Ausgewählte Suttas aus dem Pālikanon · 6 Das Karaniya Metta Sutta: Die Lehrrede über Metta 23 7...

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Ausgewählte Suttas aus dem Pālikanon Dharma-Übungskurs für Mitras

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Ausgewählte Suttasaus dem Pālikanon

Dharma-Übungskurs für Mitras

Inhalt

1 Das Ariyapariyesana Sutta: Die Lehrrede über die edle Suche 3

2 Das Garava Sutta: Die Lehrrede über die Verehrung 9

3 The Mahanama Sutta: Die Unterhaltung mit Mahanama 11

4 Das Kalama Sutta: Die Lehrrede an die Kalamas 16

5 Das Mangala Sutta: Der höchste Segen 21

6 Das Karaniya Metta Sutta: Die Lehrrede über Metta 23

7 Das Kosambiya Sutta: Die Lehrrede an die Kosambier 26

8 Das Culagosinga Sutta: Die (kürzere) Lehrrede in Gosinga 30

9 Anhang: Ein Überblick über den Pālikanon 34

Umschlagbild: Burmese-Pāli Manuscript, Creative Commons Lizenz: CC BY. Detail.

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Teil 1: Der Buddha1. Das Ariyapariyesana Sutta: Die Lehrrede über die edle Suche

EinführungDieses Modul mit Suttas aus dem Pālikanon wurde auf der Grundlage der Einteilung nach Buddha, Dharma und Sangha zusammengestellt. Es ist also sinnvoll, mit einem Bericht über das Leben des Buddha bis zu seiner Erleuchtung und zu seinen ersten Versuchen, auch anderen zu helfen, das zu erlernen und zu verwirklichen, was er selbst verwirklicht hatte, zu beginnen.

Das Ariyapariyesana Sutta gibt uns einen solchen Bericht, allerdings mit einer wichtigen Betonung – der Unterscheidung zwischen der „edlen Suche“, die den Buddha zur Erleuchtung führte und mit der seine Schülerinnen und Schüler engagiert sind, wenn sie es ernst meinen, und der unehrenhaften Suche nach Glück bei weltlichen Anliegen. Diese Betonung konfrontiert uns als Lesende mit einer herausfordernden Frage. Wenn wir wirklich ehrlich sind: Wieweit suchen wir Glück in weltlichen Dingen (die unedle Suche) und in welchem Ausmaß suchen wir Erfüllung durch einen Pfad spirituellen Wachstums, der uns erlaubt, genau diese weltlichen Angelegenheiten zu transzendieren? Anders gefragt: in welchem Ausmaß nehmen wir immer noch Zuflucht zu weltlichen Dingen, und in welchem Ausmaß nehmen wir Zuflucht zum Buddha, Dharma und Sangha?

Vielleicht war es genau der Wunsch, diesen Unterschied zwischen den beiden Arten der Suche herauszustellen, der dazu führte, dass verschiedene Aspekte, die wir normalerweise in einem Bericht über die Suche des Buddha nach Erleuchtung erwarten würden, nicht auftauchen. Beispielsweise werden Frau und Kind nicht erwähnt, und auch nicht die anderen Geschichten rund um seinen Aufbruch.Möglicherweise waren die einfach nicht wichtig in Hinblick auf den Hauptpunkt und wurden deshalb weggelassen. Es könnte auch sein, dass sie wirklich mythische Geschichten waren, die erst später entstanden. Falls letzteres der Fall ist, so macht das diese Geschichten nicht „falsch“ – wie Sangharakshita herausgestellt hat, gibt es so etwas wie „mythische Wahrheit“; und mythische Geschichten können das, was dem Buddha innerlich, in Herz und Geist, passierte, auf eine Art beschreiben, die über oberflächliche historische Genauigkeit weit hinausgeht.

Das Ariyapariyesana Sutta (MN 26)Basierend auf der Übersetzung von Kay Zumwinkel, gekürzt von Vadanya und bearbeitet von Jnanacandra in Anlehnung an die Übersetzung von Thanissaro Bhikkhu ins Englische.

So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sāvatthī im Jeta Hain, dem Park des Anāthapiṇḍikaauf. Als der Morgen dämmerte, kleidete sich da der Erhabene an, nahm seine Schale und äußere Robe und ging um Almosen nach Sāvatthī hinein. Dann, als der Erhabene von seiner Almosenrunde zurückgekehrt war, ging der Erhabene zur Einsiedelei des Brahmanen Rammaka. Bei dieser Gelegenheit saß eine Anzahl von Bhikkhus in der Einsiedelei beisammen und erörterte den Dhamma. Der Erhabene stand draußen vor der Tür und wartete das Ende ihrer Erörterung ab. Als er wusste, dass sie zu Ende war,räusperte er sich und klopfte an, und die Bhikkhus öffneten ihm die Tür. Der Erhabene trat ein, setzte sich auf dem Platz nieder, der für ihn vorbereitet wurde, und richtete sich so an die Bhikkhus: "Ihr Bhikkhus, zu welcher Art von Erörterung sitzt ihr jetzt hier beisammen?" "Ehrwürdiger Herr, unsere Erörterung handelte vom Erhabenen selbst."

"Gut, ihr Bhikkhus. Es ist angemessen für euch Männer aus guter Familie, die ihr aus Vertrauen heraus von zu Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen seid, beisammen zu sitzen und den Dhamma zu erörtern. Wenn ihr zusammenkommt, Bhikkhus, dann solltet ihr eines von zwei Dingen tun: eine Erörterung des Dhamma abhalten oder edles Schweigen einhalten.

Ihr Bhikkhus, es gibt diese zwei Arten der Suche: die edle Suche und die unedle Suche. Und was ist die

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unedle Suche? Da ist jemand selbst der Geburt unterworfen und sucht, was ebenfalls der Geburt unterworfen ist; er ist selbst dem Altern, der Krankheit, dem Tode unterworfen und sucht, was ebenfalls der Krankheit, dem Altern, dem Tode unterworfen ist; er ist selbst dem Kummer und der Befleckung unterworfen und sucht, was ebenfalls dem Kummer und der Befleckung unterworfen ist.

Und was kann man als der Geburt, dem Alter, der Krankheit, dem Tode, dem Kummer und der Befleckung unterworfen bezeichnen? Ehefrau und Kinder, Sklaven und Sklavinnen, Ziegen und Schafe, Geflügel und Schweine, Elefanten, Rinder, Pferde und Stuten, Gold und Silber sind der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Tode, dem Kummer und der Befleckung unterworfen. Diese Verein-nahmungen sind all dem unterworfen; und jemand, der an diese Dinge gebunden ist, in sie vernarrt ist und ihnen bis zum Äußersten ausgeliefert ist, sucht, was der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Tode, dem Kummer und der Befleckung unterworfen ist, wobei er selbst der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Tode, dem Kummer und der Befleckung unterworfen ist. Dies ist die unedle Suche.

Und was ist die edle Suche? Da ist jemand selbst der Geburt unterworfen, und weil er die Gefahr in dem,was der Geburt unterworfen ist, erkannt hat, sucht er die ungeborene höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna; jemand ist selbst dem Altern,der Krankheit, dem Tode, dem Kummer und der Befleckung unterworfen, und weil er die Gefahr in all dem erkannt hat, sucht er die nicht alternde, nicht krankende, todlose, kummerfreie, unbefleckte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna. Dies ist die edle Suche.

Ihr Bhikkhus, vor meiner Erleuchtung war auch ich der Geburt unterworfen und suchte, was ebenfalls der Geburt unterworfen war; war auch ich dem Altern, der Krankheit, dem Tode, dem Kummer und der Befleckung unterworfen und suchte, was ebenfalls all diesem unterworfen war. Dann erwog ich folgendes: 'Warum suche ich, wenn ich selbst all diesen Dingen unterworfen bin, das, was ebenfalls all dem unterworfen ist? Was wenn ich, der ich selbst der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Tode, dem Kummer und der Befleckung unterworfen bin und die Gefahr in all dem erkannt habe, die ungeborene, nicht alternde, nicht krankende, todlose, kummerfreie, unbefleckte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein suche, Nibbāna?

Nach einiger Zeit, als schwarzhaariger junger Mann, mit Jugend gesegnet, in der Blüte meines Lebens, rasierte ich mir Kopf- und Barthaar ab, zog die gelbe Robe an und ging von zu Hause fort in die Hauslosigkeit, obwohl meine Mutter und mein Vater das nicht wünschten und mit tränenüberströmtem Gesicht weinten.

Nachdem ich in die Hauslosigkeit gezogen war, auf der Suche nach dem Heilsamen, nach dem höchsten Zustand erhabenen Friedens, ging ich zu Āḷāra Kālāma und sagte zu ihm: 'Freund Kālāma, ich will das heilige Leben in diesem Dhamma und dieser Disziplin führen.' Schnell und in kurzer Zeit lernte ich jenen Dhamma, was das bloße Hersagen und Einüben seiner Lehre anbelangte. Ich erwog: 'Angenommen, ich mache mich daran den Dhamma zu verwirklichen, in den Āḷāra Kālāma eingetreten ist und in dem er verweilt, indem er ihn durch direkte Erkenntnis selbst verwirklicht hat.' Schnell und in kurzer Zeit trat ich in jenen Dhamma ein und verweilte darin, indem ich ihn durch direkte Erkenntnis selbst verwirklichte. Dann ging ich zu Āḷāra Kālāma und fragte ihn: 'Freund Kālāma, ist dies das Ausmaß, in dem du in diesen Dhamma eingetreten bist und in ihm verweilst?'

'Ja, mein Freund. Es ist ein Gewinn für uns, ein großer Gewinn, dass wir solch einen Gefährten im heiligen Leben haben. Der Dhamma, in den ich eingetreten bin und in dem ich verweile, indem ich ihn durch direkte Erkenntnis selbst verwirklicht habe, ist der Dhamma von dem du erklärst, dass du in ihn eingetreten bist und in ihm verweilst, indem du ihn durch direkte Erkenntnis selbst verwirklicht hast. So wie ich bin, bist auch du; so wie du bist, bin auch ich. Komm, Freund, lass uns diese Gemeinschaft jetzt gemeinsam leiten.'

So setzte Āḷāra Kālāma, mein Lehrer, mich, seinen Schüler, auf gleichen Rang mit sich selbst und erwies mir höchste Ehre. Aber es wurde mir klar: 'Dieser Dhamma führt nicht zur Ernüchterung, zur Lossagung, zum Aufhören, zum Frieden, zur direkten Erkenntnis, zur Erleuchtung, zum Nibbāna, sondern nur zum Wiedererscheinen im Nichtsheit-Gebiet.'1 Weil ich mit jenem Dhamma nicht zufrieden war, ging ich fort.

1 Dies ist das dritte der vier formlosen jhānas oder dhyanas.

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Ihr Bhikkhus, immer noch auf der Suche nach dem Heilsamen, auf der Suche nach dem höchsten Zustand erhabenen Friedens, ging ich zu Uddaka Rāmaputta und sagte zu ihm: 'Freund Uddaka, ich will das heilige Leben in diesem Dhamma und dieser Disziplin führen.' Schnell und in kurzer Zeit lernte ich jenen Dhamma, was das bloße Hersagen und Einüben seiner Lehre anbelangte. Ich erwog: 'Angenommen, ich mache mich daran den Dhamma zu verwirklichen, in den Rāma eingetreten ist und in dem er verweilt, indem er ihn durch direkte Erkenntnis selbst verwirklicht hat.' Schnell und in kurzer Zeit trat ich in jenen Dhamma ein und verweilte darin, indem ich ihn durch direkte Erkenntnis selbst verwirklichte. Dann ging ich zu Uddaka und fragte ihn: 'Freund Uddaka, ist dies das Ausmaß, in dem du indiesen Dhamma eingetreten bist und in ihm verweilst?'

'Ja, mein Freund. Dies, mein Freund, ist das Ausmaß, in dem auch ich in diesen Dhamma eingetreten bin und darin verweile, indem ich ihn durch direkte Erkenntnis selbst verwirklichte. Es ist ein Gewinn für uns,ein großer Gewinn, dass wir solch einen Gefährten im heiligen Leben haben. Der Dhamma, in den Rāma eingetreten ist und in dem er verweilt, ist der Dhamma von dem du erklärst, dass du in ihn eingetreten bist und in ihm verweilst. Der Dhamma, in den du, wie du erklärst, eingetreten bist und in dem du verweilst, ist der Dhamma in den Rāma eingetreten ist und in dem er verweilt. Also kennst du den Dhamma, den Rāma kannte, und Rāma kannte den Dhamma, den du kennst. So wie Rāma war, bist auch du; so wie du bist, war auch Rāma. Komm, Freund, leite jetzt diese Gemeinschaft.'

So setzte Uddaka Rāmaputta, mein Gefährte im heiligen Leben, mich auf den Rang eines Lehrers und erwies mir höchste Ehre. Aber es wurde mir klar: 'Dieser Dhamma führt nicht zur Ernüchterung, zur Lossagung, zum Aufhören, zum Frieden, zur direkten Erkenntnis, zur Erleuchtung, zum Nibbāna, sondernnur zum Wiedererscheinen im Gebiet von Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung2.' Weil ich mit jenem Dhamma nicht zufrieden war, ging ich fort.

Immer noch auf der Suche nach dem Heilsamen, auf der Suche nach dem höchsten Zustand erhabenen Friedens, wanderte ich etappenweise durch das Land Magadha, bis ich schließlich bei Senānigama nahe Uruvelā ankam. Dort sah ich ein schönes Stück Land, einen lieblichen Hain mit einem klar dahin strömenden Fluss mit angenehmen, sanft ansteigenden Ufern, und in der Nähe ein Dorf für den Almosengang. Ich dachte: 'Dies ist der richtige Ort für einen Mann aus guter Familie, der darauf aus ist, sich für die Edle Suche zu bemühen.' Und ich setzte mich zur Meditation nieder.

Dann erlangte ich, der ich selbst der Geburt unterworfen die Gefahr der Geburt erkannt und das Ungeborene gesucht hatte, die ungeborene höchste Befreiung von den Fesseln, Nibbāna. Der ich selbst dem Altern, der Krankheit, dem Tod, dem Kummer und der Befleckung unterworfen das Nichtalternde, Nichtkrankende, Todlose, Kummerfreie und Unbefleckte gesucht hatte, erlangte ich die nichtalternde, nichtkrankende, todlose, kummerfreie und unbefleckte Befreiung von den Fesseln, Nibbāna. Da wusste ich: 'Meine Befreiung ist unerschütterlich. Dies ist meine letzte Geburt. Jetzt gibt es kein erneutes Werden mehr.'

