Auswirkung der Operation des konsekutiven Außenschielens beim Erwachsenen auf die Lebensqualität...

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Spektrum Augenheilkd (2005) 19/1: 15-17 Spektrum der Augenheilkunde © Springer-Verlag 2005 Printed in Austria Auswirkung der Operation des konsekutiven AuRenschielens beim Erwachsenen auf die Lebensqualitat (psychosoziale Aspekte)* M. Koch, S. Lindner and A. Langmann Universitats-Augenklinik Graz, Ambulanz fiir Schielen, Kinderophthalmologie and Rehabilitation Sehbehinderter, Graz, Osterreich Zusammenfassung. Problemstellung: Nach der Operation des konkomitierenden Innenschielens in der Kindheit tritt in 3-7% im Erwachsenenalter ein konsekutives Aullenschielen auf, welches fir die Betroffenen nicht nur mit Binokularsto- rungen einhergeht, sondern eine schwere Einschrankung der Lebensqualitat darstellt. Patienten and Methode: 46 Patienten, an denen auf Grund eines Strabismus concomitans divergens consecutivus erfolg- reich eine neuerliche Schieloperation durchgefiihrt worden war, wurden in Hinblick auf die Anderung ihrer Lebensqua- litat (Selbstvertrauen, zwischenmenschliche Beziehung, Ver- spottung am Arbeitsplatz ...) befragt. Ergebnisse: Fur 98% der Befragten bedeutete die beho- bene Schielstellung eine wesentliche Verbesserung der Le- bensqualitat. Schlussfolgerungen: Dieses Ergebnis muss bei der Kos- ten-Nutzen-Rechnung der Schieloperationen im Erwachse- nenalter berucksichtigt werden. Schlusselworter: Lebensqualitat, Operation, Strabismus divergens cons. cone. Quality of life assessment after surgery for conse- cutive exotropia Summary. Background: After the operation of concomitant esotropia in childhood about 3-7% of the patients develop consecutive exotropia as adults. This consecutive exotropia does not only accompany with binocular disturbances, it also affects a reduction of quality of life. Patients and methods: 46 patients, at whom a recent strabism surgery had successfully been accomplished, were asked about the influence on their quality of life afterwards (self-confidence, relationship, scoffing on the job, etc.). Results: 98% of the patients realised a substantial impro- vement of quality of life. Conclusion: These results must be considered during the calculation of the strabism surgery at adult's age. Key words: Quality of life, surgery, consecutive exotropia * Diese Arbeit wurde als Poster im Rahmen der 45. Tagung der Oster- reichischen Ophthalmologischen Gesellschaft, im Mai 2004, in Alp- bach, Tirol, prasentiert. Einleitung Nach der Operation des konkomitierenden Innenschielens in der Kindheit (Abb. 1) entwickelt sich bei ca. 3-7% der Patienten ein konsekutives AuBenschielen im Erwachsenen- alter (Abb. 2). Fur die Betroffenen geht dies nicht nur mit Binokularproblemen einher, sondern stellt auf Grund psycho- sozialer Probleme eine schwere Einschrankung der Lebens- qualitat dar. Zur Messung dieser subjektiven Lebensqualitat vor and nach der erfolgreich durchgefuhrten Schieloperation wurde eine retrospektive Studie durchgefihrt. Abb. 1. Strab. cone. cony. Patienten and Methode In die Studie wurden 46 Jugendliche and Erwachsene zwi- schen 16 and 57 Jahren (median 33 a) inkludiert, welche nach der Korrektur eines konkomitanten Innenschielens in der Kindheit ein konsekutives AuBenschielen (median 30 pdpt) entwickelten. Diese Patienten wurden nach erfolgreicher kor- rigierender Schieloperation in Hinblick auf die Anderung ihrer Lebensqualitat befragt. Zur Evaluierung der subjektiven Lebensqualitat pra- and postoperativ wurde der Fragebogen SF- 12 (Short Form 12 Health Survey) herangezogen (Tabelle 1). Dabei wurden 6 Fragen zu den Sozialkontakten and j eweils 3 Fragen zur aktiven Lebensgestaltung and zum Selbstbe- wusstsein gestellt. Die Beurteilung wurde in einer 3-stufigen Skala von 0-2 Punkten erhoben. (0 Punkte = kein Problem, 1 Punkt = geringe Probleme, 2 Punkte = gropes Problem). Zur Auswertung der subjektiven Lebensqualitat vergli- chen wir die Summen der pra- and postoperativ vergebenen Punkteanzahl je Frage.

