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Musikleben im Diskurs 63280 3/16 Juli-September 2016 D € 8,50 ı A € 8,80 ı CH SFR 14,60 Außerhalb und mittendrin Musik als deutsche Leit(d)kultur | Dabei sein ist alles – Lebensqualität im Alter durch musikalische Teilhabe | Die Welt ist ein Pudel – ohne Musikclubs gäbe es keine Popmusik Auch als App!

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Außerhalb und mittendrinMusik als deutsche Leit(d)kultur

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Außerhalb und mittendrinMusik als deutsche Leit(d)kultur

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Artikel 1 unseres Grundgesetzes unddie zentrale Botschaft der „Allianz für Weltoffenheit“. Damit ist das Wesentliche ge-sagt, was handlungsleitend für unsere Gesellschaft sein sollte. Reicht aber nicht, wieder Blick in die sogenannten „sozialen Netzwerke“ zeigt. Reicht auch nicht im Hin-blick auf die Verrohung der Kommunikation im öffentlichen Raum. Wer wie ich undviele andere Gäste beim Besuch der Feierlichkeiten zum 3. Oktober körpernah denblanken Hass der Demonstranten erlebt hat, fragt sich, wie weit die Werte des Grund-gesetzes entfernt sind. Wie weit die Schönheit Bach’scher Musik und die Botschaftender H-Moll-Messe, deren „Gratias agimus tibi“, wunderbar interpretiert vom Kreuz-chor und der Sächsischen Staatskapelle unter der Leitung von Christian Thielemann,wohl entfernt sind von diesem Hass. Wohlgemerkt nicht vom Protest, sondern vondiesem blanken Hass.

Konflikte sind fast immer kulturell grundierte Konflikte. Die Auseinandersetzungen inunserem Land sind auch von inneren Mauern und Ängsten geprägt. Die Klänge desGlorias aus der Theresienmesse von Joseph Haydn in der Frauenkirche mischten sichin surreal wirkender Weise mit den Pfiffen und dem Gebrüll „haut ab“. Außerhalb undmittendrin. Et in terra pax?

Musik macht keine besseren Menschen. Musik kann aber dazu beitragen, Identitätsbil-dung zu befördern und aus dem Bewusstsein des je Eigenen das je Andere besser zuerkennen. Musik eröffnet die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten zu finden und Unter-schiede anzuerkennen. Musik kann Brücken zwischen den nicht verhandelbaren Wer-ten und Normsetzungen des Grundgesetzes und den Kulturen anderer Herkunftslän-der in unserem Land schaffen. Die zu oft vernachlässigte Pflege des Kulturellen Erbes,eine der drei Grundsäulen der UNESCO Kulturelle Vielfalt, bedarf nicht nur einer adäquaten Rahmensetzung, sondern einer wesentlichen Stärkung der Strukturen desGemeinwohls. Die Investitionen in die ehren- wie hauptamtlichen Strukturen ist eineder entscheidenden Voraussetzungen für einen gelingenden Integrationsprozess.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dies gilt für die Bürgerinnen und Bürgerunseres Landes gleichermaßen wie für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen.

Christian HöppnerChefredakteur

Christian Höppner

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im fokus| Nur Facetten!

Hans Bäßler: Musik (k)eine soziale Tatsache? 6

| Öffentlich finanzierte OrchesterHohe Dichte an professionellen Klangkörpern 11

| Wir gehören auch dazu!Björn Tischler: Zur musikkulturellen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf 12

| Klavierunterricht für PaulAnnli Nord: Das Projekt Musikpatenschaften (MUPA) der Bürgerstiftung Hannover 15

| Dabei sein ist allesHans Hermann Wickel: Lebensqualität im Alter durch musikalische Teilhabe 18

| Traurige WahrheitFriedemann Immer: Alte Musik in der Altersarmut 22

| SchieflageKlaus-J. Rathjens: Der Beruf des Organisten und Kantors wird abgewirtschaftet 26

| Die Inflation der MusikDaniel Stemberg: Musik als Geräuschkulisse oder als Ausdruck kultureller Vielfalt? 28

musik & politik| Willkommen durch Kultur

Vielfalt der Kulturen als Chance und Herausforderung. Statements der kulturpolitischen Sprecher derFraktionen im Deutschen Bundestag 31

vorgestellt| Wenn sich der Himmel über den Kindern öffnet

Beispiellos und in aller Stille sorgt das Projekt „Panorama“ mit Musik für die Persönlichkeitsbildung von Kindern (Susanne Fließ) 34

Musik unterstützt maßgeblich die soziale Teilhabe aller Kinder, Seite 12

Im Projekt „Panorama“ werden Instrumente selbst gebaut, Seite 34

im fokus:Außerhalb und mittendrinMusik als deutsche Leit(d)kultur

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| Vom Elfenbeinturm in die SchulklassenDie Künstlerinitiative Rhapsody in School wird zehn Jahre alt (Sabine von Imhoff) 38

| „Prima-Donna“ und der genius tempiMusikerinnen im Mittelpunkt des Lucerne Festivals 2016 (Günter Zschacke) 42

akzente| Die Welt ist ein Pudel

Ohne Musikclubs gäbe es keine Popmusik (Ole Löding und Philipp Krohn) 44

begegnung| Es muss nicht Berlin sein

Die Edvard-Grieg-Forschungsstelle in Leipzig – Christian Höppner im Gespräch mit Patrick Dinslage 48

musik und online-medien| Digitale Arbeitswelt

Mein Tablet – mein Büro (Cornelia de Reese) 52

| Social Media Globales Marketinginstrument oder digitales Netzwerk für die Musikkultur? (Theo Geißler) 54

neue töne| Neunundneunzig CDs

30 Jahre Edition Zeitgenössische Musik des Deutschen Musikrats (Frank Kämpfer) 57

kolumne| Smells like Teen Spirit von Nirvana

Udo Dahmen 60

| editorial 1| nachrichten 4| die redaktion empfiehlt 62| finale/impressum 64

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Weltklasse-Musiker engagieren sich für „Rhapsody in school“, Seite 38

Der Golden Pudel Club nach dem Brand; die Szene der Popkulturnimmt den Verlust nicht widerstandslos hin, Seite 44

Juli – September 2016

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Der Deutsche Musikrat hatauf einstimmigen Beschluss desPräsidiums das Label „Privile-gierte Partnerschaft“ ins Lebengerufen. Mit der Auszeichnungwerden Einrichtungen bzw. Pro-jekte unterstützt, die in besonde-rer Weise gesellschaftliche Wir-kung erzielen. Der Deutsche Ju-gendkammerchor ist das ersteProjekt, das vom Deutschen Mu-sikrat für zwei Jahre ideell geför-dert wird. „Die Privilegierte Partnerschaftbietet eine sehr gute Möglichkeit,eine Vernetzungsebene des größ-ten Dachverbandes der Musikmit herausragenden Projektenaus nahezu allen gesellschaftli-chen Bereichen zu schaffen. Ziel dieser Partnerschaft ist es,über eine gemeinsame medialeund musikpolitische Kommuni-kation die Kulturelle Vielfalt fürdie Zukunftsfähigkeit unsererGesellschaft verstärkt im öffentli-chen Bewusstsein zu verankern.Wir freuen uns, in den kom-menden zwei Jahren gemeinsammit dem Deutschen Jugendkam-merchor für dieses Ziel einzutre-ten,“ erklärt Martin Maria Krü-ger, Präsident des DeutschenMusikrates. Henning Scherf, Präsident desDeutschen Chorverbands, sagtdazu: „Mit dem Deutschen Ju-

gendkammerchor wurde ein En-semble ausgewählt, das talentier-ten und ambitionierten jungenChorsängerinnen und Chorsän-gern bundesweit einzigartigeEntfaltungsmöglichkeiten eröff-net. Wir sind sehr glücklich überdie Privilegierte Partnerschaftdes Deutschen Musikrates undhoffen, so gemeinsam die Strahl-kraft dieses Projektes fördernund kulturpolitisch einsetzen zukönnen.“Der Deutsche Jugendkammer-chor unter der Leitung von Flo-rian Benfer ist ein nationalesAuswahlensemble begabter jun-ger Chorsängerinnen und Chor-sänger im Alter von 16 bis 27Jahren. Grundlage der musikali-schen Arbeit ist die Entfaltungeines eigenen Chorklangs, dersich durch Intonationsreinheit,Homogenität und hohe Transpa-renz auszeichnet und mit Be-weglichkeit, Ausdrucksstärke so-wie der Lust, neue Wege zu be-schreiten, verbunden wird. DieKonzerttätigkeit bei bedeuten-den Festivals im In- und Aus-land, Fernseh-, Rundfunk- undCD-Produktionen sowie vielfäl -tige Kooperationen mit Profi -ensembles, Komponisten undKomponistinnen und Verlagensind dafür wesentlicher Bestand-teil.

Privilegierte Partnerschaft für den Deutschen Jugendkammerchor

In den Verbänden des instru-mentalen und vokalen Laienmu-sizierens in Deutschland sindderzeit 3,7 Millionen Mitgliederorganisiert. Dies ist das Ergebniseiner aktuellen Erhebung desDeutschen Musikinformations-zentrums (MIZ). 2,9 Millionendavon musizieren aktiv in einemInstrumentalensemble oder sin-gen in einem Chor, währendmindestens 800 000 die Ent-wicklung der Verbandstätigkeitenals fördernde Mitglieder unter-stützen und begleiten.Mit 2,1 Millionen Mitgliedernorganisieren die Chorverbändeeinen großen Teil der Laienmusi-zierenden, das entspricht rund60 Prozent der Verbandsmitglie-der insgesamt. Unter den aktivenMitgliedern zieht es dabei zweivon Dreien in weltliche Chöre,jedes dritte Mitglied ist imkirchlichen Bereich engagiert.Die Bandbreite der mittlerweilestark ausdifferenzierten Chor-landschaft reicht vom klassischenMännergesangsverein über Gos-pel- und Barbershop-Chöre bishin zu sogenannten Showchoirs,die Popmusik, Elemente des Mu-sicals und andere Vokalmusikkombinieren und mit Tanz undBühnenchoreografie aufführen.Die Vielfalt und Ausdifferenzie-rung der Ensembles, die bei den

Chören zu beobachten ist, warschon immer auch ein Kennzei-chen des instrumentalen Laien-musizierens. 1,6 Millionen Mit-glieder sind in den Verbänden desinstrumentalen Laienmusizierensorganisiert und engagieren sichin Akkordeonorchestern, Sinfo-nie- und Streichorchestern, Zupf -orchestern und Zithermusik-gruppen sowie in verschiedenenkirchlichen Instrumentalgrup-pen. Die meisten jedoch sind inBlasorchestern und Spielmanns-zügen aktiv, die mit fast 80 Pro-zent den höchsten Mitgliederan-teil aufweisen.Die Gewinnung von musikali-schem Nachwuchs nimmt in denVerbänden des Laienmusizierenseinen hohen Stellenwert ein. Ins-gesamt 770 000 Kinder, Jugend-liche und junge Erwachsene mu-sizieren zurzeit in den Verbän-den. Die Anzahl derjenigen, diein Chören singen, liegt aktuellbei 350 000. Das entspricht rund16 Prozent der aktiven Sängerin-nen und Sänger insgesamt, höherzeichnet sich der Anteil der jun-gen Leute ab, die in einem Ver einein Musikinstrument spielen.Über die Hälfte der aktiven Mit-glieder der instrumentalen Laien -musikverbände, rund 420 000,sind im Kindes-, Jugend- oderjungen Erwachsenenalter.

Verbände des Laienmusizierens organisieren aktuell 3,7 Millionen Mitglieder

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Das Präsidium des DeutschenMusikrats hat einstimmig be-schlossen, dass schnellstens einegesetzliche Grundlage geschaf-fen werden muss, damit in denmusikalischen Verwertungsge-sellschaften weiterhin Urheberund Verleger gemeinsam Rechtewahrnehmen können. Der Deut-sche Musikrat fordert daher denDeutschen Bundestag und dieBundesregierung auf, die Ver-lagsbeteiligung an den Ausschüt-tungen der Verwertungsgesell-schaften zu sichern. Nach einem Klageverfahren ge-gen den Verteilungsplan der VGWort, entschied der Bundesge-richtshof im April dieses Jahres,dass eine pauschale Beteiligungder Verlage an den Ausschüttun-gen der VG Wort nicht zulässigsei. Bisher ist die Beteiligung derVerlage an gesetzlichen Vergü-

tungsansprüchen immer nochnicht gesichert. Martin Maria Krüger, Präsidentdes Deutschen Musikrats: „EineBeteiligung der Verlage an denAusschüttungen der Verwer-tungsgesellschaften ist dringendnotwendig, um eine freie Nut-zung der verlegten Werke zu ver-hindern und damit materielleNachteile für die Verlage abzu-wenden. Eine Gefährdung derVerlage hätte schwerwiegendeKonsequenzen auch für Kompo-nistinnen und Komponisten. DerDeutsche Musikrat appelliert andie Politik, endgültig die Partizi-pation der Verlage an den Ein-nahmen der Verwertungsgesell-schaften im deutschen Urheber-rechtsgesetz zu verankern undkeinesfalls hinter die bestehen-den Regelungen zurückzufallen.Hier muss endlich Rechtssicher-heit geschaffen werden.“

Verlagsbeteiligung muss gesichert werden

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Am Freitag, 30. September2016 erklang in einem der gro-ßen WDR-Sendestudios in Kölndas Abschlusskonzert des „Vival-di-Experimentes“. Das Gemein-schaftsprojekt des DeutschenMusikrates und der ARD standunter der Federführung desWDR. Zu den Mitwirkenden ge-hörten, neben dem WDR Funk-hausorchester Köln, der SängerMoTrip, der Stand-up ComedianChris Tall sowie die mehrfachenDeutschen Breakdance-Meisterder „Reckless Crew“. ChristianHöppner, Generalsekretär desDeutschen Musikrates bekräftigtdie bundesweite Ausstrahlungdes einzigartigen Musikprojek-tes: „Kinder und Jugendliche

sind die besten Botschafter fürWeltoffenheit und Verständi-gung, wenn sie denn die Chanceauf eine qualifizierte und konti-nuierliche Musikalische Bildungerhalten. Kulturelle Teilhabe istVoraussetzung für KulturelleVielfalt. Der Deutsche Musikratfreut sich über die erfolgreicheKooperation mit der ARD unddas langfristig angelegte Engage-ment der ARD in diesem gesell-schaftlich wichtigen Bereich.“ Das Konzert wurde live im Ra-dio und Fernsehen sowie im In-ternet als Videostream auf vival-di-experiment.de und concert.arte.tv/de übertragen. WeitereInformationen gibt es unterwww.schulkonzert.ard.de.

Junge Botschafter für Weltoffenheit –Erfolgreiches Abschlusskonzert des „Vivaldi Experimentes“

Anlässlich des Gedenktags fürdie Opfer von Flucht und Ver-treibung umrahmte das Bundes-jugendorchester, das nationaleJugendorchester der Bundesre-publik Deutschland, die offizielleGedenkstunde im DeutschenHistorischen Museum Berlin. Er-weitert wurde das Orchester da-bei von zehn internationalen Gäs -ten unter anderem aus Syrien,Ägypten und der Türkei.Das Orchester präsentierte Werkevon Felix Mendelssohn Barthol-dy, Johann Sebastian Bach sowiedes französischen Komponistensyrischer Herkunft Dia Succari.Das Orchester folgte damit einerEinladung des Bundesministersdes Innern Thomas de Maizière.Dieser eröffnete die Veranstal-

tung im Deutschen HistorischenMuseum Berlin. MohammadHech yar, syrischer Flüchtlingund THW-Helfer anwärter, be-richtete zudem über seine per-sönlichen Erfahrungen. Seit 2015 wird jährlich am 20.Juni der Opfer von Flucht undVertreibung gedacht. Mit demDatum knüpft die Bundesregie-rung an den Weltflüchtlingstagder Vereinten Nationen an underweitert das Flüchtlingsgeden-ken um das Schicksal der Vertrie-benen.Das Konzert des Bundesjugend-orchesters stand damit ganz imZeichen von „Willkommen inDeutschland – Musik macht Hei-mat“, dem Motto des Tags derMusik.

Bundesjugendorchester konzertierte mit Syrern und Ägyptern

Noch in diesem Jahr wird eseinen neuen Förderfonds fürzeitgenössische Musik geben.Das gab am 29. Juni 2016 dieStaatsministerin für Kultur undMedien, Monika Grütters be-kannt. Neben dem DeutschenMusikrat wurden der DeutscheKomponistenverband, der Deut-sche Tonkünstlerverband, dieGesellschaft für Neue Musik, dieUnion Deutscher Jazzmusiker,die Gesellschaft für Elektroakus-tische Musik und die InitiativeMusik zur Gründungsversamm-lung des neuen Musikfonds ein-geladen. Mit dem Musikfonds

sollen künftig Projekte mit einerAntragssumme von bis zu50 000 Euro unterstützt werden.Insgesamt stehen jährlich 1,1Millionen Euro für den Fondszur Verfügung. Martin Maria Krüger, Präsidentdes Deutschen Musikrats erklär-te: „Der Fonds leistet spartenüber -greifend einen wesentlichen Bei-trag zur Weiterentwicklung derzeitgenössischen Musikkultur inDeutschland. Die Gründung setztein bedeutendes Zeichen für denErhalt und die Förderung derKulturellen Vielfalt in unseremLand.“

Förderfonds für zeitgenössische Musik

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Da gibt es die Orte, an denen musiziert wird; sie bestimmen,was erklingt. Denn auf dem Schützenplatz klingt es anders alsim Salon, in dem ein Hauskonzert zelebriert wird. Und zwi-schen dem Club und dem Stadion liegen Welten. Da gibt es Anlässe für ein soziales Miteinander, Hochzeiten undBeerdigungen, Schulabschlüsse und Wandertage, Gottesdiensteund Jubiläen – sie wären ohne die Musik als Bindeglied nichtdenkbar.Musik nimmt in diesen Fällen eine eher untergeordnete Funk -tion ein. Sie kann aber auch zum Mittelpunkt werden und damitein soziales Miteinander bedingen – zum Beispiel, wenn wiruns gezielt einen Streichquartettabend anhören, wenn wir re-gelmäßig in einer Band spielen oder in einem Chor singen. Jaselbst wenn wir, allein im Raum sitzend, Popmusik im Radiohören, simulieren wir ein Miteinander, zumindest das zwischendem Musiker und mir als dem Hörer.Nun sind diese Bezüge bereits seit vielen Jahren musiksoziolo-gisch und -psychologisch untersucht worden, wobei sich he-rausstellte, dass die gegenseitigen Bedingtheiten das eigentlicheMerkmal sind: Die Musik prägt Lebensverhältnisse, und Lebens-

verhältnisse erfordern spezifische Musiken. Damit verbunden istnicht zuletzt auch die Frage nach der Rolle der Komponisten,vielleicht müsste man noch zutreffender sagen: der Auctoren(Komponisten, Sänger, Texter, Instrumentalisten), ohne die esdie Musik zwangsläufig nicht gäbe. Solange sich gerade diefunktionale Musik mit ihrem jeweiligen Anlass ihre eigenen Be-dingungen schafft, stellt sich auch nicht die Frage nach der Ver-antwortung. Das Volkslied, der Gregorianische Choral, das Trom-meln auf dem afrikanischen Hochland – solange sich die Musikquasi aus dem Nichts heraus entwickelt und nur für dieseGruppe relevant ist, solange ist die Frage nach dem Urheber zuvernachlässigen. Doch wenn es Spielleute und Kantoren, Hof-musiker und Solisten gibt, die komponieren und spielen, wennalso eine neue Dimension der Professionalisierung einsetzt,dann entsteht ein Bereich, den man nicht mehr wegdiskutierenkann, auch wenn er gern ausgeblendet wird („Sie machen dochKunst, da müssten Sie doch eigentlich noch dazuzahlen, weil esIhnen so viel Freude bringt, etwas Schönes anderen zu Gehör zubringen!“). Denn jede Professionalisierung bringt es mit sich,dass ein Ausübender, ob Komponist oder Interpret, davon leben

Nur Facetten! Musik (k)eine soziale Tatsache? Hans Bäßler

Über manche Dinge macht man sich kaum noch Gedanken,weil sie auf der Hand liegen. Dazu gehören auch Überlegun-gen, inwieweit die Musik eine soziale Dimension besitze:Keiner würde dies bezweifeln; aber was heißt dies konkret?Die Musik-Produzierenden und die Musik-Rezipierendenverbindet mehr, als wir manchmal auch nur ahnen.

Der professionelle Gospelgesang hat nur noch wenig mit dem Kirchenchor einer

Südstaatengemeinde zu tun. Wichtig ist heute, dass sich die Musik gut verkauft.

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muss. Eine deswegen spannende Dimension, weil es dabei nichtnur künstlerische Gesichtspunkte gibt, sondern auch Marktge-setze, die das musikalische Geschehen bestimmen.Doch nur punktuell machte man sich Gedanken darüber, inwelchem sozialen und gleichzeitig in welchem ökonomischenKontext sich der Interpret befand und befindet. Solange beideKontexte sich mehr oder weniger bedingten, also bis zum Endedes 18. Jahrhunderts, stellte sich diese Frage nicht. Ein Kompo-nist wie Johann Sebastian Bach wusste sich sozial (und religiös)aufgehoben in der lutherischen Kirche, und da er professionellin ihr arbeitete, sorgte sie als Institution für sein Auskommen.Noch Komponisten wie Bruckner oder Mahler hatten ihre öko-nomische Absicherung durch die jeweilige Institution (die Kir-che bzw. das Orchester/das Opernhaus). Und auch wenn sienicht immer den jeweiligen Publikumsgeschmack trafen, warensie doch musikalischsozial in ihre jeweilige „Klasse“ eingewo-ben und gleichzeitig ökonomisch unabhängig.Doch gab es dazu eine parallele Erscheinung in der Kunstmusik,die bereits mit dem Minnegesang begann, sich mit den durchEuropa ziehenden Opernsängern des 17. und 18. Jahrhunderts

fortsetzte und dann in das professionelle Solistentum des 19.und 20. Jahrhunderts als Ich-AG mündete. Es herrschte undherrscht heute das Gesetz von Angebot und Nachfrage, eine Ent-wicklung, die man einerseits begrüßen kann, weil durch denKonkurrenzkampf die musikalischen Maßstäbe im Sinne einesimaginären Perfektionismus immer höher gesetzt wurden, dieman aber auch beklagen kann, weil damit die Unbeschwertheitdes Musizierens verloren gegangen ist. Man kann dies beispiels-weise am Gospelgesang beobachten: Die professionell vermark-teten Chöre sind einfach perfekt, aber die Ursprünglichkeit ei-nes Kirchenchores aus einer baptistischen Südstaatengemeindelebt noch von einer ganz anderen musikalischen Dichte und In-tensität – auch wenn nicht jeder Ton so ganz stimmt. Die Erwar-tungen des zahlenden Publikums (ob live oder auf Tonträgern)zielen allerdings auf diesen Perfektionismus ab – und damit ver-ändert sich auch die soziale Beziehung zwischen dem Kompo-nisten/Interpreten als dem Produzenten und dem Hörer/Käu-fer. Die Ökonomie bestimmt die Musik …Inzwischen ist diese Frage sehr viel brisanter geworden, als mannoch bis in die achtziger Jahre hinein dachte. Denn durch die

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permanente virtuelle Verfügbarkeit von Musik im Netz (teilskostenlos, teils kostenpflichtig) wird die „Ware“ Musik zu einem Gegenstand, der sich unkontrolliert verbreitet und – bei illegalem Downloaden beispielsweise – auch keine Möglichkeitbietet, einen Gewinn zu erzielen. Doch es verändern sich durchdas Netz auch die Gewinnmöglichkeiten, weil sich zwischendem Musiker/dem Produzenten und dem Hörer/dem Käufereine international operierende Distribution (Apple music, Spo-tify usw.) gestellt hat, die den eigentlichen Auctor mit Cent -beträgen abspeist – ein Aspekt, auf den Theo Geissler in diesemHeft nachdrücklich hinweist und den er leidenschaftlich an-klagt. Dieses große (und in seiner Dimension noch gar nicht ab-schätzbare) sozialökonomische Problem ist jedoch nur einesvon verschiedenen. Ein zweites können wir bei den sogenann-ten Freelancern beobachten. Eigentlich waren viele, so auch derAutor, für eine Entwicklung hin zu mehr beruflicher Flexibilität,Selbstbestimmung – gerade auch vor dem Hintergrund des im-mer stärker reglementierten Berufsmusiker-Beamtentums, dasim routinierten Interpretationseinerlei ertrank. Die glatten, mu-sikalisch vollkommen uninspirierten Aufführungen von soge-nannten Weltklasseorchestern sind uns immer noch im Ohr, dieGleichgültigkeit so manchen Instrumentallehrers an einer Mu-sikschule ebenso wie die Pflichtveranstaltungen in Schulauffüh-rungen, bei denen die Qualität nicht an der Musik gemessenwurde, sondern an der Bereitschaft, „den Laden irgendwie zu-sammenzuhalten“! Freelancer dagegen – das war die Vision fürMotiviertsein, für das, was man gerade jetzt tut! Totale Identifi-kation mit der Musik in den vielfältigsten Erscheinungsformenund in der Vermittlung mit einem „ohne Wenn und Aber“! Doch das System funktioniert nur, wenn es, wie in der Schweiz,eine Balance zwischen Aufgaben und Einnahmen gibt. Jugend-chor + Alte-Musik-Ensemble + sechs Stunden Gymnasium.Klingt gut und könnte auch klappen. Tut es aber nicht. Denn derFreelancer-Gedanke wird ad absurdum geführt, wenn er so ge-handhabt wird wie in Deutschland (Friedemann Immer be-schreibt dies in seinem Beitrag). Da kommt man spätestens imAlter schnell an eine existenzielle Grenze, die dazu führt, dassman nicht mehr ein noch aus weiß. Die Einkommensspiralegeht für Freiberufler nach unten. Musikschulen bieten Verträgean, die nicht annähernd der langjährigen Ausbildung an einerHochschule und der entsprechenden Berufserfahrung entspre-chen. Und die Politik schaut gleichgültig zu, genießt es aber, dasFestival XY am Samstagabend mit markigen Worten der Freudeüber so viel kulturelle Vielfalt zu eröffnen. Wie fühlt man sichals Musiker, wenn man sich diese „feierlichen“ Reden einesMenschen der Besoldungsgruppe B11 anhören muss, selbstaber, an der Bratsche in der Capella Z sitzend, an den kommen-

Literaturhinweise:Die Situation in der gegenwärtigen musiksoziologischen For-

schung ist relativ unübersichtlich. Neben den klassischen bei-

den Positionen einer eher ästhetisch-systematisch orientierten

und einer empirisch verankerten Forschung gibt es auch die

Überlegungen, ob nicht die Forschungen zur sozialen Dimen -

sion von Komponisten und Interpreten zur historischen Musik-

wissenschaft gehören. Zudem besteht eine weitere Überlegung

darin, inwieweit auch Musikpsychologie den Rezeptionsgegen-

stand Musik mit soziologischen Instrumenten untersuchen müss-

te. Erschwerend kommt hinzu, dass es nur relativ wenig Zah-

lenmaterial gibt, das zu wirklich validen Aussagen Anlass gibt.

Im Folgenden bieten wir Hinweise für Leser, die sich vertiefend

mit dem Fachgebiet befassen möchten.

Adorno, Theodor W.: Einleitung in die Musiksoziologie. 12

Vorlesungen, Frankfurt 1975

Seine Musiksoziologie war der Ausgangspunkt für eine musik-

soziologische Sensibilisierung breiterer Schichten weit über die

Musikwissenschaft hinaus. Seine aus dem Wintersemester

1960/61 stammenden Vorlesungen zu einer kulturkritischen

Hörertypologie gehören eher in den Bereich von Vorüberlegun-

gen zu einem ganzen Setting empirischer Untersuchungen,

welche in jedem Fall unverzichtbar sind. So spannend sich vie-

les als hermeneutisch-kritischer Text liest, er bleibt dennoch

essayistisch auf einem hohem Niveau, das ausgesprochen eli-

tär ansetzt und stark von der Aversion gegenüber der Populä-

ren Musik und dem Jazz geprägt ist. „Theorie der Musik, wie

sie Theodor W. Adorno verstand, war zugleich und in eins So-

ziologie, Geschichtsphilosophie, Ästhetik und Kompositionskri-

tik. Die Respektlosigkeit gegenüber Fächergrenzen, die er für

willkürlich hielt, erschien Adorno als Zeichen der Treue zu den

,Sachen selbst‘, in deren individueller Beschaffenheit er das

einzige Maß sah, an dem man eine Methode messen konnte.“

(Carl Dahlhaus)

Blaukopf, Kurt: Musik im Wandel der Gesellschaft. Grund -

züge der Musiksoziologie, München 1982

Das Lebenswerk des Wiener Musikwissenschaftlers Kurt Blau-

kopf ist gekennzeichnet durch ein Beobachten des sich wan-

delnden gesellschaftlichen Kontextes der Musik. Beispielhaft

dafür steht sein umfassender Versuch, die „Musik im Wandel

der Gesellschaft“ bis in die Gegenwart und darüber hinaus zu

erläutern. Dazu zählen vor allem die Beschäftigung mit Gustav

Mahler, die Analyse neuer musikalischer Verhaltensformen der

Jugend unter dem Einfluss neuer technischer Instrumente, die

Entwicklung neuer Methoden der Orchesterforschung am Bei-

spiel der Wiener Philharmoniker, aber auch die Analyse des

Zusammenhangs zwischen medientechnischen Innovationen

und kultureller Entwicklung und den Konsequenzen der Einfüh-

rung innovativer Technologien für das gesamte Musikleben.

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Für diesen Wandlungsprozess prägte Blaukopf den Begriff der „Media-

morphose“, der in die allgemeine Terminologie der Mediensoziologie

eingegangen ist (vgl. hierzu: https://www.mdw.ac.at/ims/kurt_blaukopf).

Behne, Klaus-Ernst: Musikerleben im Jugendalter, Regensburg 2009

Zu den Musikwissenschaftlern, die eine Brücke zwischen ihrer ureige-

nen Fachrichtung Musikpsychologie und soziologischen Fragestellun-

gen geschlagen haben, gehören neben Helga de la Motte-Haber, Gün-

ter Kleinen (Bremen), Hans-Peter Reinecke (Hamburg/Berlin/Halle) und

Reinhard Kopiez (Hannover) der 2013 verstorbene Hannoveraner Pro-

fessor Klaus-Ernst Behne. Er sammelte für eine Längsschnittstudie, an

der 150 Jugendliche sechs Jahre teilnahmen, Daten zu ihren persönli-

chen Musikpräferenzen und dem damit verbundenen persönlichen le-

bensgeschichtlichen Hintergrund. Im Musikforum veröffentlichte er zahl-

reiche Artikel u.a. „Vom Nutzen der Musik“, Musikforum 83/1995, „Zu

viel Kulturpessimismus“, Musikforum 2/2006.

Deutscher Bundestag (Hg.): Kultur in Deutschland. Schlussbericht

der Enquetekommission des Deutschen Bundestages, Regensburg

2008

Der Vorteil dieses umfänglichen Bandes besteht darin, dass er datenori-

entiert die Situation der Musiker im Speziellen und des musikalischen

Lebens insgesamt für eine zukunftsorientierte Kulturpolitik zusammen-

stellt. Besonders eignet sich das vierte Kapitel („Die wirtschaftliche und

soziale Lage der Künstler“) für eine genauere Betrachtung.

Kaden, Christian: Musiksoziologie, Wilhelmshafen 1985

Dem 2015 verstorbenen Berliner Musikwissenschaftler und Urbanitäts-

forscher gelang es bei allen Schwierigkeiten in der Vorwendezeit, seiner

Fachdisziplin eine internationale Reputation zu verleihen. Seine teilweise

die eigentliche Fragestellung verlassende Musiksoziologie ist wegen

des exzellenten Problemaufrisses immer wieder bei einer Vertiefung mu-

siksoziologischer Überlegungen heranzuziehen. Aufschluss darüber lie-

fert besonders Kadens Aufsatz: „Soziologische Blickrichtungen der Mu-

sikanalyse“, erschienen in der Buchreihe Musiksoziologie, Kassel 1996 ff.

Kneif, Tibor: „Der Gegenstand der musiksoziologischen Erkenntnis“,

in: Kneif, Tibor: Texte zur Musiksoziologie, Köln 1975, S. 78-102

Eigentlich ringt die gesamte von Kneif vorgelegte Textsammlung um die

Frage, wie die Musiksoziologie überhaupt zu verorten sei. Sein 1966

zum ersten Mal veröffentlichter Aufsatz liest sich auch noch nach 50

Jahren nicht nur als historisches Dokument spannend, zumal Kneif, da-

mals Mitarbeiter Adornos am Institut für Sozialforschung, eine sehr prä-

zise Bestandsaufnahme der verschiedenen Ansätze vornimmt. Dass

Kneif in den 70er- und 80er-Jahren wichtige Publikationen zur Rockmu-

sik veröffentlicht und sich damit letztlich vom Verdikt Adornos entfernt,

zeigt seine gedankliche Unabhängigkeit.

Die in seinem damaligen Aufsatz pointierte 4. These, dass „der Einfluss

des gesellschaftlichen Lebens auf die Musik […] ausschließlich in der

musikalischen Form zu suchen [sei]“ (S. 87), würde heute sicher nicht

ohne Weiteres unterschrieben werden.

Kemmelmeyer, Karl Jürgen (Hg.): Zukunft der Musikberufe –

Kongressbericht Rheinsberg 2007, Hannover 2009

Der kurz vor dem Bericht der Enquete-Kommission des Bundes -

tages 2007 erschienene Band zur schwieriger werdenden Arbeits-

situation von Musikern stellt die Vorträge einer Tagung zusammen,

die vom Deutschen Musikrat in Rheinsberg veranstaltet wurde.

Aus ihnen wurde bereits vor etwa zehn Jahren deutlich, dass sich

die sozialen Bedingungen von Berufsmusikern auf vielen Arbeits-

feldern verschlechtern, wobei ein Ende dieser Entwicklung nicht

abzusehen war und ist.

de la Motte-Haber, Helga (Hg.): Musiksoziologie (Handbuch der

systematischen Musikwissenschaft, Bd. 4), Laaber 2007

Die Berliner Musikpsychologin gehört zusammen mit Klaus-Ernst

Behne sicher zu den wichtigsten Vertreterinnen der Systemati-

schen Musikwissenschaft. Das von ihr herausgegebene sechs-

bändige Handbuch bildet den gegenwärtigen Stand der Wissen-

schaft ab. Ihr ist es gelungen, die Eigenständigkeit der Systematik

gegenüber der Historischen Musikwissenschaft und der Musiketh-

nologie herauszustreichen, nicht ohne zugleich offen zu sein für

die geschichtliche Dimension von Musik.

Silbermann, Alphons: The Sociology of Music, London 1963

Silbermann bildete als Soziologe den Gegenpol zum ästhetisch-

philosophischen Adorno. Im sogenannten Positivismusstreit traten

ihre zwei gänzlich unterschiedlichen Denkansätze scharf zu Tage.

Silbermann, der in Köln das Institut für Massenkommunikation

gründete, fühlte sich dem empirisch ausgerichteten „Content Ana-

lysis“ verpflichtet. Fragen der Wirkungsweise von Massenmedien

und Kunstsoziologie stehen dabei im Vordergrund, wobei es um

Aussagen über die Wirklichkeit des sozialen Umgangs mit Musik

geht.

Suppan, Wolfgang: Der musizierende Mensch. Eine Anthropolo-

gie der Musik, Mainz 1983

Von Haus aus war der Grazer Musikwissenschaftler Wolfgang

Suppan Musikethnologe. In seiner Anthropologie der Musik aller-

dings zeigte sich, dass die Ethnologie und die Anthropologie nicht

von der Soziologie losgelöst betrachtet werden können. So sind

seine Untersuchungsergebnisse – gerade wegen der Breite der

unterschiedlichen Musikkulturen für die Rolle der Musik und der

Musiker in den verschiedenen Gesellschaftsordnungen – von he-

rausragender Bedeutung, wenn man davon ausgeht, dass sich ei-

ne wie auch immer geartete Musikpraxis stets in einem sozialen

Kontext befindet.