Dann dachte ich: 'Dieser Dhamma, den ich erlangt habe, ist tiefgründig, schwer zu sehen und schwer zu verstehen, friedvoll und erhaben, jenseits des Bereichs von Worten und Denken, subtil, von den Weisen zu erfahren. Aber diese Generation findet Vergnügen an weltlicher Anhaftung, begeistert sich für weltliche Anhaftung, erfreut sich an weltlicher Anhaftung. Für eine Generation, die sich an weltlichem Anhaften erfreut, ist es schwer diese Wahrheit zu erkennen, nämlich die Bedingtheit, die bedingte Entstehung. Und es ist schwer, diesen Zustand zu erkennen, nämlich die Stillung aller Gestaltungen, das Aufgeben allen weltlichen Anhaftens, die Vernichtung des Begehrens, die Lossagung, das Aufhören, Nibbāna. Wenn ich den Dhamma lehren würde, würden andere mich nicht verstehen, und das wäre ermüdend und beschwerlich für mich.' Indem ich dies erwog, neigte mein Geist zum Verweilen in Ruhe, nicht zum Lehren des Dhamma.

Da erkannte Brahmā Sahampati mit seinem Geist meinen Gedanken und er dachte: 'Die Welt ist verloren! Die Welt wird zugrunde gehen! Der Geist des Tathāgata, des Arahant, des vollständig Erleuchteten, neigt zum Verweilen in Ruhe, nicht zum Lehren des Dhamma!' Da verschwand Brahmā Sahampati aus der Brahmawelt und erschien vor mir, so schnell, wie ein starker Mann seinen gebeugten Arm strecken könnte. Er kniete nieder, grüßte mich ehrerbietig mit zusammengelegten Händen und

2 Das vierte der formlosen jhānas oder dhyanas.

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sprach: 'Herr, möge der Erhabene den Dhamma lehren! Möge der Vollendete den Dhamma lehren! Es gibt Wesen mit wenig Staub auf den Augen, die zugrunde gehen, wenn sie den Dhamma nicht hören. Es wird jene geben, die den Dhamma verstehen werden.'

'Öffne die Tür zum Todlosen! Wie einer, der auf einer Felsspitze stehend alles unter ihm sieht, erklimme mit deinem alles umfassenden Blick den Dhamma-Palast. Der du von Leid frei bist, sieh jene unter dir, die in Leid versinken, von Geburt und Alter geschunden. Erhebe dich und lehre sie den Dhamma! Es wirdmanche geben, die verstehen werden.'

Da betrachtete ich aus Mitgefühl für die Wesen die Welt mit dem Auge eines Erwachten. Ich sah Wesen mit wenig Staub auf den Augen und mit viel Staub auf den Augen; solche mit scharfen geistigen Fähigkeiten und solche mit dumpfen geistigen Fähigkeiten; solche mit guten Eigenschaften und solche mit schlechten Eigenschaften; solche, die leicht zu lehren, und solche, die schwer zu lehren sind; und einige, die in Scheu vor Übeltat und vor der anderen Welt leben. Gerade so wie in einem Teich mit Lotusblumen manche der im [schmutzigen] Wasser geborenen Lotusse noch im Wasser versunken sind, manche Lotusse die Wasseroberfläche erreicht haben und manche Lotusse sich aus dem Wasser erheben und frei und unbenetzt dastehen; so sah auch ich, als ich die Welt mit dem Auge eines Buddha betrachtete, Wesen mit wenig Staub auf den Augen und solche mit viel Staub auf den Augen.

Ich erwiderte Brahmā Sahampati und sprach: 'Offen sind die Türen zum Todlosen. Wer Ohren habe, möge hören. Mögen sie ihr Vertrauen zeigen.' Da verneigte sich Brahmā Sahampati vor mir und verschwand auf der Stelle.

Da dachte ich: 'Wen sollte ich zuerst den Dhamma lehren? Wer wird diesen Dhamma schnell verstehen?'Da fiel mir ein: ' Āḷāra Kālāma ist weise, intelligent und verständig; er hat seit langem wenig Staub auf den Augen. Er wird diesen Dhamma schnell verstehen.' Da traten Devas an mich heran und sagten: 'Herr,Āḷāra Kālāma starb vor sieben Tagen.' Ich dachte: 'Das ist ein großer Verlust für Āḷāra Kālāma. Wenn er diesen Dhamma gehört hätte, hätte er ihn schnell verstanden.'

Da dachte ich: 'Uddaka Rāmaputta ist weise, intelligent und verständig; er hat seit langem wenig Staub auf den Augen. Er wird diesen Dhamma schnell verstehen.' Da traten Devas an mich heran und sagten: 'Herr, Uddaka Rāmaputta starb letzte Nacht.' Ich dachte: 'Das ist ein großer Verlust für Uddaka Rāmaputta. Wenn er diesen Dhamma gehört hätte, hätte er ihn schnell verstanden.'

Da dachte ich: 'Die fünf Asketen, die mir aufwarteten, als ich mit meinen Anstrengungen beschäftigt war,waren sehr hilfsbereit. Was, wenn ich sie zuerst den Dhamma lehre? Wo leben sie denn jetzt?' Und mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, sah ich, dass sie bei Vārāṇasī im Hirschpark bei Isipatana lebten.

Dann, ihr Bhikkhus, machte ich mich auf den Weg, um etappenweise nach Vārāṇasī zu wandern. Zwischen Gayā und dem Ort der Erleuchtung sah mich der Ājīvaka Upaka auf der Straße und sagte: 'Freund, deine Sinne sind klar, die Farbe deiner Haut ist rein und strahlend. Unter wem bist du in die Hauslosigkeit gezogen? Wer ist dein Lehrer? Zu wessen Dhamma bekennst du dich?'

Ich erwiderte: 'Ich bin einer, der alles transzendiert hat. Inmitten aller Dinge der Welt bin ich unbesudelt,durch die Beendigung des Verlangens befreit. Ich habe diesen Zustand durch meine eigenen Bemühungen erlangt – wen sollte ich als meinen Lehrer nennen? Ich habe keinen Lehrer, meinesgleichenist nirgends auf der ganzen Welt zu finden. Ich bin der höchste Lehrer, der ganz und gar Erwachte. Ich gehe nun das Rad des Dhamma in Gang zu setzen. In einer blind gewordenen Welt, gehe ich hin, die Trommel des Todlosen zu schlagen.'

Da sprach Upaka: 'Deinen Behauptungen nach, Freund, müsstest du die ganze Welt besiegt haben.' Und ich erwiderte: 'Die wahren Sieger sind jene wie ich, die die Befleckungen beendigt haben. Ich habe das Unheilsame besiegt, und daher, Upaka, bin ich wahrlich ein Sieger.'

Da sagte Upaka: 'Möge es so sein, Freund.' Und kopfschüttelnd ging er davon.

Indem ich etappenweise wanderte, ihr Bhikkhus, gelangte ich schließlich nach Vārāṇasī, zum Hirschpark bei Isipatana, wo die Gruppe der fünf Asketen weilte. Sie sahen mich in der Ferne kommen und trafen

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diese Absprache untereinander: 'Freunde, da kommt der Einsiedler Gotama, der seine Bemühungen aufgab und zum Luxus zurückkehrte. Wir sollten ihm keine Ehre bezeugen oder für ihn aufstehen oder ihm die Schale oder äußere Robe abnehmen. Aber einen Sitzplatz kann man ihm zurechtmachen. Wenn er will, mag er sich niedersetzen.' Doch als ich näher kam, waren sie nicht in der Lage, ihr Abkommen einzuhalten. Einer kam mir entgegen, um mir die Schale und äußere Robe abzunehmen, ein anderer machte einen Sitzplatz zurecht, und noch ein anderer stellte Wasser für meine Füße bereit; allerdings redeten sie mich mit meinem Namen und mit 'Freund' an.

Darauf sagte ich ihnen: 'Bhikkhus, redet den Tathāgata nicht mit seinem Namen und mit 'Freund' an. Der Tathāgata ist ein Arahant, ein vollständig Erleuchteter. Hört, ihr Bhikkhus: Das Todlose ist erreicht. Ich werde euch unterrichten, ich werde euch den Dhamma lehren. Wenn ihr nach dieser Anleitung praktiziert, werdet ihr bald das höchste Ziel des heiligen Lebens erreichen und darin verweilen, für das Männer aus guter Familie zu Recht von zu Hause fort in die Hauslosigkeit ziehen; ihr werdet es hier und jetzt selbst verstehen und verwirklichen.

Doch sie erwiderten: 'Freund Gotama, durch die Askese, die du bei uns übtest, hast du keinerlei übermenschliche Zustände erreicht, keinerlei Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist. Jetzt, da du deine Bemühungen aufgegeben hast und zum Luxus zurückgekehrt bist, wie willstdu da solche Dinge erreicht haben?'

Ich sagte ihnen: 'Der Tathāgata hat seine Bemühungen nicht aufgegeben und ist auch nicht zum Luxus zurückgekehrt. Der Tathāgata ist ein Arahant, ein vollständig Erleuchteter. Hört, ihr Bhikkhus, das Todloseist erreicht. Ich werde euch unterrichten, ich werde euch den Dhamma lehren. Wenn ihr nach dieser Anleitung praktiziert, werdet ihr bald das höchste Ziel des heiligen Lebens erreichen und darin verweilen, für das Männer aus guter Familie zu Recht von zu Hause fort in die Hauslosigkeit ziehen; ihr werdet es hier und jetzt selbst verstehen und verwirklichen.

Ein zweites und ein drittes Mal stellten mir die fünf Asketen dieselbe Frage, und jedesmal erwiderte ich wieder wie zuvor. Da sagte ich: 'Ihr Bhikkhus, habt ihr mich jemals auf solche Weise sprechen hören?' - 'Nein, Herr.' Und ich wiederholte: 'Der Tathāgata hat seine Bemühungen nicht aufgegeben und ist auch nicht zum Luxus zurückgekehrt. Der Tathāgata ist ein Arahant, ein vollständig Erleuchteter. Hört, ihr Bhikkhus, das Todlose ist erreicht. Ich werde euch unterrichten, ich werde euch den Dhamma lehren. Wenn ihr nach dieser Anleitung praktiziert, werdet ihr bald das höchste Ziel des heiligen Lebens erreichen und darin verweilen, für das Männer aus guter Familie zu Recht von zu Hause fort in die Hauslosigkeit ziehen; ihr werdet es hier und jetzt selbst verstehen und verwirklichen.

Und so gelang es mir, sie zu überzeugen. Dann unterrichtete ich zuweilen zwei Bhikkhus, während die anderen drei um Almosen gingen, und wir sechs lebten von dem, was jene drei Bhikkhus von ihrer Almosenrunde zurückbrachten. Zuweilen unterrichtete ich drei Bhikkhus, während die anderen zwei um Almosen gingen, und wir sechs lebten von dem, was jene zwei Bhikkhus von ihrer Almosenrunde zurückbrachten. So von mir gelehrt und unterrichtet, suchten und erlangten die fünf Asketen, die der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Tod, dem Kummer und der Befleckung unterworfen waren und deren Gefahren erkannt hatten, das Todlose, die höchte Befreiung von den Fesseln, Nibbāna. Wissen und die Schauung erwuchs ihnen. Da wussten sie: 'Unsere Befreiung ist unerschütterlich. Dies ist unsere letzte Geburt. Jetzt gibt es kein erneutes Werden mehr.'

Bhikkhus, es gibt diese fünf Seile sinnlichen Vergnügens. Welche fünf? Formen, die mit dem Auge erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm, liebenswert sind und Verlangen hervorrufen. Klänge, die mit dem Ohr erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm, liebenswert sind und Verlangen hervorrufen. Gerüche, die mit der Nase erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm, liebenswert sind und Verlangen hervorrufen. Geschmäcker, die mit der Zunge erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt,angenehm, liebenswert sind und Verlangen hervorrufen. Berührungsobjekte, die mit dem Körper erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm, liebenswert sind und Verlangen hervorrufen. Dies sind die fünf Seile sinnlichen Vergnügens.

Jene Asketen und Brahmanen, die mit diesen fünf Seilen sinnlichen Vergnügens gefesselt sind, von ihnen betört, ihnen völlig verfallen sind, und die sie benutzen, ohne die Gefahr in ihnen zu erkennen oder zu

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verstehen, wie man ihnen entkommt – von ihnen kann man sagen, dass sie in großes Unglück geraten sind. Ebenso wie ein Waldhirsch, der in Schlingen verfangen am Boden liegt, in großes Unglück geraten ist, weil der Jäger mit ihm tun kann, was ihm beliebt, ebenso sind sie in großes Unglück geraten. Māra kann mit ihnen tun, was ihm beliebt.'

Doch jene Asketen und Brahmanen, die nicht mit diesen fünf Seilen sinnlichen Vergnügens gefesselt, vonihnen nicht betört, ihnen nicht völlig verfallen sind, die sie benutzen und dabei die Gefahr in ihnen erkennen und verstehen, wie man ihnen entkommt – von ihnen kann man sagen, dass sie nicht in Unglück geraten sind. Ebenso wie ein Waldhirsch, der nicht in Schlingen verfangen ist, nicht in Unglück geraten ist, weil er, wenn der Jäger kommt, nach Belieben davonlaufen kann, ebenso sind sie nicht in Unglück geraten. Māra hat keine Macht über sie.

Angenommen, ein Waldhirsch durchstreift den tiefen Wald: Er geht voll Zuversicht, er steht voll Zuversicht, er sitzt voll Zuversicht, er legt sich voll Zuversicht nieder. Warum ist das so? Weil er außerhalbder Reichweite des Jägers ist. Ebenso heißt es von einem Bhikkhu, der sich von Sinnesvergnügen und unheilsamen Geisteszuständen abgeschieden hält, er habe Māra geblendet. Spurlos ist er über Maras Sichtfeld hinausgegangen, und der Böse kann ihn nicht sehen. Seine Triebe sind vernichtet durch sein Sehen mit Weisheit. Er hat die Anhaftung an die Welt hinter sich gelassen. Er geht voll Zuversicht, er steht voll Zuversicht, er sitzt voll Zuversicht, er legt voll Zuversicht nieder. Warum ist das so? Weil er außerhalb der Reichweite des Bösen ist."

Das ist, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. Welche Entsprechungen gibt es in unserer Zeit für Ziegen, Schafe, Geflügel, Schweine, Elefanten etc.? Welches sind speziell deine Entsprechungen?

2. Wieviel von deiner Zeit und Bemühung ist der edlen Suche gewidmet und wieviel der unedlen Suche?(Du könntest darüber nachdenken, wieviel Zeit du jeden Tag dafür aufbringst, und wieviel Zeit du damit verbringst, darüber nachzudenken).

3. Was denkst du – in welchem Sinn könnte Nibbana „das Ungeborene, das nicht Alternde, das nicht Kränkliche, das Todlose“ sein? Glaubst du, es bedeutet ein stoisches Akzeptieren des Todes, oder ein echtes Entkommen? Glaubst du, es könne einen Zustand geben wie das „wirklich Todlose“?

