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Ausstellung "Vergebung und Versöhnung. Kardinal Kominek. Unbekannter Gründervater Europas" Botschaft des Stadtpräsidenten von Wrocław

"Vergebung und Versöhnung. Kardinal Kominek. Unbekannter Gründervater Europas"

Infolge der Vereinbarungen nach Ende des Zweiten Weltkriegs fand sich die deutsche Stadt in den

Grenzen Polens wieder und wurde zu Wrocław. Von hier wurden die Vorkriegsbewohner,

überwiegend Deutsche, vertrieben, angesiedelt hingegen wurden Polen, die aus unterschiedlichen

Teilen des Landes kamen und aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten ausgesiedelt wurden. Es

ist wohl die einzige Großstadt, in der es zu einem hundertprozentigen Bevölkerungsaustausch

gekommen ist. Das heutige Wrocław ist somit in gewissem Sinne der Effekt der Wirkung von drei

verbrecherischen "Erfindungen" des 20. Jahrhunderts - Faschismus, Kommunismus und Zweiter

Weltkrieg. Sie haben bewirkt, dass - was ich noch einmal betonen möchte - Wrocław eine Stadt der

Umsiedlungen ist, eine Stadt, in der ein KOMPLETTER Bevölkerungsaustausch erfolgt ist. Wrocław,

das zu 80 Prozent zerstört war, voller Geschichte und Schönheit, war für die angekommenen Polen

eine fremde Stadt. Obwohl dies heute, 70 Jahre nach Kriegsende, unwahrscheinlich erscheint, so

hielten dennoch die damaligen Bewohner ihr Schicksal für unsicher. Das Drama von fast 6 Jahren

Krieg konnte von 20 Jahren Stabilisierung nicht geheilt werden, denn es lebten immer noch

Menschen, die bereits eine 20jährige Zwischenkriegszeit gesehen hatten. Vielleicht werden sie ein

weiteres Mal umgesiedelt, zumal sie bereits einmal umgesiedelt worden sind? Vielleicht kommen die

Deutschen zurück?

So war die Stimmung im Jahr 1965, als der Bischof von Wrocław Bolesław Kominek den "Hirtenbrief

der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder" verfasste, in dem die bekannten Worte

fielen: "wir vergeben und bitten um Vergebung...". Zwei Jahrzehnte nach diesem grausamen,

präzedenzlosen Zeitraum des Mordens, als noch Zeugen jener Ereignisse lebten, wurde in Wrocław

der Versuch unternommen, die benachbarten, bisher miteinander verfeindeten Völker zu versöhnen!

Der größte Teil des Hirtenbriefs an die deutschen Bischöfe bringt die Geschichte der deutsch-

polnischen Beziehungen in Erinnerung - eine Anamnese, die notwendige Voraussetzung dafür ist,

dass die Zeit alle Wunden heilt. Dieses Freilegen der Erinnerung im Hirtenbrief musste es mit der

offiziellen, verlogenen Geschichte aufnehmen, in der der Nachbar im Westen zum ewigen, gar

mythischen Feind stilisiert wurde, und der Nachbar im Osten durch ethnische Verwandtschaft zum

natürlichen Verbündeten, der seine Mission letztendlich durch die "befreienden" Taten der Roten

Armee erfüllt hat.

In den Notizen, die die Entstehung des Hirtenbriefs erläutern, schrieb Kominek: "Die Sprechweise

kann nicht nationalistisch sein, sondern muss europäisch in der tiefgreifendsten Bedeutung dieses

Wortes sein. Europa ist die Zukunft - Nationalismen sind von gestern." Wie musste das in Zeiten

klingen, in denen die Deutschen weiterhin die Grenze an Oder und Neiße nicht anerkannten? In

Wrocław, der Stadt - die Zeuge von so viel Unrecht so vieler Völker war, verstand Bolesław Kominek,

ein katholischer Bischof, aber auch ein Philosoph, Denker und Politik, dass der Versuch, sie zu

sühnen, nur weiteres Unrecht hervor ruft und streckte die Hand zu Versöhnung aus, denn in ihr sah

er die einzige dauerhafte Lösung.