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den Montag denkt, an dem man in der Hochschule A seinenvon acht auf drei Stunden (à 22 Euro – kündbar jeweils zumMonatsende) zusammengestrichenen Lehrauftrag wahrnimmt?Was gegenwärtig in der Kirchenmusik, genauer gesagt: mit derArbeitssituation der Kirchenmusiker geschieht, ist für den Au-ßenstehenden nicht auf eine Formel zu bringen. Einen Einblickin das komplizierte Geflecht gewährt der Kirchenmusiker undKapellmeister Klaus.-J. Rathjens aus eigener Anschauung. Erkommt zu dem Ergebnis: „Kirchen nutzen ihre arbeitsrecht -lichen Privilegien rücksichtslos aus.“Doch die soziale Dimension der Musik und des Musikmachenswird manchmal auch an einem ganz unerwarteten Ort erkenn-bar. „Tatort“ Förderschule, einer Einrichtung, die gerade bun-desweit rückgebaut wird und damit endgültig aus dem Fokusder Öffentlichkeit fällt. Ihr hat man (als Schule, die für den„Rest“ der Gesellschaft zuständig ist) schon lange nichts zuge-traut, besonders nicht im Hinblick auf jegliche Kultur-Erfah-rung. Natürlich stimmt es: Solche Einrichtungen sind (nochgibt es sie) derart weit weg von der bejubelten Hochkultur, dassjedes Übersehen gar nicht auffällt. Und doch: Es gibt die klei-nen Möglichkeiten, die mithilfe der Musik zu einer sozialen Sta-bilisierung führen können. Und da die Wahrheit nicht in denSonntagsreden herbeigezaubert werden kann, sondern sich nurganz konkret in einzelnen Schritten mit einzelnen Personenzeigt, baten wir den Kieler Sonderpädagogen Björn Tischler umeinen Grundsatzbeitrag sowie die Sonderpädagogin Annli Nordaus Hannover um einen Erfahrungsbericht mit ihrem SchülerPaul, um auch Politikern einmal zu signalisieren: Verhindertnicht permanent die Möglichkeiten sozialer Integration, indemihr die musikalischen Erfahrungsräume in Schulen abbaut! Erstdepravierte man in Deutschland die sonderpädagogische Musik-lehrerausbildung, dann zerschoss man wider besseres Wissen ei-nen großen Teil der sonderpädagogischen Einrichtungen mitdem Schlagwort Inklusion, einer Reformruine, die ganz im Sin-ne der Finanzminister konzipiert wurde. Das Beispiel Paul könn-te es viel häufiger geben, wenn sich Landesregierungen um dieMöglichkeiten einer besseren sozialen Integration Gedankenmachten und dabei schnell merkten, wie wichtig das Fach Mu-sik ist.Das zeigt sich auch im Beitrag von Hans Hermann Wickel, derzu den bedeutendsten Wissenschaftlern gehört, die das Gebiet„Musik im Alter“ erforschen. Das Kriterium der Lebensqualitätim Alter hängt sicher auch von einer stabilen Einbindung in diejeweilige musikalische Umgebung ab. Als im Winter 2016 in Hamburg der Golden Pudel Club ab-brannte, war die Erschütterung groß. Nicht nur weil man überdie Umstände rätselte, sondern weil damit ein ganz besonderer,

musikalisch-kommunizierender Ort für eine ganze Szene verlo-ren gegangen war. Das heißt doch nichts anderes als: Wenn dassoziale Miteinander gesichert werden soll, bedarf es der Orteder Identifikation. Virtuelle Orte aber dürften auch zukünftignur Surrogate sein und bieten keinen Ersatz für lebendige Orte.Denn Musik ist, das zeigt auch Daniel Stemberg in seinem Bei-trag auf, wesentlich mehr als nur ein diffuser Hintergrund, es istein „Lebensmittel“ der besonderen Art, das der Einzelne für sei-ne Existenz braucht.So aber folgt aus allen in diesem Heft präsentierten Befunden:Erhaltet nicht nur, sondern baut die personellen, räumlichenund zeitlichen Möglichkeiten aus, um ein qualifiziertes musika-lisches Miteinander zu garantieren. Ein solcher Kampf lohntnicht nur, er stabilisiert auch den gesellschaftlichen Frieden!

Hans Bäßler, Professor für Musikpädagogik an der Musikhochschule Lübeck, ist

stellvertretender Chefredakteur des Musikforums und fasst an dieser Stelle die

kommenden Beiträge im Fokus zusammen.

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Öffentlich finanzierte OrchesterHohe Dichte an professionellen Klangkörpern

Quelle: Deutscher Musikrat/miz – Deutsches Musikinformationszentrum, Deutsche Orchestervereinigung, Kartographie S. Dutzmann, Leipzig 2016

Deutschland verfügt über eine außergewöhnlich hohe Dichte an professionellen Klangkörpern: Die insgesamt 131 öffentlich finan-zierten Symphonie- und Kammerorchester brauchen den internationalen Vergleich damit nicht zu scheuen. Die vorliegende Darstel-lung der Orchesterlandschaft vom Mai 2016 beleuchtet sowohl die verschiedenen Orchestertypen als auch die Planstellengrößender Ensembles. Ebenfalls berücksichtigt werden in der Grafik Orchesterfusionen und -auflösungen seit 1990.Download unter: www.miz.org/download/musikatlas/orchester.pdf

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Zum besseren Verständnis des heutigen Diskussionsstandesin Deutschland bedarf es eines Rückblicks auf die (musik-)son-derpädagogische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte.Das aus den Hilfsschulen der Nachkriegszeit hervorgehende dif-ferenzierte Sonderschulwesen kam der Forderung nach, der spe-zifischen Förderung der Schülerinnen und Schüler mit einer Be-hinderung angemessen(er) Rechnung zu tragen. Der Förder-aspekt spiegelte sich dann in einer erneuten Begriffsänderungwider. So spricht man heute vornehmlich von Förderschulenoder -zentren. Diese sind verantwortlich für die schulische Be-treuung ihrer Klientel, sei es inklusiv in der allgemein bilden-den Schule oder separat in den jeweiligen speziellen Einrichtun-gen. Wo die Lernenden Unterricht erhalten, hängt zum einenvom Förderschwerpunkt und dem Einzelfall ab, zum anderenvon bildungspolitischen Vorgaben, die in den einzelnen Bundes-ländern (noch) sehr unterschiedlich sind. Dessen ungeachtet wurde und wird immer wieder auf die be-sondere Bedeutung der Musik im Rahmen sonderpädagogischerUnterstützung hingewiesen. Etlichen Erfahrungsberichten undwissenschaftlichen Untersuchungen ist der Nachweis differen-zierter Effekte von Musik auf Wahrnehmung, Bewegung, Emo-tionalität, Sozial-, Sprachverhalten und kognitive Prozesse zuentnehmen. Auf dieser Grundlage entwickelten sich diverse mu-siktherapeutische, elementarpädagogische und musik-sonderpä-dagogische Verfahren.

In den Förderschulen wurde dem Musikunterricht ein ihm ent-sprechend gebührender Platz eingeräumt. Besonders ganzheit -liche Verfahren erwiesen sich als fruchtbringend, basierend aufder von Carl Orff und Gunild Keetman geprägten und von Julia-ne Ribke weiterentwickelten elementaren Musikpädagogik so-wie der rhythmisch-musikalischen Erziehung (Rhythmik). AuchSchülerinnen und Schüler mit schwereren geistig-intellektuel-len, Sinnes- oder körperlichen Behinderungen konnten darüberZugang zu aktiver musikkultureller Teilhabe finden. Neben derMusikrezeption spielte das aktive Musizieren, Singen, Tanzen,musikalisch-szenische Darstellen, Musikmalen, reproduktiv wieimprovisierend, eine gleichberechtigte Rolle. Die Möglichkeit,bereits mit einfachen Mitteln und geschickten Arrangementsmusikalisch aktiv werden zu können und besondere musikali-sche Kompetenzen bei Einzelnen zu nutzen, führte dann auchdazu, verstärkt an die Öffentlichkeit zu treten. Bahnbrechend war der von Werner Probst geleitete Modellver-such von 1969 bis 1983 in Nordrhein-Westfalen unter dem Ti-tel „Instrumentalspiel mit Behinderten und von BehinderungBedrohten – Kooperation von Musikschule und Schule“. Musik-und Sonderschulen öffneten einander ihre Türen, und es kam zueiner fruchtbaren Zusammenarbeit. Sie ermöglichte es, Schüle-rinnen und Schüler mit Behinderung über den schulischen Mu-sikunterricht hinaus nicht nur an sogenannte elementare, son-dern auch an traditionelle Streich-, Blas-, Tasten- und Schlagin-strumente spielerisch heranzuführen. Der Modellversuch hat zubedeutsamen Weiterentwicklungen im gesamten Bundesgebietgeführt.Bezeichnend sind ebenfalls die seit Jahrzehnten organisiertenAuftritte von Förderschulgruppen bei der vom VDS (VerbandDeutscher Schulmusiker), jetzt BMU (Bundesverband Musikun-terricht), organisierten Veranstaltung „Schulen musizieren“ aufregionaler, landes- und bundesweiter Ebene. Die oft beeindru-ckenden musikalischen Ergebnisse waren ein wesentlicherSchritt in Richtung öffentlicher Wahrnehmung, wenn auchnoch viele Förderschulen, vor allem mit dem SchwerpunktGeistige Entwicklung, mehr oder weniger zumindest örtlichisoliert waren. Der Beginn integrativer Maßnahmen, die Lernende mit Förder-bedarf in die allgemein bildenden Schulen führten, war Grund-lage für das Entstehen gemischter musikalisch aktiver Gruppie-rungen. Durch entsprechende Differenzierungen, Spezialanferti-gungen von Instrumenten und Nutzung von Technik gelang es,Lernende mit sehr unterschiedlichen musikalischen Vorausset-

DAZU!

Zur musikkulturellen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf Björn Tischler

Durch die Inklusionsinitiativen der vergangenen Jahre rücktezunehmend die Frage der sozialen Teilhabe von Kindern undJugendlichen mit einer Behinderung bzw. Förderbedarf inden Vordergrund bildungspolitischer wie gesamtgesellschaft-licher Diskussionen. Dabei spielt die Musik(Kultur) eine we-sentliche Rolle, weil sich in ihr in hohem Maße personaleund soziale, traditionsgeprägte Identitäten abbilden. Die indiesem Zusammenhang zu betrachtenden und zu bewerten-den musikpädagogischen Aspekte sollen im Folgenden näherbeleuchtet werden.

Kinder und Jugendliche der Moorbek-Schule inNorderstedt und des Bismarck-Gymna siums,Elmshorn im Rahmen der Bundesbegegnung

Schulen musizieren in Lüneburg.

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Björn Tischler, Lehrer- und Pädagogikstudium: Französisch, Musik, Sonderpäda-

gogik. Langjährige Unterrichts-, Aus- und Fortbildungstätigkeit in musiktherapeu-

tisch orientierter Sonderpädagogik. Mitglied im Vorstand des Bundesverbands

Musikunterricht (BMU). Diverse Publikationen.

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zungen zusammenzuführen. Aber erst die Inklusion (seit 2009als deutsches Recht auf Basis der UN-Konvention verbindlich)führte zu teilweise völlig neuen (schul-)pädagogischen und ge-samtgesellschaftlichen Sichtweisen. Weit gefasst geht es bei der Inklusion um die optimale Teilhabealler ausgegrenzten Gruppen. Sie umfassen nicht nur Behinde-rungen und Störungen, sondern ebenso Gender-, Glaubens-,Migrationsaspekte, Armut und nicht zuletzt (musikalische) Son-derbegabungen. Inklusive Erziehung und Bildung verfolgenletztlich die völlige Auflösung von Sondereinrichtungen. Wäh-rend die Integration die Eingliederung von Kindern mit Behin-derung in die bestehende Regelgruppe anstrebt, will Inklusiondie Veränderung bestehender Strukturen und Auffassungen da-hingehend, dass die Unterschiedlichkeit der Individuen zurNormalität wird und individuelle Förderung gewährleistet ist. Hierbei kann die Musikpädagogik wertvolle, ja unverzichtbareDienste leisten, wenn ein erweitertes Verständnis von Musik -unterricht zugrunde gelegt wird. Damit einher laufen drei unterscheidbare, aber miteinander vernetzte Funktionen und Intentionen.Zentral ist zunächst die Musik als Gegenstand fachorientiertenLernens im binnendifferenzierten Musikunterricht unter beson-derer Berücksichtigung von Förderaspekten. Hierbei geht es pri-mär um die Vermittlung musikkultureller Vielfalt bezogen aufVergangenheit und Gegenwart. Inklusiver Musikunterricht be-deutet Teilhabe am Verstehensprozess, der zum Kern eines ge-meinsamen Lerngegenstands führt. Verstehendes Lernen kannauf verschiedenen Ebenen und Kanälen erfolgen. Voraussetzungfür ein gelingendes Verstehen ist eine sorgfältige Lerngegen-standsanalyse, in der Komplexität und Abstraktionsgrad in fein-gliedrige, individualisierte Lernschritte zu überführen sind. Ge-staltende Elemente in Form (re)produktiver Aktion (Singen/Stimme/Instrumentalspiel) und Transposition (Bewegung/ Tanz/Sprache/Bild), wie sie in der Elementaren Musikpädagogikselbstverständlich sind (s.o.), verbinden sich mit erschließendenVerfahren über Musikrezeption und -analyse. Es bedarf einerkreativen methodischen Vielfalt, um dabei individuellen Bedürf-nissen gerecht werden zu können. Dies kann nicht unbedingteine Fachlehrkraft allein leisten. Eine auf Erfahrungswissen ba-sierte (Musik-)Sonderpädagogik lässt sich nicht einfach durcheine sogenannte „gute“ (Musik-)Pädagogik ersetzen, wie esmanche „InklusionseuphorikerInnen“ glauben machen wollen.Auch die Inklusion kommt ohne (musik-)sonderpädagogischeExpertise nicht aus, es sei denn, wir möchten fachliche Speziali-sierungen verwässern. Es gibt Situationen, in denen die Musikals Mittel der Entwicklungsförderung erforderlich ist, im Rah-men des gemeinsamen Unterrichts oder separat. Hier dient dieMusik der sensomotorischen, emotional-sozialen und sprach-lich-kognitiven Förderung bis hin zu musiktherapeutisch orien-tierten Verfahren.

Über den (leider nicht überall realisierten) durchgehenden Mu-sikunterricht hinaus kann Musik als übergreifendes Prinzip fun-gieren, sei es im Rahmen fächerübergreifenden oder -verbin-denden Unterrichts, sei es als Vorhaben oder Projekt, als AG/Kurs/... (Chor, Schulband, -orchester) oder auch Element in an-deren Unterrichtsfächern. Kooperierende Veranstaltungen undVerbindungen, z. B. mit Musikschulen, die sich gerade überGanztagsschulen anbieten, sind ein weiteres mögliches Tätig-keitsfeld, auf welchem musikkulturelle Integration bzw. Inklu -sion optimiert werden kann. Eine eindrucksvolle schulartübergreifende Kooperation habenauf der jüngsten Landes- und Bundesbegegnung „Schulen mu-sizieren“ das Bismarck-Gymnasium aus Elmshorn und die Nor-derstedter Moorbek-Schule mit dem Förderschwerpunkt Geisti-ge Entwicklung zeigen können. Hier wurden nicht einfach eini-ge SchülerInnen mit Behinderung in eine gut funktionierendeBand gesetzt, die dann als „inklusiv verkauft“ wird. Es wurdenvielmehr jeweils eigenständige musikalische Aussagen zusam-mengeführt. Ausgangspunkt waren Texte zu Alltagsphänomenenund -problemen der FörderschülerInnen. Mit Hilfe des musik-sonderpädagogischen Leiters Johannes Klaue wurden darausSongs entwickelt, die die als Big Band formierten Gymnasial-schülerInnen unter Leitung von André Brendemühl instrumen-tal umspielten. Ob es sich hier bereits um Integration oder In-klusion handelt, mag dahingestellt sein. Teilhabe am musikkulturellen Leben ist jedenfalls nicht (allein)dadurch gewährleistet, SchülerInnen mit und ohne Förderbe-darf gemeinsam zu unterrichten. Es gibt immer auch Situatio-nen, für die sich separate Gruppierungen anbieten, wo man„unter sich sein kann“. Dies gilt für Interessen, besondere Bega-bungen wie auch Einschränkungen, Behinderungen. Das Gefühlvon Zugehörigkeit bedarf einer von Wertschätzung, Respekt undOffenheit geprägten Haltung ungeachtet individueller Eigenhei-ten. SchülerInnen gehören dazu, wenn sie eine ihnen angemes-sene Plattform finden (können), sich (musikalisch) darzustellenund auszudrücken.Inwieweit musikkulturelle Teilhabe für alle Lernenden möglichist, hängt letztlich aber auch von den bildungspolitischen Rah-menbedingungen und daraus resultierenden Schulkonzepten ab,die von katastrophalen Marginalisierungen des Musikunterrichtsreichen bis hin zu nachahmenswerten Aktivitäten und Engage-ments, wie exemplarisch aufgezeigt.

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Klavierunterricht für PaulDas Projekt Musikpatenschaften (MUPA) der Bürgerstiftung Hannover Annli Nord

Für den 16-jährigen Paul A.* ist das Klavierspiel zu einemfesten Haltepunkt im Leben geworden. Akteure aus Verwal-tung, Schule und Zivilgesellschaft ermöglichen gemeinsamdie musikalische Förderung über einen langen Zeitraum. EinErlebnisbericht.

Im Herbst 2011 lernte ich Paul kennen. Er ging in die 7.Klasse und war seit Beginn des Schuljahres 2011/12 an unsererSchule, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen. Paul,gerade 13 Jahre alt, war mir bisher nur durch seine wirren Haa-re und seine verrückten Geschichten über die Üstra (Hannover-

sche Verkehrsbetriebe AG) aufgefallen. Paul wusste, dass ich da-mals die einzige Musiklehrerin an der Schule war. Im Musik-raum stand ein Flügel und auf diesem Flügel wollte mir Paulunbedingt etwas vorspielen. Über mehrere Wochen hinwegfragte, ja nervte mich Paul schon morgens vor Unterrichts -beginn und dann auch noch in den Pausen, ob er mir ein eige-nes Klavierstück auf dem Flügel vorspielen dürfe.

Paul stellt sich musikalisch vorSchließlich verabredeten wir uns an einem Montag in der erstengroßen Pause im Musikraum. Ich hoffte, dass ich danach meine

© imago/imagebroker

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Ruhe hätte. Ich schloss Paul den Flügel auf. Er war ganz aufge-regt und machte ununterbrochen seine schrägen Sprüche überdie Üstra. Als er dann aber vor dem Flügel saß und seine Fingerauf die Tasten legte, wurde er ruhig und konzentriert. Ein Stückaus der Popmusik erklang. Dabei spielte er mit drei Fingern derrechten Hand die Melodie, rockig und rhythmisch sicher, undbegleitete sich dabei mit nur zwei Fingern der linken Hand.Ich hörte zu, war beeindruckt, gerührt und auch beschämt. Weiler so lange immer wieder nachgefragt und ich nur „Geklimper“erwartet hatte. Paul erzählte mir, dass er die Stücke höre, sie sichsofort im Kopf merkte und „nachspielte“. Er besaß früher ein-mal ein Keyboard, das durch ausgelaufenen Orangensaft un-brauchbar wurde, erzählte er mir. Ich war fasziniert, dass einJunge, der zu Hause wenig musikalische Förderung und sonsti-ge Unterstützung erfährt, so spielen kann und dass die Musikihm so viel bedeutet. Und dass er nicht aufgegeben hatte, mirendlich vorzuspielen.Zu Hause erzählte ich meinem Mann von dieser musikalischenBegegnung mit Paul. Ich berichtete, dass Paul aus einer soge-nannten bildungsfernen Familie stamme, die von der Sozialhilfelebe, also professioneller Unterricht nicht bezahlbar sei. Ge-meinsam überlegten wir, wie Paul längerfristig musikalisch ge-fördert werden könnte. Ein Arbeitstreffen mit der damaligenKulturdezernentin Marlis Drevermann zum Thema musikalischeBildung in Hannover ebnete den Weg einer musikalischen För-derung von Paul. Der Staffelstab ging an die Städtische Musik-schule und dort war das Projekt Musikpatenschaften der Bürger-stiftung Hannover bereits bekannt. Projektleiterin Sabine Hart-mann stellte die Kostenübernahme für den Unterricht an derMusikschule sicher, und von der Musikschule selbst erhielt Paulein Leihinstrument. Das neue Keyboard stand von November2011 bis zu seiner Schulentlassung im Sommer 2013 in seinerFörderschule. Danach durfte er es mit nach Hause nehmen, umweiter die Möglichkeit zum Üben zu haben.

In der SchuleWährend seiner Schulzeit kam Paul jeden Tag pünktlich um 7.30Uhr zur Schule. Die Konrektorin ließ ihn in den Raum, und sokonnte Paul bis zum Unterrichtsbeginn um 8.15 Uhr seine Stü-

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Ehrenamtliches Engagement macht’s möglichDas Projekt „Musikpatenschaften“ (MUPA)

der Bürgerstiftung Hannover

Das Projekt Musikpatenschaften, kurz MUPA, ist ein Bildungspro-

jekt im Bereich Musik. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen aus

Familien mit finanzieller Überlastung den Wunsch nach Instrumen-

talunterricht zu erfüllen. Denn jedes Kind soll unabhängig von sei-

ner sozialen Herkunft die Chance auf musikalische Förderung ha-

ben. Das Förderprojekt ist vor neun Jahren unter dem Dach der

Bürgerstiftung Hannover entstanden. Ein zehnköpfiges, ehrenamt-

lich wirkendes MUPA-Team arbeitet seitdem beständig daran, die-

se Aufgabe zum Wohle der Kinder und Jugendlichen zu lösen. Um

den Einstieg möglichst niederschwellig zu halten, vermittelt das

Team Musikpädagogen aus den wohnortnahen Musikschulen

oder aus dem Privatbereich. Den geförderten Jugendlichen wird

ein Instrument nach Wunsch als Leihgabe aus Privatbesitz zur

Verfügung gestellt. Die Finanzierung wird über Spenden zuguns-

ten von MUPA, teilweise über die Eigenleistung der Erziehungs -

berechtigten und die großartige Unterstützung der Bürgerstiftung

Hannover gesichert. Im Moment bekommen 100 Jugendliche aus

der gesamten Region Hannover wöchentlich geförderten Instru-

mentalunterricht. Der finanzielle Jahresbedarf dafür beträgt mo-

mentan ca. 65 000 Euro. Gern würde das Team noch weiteren Kin-

dern helfen. Allerdings fehlen dafür die nötigen finanziellen Mittel.

Es gäbe noch so viele Wünsche zu erfüllen!

Alle geförderten Kinder und Jugendliche werden von einem Team

begleitet, sodass viele Fragen und Probleme auf kurzem, sehr

persönlichem Wege geklärt werden können.

Um das Erlernte auch in Gemeinschaft erleben zu dürfen, wurde

2013 ein MUPA-Orchester gegründet, das sich bei allen Beteilig-

ten großer Beliebtheit erfreut. Auftritte gibt es zu größeren und

kleinen Anlässen, und jedes Mal ist die Freude groß bei Musikan-

ten und Zuhörern gleichermaßen.

Sabine Hartmann (Projektleiterin der MUPA)

2013 wurde ein MUPA-Orchester gegründet.Unterstützt werden die jungen MusikerInnen

von Musikpaten (rechts).

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cke und Fingerübungen am Keyboard trainieren. Das regelmä-ßige, morgendliche Üben half Paul, sich besser auf den allge-meinen Unterricht zu konzentrieren. Er sprach Mitschüler an,ob sie nicht mit ihm zusammen Musik machen wollten. EineSchulband wurde gegründet. Im Rahmen eines AG-Angebots übernahm ich die Betreuungder Schülerband. Ein bis dato ungenutztes Schlagzeug der Schu-le wurde durch einen Schüler einer Nachbarschule wieder zumLeben erweckt. Zweimal in der Woche übten diese beiden Schü-ler gemeinsam in den großen Pausen. Weitere Schüler wurdenmotiviert, in der Band mitzuspielen. So wurden Pauls Stücke aufdem Schlagzeug und auf Kongas, mit Claves und Rhythmusin-strumenten begleitet. Für Paul und seine Mitschüler war dieSchulband-AG am Mittwoch in der 6. Stunde das Highlight derWoche. Auch wenn seine Haare immer noch wild vom Kopf abstanden,erzählte Paul kaum noch von der Üstra, stattdessen von den vie-len Musikstücken, die er mit seinem Lehrer Michael K.* an derMusikschule ausprobiert, geübt und aufgenommen hatte unddie alle zu Gehör gebracht werden mussten. Seine Mitschülerbewunderten ihn dafür. Diese positive Rückmeldung war fürPaul so wichtig wie die Musik selbst. Bei seiner Schulentlassungsfeier im Sommer 2013 trat Paul alsSolist am Keyboard auf mit zwei eigenen Stücken und gemein-sam mit der Schulband. Danach griff er zum Mikrofon und hieltvor seinen Mitschülern, den anwesenden Eltern und allen Lehr-kräften eine kleine Rede. Er bedankte sich bei den Musikpatenund bei mir, dass er die Chance bekommen hatte, nicht nur Mu-sik zu machen, sondern auch Unterricht zu bekommen, denndas hätte seine Rettung bedeutet. Er wünschte allen, dass siediese Erfahrung mit Musik auch machen könnten.

In der städtischen MusikschuleSo zuverlässig, wie er morgens zum Üben in die Schule gekom-men war, so regelmäßig geht er in den vergangenen drei Jahrenbis heute (Frühling 2016) zum Keyboardunterricht in die städ-tische Musikschule. Sein Lehrer, Michael K., war und ist einGlücks fall für Paul. Er hat genau die richtige Art, um Paul zufördern und auch zu fordern, ihn einfach spielen und kom -

ponie ren zu lassen, aber ihm ebenso Grenzen und Regeln abzu-verlangen. Mittlerweile ist Paul volljährig, hat seine Berufsschulpflicht er-füllt und könnte einer regelmäßigen Tätigkeit nachgehen. Diestut er nach Auskunft seines Lehrers leider nicht. Paul lebt vonHartz IV, und wenn das Geld nicht reichen würde, könnte er jaals Straßenmusiker etwas dazu verdienen. Pauls Leben läuft,trotz seiner Musik (!), nicht in geregelten Bahnen. Er schläftnicht immer zu Hause, kommt öfter ungepflegt, aber zumindestregelmäßig in den Keyboardunterricht der Musikschule. Wenner fehlt, kann er sich nicht abmelden, weil das Geld für einHandy oder einen Telefonanschluss nicht reicht. Aber Paul fehltso gut wie nie! Manchmal bringt er nach vorheriger Abspracheeine Freundin mit, der spielt er dann im Unterricht seine Kom-positionen vor. Und so muss auf Nachfrage, ob sich Paul dennmusikalisch weiterentwickelt habe, sein Lehrer feststellen, dassPaul nur im Unterricht mit allen Fingern spielt, sonst spielt erweiter rechts und links jeweils mit dem Daumen und zwei Fin-gern. Trotzdem könne man Fortschritte feststellen, so hätte Paulihm vor Kurzem eine Eigenkomposition im blitzsauberen Es-Dur auf dem Keyboard vorgespielt. Betrachtet man Pauls persönliche Entwicklung seit seiner Schul-entlassung, so ist vieles nicht so gelaufen, wie man es sich fürPaul gewünscht hätte. Aber, die zentrale Bedeutung der Musikfür sein Leben ist geblieben.So ist der wöchentliche Keyboardunterricht bei seinem Lehrer,der ihn erwartet, ihn mit seiner Musik ernst nimmt, mit ihm re-det und ihm Regeln setzt, wahrscheinlich der einzige feste Ter-min in der Woche. Für Paul bleiben die Musik, der Musikunter-richt bei seinem Lehrer und die großzügige finanzielle Unter-stützung durch das Projekt „MUPA“ der Bürgerstiftung Hanno-ver ein Segen und ein Anker in seinem Alltag.

* Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

Annli Nordt ist Lehrerin an einer Förderschule mit Schwerpunkt Lernen, Pauls

ehemalige Musiklehrerin und seine Musikpatin im Rahmen des Projekts MUPA der

Bürgerstiftung Hannover.

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Musizieren bedeutet stets kulturelle Teilhabe, und wenn es zu-sammen mit anderen geschieht, auch im hohen Maße sozialeTeilhabe. Die soziale Verantwortung des Musikwesens hinsicht-lich der Zielgruppe älterer und alter Menschen besteht folglichin erster Linie darin zu ermöglichen, dass alle an der Musik teil-haben und musikalisch noch etwas lernen können. Niemandsollte etwa aufgrund des Alters oder prekärer Lebenslagen vomgesellschaftlichen Leben ausgeschlossen bleiben müssen. Damitwürde das Musikwesen einer wichtigen gesellschaftlichen Ver-pflichtung nachkommen: „Mit dem Bild einer human orientier-ten Gesellschaft verbindet sich die Überzeugung, dass die Erfah-rung mit Musik um ihrer selbst willen als elementarer Bestand-teil in jedem Lebensalter ermöglicht werden muss“, betont derDeutsche Musikrat 2007 in seiner Wiesbadener Erklärung. „Umihrer selbst willen“ bedeutet, dass es dabei um die Eigenstän-digkeit und den Eigenwert kultureller Teilhabe und Bildung gehtund damit nicht in erster Linie um (messbare) außermusikali-sche Transfereffekte.

Musizieren im AlterMusik durchdringt glücklicherweise mehr und mehr unsere alternde Gesellschaft (vgl. Hartogh/Wickel 2008). Sie hält zu-nehmend Einzug in Seniorenheime. Aus der Betreuung etwa

auch pflegebedürftiger und demenziell erkrankter Menschensind musikalische Angebote nicht mehr wegzudenken, denn die„kognitiven Beeinträchtigungen der Demenz haben keinenmaßgeblichen Einfluss auf kulturelle Interessen und Bedürfnisse,die biografisch gewachsen und im Leibgedächtnis verankertsind“ (Hartogh 2015, S. 79). Einrichtungen wie Mehrgenera-tionenhäuser gewinnen ihre „Identität“ als generationenüber-greifende Institutionen erst durch Kulturangebote, die die Gene-rationen auf unverkrampfte und natürliche Weise in Kontaktbringen (vgl. Höppner 2008, S. 300). Kommunen kümmernsich immer mehr um die Sicherstellung kultureller Partizipationder Bürger, Maßnahmen reichen bis auf die Quartiersebene hi-nab. Altenbegegnungsstätten „leben“ von kulturellen Angeboten.Öffentliche wie private Kunst- und Musikschulen entwickelnzunehmend Angebote für Menschen im dritten und teilweisevierten Lebensalter. Die Potsdamer Erklärung des Verbandes deut-scher Musikschulen von 2014 weist explizit darauf hin, dassauch Senioren als Zielgruppe mit jeweils spezifischen Bedürfnis-sen wahrzunehmen sind, und die Musikschulen bekennen sichin einem weiten inklusiven Verständnis mittlerweile auch zu ei-ner Kultur der Bring-Struktur, um etwa immobile oder auch de-menziell erkrankte Senioren zu erreichen.

Dabei sein ist allesLebensqualität im Alter durch musikalische Teilhabe Hans Hermann Wickel

Lebensqualität in einer alternden Gesellschaft ist nicht nurdurch funktionierende Versorgungs- und Pflegestrukturen zusichern, sondern wird wesentlich durch die Möglichkeit zursozialen und kulturellen Partizipation gewährleistet. Geradein einer Gesellschaft, in der gesundheitliche und präventiveAspekte überwiegend aus der medizinischen bzw. körperlichenPerspektive dominiert werden, erscheint der verstärkte Fokusauf psychosoziale Bedürfnisse längst überfällig für die Siche-rung von Sinnfindung und Lebenszufriedenheit im Alter.

Seniorenchöre wie die „RockendenSenioren“ des Chorvereins

B-Note e.V. erfreuen sich großer Beliebtheit im Musikleben.

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Die stark wachsende Zahl von Seniorenchören, Seniorenorches-tern und Seniorenbands benötigt kompetentes Managementund fachkundige Leitung. Auch die Kirchen verstehen sich alsTräger musikalischer Angebote für ältere Menschen, zumal die„klassischen“ Kirchenchöre aufgrund ihrer Überalterung im-mer mehr zu „Seniorenchören“ mutieren. Musikverbände orga-nisieren Angebote und Weiterbildungen zu dem Aspekt „Musikim Alter“, beispielsweise der Deutsche Musikrat und die Landes-musikräte mit Fachtagen, oder aktuell die Bundesvereinigungdeutscher Orchesterverbände mit der Organisation des Orches-tertreffens 60+ und der Deutsche Chorverband mit Weiterbil-dungen zur Seniorenchorleitung. Landesmusikakademien bauenverstärkt ihr Bildungs- und Musizierangebot für Ältere aus, undes werden spezielle Musikakademien für Ältere gegründet. Mu-siziert wird dabei altersgruppenhomogen oder auch generatio-nenübergreifend.

Neue StrukturenGleichzeitig zeigt sich, dass sich die kulturellen Bedürfnisse älte-rer Menschen in den vergangenen Jahren stark gewandelt ha-ben. Wie das „Kulturbarometer 50+“ (vgl. Keuchel & Wiesand2008) aufzeigt, sind Klassische Konzerte, Oper und Theater fürdie „neue“ Generation 60plus keine eindeutigen Orientierungs-

punkte mehr. Aufgrund der heterogenen Kultur- und Lebenser-fahrungen diversifizieren sich die Musikbedürfnisse der nach-folgenden älteren Generationen zunehmend. Es wird erforder-lich, sich hierfür offen zu zeigen und zielgenaue Angebote undgleichzeitig neue Strukturen der musikalischen Teilhabe zu ent-wickeln. Darüber hinaus muss der Zugang zu musikalischen An-geboten für all jene verbessert werden, denen aufgrund desWohnorts, des Gesundheitszustands oder mangelnder sozialerKontakte der unmittelbare Weg zu Kulturerfahrungen und be-sonders zum musikalischen Erleben und Teilhaben versperrt ist.Eine Zusammenarbeit u. a. mit Quartiersarbeitern, mit Institu-tionen der sozialen (Alten-)Arbeit bzw. der Altenhilfe und auchder Pflege bietet sich hier an. Es ist auch zu bedenken, dass inder Regel für die über eine Million Mitbürgerinnen und -bür-ger, die im Alter eine Grundsicherung beziehen müssen, die An-schaffung eines Instruments und der Unterricht an einer Musik-schule unerschwinglich ist.

Barrieren überwindenWährend das „junge Alter“ bzw. „dritte Lebensalter“ geprägt istvon Aktivität und Selbstverwirklichung, ist das „alte Alter“ bzw.„vierte Lebensalter“ eher gekennzeichnet von stärkerem Rück-zug, körperlichen Beeinträchtigungen bis hin zu Pflegebedarf.

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Musikalische Bedürfnisse hängen sehr stark ab von lebensge-schichtlichen Erfahrungen, von musikalischer Sozialisation undErziehung in Kindheit und Jugend, von der Schichtenzugehö-rigkeit („Bildungsnähe“ versus „Bildungsferne“), der regiona-len Herkunft (wichtiger Aspekt: Zuwanderungsgeschichte), von(auch politischen) Einstellungen, der finanziellen Situation undauch von konfessionellen Zugehörigkeiten. Für die Musikgeragogik ergeben sich vor diesem Hintergrundzentrale praxisrelevante Forschungsfragen zu altersgemäßen An-eignungs- und Vermittlungsformen von Musik, zu der biografi-schen Bedeutung musikalischer Erlebnisse im Alter und zum Be-darf an kulturellen Infrastrukturen, die für alte Menschen bar-rierefrei (im umfassenden Sinne) erreichbar sind. Um die ge-nannten Hürden überwinden und um entsprechende Angeboteentwickeln und umsetzen zu können, bedarf es spezifischer mu-sikgeragogischer Kompetenzen der musikanbietenden und -ver -mittelnden Personen. Diese sind u. a. von den Musikhochschulendurch eine Erweiterung ihrer Curricula um musikgeragogischeThemen sicherzustellen, indem sie ihre Absolventinnen und Ab-solventen für diese durchaus auch musikalisch spannenden He-rausforderungen einer alternden Gesellschaft qualifizieren.

Soziale VerantwortungÄltere Menschen werden derzeit von der Gesellschaft und Poli-tik nachdrücklich in die soziale Verantwortung mit einbezogen,indem ein stark an ökonomischen Vorstellungen orientiertes Bildvom produktiven Altern propagiert wird, das dem Älteren fast

schon ein schlechtes Gewissen einredet, wenn er sich auf seinealten Tage nicht noch irgendwie der Gesellschaft dienlich erweist.Die Musikgeragogik stellt dem ein eher autoproduktives Alters-bild entgegen. Darin darf sich der autoproduktive Mensch durch -aus Selbstzweck sein, indem er nämlich selbstbestimmt kultu-rellen Aktivitäten nachgeht. Diese sind eben nicht primär daraufangelegt, einen unmittelbar messbaren und nachhaltigen Nutzenfür die Gesellschaft zu erbringen, also heteroproduktiv zu sein(vgl. Amann et al. 2010). Gleichwohl muss sich das natürlichnicht ausschließen: Erfülltes Musizieren und andere daran teil-haben lassen – zum Beispiel wenn ein Seniorenensemble in einerAlteneinrichtung auftritt – bedeutet Auto- und Heteroprodukti-vität in gleichem Maße mit vielen synergetischen Effekten.Undes ergibt sich eine bereichernde Win-win-Situation dergestalt, dasses für die einen eine erfüllende und sinngebende Tätigkeit ist undfür die anderen musikalische Teilhabe in einer Lebenssituation,die es ihnen nicht mehr ermöglicht, in eine öffentliche Musik-veranstaltung zu gehen. Musikalische Teilhabe ist in gewissemSinne auch im ehrenamtlichen Engagement möglich, ohne unbe -dingt selbst zu musizieren, denn Ältere können sich auch enga-gieren, indem sie beispielsweise als Funktionsträger Musikschu-len, Ensembles, Chöre oder Musikverbände unterstützen. Sieprofitieren dabei von der spannenden unmittelbaren Nähe zuden Musizierenden und bringen sich gleichzeitig gesellschaft-lich ein, vor allem auch zum Nutzen der jüngeren Generation.