4. Glaubst du, dass der Buddha sich wirklich hätte entscheiden können, nicht zu lehren? Warum, und warum nicht? Was könnte Brahma Sahampati in dieser Episode repräsentieren?

5. Wie würdest du die Motivation des Buddha beschreiben, die fünf Asketen auszusuchen? Sagt uns das etwas Bedeutsames?

6. Sagt uns der letzte Teil des Textes über „die Fesseln der sinnlichen Freuden“, dass wir Freude vermeiden müssen, wenn wir spirituellen Fortschritt wollen?

7. Was könnte es bedeuten, die befreite Person als „spurenlos“ zu bezeichnen?

8. Verbringe ein wenig Zeit mit Nachdenken über die Metaphern, die dieses Sutta benutzt – den Lotusteich mit Lotusblüten in verschiedenen Wachstumsstadien in und außerhalb des schlammigen Wassers; die Rehe, entweder angebunden oder dem Jäger ausgeliefert oder frei, auch für Mara „unsichtbar“ zu sein. Haben einige eine bestimmte Resonanz für dich?

9. Worin unterscheidet sich dieser Bericht über das Leben des Buddha von anderen Beschreibungen, diedu kennst?

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2. Das Garava-Sutta: Die Lehre von der Verehrung

EinführungIn diesem Sutta treffen wir den Buddha kurz nach seiner Erleuchtung. Er befindet sich in dem Prozess, diese ungeheure Erfahrung zu „verdauen“, sein Dasein in ihrem Licht neu zu organisieren und sich selbst die Auswirkungen klar zu machen.

Als Teil dieses Prozesses richtet er seinen Geist auf das Thema der Verehrung. Seine Schlussfolgerungen mögen für manche Buddhisten der Gegenwart eine Überraschung sein - wir leben in einer Zeit, in der Verehrung eindeutig unmodern ist. Der Buddha hält es für selbstverständlich, dass ein Gefühl von Verehrung und Gehorsam gegenüber etwas Höherem als unseren eigenen Wünschen für ein glückliches Leben unabdingbar ist – sogar für einen Buddha. (Um dieses Sutta weiter zu erforschen, höre dir Sangharakshitas Vortrag Discerning the Buddha („Den Buddha erkennen“) auf freebuddhistaudio an). Sangharakshita betrachtet dieses Sutta als wichtigen Text, weil er die entscheidende Bedeutung von Verehrung für das spirituelle Leben deutlich macht.

Das Garava Sutta (SN 6.2)Gekürzte Version von Vadanya auf der Basis der Übersetzung von Thanissaro Bhikkhu, aus dem Englischen übersetzt von Jnanacandra.

So habe ich gehört.

Einmal hielt sich der Buddha, nicht lange nach seiner Erleuchtung, in Uruvela, am Ufer des Neranjara-Flusses auf und meditierte am Fuße des Banyan-Baumes des Ziegenhirten. Als er dann alleine und in Abgeschiedenheit weilte, dachte er bei sich: „Ohne Verehrung zu leben heißt unglücklich zu sein. Aber welchem Brahmanen oder Wandermönch könnte ich mich als Schüler anschließen, zu wem könnte ich aufschauen, ihn verehren und ihm gehorchen?

Wenn ich Schüler eines anderen Brahmanen oder Wandermönchs wäre, dann geschähe dies, um meine Tugend zu vermehren. Doch in dieser ganzen Welt mit ihren Göttern und Dämonen, in dieser Generationmit ihren Lehrern und Wandermönchen, ihren Königen und ihrem gemeinen Volk, sehe ich niemanden, der tugendhafter ist als ich, dessen Schüler ich sein könnte, zu dem ich aufschauen und dem ich gehorchen könnte.

Wenn ich Schüler eines anderen Brahmanen oder Wandermönchs wäre, dann geschähe dies, um meine meditative Konzentration zu vermehren. Doch in dieser ganzen Welt sehe ich niemanden, der in meditativer Konzentration weiter vervollkommnet ist als ich.

Wenn ich Schüler eines anderen Brahmanen oder Wandermönchs wäre, dann geschähe dies, um meine Erkenntnis zu vermehren. Doch in dieser ganzen Welt sehe ich niemanden, der in Erkenntnis weiter verwollkommnet ist als ich.

Wenn ich Schüler eines anderen Brahmanen oder Wandermönchs wäre, dann geschähe dies, um meine Befreiung zu vermehren. Doch in dieser ganzen Welt sehe ich niemanden, der befreiter ist als ich.

Wenn ich Schüler eines anderen Brahmanen oder Wandermönchs wäre, dann geschähe dies, um meine Weisheit und Schauung zu vermehren. Doch in dieser ganzen Welt mit ihren Göttern und Dämonen, in dieser Generation mit ihren Lehrern und Wandermönchen, ihren Königen und ihrem gemeinen Volk, sehe ich niemanden, der über größere Weisheit und Schauung verfügt als ich, dessen Schüler ich sein könnte, zu dem ich aufschauen und dem ich gehorchen könnte.

Doch ohne Verehrung zu leben heißt unglücklich zu leben. Ich werde zum Dhamma aufschauen und ihm gehorchen. Ich werde Schüler des Dhamma werden und zu ihm aufschauen, ihn verehren und ihm

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gehorchen.“

Da nahm Brahma Sahampati mit seinem Geist diesen Gedanken im Geist des Buddha wahr, verschwand aus der Brahma-Welt und erschien vor dem Buddha, ebenso wie ein starker Mann seinen angewinkelten Arm ausstrecken könnte. Er grüßte den Buddha mit vor dem Herzen zusammengelegten Händen, trat zurSeite und sprach: „So ist es, Erhabener! So ist es, Wohlgegangener! Auch jene, die in der Vergangenheit Vollkommen Erwachte waren – auch sie weilten als Schüler des Dhamma selbst, und schauten zu diesemauf und verehrten ihn. Und möge der Erhabene, der jetzt der Vollkommen Erwachte ist, möge auch er als Schüler des Dhamma selbst weilen und zu ihm aufschauen, ihn verehren und ihm gehorchen.“

Dann fügte Brahma Sahampati in Versen hinzu:

Buddhas der Vergangenheit, Buddhas, die noch kommen werden, und er, der jetzt der Buddha ist, der das Leid der Vielen vernichtet,sie alle weilten, werden weilen,so wie er weilt,in Verehrung des Wahren Dhamma,der natürlichen Gesetzmäßigkeit dessen, wie die Dinge sind.

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. Dem Buddha zufolge bedeutet ein Leben ohne Verehrung unglücklich zu sein. Stimmst du dem zu? Warum, oder warum nicht?

2. Gibt es Menschen, die du verehrst? Oder die du genug respektierst, um ihren Rat sehr ernst zu nehmen? Gibt es Menschen, bei denen du anerkennst, dass sie weiter auf dem Pfad sind als du, von denen du lernen könntest?

3. Der Buddha überlegt, dass er, wenn er zu einem anderen Lehrer aufschauen und ihm oder ihr gehorchen würde, dies täte, um verschiedene spirituelle Qualitäten zu vermehren. Wie könnte eine Haltung von Verehrung dabei helfen, die genannten Qualitäten zu entwickeln?

4. Der Buddha entscheidet, dass er zum Dharma selbst aufschauen und ihn verehren wird. Glaubst du, dass er seine eigene Lehre meint, so wie er sie in Worten formuliert hat? Falls nicht, kannst du Worte finden, um zu beschreiben, was er gemeint haben könnte?

5. Kannst du dir vorstellen, zu etwas völlig Unpersönlichem aufzuschauen und es zu verehren, wie beispielsweise einem Naturgesetz? Denkst du, dass der Buddha sich so etwas vorstellte?

6. Gibt es Situationen oder Umgebungen, in denen du Verehrung empfindest, oder ähnliche Emotionen wie Ehrfurcht oder ein Gefühl von Staunen?

7. Das Sutta impliziert nicht nur, dass ein Gefühl von Verehrung für menschliches Glück unabdingbar ist, sondern auch, dass es zum Wesen von Erleuchtung gehört. Ändert dies deine Vorstellung von Erleuchtung? Ändert es deine Einstellung zu Verehrung?

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Teil 2: der Dharma3. Das Mahanama Sutta: Die Unterhaltung mit Mahanama

EinführungUnser nächstes Sutta bildet ein Bindeglied zwischen dem ersten Teil unserer kurzen Erforschung des Pālikanon, die sich dem Buddha widmete, und dem nun folgenden Teil zum Dharma. Die Verbindung liegt in der Tatsache, dass schon seit den allerersten Anfängen des Buddhismus die Vergegenwärtigung des Buddha, Meditationen über den Buddha und seine Qualitäten sowie der Versuch, ihn immer so weit wie möglich im Bewusstsein zu halten, wichtige Dharmapraktiken waren. Wie wir in diesem Sutta sehen, hat der Buddha selbst diese Praxis empfohlen.

Im Dharma-Jahreskurs haben wir von einem alten Mann namens Pingiya gehört, für den die Vergegenwärtigung des Buddha seine Hauptpraxis war. Der Buddha sagte ihm, das könne ihn bis zur Erleuchtung führen. Wenn ihr es nachlesen wollt: Im Jahreskurs ist ein Auszug aus Pingiyas „Lobpreis desPfads zum Jenseitigen“ enthalten (6. Woche)

Im Mahanama Sutta empfiehlt der Buddha seinem Schüler, dem Haushälter Mahanama, sechs verschiedene Reflexionen, die alle dem Zweck dienen, den Geist „gerade auszurichten“. Jede dieser Reflexionen ist wirksam; doch den prominentesten Platz in der buddhistischen Tradition hat die Vergegenwärtigung des Buddha gefunden. Dazu gehören auch ihre Weiterentwicklungen, die Sadhanas, Visualisierungen, die von vielen Ordensmitgliedern geübt werden.

Das Sutta ist für alle Praktizierenden wichtig, was auch immer ihre Lebensumstände sind. Aber hauptsächlich zielt es auf Haushälter wie Mahanama, in unserem Kontext also auf Menschen, die viel Zeit außerhalb der unterstützenden Umgebung des Sangha verbringen. Mahanama fragt, an welchem Ort er „weilen“ solle, da er nicht in der Lage ist, mit dem Buddha zusammen zu leben. Er benutzt diese Sprache im klaren Gewahrsein der Tatsache, dass unsere wirkliche Verweilstätte der Geist ist. Ein Haushälter wie Mahanama kann zwar physisch nicht mit dem Buddha und Sangha zusammenwohnen, aber der Buddha erklärt ihm, dass er in seinem Geist immer gemeinsam mit ihm leben kann.

Das Mahanama Sutta – die Unterhaltung mit Mahanama (AN 11.13)Gekürzte Version von Vadanya, auf der Grundlage der Übersetzung von Thanissaro Bhikkhu, ins Deutscheübertragen von Jnanacandra.

So habe ich gehört. Einst hielt sich der Erhabene bei den Sakyern in Kapilavatthu auf, im Banyan Park. Zu dieser Zeit dachte der Sakyer Mahanama, ein Haushälter, der sich gerade von einer Krankheit erholt hatte, bei sich: „Das Ende des Regenzeit-Retreats naht und bald wird der Erhabene sich auf Wanderschaft begeben.“ Darum näherte er sich dem Erhabenen, verneigte sich vor ihm, trat zur Seite und fragte: „Wenn die drei Monate vorüber sind, wenn das Regenzeit-Retreat vorüber ist, wenn sich der Erhabene wieder auf Wanderschaft begeben hat, an welchem Verweilort sollten wir weilen?“

„Ausgezeichnet, Mahanama, ausgezeichnet! Für einen Mann aus guter Familie wie du ist es angemessen sich dem Tathagata zu nähern und ihn zu fragen: 'An welchem Verweilort sollten wir weilen?'

Wer für die Praxis entbrannt ist, ist von Überzeugung erfüllt, nicht ohne Überzeugung. Wer für die Praxis entbrannt ist, ist von Ausdauer erfüllt, nicht faul. Wer für die Praxis entbrannt ist, ist in Achtsamkeit verankert, kein Mensch verwirrter Aufmerksamkeit. Wer für die Praxis entbrannt ist, ist in Konzentration gesammelt, nicht ungesammelt. Wer für die Praxis entbrannt ist, hat Erkenntnis, ist nicht ohne Erkenntnis.

Wenn du in diesen fünf Qualitäten gefestigt bist, solltest du weiterhin diese sechs Zustände entwickeln:

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Erstens solltest du dir den Buddha ins Bewusstsein rufen und denken: 'Wirklich, der Erhabene ist der Ehre würdig und tatsächlich selbst-erwacht, vollendet in Wissen und Übung, zum Glück hingegangen, das Wesen der Welt begreifend, der beste Meister jener, die ausgebildet werden wollen, der Lehrer von göttlichen Wesen und von Menschen, erwacht, erhaben.' Wenn ein edler Schüler sich den Tathagata ins Bewusstsein ruft, wird sein Geist nicht von Leidenschaften überwältigt, nicht von Abneigung überwältigt,nicht von Verblendung überwältigt. Sein Geist richtet sich gerade aus, gegründet auf den Tathagata. Und wenn der Geist gerade ausgerichtet ist, gewinnt der edle Schüler Verständnis für das Ziel, gewinnt Verständnis für den Dhamma, gewinnt Freude im Zusammenhang mit dem Dhamma. In einem, der freudvoll ist, entsteht Verzückung. In einem, der verzückt ist, kommt der Körper zur Ruhe. Einer, dessen Körper zur Ruhe gekommen ist, empfindet Wohlgefühl. In einem, der von Wohlgefühl erfüllt ist, konzentriert sich der Geist.

Mahanama, du solltest diese Vergegenwärtigung des Buddha entwickeln, während du gehst, während dustehst, während du sitzt, während du liegst, während du mit der Arbeit beschäftigt bist und während du in deinem Heim voller Kinder ausruhst.

Außerdem solltest du dir den Dhamma ins Bewusstsein rufen und denken: 'Der Dhamma wurde vom Erhabenen gut erläutert, ist hier und jetzt offenbar, zeitlos, seinem Wesen nach eine persönliche Einladung, weiterführend, von jedem Weisen selbst zu verstehend.' Wenn ein edler Schüler sich den Dhamma ins Bewusstsein ruft, wird sein Geist nicht von Leidenschaften überwältigt, nicht von Abneigung überwältigt, nicht von Verblendung überwältigt. Sein Geist richtet sich gerade aus, gegründet auf den Dhamma. Und wenn der Geist gerade ausgerichtet ist, gewinnt der edle Schüler Verständnis für das Ziel, gewinnt Verständnis für den Dhamma, gewinnt Freude im Zusammenhang mit dem Dhamma. Ineinem, der freudvoll ist, entsteht Verzückung. In einem, der verzückt ist, kommt der Körper zur Ruhe. Einer, dessen Körper zur Ruhe gekommen ist, empfindet Wohlgefühl. In einem, der von Wohlgefühl erfüllt ist, konzentriert sich der Geist.