So zeigte ein soziologisches Experiment, das Folge der Entscheidungen der Großmächte war,

entgegen den Vorstellungen derjenigen, die es geschaffen hatten, erstaunlich positive Resultate. Der

Hirtenbrief, der eine neue Öffnung in den deutsch-polnischen Beziehungen war, gab grünes Licht für

weitere, außergewöhnlich wichtige Gesten - ich erinnere nur an das Verhalten von Bundeskanzler

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Willy Brandt während seines Besuchs in Warschau 1970, als er vor dem Denkmal der Ghetto-Helden

kniete.

Die Ausstellung, die wir eröffnen, soll an diese lang zurückliegenden Zeiten und den schweren Weg

erinnern, der zur deutsch-polnischen Versöhnung, zum vereinten Europa geführt hat. Ich möchte

jedoch, dass wir in diesem Bischof eine Gestalt wahrnehmen, die viel zeitgenössischer ist, als man

erwarten könnte, wenn man vor seinem Denkmal steht. Denn wenn man seine Lebensdaten

verwischen würden, die gewöhnlich bei den Menschen angegeben werden, die verstorben sind,

würde er uns als aktives Mitglied der Gesellschaft erscheinen. Heute würde sein "Wir vergeben und

bitten um Vergebung" in wenigen Minuten als Tweet um die Welt gehen, der alle Beliebtheitsrekorde

brechen würde, der "geliked" werden und schnell über den deutsch-polnischen Kontext hinausgehen

würde. Dank der gleichzeitigen Knappheit und Universalität würde es offenen Menschen in

verschiedenen Konfliktsituationen dienen. Wenn ich ein Zitat aus dem Hirtenbrief ins Netz stellen

würde, würde ich es taggen mit #Mut, aber auch mit #Demut, als #Perspektive, aber auch #Einigung.

Die polnischen Bischöfe und Bolesław Kominek, Bischof von Wrocław, machten etwas

Ungeheuerliches. Und ich möchte ihn vom Denkmalformat wieder in die menschliche Dimension

zurückbringen. Ich bin der Meinung, dass wir heute immer noch eine solche Blickweise auf Europa

brauchen.

Rafał Dutkiewicz

Stadtpräsident von Wrocław

© Fotoarchiv Stadt Wrocław

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© Tempora

Beschreibung der Ausstellung

Allgemeine Ausstellungskonzeption

Die Ausstellung konzentriert sich auf drei Akte, denen ein Prolog vorangeht und die mit

einem Finale abgeschlossen werden:

o Im Schatten Hitlers: 1939-1945

o Im Schatten Stalins: 1945-1956

o Weg zur Versöhnung: 1956-1974

Den Hintergrund der Ausstellung bildet eine knappe Präsentation der Ereignisse, die den

Strang der deutsch-polnischen Geschichte und der Geschichte Europas vor, während und

nach dem Zweiten Weltkrieg bilden.

Die Erzählachse ist die Person von Bolesław Kominek, der während der Nazi-Diktatur und

später der kommunistischen Diktatur, ein gewöhnliches Objekt der Geschichte war, und der

zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebensweges zu ihrem Subjekt wurde, das eine

Hauptrolle spielt.