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ErmöglichungsdidaktikDer nunmehr schon mehrfach angeklungene Begriff „ermögli-chen“ weist noch einmal deutlich auf die Disziplin der Gerago-gik als Wissenschaft vom Lernen und von der Bildung im Alterund konkret der Musikgeragogik als Wissenschaft vom musika-lischen Lernen und von der musikalischen Bildung im Alter hin,die sich als spezielle „Ermöglichungsdidaktik“ versteht. Auchder ältere Mensch befindet sich durchaus noch in einem Ent-wicklungsprozess – der Entwicklungsbegriff wird heute auf diegesamte Lebensspanne bezogen –, keinesfalls aber mehr in einem Erziehungsprozess. Wenn auch die fluide Intelligenz imAlter allmählich nachlässt, etwa die Verarbeitungsgeschwindig-keit neuer Informationen, basiert die lebenslange Entwicklungs-fähigkeit nicht zuletzt auf der Plastizität des alternden Gehirns.Auch im Alter und selbst bei Demenz können wir noch musika-lisch lernen und uns weiterentwickeln – nur eben anders als infrüheren Jahren. Der ältere Mensch muss musikalisch nichts mehrlernen, er kann aber noch Neues erlernen und möchte das auchin sehr vielen Fällen. Die Leitung fungiert in diesem Prozess eherals Vermittler, als Lernberater, Prozessbegleiter und Unterstützer,aber keinesfalls als „Späterzieher“. Es geht um „die Begleitungund Moderation von Selbstbildungsprozessen, die an der ästhe-tischen Einstellung des Bildungssubjekts ansetzen“ (Hartogh2005, S. 72 f.) und darum, die musikalische Selbstwirksamkeitälterer Musizierender zu fördern und der musikalischen Teilhabeden Weg zu ebnen durch kluge Lern- und geschickt gestalteteMusiziersettings, die an die Bedürfnisse und Bedingungen des

Älter-Werdens und Alt-Seins angepasst sind. Und es geht darum,den älteren Menschen zu einem musikalischen Aufbruch, zumWiederaufnehmen musikalischer Aktivitäten oder einfach zumWeitermusizieren zu ermutigen (vgl. Wickel 2013).

Amann, Anton, Ehgartner, Günther & Felder, David: Sozialprodukt des Alters. Über

Produktivitätswahn, Alter und Lebensqualität, Köln/Wien 2010

Hartogh, Theo: Musikgeragogik – ein bildungstheoretischer Entwurf. Musikalische

Altenbildung im Schnittfeld von Musikpädagogik und Geragogik, Augsburg 2005

Hartogh, Theo & Wickel, Hans Hermann: Musizieren im Alter. Arbeitsfelder und

Methoden, Mainz 2008

Höppner, Christian: „Musikpolitische Aspekte der alternden Gesellschaft: Per-

spektiven des Deutschen Musikrats“, in: Heiner Gembris (Hg.): Musik im Alter,

Frankfurt/Main u. a. 2008, S. 299-303

Keuchel, Susanne & Wiesand, Andreas Johannes: KulturBarometer 50+. Zwischen

Bach und Blues, Bonn 2008

Wickel, Hans Hermann: Musik kennt kein Alter. Mit Musik alt werden: Ein Mutma-

cher, Stuttgart 2013

Hans Hermann Wickel lehrt an der Fachhochschule Münster das Fach „Musik in

der Sozialen Arbeit“ und leitet die Weiterbildungen Musikgeragogik und Kultur -

geragogik sowie den Masterstudiengang Kulturgeragogik (in Planung). Er ist erster

Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Musikgeragogik.

Öffentliche Musikschulen bieten inzwischen auch Senioren Instru-mentalunterricht an – oder manfindet sich im Verein zusammen.

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Ein Tageshonorar von 120 Euro bis 160 Euro – auch fürSpitzenmusiker in der Alten Musik ist das absolut normal. Diebesten Tagesgagen liegen zurzeit bei ungefähr 200 Euro – im-mer plus Reise und Hotel, aber inklusive Spesen. Nur ganz we-nige Musiker, die besonders anspruchsvolle Soli spielen, liegenmit ihren Gagen darüber.

Diese Zahlen werden bestätigt von der Statistik der Künstler -so zialkasse (KSK). So liegt das Jahreseinkommen für Instrumen-talsolisten und Orchestermusiker in der Ernsten Musik bei9 500 Euro bis 13 500 Euro. Das bedeutet ein Monatseinkom-men von knapp 900 Euro bis gut 1 100 Euro. Laut KSK verdie-nen nur die Chorsänger in der Ernsten Musik noch weniger.Rein rechnerisch hat also ein Musiker pro Monat im Schnitt un-gefähr sieben bis acht Tage bezahlt zu spielen. Das sieht nachwenig aus, ist aber realistisch, rechnet man die Ferien und dieeigene Vorbereitung mit ein.

Wenn man die voraussichtliche Rente berechnet, muss man be-rücksichtigen, dass kaum ein Musiker auf mehr als 35 Jahre Ein-zahlung kommen kann. Die akademische Ausbildung dauert:Musiker in der Alten Musik haben üblicherweise zuerst ein mo-dernes Instrument studiert, um sich danach zu spezialisieren.Also wird das Studium kaum vor Ende 20 abgeschlossen sein.Und ob ein Musiker bis zum Rentenalter von 65, 67 oder 70Jahren spielen kann, will oder darf, wird die Zeit zeigen.Zurzeit liegt die Rente bei ungefähr 40 Prozent des letzten Ein-kommens. Die Rente wird bei diesen Einkommen zwischen 350und 450 Euro liegen. Dann wird Altersarmut wohl leider zumNormalfall.

Ohne Nebenbeschäftigungen geht es nichtIch selbst habe das Glück, seit den Anfängen der Alte-Musik-Be-wegung, also gut 40 Jahre, in dieser Szene wirken zu können.Ende der 70er Jahre lag das Tageshonorar bei den Ensembles, die

Traurige WAHRHEITAlte Musik in der Altersarmut Friedemann Immer

Ein Konzert in einem Saal im Bankenviertel der Frankfurter Innenstadt. Das Orchesterspielt auf historischen Instrumenten Bach, kein Schulorchester, kein Laienorchesteraus einem Frankfurter Vorort, nein: Jeder Musiker hat ein langjähriges Studium absol-viert, oft im Ausland. Das Orchester hat viele CDs aufgenommen und auf unzähligenFestivals in aller Welt konzertiert. Jeder der Musiker verdient an diesem Tag 130 Euro,der Tagessatz, den es für Proben- und Konzerttage gibt. Im Publikum sitzen viele Top-Banker, etliche von ihnen mit Jahresgehältern von über einer Million Euro. Weiß dasPublikum, die Gesellschaft, wie viel diese Musiker verdienen?

Altersarmut von Berufsmusikern –die Interpreten der historischen

Aufführungspraxis sind besonders betroffen.

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damals auf Period Instruments spielten, bei 300 bis 425 DM.Man kann dies nicht einfach in Euro umrechnen, die Kaufkraft-entwicklung spielt da eine entscheidende Rolle. Das statistischeJahrbuch sagt uns, wie die Gehaltsentwicklung im öffentlichenDienst seit 1975 aussieht. Legt man diese Entwicklung zugrun-de, müsste der Tagessatz heute bei 490 Euro liegen. Die Musikerder Freien Szene, also auch die der Alten Musik, kämpfen heutemit der Deutschen Orchestervereinigung für eine Tagesgage von150 Euro – diese Zahlen sprechen für sich.Noch deutlicher sieht es bei der Rente aus: Bei durchschnittlichacht Tagen bezahlter Arbeit pro Monat – Üben, Reisen, Schreib-tischarbeit nicht mitgerechnet – lag das Durchschnittseinkom-men vor 40 Jahren bei 2 400 DM (1 225 Euro). Die Rente, da-mals noch 70 Prozent des letzten Gehalts, betrug also etwa1 680 DM (860 Euro). Rechnet man die Gehaltsentwicklung imöffentlichen Dienst mit ein, läge das Einkommen heute bei3 920 Euro im Monat. So könnte die Rente heute – selbst bei ei-nem Satz von 40 Prozent – bei 1 568 Euro liegen.Von den heute üblichen Honoraren kann man eigentlich nichtleben, von der Rente schon gar nicht. Jeder Musiker geht des-halb noch anderen Beschäftigungen nach. Naheliegend ist na-türlich die Unterrichtstätigkeit. Bei dem Niveau, das die Musi-ker in der Alten Musik inzwischen haben, denkt man dabei zu-erst an die Hochschulen. Leider ist die Anzahl der Professurenim Bereich der Alten Musik an den deutschen Musikhochschu-len nicht gerade hoch, einige Professoren unterrichten in hal-bem Deputat. Die meisten Lehrenden im Bereich der Alten Mu-sik sind im Lehrauftrag tätig. Über das Modell Lehrauftrag könnte man einen eigenen Artikelverfassen. Mit einem Lehrauftrag darf man in einem Bundeslandnur maximal acht bis zehn Stunden pro Woche unterrichten,bekommt alle halbe Jahre einen neuen Auftrag, aber keinen Ver-trag. Der Verdienst liegt bei dem Bruchteil eines Professorenge-halts, maximal bei etwas über 1 000 Euro pro Monat. Wir habenalso finanziell gesehen eine ähnliche Situation wie in der FreienMusik. Die Summe beider Einkommen macht immer noch keingutes Einkommen, die Rente liegt unter der Armutsgrenze. Anden Musikschulen ist es ähnlich oder schlimmer. Man kannzwar mehr Stunden unterrichten, die Bezahlung ist dabei aberschlechter.Es gibt scheinbar Auswege aus dieser Misere: Manche Kollegin-nen und Kollegen haben mehrere Lehraufträge in verschiedenenBundesländern. Das bedeutet reisen, viel reisen. Zu Hause fühltman sich dann an keiner Arbeitsstätte.

Schlechte Altersversorgung ist bittere RealitätEine andere Möglichkeit ist, mehr zu spielen, wenn das möglichist und es genug Angebote gibt. Man spielt in vielen verschiede-nen Formationen und Orchestern, reist durch die Welt, machtviele Aufnahmen und erlebt viel. Das Unterrichten wird dann

fast unmöglich. Kein Schüler oder Student mag es, wenn derProfessor nur gelegentlich vor Ort ist. Außerdem bleibt die Fra-ge, wie lange die Gesundheit solch ein Leben mitmacht – unddie Familie oder der Freundeskreis? Will man sein Leben langdieses Nomadenleben als fahrender Künstler führen, ohne dabeieine Aussicht auf einen halbwegs gesicherten Lebensabend zuhaben?Als ich vor 40 Jahren in der Alten Musik einer der ersten Frei -berufler war, machte sich noch niemand Gedanken über die Al-tersversorgung. Die Szene ist immer größer geworden. Heutegibt es sehr viele Musikerinnen und Musiker, die in der FreienSzene, auch und besonders in der Alten Musik, arbeiten und diejetzt langsam in die Rente kommen. Von allen Seiten hört manHorrorgeschichten über immer niedrigere Renten und Altersar-mut. Zum Abschluss ein Vorschlag: Man könnte doch ein Orchestermit dem schönen Namen „Ü 70 Barock“ oder in Neu-Deutsch„Old music from old people“ gründen, in dem die Alten arbei-ten und etwas dazuverdienen können. Leider ist das vielleichtschon bald kein Scherz mehr, sondern bittere Realität.

Friedemann Immer spezialisierte sich in den 1970er-Jahren auf das Spiel der Ba-

rocktrompete. Seit dieser Zeit spielt er mit den wichtigsten Barockorchestern welt-

weit – vom Collegium Aureum, dem Concentus Musicus Wien, Boston Baroque

und Freiburger Barockorchester bis zu seinem eigenen Trompeten Consort Friede-

mann Immer. Über 200 LP- und CD-Aufnahmen bezeugen sein musikalisches

Schaffen. Seit 32 Jahren unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der Hochschule

für Musik und Tanz Köln und an Hochschulen im Ausland. 1997 wurde ihm der Ti-

tel Honorar-Professor verliehen.

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SchieflageDer Beruf des Organisten und Kantors wird abgewirtschaftet Klaus-J. Rathjens

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Für Mitarbeiter wie Kirchenmusiker heißt das: akzeptierenoder verzichten. Und immer mehr – gerade junge – Musikerverzichten auf den Beruf des Organisten und Kantors, einemder ältesten der Kulturgeschichte, weil das Niveau der Vergütungmittlerweile unakzeptabel ist. Und da schon die Vollstelle einesOrganisten schlecht bezahlt ist, sinkt sein Verdienst auf Hartz-IV-Qualität, wenn ihm davon nur 40 Prozent vergütet wird. Das istdurchaus üblich, da den Gemeinden die Mitglieder weglaufenund Kirchensteuern ausbleiben.Unter allen Berufskollegen gehören Kirchenmusiker zu denen,die am schlechtesten bezahlt werden. Im Gegensatz dazu müs-sen sie einen der umfangreichsten Studiengänge bewältigen, jazuvor noch eine Aufnahmeprüfung, die nur bestehen kann, wermindestens zwölf Jahre lang einen intensiven Privatunterrichtabsolviert hat.Kirchen nutzen ihre arbeitsrechtlichen Privilegien rücksichtslosaus. Es gehören aber – wie immer – zwei Parteien zu diesemElend, denn Kirchenmusiker sind Einzelgänger. Sie sind nur we-nig interessiert an ihren Berufsverbänden oder an kollegialer So-lidarität.Zur Geringschätzung des Berufs des Kantors, des Organisten,des Musikerziehers in den Gemeinden gesellt sich die Gering-schätzung kirchenmusikalischer Literatur. Statt Bach und Regerbegleiten immer häufiger sakraler Pop und Gospelmusik dieGottesdienste. Also zwei Genres, für die klassisch geschulte Kir-chenmusiker nicht ausgebildet wurden und für die sie eigent-lich auch nicht gebraucht werden.Sie engagierten sich einst für Bildungsbürger, die in den Kir-chenbänken saßen oder auf der Empore im Chor sangen. Dochmittlerweile finden sich dort mehrheitlich Gemeindemitgliederder altgewordenen 68er-Generation, denen Bob Dylan näher istals Paul Gerhardt, die mehr auf E-Gitarre als auf Posaunen ste-hen. Zudem werben Pfarrer und Pastoren um die Jugend liebermit religiös variierter Popular-Musik als mit lateinischem Ge-sang.Auch an dieser Seite ihres Niedergangs tragen die Kirchenmusi-ker selbst Mitschuld. Viel zu lange hielten sie am althergebrach-ten Repertoire fest und viel zu selten bemühten sie sich, moder-ne und vitalisierende Elemente zu integrieren. Es entstand da-

durch eine Lücke von 100 Jahren, weil die moderne Klassik des20. Jahrhunderts in der gelebten Kirchenmusik kaum Nachhallfand.Wie wird es nun weitergehen? Kleinere Gemeinden, insbeson-dere in ländlichen Gebieten, werden sich qualifizierte Musikernicht mehr leisten können. Und wo Laien den Gottesdienst mu-sikalisch betreuen, werden sie wohl eher die sakrale Popmusikund den Gospel pflegen. Mancherorts dürften sogar CDs einegelebte Kirchenmusik komplett ersetzen. Zu retten sein wird siein gutsituierten Pfarrgemeinden, vielleicht auch nur in ausge-wählten Kirchen der Stadtzentren.Möge das Bundesverfassungsgericht helfen, Konsistorien undOrdinariaten ins Stammbuch zu schreiben, dass sie ihr arbeits-rechtliches Privileg missbraucht haben, einen Berufsstand undseine Expertise abzuwirtschaften – und das auf dem ureigenen,kirchlichen Feld der Pflege religiöser Kultur.So wichtig es sein mag, dass sich Bischöfe und Synoden auschristlicher Sicht zu allerlei gesellschaftlichen Problemen äu-ßern, so sehr wäre es fällig, nun einmal in eigener Sache eineselbstkritische Stellungnahme vorzubereiten: zur Zukunft derKirchenmusik und ihrer Protagonisten.

Mit freundlicher Genehmigung von Deutschlandradio Kultur. Der Artikel erschien

am 20. März 2015 im Politischen Feuilleton.

Klaus-J. Rathjens studierte Kirchenmusik, arbeitete danach als Leiter der Schau-

spielmusik und später als Kapellmeister. Nebenbei engagierte er sich schon früh

im Bereich der Rockmusik und setzt sich seitdem auch für den Crossover-Gedan-

ken ein. Daneben ist er als freier Autor für Deutschlandradio Kultur tätig.

Vielleicht wird ja das Bundesverfassungsgericht den Kir-chenmusikern helfen. Es will im Laufe des Jahres über dasnicht vorhandene Streikrecht der Beschäftigten in kirch -lichen Diensten urteilen. Noch genießen die Kirchen einenarbeitsrechtlichen Sonderstatus. Sie legen die Gehälter – ori-entiert am öffentlichen Dienst – einseitig fest. An Tarifver-handlungen mit Gewerkschaften sind sie ebenso wenig ge-bunden, wie sie Arbeitsniederlegungen fürchten müssen.

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Bereits während des 2. Weltkriegs entwickelte sich eine eige-ne Industrie, die speziell Musik für die Beschallung von Fabrik-räumen und Büroarbeitsplätzen produzierte. Studien dieser Zeitzeigen eine Steigerung der Produktivität durch Hintergrund -musik, vor allem bei einfachen manuellen Tätigkeiten. Untersu-chungen zu den Wirkungen von Hintergrundmusik aus unter-schiedlichen Jahrzehnten manifestieren unterschiedliche Aussa-

gen. Studien aus den früheren Jahrzehnten weisen zum Großteileine Wirksamkeit der Hintergrundmusik nach. Jene aus jüngererZeit konnten keine oder keine eindeutige Wirkung feststellen.Die Ursache beschreiben viele Autoren als Habitualisierung.Wenn sich die Gewöhnung an bzw. die Abstumpfung gegen-über Musik im Hintergrund verstärkt, stellt sich die Frage, obdieses Phänomen ebenfalls auf Bereiche zutrifft, in denen dieMusik im Vordergrund steht? Infolge des umfangreichen Musik-angebots haben wir gelernt, Musik nicht in jeder Situation anuns heranzulassen. Es würde uns überfordern, sie jedes Mal in-tensiv zu erleben.1

Viele Studien weisen keine Musikeffekte nach. Erwachsene ent-wickeln im Laufe ihres Lebens einen „Filter“, der sie vor Reiz-überflutung schützt. Doch wie gehen Kinder mit dem Über -angebot von Musik um? Sie hören in vielen Situationen und Ak-tivitäten Hintergrundmusik. Mit ihrer Entwicklung erwerben sieVerständnis für Metrum, Rhythmus und Tonalität sowie über dieBeziehung zwischen musikalischer Form und Emotion. Naomi

Die Inflation der MusikMusik als Geräuschkulisse oder als Ausdruckkultureller Vielfalt? Daniel Stemberg

Wer sich in unserer Gesellschaft musikalisch bilden möchte,muss sich auf fehlenden Musikunterricht an Regelschulenund lange Wartelisten an Musikschulen einstellen. Dabei gibtes vor der Musik im Alltag kein Entkommen. Manche Men-schen hören heute während ihrer Wachzeit bis zu 60 ProzentMusik, die sie sich in vielen Fällen gar nicht ausgesucht ha-ben. Im Kaufhaus, im Restaurant, beim Friseur oder in derTelefonwarteschleife erklingt Musik, vor der wir uns nichtverschließen können.

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Ziv und Maya Goshen spielten fünf- bis sechsjährigen Kinderneine Geschichte mit „glücklicher“, „trauriger“ oder gar keinerHintergrundmusik vor. Die Hintergrundmusik beeinflusste diekindliche Interpretation stark. „Glückliche“ Hintergrundmusikführte zu einer positiven Interpretation der Geschichte, wäh-rend „traurige“ zu einer negativen führte. Der Effekt von„glücklicher“ war stärker als der von „trauriger“ Musik.2 Leiderverflüchtigt sich die Offenohrigkeit von Kindern bereits imGrundschulalter.

Von der Notwendigkeit der Musikvermittlung in Schulen Jüngere Kinder beurteilen klassische, ethnische Musik und zeit-genössische Kunstmusik positiv. Im Laufe der Grundschulzeitnimmt die Beliebtheit von Popmusik langsam zu. Zugleich ver-schwindet der Gefallen an anderer Musik spätestens in der Pu-bertät.3

Bei Jugendlichen erhält Musik dann häufig nur noch die Funk -tion eines Accessoires. Hörweisen, die durch Zuwendung zurMusik gekennzeichnet sind, sind eher rückläufig.4

Genreübergreifendes Musikinteresse ist bei allen Kindern vor-handen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Es liegt oftnur in den Händen der Bildungseinrichtungen, die bestehendeNeugier mit einem umfangreichen musikalischen Angebot viel-fältiger Genres zu erhalten und zu entwickeln. Aber was mussgetan werden, damit die musikalische Erfahrungsbreite nichtverkümmert? Wie steht es um die musikalische Bildung inDeutschland? Sie liegt in manchen Bundesländern unter 100 Prozent. Umdieses Problem zu lösen, kamen die Kultusministerien auf diefatale Idee, Kontingentstundentafeln einzuführen, sodass beidem von vornherein einkalkulierten Unterrichtsausfall zumin-dest die Hauptfächer, wenn auch in großen Klassen, regelmäßigstattfinden können. Für die sogenannten Nebenfächer gibt eshäufig keine rechtliche Basis für kontinuierlich gesicherten Un-terricht. Deswegen sind besonders die ästhetischen Fächer vonAusfällen und unregelmäßiger Verteilung betroffen. Zum ande-ren fällt in Grundschulen bis zu 80 Prozent des Musikunter-richts aus, weil es kaum noch ausgebildete Musiklehrer für die-se vielleicht wichtigste Schulstufe gibt. Denn sind die Fächer Musik, Kunst und Sport für die Persön-lichkeitsentwicklung nicht genauso bedeutsam wie die Spra-chen und Naturwissenschaften? Nach David Huron ist Musikein wirksames Mittel, um den Zusammenhalt innerhalb derGruppe, die persönliche Konfliktbewältigung, die motorische

Entwicklung und die generationsübergreifende Kommunikationzu verbessern.5 Sebastian Kirschner und Michael Tomasello for-dern regelmäßigen Musikunterricht, um Konzentrationsschwä-chen zu kompensieren und prosoziales Verhalten zu fördern.6

Franz Amrhein und Margret Bieker ergänzen, dass es keine Tä-tigkeit gibt, bei der die Fähigkeit der Wahrnehmung, der Bewe-gung, des Ausdrucks und der Kommunikation so beanspruchtwird wie bei einer musikalischen Tätigkeit.7 Doch in der inklu-siven Unterrichtsgestaltung finden diese Aussagen kaum Beach-tung: Schülerinnen und Schülern mit beispielsweise einer sozial-emotionalen Einschränkung steht oft nur für einzelne Stundeneine unterstützende Fachkraft zur Verfügung. Gesonderte Förde-rung wird hauptsächlich den Hauptfächern zugeteilt, sodassMusiklehrkräfte den individuellen Bedürfnissen der Lernendenalleine gerecht werden müssen. Eltern, die ihren Kindern außerhalb der Schule eine musikali-sche Ausbildung ermöglichen möchten, müssen sich auf einenvon 100 000 Warteplätzen an den kommunalen Musikschuleneinstellen. Durch die Einsparungen im Kultursektor, wie aktuellin Thüringen, spüren neben musikalischen Bildungseinrichtun-gen auch die Orchester, welcher Stellenwert Musik als kulturel-les Gut in Deutschland beigemessen wird. Fusionen von Or-chestern, Streichung oder Befristung von Stellen sind die Fol-gen. Die Orchester haben die vielfältigen Herausforderungenangenommen. Sie versuchen mit Probenbesuchen und Konzer-ten für Kinder und Jugendliche den hohen Altersdurchschnittbei klassischen Konzerten zu senken. Dies sind nur wenige vonvielen Maßnahmen, die Verantwortliche in die Wege leiten, umden Musikbetrieb in seinen zahlreichen Facetten so zu gestalten,dass er Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissenwahrnimmt und mitnimmt. Dennoch können vereinzelte Pro-jekte keine kontinuierliche musikalische Bildung in Kindergär-ten, Schulen und Musikschulen ersetzen.

Musikalische Bildung für alle KinderMusikalische Bildung hat die Aufgabe zu vermitteln, was Musikist und inwieweit sie das eigene Leben bereichern kann – unddas ohne soziale Einschränkung.8 Dabei ist es, unabhängig vonder Begabung eines Kindes, wichtig, dass jedem die Möglichkeitgegeben wird, eine unmittelbare Beziehung zur Vielfalt der Mu-sik zu entwickeln und die Freiheit zu haben, sich spontan undemotional durch Musik selbst auszudrücken. Voraussetzung fürdiese Form der Vermittlung ist zunächst die Lösung des kultu-rellen Teilhabeproblems. Darüber hinaus muss sich der kulturel-le Dialog mehr als bisher an der ästhetischen Pluralität der Ge-

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Daniel Stemberg studierte Schulmusik an der Hochschule für Musik, Theater und

Medien Hannover und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Implementierung

und Evaluierung des Projekts „Inklusion in der Musiklehrerausbildung“ an der Mu-

sikhochschule Lübeck.

30 fokus

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sellschaft orientieren, um der Nivellierung der Musik entgegen-zuwirken. In diesem Prozess ist es überaus wichtig, Brücken zuanderen Kulturen zu schlagen, fremdländische Musik in vielenFacetten kennenzulernen und sich in diesem Prozess auf die ei-gene Identität und die eigenen Wurzeln zu besinnen. Mit Sorge ist deswegen zu beobachten, dass sich die bewussteWahrnehmung musikalisch-medialer Produkte immer stärkerreduziert, was eine Eliminierung der im Erziehungsprozess soeminent wichtigen Individualität zur Folge hat. Diesem spürba-ren gesellschaftlichen Wandel, den Klaus-Ernst Behne schon1995 beklagte, kann deswegen nur mit einer frühen und regel-mäßigen Sensibilisierung für die Kultur entgegengewirkt wer-den.9 Es gilt, alle vorhandenen Anlagen von Kindern auszubil-den und somit ein Interesse für die unterschiedlichsten Formender Musik aufrechtzuerhalten und zu fördern. Nur so kann derkünstlerischen Monokultur entgegengewirkt werden. Andern-falls wird am Ende ein wertvolles Kulturgut wie das der klassi-schen Musik beispielsweise einzig und allein noch dazu dienen,Junkies vor dem Hamburger Hauptbahnhof oder Jugendlicheaus Einkaufszentren zu vertreiben.

1 vgl. Klaus-Ernst Behne: „Musik-Erleben: Abnutzung durch Überangebot? Eine

Analyse empirischer Studien zum Musikhören Jugendlicher“, in: Media Perspekti-

ven 3/2001, S. 142-148, S. 147.

2 vgl. Naomi Ziv/Maya Goshen.: „The effect of ‚sad‘ and ‚happy‘ background mu-

sic on the interpretation of a story in 5 to 6-year-old children“, in: British Journal of

Music Education 23(3)/2006, S. 303-314.

3 vgl. Heiner Gembris/Gabriele Schellberg: „Die Offenohrigkeit und ihr Verschwin-

den bei Kindern im Grundschulalter“, in: Musikpsychologie – Jahrbuch der Deut-

schen Gesellschaft für Musikpsychologie 19/2007, S. 71-92.

4 vgl. Klaus-Ernst Behne: a. a. O., S. 145.

5 vgl. David Huron: „Is Music An Evolutionary Adaption?“, in: Robert J. Zatorre/

Isabelle Peretz: The Biological Foundations Of Music, New York 2001, S. 47.

6 vgl. Sebastian Kirschner/Michael Tomasello: „Joint music making promotes pro-

social behavior in four-year-old children“, in: Evolution and Human Behavior,

31(5)/2010, S. 354.

7 vgl. Franz Amrhein/Margret Bieker: „Lernen mit den Sinnen“, in: Holger Probst

(Hg.): Mit Behinderungen muss gerechnet werden – Der Marburger Beitrag

zur lernprozessorientierten Diagnostik, Beratung und Förderung, Oberbiel 1999,

S. 134.

8 vgl. Walter Gieseler: „Bildung und Musik“, in: Wilfried Gruhn: Musikalische Bil-

dung und Kultur. Sieben Vorträge zu Bildungsidee, Schule und Informationsgesell-

schaft, Regensburg 1987, S. 91.

9 vgl. Klaus-Ernst Behne: „Vom Nutzen der Musik“, in: Musikforum 83/1995, S. 27.

Der Beitrag entstand in Anlehnung an Christian Höppner: „Wie (a-)sozial ist unsere

Gesellschaft? Musikalisches Erleben zwischen Inflation und Perforation“, Österrei-

chische Musikzeitschrift 2/2015, S. 26-27.

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Willkommendurch Kultur Vielfalt der Kulturen als Chance und Herausforderung

Bundesweit engagieren sich öffentliche Institutionen, Vereine, Zivilgesellschaft sowie Bürgerinnen und Bürger im Ehrenamtmit kulturellen Projekten für die Integration von Flüchtlingen. Kultur kann für geflüchtete Menschen ein wichtiges Mittelsein, mit ihrer oft traumatischen Fluchterfahrung umzugehen, unterstützt das Ankommen im Fremden, schafft Vertrauen. Wiekann dieses Willkommen mittels Kultur gut gelingen? Welche Chancen und Risiken birgt dieser Integrationsprozess vor demHintergrund der kulturellen Vielfalt? Lesen Sie die Statements der kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen im DeutschenBundestag auf den nächsten Seiten.

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„Idomeneo und Zaide. EineFlucht“ – eine Theaterproduktion

des Vereins Zuflucht Kultur e.V.

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Willkommenskultur enthält zu Recht das Wort Kultur. Gleich-wohl besteht die eigentliche Herausforderung in der langfristi-gen Integration von schutzbedürftigen Flüchtlingen in unsereGesellschaft, sei es über soziale Kontakte, Arbeit oder Kultur -angebote. Dieser Integrationsprozess bietet auch die Chance, dieGesellschaft einzubinden. Da kulturelle Teilhabe immer auch ge-sellschaftliche Teilhabe bedeutet, leistet jede Form der Kultur -arbeit einen erheblichen Beitrag dafür. Kultur ist ein erfolgrei-ches Mittel der Verständigung, Musik braucht keine Sprache. Die Erfolge und die positiven Erfahrungen bisheriger Vermitt-lungsarbeit gilt es in der Öffentlichkeit noch stärker herauszu-stellen, für Projekte wie „Banda Internationale“ oder „Multaka“zu werben. Die kulturelle Vielfalt in unserem Land mit einemdichten Netz an Museen, Theatern, z. B. aber auch Musikschulenund vielen freien Initiativen bietet viele Angebotsmöglichkeiten. Laut Interkulturbarometer empfinden Menschen mit Migrati-onshintergrund ihre Lebenssituation in Deutschland vor allemdann als positiv, wenn sie in das kulturelle Geschehen vor Orteingebunden sind. Jeder kann dazu einen kleinen oder großenBeitrag leisten. Die Schaffung einer „kulturellen Grundsiche-rung“ im ländlichen Raum gehört zu den wichtigsten Zu-kunftsaufgaben der Kulturpolitik. Die Kulturstiftung des Bundes leistet dafür wichtige Projektar-beit. Darüber hinaus gilt es, geeignete Instrumentarien der Kul-turarbeit zu entwickeln, die im Idealfall viele Menschen überallerreichen. Das Programm „Kultur macht stark“ und die „Trans-ferinitiative“ des Bundesbildungsministeriums sowie die Aktion„Kultur öffnet Welten“ der Kulturstaatsministerin sind dabeiweitere wichtige Schritte. Sie können die notwendige aktive Rü-ckendeckung vieler engagierter Mitmenschen und ehrenamt -licher Mitwirkenden letztlich aber immer nur ergänzen.

Gerade in der Kulturszene gibt es viel Engagement für Geflüch-tete. Theater stellen kurzfristig Unterkünfte zur Verfügung, Mu-seen gewähren Geflüchteten freien Eintritt. MusikerInnen gehenin Flüchtlingsunterkünfte, um gemeinsam mit Geflüchteten zumusizieren. Die eigentliche Stunde der Kultur schlägt aber,wenn die ersten materiellen Nöte beseitigt sind und die Ge-flüchteten selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft sein wol-len. Dann können Kunst und Kultur Räume für Verhandlungenaktueller Wirklichkeiten, neue Begegnungen und gemeinsameskünstlerisches Arbeiten bieten. Unter den Geflüchteten sind vie-le gut ausgebildete Kulturschaffende, die ihre Fähigkeiten ein-bringen wollen. Damit eine Zusammenarbeit auf Augenhöheund eine nachhaltige Partizipation möglich werden können,müssen sich unsere Kulturinstitutionen aber stärker für Vielfaltöffnen als bisher. Dafür sind grundlegende strukturelle Veränderungen und derAbbau von Barrieren notwendig. Kulturinstitutionen werdensich nicht nur für neue künstlerische Akteure öffnen müssen,sondern sie haben auch die Verantwortung, für ein vielfältigesPublikum attraktiv zu sein. Die bisherige Programmgestaltungsollte deshalb an die neuen künstlerischen Perspektiven undvielfältigen Bedarfe angepasst werden. Und nicht zuletzt wirdsich auch die aktuelle Förderpolitik im Kulturbereich die Fragegefallen lassen müssen, ob sie bereits angemessen auf die der-zeitige Veränderung der Gesellschaft vorbereitet ist. Politik und Kulturbetrieb müssen jetzt die Weichen stellen fürdie langfristige kulturelle Teilhabe – sowohl für die gerade neuAnkommenden, als auch für die schon lange hier Lebenden –und bestehende Zugangsbarrieren abbauen. Preise und kurzfris-tige Projekte sind sicher gute Ad-hoc-Lösungen für das ersteHier-Ankommen. Für eine nachhaltige und ernstgemeinte inter-kulturelle Öffnung des Kulturbetriebs reichen sie allerdingsnicht aus. Wichtig sind jetzt neue interkulturelle Kriterien in derKulturförderung und langfristige Teilhabemöglichkeiten.

Marco Wanderwitz ist Mitglied des Deutschen

Bundestages und kultur- und medienpolitischer

Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Ulle Schauws ist Medienwissenschaftlerin und

war viele Jahre als Fraktionsgeschäftsführerin

der Grünen im Rat der Stadt Krefeld aktiv. Seit

2013 ist sie Mitglied im Deutschen Bundestag.

Als Sprecherin für Kulturpolitik und Frauenpoli-

tik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die

Grünen setzt sie sich u. a. für die Gleichstellung

von Frauen in Kulturbetrieben, für eine bessere

soziale und wirtschaftliche Lage von Kultur-

schaffenden und eine lebendige und zukunfts-

weisende Erinnerungskultur in der Einwande-

rungsgesellschaft ein.

Jeder kann einen Beitrag leisten Weichen stellen für eine langfristige kulturelle Teilhabe

Statements der kulturpolitischen Sprecher der

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musik & politik 33

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Kulturelle Bildung muss als ein Schlüssel für Inklusion verstan-den, entsprechend gefördert und als gesamtgesellschaftlicheQuerschnittsaufgabe betrachtet werden. Deshalb muss kulturelleBildung als Schwerpunktthema von Bildung in den Bildungsplä-nen der Länder verankert und das Ganztagsschulprogramm alsChance genutzt werden, um interkulturellen Austausch und Bil-dung zu befördern. Daneben ist interkulturelle Kompetenz eineGrundvoraussetzung, um den interkulturellen Dialog und Aus-tausch in den Kultureinrichtungen zu stärken. Diese sollte inden Zielen von Kultureinrichtungen verankert sowie durchSelbstverpflichtungen, Qualitätsstandards und Best-practice be-fördert werden. Wir brauchen eine starke Kulturpolitik, die sichden Herausforderungen stellt. Folgende Leitsätze prägen unserkulturpolitisches Verständnis:

Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik und hat eine zentraleFunktion, das friedliche Miteinander in unserer Gesellschaft zufördern.

Eine Kultur der Anerkennung versteht kulturelle Vielfalt alsBereicherung.

Eine Kultur der Anerkennung ist aber nicht blind gegenüberProblemen und Anforderungen – diese sind zu thematisieren.Kultur bietet vielfältige Möglichkeiten, sich auszutauschen, zubegegnen, kennenzulernen, zu respektieren, zu verstehen, auchzu streiten und damit zu einem besseren Miteinander zu kom-men.

Kulturpolitik muss die (inter-)kulturelle Öffnung kulturellerEinrichtungen und Angebote fördern.