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Spektrum Augenheilkd (2005) 19/1: 15-17

Spektrumder Augenheilkunde

© Springer-Verlag 2005Printed in Austria

Auswirkung der Operation des konsekutiven AuRenschielens beimErwachsenen auf die Lebensqualitat (psychosoziale Aspekte)*

M. Koch, S. Lindner and A. Langmann

Universitats-Augenklinik Graz, Ambulanz fiir Schielen, Kinderophthalmologie and Rehabilitation Sehbehinderter, Graz, Osterreich

Zusammenfassung. Problemstellung: Nach der Operationdes konkomitierenden Innenschielens in der Kindheit tritt in3-7% im Erwachsenenalter ein konsekutives Aullenschielenauf, welches fir die Betroffenen nicht nur mit Binokularsto-rungen einhergeht, sondern eine schwere Einschrankung derLebensqualitat darstellt.

Patienten and Methode: 46 Patienten, an denen auf Grundeines Strabismus concomitans divergens consecutivus erfolg-reich eine neuerliche Schieloperation durchgefiihrt wordenwar, wurden in Hinblick auf die Anderung ihrer Lebensqua-litat (Selbstvertrauen, zwischenmenschliche Beziehung, Ver-spottung am Arbeitsplatz ...) befragt.

Ergebnisse: Fur 98% der Befragten bedeutete die beho-bene Schielstellung eine wesentliche Verbesserung der Le-bensqualitat.

Schlussfolgerungen: Dieses Ergebnis muss bei der Kos-ten-Nutzen-Rechnung der Schieloperationen im Erwachse-nenalter berucksichtigt werden.

Schlusselworter: Lebensqualitat, Operation, Strabismusdivergens cons. cone.

Quality of life assessment after surgery for conse-cutive exotropiaSummary. Background: After the operation of concomitantesotropia in childhood about 3-7% of the patients developconsecutive exotropia as adults. This consecutive exotropiadoes not only accompany with binocular disturbances, it alsoaffects a reduction of quality of life.

Patients and methods: 46 patients, at whom a recentstrabism surgery had successfully been accomplished, wereasked about the influence on their quality of life afterwards(self-confidence, relationship, scoffing on the job, etc.).

Results: 98% of the patients realised a substantial impro-vement of quality of life.

Conclusion: These results must be considered during thecalculation of the strabism surgery at adult's age.

Key words: Quality of life, surgery, consecutive exotropia

* Diese Arbeit wurde als Poster im Rahmen der 45. Tagung der Oster-reichischen Ophthalmologischen Gesellschaft, im Mai 2004, in Alp-bach, Tirol, prasentiert.

EinleitungNach der Operation des konkomitierenden Innenschielensin der Kindheit (Abb. 1) entwickelt sich bei ca. 3-7% derPatienten ein konsekutives AuBenschielen im Erwachsenen-alter (Abb. 2). Fur die Betroffenen geht dies nicht nur mitBinokularproblemen einher, sondern stellt auf Grund psycho-sozialer Probleme eine schwere Einschrankung der Lebens-qualitat dar. Zur Messung dieser subjektiven Lebensqualitatvor and nach der erfolgreich durchgefuhrten Schieloperationwurde eine retrospektive Studie durchgefihrt.

Abb. 1. Strab. cone. cony.