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Die Ausstellung erfahren

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PROLOG Im ersten Raum gleich nach dem Betreten wird der Besucher sofort, obwohl in indirekter Weise, in das Zentrum der Ausstellungsthematik eingeführt. Er betrachtet zwei Kunstwerke, die das Thema Krieg und Versöhnung zum Ausdruck bringen. Der Besucher weiß es noch nicht, aber diese zwei Stränge werden ihn die ganze Zeit begleiten - während er die Ausstellung betrachtet, laden wir den Besucher ein, über Krieg und Versöhnung nachzudenken. Das sind zwei Skulpturen des deutschen Künstlers, Alexander Polzin (geb. 1973): Requiem und Doppelter Engel. Die erste Skulptur symbolisiert Krieg und Trauer, die zweite - Versöhnung. Das Manifest der Ausstellung, das im gleichen Raum präsentiert wird, führt den Betrachter direkt in das Thema ein: aus dem Hintergrund in Form des Kriegs, der Zerstörung und der Versöhnung schält sich eine Person heraus - Bolesław Kominek. Die Nachkriegsmacher des vereinten Europas kultivierten diese Idee bereits zu Kriegszeiten. Als Pole konnte Kominek keine konkreten Maßnahmen ergreifen, wie Jean Monnet oder Robert Schuman. Aber in kleinerem Maße war er ein "Vater" Europas durch seine Arbeit für die Versöhnung mit Deutschland, was zur Erweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004 führte. Bereits in diesem Eingangsraum lernt der Besucher die zentrale Gestalt der Ausstellung kennen, den "Helden", der noch keine Hauptrolle in der Geschichte spielt, aber er wird - ähnlich wie im Fall seiner Mitbürger - von der Geschichte nach deren Belieben bestimmt. Kominek lebt, ähnlich wie de Gasperi und Schuman, am Berührungspunkt zweier Sprachen und an der Grenze zwischen zwei Völkern. Von seiner Geburt in Schlesien und von seiner Kindheit, die vom Ersten Weltkrieg geprägt wurde, erzählen einige Dokumente und Fotos aus seiner Heimat. Andere Fotos zeigen seine Kaplansweihe und seinen Aufenthalt in Paris, wo seine Doktorarbeit entstand (die in der Ausstellung gezeigt wird). Die Skizzierung wurde mit der Darstellung seiner Kaplansarbeit in der Diözese Katowice in der Zwischenkriegszeit abgeschlossen, wozu einige Archivdokumente dienen, um den Charakter dieser Schrift besser zu verstehen. Der Betrachter entdeckt die Gestalt des Helden der Ausstellung auch mit Hilfe der audiovisuellen Installation, bei der er Fragmente von Erinnerungen auswählen kann, die von

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einem Schauspieler gelesen werden. Sie beschreiben den jungen Kominek bzw. dessen Gedanken zu den Ereignissen, deren Zeuge er ist. Im Prolog der Ausstellung taucht auch eine Synthese der Ereignisse auf, die besonders für den Betrachter von außerhalb von Polen der Schlüssel zur späteren Handlungsweise von Kominek werden. Die Karten, Fotos und Zeugnisse zeigen Polen und Schlesien zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dann nach dem Ersten Weltkrieg: die in diesem Gebiet verwendeten Sprachen, die hier lebenden Gemeinschaften und schließlich das hier herrschende politische Klima.

© Tempora

1. AKT: Im Schatten Hitlers: 1939-1945 Botschaft Der Krieg, den die Nationalsozialisten in Polen führen, ist im Gegensatz zum Krieg, der im Westen geführt wird, ein Vernichtungskrieg. Nach der Betrachtung des Prologs zieht eine Installation den Blick des Betrachters auf sich, in deren Mittelpunkt ein gewöhnliches Buch steht. Zumindest glaubt das der Zuschauer. Wenn er allerdings näher kommt, indem er in den Raum des ersten Akts der Ausstellung hineingeht, entdeckt er, dass es sich um Mein Kampf handelt. Aus Mein Kampf wurden Zitate zu "Slawen" ausgewählt, wie Hitler sie bezeichnete. Sie stammen aus Äußerungen von Nazi-Würdenträgern und sollen den Betrachter davon überzeugen, welches Schicksal die Nazis beabsichtigten, den Völkern Osteuropas zu bereiten. Von diesem Augenblick an versteht der Zuschauer besser den Grund, weshalb im übrigen Teil dieses Raums so viel Gewalt ist. Das erste Modul - Unterwerfung und Besatzung - das Archivdokumente und Karten umfasst, zeigt, wie die Nazis Polen erobern, und dann, wie sie die Besatzung eines so großen Territoriums organisieren, sowie wie die Russen das gleiche im östlichen Teil des Landes machen. Faksimiles der Geheimvereinbarungen des Ribbentrop-Molotow-Pakts erinnern den Betrachter an diese Aufteilung Polens "zwischen Brüdern". Das zweite Modul erklärt die Rassenpolitik, die auf dem Gebiet von Polen gegenüber Juden, aber auch gegenüber Polen betrieben wurde: Liquidation der Eliten (Intellektuelle, Offiziere, Pfarrer), Rassentrennung, Reduzierung des Volkes auf die Rolle von Sklaven, wirtschaftliche Ausplünderung des Landes.