Kulturelle Bildung und Vermittlung sowie das Erlernen derdeutschen Sprache sind wichtige Schlüssel für Bildung und einedaraus folgende Integration.Vor diesem Hintergrund finden wir folgende Punkte wichtig:1. Erweiterung der Ausrichtung und Öffnung der Kulturinstitu-tionen2. Breite Nutzung der kulturellen Infrastruktur3. Überprüfung bürokratischer Regularien4. Ausbau der Angebote der kulturellen Bildung5. Ausbau der Unterstützung der Breiten- und Laienkultur6. Aufbau von Plattformen und inhaltlichen Angeboten zur Wer-tedebatte7. Abgestimmte Kooperationen zwischen den föderalen Ebenen8. Klare finanzielle Abbildung in den Haushalten.

Auszug aus der Erklärung der kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der

SPD der Länder und des Bundes (voll unter www.spdfraktion.de/themen/kultur)

Die Fragen des Umgangs mit kultureller Vielfalt und des inter-kulturellen Arbeitens sind keineswegs neu, durch die Migra -tionsbewegungen der vergangenen Monate allerdings verstärktin den Fokus der Öffentlichkeit getreten. Zum Glück, muss mansagen, denn die Gesellschaft in Deutschland ist schon lange vielbunter, als dies häufig noch unterstellt wird – und auch vielbunter, als dies an manchen Kultureinrichtungen zu erleben ist.Wir sollten die aktuellen Herausforderungen daher umso mehrals Chance begreifen, uns grundlegend darüber zu verständigen,was kulturelle Vielfalt meint, wie Zugangsbarrieren gesenkt undeine größere Diversität in den Kultureinrichtungen erreichtwerden können. Viele KünstlerInnen und Kulturschaffende engagieren sich seitLangem in Initiativen und Projekten für und mit Geflüchtetenund haben diese Aktivitäten in den vergangenen Monaten nochverstärkt. Es sind wunderbare Ideen entstanden, um Menschen,die in Deutschland Zuflucht suchen, nicht nur mit dem Not-wendigsten zu versorgen, sondern sie mittels der Künste anzu-sprechen und mit ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen. Ge-flüchtete haben wie alle Menschen ein Recht auf Bildung undauf kulturelle Teilhabe, die Voraussetzung sind für soziale Ge-rechtigkeit und gesellschaftliche Partizipation. Gerade Kultureinrichtungen können (Frei-)Räume schaffen fürBegegnung und gemeinsame Erlebnisse über Sprachbarrierenhinweg, für partizipative Projekte und das Erproben künstleri-scher Ausdrucksformen, für die Erfahrung des Mitgestaltens undMitbestimmens und die Verarbeitung von Erlebtem, für denAustausch über kulturelle, religiöse und soziale Unterschiedeund die kritische Reflexion gesellschaftlicher Zustände. All dies gehört zu einem ernst gemeinten Willkommen durchKultur. Für ein verstärktes Engagement gibt es gute Ansatzpunk-te, die aber auch finanzielle Unterstützung brauchen: sicherlichauch kurzfristig und unbürokratisch, vor allem aber durch einelangfristige Sicherung der kulturellen Infrastruktur.

Sigrid Hupach ist Mitglied im Deutschen Bun-

destag und kulturpolitische Sprecherin der

Fraktion DIE LINKE.

Kulturelle Vielfalt für ein besseres Miteinander Kultureinrichtungen schaffen Freiräume für Begegnungen

Fraktionen im Deutschen Bundestag

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Wenn sich der Himmelüber den Kindern öffnetBeispiellos und in aller Stille sorgt das Projekt „Panorama“ mit Musik für die Persönlichkeitsbildung von Kindern Susanne Fließ

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Der Hauptstadt Berlin eilt ja der Rufvoraus, dass dort alles origineller, kreati-ver, innovativer sei als im Rest der Repub -lik. In diesem Fall ist es jedoch reiner Zu-fall, dass hier vor Jahren ein paar Gärtnerbeschlossen, eine zarte Pflanze auszusä-hen, die gute elf Jahre später zu einer stil -len Schönheit herangereift ist und derenAroma schmerzlindernd, ja geradezu hei-lend wirkt. Das Beet, um in der Metapherzu bleiben, in das die Pflanze im Jahr2005 gesät wurde, ist das Christliche Ju-genddorfwerk Deutschland (CJD). Es ge-hört zu den größten freien Bildungsträ-gern in Deutschland. Das CJD betreut anetwa 150 Standorten mehr als 150 000junge Menschen pro Jahr, indem ihnenFort- und Weiterbildungsangebote ge-macht werden, man sich um Hochbegab-te ebenso sorgt wie um diejenigen, dieauf der Schattenseite unserer Gesellschaftzur Welt gekommen sind und das Lebenim Licht dauerhaft lernen sollen. 50 aufdas Bundesgebiet verteilte eigene Schu-len, die Christophorusschulen, rundendas hohe und gleichzeitig niedrigschwel-lige Bildungsangebot ab. Damit gehörtdas CJD auch zu den größten Schulträgernin Deutschland. Die Website (www.cjd.de)gibt Auskunft über Kinder- und Jugend-hilfe, Bildungsangebote für Familien,Migranten, junge Leute in nahezu allenLebenslagen und schließt die qualifizierteFörderung im Rahmen von Freizeitbe-schäftigungen nicht aus. Michaela Gerggehört zu denjenigen, die im Bereichsportlicher Hochbegabungen dem CJD

mit Rat und Tat zur Seite stehen. GeistigerVater und Lenker im musisch-kulturellenSektor des CJD ist Andreas Dierssen, wo-bei der Begriff „musisch-kulturell“ schonwieder ein wenig zu kurz greift, dennumfassender, umarmender könnte eskaum sein.Wer das Projekt sucht, das Dierssen, stu-dierter Theologe, gesät, gegossen und be-schirmt hat, findet es auf der Website un-ter der Rubrik „Persönlichkeitsbildungund soziale Teilhabe“: Es hat den Namen„CJD-Panorama“. Bevor jedoch davon dieRede ist, muss hier kurz das CJD-Orches-ter erwähnt werden, denn das eine istohne das andere nicht denkbar.Das besagte Orchester gibt es seit 1983.Die 60 Musizierenden – Schülerinnenund Schüler, Ehemalige und Mitarbeiten-de – haben in den vergangenen Jahrenviele Konzerte mit anspruchsvollem Pro-gramm gegeben. Seit 2009 arbeitet dasOrchester als reines Jugendorchester mitJugendlichen und jungen Erwachsenenbis 30 Jahre. Dierssen ist fest davon überzeugt: „Gera-de für junge Menschen ist das Erlebender eigenen schöpferischen Kraft und dieMöglichkeit, sich selbst in Musik undKunst auszudrücken, ein wesentlicher Be-standteil ihrer Persönlichkeitsentwick-lung. Sie wird durch das Präsentieren dereigenen Fähigkeiten und der damit ver-bundenen Wertschätzung des Anderen inpositivster Weise verstärkt.“Bruder im Geiste und qualifiziert in pä-dagogischer und künstlerischer Hinsicht

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Die Bausätze für original große Viertel- oder halbe Geigen und Celliwerden gemeinsam in zwei WochenBauzeit im Unterricht zusammen -

geleimt und bemalt.

Helena* singt das Panorama-Lied: „Schön, dass Ihr gekommen seid, alles steht auchschon bereit. Instrumente warten schon auf den ersten Ton … Pssst!“ Der Text istauf die Musik der „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ geschrieben. Helena bewegtwährend des Singens die Arme, denn das Panorama-Lied hat auch eine Choreogra-fie. Dass Dietrich Schmidt seine Rührung kaum verbergen kann, hängt nicht mitder Tatsache zusammen, dass ein niedliches Mädchen von vier Jahren vor ihm stehtund singt. Es hat mit den speziellen Umständen in Helenas Leben zu tun, wie Susanne Fließ zu berichten weiß.

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Der innere ZauberWie funktioniert Panorama also? Es be-ginnt damit, dass tatsächlich alle Kinderder Kita daran teilnehmen. Einbezogenwerden auch die Pädagogen der Einrich-tung. Gemeinsam mit dem musikalisch-künstlerischen Leitungsteam, zu demauch Dietrich Schmidt gehört, erhaltendie Kinder dreimal pro Woche Unterrichtin kleinen Gruppen. Freitags findet eine„Tutti-Probe“ statt. Der Unterricht be-ginnt zwei Jahre vor der Einschulung, dasind sie drei bis vier Jahre alt. Das Projektist auf zehn Jahre Ausbildung angelegt.Erreicht ein Panorama-Kind also dereinstdie sechste Klasse, hat es sich bis dahinzu einem versierten Orchestermusikerentwickelt, solide Repertoirekenntnisseerworben und ist für jedes Jugendorches-ter ein Gewinn. Über diesen für die heu-tige Zeit unwirklich langen Zeitraumwerden die Kinder an sinfonische Musikherangeführt, lernen sie differenziert zuhören und selbst zu musizieren.Alle Elemente der musikalischen Früher-ziehung haben als Ziel das Orchesterspiel.Der Unterricht ist eine Mischung aus Sel-bermachen, körperlicher Bewegung undkonzentriertem Zuhören und beginntimmer mit dem „Panorama“-Lied. „Imersten Kita-Jahr spielen wir den Kindernauf unseren Instrumenten Themen ausbekannten und eingängigen Werken vor,beispielsweise aus dem ‚Nussknacker‘,oder aus dem ‚Winter‘ von Vivaldi. Be-wusst machen wir sie mit der Musik be-kannt, die sie später selbst spielen sol-len“, sagt Dietrich Schmidt. Kinderliedergehören nicht zum Repertoire der Pano-rama-Lehrer, und Musik kommt nichtvon der CD, sondern wird grundsätzlichlive gespielt.Viel körperliche Bewegung und Herum-toben stehen auf dem Stundenplan, ge-übt wird aber auch, wie man konzent -riert am Boden liegend der Musik zuhört.Bewusst wählen die Lehrer solche Musik-stücke aus, die leicht beginnen und imLaufe des Stücks an Komplexität zuneh-men.

sich der Erfolg nicht ein“, so seine un-umstößliche Überzeugung. Dierssen ent-wickelte zunächst im Kopf und amSchreibtisch ein Förderprojekt, das dieAllerkleinsten, in diesem Fall Kinder zwi-schen drei und vier Jahren, ansprechensollte. Vorbild war das „Sistema“ genann-te Förderprojekt der Kinder- und Jugend-orchester, das in Venezuela seit den 70er-Jahren weltweit Aufsehen erregte. Einekleine Delegation unter der Leitung vonAndreas Dierssen unternahm 2005 eineReise nach Caracas, um sich vor Ort einBild zu machen. Nach der Rückkehr mo-difizierte Dierssen die Idee, passte sie anbundesdeutsche Verhältnisse an und stell-te sie seinem Freund Hermann Rauhevor. Der gehörte damals zum Umfeld desCJD und war Feuer und Flamme, als ervon Dierssens Idee hörte. Er empfahl, diePilotphase in Dortmund zu starten, in ei-ner Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit, vie-len Migranten und heruntergekommenenStadtteilen. „Dort aber hatte man nochimmer mit den Nachwehen von JeKi zutun und winkte ab“, erinnert sich Diers-sen schmunzelnd. Daraufhin schlug derLeiter des CJD-Orchesters als Ort für dasPilotprojekt Berlin-Siemensstadt vor, inder die Probleme und die Bevölkerungs-struktur Dortmunder Verhältnissen ähnel-ten. Dass das CJD dort sowohl eine Kitaals auch einen Hort in einer der Grund-schulen betrieb, erleichterte die Aus-gangslage für „Panorama“.

ist Christoph Harr, der Leiter des CJD-Or-chesters. Wer als Jugendlicher mitspielenmöchte, empfiehlt sich ohne vorange-hendes Probespiel für seine Mitglied-schaft, indem er an der ersten Proben-phase als „Probezeit“ teilnimmt. Die Ver-pflichtung erstreckt sich auf ein Jahr mitvier Arbeitsphasen, die im Team mit zweiweiteren Dozenten, Dietrich Schmidt fürdie Bläser und Benjamin Bergmann fürdie Streicher, in zwei große öffentlicheKonzerte münden. Eines davon in derPhilharmonie in Berlin.

Kein Kind wird vergessenMit dem analytischen Blick des Managersund dem mitfühlenden des Seelsorgerskonstatierte Andreas Dierssen vor nunmehrgut elf Jahren, dass das CJD-Orchesternicht nur der Botschafter eines Bildungs-werks war, das Inklusion konsequent lebt.Er stellte auch bestürzt fest, dass geschätz-te 15 Prozent aller Kinder in Deutschlandaus allen Fördersystemen fallen, von keinerInstitution erreicht werden und für dieGesellschaft verloren, ja sogar am Endeunauffindbar sind. Wie, so fragte er sich,kann man Menschen erreichen, denen eine Begabung innewohnt, die aber aussozialen Verhältnissen kommen, die dieseSelbsterkenntnis unmöglich machen?Als Folge dieser eher bitteren Analyse undals Ausdruck unbedingter tätiger Men-schenliebe entstand „Panorama“. „Manmuss alle Projekte mit intensiver Hinge-bung von Anfang an begleiten, sonst stellt

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Viel körperliche Bewegung und Herumtoben stehen aufdem Stundenplan, geübt wird aber auch, wie man kon-zentriert am Boden liegend der Musik zuhört.

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Das zweite Jahr steht im Zeichen des Instrumentalunterrichts. Die Kinder kön-nen zwischen den Orchesterinstrumen-ten Geige und Cello wählen. Dazu stelltSchmidt aus dicker Pappe Bausätze füroriginal große Viertel- oder halbe Geigenund Celli her, die dann gemeinsam in et-wa zwei Wochen Bauzeit im Unterrichtzusammengeleimt und bemalt werden.So entwickeln die Kinder einen Bezug zu„ihrem“ Instrument, lernen es intensivkennen und üben die Handhabung. Es istein besonderer Moment, wenn die Kin-der im Alter von etwa fünf Jahren vonden Pappinstrumenten auf echte Instru-mente wechseln. Dank einer großzügigenSpende eines renommierten Instrumen-tenherstellers steht den Panorama-Kin-dern aktuell eine respektable Anzahl vonechten Geigen und Celli zur Verfügung. Das gemeinsame Musizieren in derGruppe lässt die Kinder erfahren, dass alles nochmal schöner klingt wenn manes in Gemeinschaft tut. Dierssen ist über-zeugt: „In dieser Methode liegt der inne-re Zauber, denn sie lernen, dass das Le-ben funktioniert, wenn sie einen eigenenBeitrag für diese Welt leisten.“

Der glücklichste MomentDass es funktioniert, ist umso erstaun -licher, als das Umfeld Kita ja kein Ort ist,den (kleine) Menschen aktiv aufsuchen,um etwas zu lernen. Mit drei Unter-richtseinheiten pro Woche nimmt Pano-rama für sich in Anspruch, mehr als einmusikalisches, nämlich ein menschlichesBildungsprojekt zu sein: für Menschenohne Plan.Die Panorama-Kinder kommen oft aushäuslichen Zusammenhängen, in denenZuverlässigkeit, Pünktlichkeit, die innereVerpflichtung bei der Stange zu bleibennicht sonderlich ausgeprägt sind. Auf dieEltern ist wenig Verlass. Wie gelingt estrotzdem, über einen Zeitraum von meh-reren Jahren die Kinder beim Projekt zuhalten? Das Dozententeam eint die Über-zeugung, dass jedem Menschen eine Be-gabung innewohnt. Und es eint sie die-

selbe charakterliche Beschaffenheit: Ne-ben ihrer fachlichen Kompetenz findetsich in jeder Person im Dozententeam ei-ne große Zuneigung, mit der man denKindern begegnet und sie spüren lässt,wie sehr man an die ihnen innewohnen-de Begabung glaubt. Der Mensch kannnoch so klein oder jung sein, aber dieMenschenliebe und der Glaube an seineFähigkeiten erreichen solch ein Kind sosehr, dass es seiner Aufgabe aus eigenemAntrieb treu bleibt. Das klingt zunächstein bisschen dick aufgetragen. Aber esgibt da einen immer wiederkehrendenMoment, der so berührend ist, dass mansich dieser Haltung gerne anschließenmag: Die Panorama-Kinder treffen näm-lich regelmäßig auf das CJD-Orchesterund treten im Berliner Konzert gemein-sam mit dem Orchester auf. Beim erstenZusammentreffen stellt Christoph Harrein Kind vor das Orchester ans Dirigen-tenpult, nimmt dessen Hände und be-ginnt zu dirigieren. Das Kind kann nunnur noch mit den Augen den Aktionendes Orchesters folgen. Den Moment, indem auf eine geführte Handbewegungdes Kindes hin das Orchester einsetztund das Kind die Wirkung seines Tunssieht und den Orchesterklang hört, wosich gewissermaßen „der Himmel überdem Kind öffnet“, wie Dierssen es be-schreibt, den vergisst kein Kind jemalswieder und verbindet sein größtes Glückdamit. Regelmäßig wischen sich spätes-tens dann auch hartgesottene Eltern dieTränen der Rührung aus den Augen.

Geld für ein leises Projekt2013 startete Panorama nach vielen Jah-ren Planung und noch viel mehr Fragenzur Finanzierung. 2016 ist Panorama imvierten Jahr angekommen, die ersten Teil-nehmer haben die Schulreife erreicht. ImKollegium der Spandauer Grundschule isteine Panorama-Klasse beschlossen wor-den. Das Projekt ist noch immer unterfi-nanziert, alle erwachsenen Beteiligten ar-beiten am Rande der Selbstausbeutung.Die ursprüngliche Kooperation mit „Kul-

tur macht stark“, einer Initiative des Bun-desministeriums für Bildung und For-schung, hat sich in der Praxis als zu trägeherausgestellt, die Zusammenarbeit ende-te, seither arbeitet Panorama mit Stiftun-gen und Unternehmen zusammen, dieflexibler auf die besonderen Bedürfnisseeingehen können.Es ist nicht leicht, in unseren lauten,marktschreierischen Zeiten ein Projekt soleise weiterzuentwickeln und darauf zuhoffen, dass es durch sich selbst Geld -geber interessiert. Das weiß auch AndreasDierssen: „Brennpunkte gibt es inDeutsch land genug, und wir haben aucheine Reihe von Anfragen. Aber gute Ideensterben auch, weil man sich überhebt.Würden wir zum jetzigen Zeitpunkt ex-pandieren und auch auf Masse abzielen,würde die Hälfte der Kinder auf der Stra-ße landen. Wir hätten sie nicht in dieserIntensität betreut, wie wir uns das vor-stellen. Ich gebe zu, mit Singen könnteman das alles deutlich billiger machen alsmit dem Unterricht an einem Orchester-instrument. Aber so ist eben unsere Hal-tung.“ Panorama beginnt leise, indemnur etwa eine Handvoll Kinder in einemeinzigen Stadtbezirk behutsam an dasMusizieren herangeführt wird. Zu denKindern, die in Berlin-Siemensstadt un-versehens zu Panorama-Kindern wurden,gehörte auch die vierjährige Helena. Ir-gendetwas war in ihrer Familie gesche-hen, weshalb Helena kaum ein Wortsprach, alle Bemühungen der Erzieherin-nen liefen ins Leere. Mit Hilfe von „Pano-rama“ hat Helena ihre Sprache gefunden.

* Name von der Redaktion geändert.

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Susanne Fließ studierte Literaturwissenschaft in Re-

gensburg und Erlangen. Nach beruflichen Stationen

in Zürich, Frankfurt, Mallorca und Düsseldorf ist sie

seit 2000 verantwortlich für die Presse- und Öffent-

lichkeitsarbeit des Bundeswettbewerbs „Jugend mu-

siziert“, einem Projekt des Deutschen Musikrats.

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Christian Tetzlaff unterstützt bei derrichtigen Haltung der Violine während eines Schulbesuchs.

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„Liebe Henja, dein Geigenspiel hatmir sehr gefallen! Das Geistertrio warschön und hat mir auch gefallen. Ich willauch mal Geige spielen lernen. MeineLieblingsinstrumente sind Geige und Flö-te. Leider war ich gestern Abend nicht ineurem Konzert. Das wäre lustig gewesen!In Liebe Marlene.“„Ich fand eure Musik ganz toll! Ich hoffe,dass das Publikum am Abend von demKonzert auch so verzaubert war. LiebeGrüße von Cosima Therese“Die Sätze klingen wie Liebesbriefe. Dabeisind sie das Feedback von Dritt- und Viert -klässlern nach dem Besuch des Oberon-Trios an einer Landshuter Grundschule.Die Geigerin Henja Semmler, die CellistinAntoaneta Emanuilova und der Pianist Jo-nathan Aner engagieren sich zusammen

mit mehr als 300 anderen Spitzen-Musi-kerinnen und -Musikern mit großerFreude für das bundesweite Musikver-mittlungsprojekt. Ehrenamtlich, verstehtsich. Immer dort, wo die Künstler undKünstlerinnen zwischen ihren Konzertennicht üben oder proben müssen, bietensie ihre Freizeit an für Schulbesuche. In-zwischen auch im Ausland. In 26 ver-schiedenen Ländern ist Rhapsody inSchool schon durchgeführt worden, dortmeist an deutschen oder internationalenSchulen.Und so alt wie die Kinder Marlene undCosima Theresea, die in den Genuss einesSchulbesuchs prominenter Musiker ge-kommen sind, wurde jetzt auch das 2005vom Pianisten Lars Vogt initiierte Schul-projekt Rhapsody in School.

Über 50 000 Schüler hat die Künstlerini-tiative in den vergangenen zehn Jahrenerreicht. 13 Organisatoren helfen vor Ortbei der Vermittlung und 500 Schulensind mit der Rhapsody-Idee unterdessenvertraut. Dazu kommen viele Schulen, dieregelmäßig das besondere Musikvermitt-lungsangebot nutzen. Durchschnittlichzwölf Schulbesuche im Monat, der Re-kord lag bei über 30, sorgen deutsch-landweit für die stetig wachsende Akzep-tanz des einmaligen Projekts. Dass be-rühmte Instrumentalsolisten und aufstre-bende Jungstars regelmäßig die Bühnegegen ein Klassenzimmer tauschen,macht das Projekt besonders – ein Allein-stellungsmerkmal neben den vielen mu-sikpädagogischen Initiativen der ver-schiedenen Orchester oder Festivals.

VOM ELFENBEINTURM

in die Schulklassen

Am Abend spielen sie in ausverkauften Konzertsälen, vormittagsmachen sie Musik vor Schülern aus Grundschulen oder Gymnasienund sprechen über ihre Instrumente, ihre Lieblingskomponistenoder ihren Berufsalltag. Weltklasse-Musiker engagieren sich ehren-amtlich für ein Projekt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kinderund Jugendliche an klassische Musik heranzuführen.

Die Künstlerinitiative Rhapsody in School wird zehn Jahre alt Sabine von Imhoff

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zum Feiern: „Rhapsody in Concert“, An-fang des Jahres im Berliner Konzerthausvon Alt und Jung bejubelt, brachte dieTop-Solisten Lars Vogt, Sharon Kam, TanjaTetzlaff und Veronika Eberle nebst Mode-rator Malte Arkona auf die Bühne, be -gleitet vom Konzerthausorchester unddurchmischt mit Jugendlichen des Or-chesters des Bach-Gymnasiums. Ähnlich ging es am 28. September 2016in der Tonhalle Düsseldorf zu: SharonKam spielte ehrenamtlich neben demGeiger Erik Schumann und dem PianistenHerbert Schuch. Auf dem Programmstand neben Beethovens Egmont-Ouvertüreu. a. auch Gershwins Rhapsody in Blue, andie die Initiatoren bei der Namensge-bung dachten. (Und natürlich in Anleh-nung an die Rhapsoden, die bei den altenGriechen herumziehende Dichter undMusiker waren). Durch den Konzert-abend führten Schülerinnen und Schüleraus dem Düsseldorfer Humboldt-Gymna-sium. Sie wurden im Vorfeld von einemMusikjournalisten und Moderationscoachauf ihre Aufgabe vorbereitet und ge-schult. Sie begegneten den Stars desAbends bereits in ihrer Schule und lern-ten, sie vorzustellen, sie zu interviewenund Features über das Erlebte zu schrei-ben, über die Musik oder über die Wir-kung von klassischer Musik auf ihre Mit-schülerinnen und Mitschüler. „In einer idealen Welt gäbe es eine Ver-bindung zwischen Musik und allgemein

Ohr“ für die Klassik erreichen und vorallem zum Selber-Musizieren animieren.„Klassische Musik aus allen Zeiten hat ei-ne Zukunft, sie hat ihren festen Platz imHerzen der Menschen. Diesem Ziel wol-len wir auch in Zukunft weiter dienenund die Musik direkt zu Kindern und Ju-gendlichen in die Schule bringen. Musiksoll emotional und unmittelbar erlebtwerden, damit hoffentlich viele jungeMenschen Feuer fangen für diese wun-derbare Welt“, formuliert Lars Vogt denGründungsgedanken des Projekts.Der Verein „Musiker hautnah“ e.V. undviele Förderer unterstützen Rhapsody inSchool bei dieser Idee und ihrer Umset-zung. Vorstandsvorsitzende Alice Heiligerund ihre Kollegen sind vom Konzept desProjekts überzeugt und erleben seit Jah-ren, welch wichtigen Beitrag Rhapsody inSchool zur gesellschaftlichen und kultu-rellen Identitätsbildung leistet: „Wer sei-ne kulturellen Wurzeln kennt und weiß,dass Kreativität und gestaltendes Handelndiesem Geiste entspringen, kann denWert kultureller Vielfalt und die Rolle derKultur schätzen, sich selbst entdeckenund ihr zugleich hohen Respekt entge-genbringen. Mit Freude beobachten wir,wie diese Begegnungen jungen Men-schen eine oft ganz neue Welt eröffnen.Die vielen Resonanzen der Schüler zeu-gen davon.“ Der stetige wachsende Erfolg des Projektsund ein runder Geburtstag sind Anlass

2014 gab es dafür auch den begehrtenECHO für Nachwuchsförderung.Gewachsen ist dabei auch die Zusam-menarbeit mit vielen Orchestern, Kon-zerthäusern und anderen Veranstaltern.Sie bietet eine Win-win-Situation für alleBeteiligten: Rhapsody in School findetHilfe vor Ort bei den sich ständig vergrö-ßernden Education-Abteilungen. Diesewiederum profitieren von den gutenKontakten des Rhapsody-Teams zu denSolisten. Der enge persönliche Draht zuden Musikern oder sehr engagiertenAgenten ermöglicht auf dem „schnellenDienstweg“ die bestmögliche Ausgangs-basis für einen erfolgreichen Schul -besuch. Zum Vorteil der Kinder und Ju-gendlichen aller Altersgruppen und zurZufriedenheit der Musikerinnen und Mu-siker, die ja zugunsten der Nachwuchs -arbeit und ihres jungen Publikums aufihre Freizeit verzichten und ehrenamtlichin Schulen gehen. Neben den Musikbei-spielen, die von unseren „Rhapsoden“vorgetragen werden, spielen auch Ge-schichten um das Instrument, um denBeruf des Musikers eine immer größerwerdende Rolle bei den Schulbesuchen.Oft sehen die Musiker dann einige Schü-ler abends im Konzert wieder. Ein erklär-tes Ziel des Rhapsody-Gedankens: Wirempfehlen den „Gegenbesuch“. Wenndas nicht immer klappt, wie bei den ein-fach zu jungen Grundschülern, wollendie „Rhapsoden“ zumindest ein „offenes

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links: Der Pianist Lars Vogt, Initiator von Rhapsody in School,

gibt nach einer außergewöhnlichenMusikstunde in einer Kölner

Schule Autorgramme.

rechts: Der Cellist Daniel Müller-Schott in einer

Grundschulklasse.

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Sabine von Imhoff ist Projektleiterin von Rhapsody in

School. Die studierte Lehrerin und Musikjournalistin

steuert und begleitet das Musikvermittlungsprojekt

von seinen Anfängen bis heute.

bildenden Schulen, und jeder Schülerwürde in seinem Leben einmal ein Instru -ment erlernen. Der Funke muss einmalübergesprungen sein, das eröffnet alleMöglichkeiten des Hörens und Erlernensvon Musik für die Zukunft. Die Erfahrungzeigt, dass die Chance dafür besondersgroß ist, wenn es Schlüsselerlebnisse gibtwie z. B. Konzerterlebnisse oder Kontaktemit Künstlern, die ihre Begeisterung fürdas, was sie tun, vermitteln können. Umder Musik eine Überlebenschance in zu-künftigen Generationen zu geben, müs-sen wir, wie Simon Rattle es formulierthat, ‚um jede Seele mit geradezu missio-narischem Eifer kämpfen‘. Wir Künstlermüssen noch mehr als bisher aus unse-rem Elfenbeinturm herauskommen undversuchen, den Kontakt der Kinder zuunserer Kunst direkt herzustellen“, fasstLars Vogt zusammen.

www.rhapsody-in-school.de

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„Prima-Donna“ UND DER GENIUS TEMPIMusikerinnen im Mittelpunkt des Lucerne Festivals 2016 Günter Zschacke

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Die Eröffnungsabende im akustischvorzüglichen Saal des Kultur- und Kon-gresszentrums Luzern (KKL) bestimmtendie Maestri. Riccardo Chailly begann dieAbbado-Nachfolge als Chef des erstrangi-gen Festival-Orchesters mit Gustav Mah-lers monumentaler 8. Sinfonie – die Ab-bado in seinem Mahler-Zyklus nicht mehrrealisieren konnte. Souverän führte Chaillydie acht Gesangssolisten, herausragend vorallem die Sopranistin Ricarda Merbethund der Tenor Andreas Schager, mehr als200 Choristen und weit über hundert In-strumentalisten zu einprägsamer Leistung.Dieses von Abbado ins Leben gerufene„Orchester der Freunde“ vereinigt exzel-lente Musiker aus namhaften Orchestern,etwa dem des Sinfonieorchesters des Baye -rischen Rundfunks und der Mailänder Sca-la, mit Kammermusikern beispielsweisevom Hagen-Quartett und Hochschul-Professoren wie Diethelm Jonas, Oboe,Reinhold Friedrich, Trompete, WolframChrist, Viola und Jens-Peter Maintz, Vio-loncello.Riccardo Chailly wirkte bei der Wieder-gabe der „Sinfonie der Tausend“ an einemetwas zu kompakten Klangbild, das jedochbesonders dem zweiten Teil, der Schluss-szene aus Goethes Faust II, die vom Kom-ponisten beabsichtigte Eindringlichkeitgab: „Das ewig Weibliche zieht uns hi-nan“, unterstrich das Motto der Festival-Wochen. Der erste Teil mit dem Hymnus„Veni crea tor spiritus“ blieb dagegen we-sentlich tro ckener als vom Komponistenveranlagt.

Mit eineinhalb Stunden Aufführungsdau-er ebenso lang ist Olga Neuwirths Le En-cantadas o le avventure nel mare delle meravi-glie für sechs im Raum verteilte Ensem-blegruppen, Samples und Live-Elek -tronik.Wo vor einem Jahrhundert ihr öster -reichischer Landsmann Seele und Geistins Monumentale hob, sucht die 46-Jäh-rige – ebenso abhängig vom genius tempi– die lokale Nähe wie Ferne akustisch imRaum zu bannen. Diese Prima-Donna, diezum zweiten Mal „composer in residence“an der Reuss ist, schuf unter Einbeziehungvon Literatur des Franzosen Herman Mel-ville die riesige Partitur für einen wellen-reichen „Hörfilm“. Matthias Pintscher,Leiter des Orchesters der Lucerne FestivalAcademy, ließ dieses Neuwirth-Werk um-sichtig vom Ensemble intercontemporainund IRCAM-Pompidou-Studiomitglie-dern entwickeln. Die Aufführung im Lu-zerner Saal wurde mithilfe der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung realisiert.Für zeitgenössische Aufführungspraxis istdieser Luzerner Saal im Kongresszentrummit seinen variablen Podien und variablerBestuhlung bestens geeignet. Hier gab esauch die frühabendlichen „40 Minuten“-Gratiskonzerte, die Schwellenängste ab-bauen sollen, aber auch ihr Insider-Publi-kum finden. So sahen sich gleich beimersten „Gratis“die zwanzig Blechbläserund Percussionisten des Festival-Orches-ters vor vollbesetzten Rängen, flankiertvon zahlreichen besonders jungen Zuhö-rern auf Liegekissen. Sehr humorig mo-deriert, werkelte das große Brass-Ensem-ble an einer „Carmen“-Suite, bei derReinhold Friedrich als Solist unterstrich,dass er jenseits aller Allüren der Primusinter pares seines Instruments ist.Bei den Interpreten erobern sich die Jun-gen ihre Plätze – und die Alten zeichnendie Wege vor. Da konnten im 3. Sinfonie-konzert die Mittsiebziger Martha Arge-rich und Daniel Barenboim all ihre Erfah-rung ausspielen: Die Pianistin blieb FranzLiszts 1. Klavierkonzert mit kräftigen Kas-kaden und getupften Läufen nichts schul-dig und der Dirigent begleitete dieFreundin sorgsam mit seinem West-Eas-tern Divan Orchestra, das auf allen Posi-tionen sehr gut besetzt ist. Das zeigte sich

auch eingangs bei Jörg Widmanns „Conbrio“-Konzertouvertüre mit den Beetho-ven-Brechungen und vor allem nach derPause. Hier allerdings überfütterte Baren-boim das Auditorium mit Tannhäuser-Ou-vertüre, Meistersinger-Vorspiel und dendazwischen eingefügten sinfonischen Be-arbeitungen von „Morgendämmerungund Siegfrieds Rheinfahrt“ sowie Trauer-marsch aus der Götterdämmerung: Das war,bei allem instrumentalen Glanz, zu vielan Wagner-Wucht. Und bei hellem Saal-licht wurde hier nicht Tragik, sondernKulinarik ausgestellt. Dirigenten stehenimmer wieder für den „Wert der Dauer“.In Luzern stellten diesmal zwei Altmeistereinmal mehr ihre Reife unter Beweis. Sobeging Herbert Blomstedt seinen 90. Ge-burtstag am Pult des Gewandhausorches-ters Leipzig an zwei Abenden mit Bruck-ner und Beethoven. Und zuvor hatte der87-jährige Bernard Haitink mit einemreinen Dvorák-Programm beeindruckt:Das Chamber Orchestra of Europe, dieSolistin Alisa Weilerstein und er wolltenzwar beim Cellokonzert erstaunlicher-weise nicht harmonieren, aber die 9. Sin-fonie „Aus der Neuen Welt“ kündete,frisch und dynamisch abgestuft, vomKönnen und Charisma des Niederländers.Mit seiner minimalistischen Zeichenge-bung hatte er eingangs auch die dunkleBalladenseite der Sinfonischen DichtungDie Mittagshexe aufspüren lassen.„Prima-Donna“ lenkte 2016 in Luzernden Blick auf die Gegenwart, auf Kompo-nistinnen und auch auf Solistinnen, vondenen einige Führungsaufgaben über-nehmen wollen – wie die Geigerin Ara-bella Steinbacher – und vor allem auf dieinternational wachsende Zahl erfolgreicherDirigentinnen. Luzern-Intendant MichaelHaefliger gebührt das Verdienst, sie insRampenlicht und teils vor große Orches-ter gestellt zu haben: „Hier findet eine Ver -änderung statt. Diese Entwicklung wollenwir aufgreifen und auch fördern.“

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Günter Zschacke, Jahrgang 1936, war lange Kultur-

redakteur der Lübecker Nachrichten und Mitarbeiter

einer Vielzahl anderer Medien. Er ist Festival erfahren

und Autor u. a. von Monografien über Carl Maria von

Weber und das Orchester der Hansestadt Lübeck.

In acht Jahrzehnten hat sich Luzern zuminternational hochkarätigsten Klassik-Festival entwickelt. Hier geben sich abMitte August binnen vier Wochen einDutzend der renommiertesten Orches-ter aus aller Welt ein Stelldichein mit28 Sinfoniekonzerten. Dabei hat dievon Pierre Boulez begründete Werkstatt„Lucerne Festival Academy“ für daszeitgenössische Schaffen ein nicht min-der großes Gewicht. Das Motto 2016war für beide Sektionen besonders in-haltsreich: „Prima-Donna“ stellte Mu-sikerinnen ins Zentrum – allein elf Di-rigentinnen waren zu erleben.

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Die Subkultur als Alternative zumgewinnorientierten Mainstream darf

aus deutschen Großstädten nichtverschwinden.