Mahanama, du solltest diese Vergegenwärtigung des Dhamma entwickeln, während du gehst, während du stehst, während du sitzt, während du liegst, während du mit der Arbeit beschäftigt bist und während du in deinem Heim voller Kinder ausruhst.

Außerdem solltest du dir den Sangha ins Bewusstsein rufen und denken: 'Der Sangha der Schüler des Buddha ist aufrecht, geht methodisch vor, beschreitet den rechten Pfad, diese acht Arten von Schülern sind der Geschenke würdig, der Gastfreundschaft würdig, der Gaben würdig, des Respektes würdig, eineunvergleichliche Quelle des Verdienstes für die Welt.' Wenn ein edler Schüler sich den Sangha ins Bewusstsein ruft, wird sein Geist nicht von Leidenschaften überwältigt, nicht von Abneigung überwältigt,nicht von Verblendung überwältigt. Sein Geist richtet sich gerade aus, gegründet auf den Sangha. Und wenn der Geist gerade ausgerichtet ist, gewinnt der edle Schüler Verständnis für das Ziel, gewinnt Verständnis für den Dhamma, gewinnt Freude im Zusammenhang mit dem Dhamma. In einem, der freudvoll ist, entsteht Verzückung. In einem, der verzückt ist, kommt der Körper zur Ruhe. Einer, dessen Körper zur Ruhe gekommen ist, empfindet Wohlgefühl. In einem, der von Wohlgefühl erfüllt ist, konzentriert sich der Geist.

Mahanama, du solltest diese Vergegenwärtigung des Sangha entwickeln, während du gehst, während du stehst, während du sitzt, während du liegst, während du mit der Arbeit beschäftigt bist und während du in deinem Heim voller Kinder ausruhst.

Außerdem solltest du dir deine eigenen Tugenden ins Bewusstsein rufen und denken: 'Meine Tugenden sind unzerrissen, ungebrochen, unbefleckt, befreiend, von den Weisen gepriesen, ungetrübt, die Konzentration fördernd.' Wenn ein edler Schüler sich Tugend ins Bewusstsein ruft, wird sein Geist nicht von Leidenschaften überwältigt, nicht von Abneigung überwältigt, nicht von Verblendung überwältigt. Sein Geist richtet sich gerade aus, gegründet auf Tugend. Und wenn der Geist gerade ausgerichtet ist, gewinnt der edle Schüler Verständnis für das Ziel, gewinnt Verständnis für den Dhamma, gewinnt Freudeim Zusammenhang mit dem Dhamma. In einem, der freudvoll ist, entsteht Verzückung. In einem, der verzückt ist, kommt der Körper zur Ruhe. Einer, dessen Körper zur Ruhe gekommen ist, empfindet Wohlgefühl. In einem, der von Wohlgefühl erfüllt ist, konzentriert sich der Geist.

12 / Ausgewählte Suttas aus dem Pālikanon / www.triratna-buddhismus.de

Mahanama, du solltest diese Vergegenwärtigung der Tugend entwickeln, während du gehst, während du stehst, während du sitzt, während du liegst, während du mit der Arbeit beschäftigt bist und während du in deinem Heim voller Kinder ausruhst.

Außerdem solltest du dir deine eigene Großzügigkeit ins Bewusstsein rufen und denken: 'Es ist ein Gewinn für mich, ein großer Gewinn für mich, dass ich – inmitten von Menschen, die vom Makel der Besitzgier übermannt sind – zu Hause lebe, mein Bewusstsein vom Makel der Besitzgier geläutert, uneingeschränkt großzügig, freigebig, freudvoll großmütig, für Bitten empfänglich, voller Freude bei der Verteilung von Almosen.' Wenn ein edler Schüler sich Großzügigkeit ins Bewusstsein ruft, wird sein Geist nicht von Leidenschaften überwältigt, nicht von Abneigung überwältigt, nicht von Verblendung überwältigt. Sein Geist richtet sich gerade aus, gegründet auf Großzügigkeit. Und wenn der Geist gerade ausgerichtet ist, gewinnt der edle Schüler Verständnis für das Ziel, gewinnt Verständnis für den Dhamma,gewinnt Freude im Zusammenhang mit dem Dhamma. In einem, der freudvoll ist, entsteht Verzückung. In einem, der verzückt ist, kommt der Körper zur Ruhe. Einer, dessen Körper zur Ruhe gekommen ist, empfindet Wohlgefühl. In einem, der von Wohlgefühl erfüllt ist, konzentriert sich der Geist.

Mahanama, du solltest diese Vergegenwärtigung der Großzügigkeit entwickeln, während du gehst, während du stehst, während du sitzt, während du liegst, während du mit der Arbeit beschäftigt bist und während du in deinem Heim voller Kinder ausruhst.

Außerdem solltest du dir die Devas ins Bewusstsein rufen und denken: 'Von welchem Vertrauen auch dieDevas erfüllt waren, als sie Devas wurden, die gleiche Art des Vertrauens gibt es auch in mir. Von welcherTugend, Gelehrsamkeit, Großzügigkeit und Weisheit die Devas auch erfüllt waren, als sie Devas wurden, die gleichen Eigenschaften gibt es auch in mir.' Wenn ein edler Schüler sich Vertrauen, Tugend, Gelehrsamkeit, Großzügigkeit und Weisheit ins Bewusstsein ruft, die es in ihm wie auch in den Devas gibt, wird sein Geist nicht von Leidenschaften überwältigt, nicht von Abneigung überwältigt, nicht von Verblendung überwältigt. Sein Geist richtet sich gerade aus, gegründet auf die Qualitäten der Devas. Undwenn der Geist gerade ausgerichtet ist, gewinnt der edle Schüler Verständnis für das Ziel, gewinnt Verständnis für den Dhamma, gewinnt Freude im Zusammenhang mit dem Dhamma. In einem, der freudvoll ist, entsteht Verzückung. In einem, der verzückt ist, kommt der Körper zur Ruhe. Einer, dessen Körper zur Ruhe gekommen ist, empfindet Wohlgefühl. In einem, der von Wohlgefühl erfüllt ist, konzentriert sich der Geist.

Mahanama, du solltest diese Vergegenwärtigung der Devas entwickeln, während du gehst, während du stehst, während du sitzt, während du liegst, während du mit der Arbeit beschäftigt bist und während du in deinem Heim voller Kinder ausruhst.“

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem bevorstehenden Ende des dreimonatigen Regenzeit-Retreats und Mahanamas Fragen?

2. Welche Wirkung hat es deiner Meinung nach, sich den Buddha regelmäßig ins Bewusstsein zu rufen?

3. Wo „weilst“ du, wenn du nicht im Sangha oder in einer buddhistischen Umgebung bist? Verbringe diese Woche etwas Zeit damit, jeweils herauszufinden, wo dein Geist gerade „verweilt“. Versuche zum Beispiel in Arbeitspausen, vor Mahlzeiten, vor dem Schlafengehen daran zu denken und es zu notieren. Welchen Zeitanteil verwendest du für Gedanken über spirituelle Praxis im Vergleich zu weltlichen Angelegenheiten?

4. Wo „weilt“ dein Geist, wenn du in buddhistischer Umgebung bist? Welchen Unterschied gibt es im Vergleich zu anderen Zeiten?

5. Wie könntest du auch in Zeiten, in denen die Umstände es nicht unterstützen, deine Aufmerksamkeit

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stärker auf die Tatsache richten, dass du praktizierende Buddhistin beziehungsweise praktizierender Buddhist bist?

6. Ergänze in dieser Woche deine Meditationspraxis um eine kurze Vergegenwärtigung des Buddha und versuche, im Laufe des Tages so oft und so lange wie möglich diese Verbindung aufrecht zu erhalten (du könntest dazu einen eigenen kurzen Lobpreis des Buddha schreiben; oder nimm dazu den Text aus dem hier folgenden Anhang. Berichte in der Dharma-Gruppe über die Wirkung.

7. Was hältst du von der Idee, über deine eigene Großzügigkeit und andere positive Qualitäten zu reflektieren? Versuche das diese Woche in der ersten Phase der Metta Bhavana und berichte in der Gruppe über deine Erfahrung.

Anhang für Woche 3:Ein Vorschlag für eine Vergegenwärtigung des Buddha für Mitras bei Triratna

Beginne deine morgendliche Praxis, indem du vor deinem Schrein stehst und rezitierst

„Namo Buddhaya, namo Dharmaya, namo Sanghaya“.

Kniee, um eine Opfergabe zu machen, drücke symbolisch mit dieser körperlichen Handlung dein Engagement aus. Stehe dann auf, setze dich und sprich folgende Worte langsam zu dir selbst, während du dich in deiner Vorstellung so stark du kannst mit ihnen verbindest – vielleicht willst du diese Worte auch auswendig lernen.

Ich rufe mir den Buddha ins Bewusstsein, völlig zur Realität erwacht, dies Wesen unermesslichen Geistes, jenseits der Beschränkungen eines getrennten Selbst, frei von allen Begrenzungen, endlos schöpferisch, mit allen positiven Eigenschaften ausgestattet, stark und edel, mit schönem Geist, lichterfüllt, den grenzenlosen Geist voller Mitgefühl für alle Wesen.

Lasse diese Worte einige Minuten nachklingen, während du dich in deiner Vorstellung mit dem Buddha und seinen Qualitäten verbindest. Vielleicht willst du dich auf eine bestimmte Qualität konzentrieren, diedu selbst vollständiger verkörpern möchtest.

Dann gehe über zu deiner morgendlichen Meditation und versuche, während deiner Meditation eine Empfindung der Präsenz und des Einflusses des Buddha zu behalten. Sprich zum Ende deiner Meditation folgende Worte, um deine Motivation für den vor dir liegenden Tag festzulegen. Falls du nicht vorhast, zumeditieren, dann mache gleich mit folgenden Worten weiter:

Durch die Kraft des Buddha,mit der Hilfe des Sangha,während dieses ganzen Tagesmöge ich dem Buddha nacheifern.

Mit seinem gütigen GeistMöge ich dem Buddha nacheifern.Frei vom GreifenMöge ich dem Buddha nacheifern.Frei von BegehrenMöge ich dem Buddha nacheifern.Die Wahrheit sprechendMöge ich dem Buddha nacheifern.

Mit hellem GewahrseinMöge ich dem Buddha nacheifern.

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Jenseits meiner Reaktivität,jenseits meiner Begrenzungen,mit dieser weiten Vision,für das Wohl aller Wesen,mit Körper, Rede und Geist,heute,möge ich dem Buddha nacheifern.

Wenn du diese Worte gesprochen hast, dann sitze eine Weile und konzentriere dich auf deinen Wunsch und deine Entschlossenheit, die Qualitäten des Buddha während des kommenden Tages so gut wie möglich selbst zu verwirklichen (auch jetzt willst du deinen Geist vielleicht auf eine ganz bestimmte Qualität konzentrieren). Vielleicht möchtest du deinen Geist auch auf bestimmte Situationen, die du im Laufe des Tages erwartest und besonders herausfordernd findest, lenken und überlegen, wie du geschickt damit umgehen kannst.

Um die Praxis abzuschließen, entscheide dich für fünf bestimmte Zeiten am Tag, um dir die Vorsätze, die du gerade gefasst hast, in Erinnerung zu rufen – rezitiere dann ein Mantra und erinnere dich an deine Entscheidung, dem Buddha und seinem Weg nachzueifern. (Beispielsweise beim Ankommen am Arbeitsplatz, in der Pause am Morgen, in der Mittagspause, der Nachmittagspause und bei der Heimfahrt von der Arbeit. Verbinde dich jeweils für eine oder zwei Minuten mit deinen Absichten).

Vielleicht willst du am Ende deiner Morgen-Praxis die Zufluchten und Vorsätze rezitieren.

Stehe dann auf, verbeuge dich vor dem Schrein und gehe zu deinen Tages-Aktivitäten.

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4. Das Kalamer Sutta: Die Lehrrede an die Kalamer

EinführungVergangene Woche sind wir in unserer kurzen Erforschung des Pālikanons vom Buddha zum Dharma übergegangen, indem wir ein Sutta angeschaut haben, das beide Bereiche verbindet. Das Mahanama Sutta zeigte, dass die Praktik der Vergegenwärtigung des Buddha ein bedeutsamer Aspekt buddhistischerPraxis schon seit der Zeit des Buddha selbst war. Diese Woche gehen wir weiter, um uns einige der vielenanderen Aspekte des Dharma anzuschauen, die im Pālikanon beschrieben werden. Allerdings stellt das denjenigen, der die Auswahl trifft, vor ein ernstes Problem. Der Pālikanon ist vollgepackt mit bedeutenden Dharma-Lehrreden. In einem Modul des Dharma-Übungskurses können wir nicht einmal hoffen, uns alle Einzelaspekte des Dharma anzuschauen, wie sie im Pālikanon präsentiert werden. Die Suttas, die wir erforschen, müssen deshalb für den Dharma als Ganzes relevant sein. Das Sutta, das wir uns diese Woche anschauen, ist von solcher allgemeiner Relevanz. In ihm gibt der Buddha Ratschläge, wie wir beurteilen können, was tatsächlich der Dharma ist, und was nicht.

Allerdings ist bei diesem Sutta eine Warnung angebracht: Das Kalama Sutta ist vermutlich das am stärksten missverstandene, falsch zitierte und verdreht dargestellte Sutta im ganzen Pālikanon. Oft wird es so interpretiert, als ob es besagt, ein Buddhist könne die buddhistischen Schriften, die Tradition und die Weisheit derer, die erfahrener sind als man selbst, missachten und sich stattdessen die Aspekte der Lehre herauspicken, die er aufgrund seiner persönlichen Meinungen und Vorlieben akzeptieren mag. Es wird auch oft so verstanden, als empfehle es eine dauerhaft skeptische Herangehensweise an den Dharma. Diese Interpretation ist aus zwei Gründen offensichtlich falsch.

Erstens ignoriert sie mindestens die Hälfte dessen, was der Buddha tatsächlich sagt. Zwar sagt er wirklich, dass wir eine Lehre nicht nur deshalb annehmen sollen, weil sie traditionell ist, oder wegen des guten Rufs der Person, die sie vorstellt. Es sagt allerdings auch, dass wir unserer eigenen Wahrnehmung dessen, was uns logisch erscheint, nicht vertrauen können, und dass wir uns nicht nur für die Lehren entscheiden sollten, die wir mögen, und die anderen zurückweisen. Diese Hälfte der Lehraussage wird von denen ignoriert, die das Sutta dahingehend verstehen möchten, es besage, dass unsere eigenen Ansichten und Vorlieben die Messlatte dafür sein sollten, was der Dharma ist.