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Zu diesem Zeitpunkt entdeckt der Betrachter, wie Bolesław Kominek die Ereignisse erlebte, die sein Land erlebte. Wir erzählen vom Leben des jungen Priesters, der gezwungen ist, religiöse Riten im Geheimen zu zelebrieren. Um dem Betrachter besser zu versinnbildlichen, wie das damalige Lebens des Priesters in einem Gebiet aussah, das ins Deutsche Reich eingegliedert wurde, wurde das Leben von Kominek in dem leichter zu illustrierenden Kontext der Lage der polnischen Kirche in dieser Zeit gezeigt. Der Besucher verlässt den Raum des ersten Akts, wobei er zwei Installationen betrachtet. Die erstere ist ein kommentarloser Film, der aus starken Bildern von der deutschen Besatzung in Polen komponiert wurde. Der Betrachter erlebt einen Schock, der durch die Brutalität der Bilder hervorgerufen wird, aber auch die Kraft der Botschaft. Die zweite Installation ist eine große Fotografie, auf der wir eine Urne wahrnehmen, die etwas verdeckt, was wie Asche von verbrannten Papieren erscheint. Das sind die Reste der wertvollen Kollektion von Manuskripten, die von den Nationalsozialisten 1944 systematisch in der polnischen Nationalbibliothek verbrannt worden sind. Die tragischen Reste, die zum Symbol für den entschiedenen Willen werden, das künstlerische und intellektuelle Erbe Polens zu vernichten. 2. AKT: Im Schatten Stalins: 1945-1956 Botschaft Während in Westeuropa die Befreiung ein Synonym für Freiheit ist, ist es in Polen, das die sowjetische Dominanz erlebt, anders. Gerade in dieser schwierigen und gefährlichen Lage beginnt Bolesław Kominek, eine immer wichtigere Rolle in der polnischen Kirche zu spielen. Im Mittelpunkt des Raums, der den zweiten Akt unserer Geschichte erzählt, befindet sich eine Büste von Stalin und eine Karte, die jener ähnelt, auf der Stalin während der Potsdamer Konferenz die neue Ostgrenze Deutschlands zeigt, wobei er mit einem Bleistiftstrich über das Schicksal von Millionen von Menschen entschied. Der Betrachter versteht, dass der Krieg unauslöschliche und tiefgreifende Spuren in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen hinterlassen hat. Genau das entdeckt der Betrachter im ersten Modul des Raums. Ein weiteres Element ist die Karte, die es ermöglicht, sich die unterschiedlichen Grenzen Polens im Laufe von etwa 150 Jahren zu versinnbildlichen. Diese Karte spielt eine wesentliche Rolle für das Verständnis der Ereignisse, die dem Betrachter erzählt werden. Neben der Karte werden Filme und Archivfotos präsentiert, auf denen der Betrachter sehen kann, in welchem Zustand sich das Land nach Beendigung des Krieges befand. Der Betrachter entdeckt auch eine neue politische Verteilung: die Machtübernahme durch die kommunistische Partei. Das nächste Modul stellt in gewisser Weise das vorhergehende detaillierter dar, da es einen besonderen Prozess akzentuiert, der in Polen gegen Kriegsende verlief - der bilaterale Bevölkerungsaustausch. Wie auf der Karte zu sehen ist, verlor Polen Gebiete im Osten, aber gewann andere im Westen hinzu. Die deutsche Bevölkerung war gezwungen, die Gebiete zu verlassen, die polnisch geworden waren, während Polen gezwungen waren, die Gebiete zu verlassen, die verschiedenen Sowjetrepubliken zugesprochen wurden. Während die Karte dem Betrachter dazu dient, die Bevölkerungsverschiebungen zu visualisieren und deren Ausmaß einschätzen zu können, reicht es nicht aus, das Wirrwarr und das Chaos zu beschreiben, das mit dieser "Völkerwanderung" einherging. Erst die Gegenstände (Schlüssel zu einem eilig verlassenen Haus, mitgenommene Reliquien), aber vor allem schriftliche Zeugnisse helfen dem Betrachter, das enorme Unglück dieser Menschen zu spüren.

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Der Akzent wird auf die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung gelegt, was das bekannteste Fragment des Briefes erklären lässt, den Kominek später an seine deutschen Amtsbrüder schickt, und an den erinnert wird, wenn der Betrachter es entdeckt: "wir vergeben und bitten um Vergebung...". Das letzte Modul dieses Teils stellt das sowjetisierte Polen knapp dar. Es ist notwendig, da es den Kontext skizziert, in dem Bolesław Kominek tätig sein wird. Fotos, Filme, Zeitungen und Zeugnisse erzählen von der Ablehnung des Marshall-Plans durch Polen, von den Jahren im Stalinismus, unter besonderer Berücksichtigung der Internierung von Kardinal Stefan Wyszyński, von den Repressionen nach den Ereignissen im Juni 1956 in Poznań und vom politischen Tauwetter.

