden? Hat er es im Zeichnen entdeckt, hat er gelesen, ist er in Museen gegangen, hat er sich Bilder angesehen?

H o p f e n g a r t : Er hat in erster Linie gezeichnet. Vielleicht auch, weil er lange Schwie­rigkeiten mit Farbe hatte. Von einigen Versuchen in Ölmalerei einmal abgese­hen, war das Zeichnen sein eigentliches Metier.

M i c h a e l B a u m g a r t n e r : Wichtig war ihm auch die Auseinandersetzung mit Licht. Er hat in Abstufungen von Hell zu Dunkel und umgekehrt gearbeitet und dies sehr differenziert in Aquarelle umgesetzt.

Wo l f g a n g T h ö n e r : Aber er macht es ja nicht allein, er kennt Künstlerfreunde. Schon bei Stuck ist er mit Kandinsky befreundet, dann folgt die berühmte Reise nach Nordafrika …

B a u m g a r t n e r : Genau. 1914 unternimmt er diese Reise mit Franz Marc und ande­ren Malerfreunden. Bis dahin ist sein Werk vom Autodidaktischen, vom Sich­selber­Suchen dominiert.

H o p f e n g a r t : Zugespitzt könnte man sagen, dass er sich regelrecht selbst isoliert hat. Sie fragten auch, ob er in Museen gegangen ist, ob er gelesen hat. Er hat gelesen, aber vor allem Belletristik, kaum Kunstbücher. In der Zeit seines Ber­ner Rückzugs hat er auch mal geschrieben, dass er jetzt nicht in einer Metropo­le leben möge, weil er dann zu viel sehen könnte, was seinen Bemühungen nicht guttun würde.

O s w a l t : Interessant ist, was Sie über die systematischen Abstufungen sagen. Das lässt sich zum Beispiel auch bei Kurt Kranz finden, der 1930 ans Bauhaus kam und unter anderem bei Klee studierte. Gibt es denn diese Systematik auch im Zeichnerischen?

B a u m g a r t n e r : Ja. Auch im Zeichnerischen hat er verschiedene Formen von Linien untersucht. Da gibt es die Linie, die fließt, und die, die gebrochen ist. Klee sagt, man müsse die Linie auch unterbrechen. Er will herausfinden, wie man visu­elle Wirkungen mit traditionellen Mitteln erreichen kann. Klee experimen­tiert viel und gewinnt darin eine unglaubliche Sicherheit. Es gibt bei ihm kei­nen Ausschuss, er muss nichts wegwerfen, alles ist im Fluss.

O s w a l t : Dieser Weg der eigenen Ausbildung ist radikal. Wie schlägt sich dieses Selbststudium in der Lehre nieder, die Paul Klee nach seiner Berufung ans Weimarer Bauhaus 1921 praktiziert? Womit beginnt er zu unterrichten?

B a u m g a r t n e r : Er beginnt mit dem Punkt, der sich in Bewegung setzt. Vom Punkt kommt er zum Linearen, von dort zur Fläche, dann zum Raum. Der Punkt ist für Klee eine Energieform, die sich in verschiedenen Varianten entwickelt, aus der dann Form entsteht. Dann kommt sehr schnell der Naturbezug. Klee ver­sucht diese Energie auch in der Natur zu zeigen. Er findet Bespiele und Aufga­benstellungen, er gibt Kommentare zu den Schülerarbeiten.

H o p f e n g a r t : Klee hat aus dieser Selbstausbildungszeit etwas mit ans Bauhaus ge­nommen: seine Art zu zeichnen, diese Unbeholfenheit, die sogenannte Kind­lichkeit. Seine Beschäftigung mit den Farben verläuft getrennt von seinen Zeichnungen. Gleichzeitig lassen seine Schichtaquarelle aus der Bauhauszeit erahnen, dass er mit den Farben systematischer arbeitet, seine Zeichnungen eher seinen Bewegungsstimuli entspringen. Klee war am Bauhaus in den ers­ten Jahren selbst der Schüler. Er war gezwungen, sein eigenes Tun zu systema­tisieren.

T h ö n e r : Bekannt sind Klees Bilder aus der Natur und der Wissenschaft. Hat das auch in der Dessauer Zeit noch eine Rolle gespielt?

pau l k l e e, i de e u n d st rukt u r des sta at l ich e n bau-h auses, 1922. Unterrichtsschema für das Staatliche Bauhaus Weimar, Tuschefeder auf dünnem Papier, 250 x 211 mm, Bau­haus­Archiv Berlin (F 1998/23)

b a u h a u s — A u s g a b e 1 T i t e l t h e m a : D e r K ü n s t l e r a l s L e h r e r

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3 8 — 3 9 b a u h a u s — A u s g a b e 1

H o p f e n g a r t : Ja, in der Weberei kann man es direkt festmachen. Man erkennt vor allem das Quadratschema und das Schema dieser horizontalen Parallelstaffe­lungen.

O s w a l t : Es gibt von Klee ja die bekannte Skizze zum Lehrkonzept des Bauhauses insgesamt, bei dem die Bühnen und der Bau im Zentrum eines Kreises stehen. In welchem Verhältnis steht Klees eigenes Lehrkonzept zum Ausbildungskon­zept des Bauhauses insgesamt?

B a u m g a r t n e r : Klee integrierte sein Lehrkonzept in das übergeordnete Modell des Bauhauses. So ging er in der allgemeinen bildnerischen Form­ und Gestal­tungslehre auf spezifische Aspekte des Materials ein und thematisierte Grund­lagen der Architektur, indem er diese in seinem Unterricht in bildnerische Fragestellungen zur Statik und zum Gleichgewicht übersetzte.

O s w a l t : Eine Grundsatzfrage noch. Bei Bildung und Pädagogik stellt sich die Fra­ge nach der Wirkung: Was ist bei den Schülern hängen geblieben? Hatte Klee bedeutende Schüler? Was ist da zu erkennen?

B a u m g a r t n e r : Alle Schüler Klees haben seinen Unterricht in den höchsten Tönen gelobt, vor allem, wie inspiriert sie davon waren. Es gab einige große Künstler wie Max Bill oder Fritz Winter. Doch bei vielen erkennt man auch Epigonales. Die Arbeiten wirken immer noch sehr ‹kleeisch›. Wahrscheinlich ist das auch nicht anders möglich, weil sein Unterricht doch stark von seinem Individuum als Künstler geprägt war.

H o p f e n g a r t : Ich glaube, Klees Rolle als Lehrer ist schwer zu fassen. Sie ist geprägt von künstlerischem Denken, vom Philosophieren über Kunst, vom Vermitteln einer künstlerischen Haltung. Das ist wesentlich wichtiger als das, was dann visuell bei Schülern oder Nachahmern, die es dann in den Fünfzigerjahren so viele gab, herausgekommen ist. Und dann gibt es da noch einen schwierigen Widerspruch: Er versuchte, die Künstler zur individuellen Selbstfindung zu bringen. Und riskierte, dass sie zu Nachahmern wurden. Von der Individuali­tät seines eigenen künstlerischen Ausdrucks haben sich seine Schüler wenig befreien können. Das Produktivste war, dass Klee mit bestimmten Einsichten ein Denken zwischen Realität und Abstraktion, zwischen künstlerischer Selbstständigkeit, also eigenen künstlerischen Gesetzen, und der Verbindung zur Realität evoziert hat. Also eine Vermittlerfunktion zwischen dem, was die Konstruktivisten zum Beispiel gelehrt haben, dieses künstlerische Eigensys­tem, und einem Nachahmen im Realitätsbezug. Da hat er Wichtiges bewirkt. Aber das hat sich nirgendwo in einer starken künstlerischen Persönlichkeit manifestiert.

O s w a l t : Ist es in der Kunstgeschichte nicht die Ausnahme, dass ein Künstler Schü­ler hat, aus denen dann auch bedeutende Künstler werden? Beuys ist vielleicht eine solche Ausnahme, am Bauhaus am ehesten Albers. Bill zum Beispiel ist sicher mehr von Albers beeinflusst als von Klee oder Kandinsky. Das sind Aus­nahmefiguren, aber sonst kommt mir kaum jemand in den Sinn.

B a u m g a r t n e r : Eben. Kunst ist nicht lehrbar. Das hat auch Klee gesagt.O s w a l t : Ist es vorstellbar, dass Klee einen Einfluss auf die Entwicklung der Grafik

am Bauhaus hatte? H o p f e n g a r t : Das kann ich deswegen nicht beantworten, weil ich nicht weiß, wel­

che Ausbildung die Grafiker hatten. Es fällt natürlich auf, dass bestimmte Elemente, wie zum Beispiel der Pfeil, vorkommen. Sind das aber Klees Zei­chen oder sind das Zeichen, für die es innerhalb der Gebrauchsgrafik eine ei­gene Tradition gab? Diese Wechselwirkungen sind ein hoch interessantes Feld, auch weil wir von der ‹Klee­Fraktion› natürlich von der bisherigen Forschung

a l m a e l se e ngem a n n, m i tsch r i f t aus dem u n t e r r ich t be i pau l k l e e, 1928. Unterrichtsmanuskript Angewandte Kraftlehre, Blatt 8, Blei­ und Farbstif­te auf kariertem DIN­A4­Papier, Stiftung Bauhaus Dessau

T i t e l t h e m a : D e r K ü n s t l e r a l s L e h r e r

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4 0 — 4 1 b a u h a u s — A u s g a b e 1

Michael Baumgartner, geboren 1952, ist seit 2006 Leiter der Abteilung

Sammlung, Ausstellungen und Forschung am Zentrum Paul Klee in Bern.

Gemeinsam mit Christine Hopfengart , Konservatorin für Forschung, Doku­

mentation und Bibliothek, gehört er zu den besten Kennern des Werks von

Paul Klee. Philipp Oswalt , geboren 1964, ist Direktor der Stiftung Bauhaus

Dessau. Wolfgang Thöner , geboren 1957, leitet die Sammlung der Stiftung.

Die Stiftung Bauhaus Dessau bereitet zurzeit eine Dauerausstellung im

Meisterhaus Klee/Kandinsky vor, die den Bauhausmeister Paul Klee und

seine Schüler vorstellen wird. Die Eröffnung ist für Herbst 2012 geplant.

gewohnt sind, dass sich alles auf ihn fokussiert. Erst seit einigen Jahren sind wir verstärkt dabei, diese Wechselbeziehungen mit anderen Künstlern zu er­forschen.