Patienten and MethodeIn die Studie wurden 46 Jugendliche and Erwachsene zwi-schen 16 and 57 Jahren (median 33 a) inkludiert, welche nachder Korrektur eines konkomitanten Innenschielens in derKindheit ein konsekutives AuBenschielen (median 30 pdpt)entwickelten. Diese Patienten wurden nach erfolgreicher kor-rigierender Schieloperation in Hinblick auf die Anderungihrer Lebensqualitat befragt. Zur Evaluierung der subjektivenLebensqualitat pra- and postoperativ wurde der FragebogenSF- 12 (Short Form 12 Health Survey) herangezogen (Tabelle1). Dabei wurden 6 Fragen zu den Sozialkontakten and j eweils3 Fragen zur aktiven Lebensgestaltung and zum Selbstbe-wusstsein gestellt. Die Beurteilung wurde in einer 3-stufigenSkala von 0-2 Punkten erhoben. (0 Punkte = kein Problem,1 Punkt = geringe Probleme, 2 Punkte = gropes Problem).

Zur Auswertung der subjektiven Lebensqualitat vergli-chen wir die Summen der pra- and postoperativ vergebenenPunkteanzahl je Frage.

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Abb. 2. Konsekutives AuBenschielen pra- and postoperativ

Beispiel eines Fragebogens einer 37-jahrigenPatientin:Tabelle 1. Beispiel eines Fragebogens

Fragebogen praoperativ postoperativ

6 Fragen zu Sozialkontakte 8 43 Fragen zur aktiven Lebensgestaltung 4 13 Fragen zum Selbstbewusstsein 4 2

Das Beispiel (Tabelle 1) lasst erkennen, Bass die Patien-tin praoperativ deutlich mehr Punkte als postoperativ vergab.Dieses Ergebnis kann auf die durch das Schielen verursach-ten Probleme praoperativ zuruckgefiihrt werden.

Anhand des Fragebogens SF-12 konnte der zentrale Be-reich der Lebensqualitat (psychisch, sozial, somatisch) ab-gedeckt werden [1]. Die folgenden Tabellen (Tabellen 2, 3)fassen die 12 Teilfragen unseres Evaluierungsbogens zusam-men and prasentieren die Gegenuberstellung der pra- andpostoperativen Punktevergabe der 46 Patienten.

Tabelle 2. Fragen zu Sozialkontakten pra- and postoperativ betrachtet

Fragen zu Sozialkontakten praoperativ postoperativ

Schlief3en neuer Freundschaften 70 50Beziehung zu Gleichgeschlechtlichen 54 41Beziehung zum anderen Geschlecht 68 48Diskriminierung 90 6Auswirkung auf allgemeine Aktivitaten 76 32Kommunikation im Beruf 82 27

Summe 440 (median 10) 204 (median 4)

Tabelle 3. Fragen zum Selbstbewusstsein and der aktiven Lebensgestal-tung pra- and postoperativ betrachtet

Fragen zum personlichen Leben praoperativ postoperativ

Auswirkung des Schielens auf dasSelbstvertrauen 83 31

Auswirkung auf die Aufnahmedes Augenkontaktes 90 29

Minderwertigkeitsgefiihl durchdas Schielen 63 21

Auswirkung des Schielens aufdie Ausbildung 50 27

Verwirklichung von Zukunftsplanen 20 13Schwierigkeiten Vertrauen anderer

zu erlangen 33 25

Summe 344 (median 7) 146 (median 3)

Ergebnisse46 Patienten (davon 56,5% weiblichen Geschlechts, medi-anes Alter 33 Jahre) mit konsekutivem Aul3enschielen nach

der Operation des konkomitierenden Innenschielens, wurdenin diese Studie inkludiert. Die Evaluierung land mindestens4 Monate postoperativ, jedoch auch Jahre nach der korrigie-renden Operation statt.

Fur 98% der Patienten bedeutete die erfolgreiche Schiel-winkelkorrektur eine wesentliche Verbesserung der Lebens-qualitat.

Die Tabelle 2 gibt die Summe der pra- and postoperativenPunktevergabe aller Patienten in Hinblick auf die Auswirkungdes Schielens auf Sozialkontakte wieder. Anhand der pra-operativen Punktvergabe lassen sich eindeutig die durch dasSchielen verursachten sozialen Probleme, wie die SchlieBungand Aufrechterhaltung von zwischenmenschlichen Beziehun-gen, Bowie Probleme im alltaglichen Berufsleben, erkennen.

Die Tabelle 3 befasst sich mit Fragen zum personlichenLeben, welche Bezug zur aktiven Lebensgestaltung and zumThema Selbstbewusstsein nehmen. Auch hier findet man pra-operativ eine deutlich hohere Punkteanzahl als postoperativ.Auffallend der positive Einfluss der erfolgreichen Schielwin-kelkorrektur auf das Selbstvertrauen and die Aufnahme desAugenkontaktes.

DiskussionDas Schielen im Erwachsenenalter stellt nicht nur ein kos-metisches Problem dar, sondern geht auch mit Verlust desBinokularsehens and Wahrnehmung von Doppelbilderneinher [2]. Die Veranderung des duBeren Erscheinungsbil-des f ihrt wiederum zu sozialen bzw. sozial-wirtschaftli-chen Schwierigkeiten, welche eine deutliche Abnahme derLebensqualitat and Verminderung der Arbeitsmarktchancenbewirken konnen [3-5]. Die in die Studie aufgenommenenPatienten mit konsekutivem Schielen nach Korrektur deskonkomitierenden Innenschielens berichteten nber Problemebeim Schlieffen neuer Freundschaften and Aufrechterhaltungvon Beziehungen. Andere psychosoziale Probleme ergabensich aus der Unfahigkeit Augenkontakt aufzunehmen, diemeisten der Patienten fiihlten sich gegenuber anderen min-derwertig and diskriminiert. Dies fuhrte nicht nur zur Demo-tivation in der Ausbildung bzw. im Beruf, sondern auch zurBeeintrachtigung des alltaglichen Lebens.

Das Ergebnis der Evaluierung zeigt, Bass fir 98% derBefragten nach erfolgreicher Schielwinkelkorrektur eine we-sentliche Verbesserung der Lebensqualitat erzielt werdenkonnte. Nicht nur das Wiederaufflammen der beruflichenMotivation and Zukunftsorientierung, sondern auch der un-eingeschrankte zwischenmenschliche Kontakt resultierte ausder neu gewonnenen Lebenseinstellung.

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Dies sollte bei der Indikationsstellung zur Operation andbei der Kosten-Nutzen-Rechnung der Schieloperationen imErwachsenenalter berucksichtigt werden.

Literatur1. Hirnei C, Neubauer AS, Welge-Luf3en U, Eibl K, Kampik A (2003)

Bestimmung der Lebensqualitat des Patienten in der Augenheilkun-de. Ophthalmologe 100: 1091-1097

2. Hertle RW (1998) Clinical characteristics of surgically treated adultstrabismus. J Pediatr Ophthalmol Strabismus 35: 138-145

3. Menon V, Saha J, Tandon R et al (2002) Study of psychosocialaspects of strabismus. J Pediatr Ophthalmol Strabismus 39 (4): 203-208

4. Burke J, Leach C, Davis H (1997) Psychosocial implications ofstrabismus surgery in adults. J Pediatr Ophthalmol Strabismus 34:159-164

5. Keltner JL (1993) Strabismus surgery in adults; functional and psy-chosocial implications. Arch Ophthalmol 112: 599-600

Korrespondenz: Dr. Martina Koch, Universitats-Augenklinik, Medi-zinische Universitat Graz, Auenbruggerplatz 4, 8036 Graz, Osterreich,E-Mail: [email protected].