Zweitens sollte dieses Sutta im Lichte des Kontextes und der Zuhörer, denen es vorgetragen wurde, betrachtet werden. Die Kalamer erbitten den Rat des Buddha, weil sie mit einander widersprechenden Lehren dogmatischer Lehrer, die alle anderen Ansichten verunglimpften, geradezu bombardiert worden waren. In diesem Zusammenhang wäre es für den Buddha unangemessen gewesen, den Kalamern seine Lehre als nur eine weitere der widerstreitenden Vorstellungen anzubieten. Er reagiert angemessen, indem er versucht, einige Kriterien für die Entscheidung zwischen verschiedenen Lehren zu geben, und zwar solche, die nicht voraussetzen, dass man an etwas glaubt. Die Kalamer sind keine Anhänger des Buddha, und er bittet sie nicht einmal, das Gesetz von Karma zu akzeptieren, obwohl er sonst im Pālikanon seinen eigenen Schülerinnen und Schülern gegenüber immer und immer wieder betont, dass dieser Glaube ganz wesentlich für das spirituelle Leben ist.

Der Buddha gibt den Kalamern stattdessen drei Kriterien für die Annahme oder Zurückweisung einer spirituellen Lehre an die Hand:

• Stimmt sie mit deiner Erfahrung und Intuition dazu, was heilsam ist, überein?

• Führt sie zu Nutzen und Glück, oder zu Schaden und Leid?

• Würden die „Wèisen“ dieser Lehre zustimmen oder sie ablehnen?

Diese drei Kriterien müssen gemeinsam betrachtet werden, und die Zustimmung jener, die wir als weiserals uns selber anerkennen, ist dabei ein entscheidender Aspekt. Die Kalamer waren keine Buddhisten,

16 / Ausgewählte Suttas aus dem Pālikanon / www.triratna-buddhismus.de

und der Buddha konnte nicht erwarten, von ihnen automatisch den „Weisen“ zugerechnet zu werden. Als Buddhisten sehen wir jedoch den Buddha nicht nur als einen der Weisen, sondern als erleuchtetes Wesen an – sonst wären wir keine Buddhisten. Aus diesem Grunde sollten praktizierende Buddhistinnen und Buddhisten bereit sein, buddhistische Lehren mit einem gewissen Grad von Vertrauen anzunehmen,und mit einer Bereitschaft, sie ohne Skepsis in die Praxis umzusetzen, um dann selbst herauszufinden, obsie tatsächlich zu Nutzen und Glück führen.

Das Kalama Sutta (AN3.65)In der Übersetzung von Nyanatiloka/Nyanaponika, sehr leicht gekürzt.

So habe ich gehört.

Einstmals kam der Erhabene auf seiner Wanderung im Kosalerlande zusammen mit einer großen Schar von Mönchen zu einer Stadt der Kālāmer namens Kesaputta. Es vernahmen nun die Kālāmer aus Kesaputta die Kunde: "Der Asket Gotama, der Sakyersohn, der aus dem Sakyergeschlecht in die Hauslosigkeit zog, ist in Kesaputta eingetroffen. Über diesen erhabenen Gotama aber hat sich solch schöner Ruhmesruf verbreitet: 'Dies fürwahr ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der in Wissen und Wandel Bewährte, der Gesegnete, der Kenner der Welt, der unvergleichliche Lenker führungsbedürftiger Menschen, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene!' Er erklärt diese Welt mit ihren guten und bösen Geistern und ihren Brahma-Göttern, mit ihrer Schar von Asketen und Priestern, mit ihren Göttern und Menschen, nachdem er sie selber erkannt und durchschaut hat. Er verkündet die Lehre, die am Anfang schöne, in der Mitte schöne und am Ende schöne; dem Sinne und dem Wortlaut nach verkündet er den ganz vollkommenen, lauteren Reinheitswandel. Gut ist es, solche Heilige zu sehen."

Und es begaben sich die Kālāmer aus Kesaputta dorthin, wo der Erhabene weilte. Dort angelangt, brachten einige dem Erhabenen ihre Verehrung dar und setzten sich zur Seite nieder; einige begrüßten sich mit dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder; einige streckten ihre zusammengelegten Hände dem Erhabenen entgegen und setzten sich zur Seite nieder; einige gaben Name und Familie kund und setzten sich zur Seite nieder; einige setzten sich schweigend zur Seite nieder.

Zur Seite sitzend, sprachen nun die Kālāmer aus Kesaputta zum Erhabenen also: "Es kommen da, o Herr, einige Asketen und Brahmanen nach Kesaputta; die lassen bloß ihren eigenen Glauben leuchten und glänzen, den Glauben anderer aber beschimpfen, schmähen, verachten und verwerfen sie. Wieder andere Asketen und Brahmanen kommen nach Kesaputta, und auch diese lassen bloß ihren eigenen Glauben leuchten und glänzen, und den Glauben anderer beschimpfen, schmähen, verachten und verwerfen sie. Da sind wir denn, o Herr, im Unklaren, sind im Zweifel, wer wohl von diesen Asketen und Brahmanen Wahres, und wer Falsches lehrt."

"Recht habt ihr, Kālāmer, dass ihr da im Unklaren seid und Zweifel hegt. In einer Sache, bei der man wirklich im Unklaren sein kann, ist euch Zweifel aufgestiegen.

Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kālāmer, möget ihr sie aufgeben.

Was glaubt ihr, Kālāmer: Gereicht die Gier, die im Menschen aufsteigt, ihm zum Heil oder Unheil?"

"Zum Unheil, o Herr."

"Aus Gier, von der Gier überwältigt, umstrickten Geistes, tötet man Lebendiges, nimmt man Nichtgegebenes, vergeht man sich mit seines Nächsten Weib, spricht man Lüge und spornt auch andere dazu an; und dies wird einem lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen."

"So ist es, o Herr."

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"Was glaubt ihr, Kālāmer: gereicht der Hass und die Verblendung, die im Menschen aufsteigt, ihm zum Heil oder Unheil?"

"Zum Unheil, o Herr."

"Aus Hass und Verblendung, von Hass und Verblendung überwältigt, umstrickten Geistes, tötet man Lebendiges, nimmt man Nichtgegebenes, vergeht man sich mit seines Nächsten Weib, spricht man Lüge und spornt auch andere dazu an; und dies wird einem lange zum Unheil und Leiden gereichen."

"So ist es, o Herr."

"Was glaubt ihr, Kālāmer: sind diese Dinge heilsam oder unheilsam?"

"Unheilsam, o Herr."

"Verwerflich oder untadelig?"

"Verwerflich, o Herr."

"Werden diese Dinge von Verständigen gepriesen oder getadelt?"

"Getadelt, o Herr."

"Und führen diese Dinge, wenn ausgeführt und unternommen, zu Unheil und Leiden oder nicht? Oder wie steht es hiermit?"

"Diese Dinge, o Herr, wenn ausgeführt und unternommen, führen zu Unheil und Leiden. So denken wir hierüber."

"Aus diesem Grunde eben, Kālāmer, haben wir es gesagt: Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nachbloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt,und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann, o Kālāmer, möget ihr sie aufgeben.

Wenn ihr aber selber erkennt: 'Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von den Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl', dann, o Kālāmer, möget ihr sie euch zu eigen machen.

Was glaubt ihr, Kālāmer: gereicht die Gierlosigkeit, die im Menschen aufsteigt, ihm zum Heil oder Unheil?"

"Zum Heile, o Herr."

"Frei von Gier, nicht von der Gier überwältigt, unumstrickten Geistes, tötet man nicht Lebendiges, nimmtman nicht Ungegebenes, vergeht man sich nicht mit seines Nächsten Weib, spricht man keine Lüge, und auch andere spornt man nicht dazu an; und dies wird einem lange Zeit zum Segen und Wohl gereichen."

"So ist es, o Herr."

"Was glaubt ihr, Kālāmer: gereicht die Hasslosigkeit und die Unverblendung, die im Menschen aufsteigt, ihm zum Heil oder Unheil?"

"Zum Heile, o Herr."

"Frei von Hass und Verblendung, nicht von Hass und Verblendung überwältigt, unumstrickten Geistes, tötet man nichts Lebendiges, nimmt man nicht Ungegebenes, vergeht man sich nicht mit seines Nächsten Weib, spricht man keine Lüge, und auch andere spornt man nicht dazu an; und dies wird einem lange Zeit zum Segen und Wohl gereichen."

18 / Ausgewählte Suttas aus dem Pālikanon / www.triratna-buddhismus.de

"So ist es, o Herr."

"Was glaubt ihr, Kalamer: sind diese Dinge heilsam oder unheilsam?"

"Heilsam, o Herr."

"Verwerflich oder untadelig?"

"Untadelig, o Herr."

"Werden diese Dinge von Verständigen getadelt oder gepriesen?"

"Gepriesen, o Herr."

"Und führen diese Dinge, wenn ausgeführt und unternommen, zum Wohle oder nicht?"

"Diese Dinge, o Herr, wenn ausgeführt und unternommen, führen zu Segen und Wohl. So denken wir darüber."

"Aus diesem Grunde eben, Kālāmer, haben wir es gesagt: Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nachbloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl', dann,o Kālāmer, möget ihr sie euch zu eigen machen. Was ich so gesagt habe, wurde eben mit Bezug hierauf gesagt.

Derart von Begierde und Übelwollen befreit, unverwirrt, wissensklar und achtsam, durchdringt der edle Jünger mit einem von Güte von Mitleid von Mitfreude von Gleichmut erfüllten Geiste die eine Himmelsrichtung, ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte. So durchdringt er oben, unten, quer inmitten, überall, allerwärts, die ganze Welt mit einem von Güte, Mitleid, Mitfreude oder Gleichmut erfüllten Geiste, einem weiten, umfassenden, unermesslichen, von Hass und Übelwollen befreiten.

Mit einem derart von Hass und Übelwollen freien, also unbeschwerten, also geläuterten Geiste ist dem edlen Jünger noch bei Lebzeiten vierfacher Trost gewiss:

'Gibt es eine andere Welt und gibt es eine Frucht, ein Ergebnis guter und schlechter Taten, so ist es möglich, dass ich beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, auf glücklicher Daseinsfährte erscheine, in himmlischer Welt', – dieses ersten Trostes ist er gewiss.

'Gibt es aber keine andere Welt und keine Frucht, kein Ergebnis guter oder schlechter Taten, so lebe ich eben hier in dieser Welt ein leidloses, glückliches Leben, frei von Hass und Übelwollen', – dieses zweiten Trostes ist er gewiss.

'Wenn nun einem Übeltäter Übles widerfährt, ich aber gegen niemanden Übles im Sinne habe wie kann da wohl mir, der ich nichts Übles tue, Unheil widerfahren?', – dieses dritten Trostes ist er gewiss.

'Wenn aber einem Übeltäter nichts Übles widerfährt, so weiß ich mich hier eben beiderseits rein', – dieses vierten Trostes ist er gewiss.

Mit einem derart von Hass und Übelwollen freien, also unbeschwerten, also geläuterten Geiste ist dem edlen Jünger noch bei Lebzeiten dieser vierfache Trost gewiss."

"So ist es, Erhabener! So ist es, Gesegneter!

Vortrefflich, o Herr! Vortrefflich, o Herr! Gleichwie man, o Herr, Umgestürztes wieder aufrichtet oder dasVerborgene enthüllt oder den Verirrten den Weg weist oder in die Finsternis ein Licht bringt, damit, wer Augen hat, die Gegenstände sehen kann, ebenso hat der Erhabene auf mancherlei Weise die Lehre aufgezeigt. Unsere Zuflucht nehmen wir, o Herr, zum Erhabenen, zur Lehre und zur Mönchsgemeinde!

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Als Anhänger möge uns der Erhabene betrachten, als solche, die von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen haben."

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. Was bedeutet es, dass die Kalamer den Buddha auf so unterschiedliche Art und Weise begrüßen?

2. Der Buddha nennt den Kalamern einige Kriterien, die einzeln betrachtet keine gültigen Belege dafür sind, ob man einer Lehre folgen soll. Warum können diese Kriterien in den jeweiligen Fällen unzuverlässig kein?

• Die drei Kriterien, die der Buddha für die Übernahme einer Lehre angibt, sind unsere eigene Erfahrung, ob es uns zum Nutzen gereicht oder nicht, und das Zeugnis der Weisen.

• Wie testen wir eine Lehre durch unsere Erfahrung?

• Wie sollen wir wissen, ob eine Lehre von Nutzen ist und ob wir sie ausprobieren sollen, bevor wir eigene Erfahrung mit dem Ergebnis einer Lehre haben?Woran erkennen wir, ob jemand zu „den Weisen“ gehört?

3. Der Buddha empfiehlt den Kalamern, eine Lehre nicht nur deshalb anzunehmen, weil sie in den Schriften enthalten ist. In wieweit sind die buddhistischen Schriften eine zuverlässige Quelle von Wissen?

4. Die Kalamer sind keine Anhänger des Buddha. Glaubst du, er hätte Menschen, die zu ihm Zuflucht genommen haben, andere Kriterien zum Test der Gültigkeit von Lehren gegeben?

5. Warum unterrichtet der Buddha die Kalamer in den Brahma Viharas?

6. Man nennt die andere Lehre, die der Buddha den Kalamern am Ende des Sutta erteilt, die „Vier Tröstungen“. Warum ist dies für die Kalamer eine passende Lehre?

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5. Das Mangala Sutta: Der größte Segen

EinführungIn einem kurzen Modul im Mitrastudium können wir, wie schon gesagt, die vielen verschiedenen Aspektedes Dharma, die im Pālikanon angesprochen werden, nicht erforschen. Darum haben wir die nächsten beiden Suttas ausgewählt. Sie vermitteln einen knappen und exakten Überblick über den gesamten Pfad und enthalten auch wichtige für sich stehende Dharmalehren.

Das Sutta, das wir diese Woche anschauen wollen, das Mangala Sutta, gehört zur Textgruppe des Khuddakapatha – der kurzen Texte. Dies ist eine Sammlung kurzer Texte in Versform, die für Rezitation oder Chanting benutzt werden und als Grundlagentexte für Novizen. Traditionell hat man das Mangala Sutta rezitiert, um Schutz zu erbitten. Es gehört auch zu einer Sammlung, die als „Verse des Schutzes“ bezeichnet wird. Der Titel dieses Sutta wurde ebenfalls manchmal als „Schutz“ übersetzt. Aber die Kommentare übersetzen „mangala“ anders: “Das, was zu Glück und Wohlstand führt“. Manchmal wurde es auch als „glücksverheißend“ oder als „gesegnet“ übersetzt.

Das Mangala Sutta ist bedeutend, weil es uns einen präzisen Überblick über das buddhistische Leben gibt, sowohl aus der Sicht des Haushälters, der in der „Welt“ arbeitet und eine Familie ernährt, wie auch aus der Sicht eines Hauslosen, der allem entsagt hat. Es erzählt uns auch einiges über die Beziehungen zwischen den Anhängern der zwei verschiedenen Lebensstile. Und letztlich sollten wir die traditionelle Rolle des Sutta als Schutzbringer nicht abtun; wenn die verschiedenen Teile einer Gesellschaft oder einesSangha so lebten, wie im Sutta beschrieben, dann wäre diese Gesellschaft oder dieser Sangha in der Tat beschützt, und die einzelnen Menschen darin ebenso.

Das Mangala Sutta (Khp 5)Version von Vadanya, basierend auf den Übersetzungen von Thanissaro Bhikkhu, Piyadassi und Sangharakshita- Ins Deutsche übertragen von Jnanacandra.

So habe ich gehört.

Einst weilte der Erhabene in Anathapindikas Park, im Jeta-Hain, in der Nähe von Savatthi. Als die Nacht schon weit fortgeschritten war, erschien ein Deva vor dem Erhabenen und erleuchtete den ganzen Jeta-Hain mit seinem Glanz. Der Deva verneigte sich vor dem Erhabenen, trat zur Seite und sprach in Versen:

„Viele Devas und Menschen, die sich nach dem Guten sehnen, fragen sich, was der größte Segen von allen ist. Bitte, sag es mir!“

Da erwiderte der Buddha:

„Nicht mit Toren Zeit verbringen, sondern in Gesellschaft der Weisen weilen und jene ehren, die der Ehrewürdig sind – dies ist der größte Segen.

An einem geeigneten Ort leben, in der Vergangenheit Verdienste erworben, und den richtigen Kurs eingeschlagen – dies ist der größte Segen.

Wissen und Geschick besitzen, und gut gelernte Disziplin, und angenehm in seinen Worten sein – dies istder größte Segen.

Mutter und Vater unterstützen, fürsorglich zu Frau und Kindern, und eine heilsame Beschäftigung – dies ist der größte Segen.

Großzügig geben, ethisch leben, den Verwandten helfen und unheilsame Handlungen vermeiden – dies ist der größte Segen.

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Übles vermeiden und es unterlassen, sich berauschender Substanzen enthalten, und auf das Heilsame achtsam bleiben – dies ist der größte Segen.

Respektvoll und bescheiden sein, zufrieden und dankbar, und zu geeigneter Zeit dem Dhamma lauschen – dies ist der größte Segen.

Geduldig und gehorsam sein, Umgang mit Bhikkhus pflegen, und den Dhamma besprechen, wenn der Zeitpunkt richtig ist – dies ist der größte Segen.

Entsagung und ein Leben im Zölibat, die Edlen Wahrheiten mit eigenen Augen sehen, und Nibbana hier und jetzt verwirklichen – dies ist der größte Segen.

Ein Geist, der beim Auf und Ab des Lebens gelassen bleibt, frei von Kummer, von allen Befleckungen geläutert und von Angst befreit – dies ist der größte Segen.

In diesem Zustand zu leben, auf immer unbesiegt, überall in Glück zu schreiten – dies ist der größte Segen.“

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. „An einem geeigneten Ort leben“. Was macht einen Ort „geeignet“?

2. „Mutter und Vater unterstützen, fürsorglich zu Frau und Kindern“. Ist das ein Widerspruch zu der späteren Zeile „Entsagung und ein Leben im Zölibat“?

3. Hast du mit deiner Mutter und deinem Vater ein gutes Verhältnis? (Wie der Buddha betont auch Sangharakshita, dass eine positive Haltung zu unseren Eltern für unsere spirituelle Entwicklung grundlegend ist.) Falls nicht, was könntest du zur Verbesserung dieser Beziehung tun?

4. Erzählt uns das Sutta etwas über die Beziehung zwischen einem Haushälter-Leben und dem eines Menschen, der dem weltlichen Leben entsagt? Sagt es irgendetwas darüber aus, wie die Anhänger der beiden Lebensstile miteinander umgehen sollten?

5. Glaubst du, dass die Unterscheidung zwischen den beiden Lebensstilen – Haushälter und Entsagende/Hauslose - auch heute noch von Bedeutung ist? Wo würdest du dich selbst auf einer Skala zwischen diesen beiden Lebensweisen einordnen?

6. Sagt das Sutta etwas darüber aus, wie wir Weisheit und Einsicht entwickeln?

7. Gibt es Verse in diesem Sutta, die dich besonders ansprechen? Gibt es Verse, an denen du ganz besonders arbeiten solltest, um sie mehr in die Praxis umzusetzen?

8. Inwiefern wäre ein Nicht-Entsagender, der so lebt, wie im Sutta beschrieben, „beschützt“? In welchem Sinn wäre der hier beschriebene Entsagende „beschützt“?

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6. Das Karaniya Metta Sutta: Die Lehrrede vom MettaWas du tun solltest

EinführungDas Pali-Wort „Karaniya“ bedeutet etwa „was getan werden sollte“. Wir könnten den Titel also – wenn auch nicht besonders elegant - als „Was du tun-solltest- Metta- Sutta“ übersetzen.

Wie das Mangala Sutta, das wir vergangene Woche angeschaut haben, präsentiert uns auch das KaraniyaMetta Sutta einen vollständigen Überblick über das spirituelle Leben, von Anfang bis Ende. Es wurde genau wie das Mangala Sutta traditionell rezitiert, um Schutz zu bringen. Tatsächlich berichten die Kommentare, dass der Buddha dieses Sutta einer Gruppe von Mönchen beibrachte, die entsetzliche Angst vor Baumgeistern hatten, als sie im tiefen Wald lebten. Die Mönche kehrten zurück und durchtränkten den Wald mit Metta, wodurch die feindlichen Geister befriedet wurden. Diese Geschichte mag eine lohnende Wahrheit enthalten- dass Metta uns vor Verletzungen durch andere und vor unserer eigenen Angst beschützt. Die Bedeutung des Suttas und der Übung der Metta Bhavana geht allerdings über Schutz weit hinaus. Das Karaniya Metta Sutta ist deshalb ein entscheidender Text, weil es uns klarmacht, dass die Übung von Metta uns den ganzen Weg bis ans Ziel führen kann. Metta ist der Pfad der perfekten Schauung.

Das Karaniya Metta Sutta (SN 1.8)Version von Vadanya auf Grundlage der Übersetzungen von Ratnaprabha, Padmavajra, Piyadassi und Nanamoli. Ins Deutsche übertragen von Jnanacandra.

Wenn du weißt, was wirklich gut für dich istUnd einen Zustand vollkommenen Friedens erreichen willst,Dann solltest du so leben:

Beginne damit, ein fähiger Mensch zu werden,Aufrecht und geradlinig,leicht ansprechbar, empfänglich und frei von Hochmut.

Werde genügsam und leicht zu befriedigen,Nicht zu geschäftig, mit einem einfachen Leben,

Halte deine Sinne still,Habe Respekt vor anderen,Lass dich nicht in die Belange der Gruppe verwickeln3

Und tue nichts Unehrenhaftes,Das weisere Menschen kritisieren würden.

[Dann solltest du so meditieren:]Denke: Mögen alle Wesen glücklich und in Frieden sein,Mögen alle Wesen aus tiefstem Herzen glücklich sein!

Möge es allen Lebewesen gut gehen,Den Schwachen und den Starken,Den kleinen und den Großen,Denen, die nah, und denen, die fern sind,

3 Viele Übersetzer geben dies wieder als „giere nicht nach Familie“, doch Nanamoli übersetzt dies als „unbeirrt von den Emotionen der Clans“. Unsere Version eines Clans ist die „Gruppe“ innerhalb der weltlichen Gesellschaft, aus der wir kommen und mit der wir uns vielleicht noch immer identifizieren.

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Denen, die du sehen kannst,Und denen, die du nicht sehen kannst,Ob sie jetzt leben, oder noch geboren werden –Mögen alle Wesen aus tiefstem Herzen glücklich sein!

Möge niemand einen anderen betrügen,Möge niemand auf einen anderen herabschauen,Möge niemand einen anderen hassen,Möge niemand einem anderen Leid wünschen.

So wie eine Mutter ihr Kind fürsorglich schützt,Ihr einziges Kind,Entfalte ein unbegrenztes Herz von Metta für alle Wesen,Entfalte ein unbegrenztes Herz von Metta für die ganze Welt,Sende Liebe und Wohlwollen in alle Richtungen,Nach oben, nach unten, und ringsumher,Ungehindert,Frei von Feindschaft und Hass.

Ob du zu Hause weilst oder auf Reisen bist,Ob du stehst, sitzt oder im Bett liegst,Übe dich zu allen Zeiten in diesem Gewahrsein4;Dies ist, als lebtest du hier und jetzt im Himmel.

Auf diese Weise wirst du falsche Ansichten hinter dir lassen,Du wirst tugendhaft und von vollkommener Erkenntnis erfüllt,Lässt alles Verlangen restlos hinter dir zurückUnd wirst für immer von dem Rad der Wiedergeburten befreit.

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. „Beginne damit, ein fähiger Mensch zu werden.“ Was könnte das bedeuten? Warum ist das für das spirituelle Leben bedeutsam?

2. „Leicht ansprechbar, empfänglich und frei von Hochmut“. Warum sind diese Qualitäten wichtig?

3. „Nicht zu geschäftig, mit einem einfachen Leben,“. Wie geschäftig ist „zu geschäftig“? Bist du zu geschäftig? Sollte dein Leben vereinfacht werden, und falls ja, wie könntest du das tun?

4. „Halte deine Sinne still“ – was könnte damit gemeint sein?

5. „Lass dich nicht in die Belange der Gruppe verwickeln“. Was bedeutet das? Und was ist wohl mit der alternativen Übersetzung gemeint?

6. Inwiefern ist Metta wie die Liebe einer Mutter für ihr Kind? Wo stößt dieser Vergleich an seine Grenzen?

7. Welche wohlbekannte Beschreibung des buddhistischen Weges lässt sich in diesem Sutta entdecken?

4 In Aus Herzensgüte leben erläutert Sangharakshita, dass der Ausdruck, der hier mit „übe dich in diesem Gewahrsein“ übersetzt wurde, auch als „strahle dieses Gewahrsein aus“ übersetzt werden könnte; metta hat eine positive Wirkung auf andere, wie ein Segen.

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8. Überrascht es dich, dass dieses Sutta behauptet, Metta führe zu Einsicht? War dies bisher schon dein Verständnis des Wegs zur Einsicht?

9. Welche Verbindung besteht zwischen Metta und Vollommener Schauung? Glaubst du, dass es Einsicht ohne Metta geben kann?

10. In Anbetracht der Botschaft dieses Suttas: Misst du der Metta Bhavana genug Bedeutung bei?

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Teil 3: Der Sangha7. Das Kosambiya Sutta: Die Lehrrede an die Kosambier

EinführungDiese Woche fahren wir mit der Erforschung des Pālikanons fort und gehen von Suttas, die den Dharma erläutern, zu Lehrreden zum Thema Sangha über. Im Kosambiya Sutta hören wir von einer Gruppe von Mönchen, die definitiv kein Sangha war. Sie benahmen sich auf eine Weise, die den Sangha geradezu zerstörte, indem sie polarisierten und Fraktionen bildeten, an ihren Meinungen festhielten und sich weigerten zu tun, was nötig war, um wieder Harmonie herzustellen. Der Buddha nennt sie in manchen Übersetzungen „ihr fehlgeleiteten Männer!“ oder sogar „ihr dummen“ oder „ihr törichten Männer!“. Danach gibt er ihnen eine Lehre, wie man im Sangha Harmonie und Einheit schafft. Das ist in unserer Situation genau so bedeutsam wie in ihrer. Den traditionellen Kommentaren zufolge waren die Mönche derart in ihren Streit verbissen, dass sie diesen Rat missachteten – dein Studienleiter wird dir dazu mehr Hintergrundinformation geben können. (Die Tatsache, dass es von den Mönchen heißt, sie seien von denWorten des Buddha befriedigt und erfreut gewesen, lässt einen jedoch an dieser Geschichte zweifeln). Das Sutta endet mit einer Lehrrede über die Qualitäten eines Stromeingetretenen. Das ist in Hinblick auf das Hauptthema streng genommen zwar nicht ganz relevant, unabhängig davon aber trotzdem interessant.

Das Kosambiya Sutta (MN 48)Übersetzung von Kay Zumwinkel, mit Kürzungen von Vadanya und sehr leicht bearbeitet von Jnanacandra.

So habe ich es gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Kosambī in Ghositas Park auf.

Bei dieser Gelegenheit waren die Bhikkhus bei Kosambī in Streit und Zank verfallen und waren in Streitgespräche vertieft, bei sie sich gegenseitig mit Worten, die Dolchen glichen, verletzten. Weder konnten sie einander überzeugen, noch konnten sie überzeugt werden; weder konnten sie einander überreden, noch konnten sie überredet werden.

Da ging ein bestimmter Bhikkhu zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt hatte, setzte er sich seitlich nieder und informierte ihn von den Vorgängen. Da richtete sich der Erhabene so an einen bestimmten Bhikkhu: "Komm, Bhikkhu, sage jenen Bhikkhus in meinem Namen, dass der Lehrer nach ihnen ruft."

"Ja, ehrwürdiger Herr", erwiderte er, und er ging zu jenen Bhikkhus und sagte ihnen: "Der Lehrer ruft nach den Ehrwürdigen." "Ja, Freund", erwiderten sie und sie gingen zum Erhabenen, und nachdem sie ihm gehuldigt hatten, setzten sie sich seitlich nieder. Dann fragte sie der Erhabene:

"Ihr Bhikkhus, ist es wahr, dass ihr in Streit und Zank verfallen und in Streitgespräche vertieft seid, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt; dass ihr weder einander überzeugen könnt, noch überzeugt werden könnt; dass ihr weder einander überreden könnt, noch überredet werden könnt?"

"Ja, ehrwürdiger Herr."

"Ihr Bhikkhus, was meint ihr? Wenn ihr in Streit und Zank verfallt und euch in Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt, haltet ihr dann bei jenem Anlass gegenüber euren Gefährten im heiligen Leben Handlungen der Liebenden Güte mit Körper, Sprache und Geist ein, in der Öffentlichkeit und im Privaten?"

26 / Ausgewählte Suttas aus dem Pālikanon / www.triratna-buddhismus.de

"Nein, ehrwürdiger Herr."