O s w a l t : Also auch mit der Musik und dem Theater? H o p f e n g a r t : Musik und Theater spielen eine große Rolle. Uns geht es aber auch

ganz aktuell darum, wie sich Klee und Picasso ausgetauscht haben. Das Bau­haus ist da natürlich an erster Stelle zu nennen, doch vieles ist noch ziemlich unerforscht, immer nur punktuell, wie zum Beispiel die Wechselwirkung bei den Farblichtspielen Hirschfeld­Macks und Klees Aquarellen. Aber noch mal zurück zu seinen Vorlesungsnotizen. Sie sind eben keine Skizzen für seine Kunstwerke. Ich denke, unser Forschungsprojekt ist ein Versuch, Klees künst­lerisches Schaffen quasi als ‹Echoraum› zu seinem Unterricht zu verstehen. Zentral für Klees künstlerisches Schaffen und auch seine Pädagogik sind das Werden und der Prozess. Er beginnt seine Bilder nicht mit einer fertigen Vor­stellung vom Ergebnis, sondern mit dem Punkt in Bewegung, der Linie. Von dort aus entwickelt er seine Werke, ohne anfangs genau zu wissen, wie das en­det. Gestaltung soll sich entwickeln und sich nicht auf ein Resultat konzent­rieren. Es geht ihm um diesen Arbeitsprozess.

[ links ] m a rga r e t h a r e ic h a r d t, s c h ü l e r a r b e i t e n au s d e m u n t e r-r ic h t b e i pau l k l e e , 1926. Zeichnungen, Bleistift auf verschiedenen Pa­pieren, 210 x 142 mm bis 285 x 225 mm, Stiftung Bauhaus Dessau / © Gisela Kaiser. [ oben ] ko n r a d p ü s c h e l , v e r s c h i e bu n g d e s z e n t ru m s i m qua-d r at (g e l b) u n d n a c h au s s e r h a l b (r o t) , 1926/27. Übung aus dem Unterricht der Formenlehre bei Paul Klee, Stiftung Bauhaus Dessau

T i t e l t h e m a : D e r K ü n s t l e r a l s L e h r e r

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5 8 — 5 9 b a u h a u s — A u s g a b e 1 D i e B a u h a u s s t a d t

v o n : p h i l i p p o s w a l t

die gleichzeitigkeit von lokalem engagement und inter­nationaler vernetzung war das geheimnis der dessauer phase des historischen bauhauses — und hier liegt die zukunft der stiftung

Das Bauhaus hatte den Anspruch, den Lebensalltag der modernen Welt neu zu gestalten: vom Teelöffel bis zur gesamten Stadt. In mancher Hinsicht war es mit seinen experimentellen Gestaltungen dabei erstaunlich erfolgreich und ist dafür heute weltbekannt, in mancher Hinsicht aber scheiterte es grandi os — oder kläglich. Zum Mythos stilisiert ist das Bauhauserbe heute seinem Ent­stehungszusammenhang entrissen. Die zu Ikonen eingefrorenen Objekte und Bilder haben in jedes der Moderne gewidmete Kunst­ und Designmuseum Ein­gang gefunden, sind ein Kernstück jedes Buchs über Gestaltung im 20. Jahr­hundert und tauchen als Reproduktion oder Replik in unseren heutigen Kon­sumwelten auf. Doch die so fetischisierten Gegenstände erzählen nur noch wenig über den geistigen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhang, aus dem sie hervorgegangen sind; über die Widersprüche und Konflikte, denen sie unterlagen; über Einflüsse und Konkurrenzen. Sie erscheinen zeitlich und räumlich entrückt als platonische Idealformen, die sich selbst genügen.

So wirkt auch das Bauhausgebäude in Dessau für viele bis heute wie ein zufällig gelandetes Ufo, weitgehend bezugslos zu seinem Umfeld, über unzählige Ab­bildungen und Abhandlungen verortet in der internationalen Kunstgeschich­te, aber seinem eigenen physischen Standort entrückt.

Nun ist nicht zu bestreiten, dass eine solche Lesart bereits im historischen Bau­haus selbst angelegt war: in seiner Suche nach einer international gültigen Gestaltung, in seiner Funktion als Schmelztiegel der europäischen Avantgar­den, der unzählige Einflüsse in sich aufnahm, in der Migration der Institution selbst wie ihrer Lehrer und Schüler. Doch dies ist nur eine Lesart und nur die halbe Wahrheit. Gerade vor dem Erfahrungshintergrund einer fortgeschritte­nen Globalisierung haben wir gelernt, das kulturelle Produktion zwar einer­seits wesentlich durch globale Einflüsse geprägt, aber zugleich auch ortsbezo­gen ist, sich ihrem jeweiligen lokalen Kontext und Milieu nicht entziehen kann. Und so haben sich den letzten Jahren mehrere Publikationen und Ver­anstaltungen mit dieser anderen Seite des Bauhauserbes befasst, seien es Wal­ter Scheiffeles Buch Bauhaus, Junkers, Sozialdemokratie. Ein Kraftfeld der Moderne, 1 der dem ‹Migrant Bauhaus› gewidmete Tag des Kolloquiums Bau-haus global , 2 die Ausstellung Bauhausstadt Dessau 3 und Regina Bittners Buch Bau hausstadt .4

von dessau in die weltd ie b au hau s s t adt —

1931 i n b e vo r z ugt e r l age : jo o s t s c h m i d t s b l ic k au f di e b au h au s s ta d t. Faltblattprospekt Dessau, Stiftung Bauhaus Dessau / © VG Bild­Kunst Bonn, 2011

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heute mit seinem Namen verbinden. Voraussetzung war die Synergie zwischen einem international orientierten künstlerischen Netzwerk, das von der Sowjet­union bis in die Vereinigten Staaten reichte, und einem lokalen Milieu, das li­beral, gesellschaftlich engagiert, industriell und technologisch innovativ ge­prägt war. Dieses Zusammenspiel war es, das Dessau von den Bauhausorten Weimar und Berlin unterschied und zur Bauhausstadt machte.

Der Begriff der ‹Bauhausstadt› wird heute in Dessau jedoch nicht nur als Um­schreibung einer historischen Situation gesehen, sondern auch als program­matischer Slogan für die zukünftige Entwicklung der Stadt. Sicherlich kann die Perspektive für die seit 20 Jahren stark schrumpfende Stadt nicht allein aus einem Rückgriff auf eine recht kurze, wenn auch besonders glückliche Phase ihrer historischen Entwicklung formuliert werden. Doch für die Stif­tung Bauhaus Dessau benennt der Begriff ‹Bauhausstadt› in mehrfacher Hin­sicht eine wichtige Perspektive: Zuallererst hat er das Potenzial, den jährlich über 100.000 Bauhausbesuchern in Dessau einen anderen, neuen Blick auf das Bauhaus zu eröffnen. Durch die Einbeziehung aller Bauhausbauten und sons­tigen Bauhausorte in Dessau kann eine andere Bauhausgeschichte erzählt werden, die nicht rituell die immer gleichen ikonischen Objekte und Bilder wiederholt, sondern den Mythos wieder räumlich und zeitlich verortet und in seinen gesellschaftlichen Kontext stellt. Es geht dabei darum, auch all die Wechselwirkungen, Widersprüche und Konflikte offenzulegen, ebenso wie seine — jenseits jeglicher kunsthistorischen Einordnung bestehende — ge­sellschaftliche Relevanz. Das Bild des Bauhauses wandelt sich dann von einem isolierten Raumschiff zu einem wichtigen Knotenpunkt in einem weit aus­greifenden Kraftfeld der Moderne (Walter Scheiffele) — einem Kraftfeld, das in der mitteldeutschen Industrieregion zwischen Dessau, Magdeburg, Halle und Leip­zig in den Zwanzigerjahren eine besondere Intensität entfaltet hatte.

Für uns als Stiftung Bauhaus Dessau bedeutet dies zunächst, ein neues Vermitt­lungskonzept und neue Bildungsangebote zu entwickeln. Das geplante Besu­cher­ und Ausstellungszentrum soll eine Einführung in diese Inhalte geben und den Besucher zu den verschiedenen Orten des Bauhauses und der Moderne in Stadt und Region führen. Neue Informationsangebote wie etwa die bereits für dieses Jahr vorgesehene Besucherinformation im Konsumgebäude Törten oder eine beabsichtige dezentrale Bauhausausstellung in der Dessauer Innen­stadt sollen an historischen Orten die erwähnten Zusammenhänge vermit­teln. Parallel dazu soll die bereits seit 2009 intensivierte Zusammenarbeit mit den der Aufklärung und Moderne verpflichteten Einrichtungen weiter ausge­baut werden — von der Kulturstiftung Dessau­Wörlitz über das anhaltische Theater, die Kurt­Weill­Gesellschaft und das Technikmuseum Hugo Junkers bis hin zum Umweltbundesamt und der Hochschule Anhalt. Für 2014 strebt die Stiftung eine Landesausstellung an, die die Zusammenhänge in einem größeren regionalen Kontext vermitteln soll — einschließlich der zentralen Gegenfigur des Bauhauses, dem ebenfalls aus Sachsen­Anhalt stammenden Architekten Paul Schultze­Naumburg.

Der Begriff Bauhausstadt verweist auf die Verantwortung der Stiftung für die Stadt und die Relevanz des Ortes für die Arbeit der Stiftung. Und zugleich gilt heute wie damals: Die Arbeit der Stiftung kann nur gelingen, wenn sie die Ba­lance und eine Synergie zwischen lokalem Engagement und internationaler Präsenz entwickelt. Beide Sphären müssen sich wechselseitig ergänzen und befruchten. Nur in einer solchen Verknüpfung erscheint es uns vorstellbar, Re­levanz und Aktualität zu entwickeln. ›››

Das historische Bauhaus war in den 14 Jahren seiner Existenz selbst eine — er­zwungenermaßen — von Weimar nach Dessau, dann nach Berlin migrierende Institution. Jeder dieser drei Orte steht für eine andere Phase der Institution und stellte für sie jeweils einen anderen Kontext dar. Wirklich frei gewählt war davon allein Dessau, und so überrascht es wenig, dass es hier zur stärksten Inter­aktion zwischen Hochschule, Stadt und Region kam. Während das Bauhaus sich mit seiner Übersiedlung nach Berlin schon quasi auf dem Sterbebett befand, ist Weimar der Gründungsort für das Bauhaus, das hier aus der Fusion zweier Hochschulen hervorging, die schon zuvor bestanden hatten und auch nach dem Weggang des Bauhauses weiter existierten. Einerseits gab es hier mit Henry van de Velde als gewichtigem Pionier der Kunstschulreformbewegung und mit den Avantgardemilieus des Weimarer und Jenaer Großbürgertums wesentliche Vor­aussetzungen für die Entstehung des Bauhauses. Andererseits bleibt die bald ei­ner Einheit von Kunst und Technik verschriebene Institution diesem Ort weit­gehend fremd, der kaum von modernen Industrien, Arbeiterbewegung und So­zialdemokratie geprägt war, also jenen für die Entfaltung und Blüte der klassi­schen Moderne zentralen Milieus. Von Anfang an stand das Bauhaus in politi­scher Kritik, doch nachdem die konservativen Kräfte im thüringischen Landtag die Oberhand gewonnen und mit dem Finanzstopp dem Bauhaus die Existenz­grundlage genommen hatten, war sein Ende in Weimar besiegelt.

Mehrere Städte bewarben sich um die Ansiedlung der damals schon internatio­nal bekannten Schule. Die Entscheidung des Meisterrats für Dessau war kein Zufall. Die Stadt war Teil der mitteldeutschen Industrieregion, eines Silicon Valleys der damaligen Zeit. Hier befanden sich global führende Hochtechnolo­giefirmen, unter anderem die Junkers­Flugzeugwerke in Dessau, die Filmfab­rik in Wolfen und die Chemieindustrien in Leuna und Bitterfeld — gute Vor­aussetzungen für die Suche nach der neuen Einheit zwischen Kunst und Tech­nik. Zum anderen warb ein städtisches Bündnis von Politik, Wirtschaft und Kultur um das Bauhaus, namentlich Fritz Hesse als Oberbürgermeister, Hugo Junkers als Industrieller und Karl Ludwig Grote als Landeskonservator. Ge­stützt waren sie von einem progressiven, liberalen und sozialdemokratischen Milieu, welches auch die politische Mehrheit im Dessauer Stadtrat stellte.

Die Übersiedlung des Bauhauses nach Dessau bedeutete nicht allein einen Stand­ortwechsel der Institution. Vielmehr begann eine neue Phase der Entwick­lung des Bauhauses: Nun sollte der Anspruch, moderne Alltagswelt zu gestal­ten, Wirklichkeit werden. Die Stadt Dessau übertrug dem Bauhaus ein um­fangreiches Bauprogramm, Aufträge von Genossenschaften wie auch privaten Bauherren folgten; eine intensive Kooperation mit Handwerks­ und Industrie­betrieben wie den Junkerswerken in Dessau oder der Kandem­Leuchten GmbH Leipzig begann ebenso wie die Zusammenarbeit mit den ansässigen Kultur­einrichtungen — ob Theater oder Gemäldegalerie, Museum oder Bibliothek. Es entstanden Einzelbauten und ganze Siedlungen, Inneneinrichtungen und Bühnenbilder, Messestände und Werbeprospekte, Möbel und Gebrauchsge­genstände, Bücher und Zeitschriften, Filme und Illustrationen. Die gestalteri­sche Arbeit des Bauhauses wurde nun erstmals in substanziellem Ausmaß in die gesellschaftliche Alltagspraxis überführt, in Gebrauch gebracht. Wider­sprüche und Konflikte wurden offenbar, Konkurrenzen spürbar, und im Pra­xistest seiner realen Umsetzung erhielt das künstlerische Schaffen zentrale Impulse für eine rapide Weiterentwicklung. So entfaltete das Bauhaus in den sieben Dessauer Jahren unter drei verschiedenen Direktoren seine bedeu­tendste Schaffensphase, die den Großteil der Klassiker hervorbrachte, die wir

Bauhausbauten

Weitere Bauten der Moderne

Bauten und Orte der Aufklärung

Dezentrale Präsentation

Orientierung und Erschließung

5km Entfernung

Besucherzentrum

Siedlung Törten

1_Walter Scheiffele: Bauhaus, Junkers, Sozialdemokratie. Ein Kraft-feld der Moderne. Berlin 2003. 2_Bauhaus global. Tagung im Bauhaus­Archiv Berlin und Bauhaus Dessau. Berlin, Dessau­Roßlau 2009. Siehe dazu auch den Buchhinweis auf Seite 97. 3_Bau-hausstadt Dessau. Ausstellung im Bauhaus Dessau. Dessau 2009/10.

4_Regina Bittner: Bauhausstadt. Frankfurt am Main 2010.

D i e B a u h a u s s t a d t

Philipp Oswalt , geboren 1964, ist Architekt und Publizist aus Ber­

lin. Seit 2009 ist er Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, seit

2006 Professor für Architekturtheorie an der Universität Kassel.

Vorher war er unter anderem Mitarbeiter im Büro von Rem Kool­

haas, Redakteur der Zeitschrift ARCH+ und leitender Kurator

des Forschungs­ und Ausstellungsprojekts Shrinking Cities, eines

Initiativprojekts der Kulturstiftung des Bundes.

2014 v e r n etzt u n d e r sch losse n: de r pl a n de r st i f-t u ng bau h aus dessau f ü r di e bau h aussta dt. Grafik: Yvonne Tenschert, Stiftung Bauhaus Dessau, 2011

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wer will schon die gropius-operette ?

regina bittner, rolf kuhn und philipp oswalt jedenfalls nicht — ein gespräch, 17 jahre nach stiftungsgründung, oder: wie dessau sein bauhaus wiederentdeckte

Das Erbe des Bauhauses anzutreten, ist eigentlich eine Unmöglichkeit. Und in gewisser Weise auch paradox, denn die Moderne ist zur Tradition geworden, obwohl sie doch einst aus einem Bruch mit derselben hervorgegangen war. Gleichzeitig muss jede Aktualisierung des Bauhauses anmaßend wirken. Die Fußstapfen von Gropius, Moholy­Nagy, Klee, Schlemmer oder Albers erweisen sich immer noch als zu groß. Wie kann es trotzdem gelingen, sich dem großen Erbe zu nähern? Welche Antwort auf diese Frage gibt die Stiftung Bauhaus Dessau mit ihrem Doppelauftrag, einerseits das Erbe zu bewahren, anderer­seits an Fragen der Gegenwart zu arbeiten? Darüber sprachen der erste Stif­tungsdirektor Rolf Kuhn, der schon ab 1987 im Auftrag der DDR das Bauhaus Dessau wieder ins Bewusstsein rückte, Philipp Oswalt, der die Stiftung seit März 2009 leitet, und die stellvertretende Direktorin Regina Bittner, die in ih­rem aktuellen Buch die Identitätssuche Dessaus auf den Spuren der Moderne beschrieben hat.

Herr Kuhn, unser Gespräch dreht sich um die Frage, ob es schwierig ist, das Bauhauserbe anzutreten. Als Sie vor mehr als 20 Jahren ans Bauhaus Dessau kamen, sahen Sie sich mit einem großen Nachholbedarf konfrontiert. Die Men-schen im Osten Deutschlands wussten nach den Jahrzehnten der verordneten Ignoranz zu wenig über diese Schule. Wie sind Sie damals vorgegangen?

K u h n : Als ich nach Dessau kam, war mir klar, dass ich mir da etwas aus der Ge­schichte auf die Schultern geladen hatte, was die eigene Freiheit beschwerte. Man kommt aber aus dem Dilemma nicht heraus und kann auch nicht nahtlos an diese große Geschichte anknüpfen. Es war völlig klar, dass das Haus, das so lange ignoriert wurde, seine eigene Geschichte präsentieren, zum Teil auch erforschen musste. Gleichzeitig wollte ich aber immer, dass es auch ein Werk­statthaus wird, in dem aktuelle Fragen behandelt und Experimente unter­nommen werden. Der dritte Punkt, der zu meinem Ärger immer etwas zu kurz kam, war das Thema Akademie. Die Pädagogik des Bauhauses wurde immer etwas stiefmütterlich behandelt. Als wir 1994 die Stiftungsgründung vorbe­reiteten, war das Dreisäulenmodell — Sammlung, Werkstatt, Akademie — die wesentliche Grundlage für die Finanzierung durch den Bund. Letztlich hat es sich als stabil erwiesen.Lag für Sie der Reiz des Bauhauserbes vor allem in der Idee und der Theorie?

K u h n : Wir haben eigentlich nach einer plakativen Formel gearbeitet: Die Form ins Museum, den Geist in die Arbeitsräume. Damit sollte zum Ausdruck kom­men, dass uns vor allem die Methoden interessierten, wie das Bauhaus auf ge­sellschaftliche Probleme reagiert hat, wie es ihm gelungen war, gegen den Strich zu bürsten. Genau das brauchte die DDR. Als wir 1988 das erste interna­tionale Walter­Gropius­Seminar veranstalteten, wollten wir schlicht die Plat­tenbauweise revolutionieren. Damals verfielen die Innenstädte und wurden von monotonen Plattenbauten bedroht. Es ging uns darum, eine Bauweise zu entwickeln, die flexibler auf die Städte reagiert und gestalterisch anregender

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als wir die Stadt und die Region, das Industrielle Gartenreich zum Experimen­tierfeld erkoren.

B i t t n e r : Interessant ist ja, dass sich — schon, wenn man die unterschiedlichen Rezeptionen des Bauhauses in Ost und West betrachtet — eine Kontinuitätsli­nie herstellt zu dem, was dann nach 1990 an thematischer Ausrichtung entwi­ckelt wurde. So ist zum Beispiel die Wiederentdeckung des Bauhauses in den Siebzigerjahren im Kontext des Wohnungsbauprogramms der SED zu lesen. Man hat sich hier bewusst auf den zweiten Bauhausdirektor Hannes Meyer bezogen und versucht, dieses gigantische Projekt historisch zu legitimieren. Während hier eher an die Idee Bauhaus, wie das Martin Bober in seiner Disser­tation Von der Idee zum Mythos nennt, angeknüpft und damit die soziale Ver­antwortung des Gestalters für die Lösung des Wohnungsproblems betont wur­de, folgte der Westen einer anderen Bauhaustradition. In der Bundesrepublik ging es um den Bezug des Bauhauses zur Warenästhetik, den Versuch, den Kon­sumenten mittels gut gestalteter Objekte zu erziehen. Der Bezug in der DDR auf die Objektkultur war viel schwieriger, denn hier wurde zwar versucht, die Konsumgüterproduktion anzukurbeln, man war aber nie wirklich in der Lage, dem Design eine größere Bedeutung einzuräumen. Die Allianzen mit dem Markt, die Warenästhetik und die Objektkultur spielten in der Bundesrepub­lik eine viel größere Rolle. Die DDR bezog sich auf die Stadtplanung, obwohl die am historischen Bauhaus eher eine untergeordnete Bedeutung hatte. Frau Bittner, Sie schreiben, dass die Haltung zum Bauhaus ein Gradmesser für die kulturelle Integration in die Bundesrepublik war. Hat sich denn der Zu-gang zum Erbe mit der deutschen Einheit verändert? Gibt es jetzt eine ge-meinsame Linie zwischen West und Ost?

B i t t n e r : Natürlich hat sich die Bauhausstadt in der Nachwendezeit viel stärker mit ihrem Erbe beschäftigt und auch die historischen Orte neu betont. Das Bau­haus sollte wieder als Design­ und Kunstort wahrgenommen werden und akti­ver für die Stadt wirken. Dessau entdeckte sich neu. Die Gründung des Kurt­Weill­Fests zum Beispiel ist ein Beleg dafür, dass sich Dessau wieder stärker als Ort eines bürgerlichen Milieus verstanden hat. Das Bauhaus aber folgte ei­gentlich immer noch dem Gründungsmythos von 1987, der darin bestand, ei­nen radikalen gesellschaftsverändernden Beitrag zu erarbeiten. Und wenn es eben nur in der Region mit dem Projekt das Industrielle Gartenreich war. Das hat den Bürgermeister der Wendezeit, der gerade in den Jahren des Um­bruchs — allerdings mit anderen Aspirationen — auf das Bauhaus setzte, eher enttäuscht.

K u h n : Für mich war es wichtig, dass das Bauhaus auch nach der deutschen Ein­heit kontinuierlich am Thema Stadt weiterarbeitete, wenn auch unter anderen Bedingungen. Das Haus stand unter einem gewaltigen Druck, weil nicht we­nige auch eine formale Ähnlichkeit mit dem historischen Bauhaus erwartet haben. Die dachten, wir stellen Häuser, Lampen und Geschirr her. Mir sträub­ten sich die Haare bei der Vorstellung, ich müsste den ganzen Tag mit einer Fliege herumlaufen und damit in einer Bauhaus­Operette auftreten. Das war mir verhasst. Auch Gropius hat ja schon gegen den Bauhausstil gewettert und es letztlich auch nicht geschafft. So wäre es uns auch ergangen. Wir brauchten ein anderes Feld, um nicht dauernd verglichen zu werden.

O s w a l t : Aber hat nicht gerade die DDR in den Achtzigerjahren das Label ‹Bau­haus Dessau› bewusst instrumentalisiert, um der Welt vorzuführen, hier sei eine legitime Erbschaft angetreten worden? Im Westen bezog man sich zwar aufs Bauhaus, es existierte aber eine begriffliche Distanz.

wirkt. Das Seminar startete mit Furore, die Umsetzung seiner Ergebnisse wurde aber schließlich vom Rat des Bezirkes verboten. Die Revolution war zu Ende, bevor sie begonnen hatte. Der Drang, etwas wirklich Neues zu machen, das der Situation entsprochen hätte, wurde abgewürgt.

O s w a l t : Die Trennung von Akademie und Werkstatt empfinde ich eigentlich als irritierend. Schon Gropius wollte ja die Akademie in der Werkstatt aufgehen lassen. Ist es nicht sinnvoll im Sinne eines forschenden Lernens, beides aufein­ander zu beziehen? Lässt sich der Geist von der Form trennen? Lassen sich in der historischen Arbeitsweise nicht doch Ansätze erkennen, die für die Gegen­wart im Sinne einer reflexiven Moderne relevant sind?

B i t t n e r : Wenn man die Neugründung des Dessauer Bauhauses und seine Positio­nierung in den Achtzigerjahren betrachtet, muss man das im Kontext des schwierigen Umgangs der DDR mit dem Bauhauserbe sehen und auf die un­terschiedlichen Institutionen und Schulen blicken, die daran beteiligt waren. Interessant ist schon, dass die meisten, die daran Anteil hatten, von der Hoch­schule für Architektur und Bauwesen aus Weimar kamen. Sie stammten also nicht aus einem Epizentrum der Macht, wo die Ablehnung des Bauhauses noch stark und die Kritik an der Moderne manifest war. Städte wie Halle und Wei­mar haben zu DDR­Zeiten versucht, in der Bauhausrezeption Kontinuitätsli­nien aufzuzeigen. Liegt im Weimarer Hintergrund vielleicht auch der beson­dere Zugang zum Bauhauserbe in den Achtzigerjahren und dann nach 1990? Es ist ja interessant, dass auch in den Neunzigerjahren vor allem Städtebau und Regionalplanung eine Rolle spielten, kaum aber Design oder Kunst.

K u h n : Es ging damals um Personen und es ging um Zufälle. Natürlich war die Truppe, die damals ans Bauhaus Dessau kam, von Weimar geprägt — keine Frage. Es war der Architekturtheoretiker und Weimarer Professor Bernd Grönwald, der zuvor dafür gesorgt hatte, dass das Bauhaus national und inter­national wieder ins Bewusstsein kam. Und das geschah eben durch einen Zu­fall. Grönwald kam als junger Mann an die Hochschule und suchte eine Woh­nung. Er fand das Haus am Horn in Weimar und hatte zunächst keine Ah­nung, was es damit auf sich hatte. Nach und nach drang er in die Geschichte ein und wurde so zu einem glühenden Bauhausverehrer. Grönwald steckte mit seiner Leidenschaft die ganze Hochschule an und sorgte später in Dessau da­für, dass 1976 nicht nur die Hülle rekonstruiert wurde, sondern dort auch wie­der ein Geist einzog. Wir, die wir damals nach Dessau gingen, kamen aus der Sektion Gebietsplanung und Städtebau. Was in unseren Köpfen war, das kam mit uns ans Bauhaus. Das hätte natürlich auch ganz anders sein können.

O s w a l t : Ich glaube nicht an einen persönlichen Zufall. Die späte DDR kannte doch gar keinen Architekturdiskurs mehr, der war in den Sechzigerjahren mit der Industrialisierung abgebrochen worden. Es spielten allenfalls noch städti­sche Fragen eine Rolle. Die Architekturdebatte war relativ tot. Vielleicht hätte das Bauhaus eine andere Richtung eingeschlagen, wenn zum Beispiel die Leip­ziger Schule eingezogen wäre und den Kunstdiskurs befeuert hätte? (Lacht.)

K u h n : Das ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Für mich war Grönwald der Auslöser, mich mit dem Bauhaus zu beschäftigen. Ich selbst wäre nicht auf die Idee gekommen. In der Arbeit haben wir dann versucht, auf die Gesellschaft zu reagieren. Als das mit dem Plattenbauseminar schiefging, haben wir das zweite Walter­Gropius­Seminar in den legendären Tagen vom 4. bis 9. Novem­ber 1989 zum Thema Stadt abgehalten. Die Stadt als kleinste Form der Gesell­schaft schien uns geeignet, um Dinge zu verändern und auf die Gesellschaft reagieren zu können. Das hat uns auch noch in der Nachwendezeit beschäftigt,

D i e B a u h a u s s t a d t

dessau e r bau h aus j u bi l äum, 1976. Foto: Ernst Steinkopf, Stiftung Bauhaus Dessau

[ oben ] lu tz da m m beck, h e r a k l es — proj e kt e r dpy r a m i de, 1981–87. Foto: Karin Wieckhorst, 1985. [ Mitte ] jo fa bi a n, ex a m pl e no. p, 1989. Foto: Claudia Heysel, 1989. [ unten ] e r st es i n t e r nat io-nales walter-gropius-seminar, 1987. Foto: Armin Herrmann, Stif­tung Bauhaus Dessau

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6 8 — 6 9 b a u h a u s — A u s g a b e 1

Oder anders gefragt: Hätte man das Label ablegen sollen?K u h n : Das hätte die Verwirrung nur noch größer gemacht. Es gab aber in der Mit­

arbeiterschaft durchaus Kollegen, die massive Kritik am Bauhaus formulierten. Vor allem städtebaulich. Wenn man sich Hilberseimers Visionen für Dessau an­schaut, kann man froh sein, dass es so nicht gekommen ist. Gleichwohl spüre ich eine gewisse Verantwortung, wenn ich an diesem Haus arbeite. Ich bin an­geregt von den Dingen, die hier passiert sind. Das heißt nicht, dass alles kritik­los zu bejubeln wäre. Wir wollten uns weder von den positiven Leistungen dis­tanzieren noch wollten wir verschweigen, wo der Weg des Bauhauses in die Irre geführt hätte. Wo steht die Stiftung Bauhaus Dessau heute?

O s w a l t : Ich denke, wir sind jetzt, 17 Jahre nach Stiftungsgründung, an einem Punkt, an dem wir unsere Arbeit überdenken sollten. Zum einen muss das his­torische Erbe eine deutlich wichtigere Rolle spielen als bisher: Es ist die primä­re Existenzberechtigung der Stiftung und der Grund, aus dem über 100.000 Be­sucher jährlich zu uns kommen. Was die Arbeit an Gegenwartsfragen betrifft, müssen wir den einseitigen Fokus auf Stadtdiskurse verlassen und auch andere disziplinäre Zugänge öffnen. Die Wissensproduktion von künstlerischer Arbeit, eine engere Verbindung zu Grafikern, Designern und Mediengestaltern muss in unserer inhaltlichen Arbeit eine wesentlichere Rolle einnehmen. Wir wollen uns bei den Gegenwartsfragen mit grundsätzlichen Positionen einbringen, die nicht immer gleich im heutigen Betrieb umsetzbar sind, sondern konzeptuelle Wege und längerfristige Perspektiven aufzeigen. Eine solche Form der Ideen­produktion erfordert innovative Gestaltungen der Kommunikation, sei es mit Ausstellungen, Büchern oder Filmen. Die Unabhängigkeit der Stiftung von un­mittelbaren wirtschaftlichen und politischen Verwertungen durch eine staatli­che Grundfinanzierung ist ein hohes Gut. Für mich folgt daraus eine Verpflich­tung für die Stiftung, sich gerade Themen, Methoden und Ideen jenseits der ausgetretenen Pfade zuzuwenden und damit konstruktive Impulse für die zu­künftige Entwicklung unserer Gesellschaft zu geben.