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Als in der Nacht auf den 14. Februar2016 der Hamburger Golden Pudel Clubabbrannte, ging mehr als nur ein Ort fürKonzerte und Partys in Flammen auf. DieZerstörung der kleinen Veranstaltungs-stätte in der Nähe des Hamburger Fisch-markts löste bundesweite Bestürzung aus.Der „Pudel“ verstand sich immer alsnicht gewinnorientierte Alternative zuder überkommerzialisierten Musikkulturder Musical-Stadt Hamburg; als ein Inbe-griff und Sammelpunkt musikalisch-sub-kultureller Lebensformen in der Hanse-stadt. Kurz nach dem Brand schrieb die

Wochenzeitung Die Zeit, für den „Musik-standort Hamburg“ sei die Bedeutungdes Golden Pudel Clubs „größer als diehier zelebrierte Beatles-Nostalgie oderein neues Opernhaus“.1 Schnell fandensich unter dem Motto „Die Welt ist einPudel“ Unterstützerinnen und Unterstüt-zer zusammen, um für den Wiederaufbauzu kämpfen. Diese Anteilnahme ist nicht allein mit derpopkulturellen Bedeutung des GoldenPudel Clubs zu erklären. An ihr wird vorallem sichtbar, dass mittlerweile ein Ge-spür dafür entstanden ist, wie wichtig

Die Welt istEIN PUDEL

Auf der Suche nach dem Klang derStadt. Ole Löding und Philipp Krohnsind zwei Jahre lang der Verbindungvon Stadt und Popmusik auf den Grundgegangen. 24 Städte in sieben Ländernhaben sie bereist und in den Pophaupt-städten der Welt mit 160 Musikerinnenund Musikern gesprochen.

Ohne Musikclubs gäbe es keine PopmusikOle Löding und Philipp Krohn

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unangepasste Orte wie der „Pudel“ alsNischen der Nonkonformität und des Ex-periments für die kulturelle Lebendigkeiteiner Großstadt sind. Denn: Alle popmusikalischen Innovatio-nen der letzten sechs Jahrzehnte sind inMetropolen entstanden – in Proberäu-men, Studios und vor allem in Clubs, diedas Aufeinandertreffen experimentier-freudiger Künstlerinnen und Künstler inder Enge der Großstadt möglich machen.Aus Liverpool stammt die Beatmusik, mitder die Beatles die Welt eroberten. InMemphis entwickelte sich in den 60er-

Jahren die Soulmusik. New York wurdeEnde der 70er Brutstätte für Disco, Hip-Hop und Punk. In London wurden Pro-gressive Rock und Acid Jazz, Drum ’n’Bass und Dubstep zur Blüte geführt. Vieleweitere Metropolen schwangen sich zeit-weilig zum Zentrum der Popmusik auf:San Francisco in den späten 60er-Jahrenals Mittelpunkt der Hippiebewegung, De-troit in den 80er-Jahren mit House, Bris-tol in den 90ern durch den Trip-Hop. Seattle steht für Grunge. Manchester fürBritpop, Stockholm für ABBA, Köln fürminimalistischen Techno.

Vor etwa zwei Jahren haben wir unsereRecherche begonnen, um nach den Ursa-chen für dieses Phänomen zu forschen.Daraus ist das Buch Sound of the Cities. Eine popmusikalische Entdeckungsreise2 ent-standen. Es ist eine Mischung aus Popge-schichte, Erlebnisbericht und Reiseführer,hinter der das Ziel steht, die urbane Ent-stehung von Stilen und Szenen in denGroßstädten der westlichen Welt verste-hen zu lernen. Wir wollten begreifen,wie in Clubs und Proberäumen, mit Hilfevon Radio-DJs und umtriebigen Labelspopmusikalische Innovation entstehen

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Kaum einer unserer Interviewpartnerwies uns nicht auf die Bedeutung einzel-ner Clubs für seinen Werdegang hin. Ohne Max’s Kansas City, das CBGB undGaslight in New York, den Marquee-Clubund Billy’s Nightclub in London, denStar-Club in Hamburg, den Ratinger Hofin Düsseldorf oder den Tresor in Berlingäbe es weder Pop, Punk noch Techno inseiner heutigen Form. All diese Clubs sind Geschichte. Viele an-dere sind in ihrem Fortbestand gefährdet.Stichworte wie „Clubsterben“ und „Gen-trifizierung“ sind in allen großen StädtenAnlass für erbitterte Debatten geworden.Denn das nachvollziehbare Bedürfnis vonimmer mehr Menschen, mit kurzen Wegen an der Vielfalt von innerstädti-schen Kulturangeboten teilzunehmen,aber auch die Renditesucht von Immobi-lienspekulanten haben den verfügbarenRaum in angesagten Stadtteilen ver-knappt. Steigende Mieten, Luxussanie-rungen und Auseinandersetzungen überdas Nebeneinander von Wohnräumenund Clubs sind die Folge. „Wenn du eineWohnung für fünf Millionen Kronenoder mehr kaufst, dann glaubst du, duhättest das Recht, alles zu entscheiden,was in deiner Nachbarschaft passiert“,beschrieb uns der Stockholmer Song-schreiber John Roger Olsson dieses Phä-nomen. „Und der Rest (sprich: die Kul-

würfen macht Metropolen zu einem An-ziehungsort für Kreative aus der ganzenWelt. Das gedrängte Aufeinandertreffenvon Menschen mit unterschiedlichenkünstlerischen Vorstellungen, Biografienoder kulturellen Ursprüngen befördertgegenseitige Toleranz. Und so sind diebesten Städte Orte der Verschmelzung –von Nationalitäten, von Ideen, von Gen-res und Disziplinen, von Gebürtigen, Zu-gereisten und Durchreisenden. Das machtdie Metropolen zu Inkubatoren von Neu-em. Im besten Fall entsteht in ihnen einkünstlerisches Milieu der gegenseitigenAufgeschlossenheit. Unverzichtbar dafür ist die Existenz vonClubs. In ihnen wird Musik erlebbar. Hierkönnen sich Bands ausprobieren und imAustausch mit Gleichgesinnten Neuesentwickeln. Hier entstehen Szenen, hierexistiert aber auch eine niederschwelligeZugänglichkeit von kultureller Teilhabean künstlerischen Darbietungen: „Kulturfür alle von allen.“ Geht es heute verstärkt darum, Integrati-onsprozesse zu befördern, Fremdenfeind-lichkeit entgegenzuwirken, Toleranz imengen Miteinander zu entwickeln, sindClubs bedeutsame Orte der interkulturel-len Begegnung und des Kulturaustauschs.Und dieser ist wiederum ein entschei-dender Triebmotor für musikalische In-novation.

kann. Dafür sind wir in 24 Popmetropo-len gereist und haben mit 160 Künstle-rinnen und Künstlern gesprochen – 82Jahre der älteste, Anfang 20 die jüngsten.Mitglieder von weltberühmten Bands wieThe Velvet Underground, Genesis, FaithNo More oder Einstürzende Neubautenwaren ebenso darunter wie zahlreicheNewcomer. Wir saßen bei Musikpionie-ren wie Doug Yule oder Nick Gravenitesim Wohnzimmer, besuchten Gedenkstät-ten wie das Stax-Museum in Memphis,zahllose Clubs, trafen persönliche Heldenwie Judith Holofernes und Niels Frevert,Genrebegründer wie Peter Kruder undKurtis Blow und die Songschreiber hinterHits wie Summer in the City oder Kick OutThe Jams. Von ihnen allen wollten wirwissen: Wie haben sie die Entstehungvon Stilen miterlebt? Welche Clubs undwelche Erfahrungen begünstigen oder er-schweren die popkulturelle Dynamik ei-ner Großstadt? Und: Wie verändert dieviel diskutierte Gentrifizierung attraktiverStadtteile das kulturelle Umfeld einer Me-tropole? Im Laufe unserer Reise kristallisiertensich gewisse Muster heraus. Popmusika-lisch lebendige Städte sind einzigartigeKulturräume, in denen aus dem persönli-chen Austausch heraus kulturell Neuesentstanden ist. Denn die Diversität vonEntfaltungsmöglichkeiten und Lebensent-

Demonstration für die Hamburger Clubkultur

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tur, die Musik und so weiter) wird weg-gedrängt.“Insbesondere in den Hauptstädten ist inden vergangenen Jahren ein regelrechterKampf entstanden – zwischen subkultu-rell schaffenden Lebenskünstlern und finanzstärkeren Zugezogenen, die an derkulturellen Dynamik des Stadtteils teil-nehmen wollen, ohne jedoch auf ge-wohnte Lebensqualität zu verzichten.Auch wenn diese Debatte zum Teil über-dramatisierende Züge trägt, kann die so-ziokulturelle Bedeutung von innerstädti-schen Freiräumen der Kunstausübung,der Nonkonformität und des Austauschsnicht überschätzt werden. Stärker als zu-vor wird es Aufgabe der kulturpolitischenAkteure sein, von Politik über Privatwirt-schaft bis Presse und freier Szene, hiermoderierend, bestandssichernd und un-terstützend tätig zu werden. Damit Me-tropolen auch in Zukunft Orte des pro-duktiven künstlerischen Dialogs aufengstem Raum und Schmelztiegelunterschied licher Kulturen bleiben kön-nen, ist es nötig, sich immer wieder andie soziale Funktion von innerstädtischenClubs, aber auch von Proberäumen, Ate-liers, Werkstätten, Bars – subkulturellenFreiräumen im weitesten Sinne – zu erin-nern. Die Aufmerksamkeit, die der Branddes Golden Pudel Clubs ausgelöst hat,stimmt in dieser Hinsicht hoffnungsfroh,

denn das Interesse an seinem Fortbestanddeutet auf die Notwendigkeit, unan -gepasste, störrische und gesellschafts -kritische Nischen im umkämpften und attraktiven Herz der großen Metropolenzu erhalten.

1 Jan Freitag: „Bretterbude und Zentrum der Subkul-

tur“, in: ZEIT online vom 16. Februar 2016 (www.zeit.de

/hamburg/stadtleben/2016-02/golden-pudel-club-

hamburg-abgebrannt-nachruf).

2 Sound of the Cities. Eine popmusikalische Entde-

ckungsreise ist im Verlag „Rogner & Bernhard“ er-

schienen. 24 Städte. 500 Songs. 160 Bands, Solo-

künstler und Popexperten. 250 Sehenswürdigkeiten.

415 Seiten, 22,95 Euro.

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Jung

Ole Löding ist Autor des Buchs Deutschland Kata-

strophenstaat. Der Nationalsozialismus im politischen

Song der Bundesrepublik. Er promovierte 2009 über

die politische Popmusik in Deutschland, arbeitete im

Deutschen Musikinformationszentrum (MIZ) des

Deutschen Musikrats und ist heute freier Journalist.

Philipp Krohn moderierte nach einem Volontariat

beim Deutschlandfunk Politik- und Wirtschaftsmaga-

zine. Seit 2008 arbeitet er als Wirtschaftsredakteur

für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Der Pudel nach dem Brand

Überarbeitete Neuausgabe

Carl BaermannKlarinetten-

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Es muss nicht Berlin seinDie Edvard-Grieg-Forschungsstelle in Leipzig –Christian Höppner im Gespräch mit Patrick Dinslage

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Wie ist eigentlich Ihr persönliches Ver-

hältnis zu Edvard Grieg? Wann und wie

kam es zu ersten Berührungen mit dem

Komponisten?

Das reicht zurück in meine Jugend alsKlavierspieler. Eher zufällig bekam ichaus den 66 lyrischen Stücken von Griegdas Stück Hochzeitstag auf Troldhaugen indie Hände. Und das wurde dann meinLeib- und Magenstück, denn ich habe daswohl jeden Tag zehn Mal gespielt. So fingmeine Beziehung zu Grieg an. Und imWeiteren war es wohl eine persönlicheLebensfügung, dass die Schwester meinerersten Frau einen Norweger aus Bergenkennenlernte und wir unsere erste ge-meinsame Reise zu viert nach Bergenmachten. Und der erste Ort, den wir be-suchten war natürlich Troldhaugen, dasHaus in dem Grieg von 1885 bis zu sei-nem Tod lebte, wenn er sich in Bergenaufhielt.

Und diese Beziehung zu Grieg hat dann

das gesamte Leben gehalten? Oder aber:

War er für Sie immer präsent?

Er war immer präsent. Es gab natürlichHöhen, Tiefen und ja auch Wellen. Einewar meine Zeit als Prodekan im damali-gen Fachbereich Musik der HdK Berlin,1991/92. Da kam die Osloer Musikhoch-schule und warb um eine Kooperationmit uns, um den 150-jährigen Geburts-tag von Edvard Grieg gemeinsam zu fei-ern – in Oslo und Berlin, mit den beiden

Musikhochschulen. Und das war ein tol-les Event, das wir im Herbst 1993 hier ander damaligen Hochschule der Künstedurchgeführt haben. Und damit wurdeGrieg für mich gewissermaßen professio-nell. Ein Jahr später war ich dann Gastfor-scher an der Osloer Musikhochschuleund lernte zwangsläufig das dortige Insti-tut für Musikwissenschaft und seineGrieg-Forschung kennen. 1996 wurde ich dann auf den großennordeuropäischen musikwissenschaft -lichen Kongress nach Lund in Schwedeneingeladen; da hatte ich die Ehre, deneinstündigen Eröffnungs-Festvortrag zuhalten. Doch der Höhepunkt kam zweiJahre später, 1998, als ich ein halbes Jahrals Fellow an der Norwegischen Akade-mie der Wissenschaften in einer For-schergruppe arbeiten konnte. Mein Ar-beitsbereich in dieser Forschungsgemein-schaft war der junge Grieg: seine Kind-heit, seine Jugend, seine Studienzeit inLeipzig und seine ersten Karriereschritteauf deutschem wie auf norwegischemBoden. Das war mein eigentlicher Ein-stieg in die musikwissenschaftliche Be-schäftigung mit Grieg.

Hat es in dieser Forscherleidenschaft

jemals eine ernsthafte Konkurrenz für

Grieg gegeben?

Nun, ich war von Haus aus eigentlichBeethoven-Forscher. Aber da kann mannicht von Konkurrenz sprechen. Es er-

gänzte sich auf eine wunderbare Art undWeise; Grieg hat ja auch Beethoven sehrgeschätzt und viel von ihm gelernt.

Kann man das noch konkretisieren?

Als Grieg während seines Studiums inLeipzig vor der Aufgabe stand, einStreichquartett zu komponieren, hatte eranfangs keine Ahnung davon, wie er dasangehen sollte. Er nahm sich die Beetho-ven- und Mozartquartette vor und fragtesich: Wie haben die das gemacht? Er hatdas dann bravourös hinbekommen undein wunderbares Streichquartett kompo-niert. Das ist leider verlorengegangen. Eshandelt sich um ein Quartett in d-Moll.Er hat es nach seinem Studium in Bergeneinmal aufgeführt. Aber dann hat er dieStimmen verliehen und leider gingen siedabei verloren.

Würden Sie sagen, dass Grieg in unse-

rem Konzertleben zwar immer häufiger

präsent ist, aber dennoch – gemessen an

seiner kompositorischen Genialität – nicht

wirklich gewürdigt wird?

Ich glaube, das muss man differenzieren.Ich bin in Berlin sehr froh und glücklich,wie oft Grieg im Kulturleben der Stadtpräsent, wie oft er im Radio zu hören ist.Und es sind nicht nur die Highlights, dieda gespielt werden. Es kommen auch oft-mals Stücke zu Gehör, die nicht so be-kannt sind. Das freut mich jedes Mal. Vornicht allzu langer Zeit gab es jeden Tag zu

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Die Edvard-Grieg-Forschungsstelleam Institut für Musikwissenschaft

der Universität Leipzig

Der Komponist Edvard Grieg war Zeit seines Lebens der Stadt Leipzig eng verbun-den: Hier studierte er von 1858 bis 1862 Klavier und Komposition, war er angezo-gen von einem vielfältigen Musikleben, hervorragenden Klangkörpern, Solistenund inspiriert von einem Freundeskreis berühmter Komponisten wie Brahms oderTschaikowski. Im Gespräch mit Christian Höppner erläutert Patrick Dinslage, Direktor der Edvard-Grieg-Forschungsstelle am Institut für Musikwissenschaft derUniversität Leipzig, seine enge Verbundenheit zu dem norwegischen Komponisten,dessen besonderer Leistung für die heutige Musiklandschaft und warum Leipzignach Berlin zur idealen Heimat für die Edvard-Grieg-Forschungsstelle geworden ist.

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Schon seine Mutter war zur Musikausbil-dung in Deutschland, nämlich in Ham-burg. Die Beziehungen Norwegens zuDeutsch land waren bis zum zweiten Welt -krieg hervorragend. Jeder Norweger lerntedamals Deutsch als erste Fremdsprache.Das ging durch die Geschichte des DrittenReichs und die deutsche Invasion in Nor-wegen alles verloren. Doch mittlerweilesind die Beziehungen zwischen Norwegenund Deutschland so eng wie einst. Nurallein die Sprache ist verlorengegangen;nun wird in Norwegen vor allem Englischgesprochen, auch in der Wissenschaft.

Lassen Sie mich doch nochmals auf

das Thema „Neugier“ zurückkommen und

ein verwirrendes Phänomen benennen.

Eben haben Sie mir die Skizze in einem

seiner Haushaltsbücher gezeigt, in der er

ein WC konstruiert hat. Das hat mich er-

staunt, weil es mit dem musikalischen

Schaffen nun wirklich nichts zu tun hat.

Aber es zeigt Griegs breites Interessens-

spektrum, seine Neugier …

Diese Zeichnung resultierte aus der Bau-zeit seiner Villa Troldhaugen, 8 km südlichvon Bergen. Wie früher bei solchen Häu-sern üblich, befand sich das WC draußen,in so einem kleinen Häuschen. Grieg hatsich Gedanken gemacht, wie das funktio-nieren könnte. Die ganze Villa hatte er jamit wundervollen Architekturzeichnun-gen dargestellt, mit Außenansichten, mitGrundrissen. Er war ja nicht nur ein au-ßergewöhnlicher Musiker, sondern auchein begabter Maler und Zeichner.

ziger Studiums. Das hat mein DoktorvaterCarl Dahlhaus einmal sehr pointiert for-muliert: Ein Markenzeichen des LeipzigerKonservatoriums war der sogenanntepoetische Kontrapunkt, und den hatGrieg wirklich intensiv studiert. Aus denvier Leipziger Studienjahren Griegs sindrund 500 Manuskriptseiten aus seinemMusiktheorie-Unterricht mit Harmo -nielehre-Aufgaben kontrapunktischenÜbungen, Choralharmonisationen, Mo-dulationen erhalten. Man muss also viel-mehr sagen: Diese typischen Grieg-Klän-ge sind das Ergebnis seiner kontrapunk -tischen, also stimmführungsmäßigen Arbeit. Klänge fallen nicht vom Himmel,sondern werden gewissermaßen wie einGewebe aus Stimmen heraus erst entwi-ckelt. Das ist das Besondere, das Unver-wechselbare.

Vielleicht ist es eine zu kühne Überle-

gung, aber könnte dies eine Botschaft

Griegs an angehende junge Komponisten

sein?

Mit Sicherheit in dem Sinne, dass mandie Musiktheorie in der Grundausbil-dung nicht zu geringschätzen sollte, wiedas leider unter jungen Komponistenhäufig ein Problem ist.

Lassen Sie uns einmal zu einem ande-

ren Punkt springen: Wie lässt sich die

Neugier Griegs erklären, die man immer

wieder aus seiner Biografie herauslesen

kann? Ist es eine Frage seiner Sozialisa -

tion, seiner Erziehung?

einer bestimmten Uhrzeit im Radio einGrieg-Stück.

Und die Konzertprogramme der Or-

chester?

Selbst die großen Events hier in Berlin, z. B.ein Sylvester-Konzert mit den BerlinerPhilharmonikern unter Simon Rattle, spä-ter dann auch das Waldbühnen-Sommer-konzert mit Lang Lang hatten Griegs Kla-vierkonzert im Programm. Also: In Berlinist Grieg sehr gut vertreten. Aber je wei-ter man nach Süden kommt, desto selte-ner wird er gespielt. Und in Österreichist er eher unbekannt. Eigentlich ist dasunverständlich und entspricht nicht sei-ner tatsächlichen Bedeutung.

Immer wieder wird die These vertreten,

dass Grieg ein Klangfarben-Künstler,

Klangfarben-Gestalter war, also weniger

vom Rhythmus dominiert als vielmehr von

der Suche nach der Klangfarbe.

Die Klangfarbe ist gewiss ein ganz we-sentliches Element der Musik Griegs.Man braucht das Radio nur anzustellenund nach zwei Takten weiß man: Das istGrieg! Aber woran liegt das? Wie entstehtdieser besondere Klang? Dennoch denkeich, der Rhythmus bei Grieg spielt aucheine entscheidende Rolle, denn die spezi-fischen Rhythmen der norwegischenVolksmusik sind für ihn ganz entschei-dend. Aber vor allen Dingen – das möchte ichimmer wieder betonen – ist diese typi-sche Klangfarbe ein Ergebnis seines Leip-

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Edvard Grieg in einem Porträt von Leis Schjelderup

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Die Interpretationsgeschichte ist ja im-

mer wieder ein entscheidender Punkt, um

den man sich bei Aufführungen vergange-

ner Epochen kümmert. Gibt es im Werk

von Edvard Grieg so starke Umbrüche,

wie sie zum Beispiel die Interpretation

von Barockmusik durch Nikolaus Harnon-

court erlebt hat?

Der Hauptteil des Œuvres von Grieg istneben vielen Liedern und den Orchester-stücken sein Klavierwerk. In der Auffüh-rungspraxis seiner Klavierwerke gibt esdurchaus Tendenzen zu transparenteremKlavierspiel, also nicht mehr die großeromantische Welle, sondern die durchaushörbare durchsichtige Darstellung der ly-rischen Stücke oder eben anderer Klavier-kompositionen. Das könnte man viel-leicht als Tendenz festmachen. Aber nein,so radikal wie bei Harnoncourt war esnicht!

Gibt es eigentlich noch Spielraum, was

die Interpretation von Grieg betrifft? Oder

ist nicht mehr grundsätzlich Neues zu er-

warten? Vielleicht geben es auch die Wer-

ke gar nicht her?

Die Werke geben sehr viel her, und dasauch noch heute. Wenn ich nur an diesevöllig unbekannten Bearbeitungen Griegsvon vier Mozart-Klavier-Sonaten denke,zu denen er ein zweites Klavier hinzukomponiert hat. Das haben berühmtePianisten gespielt, Swjatoslaw Richter mitElisabeth Leonskaja zum Beispiel oderMartha Argerich mit Piotr Anderszewskibzw. mit Alexandre Rabinovitch. Vor we-

nigen Jahren ist in Norwegen eine neueEinspielung dieser vier Sonaten mit mei-ner Frau und ihrer norwegischen Partne-rin, dem Dena-Piano-Duo, erschienen.Der Peters-Verlag hat dies zum Anlass ge-nommen, die vergriffenen Noten neu he-rauszugeben. Und wenn man nun dieseAufnahmen hört, mit welcher Klarheit undTransparenz sie erklingen, dann sehe ichda schon einen gewaltigen Fortschritt.

Sie lehren jetzt an der Leipziger Univer-

sität, warum nicht mehr an der Universität

der Künste (UdK) in Berlin?

Nach meiner Pensionierung hätte die Ed-vard-Grieg-Forschungsstelle an der Uni-versität der Künste in Berlin keine gutenZukunftsaussichten gehabt. Räumlich ge-sehen wäre vielleicht so etwas Schreckli-ches passiert, wie in irgendeinem Neben-gelass der Volkswagen-Universitätsbiblio-thek untergebracht zu werden. DiesesPräsentsein im Hauptgebäude der Fakul-tät Musik in der Fasanenstraße in Berlin-Charlottenburg, das wäre mit Sicherheitnicht weiter möglich gewesen. Da wardas Angebot aus Leipzig ein Wink desSchicksals. Der Präsident der Grieg-Begegnungsstättein Leipzig, der auch gleichzeitig der ge-schäftsführende Direktor des Instituts fürMusikwissenschaft der Uni ist, hat dieForschungsstelle mit offenen Armen auf-genommen. Und so hat sie ein neuesakademisches Dach bekommen und inKooperation mit der Grieg-Begegnungs-stätte auch ein Öffentlichkeitsforum.

Das ist natürlich auch wegen der bio-

grafischen Bezüge eine wunderbare Lö-

sung. Aber für Berlin und für die UdK

ganz klar ein Verlust?

Auf der Website der UdK ist die zehnjäh-rige Arbeitszeit gut dokumentiert: DieKongresse 2009 – der internationale Ed-vard-Grieg-Kongress – und dann dasSymposium 2015: Alles ist dort nachzu-lesen, und es bleibt auch so. Insofern hatdie Edvard-Grieg-Forschungsstelle durch-aus ihren Beitrag zum internationalen Re-nommee der UdK Berlin beigetragen. Und wenn man einmal – losgelöst vonPersonen und Institutionen – darübernachdenkt: Wo sollte denn eine Grieg-Forschung in Deutschland angesiedeltsein, wenn nicht in Leipzig: Hier hatGrieg studiert, in dieser Stadt war er be-freundet mit dem Chef des Peters-Verla-ges, hier hat er seine europäischen Musi-ker- und Komponistenkollegen getroffen– von Johannes Brahms, über PeterTschaikowski, Heinrich von Herzogen-berg, Julius Röntgen bis zu AdolphBrodszky. Man traf sich in Leipzig. DieseStadt war in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine musikalische Welt-stadt – genauso wie Paris oder Wien. VonBerlin war damals überhaupt noch nichtdie Rede. Insofern konnte der Edvard-Grieg-Forschungsstelle gar nichts Besse-res passieren.

begegnung 51

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Patrick Dinslage Patrick Dinslage studierte in Berlin Schulmusik, Mathematik, Musiktheorie, Musikwissen-

schaft und Germanistik. Von April 2001 bis März 2007 war er Vizepräsident der Universität

der Künste Berlin und Dekan der Fakultät Musik. Von Oktober 2002 bis September 2006

übernahm er für zwei Wahlperioden das Amt des Vorsitzenden der Rektorenkonferenz der

deutschen Musikhochschulen. Seit 2005 ist er mit der Leitung der 1995 an der Universität

Münster gegründeten Edvard-Grieg-Forschungsstelle betraut. Nach ihrer Verlegung an die

UdK Berlin im Jahr 2005 hat sie im Februar 2016 mit ihm als Direktor und Emeritus ihre neue

Heimat am Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig gefunden. Von 2007 bis

2012 war Patrick Dinslage Präsident der Internationalen Edvard-Grieg-Gesellschaft. In dieser

Eigenschaft trug er die Verantwortung für die Ausrichtung der Internationalen Edvard-Grieg-

Kongresse 2009 an der UdK Berlin und 2011 in Kopenhagen. Von 2011 bis 2015 war er

Gastprofessor an der Universität Bergen/Norwegen am neu gegründeten Zentrum für Grieg-

Forschung. Im März 2015 wurde er als Mitglied in die Norwegische Akademie der Wissen-

schaften aufgenommen.

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Zwillingsbruder auf sich. Der hat wohlauch komponiert.“ Ich komme ins Grü-beln: Zwillingsbruder? Nie gehört. Buso-nis Mutter war hochschwanger von ihrem Mann in die Toskana geschlepptworden, weil das Kind unbedingt dortgeboren werden sollte. Gab’s da noch ei-nen Zwillingsbruder, der diese Reise alsungeborenes Kind nicht überstanden hat-te? Oder mit Spätfolgen. Gefunden hattemein Kollege das auf Wikipedia. Ein Klickbestätigt, da ist etwas über den Zwillings-bruder zu lesen. Sogar mit Quelle:Deutschlandfunk. Kann doch nicht sein,dass ich darüber gar nichts weiß. Ichnehme Kontakt mit der ausgewiesenenQuelle auf. Und tatsächlich: Der Berichtzum verschollenen Zwillingsbruder ent-puppt sich als ein großer Redaktions-scherz. Das passiert, wenn der 150. Ge-burtstag auf einen ersten April fällt unddann gleich auf Wikipedia als neu erwor-benes Wissen von einer social-media-

„Mozart KV 589, 3. Satz“ eingetippt undschon spielt das Hagen-Quartett nur fürmich. Ich erinnere mich: Mozart schriebdas Werk für den Cello spielenden Preu-ßenkönig, für ihn hat er den Cellopartexquisit mit einigen schönen Melodiebö-gen gestaltet. Nur an welcher Stelle indiesem Satz genau? Jetzt wären die Notenhilfreich, und ich bekomme sie auf ei-nem Portal, auf dem viele Nutzer ihreNoten einscannen und zur Verfügungstellen. Hier kann ich schnell die Stelleaus der Partitur „lesen“. Noch einSchwenk zu Wikipedia. Habe ich das Rei-sejahr, in dem Mozart nach Berlin kamrichtig im Kopf? Wobei ich mich daraufnie zu 100 Prozent verlasse, natürlichnicht! Erst kürzlich musste ich herzlichüber einen Wikipedia-Eintrag lachen. Folgendes war passiert: Ein Kollegesprach mich an: „Du hast doch etwas zuBusoni gemacht!“ „Stimmt“, sage ich. Erfragt erneut: „Und was hat es mit dem

Als ich mir vor gut zwei Jahren einTablet zugelegt hatte, war in meiner Re-daktion, für die ich hauptsächlich arbei-tete, großes Staunen angesagt. Ach,braucht man das? Das eignet sich dochnur zum Spielen. Aber dieses Tablet istmein Büro, mein Draht in alle Netzwer-ke, von überall aus. Zu jeder Zeit. Ein Beispiel: Vor dem Abholen des Jüngs-ten aus der Schule bleiben mir noch 20Minuten. Also ab ins Café nebenan, dorteinen Cappuccino bestellt, Tablet aufge-schlagen und eine weitere Moderationgeschrieben, die ich als Musikredakteurinfür den Hörfunk regelmäßig abzuliefernhabe. Meine dafür nötigen Dokumentelege ich immer auf eine Cloud oder schicke mir die Materialien selbst als Mailzu. Meine nächste Moderation, die ichentwickeln muss, ist eine Idee zu MozartsPreußischem Quartett KV 589. Ich kennedas Werk, aber wie klang das gleich nocheinmal? YouTube macht es möglich.

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DigitaleArbeitsweltSocial media ist kein Hype oder eine Modeerscheinung. Diedigitale Kommunikation nimmt immer mehr Fahrt auf undist aus unserem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Fürviele freiberuflich Tätige – ob Musiker, Veranstalter, PR-Leuteoder Autoren – mehr Segen als Fluch. Findet auch Corneliade Reese.

Mein Tablet – mein Büro Cornelia de Reese

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affinen Community verbreitet wird. Bisin den Juni hinein blieb der Artikel un-verändert so stehen. Dennoch: Ich nutzeWikipedia immer wieder, sind doch zu-meist Links auf entsprechende, seriöseGesellschaften von Komponisten gelegtoder Interviews von Künstlern verlinkt.Sehr praktisch, wenn ich sofort dieFasch-Gesellschaft finde oder das ZEIT-Interview mit der bekannten Geigerin Pa-tricia Kopatchinskaja. Meine Moderation steht. Bleiben mirnoch fünf Minuten. Zu knapp für einenPost auf Facebook! Dieses Social-Media-Portal benötigt wirklich viel Zeit. SeitJahresbeginn habe ich mir ein Konto zu-gelegt, für meine eigene berufliche PR:Seht her, ich habe Sir Simon getroffenund mit Elisabeth Leonskaja gesprochen!Die CD mit dem Bariton Andrè Schuenund seinem Pianisten Daniel Heide hateinen Echo gewonnen – eine CD, für dieich das Booklet schrieb. Immerhin kann

ich noch schnell das Foto posten, das ichin einem der ältesten Barocktheater inGotha gemacht habe – mit meinem Tab-let. Dahin hatte mich ein Feature-Auftraggebracht. Erst viel später am Abend komme ich da-zu, alle Neuigkeiten meiner Kontakte zuerfahren. Nicht selten finde ich mit die-sen News neue Moderations- und Bei-tragsideen. Oft muss ich Einladungen zuVeranstaltungen ausschlagen, weil ichnicht jeden Abend unterwegs sein kann.Aber ich kann mich zurückmelden, bindicht dran an den Aktivitäten meiner Kol-leginnen und Kollegen sowie gut infor-miert über wichtige Termine und Veran-staltungen in der Musikszene. Manchmalpasst es dann. Zuletzt lud mich das Armi-da-Quartett zu ihrem Berliner Konzert im„Heimathafen-Neukölln“ über Facebookein. Meinem Bauchgefühl folgend hatteich mein Mikrofon dabei und ganz spon-tan kam die Idee, eine Reportage aufzu-

nehmen zum Thema: „Was machen dieKünstler in ihrer Pause?“ Nach den Auf-nahmen mit den ausgelassenen Musike-rinnen und Musikern kann ich den Bei-trag schon der Redaktion vorschlagen,von meinem Tablet aus, das ich eben fastimmer zur Hand habe. Mein netzwerk-taugliches Büro, überall und ständig ...

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Cornelia de Reese, studierte Musik-und Theaterwis-

senschaft in Leipzig und Berlin. Heute arbeitet sie als

Musikredakteurin und Autorin im Bereich klassischer

Musik. Ihre Beiträge und Kritiken sind auf „kulturra-

dio“ vom rbb und Deutschlandradio-Kultur zu hören,

sie schreibt Booklettexte und für Magazine, u. a. für

das Heft der Berliner Philharmoniker 128 und das

Onlinemagazin VAN.

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Die Gesellschaft, das Internet scheintsehr basisdemokratisch geworden zusein. Strukturen, die bis dahin Bestandhatten, sind hinterfragt worden, aufge-brochen worden oder auch zerstört wor-den. So einen Prozess gab es mit Sicher-heit auch mit Einführung des Radiosoder Fernsehens. Starten wir mit der Ge-genwart und der Zukunft der „Schöpfer“.

Social MEDIA

Wir stehen inmitten einer technischen Revolution, Optimisten meinen: Evolution.Es gibt das Internet: 1.0, 2.0, und inzwischen auch schon 4.0 (das Internet der Din-ge). Das ist ein riesengroßer Einschnitt. Vor allem auch, dass es Smartphones gibt,dass jeder mobil auf alles zugreifen kann. Dass man nicht mehr an einen lokal fi-xierten Rechner gekettet ist. Laptops sind verkaufsmäßig auf einem absteigendenAst. Tablets, Smartphones regieren im Moment.

Globales Marketinginstrument oder digitales Netzwerkfür die Musikkultur? Theo Geißler

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Inwieweit ist ein Interpret oder Kompo-nist durch die neuen Möglichkeiten aufder einen Seite beschädigt, auf der ande-ren Seite auch gestützt?Die Kreativen haben mehr vor allemtechnische Möglichkeiten in der eigenenHand. Sie steuern das selbst, was vorherausgelagert wurde an Labels oder an Ver-lage oder an Vertriebe gewissermaßen …Man kann es gut oder schlecht finden,dass es die Möglichkeit gibt: Komponis-ten oder solche, die sich dafür halten,bieten kostenlos Samples an. Die restrik -tive Politik eines Künstlers mit seinem eigenen Schaffen wird da eher negativgesehen: als spießig, old school, veraltetempfunden. Und es gibt eine auch vonden großen Kommunikations-Compag -nys indirekte Forderung danach, dass dieMenschen, die Künstler umsonst etwasweggeben sollen, give-aways, Content fürihre werbefinanzierten Portale. Einerseitsentwertet die generelle Verfügbarkeit vonMusik die einzelne Schöpfung. Unterdem Druck, etwas veröffentlichen zumüssen oder etwas von sich preiszuge-ben kommt viel „Murks“ ins Web unddamit in die Öffentlichkeit. Musik für allevon allen zu jeder Zeit an jedem Ort …Andererseits bietet das auch die Chance,dadurch auf sich aufmerksam zu machenund dann durch Platin-Verkäufe oderLive-Auftritte mehr einzuspielen.Es sind die großen internationalen Kon-zerne wie Apple Music, Google Play, Spo-tify und Co., die von der Kreativität derKünstler, der Interpreten leben und Rie-sengewinne damit abschöpfen. DieKünstlerinnen und Künstler mit Cent-Be-trägen abspeisen, obwohl sie Milliarden-Gewinne einheimsen. Nicht mal richtigSteuern zahlen, zumindest bei uns nicht.Sie nutzen Musik nicht um ihrer selbstwillen, sondern als willkommenes In-strument der Profitmaximierung. Da be-steht natürlich die Gefahr, dass nur leichtkonsumierbare oder populäre Musik ge-spielt wird, weil diese möglichst schnelleinen Geldrückfluss von Investitionen er-möglicht. Auf diese Weise verändern das

Internet und diese großen Unternehmenunsere Rezeption von Musik. Alles aufeinmal verfügbar zu haben, heißt natür-lich auch, dass man eine immense Aus-wahl von Musik an der Hand hat. Wenneinem ein Stück nicht gefällt, wird mansich nicht ein zweites oder drittes Maldamit auseinandersetzen, sondern ein-fach weiterklicken. Das heißt, der nächsteStreaming-Kanal, das nächste Album, dernächste Künstler ist nur einen Mausklickentfernt. Das ist gefährlich, weil die Mu-sik zum Einheitsbrei werden kann. Dasgeht gegen Diversifikation. Wird so ein globaler Musikgeschmackgeneriert – und wonach schmeckt der?Die Musik-Streams und die Gewinne, diedamit erzielt werden, sind ein Spiegelbildunserer globalisierten und quantitativ ge-steuerten Welt. D. h., die so genannteklassische Musik oder Neue Musik oderexperimenteller Jazz haben eigentlichkaum eine Chance, in eine für den Kom-ponisten oder Interpreten ausreichendbestückte materielle Gegenwart zu füh-ren.Es ist auch viel einfacher für Komponis-ten, ein Drei-Akkord-Lied zu schreiben,das auch die radiotaugliche 3- bis 4-Mi-nutenlänge hat – anstatt sich intensiv miteiner Materie auseinanderzusetzen undan einem Werk zu arbeiten, das durch-dacht und individuell ausgeführt ist.Aber: Kann man sich dieser digitalenAusbeutung verweigern? Es gibt im Klas-sikbereich erste Versuche mit dem „ada-gio“, ein erstes Streaming-Portal für klas-sische Musik, das es besser machen will,wo man nicht nur nach Künstler oder Titel oder Albumname suchen kann, son-dern verfeinerter, weil die bisherigenSuch-Algorithmen z. B. von spotify eherauf Popmusik ausgerichtet sind und fürklassische Stücke mit vielen verschiede-nen Interpreten oder verschiedenen Auf-nahmen mit unterschiedlichen Dirigen-ten, Orchestern etc. gar nicht geeignetsind, die ganze Bandbreite darzustellen.Ob es überleben wird?

Werden wir zu kulturellen Exhibitionisten erzogen?Wenn man es ein wenig kritisch betrach-tet, dann geht es nicht mehr um den tat-sächlichen Inhalt, um den Wert der Mu-sik, sondern um eine Aufmerksamkeits-maschine oder -spirale, die sich immerschneller zu drehen scheint und in derder am lautesten schreien kann oder ambesten auf sich aufmerksam machenkann, der auch den besten technischenVermarkter hinter sich hat. Es wäre keinWettbewerb der Ideen, der musikalischenQualität mehr, sondern ein Wettbewerbder Vermarktung. Was aber bedeutet dieses „Eindringen“für die Interpreten? Mehr Nähe? MehrTransparenz? Transparenz aber auch alsweiterer Druck für die Musiker, für dieAusführenden. Werden wir nicht durch die kommerziellsehr erfolgreiche Ästhetik der Big-net-companys gewissermaßen zu kulturellen,zu musikalischen Exhibitionisten erzo-gen? Dort geht es ja darum, Informatio-nen über sich, von sich preiszugeben, dieim Zweifel persönlich, aber dann nichtmehr privat sind. Weil diese mittlerweileTeil unseres Images oder gar Teil unseresSelbst geworden sind. Wir übernehmenVerhaltensweisen, passen uns Moden an,die uns als erfolgreich vorgeflimmertwerden. Und wir verbringen mit dentechnischen Mittlern, den Tablets oderSmartphones sehr viel Zeit für indirekteKommunikation, die für persönliche Be-gegnung dann fehlt. Ich darf an all dieMenschen auf der Straße, in der U-Bahn – sogar im Theater – erinnern,die ihre Ohrstöpsel nicht ablegen undpausenlos auf ihrer kleinen Tastatur rum-hacken, um ihre Erkenntnisse, Gedankenoder Gefühle in die Welt zu twittern.Ist nicht der Begriff „soziale Netzwerke“eine völlige Irreführung? Handelt es sichnicht vielleicht um asoziale Netzwerke,weil die persönliche Kommunikation, dasSich-Treffen, das direkte Miteinander-Re-den, das Sich-In-die-Augen-Schauen da-bei zunehmend verloren geht?

musik und online-medien 55

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Musikkultur darf nicht im digitalenNirwana verschwinden

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Theo Geißler ist Verleger sowie Herausgeber der

Neuen Musikzeitung. Er ist Rundfunkmoderator beim

Bayerischen Rundfunk und Autor.

sche Phänomene ins Bewusstsein der Öf-fentlichkeit zu heben.Die Agendasetzung kommt aus demMainstream. Bedenkt man, dass es sichbei den globalen Informationsweg-Krea-toren, den Googles und Appels eigentlichnur um digitale Autobahnbauer, um in-haltslose Rennweg-Produzenten handelt,bleibt nur große Sorge um die Rolle derKultur im digitalen Zeitalter. Unsere Leit-kultur (ein Widerspruch in sich) ist dasökonomische, das materielle, messbareWachstum. Marketing und Managementfunktionieren nur, wo die Dinge messbarsind; das Digitale ist das Messbareschlechthin.Kultur darf sich aber nicht messen lassen,sondern ist selbst ein Maß. Das Maß fürdie Zukunftsfähigkeit unserer humanenGesellschaft. Es steht in Gefahr, im digita-len Nirwana zu verschwinden.

rechtigung der Gebühreneinforderung.Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hateinen Bildungs- und keinen Quotenauf-trag. Beim SWR z. B. gibt es drei Popwel-len und eine Kulturwelle, die sich auchschon ein wenig öffnet. Das ist ein Un-gleichgewicht. Und wenn das ganze jetztmit einer populistischen, quotenhei-schenden Gestaltung und viel Geld insNetz gehoben wird, häppchenformatiertund nur noch zeitgeistig, darf man umeine qualitätsvolle Präsentation an-spruchsvoller Inhalte zum Beispiel klassi-scher Musik heftig fürchten. Zur Zukunft des bisherigen Print-Musik-journalismus, des kaum noch vorhande-nen Feuilletons: Das Internet übernimmtimmer mehr die aktuelle Berichterstat-tung (ohne Gegenleistung durch Online-Abos). Wo bleibt beim Publikum dieSehnsucht nach Reflexion, nach fundier-ter Kritik, nach Kultur-Politik? Ohne Fra-ge auch ein Ergebnis der jahrzehntelan-gen Ausrichtung unseres Bildungssystemsin Richtung schneller Verwertbarkeit desSchülermaterials eben für Arbeitsplätze inHigh-Tech-Berufen. Looser sind die Geis-teswissenschaften, die sogenannten wei-chen Fächer wie eben Musik.

Musikkultur darf nicht im digitalen Nirwana verschwindenDas Digitale verändert die Geschwindig-keit des Kulturflusses und seine Nachhal-tigkeit in der Wirkung. Eine Steigerungder Moden, die sich noch schneller ablö-sen, die in großer Menge erzeugt wer-den – und man sieht, was davon dann„geht“. Die wohl recherchierte Reportagevon gestern war alt, heute ist es der Shit -storm der letzten Minuten. Aber dasemotionale Gedächtnis ist stärker als dasdigitale.Bei allen scheinbar basisdemokratischenFunktionen sogenannter sozialer Netz-werke und Vernetzungstechnologien derZukunft: Ein Problem ist, dass es immerschwieriger wird, qualitätsvoll recher-chierte Themen zu setzen, anstrengende,zeitintensive, anspruchsvolle musikali-

Manfred Spitzer macht in seiner Studienamens „Digitale Demenz“, ein wenigHoffnung. Im Prinzip sagt er, dass bei 12-,13-, 14-Jährigen die Nutzung von Me-dien wie Facebook, WhatsApp etc. zumAbbau von sozialem Kontakt führt. BeiMenschen ab Anfang 20 werden dieseApps aber eher als eine Ergänzung bzw.sogar eine Erweiterung der sozialen Kon-takte genutzt. Es kommt eben auf die Do-sis und den Zeitpunkt an.Eine Prophezeiung ist einfach: Wir wer-den noch eine ganze Weile mit illegalenPortalen leben müssen, die Musik kosten-los und damit für Schöpfer und Interpre-ten ohne jede angemessene Entlohnungverbreiten, munter aber Werbeeinnah-men über seltsame Finanzkanäle generie-ren. Sie sind kreativ in der Form, wie siesich verstecken oder wie sie sich in Län-dern oder hinter Länderendungen verste-cken können. Allein die Geschichte vonBit-Torrent, auf das viel Musik- undFilm-Sharing aufbaut, ist spannend. Hierwird nicht die Datei an sich geteilt, son-dern nur die Information darüber, wo dieDatei sich im Internet befindet. Wennman davon ausgeht, dass das Programm,das dahinter steckt, nicht illegal ist, wirddas Problem deutlich. Das ist rechtlichmit unseren aktuellen Schutz-Gesetzenüberhaupt nicht zu greifen.

Klassische Medien versus digitaleMedien?Ganz deutlich ist der Trend hin zur netz-gestützten Trimedialität mit deutlichemauch investitionsgestütztem Schwerpunktauf das Web. Der öffentlich-rechtlicheRundfunk hat einen Bildungsauftrag undeinen Kulturauftrag. Er sollte möglichstalles abbilden, sodass man die Möglich-keit hat, sich auch musikalisch breit zuinformieren. Wenn man dem aber keineÖffentlichkeit gibt, sei es durch den Wel-lentausch beim BR, sei es durch eine Fu-sionierung von Orchestern beim SWRoder durch Wegsparen von Sendungen,mit der Begründung, man erreiche damitzu wenig Leute – verliert man die Be-

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■ Bundesjugendorchester

Mit einem Konzert am 6. Juni 2016 in Mexiko-City eröffnete das Bundesjugend-orchester das Deutschlandjahr in Mexikound traf dort mit der Dirigentin Alondra dela Parra zusammen. In Anwesenheit vonAußenminister Frank-Walter Steinmeierund unter Leitung von Alondra de la Parratrat das Orchester gemeinsam mit seinemmexikanischen Partnerorchester im Palaciode Bellas Artes auf. Auf dem Programmstanden Ludwig van Beethovens Sinfonie

Nr. 3 „Eroica“ sowie die Suite La Noche delos Mayas des mexikanischen KomponistenSilvestre Revueltas. Das Konzert wurde er-möglicht durch das Auswärtige Amt unddas Goethe-Institut Mexiko.

Alondra de la Parra leitete auch die sichanschließende Arbeitsphase im August2016, die in der LandesmusikakademieColditz stattfand und mit der Teilnahme amYoung Euro Classic Festival in Berlin en-dete. Weitere Konzerte in Bonn (anlässlich

des Campus-Projekts beim Beethovenfestunter der Schirmherrschaft von Frank-Wal-ter Steinmeier) und der Berliner UdK folg-ten. Die 91 jungen Musiker des Bundesju-gendorchesters waren von der tempera-mentvollen Arbeitsweise und dem leiden-schaftlichen Dirigat der Lateinamerikane-rin beeindruckt und auch die Dirigentinhatte sichtlich Spaß. „Die Arbeit mit einemJugendorchester ist immer spannend. Siesind die Zukunft unserer Kunst und ich ge-

Informationen aus den Projekten und Mitgliedsverbänden des Deutschen Musikrats

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Viva México!Die mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra leitete die jüngste Arbeitsphase und Herbsttournee des Bundesjugendorchesters

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Die mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra

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■ Bundesjugendorchester

nieße es sehr, auf ihre frischenImpulse zu reagieren, und binglücklich zu se hen, wie sie aufdie Arbeit von erfahrenen Diri-genten reagieren“, so die Kul-turbotschafterin Mexikos.

Als Solist begeisterte derCellist Johannes Moser, derselbst Mitglied im Bundes -jugendorchester war. Weitere

Soloparts übernahmen MarinaUnruh (Sopran), Pablo Garibay(Gitarre), Juanra Urrusti (Bari-ton), Daniel Todd (Tenor) sowieDaniel Pannermayr (Bass).

Ebenfalls mexikanisch:Komponist Enrico Chapela, derzu den aufregendsten jungenTalenten der zeitgenössischenMusik Lateinamerikas zählt.

Charakteristisch für seineWerke ist die Verbindung vonElementen aus Jazz, Rock undder lateinamerikanischen Tradi-tion mit klassisch-seriellenTechniken. Seine Kompositio-nen Magnetar, Acoussence undMelate Binario kamen zur Auf-führung, wie auch die Auftrags-komposition der Deutschen

Jubiläumsbuch: „Vom Dirigieren. Annäherungen an einen Mythos“

Neugründung: „Freundeskreis Dirigentenforum“

In seiner 25-jährigen Geschichtehat das Dirigentenforum zahl-reiche Partner an seiner Seitevereint: in mehr als 300 Diri-gierkursen mit über 100 mit-wirkenden Orchestern undChören wurden über 170 jungeDirigenten gefördert. Hinzukommen fast 200 KünstlerischeLeiter und Juroren, die im Rah-men von Meisterkursen sowiebeim Auswahl- und Abschluss-dirigieren ihr Wissen und ihreErfahrung an die junge Diri-gentengeneration weitergege-

ben haben. Um diese zahlrei-chen Akteure auch zukünftigmit dem Dirigentenforum so -wie untereinander zu vernet-zen, wird im Jubiläumsjahr2016 der Verein „Freundes-kreis Dirigentenforum“ gegrün-det. Ziel des Freundeskreises istdie Vernetzung aktueller undehemaliger Stipendiaten, Men-toren, Juroren, Beiratsmitglie-der, Freunde, Förderer undPartner des Dirigentenforums,die die Arbeit des Förderpro-gramms sowohl ideell als auch

finanziell unterstützen. Dabeistehen das Anregen und För-dern des Dialogs zwischen denVereinsmitgliedern und derenAnbindung an das Dirigenten-forum im Fokus. Als Kommuni-kationsinstrument sind einquartalsmäßig erscheinenderNewsletter sowie regelmäßigeEinladungen zu Konzerten desDirigentenforums vorgesehen.

Partner und Förderer desDirigentenforums, die ihrerVerbundenheit Ausdruck ver-leihen möchten, sowie alle, die

den dirigentischen Spitzen-nachwuchs in Deutschland för-dern wollen, sind herzlich ein-geladen, sich über den „Freun-deskreis Dirigentenforum“ undeine Mitgliedschaft zu infor-mieren. Der festliche Grün-dungsakt des Vereins findet imRahmen des Jubiläumskonzer-tes am 13. November 2016 inBonn statt. Weitere Auskünfteerteilt das Projektbüro des Di-rigentenforums.

■ Dirigentenforum

Welle Zimmergramm für Gi-tarre, Solisten, Chor und Or-chester. Zum derzeitigendeutsch-mexikanischen Jahrhat Chapela ein historisches Er-eignis zum Inhalt seines Werksgemacht, die sogenannte "Zim-mermann-Depesche" von 1917.

Ein Vierteljahrhundert Dirigen-tenforum – Anlass genug, dieGeschichte dieser außerge-wöhnlichen Institution Revuepassieren zu lassen, deren jüng-ster Erfolg die Ernennung derehemaligen Stipendiatin MirgaGrazinytė-Tyla zur Chefdirigen-tin des City of BirminghamSymphony Orchestra ist, in derNachfolge von Sir Simon Rattleund Andris Nelsons. Doch dasBuch will mehr, als lediglich Bi-lanz zu ziehen. Es unternimmt

den ehrgeizigen Versuch, den„Mythos Maestro“ zu ergrün-den und nähert sich dafür demBerufsbild des Dirigenten ausunterschiedlichsten Perspekti-ven. Zum einen kommen dieProtagonisten selbst zu Wort –Pultchefinnen ebenso wie ihremännlichen Kollegen. Zum an-deren werden die Musiker be-fragt, Instrumen talisten wieSänger, die sich in die Händeder Maestri begeben. Diejeni-gen, die Dirigenten ausbilden,

die Professoren an den Hoch-schulen, und diejenigen, die sieans Pult bringen, die Intendan-ten, Agenten und Manager,stellen ihre Sicht auf angehen -de und etablierte „Luftsortierer“dar. Die Wirkungsgeschichtedes Dirigentenforums schließ-lich, als in seiner Art einzigarti-ges Förderprogramm für denDirigentennachwuchs, wird beleuchtet von den Verant-wortlichen sowie von ehemali-gen Stipendiaten und Mento-

ren. Ein Buch, das einen Blickhinter die Kulissen wirft – span-nend für die Klassikfans im Publikum, die Musiker im Or -ches ter und auf der Opern-bühne und nicht zuletzt für dieMaestri von heute und mor-gen.

Das Buch ist anlässlich desJubiläums im Herbst 2016 imUniversitätsverlag Winter er-schienen. ISBN: 978-3-8253-6638-4

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25 Jahre Dirigentenforum – es wird gefeiert!Jubiläumskonzert: „Vier auf einen Schlag“

Seit einem Vierteljahrhundert sorgt das Dirigentenforum für Spitzenqualität an den Dirigenten-pulten von heute und morgen. Anlässlich des Jubiläums lädt das Dirigentenforum zu einem gro-ßen Dirigentenfest am Sonntag, den 13. November 2016 ins World Conference Center Bonnein. Im Fokus des Festakts stehen drei Sonderprojekte: das Jubiläumskonzert „Vier auf einenSchlag“ mit dem Beethoven Orchester Bonn, das Jubiläumsbuch „Vom Dirigieren. Annäherun-gen an einen Mythos“ sowie die Neugründung eines Freundeskreises für das Dirigentenforum.

© Magdalena Spinn (Feltz), Lucian Hunziker (Gaudenz), Hagen König (Voß) und Ronald Knapp (McFall)

ganz alltägliches Programm.Die Taktstockübergabe im Kon-zert steht dabei sinnbildlich fürdie Idee des Dirigentenforums:Die Begegnung im Rahmenvon Meisterkursen ermöglichtden künstlerischen Austauschunter Kollegen, die sich im All-tag eher selten begegnen. So ist

In bewährter Dirigentenforum-Tradition wird das Jubiläums-konzert mit dem BeethovenOrchester Bonn gleich von vierDirigenten geleitet. Die Pult-chefs des Abends vereint ihreherausragende Qualität – allevier waren Stipendiaten des Di-rigentenforums und sind ausdem Förderprogramm als Preis-träger hervorgegangen: GabrielFeltz, Preisträger des Dirigen-tenforums 1999 und heuteGMD der Stadt Dortmund undChefdirigent der DortmunderPhilharmoniker, Christian Voß,Preisträger des Dirigentenfo-rums 2001 und heute GMDund Chefdirigent der NeuenElbland Philharmonie, SimonGaudenz, Preisträger des Deut-schen Dirigentenpreises 2009und heute Chefdirigent derHamburger Camerata sowieLeo McFall, der erst im vergan-genen Jahr den Deutschen Di-rigentenpreis für sich entschei-den konnte. Werke von Adès,Kodály, Tschaikowsky und Si-belius sorgen zudem für ein ab-wechslungsreiches und nicht

neben einem intensiven Aus-tausch mit den KünstlerischenMentoren, mit den Orchester-musikern, Solisten und Orche-stermanagern auch der Dialoguntereinander ein von den Sti-pendiaten und Ehemaligen desDirigentenforums hoch ge-schätztes Gut. Den Dirigenten

■ Dirigentenforum

Gabriel Feltz, Simon Gaudenz, Christian Voß und Leo McFall dirigieren das Beethoven Orchester Bonn beim Jubiläumskonzert

Konzertsaal „New York“ des World Conference Center Bonn

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in ein künstlerisches Umfeldeinzubinden und damit die in-dividuelle Entwicklung zu för-dern, ist eine tragende Säuledes Förderprogramms Dirigen-tenforum, auf der es seit 25Jahren erfolgreich aufbaut.

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■ Deutscher Musikwettbewerb

Deutscher Musikwettbewerb 2017 erstmals in Leipzig Anmeldung bis zum 27. Oktober in 13 Solo-/Ensemblekategorien & Komposition

Preisträgern und Stipendiatendes DMW winken Geldpreiseund Fördermaßnahmen wiedie Bundesauswahl KonzerteJunger Künstler, die Vermitt-lung von Preisträgerkonzertenund die Produktion einerDebüt-CD.

Für Interpreten ist dies be-reits der 43. DMW, die Katego-rie Komposition wird 2017zum achten Mal ausgeschrie-ben. Komponisten bis zumAlter von 35 Jahren können indiesem Jahr Werke für Trom-pete solo oder für QuartettSopran, Flöte, Violoncellound Klavier einreichen. Fürdie Fachjury stehen Rebecca

Saunders, Enjott Schneider, Jo-hannes Maria Staud, FrankKämpfer und Siegfried Mauserzur Verfügung. Neben demPreis des Deutschlandfunksund dem Preis des DMW – je-weils in Höhe von 2500 Euro –sollen die Preisträgerstückenach der Uraufführung zahl -reiche Wiederaufführungen,unter anderem im Rahmen derBundesauswahl Konzerte Jun-ger Künstler, erleben.

Ausschreibungen zum Download:www.musikrat.de/dmwoder anzufordern [email protected] Tel. 0228 20 91 160 oder erhältlich an allen Musikhoch-schulen Deutschlands

Zum zweiten Mal wird einePreisträger-CD des DeutschenMusikwettbewerbs mit demECHO ausgezeichnet: Die Saxo-

fonistin Asya Fateyeva erhältden ECHO Klassik des Jahres2016 in der Kategorie „Nach-wuchskünstlerin des Jahres“für ihre CD „Asya Fateyeva: Sa-xophone“. Die CD erschien inbewährter Zusammenarbeitdes Deutschen Musikrats mitdem Label GENUIN und in Ko-operation mit Deutschlandra-dio Kultur.Asya Fateyeva hat die CD zu-sammen mit den Brandenbur-ger Symphonikern unter Mi-chael Helmrath sowie mit der

Pianistin Valeriya Myrosh ein-gespielt.Die Vergabe des Preises knüpftan die ausgezeichnete Presse-und Publikumsresonanz an, dieAsya Fateyevas Karriere seitdem Gewinn des DeutschenMusikwettbewerbs und seit derVeröffentlichung der CD im Ja-nuar 2016 antreibt.Im Jahr 2013 hatte die Preisträ-ger-CD des Deutschen Musik-wettbewerbs „Uraufnahmen“des Tubisten Andreas MartinHofmeir die Jury des ECHO

Musikerinnen und Musiker inbzw. mit professioneller Aus-bildung können sich bis zum27. Oktober 2016 zum nächs -ten DMW anmelden, der vom

27. Februar bis 11. März 2017erstmals in Leipzig ausgetragenwird. Wettbewerbskategoriensind Blockflöte, Flöte, Oboe,Horn, Tenor-/Bassposaune, Cem - balo, Klavier, Schlagzeug, DuoVioline-Klavier, Duo Viola-Kla-vier, Klaviertrio, Klavierquar-tett, Ensembles in freier Beset-zung (instrumental & vokal)und Komposition.

Das neue Höchstalter fürTeilnehmer beträgt 30 Jahre(für Komponisten: 35 Jahre).

Für das Orchesterfinale unddas Abschlusskonzert der Solis-ten steht die Staatskapelle Halleunter Leitung von DominikBeykirch zur Verfügung. Den

Klassik überzeugt und die Aus-zeichnung „Instrumentalist desJahres“ erhalten.

Weitere Preisträger-CDs desDMW im Jahr 2016:

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Bettina Aust, Klarinette, Veröffent -lichung: 2. September 2016

Wies de Boevé, Kontrabass, Veröf-fentlichung: 9. Oktober 2016

Im Rahmen der Preisträgerför-derung können Konzertveran-stalter und Orchester eine För-derung beantragen, wenn siedie Preisträgerinnen und Preis-träger des DMW für Kammer-konzerte oder als Solisten bu-

Honorarzuschüsse für Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs

Saxofonistin Asya Fateyeva erhält ECHO Klassik

chen. In der Förderung sindderzeit: Preisträger des DMW 2016:• Katharina Konradi, Sopran• Raphaela Gromes, Violoncello• Valentino Worlitzsch, Violon-cello

• Simon Höfele, Trompete• Constantin Hartwig, Tuba• Tobias Klich, Komponist • Tamon Yahima, Komponist(für die Komponisten u .a. För-derung von Kompositionsauf-trägen)

Preisträger des DMW 2015:• Wies de Boevé, Kontrabass• Bettina Aust, Klarinette• Damian Scholl, Komponist

Preisträger des DMW 2014:• Frank Dupree, Klavier

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Soeben ist der Künstlerkatalogder 61. Bundesauswahl Kon-zerte Junger Künstler für dieKonzertsaison 2017/18 erschie-nen, in dem Preisträger und Sti-pendiaten des diesjährigenDeutschen Musikwettbewerbssich und ihre Konzertpro-gramme vorstellen.

Folgende bereits beste-hende oder im Anschluss anden DMW neu formierte En-sembles können ab sofort fürdie kommende Saison deutsch-landweit gebucht werden:

Duo Heesch-KułakowskiChristoph Heesch, VioloncelloMaciej Kułakowski, Violoncello

Duo Arnholdt-RedžićFriederike Luise Arnholdt, VioloncelloSanel Redžić, Gitarre

■ Deutscher Musikwettbewerb

Duo Szabo-Flowers Ildikó Szabó, VioloncelloJesse Flowers, Gitarre

Duo AmarisJulia Spies, GesangJesse Flowers, Gitarre

Duo Biloba Andreas Lipp, KlarinetteKatharina Groß, Klavier

Duo L’aura serenaJulia Spies, MezzosopranLaura Schwind, Klavier

Trio 21meter 60Constantin Hartwig, TubaFabian Neckermann, TubaSteffen Schmid, Tuba

Trio Céleste & Orgel soloSebastian Berner, TrompeteMaximilian Sutter, TrompeteAmelie Held, Orgel

Trio Berner-Sutter-WypiorSebastian Berner, TrompeteMaximilian Sutter, TrompeteThomas Wypior, Klavier

BRuCH & Sheva TehovalMarie Heeschen, Sopran /Sheva Tehoval, Sopran Sally Beck, FlöteElla Rohwer, VioloncelloClaudia Chan, Klavier

Monet Quintett(auch mit Klavier)Anissa Baniahmad, Flöte Johanna Stier, OboeNemorino Scheliga, KlarinetteMarc Gruber, HornTheo Plath, FagottHelge Aurich, Klavier

qunst.quintett (auch mit Klavier) Alexander Koval, FlöteJulia Obergfell, OboeMartin Fuchs, Klarinette

Hochkarätige Bundesauswahl mit zwölf Ensembles Start der BAKJK-Konzertvermittlung für die Saion 2017/18

Für die Teilnehmer der 61.BAKJK wurde im Juli – zumzweiten Mal gemeinsam mitdem Dirigentenforum – einedreitägige Akademie veranstal-tet mit Workshops zu den The-men Musikrecht (Vertragsrecht,Urheberrecht, KSK, GVL), Selbst -management, Interview- undPressecoaching sowie Musik &Ethos. Referenten waren unteranderem Clemens Pustejowski(Jurist mit Schwerpunkt Musikund Medienrecht) und Eleo-nore Büning (Frankfurter Allge-meine Zeitung).

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Raphael Manno, HornJohannes Hund, FagottKatharina Koval, Klavier

Auch für die Jubiläumskonzert-saison 2016/17 der 60. (!) Bun-desauswahl Konzerte JungerKünstler mit den Stipendiatendes Deutschen Musikwettbe-werbs 2015, darunter zum Bei-spiel das Aris Quartett, dasGoldmund Quartett und dieViolinisten Johanna Pichlmair,Angelo de Leo, Liya Petrova undJonian-Ilias Kadesha, sind nocheinzelne Buchungen möglich.

Seit Juli hat Milena Fey dieKonzertvermittlung der Bun-desauswahl Konzerte JungerKünstler inne, vormals Projekt-leiterin der International Tele-kom Beethoven CompetitionBonn. Sie folgt auf MariekeRabe, der für ihr langjährigesgroßes Engagement herzlichgedankt wird.

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der Fokus auf spezielle Musik-richtungen (Neue Musik, Popu-larmusik, Jazz u. a.) werden inzahlreichen Einrichtungen ab-gedeckt.

In allen Details recherchier-bar wird diese vielfältig ausdif-ferenzierte Forschungs- undDokumentationslandschaft inDeutschland beim DeutschenMusikinformationszentrum(MIZ), das die Entwicklung die-ses Bereichs bereits seit über 20Jahren umfassend darstellt.Nun hat das MIZ die Darstel-lungen aller WissenschaftlichenBibliotheken, Archive und For-schungseinrichtungen ausführ-lich überarbeitet und auf denneuesten Stand gebracht sowieum neue Einrichtungen er-gänzt. Das Spektrum reicht vonder Deutschen Nationalbiblio-thek mit dem Deutschen Mu-sikarchiv als nationale Sammel-stelle für in Deutschland er-schienene Noten und Tonträgerüber die Musikabteilungen der

großen Staatsbibliotheken, z. B.in Berlin und München, dieLandes- und Universitätsbiblio-theken bis hin zu Archiven undForschungsinstituten mit be-sonderen Schwerpunkten, et wa

■ Deutsches Musikinformationszentrum

Musikbibliotheken, Musikar-chive und Forschungseinrich-tungen haben für Wissenschaftund Praxis grundlegende Be-deutung. Quellenmaterial wieHandschriften, historische Dru -cke, Briefe und Literatur zurMusik und zum Musiklebenwerden dort zusammengetra-gen und erschlossen; umfang-reiche Sammlungen von Musi-kalien, Tonträgern und audio-visuellen Medien dienen tief-greifender Beschäftigung mitMusik, nicht selten auch alsVorbereitung für die praktischeAnwendung. Seit Langem sinddie Musikbibliotheken und -ar-chive zudem im digitalen Zeit-alter angekommen: Eigene Be-stände wurden in den vergan-genen Jahren in großer Zahl digitalisiert und stehen denNutzern als elektronische Res-source jederzeit zur Verfügung.

Doch nicht nur der Um-gang mit den Quellen hat sichin den vergangenen Jahrzehntengrundlegend geändert, sondernauch die Forschungslandschaftselbst: Vielerorts sind an oderneben den musikwissenschaft-lichen Instituten der Universi-täten und MusikhochschulenEinrichtungen entstanden, diesich mit je eigenen, ganz unter-schiedlichen Fragen aus Musik-geschichte, Musikpraxis oderMusikleben befassen. So kön-nen sich interessierte Nutzer füreine ganze Reihe von Fragenheute direkt an ausgewieseneSpezialisten wenden. Kompe-tente Ansprechpartner gibt esbeispielsweise für das ThemaTrauermusik ebenso wie fürOrgelgeschichte, Jugendkultur,Genderforschung oder phy sio -logische Besonderheiten beiprofessionellen Musikern. Auchregionale Schwerpunkte sowie

Jugendkultur, Sepulkralmusik und kostbare HandschriftenMIZ informiert über Forschungseinrichtungen, Archive und Musikbibliotheken in Deutschland

In Deutschland existieren zahlreiche Einrichtungen, die sich auf vielfältige Weise mit dem Leben und Schaffen einzelner Persönlichkeiten der Musikgeschichte auseinandersetzen. Dazu zählt auch das Beethoven-Haus Bonn,das nicht nur als Archiv und Forschungsstätte dient, sondern darüber hinaus editorisch wirkt und über ein eigenesMuseum sowie einen Konzertsaal verfügt.

Wissenschaftliche Bibliotheken, Archive und Forschungs -institute sind auf den Seiten des MIZ über die Freitextsuchesowie unter folgenden systematischen Kriterien recherchierbar:

• Laienmusizieren• Musikerziehung und -ausbildung• Musikethnologie• Regionale Sammelschwerpunkte• Erforschung und Pflege des Werks einzelner Persönlichkeiten• Frau und Musik• Musik und Medien• Musikphysiologie / Musikermedizin• Theater und Musikbühne• Musik und Kirche / geistliche Musik• Alte Musik• Neue Musik• Jazz• Populäre Musik• Musikinstrumente• Allgemeine Kulturpflege

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das Internationale Musikinsti-tut Darmstadt und das For-schungsinstitut für Musikthea-ter in Thurnau. Verzeichnetsind auch Archive, die für Spe-zialfragen zu einzelnen Musi-

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DMR aktuell VII

teilnahmen, hattejeder von ihnen dieGewissheit, aufG le i chge s inn teund ein ähnlichhohes Niveau zutreffen.

Die künstleri-sche Leitung desKammermusik-kurses lag in den Händen vonAngelika Merkle, Professorinfür Klavier-Kammermusik ander Hochschule für Musik undDarstellende Kunst Frankfurt/Main. Zusammen mit acht wei-teren Kollegen und Professorendes internationalen Hochschul-und Konzertbetriebs (Jörg Mi-chael Thomé, Fagott, MartinSpangenberg, Klarinette, Ste-phan Imorde, Klavier, Esa Ta-pani, Horn, Winfried Radema-cher, Violine, Mario Blaumer,Violoncello, Konstantin Heid -rich, Violoncello) wurden rund20 Werke bis zur Konzertreifeeinstudiert. Das musikalischeAngebot wurde ergänzt durchdie Einführung in Alexander-technik durch den DozentenValentin Keogh.

Highlights des DeutschenKammermusikkurses warendrei öffentliche Konzerte inRottweil, Donaueschingen und

Trossingen, in denen die Kurs-teilnehmer die Ergebnisse ihrerProbenarbeit präsentierten.

Der Deutsche Kammermu-sikkurs zählt zu den renom-miertesten Förderprojektenunter dem Dach des DeutschenMusikrats. Seit mehr als 50Jahren ist er für herausragendeMusikerinnen und Musiker,die sich zuvor beim Bundes-wettbewerb „Jugend musi-ziert“, bewährt hatten, Verlo-ckung und Ansporn gleicher-maßen. Träger ist der DeutscheMusikrat. Gefördert vom Bun-desministerium für Familie, Se-nioren, Frauen und Jugend undder Strecker-Stiftung.

Zwölf Tage Intensivtraining ab-solvierten die herausragendenNachwuchsmusikerinnen und–musiker ab 23. August in derBundesakademie Trossingen.Aufgrund eines Preises beimBundeswettbewerb „Jugendmusiziert“ gehörten sie zu den-jenigen, deren Bewerbung fürdieses traditionsreiche Förder-projekt unter dem Dach desDeutschen Musikrats positivbeantwortet wurde.

Jeder Teilnehmer am Kam-mermusikkurs studierte wäh-rend seines Aufenthalts min-destens zwei Kammermusik-werke ein. Die Besetzungenreichten von Klavier-, Bläser-oder Streichertrios bis zu gro-ßen Besetzungen mit Werkenvon Beethoven, Brahms, De-bussy oder Martinu. Jahr fürJahr besteht für die Jugend -lichen darin der besondere Reizan der Teilnahme. Denn andersals bei anderen Kammermusik-kursen sind neben bestehen-den Ensembles auch Einzel-spieler willkommen. Die Teil-nehmer werden im Vorfeld desKurses durch das Dozenten-team zu Ensembles zusammen-gestellt. Da alle Nachwuchsmu-siker erfolgreich am Bundes-wettbewerb „Jugend musiziert“

Junger Klang und alte MeisterDer Deutsche Kammermusikkurs „Jugend musiziert“ 2016 in Trossingen

kerpersönlichkeiten von Be-deutung sind, so das Bach-Ar-chiv Leipzig, das Beethoven-Haus Bonn, das Robert-Schu-mann-Haus Zwickau und dasNationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth. Da-rüber hinaus berücksichtigt dasMIZ laufende Editionen wis-senschaftlicher Gesamtausga-ben, Einrichtungen der musik-medizinischen Forschung so -wie Institute aus dem Themen-feld der Musikinstrumente.

Die Darstellungen des MIZinformieren jeweils über Auf-gaben, Arbeitsschwerpunkteund Bestände der einzelnenEinrichtungen, über Sammlun-gen und Sondersammelgebietesowie über archivierte Nach-lässe, soweit diese von den ein-zelnen Institutionen mitgeteiltwurden. Digitalisierte Beständeder Einrichtungen sind in vie-len Fällen direkt verlinkt. Abge-rundet werden die Beiträge mitAngaben zu selbstständiger Li-teratur und Publikationen, anderen Entstehung die Einrich-tungen maßgeblich beteiligtwaren.

Die Angebote des MIZ sind er-reichbar über die Institutionen-datenbank unter dem Linkhttp://www.miz.org/institutio-nen/wissenschaftliche-biblio-theken-archive-forschungsinsti-tute-s31

Fachbeitrag Musikrecherche:

Im Internet lassen sich viele Informa-tionen über Musik finden – und be-sonders verlässlich, wenn bei derSuche auch diverse Recherchehilfeneinbezogen werden. Susanne Heinhat im Auftrag des MIZ zusammenge-fasst, welche Möglichkeiten es gibt,nach Noten, Musikschrifttum, Ton -aufnahmen oder Biografien im Inter-net zu recherchieren. In ihrem Beitraggibt sie Tipps, wie sich mehr undbessere Ergebnisse erzielen lassenals über die einfache Suche bei goo-gle oder Wikipedia.

http://miz.org/fachbeitraege.html

■ Jugend musiziert

Sie sind jung, sie musizieren auf bewundernswert hohem

Niveau und sie sind allesamt mit einem Bundespreis von

„Jugend musiziert“ ausgezeichnet: Vor allem letzteres ist

die Voraussetzung dafür, sich zu den Interpretinnen und

Interpreten des Deutschen

Kammermusikkurses „Jugend musiziert“ zählen zu dür-

fen. Vom 23. August bis 3. September 2016 waren 40

herausragende Nachwuchsmusiker zum Deutschen

Kammermusikkurs „Jugend musiziert“ in die Bundes-

akademie für musikalische Jugendbildung Trossingen

eingeladen.

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■ Förderprojekte Zeitgenössische Musik

Körper und SeeleDer Komponist Ondřej Adámek im CD-Porträt

Schattenspiele und PuppentheaterDer EUROPEAN WORKSHOP zu Gast in Łódź, Warschau und Luxemburg

Die Interpreten, darunterdas Ensemble intercontempo-rain, das SWR VokalensembleStuttgart und das DeutscheSymphonie-Orchester Berlin,müssen bei Adámeks Werkenfast immer spieltechnischeGrenzen überschreiten: So ar-beitet der Chor auch mit Sire-nen, Schlagzeug und anderenGeräuschobjekten, und beiDusty Rusty Hush agiert das ge-samte Orchester wie eine großeMaschine: Es stampft, ächzt,kreischt und erweckt damit einstillgelegtes brandenburgischesStahlwerk wieder zum Leben.www.musikrat.de/editionVÖ:5. August 2016,WER 64192

Reich an Klangfarben, energie-geladen und zugleich fein undimmer wieder neu ausgeformtist die Musik auf der jüngstenVeröffentlichung der EDITIONZEITGENÖSSISCHE MUSIK,die den Berliner KomponistenOndřej Adámek porträtiert.

Der aus Prag stammendeAdámek bezieht die Inspiration

für seine Werke u. a. aus denspezifischen kulturellen Phäno-menen anderer Länder undKontinente, die er in Komposi-tionen wie Nôise und Karakuriverarbeitete. Daneben spieltSprache bei Adámek eine zen-trale Rolle. In den Chorstückender Porträt-CD, u. a. Poledniceund Kameny, werden dabei derSprachrhythmus sowie dieSprachlaute zum strukturbil-denden Prinzip.

Adámeks Leidenschaft fürtechnische Basteleien und allesMechanische kommt ihm auchbei seiner Suche nach neuenKlängen zugute: Für Körper undSeele entwickelte er die „Airma-chine“, ein rein mechanisches

Instrument aus Partytröten,Handschuhen und anderen auf-blasbaren Gegenständen, des-sen Klänge verblüffendmenschlich anmuten und dabeiin enger Beziehung zu Arbeitenseines bevorzugten Textdich-ters Sjón stehen.

Booklet-Autor Bernd Kün-zig versteht Adámeks Musik alseine sprachliche und musikali-sche Bricolage, „Mischformen,in denen das Natürliche mitdem künstlich Mechanischen,konkrete Rituale mit Abstrak-tion, verschiedene Sprachen,auch Klangsprache, miteinan-der konfrontiert werden undeine schließlich eigene Mixturerzeugt wird“.

mie Łódź statt. Am 23. Septem-ber wurde das Programm vor in-ternationalem Pub likum im Rah-men des Warschauer Herbstes,am 25. September im Kammer-musiksaal der Philharmonie Lu-xembourg präsentiert.www.musikrat.de/ewcm

Nachdem der EUROPEANWORKSHOP FOR CONTEMPO-RARY MUSIC (EWCM) 2014und 2015 in Deutschland statt-gefunden hatte, gastierte er indiesem Jahr in Polen sowie erst-mals auf Einladung der dortigenPhilharmonie in Luxemburg. AlsKooperationspartner für denWorkshop konnten der Deut-sche Musikrat und das FestivalWarschauer Herbst die Musik-akademie Łódź gewinnen unddadurch die Zusammenarbeitmit europäischen Musikhoch-schulen erfolgreich ausbauen.Als drittgrößte Stadt des Landeszeichnet sich Łódź durch einevielfältige Kulturszene aus, dieeine hervorragende Grundlagefür die künstlerische Arbeit desEnsembles und den kulturellenAustausch bot.

Während einer intensivenArbeitsphase vom 14. bis 20.

September 2016 studierten 18junge Musiker aus Deutschland,Polen und anderen europäi-schen Ländern unter der Leitungvon Rüdiger Bohn ein zwischenklanglicher Introvertiertheit undausladender Expressivität chan-gierendes Konzertprogrammein. An jeder der vier Komposi-tionen konnten die Workshop-Teilnehmer spezielle Spieltech-niken zeitgenössischer Musiktrainieren: so zum Beispiel beiSalvatore Sciarrinos Referenz-werk Introduzione all’oscurofeins te, zum Teil geräuschhafteklangliche Schattierungen oderbei Karakuri von Ondřej Adá-mek (Komponist der EDITIONZEITGENÖSSISCHE MUSIK) dieEinbindung szenischer Ele-mente. Dieses Stück verbindeteine extrovertierte musikalischeSprache mit der japanischen Tra-dition mechanischer Puppen

(Karakuri). So trägt das Projektdurch die Vernetzung interna-tionaler Akteure wesentlich zuminterkulturellen Dialog inEuropa bei.

Das viel beachtete Abschluss -konzert fand am 21. Septemberim Konzertsaal der Musikakade-

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Seit 1946 Sitz der Musikakademie Łódź: der prunkvolle Bau in der ul. Gdańska 32

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DMR aktuell IX

■ Bundesjazzorchester

The Art Of The ChartErstmalige Zusammenarbeit mit Jörg Achim Keller

Three Nations Under One GrooveEinmaliges Bigband-Projekt mit englischer, holländischer und deutscher Beteiligung

Vom 28. August bis 4. September 2016 kam das Bundesjazz-orchester in der Musikakademie Rheinsberg zu seiner 58.Arbeitsphase zusammen – erstmals unter Leitung von JörgAchim Keller. Der Chefdirigent der NDR-Bigband brachteneben seinen eigenen Arrangements auch Schätze aus sei-nem umfassenden Archiv, u. a. von Thad Jones, Bill Holman,Bob Brookmeyer, Ernie Wilkins, Benny Carter und Bill Fine-gan mit nach Rheinsberg. Die Erarbeitung des Programmsbegleiteten die renommierte Dozenten Axel Schlosser ( tp),Günter Bollmann ( tb), Oliver Leicht (sax), Hans Vroomans(p, rhythmus), Christian von Kaphengst (b, rhythmus) undJeff Cascaro (voc). Das erarbeitete Konzertprogramm wurdeam 3. September im Schlosstheater Rheinsberg präsentiert.

PROJE

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Drei der renommiertesten Ju-gend-Bigbands Europas – dasBundesjazzorchester (BuJazzO,Deutschland), das NationalYouth Jazz Orchestra (NYJO,United Kingdom) und das Na-tionaal Jeugd Jazz Orkest(NJJO, Niederlande) – standenim Herbst erstmals mit einemgemeinsamen Programm aufdeutschen und holländischenBühnen. Rund 55 junge Spit-

zenmusikerinnen und -musikerpräsentierten sich auf derBühne rotierend entweder inihrer Stammbesetzung oder ineiner gemischten Bigband plusSextett. Das musikalische Pro-gramm, welches die künstleri-schen Leiter Mark Armstrong(NYJO), Martin Fondse (NJJO)und Jiggs Whigham (BuJazzO)speziell für diese Kooperationzusammenstellten, umfasste u. a.

exklusives, neu komponiertesMaterial für dieses hochkarä-tige Zusammentreffen des eu-ropäischen Jazz-Spitzennach-wuchses.

Nach Proben in der Landes-musikakademie Heek vom 19.bis 22. September 2016 fandenKonzerte statt in Heek (22.9.Musikakademie), Düsseldorf(23.9. Jazz-Schmiede), Dort-mund (24.9. domicil) und Ams-

terdam (25.9. Bimhuis). ImMärz/April 2017 ist der Gegen-besuch des Bundesjazzorches-ters und des Nationaal JeugdJazz Orkest in Großbritannienin Planung. Den kulturellenAustausch innerhalb Europasvoranzutreiben und den jun-gen Jazz in Europa zu stärkensind die Hauptziele dieses Ge-meinschaftsprojekts.

Die neue BuJazzO-CD Groove And The Abstract Truth istim Oktober auf Doublemoon Records mit der Aufnahmedes Abschlusskonzerts der 54. Arbeitsphase in der Mu-sikakademie Rheinsberg vom 23. August 2014 unter derLeitung von Niels Klein erschienen.

Die CD präsentiert Werke junger Jazz-Komponistenund -Arrangeure, bei denen moderne Grooves und un-gewöhnliche Tonkonzepte im Mittelpunkt stehen.

Eine CD-Release-Tournee führt das BuJazzO am 8. November ins Jazzhaus Freiburg und am 10. Novem-ber 2016 in den Stadtgarten Köln.

Das Foto auf der Seite DMR ak-tuell I zum Beitrag „TalentierterJazznachwuchs zu Gast inKempten“ in der Ausgabe2/2016 zeigt nicht, wie dieBildunterschrift behauptet, alleTeilnehmerinnen und Teilneh-mer der 14. BundesbegegnungJugend jazzt. Abgebildet ist dasLandesjugendjazzorchesterBayern mit seinem Leiter Ha-rald Rüschenbaum (© LJJOBayern).

BuJazzO mit zehnköpfigem Vokalensemble beim Abschlusskonzertder 58. Arbeitsphase im Schlosstheater Rheinsberg

Neue BuJazzO-CD erschienen Richtigstellung

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DMR aktuell X

■ Landesmusikrat Berlin

Postkartenaktion zu Festanstellungen an Musikschulen

Obwohl die Musikschulen imBerliner Schulgesetz verankertsind, arbeiten ca. 93 Prozentaller Lehrerkräfte auf Honorar-basis und nur sieben Prozentals Festangestellte. Der bundes-deutsche Durchschnitt liegtzehn Mal höher! Zur Wahl2016 will der Berliner Landes-musikrat mit einer Postkarten-aktion auf das Problem auf-

merksam machen. Die Chancenfür eine Umsetzung der Forde-rung scheinen in Wahlkampf-zeiten gut zu stehen, dennmaßgebliche Parteien habenendlich die deutliche Auswei-tung der Festanstellungen undmehr in ihren Wahlprogram-men verankert. Auch der Ratder Berliner Bürgermeisterhatte im November vergange-

Der diesjährige Wettbewerb warausgeschrieben für die Instru-mente Oboe, Viola, Klavier, Ak-kordeon und Percussion. Alleeingesandten Kompositionenwurden von den Juroren Mo-nika Kedziora, Rainer Rubbertund Kaspar Querfurth bewer-tet. In der Kompositionswerk-

statt – vom 10. bis 14. Mai 2016in der Musikakademie Rheins-berg – wurden die Wettbewerbs -kompositionen gemeinsam mitKaren Lorenz (Viola), SabrinaMa (Percussion), Nadezda Tse-luykina (Klavier), Maxim Kolo-miiets (Oboe) und Roman Yusi-pey (Akkordeon) einstudiert.

nen Jahres festgestellt, dass derAnteil der festangestellten Mu-siklehrkräfte auf mindestens 20Prozent erhöht werden muss.Die mangelhafte Zusammen -arbeit in der zweistufigen Ber-liner Verwaltung und die unge-nügenden Abstimmungspro-zesse zwischen den 12 BerlinerBezirken hatten in der Vergan-genheit immer wieder eine

strukturelle Verbesserung blo-ckiert. Wer diese Forderungunterstützen möchte, kann diesmit der Verbreitung der Ak -tionspostkarte zum Ausdruckbringen.

Die Postkarte ist in der Geschäfts-stelle erhältlich und steht auch als PDF-Datei zum Download bereit unterwww.landesmusikrat-berlin.de

Minibassini

16. März 2016 in Potsdam u. a.Förderprogramme zur kulturel-len Bildung auf der Tagesord-nung sowie Finanzierungsprob -leme der Education-Program meder professionellen Ensemblesund die Problematik der Um-satzsteuerbefreiung für Lehr -kräfte an privaten Musikschulen.

Am 25. Mai 2016 gab eseine Fortsetzung der „Rund-tischgespräche“ in der Hoff-bauer Berufsakademie in Pots-dam. Die nächste Gesprächs-runde folgte am 21. September2016 in Frankfurt (Oder).

Die diesjährige Landesbegeg-nung „Jugend jazzt“ wurde am2. Juli 2016 in Potsdam veran-staltet. „Jugend jazzt“ verstehtsich als Podium für den talen-tierten Jazznachwuchs in Bran-denburg. Junge Musikerinnenund Musiker mit ihren Jazzen-sembles und Combos erhalten

die Gelegenheit, ihr Könnenvor Jury und Publikum unterBeweis zu stellen. Den Bestenwinkt eine Delegierung zur Bun -desbegegnung „Jugend jazzt“.

Bestandsaufnahme zur Neuen Musik

■ Landesmusikrat Brandenburg

Der LMR hat – in Zusammen -arbeit mit dem Ministerium fürWissenschaft, Forschung undKultur – eine Recherche zur Be-standsaufnahme der NeuenMusik im Land Brandenburgbegonnen. Dabei sollen dieverschiedenen Projekte im Be-reich der Neuen Musik erfasst

und ein Netzwerk aktiviertbzw. ausgebaut werden.

Zur Auswertung der Ant-worten der Landesregierung aufdie Große Anfrage zur Musikali-schen Bildung wurden und wer-den mit den Mitgliedern desLMR Brandenburg Gesprächs-runden geführt. So standen am

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Jugend komponiert Jugend jazzt

Das Seminar „Minibassini“,vom 27. bis 30. Oktober 2016hat das Thema „Wir reisen nachAmerika“. Das Seminar für Mi-nibass richtet sich an Schülerin-nen und Schüler der Alters-gruppe 6–15 Jahre, gleicherma-ßen an Anfänger und Fortge-schrittene. Neben den Dozen-tinnen Nele Weißmann und Si-mone Heumann gehört auchRandall Nordstrom zum Dozen-tenteam.

Ein Dozenten-Konzert und einAbschlusskonzert aller Teilneh-merinnen und Teilnehmer run-den das Kursangebot ab.

www.landesmusikrat-brandenburg.de

VERBÄNDE

Beim Preisträgerkonzert „Jugend komponiert“ im Schlosstheater Rheinsbergwurden die Ergebnisse des Wettbewerbs bekannt gegeben und die Stückeuraufgeführt.

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DMR aktuell XI

VERBÄNDE

■ Landesmusikrat Hessen

■ Landesmusikrat Rheinland-Pfalz

■ Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen

Jugend Jazzt Hessen

Rüsselsheim war am 10. Juli 2016 neuer Austragungsort für den31. Landeswettbewerb Jugend Jazzt. Hierzu kooperierte der LMRHessen als Träger des Wettbewerbs mit der Stadt, Kultur123 unddem Netzwerk Jazz-Fabrik. Ausgetragen wurde der Landeswettbe-werb „Jugend Jazzt Hessen“ im Theater Rüsselsheim. Die künstle-rische Leitung hatte Wolfgang Diefenbach.

Integrationsplan

„Silberne Stimmgabel“ verliehen

330 000 Menschen kamen imvergangenen Jahr nach NRW,230000 davon blieben. Für siegilt es, eine Zukunft zu schaf-fen, und dazu haben die nord-rhein-westfälischen Regierungs -raktionen ein Eckpunktepapiereines Integrationsplans vorge-legt. Am 3. Mai 2016 lud derAusschuss für Kultur und Me-dien des Landtags Sachverstän-dige zur Anhörung. Es sprachenRobert v. Zahn (LandesmusikratNRW), Rainer Bode, Julia Dillund Jochen Molck (LAG Sozio-

kulturelle Zentren), wobei v.Zahn und Bode auch den Kul-turrat NRW vertra-ten, HaraldPilzner (Stadtbibliothek Biele-feld), Susanne Keuchel (Akade-mie Remscheid) sowie vierSachver-ständige für den SektorMedien. Das Eckpunktepapierbegrüßten alle Sachverständi-gen, sie schlugen Ergän-zungen,auch Änderungen, vor und ge-wichteten Teile des Vorhabensaufgrund eigener Erfahrungen.

Ein ausführlicher Bericht findet sichunter www.lmr-nrw.de

Hörfenster zur Neuen Musik

Zum jährlich stattfindenden „Tag der Musik“ stellte das Mutare-Ensemble auf Einladung des LMR Hessen im Saal des FrankfurterHolzhausenschlösschens Musik aus der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts vor. Der Leiter des Mutare-Ensembles, Gerhard Mül-ler-Hornbach, führte als Moderator durch den Abend und erläu-terte die von Klaus Dreier, Klavier, Dirk Peppel, Querflöte, Johan-nes Blumenröther, Violine, und Susanne Müller-Hornbach, Vio-loncello, vorgetragenen Werke. Dabei ging er auf die Intention undAnlage der Stücke ein und verdeutlichte ihre Entstehungshinter-gründe. www.landesmusikrat-hessen.de

Am 26. August 2016 verliehendas NRW KULTURsekretariatund der Landesmusikrat NRWden popNRW-Preis. Die Aus-zeichnung an erfolgreiche undvielversprechende Bands ausNordrhein-Westfalen auf ihremWeg zu internationaler Präsenzwird 2016 erstmals gemeinsammit dem Landesmusikrat NRWvergeben. Es ist die fünfte Ver-leihung seit 2012. Bis 2015 ver-gab das NRW KULTURsekreta-

riat die Auszeichnung unterdem Namen „popUP NRW-Preis“. Sie wird in zwei Katego-rien ausgelobt: Der popNRW-Preis für Outstanding Artists istmit 10000 Euro dotiert, derpopNRW-Preis für Newcomermit 2500 Euro. Die Preisverlei-hung fand im Rahmen des c/opop Festivals in der Volks-bühne am Rudolfplatz (ehemalsMillowitsch-Theater) in Kölnstatt. www.popnrw.de

Verleihung popNRW-Preis 2016

Musikmentoren-Ausbildung

Der LMR hat in diesem Jahrzum zwölften Mal seine Aus-zeichnung „Silberne Stimmga-bel“ für besondere Verdiensteum das Musikleben in NRWverliehen. Diesjährige Preisträ-gerin ist Irmgard Merkt. DasPräsidium würdigt damit ihrenunermüdlichen Einsatz für die

kulturelle – und insbesonderemusikalische – Teilhabe vonMenschen mit Behinderung inder Gesellschaft. Merkt ist Pro-fessorin für das Lehrgebiet Mu-sikerziehung und Musikthera-pie in Pädagogik und Rehabili-tation bei Behinderung an derUniversität Dortmund.

Schon in jungen Jahren an einEhrenamt herangeführt zu wer-den und damit Verantwortungzu übernehmen ist eine derzentralen Aufträge im Bereichdes Laienmusizierens. In die-sem Sinne startete der LMR inKooperation mit der Landes-musikakademie und dem Lan-

desmusikverband im März diefünfteilige „Ausbildung zumMusikmentor für Bläseren -semb les“. Dort werden Jugend-liche ab 14 Jahren darauf vor-bereitet, selbstständig grundle-gende Probenarbeit mit einemEnsemble zu leisten.

Preisträger des Studiopreises des Deutschlandfunks aus der „Bundes -begegnung Jugend jazzt“: das Trio First Circle aus Hessen

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20 Jahre SommerJazz

■ Landesmusikrat Saar

■ Landesmusikrat Schleswig-Holstein

„SommerJazz“ konnte in die-sem Jahr sein 20-jähriges Be-stehen feiern. Gefeiert wurdeam ersten Abend nach demDozentenkonzert mit Teilneh-mern, aktuellen wie ehemali-gen Dozenten sowie Ehrengäs -ten aus der Politik und Kultur-szene Schleswig-Holsteins. Das bewährte Unterrichtskon-zept von „SommerJazz“ wurdeauch im zwanzigsten Jahr kon-sequent fortgeführt: Nach denmorgendlichen Rhythmus- undAufwärmübungen stand der

Vormittag ganz im Zeichen derComboarbeit, wobei jeder Do-zent eine Band von bis zu achtTeilnehmern betreute. Der In-strumentalunterricht am Nach-mittag war auf die Erforder-nisse in den Ensembles abge-stimmt. In der „SommerJazz“Bigband wurde dann der großeSound geprobt, bevor die Jam-Sessions in der „Lounge“ nochbis spät in die Nacht musizier-ten. Zum Abschluss des Kurseswurden alle Bands im „Festi-val“ präsentiert.

Präsidiumswahl und neue Geschäftsführung

Verdienstmedaille für Dieter Boden

Die Ministerpräsidentin desSaarlandes Annegret Kramp-Karrenbauer überreichte imBeisein von Daniela Schlegel-Friedrich, Landrätin des Land-kreises Merzig-Wadern, DieterBoden die Verdienstmedailledes Verdienstordens der Bun-desrepublik Deutschland fürsein außerordentliches Ehren-amts-Engagement. Als akti-ver

Musiker und Leiter der Musik-schule Merzig setzt sich DieterBoden für die Verbesserungder Rahmenbedingungen zurmusikalischen Bildung ein. Da -rüber hinaus bekleidet er vieleEhrenämter. Im Landesmusik-rat Saar wurde Dieter Boden1997 Mitglied des Präsidiums.Das Amt des Schriftführers hater bis heute inne.

Bei der diesjährigen Mitglie-derversammlung des Landes-musikrates Saar e. V. am 18.April 2016 stand unter ande-rem die Wahl eines neuen Prä-sidiums auf der Tagesordnung.Unter Versammlungsleitung

von Marianne Hurth wurdeBernhard Fromkorth von denDelegierten einstimmig als Prä-sident wiedergewählt. Wieder-gewählt wurden auch Vizeprä-sidentin Kristin Merscher undVizepräsident Hermann-Josef

Relaunch der Deutsch-Dänischen Blechbläserakademie Nach einem Jahr Pause habendie Kommune Sønderborg undder Landesmusikrat Schleswig-Holstein die Deutsch-DänischeBlechbläserakademie wiederaufgelegt. Im Fokus stand

Blechbläserkammermusik inallen Besetzungsgrößen. Ein-malig war die Atmosphäre inder „Landbrugskole“ kurz hin-ter der dänischen Grenze. Do-zenten aus Dänemark waren

Hiery. Dieter Boden übernahmerneut das Amt des Schriftfüh-rers und Arthur Knopp dasAmt des Schatzmeisters. AlsBeisitzer wurden Nike Keisin-ger sowie Bernhard Stopp wie-dergewählt.

Mit Wirkung zum 1. Juli2016 ist Mirijam Oster neueGeschäftsführerin des Landes-

musikrats Saar. Sie studierteGesang an der Hochschule fürMusik Saar sowie Kulturwis-senschaften mit dem HauptfachMusikwissenschaft an der Uni-versität des Saarlandes. Die 30-Jährige ist in der Laienmusik-szene im Saarland gut ver-netzt.www.lmr-rp.de

VERBÄNDE

DMR aktuell XII

■ Landesmusikrat Rheinland-Pfalz

■ Landesmusikrat Saar

Zum zweiten Mal vergabender LMR, der Sparkassenver-band Rheinland-Pfalz undSWR2 gemeinsam das „Spar-kassen-Musikst ipendiumRheinland-Pfalz“. Die Leiterder fünf Landesjugendensemb -les und der drei Landesjugend-wettbewerbe – alle unter demDach des Landesmusikrats –konnten drei Vorschläge ein-reichen. Eine Jury wählte fünf

junge hochtalentierte Musizie-rende aus. Ihnen wurde einzweckgebundenes Stipendiumin Höhe von je 3 000 Euroüberreicht. Im Spätjahr 2017präsentieren sich die Ausge-zeichneten in einem Konzertim Landtag Rheinland-Pfalzmusikalisch und berichten überdie Verwendung ihres Stipen-diums.

Sparkassen Musikstipendium 2016/2017

Von links nach rechts: Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich, Dieter Boden,Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer

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VERBÄNDE

DMR aktuell XIII

Der 2. Deutsche EvangelischePosaunentag in Dresden warein Riesenerfolg. 17 500 aktiveBlechbläser musizierten vom 3.bis 5. Juni 2016.Die herausra-genden Ereignisse waren dabeineben den Konzerten mit be-kannten professionellen En-sembles wie Ludwig Güttlerund der Sächsischen Bläserphil-harmonie die Serenade amSamstagabend und der Schluss-

Der Chormusik von Max Regeranlässlich seines 100. Todesta-ges widmet der VDKC ein mu-sikalisches Wochenende. In Ko-operation mit der Landesmu-sikakademie Sondershausenwird der VDKC vom 28. bis 30.Oktober 2016 eine Max-Reger-Ehrung in Sondershausen ver-anstalten. Das Erbe dieses be-deutenden Komponisten solldamit gepflegt und durch maß-stabsetzende Interpretationendem Publikum nahegebrachtwerden. Im Mittelpunkt derEhrung steht das chorische

Werk von Max Reger. Alle teil-nehmenden Chöre werden ge-meinsam das 12-stimmige„Vater unser“ für drei ge-mischte Chöre unter Leitungvon Howard Arman erarbeitenund in einem öffentlichen Ab-schlusskonzert aufführen. Indie Atelierarbeit werden Fra-gen der Interpretation derChorwerke Max Regers einbe-zogen. Darüber hinaus hatjeder Chor Gelegenheit, ein ei-genes Programm im Abschluss-konzert aufzuführen.www.vdkc.de

■ Evangelischer Posaunendienst in Deutschland

Mit einem Festakt vor rund120 geladenen Gästen aus Poli-tik und Kultur würdigte die VGMusikedition am 30. Mai 2016ihr 50-jähriges Bestehen in derVilla Elisabeth in Berlin.

Mathias Schmid, Abtei-lungsleiter aus dem Bundesjus-tizministerium, bezog in seinerKeynote Stellung zu aktuellenrechtspolitischen Themen. AxelSikorski, Präsident der VG Mu-sikedition, hob in seiner Rededie positive Entwicklung derVG Musikedition in den ver-gangenen Jahren hervor undverwies gleichzeitig auf die an-stehenden Herausforderungen.Weitere Grußworte sprachenGeorg Oeller, GEMA-Vorstand,Christian Höppner, Präsidentdes Deutschen Kulturrats undUlrich Konrad (UniversitätWürz burg). Musikalisch um-rahmt wurde der Festakt vomLeipziger Calmus-Ensemb le.

Auf der Mitgliederversamm-lung der VG Musikedition am31. Mai 2016 in Berlin berich-tete der Geschäftsführer, Chris -tian Krauß, über ein erfolgrei-

ches Geschäftsjahr 2015. Kraußerläuterte, dass in nahezu allenWahrnehmungsbereichen Er-tragssteigerungen zu verzeich-nen sind, auch wenn in be-stimmten Sparten, z. B. bzgl. desFotokopierens in Musikschu-len, der Umfang der Nutzungund die Vergütung noch in kei-nem angemessenen Verhältnisstehen.

Die bisherigen Mitgliederdes Kuratoriums des Kultur-fonds der VG Musikedition,Stefanie Clement (HofmeisterMusikverlag), Michael Kube(Neue Schubert-Ausgabe) undJulia Ronge (Beethoven-Ar-chiv), wurden von der Mitglie-derversammlung für eine wei-tere Amtszeit gewählt und be-stätigten im Anschluss MichaelKube als Vorsitzenden des Ku-ratoriums.

www.vg-musikedition.de

Max-Reger-Ehrung

50 Jahre VG Musikedition /Mitgliederversammlung

Rekordverdächtiger Posaunentag

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■ VG Musikedition

Louise Schrøder, Phil Brown,Gert Hattesen und Rolf Person,sowie Tobias Füller, FriedrichKettschau, Michael Steinkühler

und Jens Wischmeyer ausDeutschland. Die Blechbläser-akademie 2017 ist in Planung.

Wechsel im Aufsichtsrat der GEMANach dem Rücktritt von LotharVoigtländer wählten die Auf-sichtsratsmitglieder der Berufs-gruppe Komponisten CharlotteSeither als Mitglied in den Auf-sichtsrat der GEMA.

Die gebürtige Rheinland-Pfälzerin gehört zu den wich-tigsten Vertreterinnen derNeuen Musik und genießt einexzellentes Renommee in der

E-Musikszene. Sie erhielt zahl-reiche nationale und interna-tionale Auszeichnungen undPreise. Besonders verbundenmit dem Landesmusikrat Rhein-land-Pfalz ist Charlotte Seitherdurch ihre Mitarbeit im Pro-jektbeirat des JugendEnsemb -lesNeueMusik (JENM).

www.landesmusikrat-sh.de

■ Verband Deutscher Konzertchöre■ Landesmusikrat Schleswig-Holstein

gottesdienst, der vom MDRübertragen wurde. Musik vonHändel bis Reinhard Mey er-tönte, Margot Käßmann pre-digte gegen die Angst und Pe-gida, was 30 000 Menschen imStadion mit lautem und musi-kalischem Applaus bedachten.Ein großes gelungenes Fest, dasman auf Facebook Revue pas-sieren lassen kann.www.epid.de

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DMR aktuell XIV

■ Deutsche Orchestervereinigung

■ Allgemeiner Cäcilienverband für Deutschland

Theater-Marsch in HagenIn Hagen haben Kulturschaf-fende und Unterstützer miteinem Theater-Marsch gegendie geplanten Kürzungen imKulturbereich protestiert. Rund1 000 Menschen demonstrier-ten für den Erhalt und den Auf-bau der Kultur in Hagen. Die

Deutsche Orchestervereinigung(DOV) engagiert sich für dieRücknahme der geplanten Kür-zungen. Betroffen wäre auchdas Philharmonische OrchesterHagen.

Deshalb nahm DOV-Ge-schäftsführer Gerald Mertens

Relaunch JUNGE OHREN PREISNach zehn Jahren der Preisver-gabe beschreitet das NetzwerkJunge Ohren e. V. ab 2016neue Wege: Die neue Kategorie„Produktion“ zeichnet beispiel-hafte und konsistente Vermitt-lungsprogramme von Orches-tern und Institutionen des Mu-siklebens anhand selbst ent-wickelter Produktionen aus. Inder zweiten Kategorie „Exzel-lenz“ werden herausragende

Persönlichkeiten der Musikver-mittlung geehrt, die durch ihrebei-spielhafte Arbeit dem Mu-sikleben frische Akzente verlei-hen. Auch das Nominierungs-verfahren für den JUNGEOHREN PREIS hat sich geän-dert. Die Vorschläge können absofort bis zum 30. September2016 unter www.jungeohren-preis.de eingereicht werden.

KLANGRADAR BERLIN: Abschlusskonzert„Handy + Internet = Miteinan-der?“ war die zentrale Frage beider fünfmonatigen Klangexpedi-tion, zu der vier Berliner Grund-schulklassen im Februar aufge-brochen sind. Im Rahmen desProjekts „KompositionslaborSchule“ untersuchten Schülerin-nen und Schüler von vier Berli-ner Schulen zusammen mit derKomponistin Ute Wassermannund den beiden KomponistenThomas Meier und AlexandreDécoupigny, wie sich Umgangs-

weisen mit dem Handy auf mu-sikalische Situationen übertra-gen lassen. Sie verdichteten ihreKlangforschung zu eigenenKompositionen und Hörspielen.Im großen Abschlusskonzert am14. Juli 2016 in der Akademieder Künste präsentierten dieSchüler ihre Werke, die von denRegisseuren Adrienn Baszó undPanagiotis Iliopoulos (JungeStaatsoper Berlin) in Szene ge-setzt wurden.www.klangradar-berlin.de

Chorblattreihe „Canticum novum“In der Fortführung der ACV-Chorbuchreihe „Cantica nova“sind die ersten drei Nummernder neuen ACV-Chorblattreihe„Canticum novum“ erschienen.Auch sie wollen „eine in Laien-chören bewährte Auswahl vongeistlicher Musik der Gegen-wart“ präsentieren, „die Texte

der Heiligen Schrift und der Li-turgie in ein innovatives undzum Hinhören verleitendesKlanggewand hüllt und die fürden Gottesdienst geeignet ist“.Es handelt sich um Werk-Ein-zelausgaben, die bei der ACV-Geschäftsstelle in Chorstärkebezogen werden können.

Mitnahme von Instrumenten im Flugzeug-HandgepäckIm Konflikt mit Fluggesellschaf-ten um die kostenlose Mit-nahme von Musikinstrumen-ten im Handgepäck hat dieDOV einen ersten Teilerfolg er-rungen. Mit Air Berlin traf sieeine vorläufige Übereinkunft,die für die Mitnahme von Vio-linen und Bratschen gilt. Werdiese Instrumente mitnehmenwill, kündigt es Air Berlin per

Mail ([email protected]) an. Die zeitlich be-fristete Regelung soll so langegelten, bis die Fluggesellschaftihre Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen entsprechend ange-passt hat.

www.dov.org

Präsident Wolfgang Bretschneider vollendetsein 75. Lebensjahr

Monsignore Professor Dr.Wolfgang Bretschneider, lang-jähriger Präsident des Allge-meinen Cäcilien-Verbandes(ACV) für Deutschland, voll-endete am 7. August 2016 sein75. Lebensjahr. Der Priester desErzbistums Köln steht seit 1989an der Spitze des ACV; er lebtin Bonn.

www.acv-deutschland.de

■ Netzwerk Junge Ohren e. V.

am Theatermarsch teil. Bislanghaben die Kommunalpolitikereinen sachlichen Dialog ver-weigert.

Die Unterstützung gehtweit über die Grenzen derStadt und des BundeslandesNordrhein-Westfalen hinaus.Die Berliner Philharmoniker

erklärten sich solidarisch. ZurDemonstration reisten Orches-termusiker aus zahlreichen an-deren Städten an, zum Beispielaus Dortmund, Wuppertal,Bonn, Duisburg, Essen, Det-mold und Bochum.www.dov.org

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■ Verband deutscher Musikschulen

■ Jeunesses Musicales Deutschland

VERBÄNDE

10. Europäischer Musiktherapiekongress

■ Deutsche musiktherapeutische Gesell-

Vom 5. bis 9. Juli 2016 fand inWien der 10. Europäische Mu-siktherapiekongress statt. Dasvielfältige Tagungsprogrammunter dem Motto „Symphonyof Dialogues“ spiegelte diegroße Bandbreite klinischerFelder sowie den aktuellen For-schungsstand der Musikthera-pie wider. Viele DMtG-Mitglie-der referierten zu ihren Spe -

zialthemen. In einer Round-Table-Session diskutierten dieAutoren der europäischen Fach -zeitschriften über ihre Standardsin punkto Wissenschaftsjourna-lismus. Als größter deutscherFachverband war die DMtGauch mit einem eigenen Infor-mationsstand vor Ort.www.musiktherapie.de

Deutsche Streicherphilharmonie beim FestivalYoung Euro ClassicBereits zum dritten Mal wirktedas Ensemble unter Leitungseines Chefdirigenten Wolf-gang Hentrich am 1. September2016 bei dem internationalenMusikfestival mit. Das Konzertwurde von DeutschlandradioKultur aufgezeichnet und bun-desweit gesendet. Anschlie-ßend, am 3. September 2016,gab das jüngste Bundesaus-wahlorchester ein Konzert imKloster Chorin. Ihre vorherge-hende Sommertournee hattedie Deutsche Streicherphilhar-monie am 8. Juli 2016 miteinem Konzert im StadttheaterAschaffenburg zum 25-jährigenBestehen der Peter-Pirazzi-Stif-tung eröffnet, die den musika-

Die Mitglieder des bundesweit jüngsten Spitzenensembles, der Deutschen Streicherphilharmonie

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lischen Nachwuchs seit vielenJahren fördert. Anlässlich desJubiläums der Stiftung be-dankte sich das Ensemble miteinem besonderen Geschenk:Mit der Uraufführung der ei-gens für die Deutsche Strei-cherphilharmonie geschriebe-nen Komposition Vivid der jun-gen Deutsch-Israelin Shir-RanYinon. Anschließend war dasOrchester für fünf Tage nach Li-berec/Reichenberg eingeladen.Neben gemeinsamen Work-shops mit tschechischen Mu-sikschülerinnen und -schülern,spielte das Orchester drei Kon-zerte, davon eines im Wallen-stein Garten in Prag. Von dortaus folgten Gastspiele in Herrn-

World Meeting CenterZwei Spitzenensembles warenim Juli für ihre Probenphasenin Weikersheim, dem „WorldMeeting Center“ des JM Welt-verbands, zu Gast. Im JazzWorld Orchestra, einem Pro-jekt der Jeunesses MusicalesInternatio-nal, spielen jungeJazz-Talente aus 14 Ländernund von fünf Kontinenten zu-sammen. Die Aufgabe, ausknapp 20 Jazz-Talenten ein ge-meinsames Ensemble zu for-men, hatte der US-amerikani-sche Posaunist und Kom-ponistLuis Bonilla übernommen. Mitdabei war außerdem der WorldYouth Choir. Weltweit gecas -

tete junge Sängerinnen undSänger zwischen 17 und 26Jahren erarbeiteten unter derLeitung des italienischen Diri-genten Filippo Bressan ein viel-seitiges Konzertprogramm. DerChor ist ein gemeinsames Pro-jekt der Jeunesses MusicalesInternational, der InternationalFederation for Choral Musicund der European Choral Asso-ciation. Die 30 Sängerinnenund Sänger kamen aus 26 ver-schiedenen Ländern. Beide En-sembles starteten mit Konzer-ten in Weikersheim ihre jewei-ligen Sommertourneen durchDeutschland und angrenzende

Bundeswettbewerb „Jugend komponiert“ vernetzt sich weiter

Die JMD hat den Bundeswett-bewerb in den vergangenenJahren zu einem Projekt ent-wickelt, bei dem vielfältige Ver-bindungen zwischen Kompo -sitionspädagogik, namhaftenKomponisten, Spitzenmusikernund Hochschulausbildung zu-sammenlaufen und von Wei-kersheim aus wieder in die ent-sprechenden Institutionen zu-rückwirken. 2016 sind dieHochschule für Musik und Dar-stellende Kunst Frankfurt amMain und der Hessische Rund-funk als weitere Partner hinzu-gekommen. Die Kompositions-werkstatt des Bundeswettbe-werbs, die vom 29. Juli bis 5.August 2016 auf Schloss Wei-

kersheim stattfand, war erneutForum des Spitzennachwuch-ses im Bereich Komposition.Das abschließende Konzert am5. August 2016 fand erstmalsin der Hochschule für Musikund Darstellende Kunst Frank-furt am Main statt und wurdevon hr2 live mitgeschnitten.Die Werke der Jugendlichenwurden von Preisträgern undStipendiaten des DeutschenMusikwettbewerbs interpre-tiert.www.jmd.info

hut und zuletzt in Bautzen. Diemusikalische Arbeit des Orche-sters wurde erneut von denDozenten der einzelnen Stimm-gruppen begleitet: Bodo Przes -dzing (Erste Violine), Karin Kyn -ast (Zweite Violine), ClaudiaBeyer (Viola), Volkmar Weiche(Violoncello) und Axel Busch-mann (Kontrabass). Sie sindMitglieder des Rundfunk-Sinfo-

nieorchesters Berlin (RSB), demPatenorchesters der DeutschenStreicherphilharmonie. Insbe-sondere dieser Kontinuität istder einzigartige homogeneStreicherklang des jungen Spit-zenensembles der Musikschu-len zu verdanken.www.musikschulen.de

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Die Arbeit eines vertretungs -berechtigten Vorstands hat vieleFallstricke, denen sich die Kan-didaten oftmals nicht bewusstsind. Haftungsrisiken, Hand-lungsspielraum oder Routinenim Vereinsleben werden oftnach dem Gefühl der Vorsitzen-den durchgeführt. Um juristischkorrekt zu agieren, veranstalteteder Bund für Zupf- und Volks-

musik Saar am 9. April 2016 einFührungskräfteseminar für Ver-einsvorstände. Themen wie Sat-zung, Mitgliederversammlung,Haftung und Urheberrecht, dasRecht am eigenen Bild standenauf der Tagesordnung. NächsteSeminare sind für Oktober2016 und März 2017 geplant.Interessierte sind zu diesem of-fenen Seminar willkommen.

50 Jugendliche aus ganz Eu ro pa,Mitglieder des internationalenEnsembles der European Gui-tar and Mandolin Association(EGMA), folgten der Einladungdes Bundes für Zupf- und Volks -musik Saar (BZVS), des BundesDeutscher Zupfmusiker (BDZ)und der Stiftung europäischeKultur und Bildung (SEKB) zueiner einwöchigen Proben-phase in der Europäischen Aka-demie Otzenhaus. Der Aufent-halt endete am 7. August 2016mit einem Abschlusskonzert.

Die saarländische Ministerprä-sidentin Annegret Kramp-Kar-renbauer hatte die Schirmherr-schaft übernommen. Un ter derGesamtleitung des BZVS undBDZ-Präsidenten Thomas Kro-nenberger erarbeitete der künst -lerische Leiter Dominik Hack-ner mit einem internationalenDozententeam aus Frankreich,den Niederlanden und Deutsch -land ein anspruchsvolles Kon-zertprogramm. Für die Gitarris -ten wurde Stefan Jenzer ver-pflichtet. www.BZVS.de

VERBÄNDE

DMR aktuell XVI

■ Arbeitsgemeinschaft deutscher Musikakademien und Konservatorien

■ Bund Deutscher Zupfmusiker

Europäisches Jugendzupforchester zu Gastim Saarland

Seminar zum EhrenamtNeue Sprecher und neues Online-Portal

In der turnusmäßigen Ver-sammlung der Musikakade-mien in Deutschland, die ander Bundesakademie Trossin-gen stattfand, wurde nach vier-jähriger erfolgreicher Tätigkeitdas Sprecherteam Lothar Be-hounek (LandesmusikakademieHessen), Kerstin Hädrich (Bun-desakademie Wolfenbüttel) undPeter Grunwald (Landesmusik-akademie Sachsen-Anhalt) durchGuido Froese (NordkollegRends burg – Landesmusikaka-demie Schleswig-Holstein) undAntje Valentin (Landesmusik-akademie NRW) abgelöst.

Das informative Portal dermusikalischen Bildungsstättenin Deutschland ist ab soforthier zu finden: www.musika ka -de mien.de Hauptbestandteilsind Kurzporträts aller Mitglie-der des Verbands und eineÜbersicht über sämtliche ange-botenen Fortbildungen. Eineinteraktive Karte auf der Web-site gibt einen Überblick überdie geografische Verteilung derBildungsstätten.

www.musikakademien.de

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Das neue Sprecherteam der Bundes- und Landesmusikakademien inDeutschland, Antje Valentin und Guido Froese

■ GEDOK

90. Geburtstag

Die GEDOK e.V. ist mit mehrals 2 600 Mitgliedern in 23Städten Deutschlands das äl -teste und europaweit größteNetzwerk der Künstlerinnenund Kunstförderer aller Kunst-sparten. Im Jahr 2016 feiert dieGEDOK ihr 90-jähriges Beste-hen. Die Künstlerinnenvereini-gung wurde 1926 in Hamburgvon der deutschen Jüdin IdaDeh mel als „GemeinschaftDeutscher und Oesterreichi-scher Künstlerinnenvereine

aller Kunstgattungen“ gegrün-det.

Der Verband versteht sichauch heute als Bindeglied zwi-schen Künstlerinnen und derÖffentlichkeit. Mit zahlreicheninterdisziplinären Kunstprojek-ten, Ausstellungen, Lesungenund Konzerten bundesweit fei-ern die regionalen GEDOKGruppen das 90-jährige Beste-hen des Verbandes. www.gedok.de

Study Tour auf Usedom

■ Arbeitskreis Musik in der Jugend

Während der 11. Internationa-len Jugendkammerchor-Begeg-nung des AMJ findet erstmalseine begleitende Study Tour fürChorleiterinnen und -leiterstatt. Beim Hospitieren in denAteliers für Mädchen- und Ju-gendchöre können sie Impulsefür die eigene Chorarbeit ge-

winnen. Die Ateliers werdengeleitet von den internationalanerkannten Chorleitern Basi-lio Astulez, Stan Engebretsonund Dominique Tille. Gemein-sam mit Bine Becker-Beck wer-den die Eindrücke reflektiert.www.amj-musik.de /kurse

Modellprojekt zu einer internationalen LeitkulturDer AMJ wurde für das Projekt„Modellentwicklung zur Etab -lierung einer internationalenLeitkultur in Organisationenund Institutionen der Kinder-und Jugendhilfe“ ausgewählt.Das Projekt wurde von IJAB,der Fachstelle für InternationaleJugendarbeit der Bundesrepub -lik Deutschland, initiiert und in

Kooperation mit der Sozialpäd-agogischen Forschungsstelle derGoethe-Universität Frankfurtdurchgeführt. „Institutionen derKinder- und Jugendhilfe sollendabei unterstützt werden, eineinternationale Dimension zuihrer Organisation zu entwik-keln und dauerhaft zu imple-mentieren.“ (Quelle: IJAB)

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Yuka Ohta am Schlagzeug und mit anderen Instrumentarien.

Untenstehend einige der Veröffentlichungen der Edition Zeitgenössische Musik

Neunundneunzig CDs

Deutschlandfunk Künstlerfoyer, drei Damen vom Kölner Ensemble Garage spielensich ein. Auf dem Monitor ein Blick in den Kammermusiksaal: Die Kollegen derTechnik richten die Mikrofone ein, Małgorzata Walentynowicz ist am Flügel be-schäftigt, Sebastian Schottke programmiert das Beschallungspult, neben ihm Mi-chael Morawietz vom Deutschlandfunk und Komponistin Jagoda Szmytka. Es istMittwoch, vormittags Viertel vor Zehn, gleich kann der Soundcheck beginnen. FürTonmeister, Ingenieure, Technikerin und Inspizientin ein normaler Tag – für diejungen Musiker nicht. Studioarbeit im Deutschlandfunk bekommen sie nicht alleTage, das ist für sie eine Herausforderung und ebenso eine Chance.

30 Jahre Edition Zeitgenössische Musik des Deutschen Musikrats Frank Kämpfer

Bei der Edition Zeitgenössische Musiksind die Interpreten in der Regel erfah-ren, die Komponisten hingegen jung;Formationen von Rang erhöhen die Auf-merksamkeit für ihr Tun. Aber nicht im-mer braucht es gleich das Arditti Quartetoder das Ensemble Modern. Eine Porträt-CD, meist ein Debüt, soll vor allem au-thentisch sein, einen unmittelbaren Ein-druck von der Arbeit eines oder einerjungen Komponierenden vermitteln. DieMitarbeiter des Deutschen Musikrats, zurZeit hauptsächlich Gerardo Scheige undEva Pegel, helfen zu konzipieren: Wie

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links: Besprechung während derProduktion der Porträt-CD

von Steffen Krebber

rechts: Künstlerische Pausen mit Yoga-Übungen.

sammen, planen gemeinsam mit Musik-rat, Musikern und Komponist oder Kom-ponistin, mit Manfred Raths und JeanetteSinger vom Kammermusiksaal, mit Ton-meister Stephan Schmidt. Die Aufnahmengestalten sich technisch oft recht kom-plex. Aufwändige Elektroakustik ist ausdem Komponieren der heute Jungennicht wegzudenken, und mittlerweile istauch die Kamera immer öfter dabei. Andiesem Punkt ist die Förderung derNachwachsenden durch die Erfahrenenplötzlich nicht mehr Routine, sie wirdvielmehr wechselseitig zur Herausforde-rung.

Das große Ganze geht Hand inHand mit anderen Musikrats -projektenHat man als Koproduzent die frisch er-schienene Platte dann physisch in derHand, stellt sich Zufriedenheit ein. Diekleine Scheibe verkörpert, ganz klar, ei-nen herausragenden Wert: Das Cover istansprechend, Booklet und Einspielungenhaben ein sehr hohes Niveau, die Arbeitder Jungen wird dem Publikum überzeu-gend nahe gebracht. Und immer häufigerkorrespondiert das Ganze mit anderenMusikratsprojekten – etwa dem „Aben-teuer Neue Musik“, dem European Work-shop for Contemporary Music oder denKonzerten des Deutschen Musikrats. Die-ses Produkt hat viele Seiten, vor allem istes etwas anderes als irgendeine Datei imDschungel des Internets. Das Physische

auftritte, Aufträge, Stipendien, Sonderpro-jekte. Bei der Edition in die engere Aus-wahl zu kommen, gewählt und dann ge-fördert zu werden, kommt einer Aus-zeichnung gleich, welche die eigene Ent-wicklung ganz entscheidend voran brin-gen kann. Durch die drei wichtigsten Ko-produzenten, Deutschlandradio Kultur,Deutschlandfunk und die ARD, ist zudemdie nicht zu unterschätzende medialeWahrnehmung mehr oder weniger ga-rantiert. Pro Jahr fällt die Wahl auf drei,vier Kandidaten, doch Begabte gibt esdeutlich mehr. Wolfgang Rihm, der lang-jährige Juryvorsitzende, und Olaf Wege-ner, Projektleiter Zeitgenössische Musikbeim Deutschen Musikrat in Bonn, lassenallerdings nicht mit sich reden. Qualitätund Potenzial sind als Kriterien entschei-dend. Und der Rhythmus von Auswahl,Produktion und Erscheinen ist bei viersilbernen Scheiben im Jahr optimal. Odersagen wir: realistisch.Studioarbeit geht bekanntlich nie ohneProbleme: Eine junge Urheberin etwaringt mit einem noch nicht fertigenStück. Oder das einzig denkbare Ensem-ble hat erst in eineinhalb Jahren zeitlicheKapazitäten. Oder beim Abmischen fin-den Tonmeister und Komponist nicht soschnell zueinander. Zur Sache gehört, denGeförderten Zeit zu lassen, gelegentlichauch Wege zu weisen oder zu öffnen. ImDeutschlandfunk haben wir eine zuver-lässige Machart gefunden: Wir bereitenlangfristig vor, setzen uns im Vorab zu-

trifft man eine sinnvolle Auswahl ausdem eigenen Schaffen, welche Interpre-ten kommen in Frage? Und, bieten sichKooperationen an, wie viele Tage gehtman in welches Studio, und in welchemRahmen kann man insgesamt planen? Ja-goda Szmytka zum Beispiel ist erfahrenmit Elektroakustik und hat sich für Inter-preten ihres Alters entschieden, die ihreArbeiten kennen. Marina Khorkova wähltfür jedes Stück eine andere Formation;sie arbeitet mit ihren Musikern zunächstan dem von ihr beabsichtigten Klang. FürSteffen Krebber sollen zwei Titel auch aufDVD produziert werden, deswegen ist einKamerateam von der Kölner Medien-hochschule im Gespräch. Viele Komponierende haben genauesteVorstellungen, reden bis zu Schnitt undMastering engagiert mit. Die erste CDaufzunehmen, ist mit Lernvorgängen ver-bunden. Nicht selten wird dabei derBlick auf das eigene Schaffen neu justiert,werden Akzente deutlich, Positionen ge-festigt.

Die Förderung ist wie eine AuszeichnungDie Qual der Wahl beginnt bereits bei derBewerbung. Die Jury sichtet vor allemPartituren, aber es gibt anderes mehr, umauf Substanz und Entwicklung des eige-nen Werks zu verweisen: eine überzeu-gende Vita, ein geordnetes Werkverzeich-nis, ausführliche Rezensionen, gut be-schriftete Mitschnitte, aber auch Festival-

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ist nicht zu unterschätzen. Für Urheberwie Interpreten ist diese CD Spiegel undPräsentation eigenen Tuns – eine goldeneVisitenkarte gewissermaßen. Also einemaximale Empfehlung für Förderer undProduzenten, Verleger und Konzertveran-stalter. Vito Žuraj, der jetzt im Auftrag derKölner Philharmonie komponiert, ist einaktuelles Beispiel dafür. Oder AnnesleyBlack oder auch Gordon Kampe. Die Ein-zel-CD der Edition birgt eine Investitionin die Zukunft; wer hierfür ausgewähltist, der oder dem traut man zu, sich zuentwickeln, perspektivisch zu den künst-lerisch Wichtigen zu gehören. Die erstenin der vor dreißig Jahren begonnenenReihe – Peter Ruzicka, Adriana Hölszky,Mathias Spahlinger – bestätigen das un-überhörbar.

Die Edition ist Panorama zeit -genössischen KomponierensAuf mittlerweile 42 CDs leuchten dieSchriftzüge von Deutschlandradio Kulturund Deutschlandfunk, auf fast allen Lo-gos öffentlich-rechtlicher Rundfunkan-stalten. In Kürze erscheint die 100ste CD:Simon Steen-Andersen, geboren 1976 inOdder (Dänemark), wird auf ihr porträ-tiert. Auch andere jüngere Editions-Kom-ponisten sind nicht in Deutschland gebo-ren: etwa Samir Odeh-Tamimi, Jamilia Ja-zylbekova, Malika Kishino, Luís AntunesPena, Sergej Newski, Márton Illés oderSaed Haddad. Sie haben sich Deutschlandbewusst als Mittelpunkt ihres Lebens und

Schaffens gewählt – ein Land, in demNeue Musik, ja Kunst und Kultur einenbeachtlichen Stellenwert haben. Nach 30Jahren dokumentiert die Edition somitnicht nur ein vielgestaltiges substanziellesPanorama zeitgenössischen Komponie-rens und Musizierens in Deutschland, siebildet neben den musikästhetischen auchgesellschaftliche Entwicklungen ab. Glo-balisierung und Migration stellen sich imgegenwärtigen Musikleben folglich alseine Bereicherung dar; Komponierendemit Herkunft etwa aus Nah- und Fernostliefern der Musikwelt Impulse, weitenkulturelle Horizonte. Sie tragen dazu bei,Deutschland und seine Musikszene jung,dynamisch und entwicklungsfähig zuhalten. Nicht zuletzt deshalb wird dieseSzene auch international besonderswahrgenommen. An dieser Stelle also inZukünftiges zu investieren, ist richtigund zahlt sich am Ende aus; die Koopera-tion von Musikrat, öffentlich-rechtlichemRundfunk und Interpreten von Rang istdie Basis dafür.

Veranstaltungshinweis:

Am 10. Dezember 2016 feiert die Edition Zeitgenös-

sische Musik des Deutschen Musikrats ihr 30-jähri-

ges Bestehen mit einem Symposium und einem Kon-

zert im Kammermusiksaal im Deutschlandfunk.

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Frank Kämpfer ist Redakteur beim Deutschlandfunk

und leitet u.a. das Kölner Festival „Forum neuer Mu-

sik“.

Hier spielen Sie die 1.Geige.

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Hervorhebung des Hoch- und Mittelton-bereichs gespielt und klingen dadurchbesonders aggressiv. Butch Vig, dem Pro-ducer, der auch mit Smashing Pumpkinsoder Muse gearbeitet hat, gelingt es denGesang von Cobain und die revolutio -näre, nihilistische Stimmung so einzufan-gen, dass der Song nach Erscheinen zumSoundscore der Generation X wird.

Das Lebensgefühl der Generation XInsgesamt vermitteln Musik und Text einegewisse aggressive Ratlosigkeit, Rich-tungslosigkeit und Verwirrtheit in einemLeben der selbstgewählten Bohème, wo-bei Kurt Cobain immer behauptete, derText ergebe eigentlich keinen Sinn. DieKombination von Text und Musik illus-triert jedoch sehr deutlich das Lebensge-fühl seiner Altersgenossen. Die Genera -tion X fühlt sich machtlos gegenüberdem von ihren Eltern (Babyboomer-Ge-neration) propagierten Lebensgefühl der

wie Nirvana eine Mischung aus Punkund Hard Rock/Heavy Metal – Grungegenannt. Dies alles entwickelte sich vordem Hintergrund und mit Hilfe des In-dependent Plattenlabels SubPop, bei demein Teil der Bands zumindest zu Beginnihrer Karriere veröffentlichte.Smells like Teen Spirit entstand genau in derGemengelage in Seattle, in der sich be-reits Erfolge von Soundgarden, Pearl Jamoder Mudhoney abzeichneten und sichNirvanas Song als Katalysator für die be-stehende Entwicklung herausstellte.Im Song wird die energiegeladene Atmo-sphäre, den die Gitarren und das Schlag-zeugspiel Dave Grohls erzeugen, durchden Gesang von Kurt Cobain verstärktund durch Minimalisierung auf das We-sentliche u. a. auch in der Dynamik sehreindeutig dargestellt. Dabei sind soge-nannte High-Gain-Gitarrensounds beson-ders signifikant. Sie werden durch Mehr-fachverzerrung mit einer besonderen

Smells like Teen Spirit ist ein Songder Rockband Nirvana, veröffentlicht vor25 Jahren, am 24. September 1991, aufdem zweiten Album der Band mit demTitel Nevermind. Kurt Cobain, der Sängerund Songwriter der Band sagte dazu, erhabe versucht, einen Song nach dem Vor-bild der Pixies zu schreiben, die er sehrbewunderte. Der unerwartet große Erfolgdes Songs setzte jedoch nicht sofort ein.Er wurde über die Campusradios und diesogenannten alternativen Radiostationensowie MTV vorbereitet, sodass der SongAnfang 1992 über alle Kanäle und in aller Munde war. Kurt Cobain und Nirva-na wurden mit der Musik zum Sprach-rohr einer Generation, die fernab vomMainstream und in einer Protesthaltunggegenüber der bestehenden Gesellschaftgroß geworden war. In der Geburtsstadtvon Jimi Hendrix erfanden Bands wie dieMelvins, Pearl Jam, Mudhoney, Alice inChains, Soundgarden und viele andere

Viele Popsongs werden über Generationen hinweg gehört und geliebt – sie haben Popgeschichte geschrieben. Doch kennen wir jeweils die Hintergründeder Entstehung, den musikalischen Aufbau oder die Rezeptionsgeschichte? UdoDahmen stellt in seiner Kolumne „Erklär mir Pop“ jeweils einen Song undKünstler aus der Popmusikszene vor – mit freundlicher Unterstützung des SWR,der die gleichnamige Hörrubrik seit Anfang des Jahres 2013 ausstrahlt.

Erklär mir Pop

Udo DahmenUdo Dahmen studierte klassisches

Schlagzeug an der Hochschule für

Musik und Tanz Köln. Bevor er von

1983 bis 2003 als Dozent an der

Hochschule für Musik und Theater

Hamburg tätig war, arbeitete er als

Musikpädagoge und freiberuflicher

Musiker. Seit 2003 ist er Künstleri-

scher Direktor, Geschäftsführer und

Professor der Popakademie Baden-

Württemberg.

Smells like Teen Spirit von Nirvana

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Konsumlust und der Verfügbarkeit allermateriellen Güter und grenzt sich durchdie Haltung eines generellen Verzichts aller für die vorherige Kohorte geltendenWerte ab. Vor allem Konsumverzicht, je-doch auch Sorge um die Umwelt und ei-ne grundsätzliche Kritik an bestehendenWirtschaftszusammenhängen und -ver-flechtungen waren Teil dieses Ausdrucks.In der Praxis ging dies mit der Gründungvon unabhängigen Tonträgerlabels, Zeit-schriften einher, hier vor allem Fanzinesund Konzertagenturen, die sich als sub-kulturelles Gegenmodell betrachteten,wie u. a. Lollapalooza oder SupPop. Einherging dies auch mit der für viele Grunge-musiker typischen Kleidung: karierte Fla-nellhemden, Jeans, Stiefel, die bis zumheutigen Tage modische Hinterlassen-schaft dieser musikalischen Entwicklungin Seattle ist.

Tragik und ErfolgKurt Cobains „Hier wären wir nun, un-terhaltet uns!“ aus dem Song hat sich fürihn nicht bewahrheitet: Er kam seit demErfolg von Nirvana mit dem Zustand alsRockstar und den sich daraus ergebendenAntagonismen in und für sein Leben im-mer weniger zurecht, so dass er mit 27Jahren aus dem Leben schied. DaveGrohl, der Drummer der Band, ist seitvielen Jahren als Sänger, Songwriter undDrummer mit seiner Band, den Foo

Fighters, international sehr erfolgreich.Chris Novoselic, der Bassist der Band hatsowohl zeitweise bei den Foo Fightersund auch in verschiedenen eigenen Pro-jekten gespielt und sich darüber hinausim Film Sound City von Dave Grohl enga-giert.

Die Hörrubrik Erklär mir Pop des SWR2 mit Udo

Dahmen ist immer samstags um 15 Uhr zu hören.

Die Geschichte des Titels:„Teen Spirit“ ist ein Deodorant von Colgate-Palmolive. Kurt Cobain hatte die Idee zum Titel des

Songs, nachdem Kathleen Hanna, Sängerin und Frontfrau der befreundeten Band Bikini Kill,

mit einer Spraydose „Kurt smells like teen spirit“ an die Wand von Cobains Schlafzimmer ge-

schrieben hatte. Während Cobain zunächst eine tiefere Bedeutung des Geschriebenen vermu-

tete, bezog sich Hanna lediglich auf das Deodorant „Teen Spirit“, das Cobains damalige Freun-

din Tobi Vail, Schlagzeugerin von Bikini Kill, benutzte. Von der Existenz des Deodorants erfuhr

Cobain nach eigenen Angaben erst Monate nach der Veröffentlichung des Songs. Quelle: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Smells_Like_Teen_Spirit

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62 die redaktion empfiehlt

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Bachs Welt

Die Familiengeschichte eines GeniesVolker Hagedorn Reinbek bei Hamburg 2016416 Seiten, 24,95 Euro

Nein, die Eiligen, die stets Atem-losen, die stets nur im Sog desZukünftigen hechelnd durchden Alltag hetzen, sollten sichgar nicht erst mit diesem Buchbefassen! Und auch nicht jene,die immer schon vorher alleswussten, um sich nicht überra-schen und verwirren, sich nichtbefragen und sich berauschen zulassen. Dies ist kein Buch derHast, wohl aber eines der lesen-den Lust, das Volker Hagedorn,dieser Journalist und Autor, die-ser Musiker und Musikwissen-schaftler hier geschrieben hat.Hagedorn ist längst zur „Edel -feder“ avanciert, seine Artikelüber Alte Musik, über Wagneroder Boulez in der ZEIT wiesenihn schon immer als einen ori-ginellen und zugleich sehr sach-und sprachkundigen Schreiberaus, seine Gastro-Beiträge undseine Glossen sind inzwischengeradezu Legende (und preisge-krönt).„Die Männer kommen eine Mei-le hinter Nürnberg aus einemFeld, zwei Wegelagerer mit spär-lichem Bartwuchs, mittelgroß,der eine bewaffnet mit einerRadschloss-Arkebuse, der Hahnist gespannt. Er richtet sie aufVeit.“ Ein Buch über die Ge-schichte der Bachs so einzulei-ten, das ist schon mutig, dennvon der 1591 aus Pressburg

nach Thüringen ziehenden Fa-milie und einem Überfall istnichts berichtet. Die Geschichtedes Überfalls hat er von Monte-verdi übernommen, der sie ineinem Brief 1613 schildert.Doch das angewendete Verfahrender Kompilation hilft dem Leser,die Zeitumstände, den Alltag imnachreformatorischen Deutsch-land besser zu verstehen. Darfman das? Ja! Und zwar immerdann, wenn man keinen Unsinnfabuliert, sondern bestimmte As-pekte belegen kann. Das Verfah-ren wird ausführlich auf denSeiten 357 bis 393 dokumen-tiert.Diesem Buch, das auf keinenGattungsleisten passt, geht einlanger Prozess voraus, der bereitsim Jahr 2000 begann. DamalsBratscher in verschiedenen In-strumental-Ensembles, befassteHagedorn sich mit dem soge-nannten Altbachischen Archiv,das 1999 von Christoph Wolff(Harvard University), dem ver-mutlich renommiertesten Bach-forscher, in Kiew wiederentdecktwurde. In diesem Archiv fandensich Kompositionen der Bachfa-milie, die an die Berliner Sing-akademie vermacht worden wa-ren. In den Wirren des 2. Welt-kriegs gelangten sie in dieUkraine, wo Wolff sie unversehrtwiederfand. 2003 produzierte Cantus Coelln(zusammen mit Hagedorn) dasArchiv und legte damit eine Artklingender Thüringischer Musik-geschichte vor, die uns bislangnur in Ansätzen klar war. Dochdas Archiv gibt Fragen auf, dienicht einfach zu beantwortensind: Wie haben damals Musikerüberhaupt gelebt, wie waren ih-re Existenzbedingungen, warumsind sie umhergezogen, worin

bestand das Movens ihres Han-delns? Hagedorn nun versucht, dies alles mit großem Atem nachzu-zeichnen, indem er eine Famili-engeschichte der Bachs erzählt,ohne einen Roman oder eine Familienbiografie zu schreiben.Und er schreibt zugleich eineArt Kriminalroman, indem erden weiteren Weg des Archivsaufzeigt. Wenn es um eine Neu-vermessung der Zeit zwischenca. 1580 und 1999 geht, danngelingt sie hier Volker Hagedorn,der den Leser mit formalem Ge-schick in seine eigenen Recher-chewanderungen hinein nimmt.Und da ist neben ChristophWolff noch Peter Wollny zu nen-nen, der Direktor des LeipzigerBacharchivs. Beide informieren,helfen, sichern ab. Denn trotz ei-ner Fülle von abgesicherten Ein-zeldaten (der Anhang allein um-fasst 40 Seiten) bleiben für Ha-gedorn so viele Details offen,dass er auch mit von ihm doku-mentierten Mutmaßungen arbei-ten muss. Es ist ihm brillant und prägnant,ja geradezu detailbesessen ge-lungen, Recherche, Reportage,musikalische Analyse und Erzäh-lung in ein neu verwobenesGanzes zu verzaubern, für das esletztlich nichts wirklich Ver-gleichbares gibt. Wer sich in die-se (musik-)politische, diese So-zial- und Religionsgeschichtedieser Mehr-Generationen-Musi-kerfamilie und ihres Altba-chischen Archivs begibt, gerät inein Labyrinth, dessen Ariadnefa-den von Hagedorn bereits gelegtwurde, sodass der Leser, einge-hüllt in die Entschleunigung, amEnde zwar nicht mehr so ganzgenau weiß, wo und wann ersich gerade befindet, im 17.

Jahrhundert, heute? Aber: Alleswird zum Jetzt!Die Gegenwart beginnt, indemdie Geschichte präsent und dasGegenwärtige zum Vergangenenwird … ohne die Eiligen, Abge-hetzten, das Leben nicht Wahr-nehmenden. Hans Bäßler

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die redaktion empfiehlt 63

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Fahrt in die Welt

Kästner in Liedern und Chansons von Edmund Nick Constance Heller, Gesang Gerold Huber, KlavierDagmar Nick, SprecherinSpektral Records, 2015

Ein Kleinod vergangener Zeiten?Das ist selten geworden auf demCD-Markt. Es lohnt sich, dieseLieder aus dem Orkus schnellle-bigen Vergessens zu reißen. Be-sonders dann, wenn sie in solchhoher Qualität dargeboten wer-den wie in der bei Spektral er-schienen CD-Aufnahme der Lie-der und Chansons von ErichKästner, vertont von EdmundNick. Es liegt möglicherweiseam Genre der Brettl-Lieder, dassder Tondichter erst in zweiter Li-nie nach dem Textdichter ge-nannt wird. Nicht so bei derNeuaufnahme des avanciertenTeams: Die ‚klassische‘ SängerinConstance Heller, zu Hause aufden großen Bühnen wie derStaatsoper Berlin, der Semper-oper und den Bayreuther Fest-spielen, lotet alle Bereiche diesesGenres gemeinsam mit dem ver-sierten Klavierbegleiter GeroldHuber aus, der regelmäßig u.a.mit Christian Gerhaher, MichaelVolle oder Mojca Erdmann zu-sammenarbeitet, beraten von dervielfach ausgezeichneten Lyrike-rin Dagmar Nick, der Tochter desKomponisten, die mit der Rezi-tation des 13. Monats des Lie-derzyklus Die 13 Monate den gelungenen Schlusspunkt einersorgfältig erarbeiteten Produk -tion setzt.Die Künstler lassen das faszinie-rende Genre zwischen E- und U-Musik lebendig werden. Diedem Genre räumlich angemesse-

nen Tontechnik des TonmeistersPeter Lang lässt gleichsam dasScheinwerferlicht, den knarren-den Boden und den leicht stau-bigen Geruch einer „Bretterbüh-ne“ spürbar werden. Geradeso,als säße man in der Katakombein Berlin oder der Schaubude inMünchen, wo Kästner und Nickeinst zusammenwirkten. Käst-ners Gedichte erfüllen sich erstin der Komposition Nicks, wo-bei diese sich nie in den Vorder-grund schiebt. Nicks Vertonun-gen scheinen so selbstverständ-lich, dass man sie gar nicht als eigenständige Musik wahr-nimmt. Nick setzt „einfach“kongenial die Texte Kästners inMusik um. Die Lieder und Chan-sons waren von vornherein einegemeinsame Arbeit von ErichKästner und seinem Freund Ed-mund Nick, der MusikalischerLeiter der Katakombe und derSchaubude war.Mit Recht darf die hohe Kunst-fertigkeit der Komposition Ed-mund Nicks herausgestellt wer-den, die sich gerade nicht be-wusst in den Vordergrunddrängt. Aufgrund seiner reichenErfahrung als Musikdirektor desspäteren Staatstheaters am Gärt-nerplatz oder als Gründer derCappella Coloniensis – ein fürdamalige Verhältnisse völlig neu-artig aufgestelltes an der histo-risch informierten Aufführungs-praxis orientiertes Kammeror-chester – formt Nick die Liederzu einem filigranen Geflecht. Erlässt dem Text sein Recht des Ka-barettgesangs, der auch von derdirekten Ansprache des Publi-kums lebt.Genau diese Gratwanderungzwischen hoher dienender Kunstund auch bisweilen dem Textentsprechender Direktheit des

deutlich wird und vor Energieund Virtuosität üppig strotzt,zeigt sich im Zyklus Die 13 Mo-nate eine verhaltene und ins all-gemein Philosophische gehendePoesie. In diesem Zyklus wirddeutlich, dass sich Komponistund Dichter vom Genre desChanson wegbewegt und ihrenStil zum Kunstgesang gewandelthaben. Text und Musik scheinenauf das Wesentliche reduziert.Die direkte politische und gesell-schaftskritische Ansprache hateiner witzigen, bisweilen aber-witzigen Surrealität Platz ge-macht, ohne den philosophi-schen Nährboden zu verlieren.Diesen Rahmen der Schlichtheitdes Ausdrucks zu wahren, dientder erneute Grenzgang der Mu-sik Edmund Nicks, den man si-cher gleichberechtigt nebenKomponisten wie Kurt Weillstellen kann.

Benedikt Holtbernd

leicht Ordinären verstehen Sän-gerin und Pianist zu gehen. Ge-rold Huber setzt sich nicht zumersten Mal mit den WerkenNicks auseinander. Er hat bereitseinige CD-Aufnahmen vorgelegt.In genauer Kenntnis des Klavier-auszugs und sicher auch der Par-titur im Falle des Zyklus Die 13Monate, zu dem Nick ursprüng-lich vom ZDF den Auftrag er-hielt, ihn für Orchester zu verto-nen, vermag er die von Nickeingeforderte Virtuosität mit derSchlichtheit eines fast rezitativi-schen Spiels zu verbinden. Indieses schillernde Klangfeldkann sich Constance Heller mitihrem dunkel timbrierten Mezzo -sopran hervorragend mit ge-sanglicher Raffinesse zwischenhohem Kunstgesang und kaba-rettistischem Sprechgesang hi-neinbegeben. Nie überschreitenbeide die Grenze einerseits zumreinen Kunstgesang, noch ande-rerseits zum reinen Sprechen,bei dem die Musik nur Hinter-grund wäre. Durch ihre gemein-same hohe Interpretationskunst,die das ganze gesangstechnischeund pianistische Ausdrucksspek-trum umfasst, lassen sie die TexteKästners in ihrer spezifischen Atmosphäre lebendig werden.Gleichzeitig wahren sie eine ge-wisse Distanz, die auch den his-torischen Kontext deutlich wer-den lässt. Dabei erweist sich die Auswahlder Lieder und Chansons vonbesonderem Reiz, bildet siedoch sowohl den Anfang, alsauch die späte Phase der Zusam-menarbeit von Nick und Kästnerab. Während die Chansons von1929 bis 1946 von einer gesell-schaftlichen, auch politischenDirektheit des Kabaretts geprägtsind, die musikalisch durch Zitate

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64 finale

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Hören Sie noch Musik und sehen Sieschon Musik? Wozu die Ohren belasten,wenn die Augen das Hören doch gleichmitabnehmen können. Es ist auch ganzschön anstrengend, einfach nur zuzuhö-ren. Die Ouvertüre zu Fidelio von Ludwigvan Beethoven mit der SächsischenStaatskapelle wurde deshalb folgerichtigmit einem wirren Mix aus zusammen-hanglosen Filmschnipseln zur DeutschenEinheit und Maestro Thielemann von vor-ne auf einer Leinwand über dem Orches-ter schwebend begleitet. Was haben sich

die Veranstalter dabei gedacht? Wir zei-gen euch, was ihr wahrzunehmen habt,was wichtig ist? Ich habe erst krampfhaftversucht nicht hinzuschauen. Das war zuanstrengend. Also habe ich die Augen ge-schlossen und mich an der wundervollenInterpretation erfreut. Musik erleben mitallen Sinnen, aber ohne verdummendesBeiwerksgeplänkel. Hinhören, Zuhören,Reinhören, Durchhören sind heute mehrdenn je gefragt. Es lebe die Vorherrschaftdes Hörens.

Karl Senftenhuber

Von der Virtualisierung des Hörens

Vorschau

Musikforum 4/2016

Musik im Konflikt

Krise. Terror. Konflikt. In der aktuellenmedialen Berichterstattung werden wirtagtäglich mit Meldungen konfrontiert,die genau diese Nachricht an uns weiter-geben. Auch im Kulturbereich sind Nega-tivschlagzeilen keine Seltenheit. Musik,Musikerinnen und Musiker, ganze Klang-körper werden nur noch als Finanzprob -lem wahrgenommen. Doch ist demwirklich so? Sind Musikgenre wie die derKlassik oder der Neuen Musik – wie oftbehauptet wird – tatsächlich dem Nie-dergang geweiht? Wie wichtig sind dieVielfalt der Musiklandschaft und ihre Ak-teure, um Konflikte zu lösen oder gar zuvermeiden? Wie verhält es sich mit der

Soft Power von Kunst und Kultur im au-ßenpolitischen Dialog? Antworten, Mei-nungen und Denkanstöße dazu finden Siein unserer nächsten Ausgabe des Musikfo-rums. Außerdem beschäftigen uns folgendeThe men: musikalische Integrationspro-jekte, mit Best-practice-Beispielen undStolpersteinen; oder: Präsentiert auf einenBlick: die neue Plattform des Musikinfor-mationszentrums miz. Gern können Sie, liebe Leserinnen undLeser, uns vorab Ihre Meinungenund/oder Erfahrungen zu diesem Fokus-Thema per E-Mail senden:[email protected].

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