"Also, ihr Bhikkhus, wenn ihr in Streit und Zank verfallt und euch in Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt, dann haltet ihr bei jenem Anlass gegenüber euren Gefährten im heiligen Leben nicht Handlungen der Liebenden Güte mit Körper, Spracheund Geist ein, in der Öffentlichkeit und im Privaten. Ihr fehlgeleiteten Männer, was wisst ihr schon, was seht ihr schon, dass ihr in Streit und Zank verfallt und euch in Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euchgegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt? Dass ihr weder einander überzeugen, noch überzeugt werden könnt; dass ihr weder einander überreden, noch überredet werden könnt? Ihr fehlgeleiteten Männer, es wird euch lange zum Schaden und zum Leid gereichen."

Dann richtete sich der Erhabene folgendermaßen an die Bhikkhus: "Ihr Bhikkhus, es gibt diese sechs bemerkenswerten Eigenschaften, die Liebe und Respekt erzeugen und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beitragen. Was sind diese sechs?

Da hält ein Bhikkhu körperliche Handlungen der Liebenden Güte gegenüber seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt.

Wiederum hält ein Bhikkhu sprachliche Handlungen der Liebenden Güte gegenüber seinen Gefährten imheiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Einigkeit beiträgt.

Wiederum hält ein Bhikkhu geistige Handlungen der Liebenden Güte gegenüber seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Einigkeit beiträgt.

Wiederum benutzt ein Bhikkhu Dinge gemeinsam mit seinen sittsamen Gefährten im heiligen Leben; ohne etwas zurückzuhalten teilt er mit ihnen jeglichen Zugewinn, der mit dem Dhamma in Einklang stehtund der in Einklang mit dem Dhamma erlangt wurde, sogar einschließlich des Inhalts seiner Schale. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Einigkeit beiträgt.

Wiederum hält sich ein Bhikkhu in der Öffentlichkeit und im Privaten auf, indem er gemeinsam mit seinen Gefährten im heiligen Leben jene Sittlichkeit besitzt, die ungebrochen, nicht zerrissen, nicht gefleckt, nicht gesprenkelt, befreiend, von den Weisen empfohlen, nicht missverstanden und der Konzentration zuträglich ist. Auch dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Einigkeit beiträgt.

Wiederum hält sich ein Bhikkhu in der Öffentlichkeit und im Privaten auf, indem er gemeinsam mit seinen Gefährten im heiligen Leben jene Ansicht besitzt, die edel und befreiend ist, und denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des Leidens führt. Auch dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Einigkeit beiträgt.

Dies sind die sechs bemerkenswerten Eigenschaften, die Liebe und Respekt erzeugen und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beitragen.

Von diesen sechs bemerkenswerten Eigenschaften ist die höchste, die umfassendste, die endgültigste diese Ansicht, die edel und befreiend ist, und denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zurvölligen Vernichtung des Leidens führt. So wie der höchste, der umfassendste und engültigste Teil eines Gebäudes mit einer Dachspitze die Dachspitze selbst ist, so ist auch von diesen bemerkenswerten Eigenschaften die höchste diese Ansicht, die edel und zur Befreiung führend ist.

Und wie führt diese Ansicht, die edel und befreiend ist, denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des Leidens? Da erwägt ein Bhikkhu, der in einen Wald, zum Fuße eines Baumes, in eine leere Hütte gegangen ist: 'Gibt es irgendeine Besessenheit, die in mir noch nicht überwunden wurde, die meinen Geist in Besitz nehmen könnte, so dass ich die Dinge nicht der Wirklichkeit entsprechend wissen und sehen kann?'

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Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Wenn ich diese Ansicht verfolge, sie entfalte und pflege, erlange ichdann für mich selbst innere Ruhe, erlange ich für mich selbst Gelassenheit?'

Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Gibt es irgendeinen anderen Mönch oder Brahmanen außerhalb (der Lehre des Buddha), der eine Ansicht besitzt, wie ich sie besitze?'

Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt?'

Was ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt: obwohl er möglicherweise einen Regelverstoß von der Art begehen mag, für die eine Maßnahme der Rehabilitation festgelegt wurde, bekennt, enthüllt er diesen und deckt ihn unverzüglich auf, gegenüber dem Lehrer oder gegenüber weisen Gefährten im heiligen Leben, und nachdem er das getan hat, übt er sich in Zurückhaltung für die Zukunft. Gerade so wie ein junges, zartes Kleinkind, das unbeholfen daliegt, sofort zurückzuckt, wenn es mit der Hand oder dem Fuß glühende Kohle berührt, ebenso ist dies der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt. Er versteht: 'Ich besitze den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt.'

Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt?'Was ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt: Obwohl er in verschiedenen Angelegenheiten für seine Gefährten im heiligen Leben aktiv sein mag, nimmt er doch starke Rücksicht auf die Übung höherer Sittlichkeit, die Übung höherer Geistesschulung und die Übung höherer Weisheit. Gerade so wie wie eine Kuh mit einem neugeborenen Kalb beim Grasen das Kalb im Auge behält, ebenso ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt. Er versteht: 'Ich besitze den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt.'

Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt?' Was ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt: Wenn der Dhamma und die Disziplin, die vom Tathāgata verkündet wurde, gelehrt wird, beachtet er sie, schenkt ihnen Aufmerksamkeit, beschäftigt er sich damit mit ganzem Herzen, hört er den Dhamma als einer, der eifrig zuhorcht. Er versteht: 'Ich besitze die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt.'

Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt?' Was ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt: Wenn der Dhamma und die Disziplin, die vom Tathāgata verkündet wurde, gelehrt wird, erlangt er Inspiration in der Bedeutung, erlangt er Inspiration im Dhamma, erlangt er Freude, die mit dem Dhamma verbunden ist. Er versteht: 'Ich besitze die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt.'

Wenn ein edler Schüler auf solche Weise sieben Faktoren besitzt, hat er gut nach dem Charakter für die Verwirklichung der Frucht des Stromeintritts getrachtet. Wenn ein edler Schüler auf solche Weise sieben Faktoren besitzt, besitzt er die Frucht des Stromeintritts."

Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. „Dies sind die sechs bemerkenswerten Eigenschaften, die Liebe und Respekt erzeugen ...“Warum Liebe und Respekt? Was ist die Verbindung zwischen diesen beiden?

2. „... sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten ...“Suche nach Beispielen für öffentliche und private Handlungen jeweils für Körper, Sprache und Geist. Wäre es dir möglich, über die kommenden Tagen mehr iin dieser Weise zu handeln?

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3. „... benutzt Dinge gemeinsam mit seinen sittsamen Gefährten ...“Warum ist das Teilen von Besitz für das Erschaffen von Sangha wichtig? Richtet sich diese Anweisung nur an bhikkhus? Wie lässt sich das in der Triratna-Gemeinschaft anwenden?

4. „... indem er gemeinsam mit seinen Gefährten im heiligen Leben jene Sittlichkeit besitzt, die ungebrochen...“Warum sind gemeinsame ethische Werte für das Erschaffen von Sangha wichtig?

5. Worin besteht „diese Ansicht, die edel und befreiend ist“? Und warum ist das wichtig für das Erschaffen von Sangha?

6. Verändern die sieben Faktoren, die am Ende dieses Suttas genannt werden, deine Vorstellung von Stromeintritt? Gibt es darunter welche, die dich erstaunen? Interessieren dich manche davon besonders?

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8. Das Culagosinga Sutta: Die kürzere Lehrrede für Gosinga

EinführungIm letzten Sutta dieses Moduls begegnen wir dem inspirierenden Beispiel eines Sangha, der in starkem Kontrast zu dem Nicht-Sangha steht, von dem wir vorige Woche hörten. Diesmal besucht der Buddha drei Mönche, die sich selbst als “verschieden im Körper…aber einer im Geist“ beschreiben. Sangharakshita hat dazu gesagt, dass er diesen Zustand, in dem unsere begrenzte Persönlichkeit transzendiert wird, als hochgradig bedeutsam betrachtet. Dieser Zustand entspreche gewissermaßen derErleuchtung – er repräsentiere eine Art, Weisheit zu beschreiben, die ein wertvolles Korrektiv zu der individualistischen Fehlkonzeption von Einsicht darstelle, die heutzutage bei einigen zeitgenössischen Buddhisten vorherrsche. Diese Beschreibung mache klar, dass die Entwicklung von Metta ein unverzichtbarer Aspekt des Weges sei.

Das Culagosinga Sutta – Die kürzere Lehrrede bei Gosinga (MN 31)Übersetzung von Kay Zumwinkel, gekürzt von Vadanya und leicht bearbeitet von Jnanacandra in Anlehnung an die Übersetzung von Thanissaro Bhikkhu ins Englische.

So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Nādikā im Backsteinhaus auf. Bei jener Gelegenheit hielten sich der ehrwürdige Anuruddha, der ehrwürdige Nandiya und der ehrwürdige Kimbila beim Park des Sālawaldes von Gosiṅga auf. Als es Abend war, erhob sich der Erhabene von der Meditation und ging zum Park des Sālawaldes von Gosiṅga. Der Parkwächter sah den Erhabenen in der Ferne kommen und sagte zu ihm: "Betritt diesen Park nicht, Mönch. Hier sind drei Männer aus guter Familie, die nach dem Guten streben. Störe sie nicht."

Der ehrwürdige Anuruddha hörte den Parkwächter zum Erhabenen sprechen und sagte zu ihm: "Freund Parkwächter, lass den Erhabenen nicht draußen bleiben. Es handelt sich um unseren Lehrer, den Erhabenen, der da gekommen ist." Dann ging der ehrwürdige Anuruddha zum ehrwürdigen Nandiya undzum ehrwürdigen Kimbila und sagte: "Kommt heraus, Ehrwürdige, kommt heraus! Unser Lehrer, der Erhabene ist gekommen." Da gingen alle drei dem Erhabenen entgegen. Einer nahm seine Schale und äußere Robe, einer bereitete einen Sitz vor, und einer stellte Wasser zum Füße waschen bereit. Der Erhabene setzte sich auf dem vorbereiteten Sitz nieder und wusch sich die Füße. Dann huldigten jene drei Ehrwürdigen dem Erhabenen und setzten sich seitlich nieder, und der Erhabene sagte zum ehrwürdigen Anuruddha:

"Ich hoffe, es ist alles in Ordnung, Anuruddha, ich hoffe, eure Ernährung ist gesichert, ich hoffe, ihr habt keine Probleme, Almosenspeise zu bekommen." [...] "Ich hoffe, Anuruddha, dass ihr alle in Eintracht lebt,in gegenseitiger Wertschätzung, ohne Streit, wobei ihr euch wie Milch und Wasser mischt, euch gegenseitig mit gütigen Augen betrachtet."

"Gewiss, ehrwürdiger Herr, wir alle leben in Eintracht, in gegenseitiger Wertschätzung, ohne Streit, wobei wir uns wie Milch und Wasser mischen, uns gegenseitig mit gütigen Augen betrachten."

"Aber, Anuruddha, auf welche Weise lebt ihr so?"

"Ehrwürdiger Herr, was das betrifft, denke ich so: 'Es ist ein Gewinn für mich, es ist ein großer Gewinn fürmich, dass ich mit solchen Gefährten im heiligen Leben zusammenlebe.' Ich halte körperliche Handlungen der liebenden Güte gegenüber diesen Ehrwürdigen ein, sowohl öffentlich, wie auch im Privaten; ich halte sprachliche Handlungen der liebenden Güte ihnen gegenüber ein, sowohl öffentlich, wie auch im Privaten; ich halte geistige Handlungen der liebenden Güte ihnen gegenüber ein, sowohl öffentlich, wie auch im Privaten. Ich erwäge: ' Warum stelle ich nicht zurück, was ich zu tun wünsche, und tue, was diese Ehrwürdigen zu tun wünschen?' Dann stelle ich zurück, was ich zu tun wünsche, und tue, was diese Ehrwürdigen zu tun wünschen. Wir sind im Körper unterschiedlich, ehrwürdiger Herr,

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aber im Geiste eins."

Der ehrwürdige Nandiya und der ehrwürdige Kimbila sprachen jeweils auf gleiche Weise und fügten hinzu:

"Auf jene Weise, ehrwürdiger Herr, leben wir in Eintracht, in gegenseitiger Wertschätzung, ohne Streit, wobei wir uns wie Milch und Wasser mischen, uns gegenseitig mit gütigen Augen betrachten."

"Gut, gut, Anuruddha. Ich hoffe, dass ihr alle umsichtig, eifrig und entschlossen weilt."

"Gewiss, ehrwürdiger Herr, wir weilen umsichtig, eifrig und entschlossen."

"Aber, Anuruddha, auf welche Weise weilt ihr so?"

"Ehrwürdiger Herr, was das betrifft, wer von uns auch immer zuerst vom Dorf mit Almosenspeise zurückkehrt, bereitet die Sitze vor, stellt Wasser zum Trinken und Waschen bereit, und stellt den Abfalleimer auf seinen Platz. Wer von uns auch immer zuletzt zurückkehrt, isst, was an Essen übrigblieb, falls er das wünscht; ansonsten wirft er es dort weg, wo nichts Grünes wächst, oder wirft es dort ins Wasser, wo nichts lebt. Er räumt die Sitze und das Wasser zum Trinken und Waschen weg. Er räumt den Abfalleimer weg, nachdem er ihn ausgewaschen hat, und er fegt den Speisesaal. Wer auch immer feststellt, dass die Behälter für das Trinkwasser oder das Waschwasser oder das Wasser für die Latrine fast oder ganz leer sind, kümmert sich darum. Wenn sie zu schwer für ihn sind, ruft er jemanden mit einem Handzeichen herbei, und mit vereinten Kräften bewegen sie diese, aber deswegen fangen wir nicht zu sprechen an. Aber alle fünf Tage sitzen wir die ganze Nacht hindurch zusammen und erörtern den Dhamma. Auf jene Weise weilen wir umsichtig, eifrig und entschlossen."

"Gut, gut, Anuruddha. Aber während ihr so umsichtig, eifrig und entschlossen weilt, habt ihr irgendeinenübermenschlichen Zustand erreicht, eine Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, ein angenehmes Verweilen?"

"Warum nicht, ehrwürdiger Herr? Ehrwürdiger Herr, wann immer wir wollen, treten wir ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ein, die von anfänglichem und anhaltendem Denken begleitet ist, und verweilen darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind. Ehrwürdiger Herr, dies ist ein übermenschlicher Zustand, eine Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, einangenehmes Verweilen, welches wir erlangt haben, während wir umsichtig, eifrig und entschlossen weilten."

"Gut, gut, Anuruddha. Aber gibt es noch irgendeinen anderen übermenschlichen Zustand, eine Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, ein angenehmes Verweilen, das ihr erlangt habt, indem ihr jenes Verweilen übertraft, indem ihr jenes Verweilen zum Aufhören brachtet?"

"Warum nicht, ehrwürdiger Herr? Ehrwürdiger Herr, wann immer wir wollen, treten wir mit der Stillung des anfänglichen und anhaltenden Denkens in die zweite Vertiefung ein. Mit dem Verblassen der Verzückung treten wir in die dritte Vertiefung ein. Mit dem Überwinden von Glück und Schmerz treten wir in die vierte Vertiefung ein. Ehrwürdiger Herr, dies ist ein übermenschlicher Zustand, eine Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, ein angenehmes Verweilen, welches wir erlangthaben, indem wir das vorhergehende Verweilen übertrafen, indem wir jenes Verweilen zum Aufhören brachten."

"Gut, gut, Anuruddha. Aber gibt es noch irgendeinen anderen übermenschlichen Zustand, eine Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, ein angenehmes Verweilen, das ihr erlangt habt, indem ihr jenes Verweilen übertraft, indem ihr jenes Verweilen zum Aufhören brachtet?"

"Warum nicht, ehrwürdiger Herr? Ehrwürdiger Herr, wann immer wir wollen, treten wir mit dem völligenÜberwinden der Formwahrnehmung, mit dem Verschwinden der Wahrnehmung der Sinneseinwirkung, mit Nichtbeachtung der Vielheitswahrnehmung, indem wir uns vergegenwärtigen 'Raum ist unendlich', in das Gebiet der Raumunendlichkeit ein und verweilen darin. Ehrwürdiger Herr, dies ist ein übermenschlicher Zustand, welchen wir erlangt haben, indem wir das vorhergehende Verweilen

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übertrafen, indem wir jenes Verweilen zum Aufhören brachten."

"Gut, gut, Anuruddha. Aber gibt es noch irgendeinen anderen übermenschlichen Zustand, den ihr erlangt habt, indem ihr jenes Verweilen übertraft, indem ihr jenes Verweilen zum Aufhören brachtet?"

"Warum nicht, ehrwürdiger Herr? Ehrwürdiger Herr, wann immer wir wollen, treten wir mit dem völligenÜberwinden des Gebiets der Raumunendlichkeit, indem wir uns vergegenwärtigen 'Bewusstsein ist unendlich', in das Gebiet der Bewusstseinsunendlichkeit ein und verweilen darin. Mit dem völligen Überwinden des Gebiets der Bewusstseinsunendlichkeit, indem wir uns vergegenwärtigen 'da ist nichts', treten wir in das Gebiet der Nichtsheit ein und verweilen darin. Mit dem völligen Überwinden des Gebiets der Nichtsheit treten wir in das Gebiet von Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung ein und verweilen darin. Ehrwürdiger Herr, dies ist ein übermenschlicher Zustand, welchen wir erlangt haben, indem wir das vorhergehende Verweilen übertrafen, indem wir jenes Verweilen zum Aufhören brachten."

"Gut, gut, Anuruddha. Aber gibt es noch irgendeinen anderen übermenschlichen Zustand, eine Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, ein angenehmes Verweilen, das ihr erlangt habt, indem ihr jenes Verweilen übertraft, indem ihr jenes Verweilen zum Aufhören brachtet?"

"Warum nicht, ehrwürdiger Herr? Ehrwürdiger Herr, wann immer wir wollen, treten wir mit dem völligenÜberwinden des Gebiets von Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung in das Aufhören von Wahrnehmung und Gefühl ein und verweilen darin. Und unsere Triebe sind vernichtet durch unser Sehen mit Weisheit. Ehrwürdiger Herr, dies ist ein übermenschlicher Zustand, eine Klarheit des Wissens und der Schauun, welche wir erlangt haben, indem wir das vorhergehende Verweilen übertrafen, indem wir jenes Verweilen zum Aufhören brachten. Und, ehrwürdiger Herr, wir sehen kein anderes angenehmes Verweilen, das höher oder erhabener als dieses ist."

"Gut, gut, Anuruddha, es gibt kein anderes angenehmes Verweilen, das höher oder erhabener als dieses ist."

Nachdem der Erhabene den ehrwürdigen Anuruddha, den ehrwürdigen Nandiya und den ehrwürdigen Kimbila mit einem Vortrag über den Dhamma unterrichtet, angespornt, aufgerüttelt und ermuntert hatte, erhob er sich von seinem Sitz und nahm Abschied.

Nachdem sie den Erhabenen ein Stück begleitet hatten und umgekehrt waren, fragten der ehrwürdige Nandiya und der ehrwürdige Kimbila den ehrwürdigen Anuruddha: "Haben wir dem ehrwürdigen Anuruddha je berichtet, dass wir jene Verweilungen und Erreichungszustände erlangt haben, die der ehrwürdige Anuruddha uns in der Gegenwart des Erhabenen zuschrieb, bis hin zur Vernichtung der Triebe?"

"Die Ehrwürdigen haben mir nie berichtet, dass sie jene Verweilungen und Erreichungszustände erlangt haben. Und doch weiß ich, indem ich den Geist der Ehrwürdigen mit meinem Geist umfasse, dass sie jene Verweilungen und Erreichungszustände erlangt haben. Und Himmelswesen haben mir ebenfalls berichtet: 'Diese Ehrwürdigen haben jene Verweilungen und Erreichungszustände erlangt.' Dann verkündete ich es, als ich vom Erhabenen direkt gefragt wurde."

Da ging der Yakkha Dīgha Parajana zum Erhabenen. Nachdem er ihm gehuldigt hatte, stand er zur Seite und sagte: "Es ist ein Gewinn für die Vajjier, ehrwürdiger Herr, ein großer Gewinn für die Vajjier, dass sichder Tathāgata, der Verwirklichte und vollständig Erleuchtete unter ihnen aufhält, und auch diese drei Männer aus guter Familie, der ehrwürdige Anuruddha, der ehrwürdige Nandiya und der ehrwürdige Kimbila!"

Als die Erd-Devas den Ausruf des Yakkha Dīgha Parajana hörten, riefen sie: "Es ist ein Gewinn für die Vajjier, ein großer Gewinn für die Vajjier, dass sich der Tathāgata, der Verwirklichte und vollständig Erleuchtete unter ihnen aufhält, und auch diese drei Männer aus guter Familie, der ehrwürdige Anuruddha, der ehrwürdige Nandiya und der ehrwürdige Kimbila!"

Als die Wesen des Himmels der Vier Großen Könige, die Wesen des Himmels der Dreiunddreißig, die Yāma Devas, die Wesen aus dem Tusita-Himmel, die Himmelswesen, die sich am Erschaffen erfreuen, die

32 / Ausgewählte Suttas aus dem Pālikanon / www.triratna-buddhismus.de

Himmelswesen, die Macht über die Schöpfungen anderer haben, die Himmelswesen aus Brahmā's Gefolge den Ausruf hörten, riefen sie: "Es ist ein Gewinn für die Vajjier, ein großer Gewinn für die Vajjier, dass sich der Tathāgata, der Verwirklichte und vollständig Erleuchtete unter ihnen aufhält, und auch diese drei Männer aus guter Familie, der ehrwürdige Anuruddha, der ehrwürdige Nandiya und der ehrwürdige Kimbila!"

Auf diese Weise waren in jenem Augenblick, in jenem Moment jene Ehrwürdigen bis hin zur Brahma-Welt bekannt.

Der Erhabene sagte: "So ist es, Dīgha, so ist es! Und wenn die Familie, aus der jene drei Männer vom Leben zu Hause fort in die Hauslosigkeit zogen, sie mit vertrauensvollem Geist in Erinnerung behalten sollte, dann würde das für lange Zeit zum Wohlergehen und Glück jener Familie gereichen. Und wenn dieGefolgschaft jener Familie, aus der jene drei Männer in die Hauslosigkeit zogen, das Dorf, aus dem sie in die Hauslosigkeit zogen, die Marktstadt, aus der sie in die Hauslosigkeit zogen, die Großstadt, aus der sie in die Hauslosigkeit zogen, das Land, aus dem jene drei Männer vom Leben zu Hause fort in die Hauslosigkeit zogen, sie mit vertrauensvollem Geist in Erinnerung behalten sollte, dann würde das für lange Zeit zum Wohlergehen und Glück jenes Landes gereichen. Wenn alle Adeligen jene drei Männer mit vertrauensvollem Geist in Erinnerung behalten sollten, dann würde das für lange Zeit zum Wohlergehen und Glück der Adeligen gereichen. Wenn alle Brahmanen, alle Händler, alle Arbeiter jene drei Männer mit vertrauensvollem Geist in Erinnerung behalten sollten, dann würde das für lange Zeit zuihrem Wohlergehen und Glück gereichen. Wenn die Welt mit ihren Himmelswesen, ihren Māras und Brahmās, wenn diese Generation mit ihren Mönchen und Brahmanen, ihren Prinzen und dem Volk, jene drei Männer mit vertrauensvollem Geist in Erinnerung behalten sollte, dann würde das für lange Zeit zum Wohlergehen und Glück der Welt gereichen. Sieh nur, Dīgha, wie jene drei Männer aus guter Familiefür das Wohlergehen und Glück der Vielen praktizieren, aus Mitgefühl für die Welt, für das Gute, das Wohlergehen und Glück von Himmelswesen und Menschen."

Das ist es, was der Erhabene sagte. Der Yakkha Dīgha Parajana war zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Fragen zur Reflexion und zum Austausch

1. Inwieweit ist es eine spirituelle Praxis, das beiseitezulegen, was ich selbst tun möchte und stattdessenzu tun, was andere tun möchten?

2. „Im Körper unterschiedlich, aber im Geiste eins."“. Was mag das bedeuten, „im Geist eins“ zu sein? Wie steht diese Aussage in Bezug zu Sangharakshitas Lehre über Gruppen, das wahre Individuum unddie spirituelle Gemeinschaft?

3. Was ist der Unterschied zwischen „im Geist eins“ zu sein wie die Mönche in diesem Sutta und dem Geisteszustand, der aus unbedachter Konformität mit unserer Umgebung entsteht, oder der „Einmütigkeit“ eines Mobs?

4. Welche Verbindung besteht zwischen der Vorbereitung der Sitzplätze, dem Herausstellen von Trinkwasser usw. und dem Erreichen eines „übermenschlichen“ Zustands?

5. Wenn man sich an Anuruddha, Nandiya und Kimbila mit vertrauensvollem Geist erinnert, warum könnte das zu einem lang anhaltenden Wohlbefinden führen?

6. Kannst du dir vorstellen, dass Freundschaft, wie sie Anuruddha, Nandiya und Kimbila beispielhaft leben, ein Mittel sein könnte, sich Richtung Erleuchtung zu bewegen, oder sogar ein Aspekt des Ziels selbst?

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Anhang: Ein Überblick über den Pālikanon:

Du hast wahrscheinlich schon früher im Dharma-Übungskurs einige der Lehren des Buddha kennengelernt. Das Sāmaññaphala und das Meghiya Sutta sowie Pingiyas Lobpreis des Weges zum Jenseits waren Teil des Materials für den Dharma-Jahreskurs, und die Geschichte von Anuruddha und seinen Gefährten (aus dem Cūḷagosinga Sutta) wurde dort auch bereits erwähnt. Andere Suttas sind Teil verschiedener Module des Dharma-Übungskurses.

Vielleicht ist es hilfreich, einen Überblick über diese sehr wichtige Schicht buddhistischer Texte zu bekommen, um sie in einen größeren Kontext setzen zu können.

Der Pālikanon, wie man ihn nennt, enthält alle Texte in Pāli, also der Sprache, die dem Dialekt, den der Buddha gesprochen haben dürfte, am nächsten kommt. Er enthält die frühesten bekannten Aufzeichnungen der Lehren des Buddha, die ursprünglich als mündliche Überlieferung erhalten und erst einige Jahrhunderte nach dem Parinibbana des Buddha niedergeschrieben wurden. Er besteht aus drei „Körben“ (piṭakas) oder Sammlungen.

1. Das Vinaya Piṭaka, das die monastischen Regeln enthält.

2. Das Abhidhamma Piṭaka, das aus den „weiteren“ Lehren oder späteren Entwicklungen dieser Lehren besteht, meist von scholastischem Charakter.

3. Das Sutta Piṭaka, das den Hauptteil der Lehren des Buddha enthält. Spirituell gesehen ist dies der bei weitem bedeutendste der drei Körbe. Er ist seinerseits in die fünf folgenden Abteilungen unterteilt.

i. Der Dīgha Nikāya oder „die lange Sammlung“. Dazu gehören das Brahmajāla, Sāmaññaphala, Sigālovāda und Mahāparinibbāna Sutta.

ii. Der Majjhima Nikāya oder „die Sammlung mittlerer Länge“. Sie enthalten das Ariyapariyesanā, Satipaṭṭhāna, Cūḷagosinga, Kosambiya, Angulimāla und Ānāpānasati Sutta.

iii. Der Saṃyutta Nikāya oder „die gruppierte Sammlung“. Sie enthält das Dhammacakkappavattana und das Upanisā Sutta und annähernd 2889 andere.

iv. Der Aṅguttara Nikāya oder „die angereihte Sammlung“. Dazu gehören das Kālāma Sutta und etwa 2300 andere.

v. Der Khuddaka Nikāya oder „die kleinere Sammlung“. Dazu gehören 15 unabhängige Werke, darunter folgende besonders wichtige:

• Der Dhammapada

• Das Udāna mit dem Bāhiya und dem Meghiya Sutta

• Das Itivuttaka

• Das Sutta Nipāta: Dazu gehören das Mettā, das Mangala und das Ratana Sutta und Piṅgiyas Lobpreis auf den Weg zum Jenseits

• Die Theragāthā: Gesänge der älteren Mönche

• Die Therigāthā: Gesänge der älteren Nonnen

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Der Aufbau des Pālikanons

PālikanonUmfasst drei Piṭakas oder „Körbe“ (Sammlungen) von Lehren

Vinaya PiṭakaEnthält die monastischen Regeln und die Geschichte des frühen Sangha

Sutta PiṭakaEnthält den größten Teil der Lehrreden und der Lehren des Buddha

Abhidhamma Piṭaka

Spätere Entwicklung der Lehren, oft scholastisch

Dīgha NikāyaDie langen Lehrreden, darunter: Brahmajāla, Sāmaññaphala und Mahāparinibbāna Sutta

Majjhima NikāyaDie mittleren Lehrreden,

darunter: Ariyapariyesanā, Cūḷagosinga, Kosambiya, und Ānāpānasati Sutta

Saṃyutta NikāyaDie nach Themen

gruppierten Lehrreden, u.a: Dhammacakkappavattana

und Upanisā Sutta

Aṅguttara NikāyaDie angereihten Lehrreden,

mit nach zahlenmäßigen Listen sortierten Suttas,

darunter das Kalama und das Mahanama Sutta

Kuddhaka NikāyaDie kleinere Sammlung, darunter: Dhammapada, Udāna, Itivuttaka, Sutta Nipāta, Theragāthā und

Therigāthā