©Fotoarchiv Stadt Wrocław

3. AKT: Weg zur Versöhnung: 1956-1974 Botschaft Den Weg zur Versöhnung zeigen. "Die Sprechweise kann nicht nationalistisch sein, sondern muss europäisch in der tiefgreifendsten Bedeutung dieses Wortes sein. Europa ist die Zukunft - Nationalismen sind von gestern. (Bolesław Kominek, 1965) Der dritte Akt der Ausstellung eröffnet einen Raum von etwas persönlicherem Charakter, wo wir den Betrachter dazu einladen, ein wenig Abstand zu gewinnen. Alles, was der Betrachter bisher in dieser Ausstellung gesehen, gehört und empfunden hat, hat ihn mit Sicherheit zur Schlussfolgerung geführt, dass die deutsch-polnische Versöhnung zu den unmöglichen Dingen gehört. Darum führen wir den Betrachter langsam in diese Richtung, wobei wir ihn die Vorboten der Versöhnung entdecken lassen und zeigen, dass Bolesław Kominek nicht ihr einziger Wegbereiter war. Die Entstehung des Vereins "Aktion Sühnezeichen", der beabsichtigt, dafür zu arbeiten, Deutschland mit den Völkern zu versöhnen, die im Krieg gelitten haben, die Predigt von Kardinal Julius Döpfner in Berlin, die "Ostdenkschrift" der Evangelischen Kirche in Deutschland von 1965 - das sind Fakten, die der Betrachter kennen lernt. Er beginnt zu verstehen, dass diese und andere Ereignisse den Kontext

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darstellen, in dem Kardinal Bolesław Kominek den Hirtenbrief schreiben kann, und in dem Versöhnung trotz der Unterschiede möglich wird. Ist nicht Bolesław Kominek den gleichen Weg gegangen, nur auf seine Weise, als er 1965 den Hirtenbrief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder verfasste? Den Brief stellen wir in Form einer prachtvollen Installation vor: wir sehen eine Projektion - die Blätter des Hirtenbriefs kommen aus der Schreibmaschine, auf der sie beschrieben wurden, einige Fragmente sind unterstrichen. Die Installation, die würdevoll den Hirtenbrief wiedergibt, wird von Faksimiles der originalen Seiten des Briefs umgeben, so dass jeder, der möchte, ihn ganz lesen kann. Der Betrachter kann dann die kühle Antwort der deutschen Bischöfe auf die Botschaft von Kominek sehen. Aber er kann auch erfahren, welche Folgen der Brief hatte, wie er in der polnischen Bevölkerung aufgenommen wurde, insbesondere, wie die kommunistischen Machthaber und die Partei reagierten, die eine Treibjagd auf die Bischöfe organisierten. Und Kominek? Wir zeigen 9 Jahre die ihm ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung der "Botschaft" noch verblieben. Er wird schließlich zum polnischen Bischof der Erzdiözese Wrocław ernannt, was die Bulle von Paul VI. Episcoporum Poloniae coetus bestätigt, erlangt die Ehre und die Nominierung als Kardinal, wir zeigen seinen Bischofsstab und den Kardinalshut. Aber er wird ständig von Agenten der Geheimpolizei überwacht - das illustrieren die Fotos des Kardinals, die die Staatssicherheitsdienste in seiner Wohnung gemacht haben! In diesem Modul zeigen wir auch die Feierlichkeiten zur Beerdigung von Bolesław Kominek.