K u h n : Ich stimme Ihnen, Herr Oswalt, zu, wenn Sie sagen, dass Werkstatt, Samm­lung und Akademie mehr miteinander zu verknüpfen sind. Die Zusammenar­beit ist sehr wichtig, weil sie mehr Kombinationsmöglichkeiten eröffnet und letztlich einheitliche Produkte ermöglicht.

B i t t n e r : Es besteht für die Stiftung heute die Möglichkeit, wieder stärker an die Komplexität des Bauhauses heranzukommen und den schwammigen Moderne­diskurs zu verlassen. Das durchaus ambivalente Erbe bietet die Möglichkeit, differenziertere Fragen zu stellen und einen neuen Blick auf das Bauhaus zu werfen. Bislang wurde das Bauhaus in Dessau oft synonym mit der Moderne be­handelt. Es lohnt sich bestimmt, wieder genauer hinzusehen und das Bauhaus historisch wie in seiner aktuellen Bedeutung komplexer zu fassen.

O s w a l t : Die Stiftung ist heute eine extrem stabile Institution. Kein Mensch wird das Bauhauserbe am historischen Ort infrage stellen. Doch das Haus braucht auch Dynamik — anders ist die gewünschte Innovation nicht möglich. Das his­torische Bauhaus hat sich eigentlich jedes Jahr neu erfunden. Daher müssen wir innerhalb des stabilen Rahmens mehr Beweglichkeit und Offenheit entwickeln. Ich wünsche mir eine Plattform, auf der geistreich und experimentell an Ge­genwartsfragen gearbeitet und die Geschichte reflexiv betrachtet wird.Nun existiert die Stiftung Bauhaus Dessau ja nicht allein, sondern hat Partner in der Erbpflege in Weimar und Berlin. Wie kann es gelingen, das dreigeteilte Erbe gemeinsam zu bewahren?

D i e B a u h a u s s t a d t

[ oben ] carl marx, ölgemälde bauhaus-treff 1988. Stiftung Bauhaus Dessau, 2011. [ rechts ] blick in die ausstel lung e x pe r i m en t b au h au s , 1988. Foto: Peter Kühn, Stiftung Bauhaus Dessau

[ oben ] e r st es i n t e r nat iona l es wa lt e r-gropi us-sem i na r, 1987. Foto: Armin Herrmann, Stiftung Bauhaus Dessau. [ unten ] m ax bi l l be i de r e röf f n u ng de r ausst e l lu ng e x pe r i m en t b au h au s , 1988. Foto: Peter Kühn, Stiftung Bauhaus Dessau

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K u h n : Es gab nach dem Fall der Mauer durchaus Versuche, das Bauhauserbe neu zu ordnen. Ich war dem langjährigen Direktor des Berliner Bauhaus­Archivs, Peter Hahn, eng verbunden, auch menschlich. Schon zu DDR­Zeiten hatte uns Hahn unterstützt, er wusste, unter welchem Druck ich stand. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, das Bauhaus­Archiv infrage zu stellen. Meine Achtung vor der Geschichte, der Arbeit und der Bedeutung dieser Institution war viel zu groß. Umgekehrt war Peter Hahn mit mir solidarisch in der schwierigen und zeitweiligen turbulenten Umwandlung einer staatlichen Kultureinrichtung der DDR in eine bundesrepublikanische Stiftung. Wir haben immer gut miteinan­der kooperiert und Fairness im Umgang gepflegt.Spielte Weimar gar keine Rolle? Dort gibt es immerhin die Bauhausuniversität?

K u h n : Wir haben damals versucht, ein gemeinsames Bauhausstudium mit expe­rimentellem Werkstattcharakter zu organisieren. Ein Masterstudium, für das man eine Zeit lang am Bauhaus­Archiv Berlin forscht, dann konkrete Projekte in Dessau verfolgt und schließlich in Weimar abschließt. Man hätte wunderbar mit Einrichtungen in Israel und den Vereinigten Staaten kooperieren können. Das hätte der Welt gezeigt, dass die drei Bauhausinstitutionen zusammenarbei­ten. Die Weimarer Architekturfakultät hat die Idee schließlich verändert und mit ihrem Studiengang für Europäische Urbanistik alleine umgesetzt. Das schmerzt mich bis heute. Ein eigenständiges Bauhausmuseum gab es damals in Weimar noch nicht.

O s w a l t : Für mich ist das Bauhaus ein Bildungsort im weiteren Sinne. Wir sollten uns, so denke ich, aus den universitären Grundangeboten heraushalten und stattdessen die Freiheit der Institution dafür nutzen, andere Bildungsformate zu entwickeln, die eben nicht durch die klassische Hochschule angeboten wer­den: Fellowship­Programme, Artist­in­Residence­Angebote, Som merschulen etc. Um dem ganzen Vitalität zu verleihen, sollten wir eine kritische Masse von viel­leicht 50 Teilnehmern an Bildungsprojekten übers Jahr erreichen. Eine solche Verdoppelung im Vergleich zur jetzigen Situation erfordert aber natürlich mehr finanzielle Ressourcen. Wir planen auch gemeinsam mit der Hochschule An­halt ein Promotionsnetzwerk mit Einrichtungen in Israel und den Vereinigten Staaten. Aber auch den Tourismus verstehe ich als Bildungsauftrag. Schließlich kommen die Leute her, um etwas zu lernen.Dem Bauhaus ist mit Musealisierung und Archivierung nicht beizukommen. Es ist in unserem Gespräch schon davon die Rede gewesen, dass man die Wesens-merkmale analysieren muss. Reicht das aus?

B i t t n e r : Traditionen werden immer aus der Gegenwart definiert. Es sind Wissens­ und Erfahrungsbestände, die aus den aktuell drängenden Fragen heraus aufge­griffen werden. Das gilt auch für das Bauhaus Dessau. Ende der Achtzigerjahre bekannte man sich zum Bauhaus, weil damit eine oppositionelle Haltung zur DDR verbunden war. Der als Krise der Industriegesellschaft wahrgenommene Strukturwandel in der Region zu Beginn der Neunzigerjahre hat dann das In-dustrielle Gartenreich mit seiner Modernekritik legitimiert. Dieser Gründungs­mythos ist immer noch spürbar. Wahrscheinlich kann sich das Bauhaus nicht einfach den Gegenwartsfragen entziehen, aber wie man sich darauf bezieht, das hat sich im Laufe der Geschichte der Stiftung in den vergangenen 20 Jahren verändert. Was heißt es, wenn wir uns im 21. Jahrhundert auf das Bauhaus be­ziehen? Es besteht die große Chance, diesen Wissens­ und Erfahrungsbestand neu zusammenzusetzen und zu überprüfen.

O s w a l t : In den Zwanzigerjahren verstand sich die klassische Moderne als Neuan­fang, als bewusstes Brechen mit den Traditionen. Heute ist die Moderne längst

D i e B a u h a u s s t a d t

[ oben ] m isch a ku ba l l, i nsta l l at ion bau h aus i , lot t e r i e. Foto: Kelly Kellerhoff, 1990, Stiftung Bauhaus Dessau. [ rechts ] zwölftes farbfest rot, 2009. Foto: Doreen Ritzau, Stiftung Bauhaus Dessau

ron n y t r au f e l l e r u n d nor m a n wa ssm u t h, Videoinstallation zur Hugo­Junkers­Nacht im Bauhaus, 2010. Foto: Yvonne Tenschert, Stiftung Bauhaus Dessau

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7 2 — 7 3 b a u h a u s — A u s g a b e 1

zur Tradition geworden und hat ihre eigene Entwicklungsgeschichte mit ver­schiedenen Phasen über mehr als 100 Jahre. Es kann nicht mehr um den ste­ten Neuanfang gehen. Eine überzeugende Fortschreibung der Moderne ist nur möglich mit einer kritischen Reflektion ihrer Geschichte, ihrer unbeabsichtig­ten Nebenfolgen, ihrer vergessenen Seitenwege und auch Irrtümer. Daher ist für unsere Gegenwartsarbeit eine Befragung der Geschichte essenziell, sind Pflege des Erbes und Arbeit an der Gegenwart zwei eng miteinander verknüpf­te Aufgaben.Wird das auch für den Besucher erfahrbar werden?

B i t t n e r : Das ist die Herausforderung — ob es uns gelingt, den Museumsgedanken und den Bildungsanspruch wieder stärker zu verschränken. Musealisierung muss kein Schreckgespenst sein. Wenn es gelingt, Wissensbestände für aktu­elle Fragestellungen wieder lesbar zu machen, dann sind wir durchaus in der Lage, auch die Institution eines ‹Museums Bauhaus› neu zu beleben. An Mög­lichkeiten, das zu zeigen, mangelt es in Dessau nicht — vom neuen Meister­haus Gropius über die Bauhausbauten in Törten bis hin zum Besucherzent­rum. Wir sollten es anders machen.

O s w a l t : Anders schon, aber ohne Angst, uns auf das Historische zu beziehen.K u h n : Seit 1990 ist viel Zeit vergangen und ich finde es gut, einige grundsätzlichen

Dinge noch mal neu zu denken. Ist die Stadt noch ein Thema? Die Region? Sollte man sich auf Kunst, Design oder Architektur verlegen? Wie wendet man historisches Wissen auf aktuelle Probleme an? Das sind die entscheiden­den Fragen für die Zukunft. Wir steckten zu DDR­Zeiten in einem völlig ver­krampften Verhältnis zum Bauhaus. Wir wollten uns bekennen, seine Rolle in der Geschichte unterstreichen und einen international positiv besetzten Be­griff hervorheben. Das Bauhaus wurde von uns wie ein rohes Ei behandelt. Gleichzeitig wollten wir auch nicht so tun, als seien wir die Nachkommen. Die Situation damals war viel unfreier als heute. Das Haus braucht neuen Geist, neue Kraft und einen neuen Blick. Allerdings muss man an dieser Plattform auch ordentlich rütteln, damit es nicht möglich ist, sich auf ihr bequem einzu­richten. Das Gespräch führte I n g o l f K e r n

Rolf Kuhn , geboren 1946, kam 1987 ans Bauhaus und war ab 1994 Gründungsdirektor der Stiftung Bauhaus Des­

sau, die er bis 1998 leitete. Er ist Geschäftsführer der Internationalen Bauhausstellung (IBA) Fürst­Pückler­Land

2000–2010, die im letzten Jahr ihre Abschlusspräsentation erlebte. Regina Bittner , geboren 1962, ist stellvertreten­

de Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau und leitet seit 2003 den Bereich Akademie. Philipp Oswalt wurde 1964

geboren und ist seit 2009 Direktor der Stiftung. Ingolf Kern , geboren 1966, ist freier Journalist und Pressesprecher

der Stiftung Bauhaus Dessau; er war zuvor stellvertretender Chefredakteur des Kunstmagazins Monopol.

Im nächsten Heft des Bauhaus­Magazins (Nr. 2) stellen wir Ihnen den neu­

en Masterplan der Stiftung Bauhaus Dessau vor.

D i e B a u h a u s s t a d t

[ Seite 72–75 unten] di e e be rta l l e e h eu t e u n d nach de r stä dt e bau l ich e n r e pa r at u r. Fotomontage: BFM Architekten, Berlin. Foto: Matthias Hollwich, Stiftung Bauhaus Dessau, 2003

k l i m a prognose n, zuku n f tssz e na r i e n zu r i ba sta dt um bau 2010. Weniger ist Zukunft, Überblicksausstellung im Bauhaus Dessau, Ausstellungsgestaltung: Peanutz Architekten, Berlin, Foto: Ludger Paffrath, Stiftung Bauhaus Dessau im Auftrag des Landes Sachsen­Anhalt

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8 6 — 8 7 b a u h a u s — A u s g a b e 1 M a g a z i n

Das einst prägnante Erscheinungsbild der Stiftung Bauhaus Dessau, Ende der Achtziger entworfen von der Berliner Agentur Grappa, ist nach über 20 Jahren in der Anwendung erodiert und verwässert. Als Teil ihrer Neuausrichtung nach dem Direktoren­wechsel Anfang 2009 initiierte die Stiftung deshalb im Sommer 2010 einen eingeladenen Wettbewerb mit fünf Grafikbüros. Un­ter Beratung des Grafikers Bernard Stein, Hochschullehrer in Kassel und Gründer der Agentur Ott + Stein, entstand ein Grund­konzept mit eindeutiger Prämisse: Der visuelle Auftritt der Stif­tung Bauhaus Dessau, die zugleich mit der Pflege des Erbes und seiner Aktualisierung beauftragt ist, erfordert sowohl eine Be­zugnahme auf das historische Erbe als auch eine aktuelle Positi­onierung. Das historische Bauhaus Dessau hat eine überaus prägnante grafische Sprache hervorgebracht, die sich insbeson­dere in dem weltbekannten vertikalen Schriftzug am Gebäude und dem von Oskar Schlemmer entworfenen Logo manifestierte. Dabei war die Grafik des Bauhauses aber alles andere als kon­sistent: In den 14 Jahren seines Bestehens entwickelte das Bau­haus eine Vielzahl von gestalterischen Lösungen — auch für die Darstellung seiner selbst. Ständig wurde dabei aufs Neue experi­mentiert, aktualisiert, weiterentwickelt. Nach der expressionisti­schen Formensprache der frühen Weimarer Phase prägte das Dessauer Bauhaus ein eher konstruktivistisches Formverständ­nis, dominiert von Schwarz und Rot und auf geometrischen Grundformen aufbauenden Schriftentwürfen. Diese Entwürfe zeugen nicht nur von den unterschiedlichen Handschriften eines Herbert Bayer, Josef Albers, László Moholy­Nagy oder Joost Schmidt, sondern auch von konträren Gestaltungskonzepten: Auf der einen Seite stand die Suche nach einer universalen Ge­staltung — etwa mit der programmatischen Einführung von DIN­Formaten —, auf der anderen das Experimentieren mit künstlerischen Objektqualitäten durch ausgefallene Formate und Faltungen oder die Verwendung besonderer Papiere. Die Re­duktion der Bauhausgrafik auf das Klischee von Quadrat, Drei­eck und Kreis wie im bisherigen Logo der Stiftung Bauhaus Des­sau oder in der Thüringer Jubiläumskampagne von 2009 wird dem nicht gerecht. Bereits mit der Ausschreibung hat die Stiftung Bauhaus Dessau deshalb einen anderen Weg beschrit­ten: Gesucht wurde ein schlankes und robustes Basisdesign, das nur minimale Festlegungen beinhaltet und es ermöglicht, wech­selnde Grafiker mit unterschiedlichen grafischen Sprachen zu integrieren. Dabei entstand die Idee, die zahlreichen und vielfäl­tigen Produkte der Stiftung selbst als Plattform für aktuelle De­signpositionen zu nutzen: Mit den Periodika (Programmheft und Maga­

zin) und weiteren Gestaltungsaufgaben soll jeweils ein für zwölf Monate benannter Jahresgrafiker betraut werden, der von einer Jury in einem offenen Wettbewerb ausgewählt wird. Das grund­legende Erscheinungsbild legt nur die dauerhaften Produkte (Briefschaft, Leitsystem, touristische Grundinformationen, Website) und den Rah­men (definiert insbesondere durch das Logo) vor.

das a und o des bauhauses

Der Berliner Hort ging mit der Stiftung Bauhaus Dessau an den Nullpunkt der Gestaltung

Als Logo fungiert die Wortmarke ‹Bauhaus Dessau›, gesperrt in Courier 9 Punkt, vorzugsweise vertikal

BAUHAUS

DESSAU

Andreas Kühnlein

Stiftung Bauhaus DessauBereich KommunikationGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-471Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

Yvonne Tenschert

Stiftung Bauhaus DessauBereich KommunikationGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-331Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

Burghard Duhm

Stiftung Bauhaus DessauBereich KommunikationGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-237Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

Silvia Gildner

Stiftung Bauhaus DessauGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-301Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

Presse- undÖffentlichkeitsarbeit

Grafik

Bühne

MitarbeiterinKommunikation

Nicole Prag

Stiftung Bauhaus DessauBereich KommunikationGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-251Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

Christin Irrgang

Stiftung Bauhaus DessauBereich KommunikationGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-251Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

CorneliaGriesler

Stiftung Bauhaus DessauBereich VerwaltungGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-310Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

Michael Fink

Stiftung Bauhaus DessauBereich VerwaltungGropiusallee 3806846 Dessau-Roßlau, GermanyTelefon +49-340-6508-313Fax +49-340-6508-226E-Mail [email protected]

Besucherdienst

Tourismus undVermittlung

SachbearbeiterinPersonal und Organisation

Informationstechnik

Radioproduzent aus Berlin und Mitglied des Chaos Computer Clubs, liegt mit dem iPhone die gute Form buchstäblich in der Hand — und das nicht nur als Hardware, sondern gerade in der Software. Gutes Design ist innovativ, gutes Design macht ein Produkt verständlich, gutes Design ist so wenig Design wie mög­lich, soweit behält Rams recht. Blickt man jedoch hinter die Ku­lissen der Herstellung, Produktpolitik und Distribution des App­le­Konzerns, bleibt nicht viel übrig von Rams’ weiteren Grund­sätzen — gutes Design ist ehrlich, gutes Design ist langlebig, gutes Design ist umweltfreundlich. Das Gesetz der Einfachheit und damit auch die Bezugspunkte zum deutschen Bauhaus und zur Ulmer Schule bleiben oberflächlich. Zugleich wird der Er­folg der Einfachheit zum Problem — weil er vieles ausblendet: problematische Hintergründe der Rohstoffgewinnung, die un­zähligen Todesopfer der ‹Coltan­Kriege› im Kongo, unmenschli­che Arbeitsbedingungen in südostasiatischen Produktionsstätten, den unseriösen Umgang mit Konsumentendaten. In sei­nem Werk Simplicity. Die zehn Gesetze der Einfachheit schreibt der amerikanische Grafikdesigner und Medienkünstler John Maeda: «Denken wir nur an die Leistungen von Google: Mit der einfachen Eingabezeile im Webbrowser erhalten wir Zugang zu Googles riesigem Netzwerk von Computern und Datenbanken. Um bei Google eine Anfrage zu stellen, brauchen wir selbst keine riesige Computerausrüstung. (…) Mehr scheint weniger zu sein, wenn man es weit, weit in die Ferne rückt. (…) Ein Erlebnis wird also einfacher, wenn man das Ergebnis an Ort und Stelle erhält, während die eigentliche Arbeit WEIT WEG erledigt wird.» Ge­nau hier setzt die Argumentation der Kritiker an: Sie legen die Umstände der ausgelagerten Arbeitsprozesse offen und appellie­ren an das Bewusstsein der Kunden. Insofern könnte die Dialek­tik der Guten Form auch zur Sensibilisierung genutzt werden — ohne latent moralischen Unterton. Man muss nur ab und an da­hinterblicken. K a t j a K l a u s

h i n t e r d e r g u t e n f o r m

Wahrscheinlich hätte das iPhone auch im historischen Bauhaus die Lager gespalten. Walter Gropius als Verfechter der guten Form ein Apple­Fan, sein Nachfolger Hannes Meyer als Befür­worter eines ‹ökologischen› Gestaltungsansatzes absolut i­contra? Ein zweitägiges Symposium im Bauhaus Dessau nahm sich im Dezember 2010 das Verhältnis von Guter Form und bad design vor — und zeigte, das beide eng beieinanderliegen können. Ausgehend von einem Designbegriff, der vielfältige Kompeten­zen in den Blick nimmt — vom Zeichensystem über Arbeitspro­zesse, Lesbarkeit und Verständlichkeit bis hin zur emotionalen Bindung an Gegenstände — versuchten sich Experten unter­schiedlicher Fachrichtungen an der systema tischen Dekonstruk­tion jenes Kultobjekts des 21. Jahrhunderts. Vertreter von Green­peace, dem Umweltbundesamt und der Berliner Nichtregierungs­organisation WEED nahmen Hintergründe und Produktionszu­sammenhänge in den Blick: so ziale und ökologische Rahmenbe­dingungen als bad design. Die Gute Form als ästhe tisches Ver­sprechen analysierten die Designprofessorin Gerda Breuer aus Wuppertal und die Kuratorin Marcela Quijano vom HfG Archiv Ulm. Sie verdeutlichten die historischen Bezüge zum Werkbund und die Parallelen zur Ulmer Schule — und zeigten zugleich, das mit der Rückbesinnung der Stiftung Bauhaus Dessau auf das historische Erbe auch Themen wie Design und Designgeschich­te wieder eine zentralere Rolle im Programm der Stiftung ein­nehmen. Schlicht, schön, reduziert — dafür steht das heutige Design von Apple. Und immer wieder hat Chefde signer Jonathan Ive dabei auf sein großes Vorbild Dieter Rams hingewiesen, der in den Fünfzigerjahren mit Hans Gugelot und in Zusammenar­beit mit der Hochschule für Gestaltung in Ulm das wegweisende Produktdesign für Braun entwarf. Dass viele Apple­Produkte die Rams’schen Designformen, etwa das Radio Braun T3 oder den Taschenrechner ET 66 zitieren, ist kein Geheimnis. Und dennoch sind die Rams’schen Ideale eines guten Designs und die marketinggesteuerten Interessen des Weltkonzerns nur oberflächlich betrachtet kompatibel. Einerseits, so Tim Pritlove,

Ein Symposium entdeckt das bad design des iPhones

[ oben ] konsum k r i t i k i m a ppl e-design — a kt ion de r n etzku nst-gru ppe th e y e s m en, 2010. Screenshot Stiftung Bauhaus Dessau

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8 8 — 8 9 b a u h a u s — A u s g a b e 1 M a g a z i n

Die von Eike König gegründete Agentur Hort ging aus dem ge­ladenen Wettbewerb, an dem außerdem Hug & Eberlein Leipzig, Node Berlin/Oslo, Novamondo Berlin und Stephan Müller (pronto) Berlin teilgenommen hatten, als Sieger hervor. Der Entwurf des Hort verweigert die direkte Bezugnahme auf die historische Grafik und verwendet die am weitesten verbreiteten System­schriften des Computerzeitalters: Courier und Arial. Eine Re­ferenz an den ikonischen Schriftzug am Dessauer Gebäude ent­hält die modifizierte Schrift allein im Buchstaben A, dessen Dach, einem umgekehrten U ähnlich, abgerundet wurde. Außer den Schriften sieht der Rahmen vor, nur DIN­Formate zu ver­wenden und auf Farbigkeit weitestgehend zu verzichten: eine Art Reset auf den scheinbaren Nullpunkt größtmöglicher Einfach­heit und Formlosigkeit und insofern doch ein Bezug auf eine Tra­ditionslinie des historischen Bauhauses. Und freilich ist auch das Gene ri sche de facto teilweise Fiktion, da, wie jedes Design, auch dieses historische Referenzen aufruft — etwa an die Sechziger­ und Sieb zigerjahre oder an bestimmte Formen des DDR­Designs. Gleichwohl ist das Konzept schlüssig — und es bietet die nöti­ ge Offenheit für unterschiedliche grafische Sprachen. Als Jahresgrafiker 2011 wählte die Stiftung das Berliner Büro Nova­mondo aus, das im Wettbewerb anders als der Hort auf spezi­fische Farbigkeit, Materialität und Objekthaftigkeit gesetzt hat­te. Für den Jahresgrafiker 2012 nimmt die Stiftung bis zum 15. August 2011 Bewerbungen an. Zur Jury gehören Markus Dreßen, Ingolf Kern, Eike König und Philipp Oswalt. Mit Stephan Mül­ler (pronto) wird die Stiftung gleichzeitig die im Jahr 2009 begon­nene Erforschung der historischen Bauhaustypografie, wie ge­genwärtig im Ausstellungs­ und Publikationsprojekt zu Kurt Kranz, fortsetzen. P h i l i p p O s w a l t

Dessau-Roßlau,den 5. Juli 2010

Betreff: Neukonzeption des visuellen Erscheinungsbildes

Lieber Eike König,

die aktuelle Brisanz des Bauhauses liegt nicht in konkreten Objekten oder Formen, sondern in seiner Programmatik, in den Bauhausideen und -methoden. Genau genommen müssen wir hierbei vom Plural sprechen, von den Bauhäusern, und nicht dem Bauhaus. Soweit sich das Bauhaus aus der Bewegung der klassischen Moderne heraushebt und vielleicht tatsächlich einzigartig ist, so deshalb, weil es dem historischen Bauhaus gelungen ist, eine Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit von modernen Gestaltungspraktiken im Rahmen eines Projektes zu bündeln, wie es sonst nie erreicht wurde. Das ungemein fruchtbare lag nicht zuletzt darin begründet, dass an einem Ort Maler, Grafiker, Architekten, Typografen, Theatermacher, Medienkünstler, Städtebauer, Produktdesigner und auch Wissenschaftler, Techniker und Ingenieure zusammenwirkten, sich austauschten, stritten und immer wieder gemeinsam Projekte realisierten.

Wir haben geordnete Vorstellungen von der Moderne, der Architektur der modernen Sachlichkeit, der abstrakten Kunst, des funktionalen Designs usw. Doch das Eigenwillige des Bauhauses war, dass es eben genau diese Kategorien überwand und die heterogene Gleichzeitigkeit der modernen Avantgarden nicht nur akzeptierte, sondern auch operativ nutzte. Um es mit den letztendlich untauglichen Stilrichtungen und Moden zu umreißen: Es gab am Bauhaus Expressionismus, Konstruktivismus, Funktionalismus, DeStijl, Neue Sachlichkeit, ja auch Dadaismus und vieles mehr. Obgleich es in den einzelnen Phasen der Bauhausgeschichte dominante Haltungen gab, so ist der eigentliche Befund, dass diese Widersprüchlichkeiten an einem Ort gleichzeitig präsent waren.

mit freundlichen Grüßen,

Prof. Philipp Oswalt

HORTEike KönigHagelberger Straße 5210965 Berlin

An:

Professor Philipp OswaltDirektor und VorstandTelefon +49-(0)340-6508-300Fax +49-(0)340-615-222E-Mail [email protected]

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Stiftung Bauhaus Dessau

Seite1/1

BAUHAUS

DESSAU

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Direktor und Vorstand

Professor Philipp Oswalt

T +49 (0)340 6508-300

F +49 (0)340 615-222

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06813 Dessau-Roßlau

Gropiusallee 38

06846 Dessau-Roßlau

T +49 (0)340 6508-0

F +49 (0)340 6508-226

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stiftung bauhaus dessau

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Sehr geehrter Herr Eberlein,

Iduipit nulput at, consent nismolore volent lam del ulputat ueraestin exero con henit ipsusto duip exercid uisisi.Vullaorercin verilla feummod oloreros accum at nis dolortinci tetuer susto conse duis am eu faccumsan velisit erit, volenis augait ea commy nosto diatem dolore modolorer sit num et alit utpatiscip eum eum inci bla feugiam adiam, vero corers augait ea ugait ea commy nosto com si. Feugue dolor irit luptat adignit ad do etum velesti ncincilit lobor summolore molut auguercilla feui bla feummy num volore dit nummolor se dolore dolorem nis nos del ing ex el dio consectet lutat, conelissequis augait, quat dolutem eugait acipsuscilit lummodolessi bla faccum verit ut prate tis adit niam, consed te tat, velit etue tie velessi ex enit, qui tem dionummy niam, sent lorperc illamcon henim quam nibh eniam vullam, volore dipit autfeugueros dunt nisi.

Mit freundlichen Grüßen

Philipp Oswalt

Hug und EberleinStudio für Grafi kdesign Könneritzstraße 4304229 Leipzig

12. Juli 2010

NODE BERLIN OSLO BAUHAUS DESSAU 2010 SEITE 24

BRIEFSCHAFT gropiusallee 3806846 dessau-roßlau postfach 1405 06813 dessau-roßlau

fon +49 (0)340 6508-250fax +49 (0)340 6508-226

stiftung bauhaus dessau

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Node Berlin Oslo

Lobeckstr. 30-35

Stairs D, Studio 413

10969 Berlin

Germany

To Whom It May Concern

Dear Dir or Madam,

my congratulations! I wasn’t surprised at all when you Copytext and so on.

You’ve been so dedicated, so hard working, and so good at copytext to the

right people that this kind of recognition was bound to come sooner or later.

But seriously, it couldn’t happen to a more deserving person. Enjoy your glory

and be proud of what you’ve accomplished. Tomorrow, you’re just another

copy (just kidding). Again, my congratulations and best wishes!

All the best,

Paul Mustermann

Erscheinungsbild Stiftung Bauhaus Dessau

Visitenkarte, Briefbogen, Umschlag

philipp oswalt—

erbe bewahren— gegenwart gestalten— zukunft denken

Direktor und VorstandManaging Director

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bauhaus dessau

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Sehr geehrte Damn und Herren,

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Aenean vulputate eleifend tellus. Aenean leo ligula, porttitor eu, consequat vitae, eleifend ac, enim. Aliquam lorem ante, dapibus in, viverra quis, feugiat a, tellus. Phasellus viverra nulla ut metus varius laoreet. Quisque rutrum. Aenean imperdiet. Etiam ultricies nisi vel augue. Curabitur ullamcorper ultricies nisi. Nam eget dui. Etiam rhoncus. Maecenas tempus, tellus eget condimentum rhoncus, sem quam semper libero, sit amet adipiscing sem neque sed ipsum. Nam quam nunc, blandit vel, luctus pulvinar, hendrerit id, lorem. Maecenas nec odio et ante tincidunt tempus. Donec vitae sapien ut libero venenatis faucibus. Nullam quis ante. Etiam sit amet orci eget eros faucibus tincidunt. Duis leo. Sed fringilla mauris sit amet nibh. Donec sodales sagittis magna. Sed consequat, leo eget bibendum sodales, augue velit cursus nunc,

Mit freundlichem Gruß

Philipp Oswalt

HerrnMax MustermannMusterabteilungMusterstraße 19

10119 Berlin

bauhaus dessau

bauhaus dessau

Stiftung Bauhaus DessauGropiusallee 38——06846 DessauPostfach 1405——06813 Dessau

kon t i n u i tät h at t e n u r de r wa n de l — da s h i st or i s c h e b au h aus i n se i n e n br i e f bö ge n. Sammlung Bernd Freese, Frankfurt am Main

t h e w i n n e r is t h e hort: Die Berliner Agentur gewann den von der Stiftung Bau­haus Dessau 2010 ausgeschriebenen Wettbewerb für ein neues Corporate Design [ oben ]. In der engeren Wahl [ unten, von links ]: h ug & e be r l e i n l e i pz ig, node be r-l i n/oslo, nova mon do be r l i n und st e ph a n m ü l l e r (m ü l l e r&w esse) be r l i n

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9 0 — 9 1 b a u h a u s — A u s g a b e 1 M a g a z i n

r a u m p i o n i e r e i n l ä n d l i c h e n r e g i o n e nEin neues Buch widmet sich alternativen Wegen der Daseinsvorsorge

Von der medizinischen Betreuung über Schulbildung, Angebote aus Kunst und Kultur bis hin zur Energie­ und Wasserversor­gung — Raumpioniere zeigen, wie sich in dünn besiedelten, von Abwanderung betroffenen Regionen die Daseinsvorsorge anders gestalten lässt. Wo die staatliche Versorgung nicht mehr in glei­cher Form wie bisher flächendeckend gesichert werden kann, nehmen sie die Dinge selbst in die Hand. Unbeeindruckt von der theoretischen Grundsatzdebatte der letzten Jahre hat sich die Praxis vor Ort längst verändert. Trotz gegenteiliger Statements der verantwortlichen Politiker hat sich der Staat vielerorts zu­rückgezogen. Die Bewohner sind gezwungen, nach neuen und intelligenten Wegen zu suchen und sich selbst um die Notwen­digkeiten des alltäglichen Lebens zu kümmern. Entstanden sind vielerorts ganz neue Formen der Kooperation zwischen Staat und Bürgergesellschaft. Dort allerdings, wo beides versagt, ist unser demokratisches Gemeinwesen ganz konkret in Gefahr.

Raumpioniere in ländlichen Regionen. Hrsg. von Kerstin Faber und Philipp Oswalt (Stiftung

Bauhaus Dessau). Mit Beiträgen von Ulf Matthiesen, Claudia Neu, Ton Matton, Stefan Rettich,

Andreas Willisch, Tina Veihelmann und anderen. Barcelona / Basel / New York: Actar, 2011.

192 Seiten mit zahlreichen Abbildungen

Landentwicklung, Stadtentwicklung — weiterführende Literatur: Philipp Oswalt, Klaus

Overmeyer, Philipp Misselwitz: Urban Catalyst. Mit Zwischennutzung Stadt entwickeln. Bar­

celona / Basel / New York: Actar. Erscheint im Frühjahr 2011.

schluss für die Region zu fordern. Stattdessen sollte man einen einzigen Fernbahnhof stärken und die Anbindung der anderen ‹Stadtteile› an diesen ausbauen. Ein weiteres Beispiel: Es macht wenig Sinn, das Dessauer Theater, einst für 300.000 Ein­wohner konzipiert, als städtische Kultureinrichtung für 70.000 Einwohner zu sehen. Um bestehen zu können, wird das Theater neu gedacht werden müssen. Wichtige Schritte in diese Rich­tung unternimmt es bereits. Und ist es wirklich sinnvoll, wenn Dessau­Roßlau durch die Anlage von neuen Industriegebieten mit der weitgehend konsolidierten Industriestadt Bitterfeld kon­kurriert? Liegt die Zukunft hier nicht vielmehr in einer regiona­len Kooperation? Die Frage der Kooperation stellt sich also nicht nur im ländlichen Raum für die Daseinsversorger, sondern sie stellt sich auch an einem so zentralen Ort wie Dessau­Roßlau.

Die Stiftung Bauhaus Dessau hat der Landesregierung von Sachsen­Anhalt vorgeschlagen, Zukunftsszenarien für drei Teil­räume des Landes zu entwickeln: für die anhaltische Region Dessau­Bitterfeld, für das Altmark­Städtenetz Stendal­Tanger­münde­Arneburg und für den Harz. Erste Vorarbeiten hatte die Stiftung für die Abschlusspräsentation der IBA bereits in Auf­trag gegeben. Geht es in der Dessauer Region darum, eine ‹Band­stadt› im beschriebenen Sinne zu etablieren, könnten in den dünn besiedelten Räumen um Stendal neue Formen der Selbst­organisation erprobt werden. Der Harz gilt wegen seiner natur­räumlichen Identität, die keine Ländergrenzen kennt, als idealer Raum für eine ‹rurale Republik› — eine ‹Sonderwirtschaftszo­ne› zwischen Wernigerode und Goslar. Gleichzeitig hat Sachsen­Anhalt eine Perspektive als Land, das im postfossilen Zeitalter angekommen ist: Schon heute ist Sachsen­Anhalt Heimat füh­render Unternehmen der Solar­ und Windenergiebranche und

setzt ganz gezielt auf Stromproduktion aus erneuerbaren Energi­en. Das ist eine starke Zukunftsoption. Sachsen­Anhalt hat sich mit der IBA Stadtumbau 2010 als Motor für die Entwick­lung und Realisierung neuer Städtebaupolitik und innovativen Stadtumbaus profiliert. Es ist gelungen, das Thema der Schrump­fung zu enttabuisieren und zukunftsorientiert anzugehen und zu gestalten. Heute sind wir in der Lage, offen über die gegenwärti­gen Herausforderungen und Problemlagen zu sprechen. Aber es fällt im politischen Raum bislang schwer, die sich abzeichnen­den Entwicklungen und Fragestellungen der kommenden Jahr­zehnte zu thematisieren und aus ihnen substanzielle Konsequen­zen für das heutige Handeln zu ziehen — sei es im Hinblick auf den demografischen Wandel, sei es mit Blick auf den Klimawan­del. Mit der Bildung der nächsten Landesregierung wird sich ab­zeichnen, welche Politik diese für die nächsten Jahre einschla­gen wird. P h i l i p p O s w a l t

Der Katalog zur IBA Stadtumbau unter dem Titel Weniger ist Zukunft: 19 Städte — 19 Themen

ist in deutscher und englischer Ausgabe im Jovis Verlag erschienen (876 Seiten mit 394 farbi­

gen und 84 schwarz­weißen Abbildungen) und kostet 39,80 Euro. Weitere Informationen un­

ter www.iba­stadtumbau.de

B u c h t i p p

Nach acht Jahren intensiver Arbeit in 19 Städten ging im Ok ­ to ber vergangenen Jahres die IBA Stadtumbau 2010 zu Ende. Hunderttausende besuchten die Abschlusspräsentation, ob in der zentralen Überblicksausstellung im Bauhaus Dessau oder in den 19 IBA­Städten. Knapp 100 realisierte Projekte gab es zu sehen. Internationale Fachbesucher und Medienvertreter signalisierten immer wieder, was das Besondere an dieser IBA war: Der Mut, ein Thema aufzugreifen, das keineswegs nur Sachsen­Anhalt be­trifft, sondern viele Teile der Welt. Mit dem Wenigerwerden muss vieles neu gestaltet, konzipiert und organisiert werden. Schrump­fung kann ein Akt der Modernisierung sein — in der Reduktion auf das Wesentliche und im Herausbilden individueller Beson­derheiten entsteht Neues. In der universitären Ausbildung und Forschung wird die Stiftung Bauhaus Dessau in Kooperation mit der Universität Kassel das mit der IBA entstandene Wissen im Rahmen eines Master­ und Promotionsprogramms in den Jah­ren 2011 bis 2014 weitertragen und entwickeln.

Mit der IBA sind die Schrumpfungsprozesse weder lokal noch global zu Ende. Während international mehr und mehr Städte schrumpfen und sich daher viele Stadtverantwortliche — ob aus Europa, Nordamerika oder auch Asien — auf den Weg machten, um von Sachsen­Anhalt zu lernen, bleibt die Fragestellung auch im Land akut. In den nächsten Jahren werden längerfristig ange­legte IBA­Projekte wie der Campus Technicus in Bernburg oder die Reparatur des Meisterhausensembles in Dessau­Roßlau fer­tiggestellt. Blickt man auf die Bevölkerungsprognosen, so setzen sich in allen Städten Sachsen­Anhalts die Schrumpfungsentwick­lungen fort. Dieser Befund erfordert auch künftig vorausschau­endes und gestaltendes Handeln. Dabei ist es nicht damit getan, die erfolgreichen Prinzipien der IBA — die lokale Profilierung und Stärkung der Stadtzentren in den Zeiten der Schrumpfung — fortzuführen, sondern auch neue strukturpolitische Ansätze

für den Umbau der sich ausdünnenden Regionen zu finden. An­gesichts des sich fortsetzenden Bevölkerungsrückgangs ist es notwendig, den Blick zu weiten und über die Stadtgrenzen hin­auszuschauen. Die Städte können den Umbau nicht mehr allein leisten, sondern sind auf regionale Kooperation und Arbeitstei­lung angewiesen. Innerhalb einer Region wird künftig nicht mehr jede Stadt alles bereitstellen können, sondern sich mit den benachbarten Kommunen Aufgaben teilen und diese gemein­sam koordinieren. Erste Schritte zu einer neuen Form von regionalem Denken sind während der IBA in der Hansestadt Stendal gelungen. Im Fokus steht dort der Umbau der staatlichen Daseinsvorsorge in immer dünner besiedelten Landstrichen. Wie lassen sich Bildung, technische Versorgung, Mobilität oder Gesundheitsversorgung für immer weniger Menschen zu er­schwinglichen Kosten sichern? Hierfür müssen etablierte Sche­mata hinterfragt und aufgegeben, zivilgesellschaftliche Akteure gewonnen und eingebunden, innovative Modelle entwickelt und umgesetzt werden. Dies trifft nicht nur den ländlichen Raum, sondern auch zentrale Orte wie das Oberzentrum Dessau­Roßlau. Die Stadt wird von ihren gegenwärtig 90.000 Einwohnern in den kommenden zwei Jahrzehnten etwa weitere 20.000 Einwohner verlieren. Welche Konsequenzen hat dies? Verliert sie den Status eines Oberzentrums und geht im Landkreis auf? Oder fusioniert sie mit den Nachbarstädten Bitterfeld und Wittenberg zu einer Art Bandstadt? Sollten wir die Region Anhalt nicht einfach als eine Stadt denken und die bisherigen Städte als Stadtteile? Fra­gen wie diese sind heute zu stellen und zu diskutieren, weil das, was heute entschieden und investiert wird, die Grundlage dar­stellt für die Entwicklung der nächsten zehn oder 20 Jahre. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage des Bahnverkehrs neu zu denken. Es ist notwendig, Dessau­Roßlau hierbei im Zusam­menhang mit Bitterfeld und Wittenberg zu sehen und darauf zu verzichten, einen dritten, wenig frequentierten Fernbahnan­

weniger ist zukunftDas vergangene Jahr stand für die Stiftung im Zeichen der Internationalen Bauausstellung Stadtumbau Sachsen­Anhalt 2010: Wie geht es weiter?

i m ja h r 2050 ist sachse n-a n h a lt di e tosk a na des nor de ns — zuku n f tssz e na r io aus de r i ba sta dt um bau 2010. Collage: Tobias Steinert, Stiftung Bauhaus Dessau, 2009