© Tempora

FINALE Auf dem Bildschirm wird eine ganze Serie von Ereignissen gezeigt, die Etappen auf dem Weg zur Versöhnung sind, der Kreis deutscher katholischer Intellektueller, der sog. Bensberger Kreis und seine Denkschrift, die Änderung der Einstellung der deutschen Katholiken gegenüber Polen, Willy Brandt, der vor dem Denkmal für die Helden des Warschauer Ghetto-Aufstands in Warschau kniet, die Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (dessen Bedeutung

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vom Bundesverfassungsgericht Karlsruhe eingeschränkt wurde), die Wahl Johannes Paul II. zum Papst, die Solidaritätsaktionen der Bevölkerung in der Bundesrepublik nach der Verhängung des Kriegszustands in Polen, die gemeinsame Deklaration deutscher und polnischer Katholiken 1989, der Besuch von Helmut Kohl in Polen und die Versöhnungsmesse in Kreisau in Anwesenheit von Bundeskanzler Helmut Kohl und dem Ministerpräsidenten von Polen, dem Katholiken Tadeusz Mazowiecki, der deutsch-polnische Grenzvertrag vom 14. November 1990, der die polnische Westgrenze anerkannte, der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit von 1991, der Beitritt Polens zur EU im Jahr 2004. Am Ende möchten wir den Betrachter inspirieren, darüber nachzudenken, wozu die Visionen der zeitgenössischen Künstler dienen können, darum stellen wir das Bild Work in progress vor, das daran erinnert, das die Geschichte Europas aus Spaltungen und Brüchen besteht und dass die Einigung Europas noch nicht vollendet ist.

© Fotoarchiv Stadt Wrocław

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Wrocław, Kulturhauptstadt Europas 2016 Die Kulturhauptstadt Europas Wrocław 2016 ist ein auf mehrere Jahre verteiltes Programm aus 400 Projekten, mit Höhepunkt im Jahr 2016, das aus etwa 1000 künstlerischen Veranstaltungen, Festivals, Konzerten und Events im städtischen Raum und einer Reihe von sozialen, kulturellen, bildenden Programmen, die an die Bürger von Wrocław gerichtet sind, besteht. Wesentliche Punkte der Kulturhauptstadt Europas Wrocław 2016 sind auch Initiativen von Bürgern von Wrocław, die das Programm der KHE mitgestalten, u.a. dank des Programms der MikroGRANTS oder der in diesem Jahr initiierten KHE-Parks.

An der Realisierung des Plans KHE WRO 2016, das ein Element der Entwicklungsstrategie für Wrocław ist, arbeitet ein Team von Experten, Managern, Künstlern rund um das Büro der Kulturhauptstadt Europas Wrocław 2016 . Das Veranstaltungsprogramm wird von der Kuratoren der jeweiligen Sektionen konstruiert (Architektur, Film, Literatur, Musik, Oper, visuelle Künste, Theater, Performance), die eine gemeinsame Vision von der Stadt als einem Forum, auf dem die Kultur pulsiert, verbindet.

Wrocław ist die erste polnische Stadt, die den prestigeträchtigen Titel Kulturhauptstadt Europas in der gegenwärtigen Form erlangt hat (im Jahr 2000 war Krakau Stadt der Europäischen Kultur). Die Idee der KHE, die ein Programm der Europäischen Union und der Europäischen Kommission ist, die 1985 von der griechischen Kulturministerin Melina Mercouri initiiert wurde, ist es, dass Europäer sich gegenseitig kennen lernen, sich annähern und in interkulturellen Dialog treten. Die Städte, die den Titel KHE tragen, ziehen ein Jahr lang die Aufmerksamkeit in ganz Europa auf sich.

©Fotoarchiv Stadt Wrocław

www.wroclaw2016.pl

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Praktische Informationen

Dauer der Ausstellung : 29. Februar - 8. April 2016

Ort: Abgeordnetenhaus von Berlin, Niederkirchnerstr. 5, 10111 Berlin

Festsaal (2. Obergeschoss)

Eintritt frei

www.parlament-berlin.de

Verkehrsanbindungen:

S-Bahnhof: Anhalter Bahnhof, Potsdamer Platz

U-Bahnhof: Potsdamer Platz, DB-Bahnhof: Potsdamer Platz

Bus: M 29, M 41, M 48, M 85, 200

Öffnungszeiten: von Montag bis Freitag; 9.00 – 18.00 Uhr

Webseite: www.expokominek.com

Lageplan (siehe auch: http://www.parlament-berlin.de/de/Service/Besucherdienst)

© Abgeordnetenhaus von Berlin

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Projektpartner

Eine Ausstellung der Stadt Wrocław in Kooperation mit der Stiftung Zukunft Berlin, gefördert vom Creative Europe Programm der EU im Abgeordnetenhaus von Berlin. Alle Projektpartner: