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ETH-NSSI Projektbericht Autoren: Andy Spörri, Catharina Bening & Roland W. Scholz ETH Zürich, Institut für Umweltentscheidungen (IED), Natural and Social Science Interface (NSSI) Universitätstrasse 22, CH-8092 Zürich Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion Vergleich der Produktion von Schweizer Rübenzucker und Brasilianischem Rohrzucker

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ETH-NSSI Projektbericht

Autoren: Andy Spörri, Catharina Bening & Roland W. Scholz

ETH Zürich, Institut für Umweltentscheidungen (IED), Natural and Social Science Interface (NSSI)

Universitätstrasse 22, CH-8092 Zürich

Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

Vergleich der Produktion von Schweizer Rübenzucker und Brasilianischem Rohrzucker

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

Eckdaten zur vorliegenden Studie

Auftraggeber Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld AG (ZAF)

Strategische Projektbegleitung

Josef Arnold (Direktor)

Fritz Blaser (Rübenmanagement)

Thomas Frankenfeld (Werksleitung Aarberg)

Dr. Joachim Pfauntsch (Werksleitung Frauenfeld)

Andreas Brechbühl (Leitung Technisches Büro)

Operative Begleitung

Andreas Brechbühl

Auftragnehmer ETH Zürich, Natural and Social Science Interface (NSSI)

Vorsteher: Prof. Dr. Roland W. Scholz

Strategische Projektleitung

Dr. Andy Spörri (Oberassistent)

Prof. Dr. Roland W. Scholz

Projektbearbeitung

Dr. Andy Spörri

Dr. Catharina Bening

Externe Begutachtung (Ökobilanz) Thomas Kägi (Carbotech AG, Basel)

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Inhalt

Inhalt

1   Einleitung ........................................................................................................................................................................ 1  1.1   Ausgangslage & Projekthintergrund .................................................................................................................................. 1  1.2   Auftragsbeschreibung ............................................................................................................................................................. 2  1.3   Bewertungskonzept .................................................................................................................................................................. 3  1.4   Organisation der Projektbearbeitung ................................................................................................................................ 4  

2   Fallbeschreibung ........................................................................................................................................................... 5  2.1   Versorgungskette „Schweizer Rübenzucker“ ................................................................................................................. 5  2.2   Versorgungskette „Brasilianischer Rohrzucker“ ........................................................................................................... 8  

3   Ökologie ....................................................................................................................................................................... 10  3.1   Die Methode der Ökobilanz (LCA) ..................................................................................................................................... 10  3.2   Sachinventar (Ökoinventar/Datengrundlage) .............................................................................................................. 11  3.3   Resultate & Diskussion ........................................................................................................................................................... 17  3.4   Kurzes Zwischenfazit ............................................................................................................................................................... 21  

4   Ökonomie ..................................................................................................................................................................... 22  4.1   Die Methode der Lebenszykluskosten (LCC) ................................................................................................................. 22  4.2   Datengrundlage ........................................................................................................................................................................ 23  4.3   Resultate ...................................................................................................................................................................................... 26  4.4   Kurzes Zwischenfazit ............................................................................................................................................................. 30  

5   Soziales .......................................................................................................................................................................... 31  5.1   Die Methode der sozialen Lebenszyklusanalyse (S-LCA) .......................................................................................... 31  5.2   Datengrundlage ......................................................................................................................................................................... 31  5.3   Resultate & Interpretation ................................................................................................................................................... 32  5.4   Kurzes Zwischenfazit .............................................................................................................................................................. 36  

6   Zusammenfassung & Gesamtfazit .......................................................................................................................... 37  6.1   Zusammenfassung der einzelnen Module ................................................................................................................... 37  6.2   Schlussfolgerungen aus einer integrativen Nachhaltigkeitsperspektive ........................................................ 38  6.3   Methodische Diskussion ....................................................................................................................................................... 38  6.4   Weiterer Untersuchungsbedarf ......................................................................................................................................... 39  

Literaturverzeichnis ......................................................................................................................................................... 40  

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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1 Einleitung

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1 Einleitung

1.1 Ausgangslage & Projekthintergrund Die Produktion von Zucker hat eine lange historische Tradition. Bereits 600 n. Chr. wurde in Persien eine Methode entwickelt, welche die Herstellung von Zucker auf Basis des Zuckerrohrs ermöglichte. Zu dieser Zeit und auch lange Zeit danach war Zucker ein Luxusprodukt, welches hauptsächlich in Küchen der Oberschich-ten verwendet wurde. Gesüsste Speisen galten als Statussymbol, das es gestattete, an der Süsse der Tafel den gesellschaftlichen Rang abzulesen. Der Zucker verlor seine Exklusivität erst, als nach Entdeckung des hohen Zuckergehalts in der Runkelrübe (Andreas Sigismund Marggraf im Jahre 1747) und dem Bau der weltweit ersten Rübenzuckerfabrik in Cunern/Schlesien der Rübenzucker in Konkurrenz zum Rohrzucker trat. Der da-mit einhergehende Konkurrenzkampf sorgte für einen drastischen Preiszerfall, womit sich Zucker zu einem täglichen Bedarfsgut für die breite Bevölkerung entwickelte.

Heutzutage werden jedes Jahr weltweit insgesamt rund 150 Mio. Tonnen Zucker produziert und auf den verschiedensten Märkten der Welt angeboten. Drei Viertel dieser Gesamtproduktion werden auf Basis des Zuckerrohrs als Ausgangsmaterial hergestellt. Die sechs grössten Zuckerproduzenten weltweit sind Brasilien (33.6 Mio. t), Indien (28.8 Mio. t), die EU (17.0 Mio. t), China (16.1 Mio. t), Thailand (8.1 Mio. t) und die USA (7.5 Mio. t). Auch in der Schweiz wird seit der Inbetriebnahme der Zuckerfabrik in Aarberg im Jahre 1913 und dem-jenigen in Frauenfeld (1963) Zucker auf Basis der Zuckerrübe produziert. Diese bewegte sich in den vergange-nen Jahren im Bereich von jährlich 0.25 Mio. t.

In der Schweiz steht die Zuckerproduktion (insbesondere der landwirtschaftliche Rübenanbau) im Span-nungsfeld verschiedener gesellschaftlicher Ansprüche an die Landwirtschaft, die in Artikel 104 der Schweize-rischen Bundesverfassung [1] und in den laufend aktualisierten Agrarpolitik festgehalten sind [2]. Gemäss diesen Vorgaben soll die „Landwirtschaft durch eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete Produkti-on einen wesentlichen Beitrag leisten zur:

» Sicheren Versorgung der Bevölkerung; » Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft;

» Dezentralen Besiedlung des Landes.“

Bis in die 1970er bzw. 1980er Jahre stand die Versorgungssicherheit der Schweizer Bevölkerung auf Basis von inländisch produzierten Agrargütern im Vordergrund. Infolge der zunehmenden Liberalisierung der Märkte für landwirtschaftliche Produkte seit den 90er Jahren und der Globalisierung des Handels steht Schweizer Zucker heute in verstärkter Konkurrenz mit ausländischem Rohrzucker aus Übersee, wodurch der öffentliche Druck auf die staatlich gestützte, inländische Zuckerproduktion massiv zunahm.

Bis anhin gibt es jedoch keine umfassenden, vergleichenden Bewertungen zwischen der einheimischen Pro-duktion von Rübenzucker und entsprechenden alternativen Rohrzuckerproduktionen in Übersee, welche adäquate Informationen über die Sinnhaftigkeit der einheimischen Zuckerproduktion im Vergleich zum Im-port von Übersee-Zucker liefern und zur Unterstützung von agrarpolitischen Entscheidungen herangezogen werden können. Für eine solche Bewertung ist es zentral, dass (i) „äquivalent“ produzierte Zucker aus unter-schiedlichen Gebieten, die potentiell auch einen bedeutenden Anteil zur Deckung der Schweizerischen Nach-frage ausmachen (d.h. umfangreiche, industrielle Produktion), (ii) neben klimawirksamen Emissionen bzw. Gesamtumweltbelastungen auch weitere wesentliche Bewertungsdimensionen der Nachhaltigkeit, und (iii) die Bewertungsresultate unter Berücksichtigung sowohl von Datenunsicherheiten und Sensitivitäten gegen-über unterschiedlich auslegbaren methodischen Annahmen, berücksichtigt werden.

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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1.2 Auftragsbeschreibung

1.2.1 Zielsetzungen der Studie

Aus dem Hintergrund der obig skizzierten Situation wurde seitens der Zuckerfabriken Aarberg und Frauen-feld AG (ZAF) die folgende Hauptzielsetzung für die vorliegende Studie festgelegt:

» Durchführung eines fairen Vergleichs der industriellen Produktion von weissem Schweizer Rübenzucker und aus Übersee importiertem, weissem Rohrzucker aus einer Nachhaltigkeitsperspektive unter Berück-sichtigung der drei Dimensionen „Ökologie“, „Ökonomie“ und „Soziales“.

Bei der Analyse der ökologischen Nachhaltigkeitsdimension sind die folgenden Teilzielsetzungen von spezifi-schem Interesse:

» Berücksichtigung von Unsicherheiten in der Datengrundlage und Ausweisung der Unsicherheitsbereiche in den Bewertungsresultaten.

» Analyse von Sensitivitäten der Bewertungsresultate gegenüber methodischen Annahmen in der Ökobi-lanz (Allokationsmethode, Methode zur Wirkungsabschätzung).

1.2.2 Untersuchungsgegenstand

Gemäss Auftragsbeschreibung und Kick-off-Sitzung vom 2. Juli, 2010 wurde der Untersuchungsgegenstand für die vorzunehmende Analyse noch weiter abgegrenzt:

» „Cradle-to-gate“-Perspektive: In der Analyse werden alle Prozesse von der Wiege (engl.: cradle), d.h. von der Rohstoffentnahme, bis zur Anlieferung des Zucker an der Eingangsrampe (engl.: gate) des Schweize-rischen Detailhandels betrachtet. Diese Form von „Cradle-to-gate“-Analysen (d.h. Versorgungsketten-Analyse) wird oft im Zusammenhang mit ökologischen Produktdeklarationen durchgeführt.

» Zeitlicher Bezug: Der Fokus der Nachhaltigkeitsanalyse ist auf die heutige Situation in den entsprechen-den Ländern gerichtet. Zeitlich nicht mehr repräsentative (aus früheren Jahren herrührende) Daten sol-len so gut wie möglich aktualisiert werden, um robuste Aussagen zur gegenwärtigen Situation machen zu können. Zusätzlich sollen Hinweise auf absehbare, für die Nachhaltigkeitsbewertung bedeutende Entwicklungen in der Zuckerproduktion beider Länder gegeben werden.

» Geographische Referenz: Festlegung der für den Vergleich herangezogenen Zuckerproduktionen in der Schweiz bzw. in Übersee:

- Schweiz: Mittelwert des landwirtschaftlichen Zuckerrübenanbaus im Schweizer Mittelland bzw. der Zuckerproduktion in den Werken in Aarberg und Frauenfeld (Ü Kapitel 2.1).

- Übersee: Mittelwert des landwirtschaftlichen Rohranbaus und der Zuckerproduktion in der Region Center South in Brasilien (Ü Kapitel 2.2).

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1 Einleitung

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1.3 Bewertungskonzept Abb. 1 illustriert die prinzipielle Vorgehensweise zur Nachhaltigkeitsbewertung der Zuckerversorgungsketten. Es wird auf das gebräuchliche Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit zurückgegriffen, dass von der Vorstel-lung ausgeht, dass nachhaltige Entwicklung nur durch das gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzen von umweltbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen erreicht werden kann [3].

Abb. 1. Der Studie zu Grunde liegendes Bewertungskonzept. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit und entsprechen-de Bewertungsmethode.

Jede dieser Nachhaltigkeitssäulen wurde separat unter Anwendung einer spezifischen Methodik bewertet, wobei die Auswirkungen der Zuckerversorgung jeweils unter Berücksichtigung des gesamten Produktlebens-zyklus analysiert wurden. Die ökologische Bewertung erfolgte anhand der Ökobilanz (bzw. Life Cycle Assess-ment, LCA; [4]), einer international standardisierten Methodik zur Modellierung und Bewertung aller mit einem Produkt (bzw. Prozess, Dienstleistung) verbundenen Umweltbeeinträchtigungen (Ü Kapitel 3.1). Die wirtschaftliche Bewertung basierte auf der Lebenszykluskosten-Analyse (bzw. Life Cycle Costing, LCC; [5]), welche die wirtschaftlichen Aufwendungen und Erträge für alle Prozesse der Versorgungskette erfasst und im Rahmen einer Vollkostenrechnung bilanziert. Für den Vergleich der beiden Zuckerversorgungsketten wur-den die Bilanzen in eine Reihe von wirtschaftlichen Kennzahlen zu den einzelnen Prozessen bzw. für die ge-samte Versorgungskette überführt (Ü Kapitel 4.1). Für die Bewertung der sozialen Nachhaltigkeitsdimension wurde auf die Kriterien, die soziale Aspekte für die fünf wichtigsten Anspruchsgruppen abdecken, aus den aktuellsten Leitlinien für soziale Lebenszyklus-Analysen der Vereinten Nationen [6] zurückgegriffen (Ü Kapi-tel 5.1).

Wie in Tab. 1 ersichtlich, werden bei der Bewertung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen unterschiedliche Bezugs- bzw. Referenzgrössen verwendet. Die Umweltbewertung bezieht sich auf 1 kg Zucker, während bei der sozialen Bewertung der gesamte Sektor betrachtet wir. In der ökonomischen Bewertung werden die Kennzahlen bezogen auf beide Referenzgrössen vorgenommen.

Was Referenzgrössen Tab. 1. Referenz-grössen in den drei

Bewertungsmodulen 1 kg Zucker Sektor Ökobilanz x - Lebenszykluskosten-Analyse x x Soziale Lebenszyklusanalyse - x

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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1.4 Organisation der Projektbearbeitung Die Bearbeitung des Projekts fand im Rahmen einer Projektorganisation statt, wie sie in Abb. 2 dargestellt ist.

Das Projekt wurde durch den Lehrstuhl „Natural and Social Interface (NSSI)“ der ETH Zürich (Auftragnehmer) im Auftrag der Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld AG durchgeführt. Das von der ETH Zürich geleitete Projekt wurde durch eine Steuerungsgruppe der ZAF strategisch begleitet. Für die operativen Projektarbeiten wurden im Rahmen von sogenannten Wissensintegrationssitzungen weiter ausgewiesene Experten aus unterschiedlichen Organisationen beigezogen, um die grundlegenden Modellierungsannahmen und Daten-anpassungen in den beiden Ländern so gut wie möglich vornehmen zu können.

Abb. 2. Übersicht über die Organisation der Projektbearbeitung.

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2 Fallbeschreibung

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2 Fallbeschreibung

In diesem Kapitel werden die für den Vergleich herangezogenen Fälle, d.h. industrielle Produktion von weis-sem Zucker in der Schweiz bzw. in der Region Center South in Brasilien, in Form der wichtigsten Eckdaten und Hintergrundinformationen detaillierter beschrieben.

2.1 Versorgungskette „Schweizer Rübenzucker“ Die Zuckerherstellung in der Schweiz auf Basis der Zuckerrübe hat eine lange Tradition. Seit dem Jahre 1912 werden in der Zuckerfabrik Aarberg im Bernischen Seeland Zuckerrüben zu weissem Zucker verarbeitet. Im Jahre 1963 wurde das Werk in Frauenfeld als zweite Schweizerische Zuckerfabrik in Betrieb genommen. Tab. 2 fasst die wichtigsten Eckdaten zum Rübenanbau bzw. Zuckerproduktion in den beiden Schweizer Werken zusammen.

Tab. 2. Eckdaten zur Zuckerversorgungskette in der Schweiz in den Jahren 2000-2009: Bebaute Ackerfläche und geerntete Zuckerrübenmenge bzw. produzierte Zuckermengen in den Werken Aarberg, Frauenfeld und TOTAL [7, 8]

Jahr Rübenanbau [t] Zuckerproduktion [kt] Ackerfläche [ha] Rübenernte [Mt] Werk Aarberg Werk Frauenfeld TOTAL 2000 18’077 1.41 2001 17’682 1.06 2002 18’303 1.42 2003 17’655 1.28 2004 18’808 1.44 112.5 103.9 216.4 2005 18’500 1.41 108.4 113.0 221.4 2006 18’695 1.26 92.6 92.3 185.0 2007 21’154 1.59 122.9 127.9 250.8 2008 20’655 1.64 122.8 128.4 251.2 2009 20’796 1.74 137.4 141.4 278.8

Der Anbau der Zuckerrüben erstreckt sich übers gesamte Schweizer Mittelland - von Genf bis zum Bodensee und in die Föhntäler wie Rhone-, Aare-, und Rheintal und wird von ca. 7'000 Landwirtschaftsbetriebe betrie-ben. In den Jahren 2000 bis 2009 variierte die Anbaufläche für Zuckerrüben zwischen knapp 18'000 ha und rund 21'000 ha, was in 2009 rund 7% der Schweizerischen offenen Ackerfläche entsprach [9]. Die erzielten Jahresernten bewegten sich zwischen rund 1 Mio. t und knapp 1.5 Mio. t. Die erheblichen Unterschiede in den spezifischen Hektarerträgen (60 – 84 t/ha) erklären sich durch die unterschiedlichen Wetter- und Klimaver-hältnisse in den berücksichtigen Jahren.

Der Anbau von Zuckerrüben erfolgt in einer abgestimmten Fruchtfolge, d.h. im mehrjährigen Wechsel mit anderen Früchten, wobei die Zuckerrübe höchstens alle vier Jahre auf der gleichen Flächen stehen sollte. Damit ergänzen und bereichern sie die heute üblichen getreidereichen Fruchtfolgen, was einer einseitigen Selektion der Unkrautflora bzw. dem Auftreten von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen entgegenwirkt. Innerhalb der Fruchtfolge kommt der Zwischenfrucht eine besondere Bedeutung zu, weil sie die saisonale Nährstoffauswaschung und die Bodenerosion in niederschlagsreichen Wintermonaten vermindert.

Die Aussaat der Zuckerrüben erfolgt nach Abtrocknung und Erwärmung des Bodens im Frühling – normaler-weise Ende März/Anfang April. Nach ca. 180 Tagen können die zwischen 0.7 und 2 kg schweren Rüben geern-

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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tet werden, was von Ende September bis Mitte November dauert. Bei der Ernte wird darauf geachtet, dass Erdanhänge und das nährstoffhaltige Blattwerk möglichst auf dem Feld bleiben, was eine Optimierung der Nährstoffbilanz bzw. Verhinderung unnötiger Transporte mit sich bringt. Die Aussaat, die Ernte sowie die während dem Rübenwachstum durchgeführten Feldarbeiten (Bsp. Düngerausbringung) sind vollumfänglich mechanisiert. Die Anfuhr der Rüben wird von den Zuckerfabriken geregelt. Der Landwirt richtet seine Ernte so ein, dass die Rüben möglichst rasch in die Fabriken gelangen. Die Anbau- und Übernahmebestimmungen für die Zuckerrüben (Zuckerproduktionsmenge, Verteilung der Lieferrechte, Kriterien für die Qualitätsbezahlung, Preis- und Zahlungsbestimmungen) werden per Gesetz gemeinsam zwischen den Rübenpflanzern und der Zuckerfabrik ausgehandelt und in einer sogenannten Branchenvereinbarung festgehalten [10].

Der Anbau der Zuckerrüben in der Schweiz – aber auch in Europa – wird von staatlicher Seite unterstützt. Diese Unterstützung setzt sich aus sogenannten Flächenbeiträgen (bzw. Direktzahlungen) und Anbaubeiträ-gen zusammen. Die Direktzahlungen dienen der Abgeltung von durch die Landwirtschaft erzielten gemein-wirtschaftlicher Leistungen (Bsp.: dezentrale Besiedelung, Tierwohl, naturnahe Produktionsformen) und sind an die Erfüllung des ökologischen Leistungsnachweises gekoppelt [11, 12]. Zusätzlich wird in Form eines An-baubeitrags eine kulturspezifische Unterstützungszahlung je Hektar und Jahr entrichtet [13].

Nach der Rübenannahme in der Fabrik – und allfälliger Lagerung in Zwischensilos – werden die Zuckerrüben in grossen Waschtrommeln gewaschen (Ü Reinigung) und anschliessend in Schnitzel geschnitten (Ü Zer-kleinerung). Bei der Reinigung entstehende Reststoffe (Erde, Sand, Steine) werden nach jeweils einer Nach-behandlungsstufe als Ausgangsmaterial in der Produktion von Balkonerde (Ricoter AG) bzw. in der Betonher-stellung (Bauwirtschaft) weiterverwendet. Im folgenden Prozessschritt wird den Schnitzel im Extraktions-turm über Diffusion der Zucker entzogen (Ü Extraktion), wodurch der Rohsaft (15% Zuckergehalt) entsteht. Die ausgelaugten Schnitzel werden abgepresst und als energiereiches Futter in der Viehzucht verwertet. Der Rohsaft wird anschliessend mittels der Kalk-Kohlesäure-Reinigung von Kristallisation behindernden Fremd-stoffen befreit (Ü Saftreinigung). Dabei entstehender Kalk zusammen mit den Nicht-Zuckerstoffen gelangt als Carbokalk (Ricokalk) in die Landwirtschaft, wo er zur Regulierung des Boden-pH eingesetzt wird. Der aus der Saftreinigung hervorgehende Dünnsaft wird in der Verdampfstation unter Wasserentzug (Ü Saftkon-zentration) zum sogenannten Dicksaft (65% Zuckergehalt) aufkonzentriert, welcher dann in den eigentlich letzten Prozessschritt der Zuckerproduktion gelangt (Ü Kristallisation). Dort wird aus dem Dicksaft in einem Kristallisationsprozess bei erhöhter Temperatur und unter Vakuum der Zucker gewonnen. Der dabei übrig-bleibende zuckerhaltige Sirup wird noch mehrstufig nachkristallisiert, bis am Ende – neben weissem Zucker – die Melasse als letztes Nebenprodukt anfällt, aus welcher aufgrund des zu tiefen Zuckergehalts kein Zucker mehr kristallisiert werden kann. Die Melasse wird analog zu den Pressschnitzeln als Futtermittel der Vieh-zucht zugeführt. Im Werk Frauenfeld wird ein Teil des Dicksaftes direkt in die Hefeindustrie zur Stärkeproduk-tion abgegeben.

Die jährliche Zuckerproduktion in den beiden Werken ist aufgrund schwankender Rübenmengen und Zu-ckergehalten nicht konstant und lag in den vergangenen Jahren – mit Ausnahme von 2006 – zwischen 216'000 und 278'000 t. Der Zuckerpreis in der Schweiz richtet sich nach dem Importpreis für Zucker. Dieser setzt sich zusammen aus dem Weltmarktpreis, einem Zuschlag (Bsp.: Transportkosten nach Basel) und den Grenzabgaben, welche wiederum aus dem Importzoll und einem Beitrag an die Pflichtlagerhaltung in der Schweiz – der sogenannte Garantiefondsbeitrag – besteht. Dieser Garantiefondsbeitrag entschädigt die Zuckerfabriken für den Unterhalt des vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) verlang-ten Pflichtlagers für Zucker, welches die Versorgung der Schweizer Bevölkerung in Krisenzeiten gewährleis-ten soll.

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2 Fallbeschreibung

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Abb. 3. Systembild der Zuckerversorgungskette in der Schweiz (der Studie zu Grunde liegende Bilanzierungs/-Systemabgrenzung).

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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2.2 Versorgungskette „Brasilianischer Rohrzucker“ Brasilien ist der weltweit grösste Produzent von Zuckerrohr, Zucker und Bioethanol. Der Anbau des Zucker-rohrs und die nachfolgende industrielle Verarbeitung des Rohrs zu Zucker bzw. Bioethanol finden hauptsäch-lich im Nordosten und im Zentralen Süden des Landes statt. Während die Zuckerproduktion traditionell vor-wiegend im Nordosten des Landes (Rio Grande do Norte, Paraiaba, Pernambuco, Alagoas) lokalisiert war, hat sich bis heute im Zentral Süden (Sao Paulo, Parana, Minas Gerais, Mato Grosso do Sul) eine moderne Zucker-rohrindustrie entwickelt, die Zuckerrohr im grossen Stil zu Zucker und vor allem auch Bioethanol verarbeitet und in 2009 zwischen 86 und 91% der Brasilianischen Gesamtproduktion von Zuckerrohr, Zucker und Bio-ethanol ausgemacht hat (Ü Tab. 3). Dazu wurde auf einer Fläche von 6.3 Mio. ha – rund 300 mal die Schwei-zerische Anbaufläche für Zuckerrüben – eine Jahresernte von rund 500 Mio. t Rohr erzielt (spezifischer Hek-tarertrag von ca. 80t/ha). Daraus wurden beinahe 27 Mio. t Zucker bzw. rund 25 Mio. m3 Bioethanol herge-stellt.

Tab. 3. Eckdaten zur Zuckerversorgungskette in Brasilien in den Jahren 2000-2009: Bebaute Ackerfläche und geerntete Zuckerrohrmenge bzw. produzierte Zucker- und Ethanol-Mengen in Brasilien, Center South. Die Anga-ben in Klammern entsprechen dem Anteil am Brasilianischen TOTAL [14]

Jahr Rohranbau Produktion Zucker & Ethanol

Fläche [106 ha] Menge [Mt] Zucker [Mt] Ethanol [Gl]

2000 2.8 263.9 (86%) 16.9 (87%) 11.7 (89%) 2001 3.0 207.1 (80%) 12.6 (78%) 9.1 (86%) 2002 3.1 244.2 (83%) 16.0 (83%) 10.2 (88%) 2003 3.3 270.4 (84%) 18.8 (83%) 11.2 (88%) 2004 3.4 299.1 (83%) 20.4 (82%) 13.1 (88%) 2005 3.6 328.7 (85%) 22.1 (83%) 13.6 (88%) 2006 4.3 337.7 (87%) 22.1 (85%) 14.4 (90%) 2007 4.8 372.3 (87%) 25.8 (86%) 16.0 (90%) 2008 5.4 431.1 (87%) 26.2 (84%) 20.3 (90%) 2009 6.3 505.0 (89%) 26.7 (86%) 25.1 (91%)

Der Anbau von Zuckerrohr erfolgt in Monokulturen und basiert – im Fall von Brasilien – auf einem 6-jährigen Anbauzyklus. Innerhalb des 6-jährigen Zyklus werden 5 Ernten vorgenommen: das erste mal wird 12 bis 18 Monate nach der Aussaat geerntet; dann jeweils über 4 Jahre je einmal pro Jahr, wobei die Erntemengen von Jahr zu Jahr leicht abnehmen [15, 16]. Danach erfolgt eine tiefgründige, schwermechanische Bodenbearbei-tung, bevor mit der Aussaat des Rohrs für den nächsten 6-jährigen Erntezyklus begonnen wird. Traditionell wurde in Brasilien manuell geerntet, wobei die Felder vorgängig abgebrannt wurden, um die Ernte zu erleich-tern (Zugänglichkeit, Schnittverletzungen, gefährliche Tiere). Auf der Grundlage einer vom führenden Indust-rieverband signierten Absichtserklärung (des sogenannten „Green Protocol“) soll dieses Ernteverfahren bis 2017 flächendeckend eliminiert werden [17]. Aktuell werden etwa 50% des Zuckerrohrs mechanisch geerntet und in knapp 70% der Fälle werden die Felder nach wie vor vorgängig zur Ernte abgebrannt.

Die Verarbeitung des Rohrs zum Zucker in Brasilien erfolgt grundlegend nach den gleichen Prozessschritten wie in den Schweizer Fabriken, weshalb hier nur noch kurz auf die Unterschiede eingegangen wird:

» Die Extraktion des Rohsaftes wird traditionellerweise über eine Pressextraktion in Mühlen durchgeführt, wobei aber die in der Schweiz eingesetzte Diffusionsextraktion immer häufiger zum Einsatz kommt.

» Die Energieproduktion (Strom, Prozesswärme) erfolgt auf dem Fabrikgelände über die energetische Ver-wertung der Bagasse, die analog zum Rübenfleisch bei der Saftextraktion anfällt.

» Der Dicksaft kann neben dem Rohrzucker (Kristallisation & Zentrifugation) auch zu Bioethanol (Fermen-tation, Destillation, Dehydration) prozessiert werden.

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2 Fallbeschreibung

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Abb. 4. Systembild der Zuckerversorgungskette in Brasilien, Center South (der Studie zu Grunde liegende Bilanzie-rungs/-Systemabgrenzung).

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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3 Ökologie

3.1 Die Methode der Ökobilanz (LCA) Die Ökobilanzierung (bzw: Life Cycle Assessment, LCA) ist eine Methode zur quantitativen Abschätzung von Umweltbeeinträchtigungen, die mit einem beliebigen Produkt bzw. Dienstleistung verbunden sind. Die Me-thode basiert auf einem Lebenszyklus-Ansatz, was die Berücksichtigung und Bewertung von Umweltauswir-kungen von der „Wiege“ bis zur „Bahre“ („cradle-to-grave“) ermöglicht. Die Vorgehensweise in einer Ökobi-lanz ist in Normen der Internationalen Organisation für Normierung standardisiert [18-21] und unterscheidet prinzipiell die folgenden vier Phasen:

1. Zieldefinition: Enthält die präzise Beschreibung (i) des Untersuchungsgegenstandes, der sogenannten funktionellen Einheit (bzw. Bezugsgrösse für die Bewertung), (ii) von in der Bewertung zu berücksichtigenden Umweltaspekten, und (iii) der anzuwendenden methodischen Konzepte. Tab. 4 fasst die Eckpunkte für die vorliegende Studie zusammen (Ü Kapitel 1.2, 2).

Tab. 4. Eckpunkte der Phase 1 „Zieldefinition“ im Rahmen der Ökobilanz

Was Beschreibung

Funktionelle Einheit

Vergleich der durchschnittlichen, gegenwärtigen industriellen Produktion („cradle-to-gate“) von 1kg - weissem Rübenzucker aus der Schweiz (Ü Abb. 3) - weissem Rohrzucker aus Brasilien, Region Center South (Ü Abb. 4)

Berücksichtigte Prozesse Vom Rohstoffabbau bis Anlieferung des Zuckers an der Eingangsrampe Detailhandel („cradle-to-gate“)

Modellierungsannahmen Art der Allokation

- Ökonomisch - Modellierung von Gutschriften (Substitution, Systemerweiterung)

Methode zur Wirkungsabschätzung - Methode der Ökologischen Knappheit – Ökofaktoren 2006 - Eco-indicator 99

Als Bewertungsmethode für die Gewichtung der einzelnen Wirkungen wurde die Methode der ökologischen Knappheit sowie Eco-indicator 99 gewählt. Dieses Vorgehen ist nicht ISO konform, da die ISO 14044 Norm eine solche Gesamtaggregation für die Kommunikation nicht empfiehlt. Da gerade aus Nachhaltigkeitssicht eine Aussage über die gesamten ökologischen Auswirkungen vom Auftraggeber klar erwünscht ist, wurde dieses Vorgehen anstelle der ISO konformen Auflistung aller einzelnen Wirkungsabschätzungen gewählt. Dabei wird der Standpunkt vertreten, dass eine Gewichtung anhand gesellschaftlich akzeptierter Werte (Me-thode der ökonomischhen Knappheit) allemal besser ist als eine isolierte Betrachtung ausgewählter einzelner Wirkungen, wie z.B. das Treibhauspotential, da hier implizit die Gewichtung aller anderen Wirkungen auf Null gesetzt wird, was sicher falsch ist. Alle Wirkungen ISO konform aufzulisten und die Gewichtung damit dem Leser zu überlassen, wäre kaum adäquater (denn spätestens bei anstehenden Entscheidungen werden die Wirkungen nach subjektivem Gutdünken gewichtet).

2. Sachbilanz (Ökoinventar): Im Sachinventar wird die für die Bewertung notwendige Datengrundlage erho-ben und zusammengestellt. Dabei werden Daten über alle benötigten natürlichen Ressourcen, den gesamten Bedarf an Halbfabrikaten, Hilfsstoffen und Energie sowie alle in der Prozesskette entstehenden Schadstof-femissionen über den gesamten Lebenszyklus erfasst. Diese werden schliesslich auf die zuvor definierte funk-tionelle Einheit normiert. Eine Übersicht über die verwendete Datengrundlage und die wichtigsten Modellie-

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3 Ökologie

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rungsannahmen zur Beschreibung der Schweizerischen und Brasilianischen Zuckerproduktion ist im folgen-den Kapitel zu finden (Ü Kapitel 3.2).

3. Wirkungsabschätzung: In der Wirkungsabschätzung findet der eigentliche Bewertungsschritt innerhalb einer Ökobilanz statt. Basierend auf den Daten der Sachbilanz werden die mit der funktionellen Einheit ver-bundenen Umweltauswirkungen modelliert und bewertet. Gemäss ISO [20] wird die Wirkungsabschätzung in sieben Teilschritte unterteilt, wovon im Folgenden die grundlegendsten kurz beschrieben werden:

» Klassifizierung: Zuordnung der Sachbilanz-Ergebnisse zu Umweltwirkungen, z.B. Kohlendioxid und Me-than zur Klasse „Treibhauseffekt“.

» Charakterisierung: Berechnung der Wirkungsindikator-Ergebnisse, indem unterschiedlicher Substanzen mit gleicher Wirkung, z.B. Kohlendioxid und Methan, entsprechend ihrem Wirkungspotential gewichtet und damit vergleichbar gemacht werden.

» Analyse der Datenqualität: Quantifizierung von aus Datenunschärfen herrührenden Unsicherheitsberei-chen für die einzelnen Wirkungskategorien. Dazu werden die Datenunschärfen anhand des „Pedigree“-Ansatzes (u.a. Reliabilität, zeitl. & geogr. Referenz) bestimmt und in eine Wahrscheinlichkeitsverteilung übersetzt, auf deren Basis über eine Monte Carlo Analyse die Unsicherheitsbereiche quantifiziert werden.

4. Interpretation: In der vierten und letzten Phase der Ökobilanz werden die Bewertungsresultate schliesslich interpretiert, indem diese zur Zielsetzung und dem Untersuchungsrahmen aus Phase in Beziehung gesetzt werden.

3.2 Sachinventar (Ökoinventar/Datengrundlage)

3.2.1 Schweizer Rübenzucker

Tab. 5 fasst die wichtigsten Grössen des Sachinventars der Schweizerischen Zuckerversorgungskette zusam-men. Dabei sind für alle Hauptprozesse die wichtigsten Input- (Material- und Energiebedarf) und Output-Flüsse (Emissionen in die Umwelt bzw. Nebenprodukte) dargestellt.

Der landwirtschaftliche Anbau ist für die Modellierung und Bewertung der herausforderndste Prozess der Versorgungskette. Dies liegt einerseits daran, dass die Zuckerrübe im Schweizerischen Zuckerrübenbau in eine Fruchtfolge eingebettet ist und die im Rahmen der Betriebsführung anfallenden tierischen Nebenpro-dukte (Miste, Güllen) als Hofdünger im Zuckerrübenbau verwendet werden, was relativ aufwendige Nähr-stoffbilanzen zur Folge hat. Abb. 5 zeigt schematisch, welche Prozesse des landwirtschaftlichen Betriebs in die Umweltbewertung des Zuckerrübenbaus Eingang finden. Andererseits sind die mit der Bewirtschaftung verbundenen Emissionen aus dem Feld in die Umwelt aufgrund der komplexen bodenchemischen bzw. –physikalischen Prozesse schwer abschätzbar. Die wichtigsten Annahmen seien im Folgenden kurz aufgelistet:

» Die mit der Hofdüngerproduktion verbundene Viehwirtschaft wird in der Bewertung der Zuckerrübe nicht berücksichtigt; die Lagerung der bei der Zuckerrübe applizierten Hofdünger-Mengen hingegen schon.

» Beim Feldanbau werden alle direkten und indirekten Emissionen in die Umweltkompartimente Wasser, Boden, Luft abgeschätzt und bewertet (z.B. Stickstoffverflüchtigung in Form von Ammoniak beim Aus-bringen der Hofdünger, Phosphor-Emissionen in Oberflächengewässer infolge Bodenerosion, Kohlendi-oxid-Emissionen nach Harnstoff-Ausbringung, etc.).

» Die im Rahmen der Fruchtfolge im Schweizerischen Zuckerrübenbau angebaute Zwischenkultur zur sai-sonalen Stickstofffixierung wird der Zuckerrübe angelastet, da diese Nährstoffe der darauf folgenden Zuckerrübe zur Verfügung stehen und damit dort eingespart werden.

» Die Nährstoffe des bei der Ernte auf dem Feld belassenen Rüben-Blattwerks (Ernterückstände) werden der Zuckerrübe durch eine Reduktion der in den Düngungsnormen [22] empfohlenen Nährstoffmengen gutgeschrieben.

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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Unberücksichtigt bleiben (i) Transfer von toxischen Substanzen ins Nahrungsmittel und tierischen Futtermit-teln, z.B. Schwermetalle oder Pestizide in die Zuckerrübe, (ii) Einfluss der Bewirtschaftungsweise auf Boden-qualität und Bodenfruchtbarkeit, z.B. Bodenverdichtung durch mechanische Bewirtschaftung, (iii) Effekte auf die Biodiversität, (iv) Geruchs- und (v) Lärmbelästigungen.

Tab. 5. Ausgewählte Größen im Sachinventar der Schweizer Zuckerversorgungskette mit Literaturangaben

Was Einheit Wert Literaturangabe Anbau Zuckerrüben (pro ha) Ertrag t 76.28 [7] Feldarbeiten [23, 24]

Rübenvollernter ha 1.00 Feldspritze (Spritzmittel) ha 4.40

Düngemittel [22, 24-26] N gesamt kg 100 P2O5 gesamt kg 85 K2O gesamt kg 465

Pestizide Total kg 3.34 [24, 27] Luftemissionen [24]

Ammoniak (NH3) kg 32.5 Distickstoffmonoxid (Lachgas, N2O) kg 3.85

Emissionen ins Wasser [24] Nitrat (NO3) kg 35.6

Anlieferung Zuckerrüben (pro kg Rüben) Traktor bzw. Bahn km (%) 12 (50%) bzw. 82 (50%) [28] Zuckerfabrik (pro kg Zucker) Erdgas MJ 3.28 [29] Strom kWh 0.06 [29] Kalkstein kg 0.14 [29] Steinkohlekoks MJ 0.29 [29] Nebenprodukte [29]

Pressschnitzel (à Viehzucht) kg 1.31 Melasse (à Viehzucht) kg 0.204 Carbokalk (à Ackerbau) kg 0.23

5. Distribution Zucker (pro kg Zucker) Lastkraftwagen bzw. Bahn km (%) 71 (64%) bzw. 58 (36%) [28]

Um den Anbau der Zuckerrüben möglichst in Bezug auf die aktuell vorherrschende Situation durchzuführen (Ü 1.2.2), wurden die sensitiven Grössen im bestehenden Anbauinventar aus der ecoinvent-Datenbank ange-passt, falls aktuelle, aber auch akkurate Grundlagen dazu vorlagen:

» Erhöhung des durchschnittlichen Feldertrags anhand der Mittelwerte aus den Jahren 2005-2009 von 72.3 auf 76.3 t pro Hektare.

» Anpassung der applizierten Düngermengen an die neuen, im Jahre 2009 erschienenen Grundlagen für die Düngung im Acker- und Futterbau [22, 25].

» Neuberechnung der direkten und indirekten Feldemissionen (Ammoniak, NH3; Lachgas, N2O; Stickoxide, NOx; Kohlendioxid, CO2; Nitrat, NO3; Phosphor, P; Phosphat, PO4; diverse Schwermetalle wie z.B Cadmium,

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3 Ökologie

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Cd) aufgrund des veränderten Dünger- bzw. Nährstoffinputs ins Feld. Dabei mussten die Ammoniak-Emissionen mehr als verdoppelt werden, weil bei der ursprünglichen Bestimmung dieses ecoinvent-Wertes der wesentliche Beitrag des Gülle- bzw. Mistausbringens untergegangen war (vgl. [24]).

» Korrektur der Transporte zur Hilfsmittel-Anlieferung aufgrund der veränderten Mengen an Hilfsmittel.

Abb. 5. Systemab-grenzung für den

landwirtschaft-lichen Prozess des

Schweizerischen Anbaus von Zucker-

rüben (nach [26]).

Bei der Zuckerfabrik stand die zeitliche Aktualisierung und inhaltliche Spezifizierung des Dateninventars (Material- und Energieinputs, Emissionen) für die beiden Werke in Aarberg und Frauenfeld und die Erfassung aller Nebenprodukte sowie deren Verwertungswege für die Modellierung der Gutschriften im Vordergund. Die Anpassung des Dateninventars wie auch die Erfassung der Nebenprodukte beruhten auf Mittelwerten aus der Periode 2005-2009, die von der ZAF übermittelt wurden.

Tab. 6 zeigt die anfallenden Nebenprodukte und die Grundlagen für die Modellierung der Gutschriften. Bei den für die Viehzucht bestimmten Nebenprodukten (Pressschnitzel, Melasse) wurde das entsprechende Mengenanalogon für die Maissilage anhand des NEL-Wertes (Netto-Energie-Milch) der beiden Futtermittel vorgenommen (NEL(PS)=7.25; NEL(Me)=7.00; NEL(MS)=6.4 MJ/kg TS).

Die Werte für die Abbildung der Transporte zur Rübenanlieferung und Zuckerdistribution (d.h. Distanz, Transportmittelanteile) beziehen sich auf konkrete Angaben aus den vergangenen Jahren der ZAF.

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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Tab. 6. Nebenprodukte der Rübenzuckerfabriken mit Mengen, Weiterverwertung und Gutschriftsprozessen

Nebenprodukte Einheit Wert Verwertung Gutschriftsprozess

Erde kg 0.13 Material für Blumenerde keine1 Steine/Sand kg 0.016 Betonherstellung Herstellung von gebrochenem Kies Biogas* kWh 0.032 Raumwärme Nutzwärme aus Erdgas Pressschnitzel kg 1.31 Futtermittel Viehzucht Herstellung von Maissilage Carbokalk kg 0.23 Kalkung von Ackerflächen Herstellung von Kalkdünger Fernwärme MJ 0.0062 Raumwärme Nutzwärme aus Heizöl Strom* kg 0.008 Netzeinspeisung Stromproduktion CH-Mix

Dicksaft2 kg 0.025 Substrat Hefeindustrie Herstellung von Maisstärke

Melasse kg 0.2 Futtermittel Viehzucht Herstellung von Maissilage

*Gutschrift über Korrektur beim Energiebedarf der Zuckerfabrik

1 Die in den Werken anfallende Rübenerde für die Produktion von Blumenerde bei der Ricoter AG müsste in Abwesenheit

dieses Nebenproduktes aus einem anderen Boden entnommen werden. 2 Der Dicksaft aus dem Werk Frauenfeld ist kein eigentliches Nebenprodukt, da aus diesem im nachfolgenden Prozess-2 Der Dicksaft aus dem Werk Frauenfeld ist kein eigentliches Nebenprodukt, da aus diesem im nachfolgenden Prozess-

schritt das Hauptprodukt Zucker erzeugt wird. Bei den angenommenen Zuckerausbeuten (benötigte Rübenmenge für 1kg Zucker) ist dieser Mehrbedarf für den Dicksaft nicht berücksichtigt, so dass für den Dicksaft keine Gutschrift gemacht wurde.

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3 Ökologie

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3.2.2 Brasilianischer Rohrzucker

In Tab. 7 ist eine Auswahl der bedeutendsten Grössen des Sachinventars für die Brasilianische Zuckerversor-gungskette dargestellt, d.h. die Input- (Bedarf an Material, Energie, natürlichen Ressourcen) und Output-Flüsse (Emissionen in die Umwelt und Nebenprodukte) für die fünf Hauptprozesse „Anbau Zuckerrohr“, „An-lieferung Zuckerrohr“, „Zuckerfabrik“, „Zuckerdistribution“ und „Endverarbeitung“.

Tab. 7. Ausgewählte Größen im Sachinventar der Brasilianischen Zuckerversorgungskette mit Literaturangaben

Was Einheit Wert Literaturangabe 1. Anbau Zuckerrohr (pro ha)

Ertrag t 70.583 [16]

Feldarbeiten Mechanische Ernte ha 1.00 Feldspritze (Spritzmittel) ha 4.40

Düngemittel [16] [15] N gesamt (% Hofdünger) kg 60

P2O5 gesamt (% Hofdünger) kg 37 K2O gesamt (% Hofdünger) kg 100

Pflanzenschutzmittel Total kg 2.36 [16, 31] Luftemissionen [16]

Ammoniak (NH3) kg 6.14 [15] Distickstoffmonoxid (N2O) kg 3.05 [32] Methan (CH4) biogen kg 17.41 Kohlenmonoxid (CO) biogen kg 1826 Grobstaub (> 10µm) kg 182.6

Emissionen ins Wasser Nitrat (NO3) kg 22.1 [33]

2. Anlieferung Zuckerrohr (pro kg Rohr) Lastkraftwagen, LKW km 20 [30, 34] 3. Zuckerfabrik (pro kg Zucker) Kalkstein kg 0.20 Steinkohlekoks kg 0.017 Wasser kg 8.23 Nebenprodukte [16, 30]

Strom (à Netzeinspeisung) kg 0.25 Bioethanol (à Treibstoff) kg 0.08

4. Endverarbeitung (Nachtrocknung) Heizöl Extraleicht MJ 0.018 [35] 5. Distribution Zucker (pro kg Zucker) [30] Übersee-Tanker km 9710 [35, 36] Binnenschiff km 840 [35, 36] Lastkraftwagen, LKW km 47 [37] Eisenbahn, Cargo (Anteil) km 77 [37]

3 Die Berücksichtigung der Stecklings-Herstellung (12t alle 5 Jahre) wurde gemäss Jungbluth et al. [30] über eine Reduktion

des jährlichen Hektar-Ertrags um 2t vorgenommen.

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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Wie auch im Fall des Schweizer Zuckers ist der landwirtschaftliche Anbau des Zuckerrohrs der am schwierigs-ten adäquat zu beschreibende Prozess in der Brasilianischen Zuckerversorgungskette. Die Gründe und ent-sprechenden Modellierungsannahmen sind in etwa dieselben wie bei der Zuckerrübe mit der Ausnahme, dass in Brasilien keine Fruchtfolgen und Tierhaltungssysteme mit Hofdünger-Anfall mit den entsprechenden Implikationen zu berücksichtigen sind (Ü Abb. 5, 2.2, 3.2.1). Die folgenden Anpassungen des ecoinvent-Dateninventars für den Zuckerrohranbau wurden vorgenommen, um die aktuelle, industrielle Zuckerproduk-tion in Brasilien möglichst genau wiederzugeben:

» Erhöhung des durchschnittlichen Rohrertrags auf Basis der durchschnittlichen Industrie-Mittelwerte aus den Jahren 2005/2006 [16].

» Anpassung der applizierten Düngermengen unter Berücksichtigung von Nährstoffgutschriften, die mit der Rückführung des Filterkuchens und der Vinasse (Schlempe) aufs Zuckerrohrfeld zusammenhängen [16, 32].

» Korrektur der direkten und indirekten Feldemissionen (Ammoniak, NH3; Lachgas, N2O; Kohlendioxid, CO2; Stickoxide, NOx; Nitrat, NO3; ) aufgrund geänderter Düngerapplikation und aktuelleren Studien zum Rohranbau in Brasilien [15, 16, 32, 33, 38, 39]

» Reduktion der applizierten Insektizid-Mengen von 2.4 kg auf 0.2 kg anhand aktuellen Angaben [16, 31].

» Reduktion der Luftemissionen aus dem Abbrennen der Felder vor der Ernte (Methan, Kohlenmonoxid, Grobstaub) um rund 10% an die aktuellste Form der Bewirtschaftungsweise [16, 40].

» Unberücksichtigt bleiben dieselben Zusammenhänge wie bei der Modellierung des Schweizer Falls. Da-bei ist aber insbesondere die Vernachlässigung des langfristigen Einflusses der monokulturellen Bewirt-schaftungsweise auf die Biodiversität, Bodenqualität und Bodenfruchtbarkeit zu erwähnen. Allerdings sind bis anhin zumindest bezogen auf die Bodenfruchtbarkeit auch in langjährig bepflanzten Gebieten keine Ertragsrückgänge verzeichnet worden.

Die Brasilianische Rohrzuckerfabrik, in der aus dem Dicksaft sowohl Rohrzucker wie auch Bioethanol produ-ziert werden können, da beide Infrastrukturen vorhanden sind, wurde ebenfalls mit einer angepassten ecoin-vent-Datengrundlage modelliert. Der Betriebsführung ist dabei auf die Produktion von Zucker ausgelegt, wobei das Bioethanol aus der Fermentation der Melasse als „Nebenprodukt“ anfällt (Ü Abb. 4). Analog zur Schweizer Situation ging es auch bei der Rohrzuckerfabrik darum, das Dateninventar bezogen auf Energie-/Materialinputs, Emissionen und anfallende Nebenprodukte im „Center South“ zu aktualisieren, um die ge-genwärtig vorherrschenden Produktionsbedingungen möglichst gut zu repräsentieren. Aufgrund des schwie-rigen Datenzugangs wurde neben einigen geringfügigen Anpassungen vor allem der ins Netz eingespiesene Strom aus der Bagasseverwertung nach oben korrigiert, da dort in den vergangenen Jahren erhebliche Effi-zienzsteigerungen vorgenommen wurden. Tab. 8 zeigt die berücksichtigten Nebenprodukte und die Grund-lagen für die Modellierung der Gutschriften.

Weiter wurden die Transporte zur Rohranlieferung angepasst, um die von Macedo [16] ausgewiesenen aktu-ellen Emissionswerte wiederzugeben. Die Daten zur Modellierung der Rohrzucker-Distribution wurden eben-falls korrigiert. Die Basis dafür bildeten eine von der International Sugar Organisation (ISO) veröffentlichten Studie zur weissen Rohrzucker-Verschiffung [41] sowie aktuellen Angaben zu Emissionen unterschiedlicher Schiffstypen [42].

Tab. 8. Nebenprodukte der Rohrzuckerfabrik mit Mengen, Weiterverwertung und Gutschriftsprozessen

Nebenprodukte Einheit Wert Verwertung Gutschriftsprozess Strom kWh 0.25 Netzeinspeisung Stromproduktion Brasilien Bioethanol kg 0.08 Treibstoff Benzinherstellung

Beim Bioethanol wurde das entsprechende Mengenanalogon für Benzin anhand der Brennwerte der beiden Treibstoffe (Benzin: 47.16 MJ/kg; Bioethanol: 29.78 MJ/kg) bestimmt.

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3.3 Resultate & Diskussion

3.3.1 Schweizer Rübenzucker

Abb. 6a-c zeigt die Gesamtumweltbelastung für die verschiedenen Prozesse der Versorgungskette von in-dustriell produziertem, weissem Schweizer Rübenzucker nach der Methode der ökologischen Knappheit für die beiden unterschiedlichen Arten der Allokation von Nebenprodukten (d.h. Allokation über Gutschrift bzw. Systemerweiterung und ökonomische Allokation).

Abb. 6. Umweltbelastungen (Methode der ökologischen Knappheit, UBP 06) der Versorgungskette von Schweizer Rübenzucker differenziert nach den Hauptprozessen (CH-01: Rübenanbau; CH-02: Rübenanlieferung; CH-03.1: Belastungen der Fabrik; CH-03.2: Gutschriften der Fabrik; CH-04: Endverarbeitung; CH-05: Zuckerdistribution) und den entsprechenden Beiträgen der unterschiedenen Wirkungskategorien. Allokation über Gutschrift (a); Gutschriften für die Nebenprodukte (b); ökonomische Allokation (c).

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Wie aus Abb. 6a,c deutlich wird, trägt der landwirtschaftliche Anbau der Zuckerrüben – unabhängig von der gewählten Allokationsmethode – mit 1233 bzw. 1134 UBP oder beinahe 85% den mit Abstand grössten Anteil zu den Gesamtumweltbeeinträchtigungen in der Schweizerischen Zuckerversorgungskette bei. Auf der In-putseite sind dabei vor allem die ins Feld eingebrachten Mengen an Dünge- und Pflanzenschutzmittel ent-scheidend, deren Herstellung – insbesondere bei den Mineraldüngern – mit erheblichen energetischen und materiellen Aufwendungen wie auch Umweltemissionen verbunden ist. Die eindeutig grössten Umweltbe-lastungen im Rübenbau rühren aber her aus den direkten und indirekten Feldemissionen in die verschiede-nen Umweltkompartimente (Boden, Grund- und Oberflächengewässer, Luft), die direkt mit den applizierten Mengen an Dünge- und Pflanzenschutzmittel in Verbindung stehen. Die in den Boden gelangenden Pflan-zenschutzmittel und Schwermetalle, in die Luft austretende Stickstoffverbindungen aus der Umwandlung und Verflüchtigung von Nährstoffen (v.a. Ammoniak, NH3, Stickoxide, NOx; Lachgas. N2O) und aus der Harn-stoff-Anwendung herrührendes Kohlendioxid (CO2), sowie letztlich ins Grund- bzw. Oberflächengewässer austretende Stickstoff- und Phosphorverbindungen und Schwermetalle sind für diese umfangreichen Um-weltbeeinträchtigungen ausschlaggebend (Ü Tab. 7). Hinsichtlich der Umweltbeeinträchtigungen ver-gleichsweise unbedeutend sind die Feldarbeiten (z.B. Düngen, Bodenbearbeitung) mit Ausnahme des Rüben-vollernters, dessen Luftemissionen während der Ernte den überwiegenden Anteil der Umweltbeeinträchti-gungen aus den Feldarbeiten beisteuern.

Die Verarbeitung der Zuckerrüben zum weissen Rübenzucker in den Schweizer Werken in Aarberg und Frau-enfeld (165 UBP bei Allokation über Gutschrift bzw. 151 UBP bei ökonomischer Allokation) macht einen Anteil von rund 11% an der Gesamtumweltbelastung aus und fällt im Vergleich zum landwirtschaftlichen Anbau der Zuckerrüben sehr gering aus. Der bedeutende Anteil der Umweltbelastungen der Rübenzuckerfabrik wird bewirkt durch die Bereitstellung von Prozesswärme (Erdgas) und Strom (Schweizer Strommix), was im Falle der Erdgas-Nutzung mit erheblichen Luftemissionen verbunden ist, während bei der Stromherstellung zu-sätzlich die Berücksichtigung der Endlagerung von radioaktiven Abfällen eine wesentliche Rolle spielen. Die sechs Ko-Produkte führt zu beträchtlichen Umweltbelastungs-Gutschriften von rund 430 UBP für die Schwei-zer Zuckerfabrik (Ü Abb. 6a). Stellt man die Gutschriften den Umweltbelastungen der Fabrik gegenüber, so führen die Ko-Produkte zu einer negativen Umweltbelastung (d.h. Umweltentlastung, Umweltnutzen) von beinahe 270 UBP. Wie aus Abb. 6b ersichtlich, rühren die wesentlichen Gutschriften von den zwei in der Vieh-zucht als Futtermittel verwendeten Ko-Produkten „Pressschnitzel“ (±290 UBP) und „Melasse“ (±140 UBP) her, während die anderen Ko-Produkte mit einer Gutschrift von insgesamt knapp 5 UPB vernachlässigbar sind. Dies ist auf die aus ökologischer Sicht aufwendige Primärproduktion von Futtermitteln (hier: Maissilage) zurückzuführen, die durch Verwertung der Pressschnitzel und der Melasse substituiert wird, und die ver-gleichsweise geringen Mengen der anderen Ko-Produkte (Ü Tab. 6).

Die durch die Transporte verursachten Umweltbeeinträchtigungen sind im Vergleich zu denjenigen aus den anderen Prozessen der Versorgungskette gering. Die Anlieferung der Zuckerüben zur Fabrik ist mit einem Beitrag von rund 40 UBP bzw. rund 3% an den Gesamtbelastungen aufgrund der grösseren Transportmenge (6.4 kg Rüben) insgesamt unbedeutend, während die Distribution des 1 kg Zuckers ins Zentrallager des De-tailhandels mit rund 8 UBP bzw. 0.6% ganz vernachlässigbar ist. Der Beitrag der Endverarbeitung (d.h. hier nur Nachtrocknung) fällt beim Rübenzucker weg, während dies beim Zucker aus Zuckerrohr in der Regel noch gemacht wird.

Die Resultate der Umweltbewertung erwiesen sich als robust gegenüber den zwei unterschiedlichen Metho-den zur Wirkungsabschätzung (Ü Abb. 6a,d), d.h. die Anteile der verschiedenen Phasen der Versorgungskette an der Gesamtumweltbelastung sind in beiden Fällen gleich.

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3.3.2 Brasilianischer Rohrzucker

In Abb. 7a-d sind die Resultate der Umweltbewertung für den industriell produzierten, weissen Brasiliani-schen Rohrzucker dargestellt.

Abb. 7. Umweltbelastungen (a-c: Methode der ökologischen Knappheit, UBP 06; d: Eco-indicator 99) von Brasili-anischem Rohrzucker differenziert nach den Prozessen in der Versorgungskette und den entsprechenden Beiträ-gen der Wirkungskategorien. Allokation über Gutschrift (a); Gutschriften für die Nebenprodukte (b); ökonomi-sche Allokation (c); Allokation über Gutschrift (d).

Der überwiegende Anteil der gesamten Umweltbeeinträchtigungen in der Brasilianischen Zuckerversor-gungskette rührt – unabhängig von der gewählten Allokationsmethode – aus dem landwirtschaftlichen An-bau des Zuckerrohrs her (± 55% bzw. 760/900 UPB, Ü Abb. 6a,c). Dabei sind grundlegend dieselben Grössen bzw. Flüsse bestimmend wie beim Schweizerischen Zuckerrübenbau. Die prinzipiellen Unterschiede bestehen darin, dass in Brasilien aufgrund des monokulturellen Anbaus keine Gründüngung mitbewertet wird und dass die öko- und humantoxischen Luftemissionen aus dem Abbrennen der Felder vor der Ernte (Kohlenmo-noxid, CO; Methan, CH4; Grobstaub) hinzukommen (Ü Tab. 7).

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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Die Verarbeitung des geernteten Rohrs zum weissem Rohrzucker in der Rohrzuckerfabrik (306 UBP bei öko-nomischer Allokation bzw. 280 UPB bei Allokation über Gutschrift) ist mit einem Anteil von rund 20% an der Gesamtumweltbelastung ökologisch weit weniger bedeutend als der landwirtschaftliche Anbau und bewegt sich in derselben Grössenordnung wie die Distribution des Rohrzuckers (299 UBP) von Brasilien ins Zentralla-ger des Schweizerischen Detailhandels (via Santos – Antwerpen – Basel). In beiden Phasen der Versorgungs-kette machen die Luftemissionen den überwiegenden Anteil aus. Diese beziehen sich hauptsächlich auf Emissionen von Treibhausgasen (z.B. CO2, CH4, N2O) und Luftschadstoffen (z.B. Feinstaub, CO, polyzyklische aromatische Verbindungen) aus der energetischen Nutzung der Bagasse zur Strom- und Wärmeerzeugung (Zuckerfabrik) bzw. aus der Umwandlung der Treibstoffe in Transportenergie (Fracht- und Binnenschiff, LKW, Bahn). Die Berücksichtigung der beiden Ko-Produkte aus der Rohrzuckerfabrik „Strom“ und „Bioethanol“ führt zu einer Gutschrift bzw. Reduktion von 81 UBP (31 UBP für Strom; 50 UBP für Bioethanol; Ü Abb. 6b). Die An-lieferung des Zuckerrohrs von den Feldern zur Rohrzuckerfabrik ist mit einem Anteil von 5% an der Gesamt-umweltbelastung relativ unbedeutend. Die Nachtrocknung (d.h. Endverarbeitung) von 1kg Rohrzucker in der Schweiz ist aufgrund des sehr geringen Erdölbedarfs vernachlässigbar (<< 1% der Gesamtumweltbelastung bzw. rund 2 UBP).

Wie aus dem Vergleich von Abb. 7a und 7d ersichtlich wird, sind die Resultate der Ökobilanz für den Brasilia-nischen stark sensitiv gegenüber den gewählten Methoden zur Wirkungsabschätzung. Bei der Bewertung mittels Eco-indicator 99 führen die stark gewichteten kanzerogenen Emissionen dazu, dass hauptsächlich dem Anbau des Zuckerrohrs, aber auch der Rohrzuckerfabrik vergleichsweise sehr hohe Umweltbelastungen attribuiert werden. Neben den Emissionen aus der heute noch relativ weit verbreiteten Praxis des Abbren-nens der Felder vor der manuellen Ernte (Rohranbau) bzw. aus der energetischen Verwertung der Bagasse (Rohrzuckerfabrik; vgl. obige Ausführungen), ist die Hauptursache hierfür im stark Arsen-haltigen Pestizid Daconate zu finden, welches nur im Inventar des Zuckerrohr-Anbaus Berücksichtigung findet und bei der Beurteilung mit Eco-indicator 99 aufgrund einer überaus starken Gewichtung zu hohen Werten bei der Ökotoxizität führt [43, S. VII].4

3.3.3 Vergleich der Zuckerproduktion in Schweiz und Brasilien

Abb. 8a,b zeigt den Vergleich der Umweltbelastungen der Versorgungsketten von Schweizer Rüben- und Brasilianischem Rohrzucker. Generell weist die Schweizer Rübenzuckerproduktion bei beiden Allokationsme-thoden die bessere Ökobilanz auf als die Brasilianische Rohrzuckerproduktion, d.h. geringere Umweltbeein-trächtigungen entlang der Schweizer Zuckerversorgungskette als in Brasilien. Allerdings ist die Höhe des Unterschieds relativ stark abhängig von der gewählten Allokationsmethode. Werden die Ko-Produkte über eine ökonomische Allokation behandelt, zeigt der Schweizer Rübenzucker eine nur leicht bessere Umweltbe-wertung als der Brasilianische Rohrzucker (1335 UBP vs. 1424 UBP). Bei der Allokation über Gutschriften für die Ko-Produkte fällt der Vergleich weitaus stärker zugunsten des Rübenzuckers aus (1017 UBP vs. 1542 UBP). Dies ist einerseits darin begründet, dass in der Schweiz mit der Verwertung von Pressschnitzel und Melasse als Viehfutter die umweltintensive Produktion von Futtermitteln (hier: Maissilage) substituiert wird, was im Vergleich zum Strom und dem Bioethanol aus der Brasilianischen Werken umfangreiche Gutschriften mit sich bringt (433 UBP vs. 81 UBP). Andererseits erzielen die Brasilianischen Ko-Produkte vergleichsweise höhere Erlöse auf dem Markt, was sich bei der ökonomischen Allokation vergleichsweise positiv auf die Umweltbe-lastung der Brasilianischen Zuckerfabrik auswirkt. Diese Sachverhalte erklären die Sensitivität der Resultate gegenüber der gewählten Allokationsmethode. Es wird ersichtlich, dass der ökonomische Marktwert eines (Neben-)Produkts – insbesondere bei produktionsintensiven und relativ günstigen Agrarprodukten – nicht positiv mit den Umweltbelastungen korreliert, die im Verlaufe der Herstellung verursacht werden.

Wie die in Abb. 8 ausgewiesenen 95%-Konfidenzintervalle zeigen, sind die Resultate mit erheblichen Unsi-cherheiten behaftet. Diese sind aufgrund des schwierigeren Zugangs zu repräsentativen Daten in Brasilien beinahe doppelt so hoch wie im Schweizer Fall, wo generell und über die enge Kooperation mit den Zucker-fabriken und den Rübenpflanzern eine solide Datenbasis mit relativ geringen Unsicherheiten vorhanden war. 4 Alternativ könnte dieses Pestizid in der Studie durch ein anderes nicht Arsen-haltigen Mittel ersetzt werden, was die

Umweltauswirkungen in dieser Wirkungskategorie signifikant reduzieren würde.

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3 Ökologie

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Abb. 8. Vergleich der Umweltbelastungen (Methode der ökologischen Knappheit, UBP 06) der Versorgungsketten von Schweizer Rübenzucker und Brasilianischem Rohrzucker. Allokation über Gutschrift (a); ökonomische Alloka-tion (b).

3.4 Kurzes Zwischenfazit

» Der Schweizer Rübenzucker weist – unabhängig der gewählten methodischen Annahmen – eine tenden-ziell bessere Umweltbilanz auf als der Brasilianische Rohrzucker. Allerdings sind beide Bewertungen (vor allem aber im Brasilianischen Fall) mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, welche die Eindeutigkeit dieser Aussage relativieren.

» Die bedeutendsten Umweltbeeinträchtigungen der Zuckerversorgungsketten in beiden Ländern rühren aus dem Anbau der Rüben bzw. des Rohrs her. Im Vergleich zur Schweiz spielt in Brasilien neben der Zu-ckerfabrik auch die Distribution des Zuckers eine wesentliche Rolle. Die Gutschriften für die Schweizer Nebenprodukte (v.a. Pressschnitzel, Melasse) sind vergleichsweise sehr bedeutend, und erklären zusam-men mit ihrem relativ tiefen Marktwert den gegenläufigen Effekt der Methodenwahl bei der Bewertung der beiden Versorgungsketten.

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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4 Ökonomie

4.1 Die Methode der Lebenszykluskosten (LCC) Die Methode der Lebenszykluskosten-Rechnung (Life Cycle Costing: LCC) hat das Ziel, die Folgekosten von Systemen in die Investitionsentscheidung mit einzubeziehen und das Gesamtkostendenken zu fördern [44]. Erstmals Verwendung fand dieser Ansatz vor allem in den USA in den 1930er Jahren für Landwirtschaftsma-schinen [44]. In der Folge kam die Methode aufgrund der ganzheitlichen Betrachtung vor allem in der ökolo-gisch orientierten Betriebswirtschaftslehre vermehrt zum Einsatz und wurde zum „Environmental Life Cycle Costing“ weiterentwickelt [5].

Während die klassische LCC Methode nur auf die negativen Zahlungsströme (Kosten) abstellt und die Erlöse (Nutzen) vernachlässigt, sollen in dieser Arbeit Kosten und Nutzen über den Lebenszyklus verrechnet werden. Genauer handelt es sich also im hier angewendeten Verfahren um eine Lebenszykluskosten- und Ertrags-Rechnung. Wie in Abb. 9 dargestellt, werden die Kosten und Erträge der jeweiligen Phase der Versorgungs-kette angerechnet bzw. zwischen diesen Phasen verrechnet, was dem Ansatz einer Vollkostenrechnung ent-spricht. Mit diesem Vorgehen schliesst sich die LCC Methode an die LCA Methode an, weil Bezugsrahmen und Systemgrenze (fast) übereinstimmen. Einzig die Externalitäten5 (grün), die in der LCA natürlich sehr wohl beachtet werden, fliessen in die LCC aufgrund ihrer Komplexität und der damit verbundenen Schwierigkeit der adäquaten monetären Bewertung nicht ein.

Abb. 9. Bilanzgrenze des Lebenszykluskosten-Ansatzes (nach [5])

Im Unterschied zur klassischen Kosten-Nutzen-Analyse, die eine Kapitalwertmethode darstellt, werden in dem von uns verwendeten Ansatz die an den unterschiedlichen Stellen des Lebenszyklus anfallenden Kosten nicht auf einen Anfangswert abgezinst, sondern die tatsächlichen Zahlungen periodenentsprechend neben-einander gestellt und verglichen. Dieses Vorgehen bietet sich insofern an, als dass es sich bei der vorliegen-den Analyse nicht um einen Vergleich von Handlungs- oder Investitionsalternativen zu einem bestimmten Zeitpunkt handelt, sondern bereits bestehende Systeme und laufende Prozesse an zwei verschiedenen Orten miteinander verglichen werden sollen.

5 Eine Externalität (auch: externer Effekt) bezeichnet die unkompensierten, im Markt nicht (ausreichend) berücksichtigten

Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf unbeteiligte Marktteilnehmer.

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4 Ökonomie

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Die für beide Länder separat gewonnen Daten (Ü Kap. 4.2) werden sich abschliessend aufgrund der identi-schen Methodenbasis miteinander vergleichen lassen. Für die Interpretation dieser Zahlen werden klassische volkswirtschaftliche (z. B. Anzahl geschaffener Arbeitsplätze) und betriebswirtschaftliche Kennzahlen (z. B. Umsatzrentabilität) ausgewiesen wie sie in Tab. 9 aufgelistet sind.

Tab. 9. Wirtschaftliche Kennzahlen für den Vergleich der beiden Zuckerversorgungsketten

Indikator/Kennzahl Definition Interpretation Bruttowertschöpfung = Produktionswert (Umsatz + Wert

der Bestandesänderung) – Vorleis-tungen + Subventionen

Wert, der den Vorleistungen hinzugefügt wurde, bzw. Beitrag zur gesamtwirtschaft-

lichen Güterproduktion Umsatzrentabilität = Ordentliches Betriebsergebnis

(vor Steuern und Zinsen) / Umsatz Gewinnanteil am Umsatz

Produktionskosten = Materialkosten + Fertigungskos-ten (inkl. Lohnkosten)

Betrag für den Einkauf der produktions-notwendigen Faktoreinsätze

Steuereinnahmen = Gemeinde- und Bundessteuer auf das steuerbare Einkommen

Beitrag zur Finanzierung der staatlichen Tätigkeit

BIP-Anteil = Anteil der Industrie am BIP (Brut-towertschöpfung + Steuern –

staatliche Beiträge)

Beitrag der Branche zur gesamtwirtschaft-lichen Leistung

Arbeitsplätze = Anzahl der Arbeitsplätze (im Zuckerrübenbau und Zuckerfabrik)

Bedeutung des Unternehmung/Branche für die Branche/Gesellschaft

Während die ersten drei Indikatoren „Bruttowertschöpfung“, „Umsatzrentabilität“ und „Produktionskosten“ eher betriebswirtschaftliche Kennzahlen sind, geben Steuereinnahmen, BIP-Anteil und die Anzahl Arbeits-plätze Auskunft über den volkswirtschaftlichen Beitrag der Branche. Alle Kennzahlen werden für die einzel-nen Supply Chain Abschnitte getrennt ausgewiesen, so dass auch innerhalb eines Landes ein Vergleich der verschiedenen Wertschöpfungsstufen möglich ist, für einen Gesamtvergleich der beiden Länder dann aber auch aggregiert.

4.2 Datengrundlage Tab. 10 gibt einen Überblick über die Datengrundlage in den beiden zu vergleichenden Ländern. Insgesamt muss festgehalten werden, dass die zur Verfügung stehenden Daten für die Schweiz hinsichtlich ihrer Breite, Tiefe und damit auch Reliabilität den Daten aus Brasilien überlegen waren.

Tab. 10. LCC-Datengrundlage für die beiden Länder spezifiziert nach den Phasen der Zuckerversorgungskette

Versorgungsketten-Phase Schweiz Brasilien

Anbau Rüben/Rohr

» Deckungsbeiträge Ausgabe 2010 der Agridea [23]

» Variable und fixe Maschinenkosten 2008/2010 der ART [45, 46]

» Desaggregation einer Gesamtbi-lanz des Brasilianischen Zucker-

rohr-Sektors [47]

Anlieferung Rüben/Rohr » Ungenügende Datenbasis » Ungenügende Datenbasis

Zuckerfabrik » Jahresrechnungen der ZAF » Aggregation einer detaillierten Kostenbilanz für Ø- Fabrik [48]

Endverarbeitung » - » vernachlässigt Distribution Zucker » Ungenügende Datenbasis » Ungenügende Datenbasis

Problematisch stellte sich die Datenlage für den Transportsektor in beiden Ländern dar. Da hierfür aufgrund der herrschenden Diskretion in der Logistikbranche keine Zahlen zu den Kosten und folglich zur Wertschöp-fung erhoben werden konnten und eine Approximation der echten Werte keine annähernd zufriedenstellend

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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robusten Ergebnisse liefert, wurde dieser Teil der Wertschöpfungskette in der vorliegenden Studie ausge-klammert.

4.2.1 Schweizer Rübenzucker

Eine Übersicht über die berücksichtigten Daten für die beiden Hauptprozesse („Anbau Zuckerrüben“, „Rüben-zuckerfabrik“ der Schweizerischen Zucker-Versorgungskette ist in Tab. 11 gegeben.

Tab. 11. Erfolgsrechnung für den Schweizerischen Zuckerrübenbau (bezogen auf 1 ha Ackerfläche) bzw. die Schweizerische Rübenzuckerfabrik (bezogen auf Jahresproduktion)

Was Einheit Wert Literatur 1. Anbau Zuckerrüben (bezogen auf 1 ha)

Erträge Rüben66 CHF 6’129 [23]

Anbaubeitrag CHF 1’900 [12, 23] Flächenbeiträge CHF 1’680 [23] TOTAL CHF 9’709

Kosten Gründüngung CHF 218 [23] Düngung CHF 429 [23] Saatgut CHF 444 [23] Pflanzenschutz CHF 740 [23] Versicherung etc. CHF 137 [23] Maschinenkosten (fix, variabel) CHF 1’104 [23, 45, 46] Lohnarbeit CHF 1’178 [23] Arbeitskosten LW* CHF 1’738 [23] Steuern & Zinsen CHF 128 [23, 49] Opportunitätskosten (Pachtzins) CHF 703 [50] TOTAL CHF 6’819

Betriebszweig-Nettoergebnis7 CHF 2’890

3. Rübenzuckerfabrik (bezogen auf Jahresproduktion) Erträge Zucker & Nebenprodukte MCHF 281.8 [51]

Sonstiger Ertrag MCHF 1.4 [51] TOTAL MCHF 283.2

Kosten Waren- und Materialaufwand MCHF 199.3 [51] Personal MCHF 36.4 [51] Abschreibungen MCHF 20.8 [51] Sonstiger Betriebsaufwand MCHF 16.3 [51] Sonstiger Finanzaufwand & Steuern MCHF 8.0 [51] TOTAL MCHF 280.8

Gewinn MCHF 2.4

* Der Quantifizierung zu Grunde liegender Stundenansatz für Landwirte: 27 CHF/h

6 Die ZAF zahlt zusätzlich eine Erfolgsbeteiligung an die Rübenanbauer. Diese belief sich 2009 auf 3 CHF/t und steht für

2010 noch nicht fest. Es wird aber eine leichte Erhöhung erwartet. Da diese Zahlung aber im Verhältnis zur Gesamtsum-me so gering ist, wurde diese in den Berechnungen nicht berücksichtigt.

7 Die Abgrenzung der Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebszweigs (z.B. Zuckerrübe) ist nicht ganz eindeutig. So deuten andere Untersuchungen darauf hin, dass weitere, jedoch schwer zuordnungsbare Kosten in den Betrieben anfal-len, z.B. Autokosten (225 CHF), zusätzliche Gebäudekosten (628 CHF), allg. Betriebskosten für z.B. Meliorationen, Wegun-terhalt (749 CHF), die das Nettoergebnis tiefer ausfallen liessen (1’288 CHF).

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Auch wenn die Datenlage der Agridea für den Schweizerischen Rübenanbau allgemein sehr gut ist, mussten dennoch einige Ergänzungen und Anpassungen gemacht bzw. Annahmen zugunsten der Repräsentativität getroffen werden. So wurden einige Kostenfaktoren im Sinne einer Vollkostenrechnung zusätzlich in die Bilanz aufgenommen (z.B. fixe Maschinenkosten, Gründüngung, Opportunitätskosten Land, vgl. Tab. 11) und die Daten an die aktuellsten Preisentwicklungen und Bewirtschaftungsweisen angepasst. Weiter wurden die zu zahlenden Steuern über die Einkommenssteuertarife des Kantons Aargau für das Jahr 2010 erhoben. Diese Annahme scheint deswegen plausibel, weil ein bedeutender Anteil der Betriebe im Kanton Aargau liegen. Das gleiche gilt für die verrechneten Opportunitätskosten: Aufgrund der guten Datenlage für den Kanton Bern wurden hier die Pachtzins-Richtwerte des Amtes für Landwirtschaft und Natur [50] für bestes Ackerland verwendet. Für die Rübenzuckerfabriken in Aarberg und Frauenfeld ist die Datengrundlage exzellent; Ein-schränkungen für die Repräsentativität der Zahlen und Indikatoren können sich hier lediglich aus jährlichen Schwankungen ergeben. Es wurden die Daten aus dem Jahr 2009/2010 verwendet.

4.2.3 Brasilianischer Rohrzucker

Die ökonomischen Daten für die Brasilianische Zucker-Versorgungskette wurden analog zum Schweizer Fall aufbereitet. Die Werte für die beiden Prozesse „Anbau Zuckerrohr“ und „Rohrzuckerfabrik“ sind in folgender Tabelle zu finden.

Tab. 12. Erfolgsrechnung für den Brasilianischen Zuckerrohranbau für 2008/2009 (bezogen auf Jahresprodukti-on) bzw. die Brasilianische Rohrzuckerfabrik für 2005

Was Einheit Wert Literatur 1. Anbau Zuckerrohr

Erträge Zuckerrohr MCHF 5'228.9 [51] TOTAL MCHF 5'228.9

Kosten Maschinen und Geräte MCHF 1'807.6 [51] Lohnkosten MCHF 335.7 [51] Hilfsmittel MCHF 1'204.8 [51] Arbeitssicherheit MCHF 17.6 [51] Feldarbeiten und Transport MCHF 416.6 [51] Steuern MCHF 885.0 [51] TOTAL MCHF 4667.3

Gewinn MCHF 561.6

2. Rohrzuckerfabrik Erträge Zucker und Nebenprodukte MCHF 11'584.1 [51]

TOTAL MCHF 11'584.1 Kosten Waren- und Materialaufwand MCHF 5'191.9 [51]

Personal MCHF 28.8 [51] Abschreibungen MCHF 414.4 [51] Sonstiger Betriebsaufwand MCHF 778.0 [51] Steuern MCHF 117.2 [51] TOTAL MCHF 6'530.3

Gewinn MCHF 5'053.8

Die Werte für die Brasilianische Rohrzuckerfabrik beziehen sich auf das Jahr 2005 wurden aber mit einem Faktor 1.27 korrigiert, der die Teuerung für den Zeitraum von 2005 bis 2010 berücksichtigt. Diese inflationsan-gepassten Daten sind deshalb mit den Daten aus 2009/2010 für den Brasilianischen Rohranbau und denjeni-gen der Zuckerproduktion in der Schweiz generell vergleichbar.

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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4.3 Resultate Die folgende Illustration der Resultate der ökonomischen Bewertung beginnt mit einer isolierten Betrach-tung für die beiden Länder (Ü 4.3.1, 4.3.2), bevor diese für einen Vergleich einander gegenübergestellt werden (Ü 4.3.3).

4.3.1 Schweizer Rübenzucker

Tab. 13 weist die betriebs- und volkswirtschaftlichen Kennzahlen für den Rübenanbau, die beiden Zuckerfab-riken und für die Schweizerische Zucker-Versorgungskette insgesamt aus.

Tab. 13. Wirtschaftliche Kennzahlen der Schweizerischen Versorgungskette für Rübenzucker

Indikator/Kennzahl Einheit Anbau Fabrik Zucker Total Bruttowertschöpfung TOT [MCHF] 163.8 82.5 246.3 1kg [CHF] 0.66 0.30 0.95 Umsatzrentabilität - 0.38 0.03 0.21

» Ohne DZ* - 0.25 0.03 0.14

» Ohne DZ & DB** (AB) - 0.02 0.03 0.03 Produktionskosten 1kg [CHF] 0.44 0.85 0.85 Steuereinnahmen TOT [MCHF] 0.35 0.67 1.02 BIP-Anteil TOT [%] 0.03 0.02 0.04 Arbeitsplätze TOT [in 1000#] 2.72 0.27 2.99 TOT CH [%] 0.06 0.01 0.07

* Direktzahlungen ** Deckungsbeitrag (bzw. Anbaubeitrag)

Insgesamt werden in den beiden bilanzierten Prozessen der Rübenzucker-Produktion jährlich knapp 250 Mio. CHF brutto wertgeschöpft, was knapp 1 CHF pro kg Zucker entspricht (0.95 CHF). Dabei fällt auf, dass rund zwei Drittel aus dem Anbau der Zuckerrüben herrühren (163.8 Mio. CHF; 0.66 CHF), während die Fabrik mit insgesamt 82.5 Mio. bzw. 0.30 CHF pro kg Zucker einen vergleichsweise geringeren Veredelungsgrad auf-weist. Wesentlich beeinflusst wird dieses Ergebnis von den bedeutenden staatlichen Beiträgen, die im Rah-men des ökologischen Leistungsnachweises und in Form von Deckungsbeiträgen (Ü Tab. 11) für die Rüben-pflanzer geleistet werden, aber auch von den qualitätsabhängigen Rübenentgelten, die von den Fabriken zur Abgeltung von Transportaufwänden, Zuckergehalten, etc. an die Pflanzer bezahlt werden.

Dasselbe gilt auch für die Umsatzrentabilität, die mit 38% im Rübenanbau weit über derjenigen der beiden Zuckerfabriken (3%) liegt und ohne die staatlichen Beiträge bei vergleichsweise geringen 2% zu liegen kommt. Würden die Rübenentgelte zusätzlich zu den Beiträgen noch wegfallen, würde sie im Rübenanbau in den negativen Bereich fallen. Unter Berücksichtigung der staatlichen Beiträge weist die Rübenzuckerproduk-tion insgesamt eine Umsatzrentabilität von 21% vor (14% bzw. 3% ohne die Beiträge).

Insgesamt wird das Kilogramm Rübenzucker zu Produktionskosten von 0.85 CHF hergestellt, wovon rund die Hälfte (0.44 CHF) im landwirtschaftlichen Rübenanbau anfallen.

Betrachtet man die eher volkswirtschaftlichen Kennzahlen, so leistete die Schweizerische Zucker-Versorgungskette staatliche Steuerbeiträge von 1.02 Mio. CHF, wovon ungefähr zwei Drittel aus der Zucker-fabrik herrühren (knapp 0.7 Mio. CHF vs. knapp 0.35 Mio. CHF aus dem Rübenanbau). Eine Interpretation der Nettozahlungsflüsse an den Staat ist aufgrund der „Staatsverflechtungen“ in Form der landwirtschaftlichen Beitragszahlungen für den Rübenanbau schwierig, während die Steuereinnahmen aus den Rübenverarbei-tung in den Fabriken viel mehr in diesem Sinne interpretiert werden können. Hinsichtlich der Bedeutung der zwei Prozesse für die Staatskasse, kann auf Basis dieser zwei Werte demnach keine vergleichende Aussage gemacht werden.

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4 Ökonomie

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Der Beitrag der Branche am Bruttoinlandprodukt (BIP) ist mit insgesamt 0.04% überaus gering (knapp 0.03% aus dem Rübenanbau, knapp 0.02% aus den Fabriken). Auch die mit der Zuckerproduktion verbundenen Arbeitsplätze sind mit insgesamt 2’990 bzw. einem 0.07%-Anteil an den gesamten Arbeitsplätzen in der Schweiz, wovon knapp 90% in der Landwirtschaft sind, vergleichsweise unbedeutend. Bei der Interpretation der Anzahl Arbeitsplätze sollte aber bedacht werden, dass diese häufig in tendenziell strukturell schwächeren Gebieten liegen, in denen das alternative Arbeitsangebot häufig nicht sehr gross ist (vgl. hierzu landwirt-schaftlicher Verfassungsauftrag [1] bzw. NFP 5: Regionalprobleme in der Schweiz [52]). Allerdings scheint dieses Argument für die im Mittelland (Talregion) kultivierten Zuckerrüben im Vergleich zu Agrarprodukten aus Hügel- bzw. Bergregionen vergleichsweise weniger stark zuzutreffen.

4.3.2 Brasilianischer Rohrzucker

Tab. 14 weist die zentralen Wirtschaftsindikatoren für den Brasilianischen Rohrzuckeranbau, die Verarbeitung in den Fabriken und für die Brasilianische Zuckerproduktion insgesamt aus.

Tab. 14. Wirtschaftliche Kennzahlen der Brasilianischen Versorgungskette für Rohrzucker

Indikator/Kennzahl Einheit Anbau Rohr Rohrzuckerfabrik Zucker Total Bruttowertschöpfung TOT [MCHF] 1’782.3 6'392.2 8'174.4 1kg [CHF] 0.06 0.21 0.26 Umsatzrentabilität - 0.14 0.45 0.29 Produktionskosten 1kg [CHF] 0.12 0.14 0.14 Steuereinnahmen TOT [MCHF] 723.0 1'757.1 2'480.1 BIP-Anteil TOT [%] 0.16 0.52 0.68 Arbeitsplätze TOT [in 1000#] 231.2 283.2 514.4 TOT CH [%] 0.23 0.29 0.52

Der Brasilianische Zuckersektor weist bezogen auf die jährliche Produktion eine Bruttowertschöpfung von rund 8 Mia. CHF aus, was bezogen auf 1 kg Rohrzucker 0.26 CHF gleichkommt. Der dominante Anteil von 6.4 Mia. CHF (bzw. 0.21 CHF/kg) rührt aus den Rohrzuckerfabriken her, während der Anbau des Zuckerrohrs mit knapp 1.8 Mia. CHF (0.06 CHF/kg) nur rund 20% zur gesamten entlang der Zucker-Versorgungskette anfallenden Bruttowertschöpfung beiträgt.

Hinsichtlich der Umsatzrentabilität ist der Unterschied in den Beiträgen der zwei Prozesse ähnlich wie bei der Bruttowertschöpfung. Mit einem Wert von 45% bezogen auf den Umsatz operiert die Rohrzuckerfabrik rund 3 mal rentabler als dies im Rohranbau (14%) der Fall ist. Gründe dafür sind sowohl auf der Kosten- wie auch auf der Ertragsseite zu finden. Die Tatsache, dass ca. 60% der Anbaubetriebe im Besitz der verarbeitenden Fabriken sind, deutet hin auf vergleichsweise tiefe Warenaufwendungen – also die Kosten für die Beschaffung des Zuckerrohrs. Die gesamten Waren- und Materialaufwendungen der Brasilianischen Fabrik machen lediglich knapp 45% des Ertrags aus (Ü Tab. 12). Andererseits besteht in der Brasilianischen Rohrfabrik aufgrund der vorhandenen Infrastruktur für die Ethanol-Produktion die Möglichkeit, die Erträge aus dem Produktabsatz hinsichtlich der gerade vorherschenden Weltmarktpreise für Rohrzucker bzw. Ethanol zu optimieren, was sich positiv auf das Kosten-Ertrags-Verhältnis auswirken kann. Demgegenüber findet der Rohranbau kontinuierlich statt und kann somit nicht wirklich preissensitiv gestaltet werden.

Die Kosten zur Produktion von 1kg Rohrzucker in Brasilien liegen bei rund 0.14 CHF. Wie die 0.12 CHF im Rohranbau nahelegen, sind dabei vor allem die Aufwendungen zur Produktion des Zuckerrohrs entscheidend.

Aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive zeigt sich, dass der Brasilianische Zuckersektor staatliche Steuerbeiträge von beinahe 2.5 Mia. CHF leistete. Entsprechend vorherigen Ausführungen und des überaus hohen Unternehmenssteuersatzes von 32% stammt der überwiegende Anteil (± 1.8 Mia. CHF bzw. 70%) von den Tätigkeiten in den Rohrzuckerfabriken. Da der Brasilianische Staat weder den Rohranbau noch die

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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Zuckerfabrik in keiner Form direkt finanziell unterstützt, sind diese Steuerbeiträge als Nettozahlungsflüsse an den Staat zu interpretieren.

Der Anteil des Zuckersektors am BIP liegt unter Berücksichtigung beider Prozesse der Versorgungskette bei insgesamt 0.68%, wobei der Beitrag der Fabriken wie bei Umsetzrentabilität, Bruttowertschöpfung, Steuereinnahmen wesentlich höher ist (0.52% vs. 0.16%). Weiter sind mit der Brasilianischen Zuckerproduktion im ‚Center South’ rund 514'000 Arbeitsplätze verbunden, was einem Anteil an den gesamten Arbeitsplätzen in Brasilien von rund 0.5% entspricht. Verglichen mit den anderen Indikatoren liegen die Beiträge der beiden Prozesse in derselben Grössenordnung (231'198 bzw. 0.23% im Rohranbau; 283'211 bzw.0.29%).

4.3.3 Vergleich der Zuckerproduktion in Schweiz und Brasilien

Tab. 15 fasst die Resultate der ökonomischen Bewertung zusammen und stellt die wirtschaftlichen Indikato-ren für die beiden Zucker-Versorgungsketten einander gegenüber.

Tab. 15. Zusammenfassender Vergleich der Resultate der ökonomischen Bewertung für die beiden Länder diffe-renziert nach den einzelnen Prozessen und der Versorgungskette insgesamt (Total)

Indikator Bezug Anbau Fabrik Total CH BR CH BR CH BR

Bruttowertschöpfung Total [MCHF] 163.8 1'782.3 82.5 6'392.2 246.3 8'174.4 1 kg [CHF] 0.66 0.06 0.30 0.21 0.95 0.26

Umsatzrentabilität - 0.38 0.14 0.03 0.45 0.21 0.29

» Ohne DZ - 0.25 - 0.03 - 0.14 -

» Ohne DZ & AB - 0.02 - 0.03 - 0.03 -

Produktionskosten 1 kg 0.44 0.12 0.85 0.14 0.85 0.14 Steuereinnahmen Total [MCHF] 0.35 723.0 0.67 1'757.1 1.02 2'480.1 BIP-Anteil Total [%] 0.03 0.16 0.02 0.52 0.04 0.68 Arbeitsplätze Total [k#] 2.72 231.2 0.27 283.2 2.99 514.4 Total [%] 0.06 0.23 0.01 0.29 0.07 0.52

DZ: Direktzahlungen; AB: Anbaubeitrag (Deckungsbeitrag)

Aus dem Vergleich der spezifisch ausgewiesenen, betriebswirtschaftlichen Kennzahlen fällt auf, dass entlang der Schweizer Zuckerversorgungs-Kette eine höhere Bruttowertschöpfung erzielt wird als in Brasilien (0.95 CHF/kg vs. 0.26 CHF/kg), wohingegen sich das Bild bezogen auf die Produktionskosten (0.85 CHF/kg vs. 0.14 CHF/kg) und die Umsatzrentabilität (0.21/0.14/0.02 vs. 0.29) gegenteilig darstellt.

Die beinahe 4 mal höhere Bruttowertschöpfung ist hauptsächlich auf die Berücksichtigung der bedeutenden Schweizer Staatsbeiträge zurückzuführen, was auch aus dem überproportional hohen Wert von 0.66 CHF/kg im Schweizer Rübenanbau ersichtlich ist. Dies erklärt unter anderem auch die gegenteiligen Beiträge der beiden Prozesse zur Gesamtbruttowertschöpfung in den beiden Ländern (CH: 0.66 CHF/kg vs. 0.30; BR: 0.06 vs.0.21). Weitere Ursachen liegen in (i) den vergleichsweise hohen Waren- und Materialaufwand der Schwei-zer Fabrik (inkl. qualitätsabhängigen Rübenentgelten ±70% am Ertrag vs. ±45% in Brasilien) sowie (ii) dem Optimierungspotential auf der Ertragsseite der Brasilianischen Rohrfabrik infolge der Möglichkeit der Etha-nol-Produktion bei vorteilhaften Weltmarktpreisen („Buffer“-Kapazität bei volatilen Preisen).

Diese Ausführungen gelten auch bei der Interpretation der Umsatzrentabilität bzw. den Produktionskosten, wobei die in der Schweizer Zuckerfabriken bedeutend höheren Lohnkosten pro Mitarbeiter den Effekt noch verstärken. Der Sachverhalt, dass die Umsatzrentabilität in Brasilien insgesamt in Abwesenheit jeglicher Form von staatlichen Beiträgen höher als in der Schweiz ist, scheint bemerkenswert, ist aber neben vorheri-

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gen Ausführungen auch zu einem gewissen Grad in den umfangreichen Skaleneffekten begründet, die sich aufgrund des riesigen Produktionsvolumens in Brasilien ergeben (± 30 Mio. t vs. ± 0.23 Mio. t, Ü Abb. 10).

Die Analyse der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen legt nahe, dass die Schweizer Zuckerproduktion – insbe-sondere die Zuckerherstellung in den Schweizer Werken – weitgehend optimiert ist, was sich einer hohen Bruttowertschöpfung wiederspiegelt (hoher Veredelungsgrad der Inputgüter), die in der Schweiz vergleichs-weise viel höheren Lohnkosten jedoch signifikant tiefere Rentabilitätswerte bzw. bedeutend höhere Produk-tionskosten pro kg Zucker bewirken.

Abb. 10 stellt die Skalenunterschiede zwischen den Zuckerproduktionen in der Schweiz und Brasilien bezogen auf die volkswirtschaftlichen Kennzahlen totale Bruttowertschöpfung, Arbeitsplätze, staatliche Steuerein-nahmen sowie Anteil der Zuckerproduktion am Bruttoinlandprodukt (BIP) dar (dabei ist das Verhältnis der Kuchenflächen massgebend). Es ist nicht weiter verwunderlich, dass in Anbetracht der jährlich ca. 120 bis 130 Mal grösseren Zuckerproduktionsmenge alle ausgewiesenen Grössen um ein Vielfaches über den Schweizer Werten liegen. Allerdings variieren diese Unterschiede zwischen den einzelnen Indikatoren sehr stark. So liegt die gesamte Bruttowertschöpfung des Zuckersektors in Brasilien mit 8'174.4 Mio. CHF um rund ein Dreissigfa-ches über dem Schweizer Wert (246.3 Mio. CHF), woraus sich auch der höhere Anteil am BIP (0.68% vs. 0.04%; Faktor 14) und die wesentlich umfangreicheren Steuerbeiträge an die Staatskasse (1.02 Mio. CHF vs. 2'480.1 Mio. CHF; rund Faktor 2'000) ableiten.

Abb. 10. Illustration der Skalenunter-

schiede zwischen dem Schweizer und dem Brasilianischer

Zuckersektor (Flä-chenverhältnis geben

den Skalenunter-schied zum Aus-

druck): (a) Brutto-wertschöpfung; (b)

Arbeitsplätze [k#]; (c) Steuern; (d) BIP-

Anteil.

Dies deutet darauf hin, dass sich die Brasilianische Zuckerversorgungskette sowohl im Anbau wie auch in der Rohrzuckerfabrik strukturell stark von der Schweizerischen Zuckerproduktion unterscheiden. Die stark an-steigende Zuckerproduktion in Brasilien hat sich in den vergangenen Jahren zu einem relativ bedeutenden, stark exportorientierten Industriezweig entwickelt (beinahe 0.7% am BIP), dessen Optimierung stark auf wirtschaftliche Effizienzsteigerung ausgerichtet ist. Demgegenüber ist die Schweizer Zuckerproduktion ins-besondere der Rübenanbau, noch viel stärker durch traditionelle, bäuerliche Strukturen gekennzeichnet, was auch unmittelbar mit den vielschichtigen und teilweise zu einander in Konflikt stehenden Anforderungen (z.B. Wirtschaftlichkeit vs. Dezentrale Besiedlung und Pflege der Kulturlandschaft vs. Versorgungssicherheit) an die Schweizer Landwirtschaft in Verbindung steht. Dies äussert sich beispielsweise auch in der Tatsache, dass die Zuckerrübe nur einen Teil einer auf Umweltverträglichkeit (z.B. Bodenqualität, Schädlingsausbrei-tung, Düngermengen) ausgerichteten Fruchtfolge darstellt, während die riesigen Zuckerrohrfelder in Brasili-en monokulturell bewirtschaftet werden. Die staatlichen Beiträge im Schweizerischen Rübenanbau tragen

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Nachhaltigkeitsanalyse der industriellen Zuckerproduktion

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diesem Umstand Rechnung und sind Ausdruck der gesellschaftlichen Wertschätzung der landwirtschaftli-chen Leistungen, die weit über die Effizienzmaximierung hinausgehen.

Wie bereits bei den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zum Ausdruck kam, sind die volkswirtschaftlichen Beiträge der einzelnen Prozessphasen (Anbau, Zuckerfabrik) entsprechend auch bei der Berücksichtigung der Jahresproduktion des Zuckersektor zwischen den beiden Ländern umgekehrt proportional, was bezogen auf die Bruttowertschöpfung, den BIP-Anteil sowie die Steuereinnahmen ebenfalls auf die staatlichen Beiträge an die Rübenpflanzer zurückzuführen ist.

4.4 Kurzes Zwischenfazit Insgesamt weist der Brasilianische Zucker aus einer ökonomischen Nachhaltigkeitsperspektive sowohl bezo-gen auf betriebswirtschaftliche wie auch volkswirtschaftliche Kennzahlen eine tendenziell vorteilhafte Be-wertung vor. Dabei sind die Transporte (Anlieferung Rüben bzw. Rohr; Zuckerdistribution) aufgrund ungenü-gender Datenverfügbarkeit bzw. Robustheit nicht berücksichtigt.

» Mit Ausnahme der in der Schweiz bedeutend höheren Bruttowertschöpfung sprechen die Umsatzrenta-bilität und die Produktionskosten aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive eindeutig für den Brasi-lianischen Rohrzucker.

- Ausschlaggebend für die hohe Bruttowertschöpfung im Rübenanbau sind – neben den von den Fabri-ken an die Landwirte entrichteten qualitätsabhängigen Rübenentgelten – die bedeutenden staatli-chen Beiträge, welche zur Entgeltung von gesellschaftlich erwünschten Leistungen an die Rüben-pflanzer entrichtet werden (Direktzahlungen im Rahmen des ökologischen Leistungsnachweises, An-baubeiträge/Deckungsbeiträge), während in Brasilien keine direkten staatlichen Beiträge im Zucker-rohranbau ausbezahlt werden. Die im Vergleich zur Rohrfabrik höhere Bruttowertschöpfung in der Rübenfabrik deutet darauf hin, dass aufgrund der geringen Marktgrösse und dem damit verbundenen Druck bereits viele Effizienzgewinne realisiert wurden. Auf der anderen Seite profitieren Umsatzren-tabilität und Produktionskosten des Rohrzuckers von massiv tieferen Lohnkosten (Ü Kap. 5 zur sozia-len Lebenszyklusanalyse) sowie bedeutenden Skaleneffekten. Die vergleichsweise tiefe Bruttowert-schöpfung legt nahe, dass in der Brasilianischen Zuckerproduktion noch umfangreiche Verbesse-rungspotentiale bestehen, die im Vergleich zur Schweiz infolge des komparativen Vorteils (vgl. vorhe-rige Ausführungen) noch weitgehend unausgeschöpft zu sein scheinen.

» Der Brasilianische Rohrzuckersektor hat aufgrund der viel grösseren Jahresproduktion (± 30 vs. ± 0.23 Mio. t) eine weitaus höhere volkswirtschaftliche Bedeutung, was sich in allen berücksichtigten Kennzah-len wiederspiegelt (Bruttowertschöpfung, Steuereinnahmen, BIP-Anteil, Arbeitsplätze). Die starke Varia-tion in den Unterschieden zwischen einzelnen Kennzahlen deutet hin auf fundamentale strukturelle Un-terschiede zwischen dem exportorientierten, effizienz-fokussierten Rohrzuckersektor und dem Rübenzu-ckersektor, der in ein vielschichtiges System sich teilweise wiedersprechender Zieldimensionen (Ansprü-che an die Landwirtschaft) eingebettet ist (Ü Kap. 1 bzw. [1]).

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5.1 Die Methode der sozialen Lebenszyklusanalyse (S-LCA) Die Methode der sozialen Lebenszyklusanalyse (S-LCA) zielt darauf ab, die auf den ersten Blick objektiv wir-kenden Zahlen und Daten des quantitativen Teils zu relativieren, indem sie in einen gesellschaftli-chen/kulturellen Gesamtzusammenhang gestellt werden.

Die S-LCA betrachtet ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht losgelöst von seinem Umfeld, sondern richtet im Gegenteil sein Hauptaugenmerk auf die am Produktionsprozess Beteiligten. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat einen aktuellen Leitfaden für die Durchführung einer S-LCA für Produkte herausgegeben [6]. Darin werden die fünf Anspruchsgruppen (Stakeholder) „Arbeitnehmer“, „lokale Commu-nity“, „Gesellschaft“, „Konsumenten“ und „Zulieferer“ (Ü Tab. 16), deren Perspektiven es in der Bewertung der sozialen Nachhaltigkeitsdimension zu berücksichtigen gilt.

Die S-LCA ist dabei explizit als qualitative Ergänzung zur LCA (und nach gelagert auch der LCC) vorgesehen und entspricht wie diese den ISO 14040 und 14044 Standards . Im Gegensatz zu den beiden anderen Analy-sen, steckt die S-LCA noch „in den Kinderschuhen“, d. h. der Leitfaden der UNEP hat die groben Leitlinien der Analyse entwickelt und schlägt Vorgehen und Operationalisierungen der Kriterien vor; es liegt aber bis heute noch kein detailreiches Datenmaterial vor mit dem standardisierte Analysen möglich wären.

Nichts desto trotz nutzt die vorliegende Analyse den S-LCA Rahmen der UNEP und füllt diese in den Detailfra-gen mit den eigenen erhobenen Informationen bzw. spezifiziert die einzelnen Subkategorien mit den für die Zuckerindustrie in den beiden Ländern entscheidenden Anspruchsgruppen. Dabei werden nicht alle vorge-schlagenen Kriterien in die Analyse mit eingeschlossen, weil entweder die Datengrundlage nicht gegeben ist (z.B. „Supplier relationships“: Zuliefererbeziehungen).

5.2 Datengrundlage Wie im vorstehenden Abschnitt bereits erwähnt, orientiert sich die soziale Bewertung an Kriterien aus den Leitlinien der UNEP zu sozialen Lebenszyklusanalysen, die für die Zuckerbranche in der Schweiz und Brasilien sinnvoll erscheinen und für die Daten quantitativer oder qualitativer Art verfügbar sind. TAB. 16 stellt die ausgewählten Kriterien für die betrachteten Anspruchsgruppen und die der Bewertung zu Grunde liegende Informationsquelle dar. Wo möglich wurden internationale Standards und Rankings oder Berichte von inter-nationalen Organisationen (z.B. der International Labor Organization, ILO) herangezogen. Eine weitere wich-tige Informationsquelle waren Experteninterviews mit Dr. H.C.C. Bourzutschky. Dr. Bourzutschky ist seit Jahr-zehnten Kenner sowohl der Brasilianischen als auch der Schweizerischen Zuckerindustrie und konnte zum einen die aus anderen Quellen abgeleiteten Bewertungen validieren und zum anderen wichtige Informati-onslücken schließen, bei denen keine zuverlässigen Angaben vorhanden waren.

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Tab. 16. Kriterien für die fünf Anspruchsgruppen für die soziale Lebenszyklusanalyse und entsprechende Daten-grundlagen, die für die Bewertung in den beiden Ländern verwendet wurden

Kriterium Abk. Sch Brasilien (A) Arbeitnehmer Freiheit sich gemeinsch. zu organisieren A1

International Labor Organisation ILO Kinderarbeit A2 Faire Bezahlung A3 Arbeitsstunden A4 Unfreiwillige Arbeit A5 Diskriminierung A6 Org. for Economic Cooperation & Development OECD Gesundheit & Sicherheit A7 ILO Weiterbildung A8 www.zucker.ch; ZAF UNICA [40] Soziale Sicherheit A9

(LG) Lokale Gemeinde Umsiedlung & Abwanderung LG1 Gespräch mit Dr. H.C.C. Bourzutschky Kulturelles Erbe LG2 UNESCO Intangible Heritage List Gesunde & sichere Lebensbedingungen LG3 BAG [53, 54] Schutz indigener Völker & Rechte LG4 Amnesty International [55] Lokale Beschäftigung LG5 ILO

(G) Gesellschaft Öff. Bekenntnis zur Nachhaltigkeit G1 www.zucker.ch www.unica.br.com Technologieentwicklung G2 Gespräch mit Dr. H.C.C. Bourzutschky Korruption G3 Corruption Perception Index

(K) Konsument Feedback-Möglichkeit K1 www.zucker.ch www.unica.br.com Transparenz K2 www.zucker.ch www.unica.br.com

(Z) Zulieferer Gerechter Wettbewerb Z1 HÄBERLI (2008) Schutz von geistigem Eigentum Z2 Gespräch mit Dr. H.C.C. Bourzutschky

5.3 Resultate & Interpretation Tab. 17 gibt einen Überblick über die Resultate der sozialen Lebenszyklusanalyse für die Zuckerversorgungs-ketten in der Schweiz bzw. in Brasilien. Wie daraus ersichtlich wird, wurden in Abhängigkeit der Messbarkeit bzw. Verfügbarkeit von robusten Daten gewisse Kriterien nur qualitativ behandelt (z.B. Umsiedlung & Ab-wanderung, LG2) werden. Als Grundlage für die Bewertung wurde jedes Kriterium hinsichtlich des Indikators für das entsprechende Land beurteilt und mit qualitativen Ausführungen bereichert bzw. begründet. In ei-nem nächsten Schritt wurden die Beurteilungen der beiden Länder zueinander in Beziehung gesetzt und in eine grobe Dreier-Skala für soziale Belastungspunkte (SBP8; 0 SBP: positiv erfüllt; 1 SBP: bedenklich, aber Ver-besserungen erkennbar; 2 SBP: Kriterium eindeutig nicht erfüllt) übertragen.

8 Analog zu den Umweltbelastungspunkten bei Verwendung der Methode der ökologischen Knappheit, wird die soziale

Bewertung in sozialen Belastungspunkten ausgewiesen. Diese entsprechen allerdings nicht einem offiziell verwendeten Begriff, wie dies bei den Umweltbelastungspunkten der Fall ist.

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Tab. 17. Gesamtübersicht über Bewertungsresultate für die ökonomische Nachhaltigkeitsdimension

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Wie aus Tab. 17 ersichtlich wird, ist der Schweizer Rübenzucker bezüglich der sozialen Nachhaltigkeitsdimen-sion gegenüber dem Brasilianischen Rohrzuckergesamthaft unter Berücksichtigung aller Kriterien für die fünf Anspruchsgruppen eindeutig zu bevorzugen (5 SBP in CH vs. 18.5 SBP in BR), d.h. eindeutig bessere soziale Bedingungen entlang der Schweizer Zuckerversorgungskette als im Brasilianischen Fall.

Bei genauerer Betrachtung der Bewertung einzelner Kriterien fällt auf, dass die stark nachteilige Bewertung der sozialen Verhältnisse in Brasilien sich primär auf drei Bereiche bezieht, auf die folglich genauer eingegan-gen wird.

Die Arbeitsbedingungen (hauptsächlich) der Feldarbeiter wurden praktisch durchgehend nachteilig beurteilt. Einzig hinsichtlich dem Kriterium zur Beurteilung der Weiterbildungsangebote für Arbeitnehmende wurde die Brasilianische Zuckerversorgungskette im Vergleich zur Schweiz besser bewertet. Allerdings ist auch dieses positive Ergebnis nicht primär auf soziale Verantwortung bzw. Verpflichtung zurückzuführen, sondern findet seine Begründung in der Tatsache, dass der schnell voranschreitende Strukturwandel hin zu einer voll mechanisierten Landwirtschaft qualifizierteres Personal erfordert, das momentan fehlt.

Am stärksten fallen dabei die verbreitete Beschäftigung von Minderjährigen (v.a. im Rohranbau, vgl. A2) und die unterdurchschnittlichen Sozialleistungen (hier gemessen als Gesundheitsausgaben, A9) ins Gewicht. Weiter wird der staatlich festgelegte Mindestlohn für die Feldarbeiter durchschnittlich um mehr als die Hälfte unterschritten (232 vs. 540 USD, vgl. A3). Unter Berücksichtigung dieser Tatsache müssen auch die eigentlich im Rahmen liegenden Arbeitspensen (~44 Wochenstunden, vgl. A4) als negativ beurteilt werden, da davon ausgegangen werden muss, dass die Feldarbeiter noch einer zusätzlichen Nebenerwerbstätigkeit nachzugehen haben, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Mit einem geschätzten 3%-Anteil trägt auch die unfreiwillige Arbeit (vgl. A5) in Brasilien’s Rohranbau sowie die noch verbreitete Rassen- aber auch religiöse Diskriminierung fremdländischer Arbeitskräfte (A6) zur nachteiligen sozialen Bewertung bei. Ebenfalls als ungenügend wurden die Arbeitssicherheitsstandards (vgl. A7) beurteilt, insbesondere wenn – wie von Experten bestätigt – davon ausgegangen wird, dass die ausgewiesenen Zahlen für Brasilien – ins-besondere zu den nicht-tödlichen Unfällen – aufgrund der schlechteren Erfassung massiv unterschätzt sind. Demgegenüber sind alle diese Kriterien mit wenigen Ausnahmen (z.B. Durchschnittslohn in der Landwirt-schaft, Weiterbildungsmöglichkeiten) in der Schweiz durchgehend positiv und mindestens gleich gut wie in Brasilien beurteilt worden.

Ein weitere Ursache für die nachteilige soziale Nachhaltigkeitsbewertung in den lokalen bzw. regionalen, gesundheitsbeeinträchtigenden Auswirkungen der Brasilianischen Feldbewirtschaftung. Einerseits führt das Abbrennen der Rohrfelder vor der Ernte, was gegenwärtig in knapp 70% der Fälle geschieht, zu enormen Mengen von toxischen Luftemissionen (Fein- und Grobstaub, Kohlenmonoxid, Methan), die je nach Verfrach-tungsweg die lokale Bevölkerung (neben den Arbeitern) beeinträchtigen. Andererseits geht es hier auch um die Flugzeug-Ausbringung von Spritzmitteln (Herbizide, Insektizide, Fungizide), deren Verwehungen ebenfalls ein bedeutendes Gesundheitsrisiko für die lokale Bevölkerung darstellen. Dies schlug sich im Kriterium „Ge-sunde und sichere Lebensbedingungen“ (LG3) für die Anspruchsgruppe „Lokale Community“ nieder.

Ein dritter Ursachenbereich für die nachteilige soziale Bewertung in Brasilien ist mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Flächenausdehnung für den Zuckerrohranbau verbunden. Aufgrund kaum vorhandener bzw. nicht vollzogener Eigentumsrechte (LG4) gehen diese Flächenausdehnungen immer noch relativ häufig mit „Quasi-Enteignungen“ und folglich mit Umsiedlungen und Abwanderungen (LG1) indigener Bevölke-rungsschichten (Bsp. Guarani-Indianer) einher, was aus einer sozialen Nachhaltigkeitsperspektive unakzep-tabel erscheint.

Im Vergleich zur Schweiz positiv wurde in Brasilien das Kriterium „Technologieentwicklung“ (G2) bewertet. Während in der Schweiz viele Sortenversuche zur Verbesserung von Schädlings- bzw. Witterungsresistenz und Feldertrag aufgrund des Gentechnik-Verbots staatlich eingeschränkt sind, gibt es in Brasilien ein eigens auf die Zuckerrohrindustrie ausgerichtetes Technologie-Entwicklungszentrum, das alle Bereiche der Rohr-Wertschöpfungskette abdeckt.

Bei der Interpretation der sozialen Bewertungsresultate (gilt aber auch für die beiden anderen Bewertungs-dimensionen) darf nicht vergessen werden, dass die Brasilianische Zuckerrohrindustrie vielfältige Programme

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(z.B. flächendeckendes Verbot des Abbrennens der Felder vor der Ernte und Mechanisierung der Feldarbeiten bis 2014 bzw. 2017 [56], „National Commitment for the Enhancement of Labor Conditions in Sugarcane Pro-duction [57], agro-ökologische Flächenausdehnungsstrategie [40]) lanciert hat, um diese Missstände zu be-heben, was sich in einer zukunftsorientierten Bewertung wiederspiegeln würde.

5.4 Kurzes Zwischenfazit Die Produktion von Rübenzucker in der Schweiz ist hinsichtlich der sozialen Nachhaltigkeitsdimension ge-genüber dem Brasilianischen Rohrzucker klar zu bevorzugen (5 SBP vs. 18.5 SBP), d.h. eindeutig bessere soziale Bedingungen entlang der Schweizer Zuckerversorgungskette. Dabei ist festzuhalten, dass die Bewertung der Kriterien in beiden Ländern aus einer „westlichen“ Perspektive vorgenommen wurde, was aufgrund der für die Studie massgebenden Schweizer Konsumentenperspektive legitim ist.

» Ausschlaggebend hierfür sind die bedenklichen Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrfeldern (z.B. Kin-derarbeit, Entlohnung, unfreiwillige Arbeit, Arbeitssicherheit), über die Feldgrenzen hinaus wirksame ne-gative Gesundheitsbeeinträchtigungen der lokalen Bevölkerung (d.h. Immissionen aus dem Abbrennen der Felder und Ausbringen von Spritzmitteln) sowie gesellschaftliche Implikationen der Ausdehnung von Rohranbauflächen (Umsiedlung & Abwanderung, Schutz indigener Völker und Rechte).

» Dynamische Aspekte blieben in der sozialen Bewertung weitgehend unberücksichtigt. Dies insofern von Bedeutung, als dass sich in Brasilien in den letzten Jahren wesentliche Verbesserungen der sozialen Be-dingungen in der Umsetzung befinden bzw. in naher Zukunft anstehen (Ü 5.3). Wie es bereits in der ökonomischen Bewertung ersichtlich wurde, bestehen in der Brasilianischen Zuckerversorgungskette auch hinsichtlich der sozialen Standards beträchtliche Verbesserungspotentiale (Ü Kap. 6).

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Im Folgenden werden einerseits die wichtigsten Erkenntnisse aus den drei Bewertungsmodulen rekapituliert und Schlussfolgerungen aus einer übergeordneten Nachhaltigkeitsperspektive gezogen. Andererseits wird im zweiten Teil auch noch auf einige methodische Aspekte eingegangen, um ein Gefühl für die in der ange-wandten Methodik bzw. dem konkreten Vorgehen begründeten Grenzen der vorliegenden Studie zu erhalten.

6.1 Zusammenfassung der einzelnen Module Hinsichtlich der entlang der Zuckerversorgungskette entstehenden Umweltbeeinträchtigungen (Modul 1: Ökologie) ist der Schweizer Rübenzucker gegenüber dem Brasilianischen Rohrzucker als vorteilhaft einzustu-fen. Allerdings hängt die Umweltbewertung relativ stark ab von der gewählten Methode zur Allokation der im Laufe der Zuckerproduktion in den Fabriken anfallenden Nebenprodukte und ist weiter – insbesondere im Brasilianischen Fall – mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

» Bezogen auf die Mittelwerte der Bewertung weist der Schweizer Zucker unter Berücksichtigung von Gut-schriften für die Nebenprodukte eine um 33% bessere Ökobilanz auf als der Brasilianische Zucker, ohne dass die 95%-Konfidenzintervalle (Unsicherheitsbereiche) sich überlappen. Werden die Umweltbeein-trächtigungen der Nebenprodukte über ihren Marktwerkt alloziert, so ist der Rübenzucker noch um 6% besser, wobei aber die bedeutende Überlappung der Unsicherheitsbereiche keine eindeutige Aussage mehr zulässt. Der Grund für die starke Sensitivität gegenüber der Allokationsmethode liegt darin, dass durch die Verwertung der Nebenprodukte (v.a. Pressschnitzel und Melasse) in der Schweiz die umweltin-tensive Produktion von vergleichsweise günstigen Agrargütern (Maissilage) substituiert wird, während in Brasilien das Gegenteil der Fall ist (hoher Marktwerkt und vergleichsweise wenig umweltbelastende Herstellung der durch Strom und Bioethanol ersetzten Produkte). Allerdings ist in den Augen der Auto-renschaft die Allokation über Gutschriften die repräsentativere bzw. adäquatere Berücksichtigung der Nebenprodukte in einer Ökobilanz, insbesondere wenn es um relativ günstige, gleichzeitig aber umwelt-intensive Agrarprodukte als Nebenprodukte anfallen.

Die Bewertung der ökonomischen Nachhaltigkeitsdimension hat gezeigt, dass der Brasilianische Zucker aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive eindeutig zu bevorzugen ist. Mit Ausnahme der Bruttowertschöp-fung, die pro kg Rübenzucker aufgrund bedeutender staatlicher Beiträge zur Leistungsentgeltung deutlich über derjenigen in Brasilien liegt, sprechen die Umsatzrentabilität (auch unter Berücksichtigung der staatli-chen Beiträge) und die Produktionskosten auch aufgrund der eindeutig tieferen Lohnkosten klar für den Brasilianischen Rohrzucker. Hinsichtlich des volkswirtschaftlichen Beitrags (BIP-Anteil, Steuereinnahmen, Arbeitsplätze, sektorale Bruttowertschöpfung) ist der Unterschied zu Gunsten des Brasilianischen Zuckers aufgrund der um Grössenordnungen verschiedenen Marktgrössen (±0.23 Mio. t vs. 30 Mio. t) noch pointier-ter.

Hinsichtlich der Sozialverträglichkeit ist die Schweizer Zuckerversorgungskette mit Ausnahme einiger weni-gen Kriterien besser beurteilt und ganz klar zu bevorzugen (5 SBP vs. 18.5 SBP bzw. beinahe Faktor 4). Dabei fallen in Brasilien insbesondere die vergleichsweise miserablen Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrfel-dern, die aus der Feldbewirtschaftung bewirkten Beeinträchtigungen der lokalen Bevölkerung sowie die mit der Ausdehnung der Anbauflächen in Verbindung stehenden negativen Wirkungen auf die indigene Bevölke-rung stark ins Gewicht.

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6.2 Schlussfolgerungen aus einer integrativen Nachhaltigkeitsperspektive Unter der Annahme der Gleichgewichtung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen schneidet der Schweizer Rübenzucker gegenüber dem Brasilianischen Rohrzucker eher vorteilhaft ab. Allerdings haben die Resultate gezeigt, dass hinsichtlich der drei Dimensionen bedeutende „tradeoffs“ zwischen den beiden Ländern vor-handen sind, d.h. ökonomisch schneidet der Brasilianische Zucker besser ab, während hinsichtlich der ökolo-gischen und sozialen Nachhaltigkeitskomponente der Schweizer Zucker (eher) zu präferieren ist. Wie die ökonomische und soziale Bewertung offen legt, besteht ein direkter Zusammenhang zwischen diesen zwei Nachhaltigkeitsdimensionen. So haben die Ausführungen gezeigt, dass die signifikant tiefen Produktionskos-ten bzw. hohen Rentabilitätswerte in der Brasilianischen Zuckerversorgungskette zu einem bedeutenden Anteil auf Kosten der Sozialverträglichkeit (z.B. Entlohnung, Arbeitszeiten bzw. –sicherheit, Landenteignun-gen, Gesundheitsbeeinträchtigungen im lokale Umfeld) erwirkt werden. Diese Aussage trifft wohl auch in verringertem Mass auf die ökologische Nachhaltigkeit zu. So ist beispielsweise das Abbrennen der Felder aufgrund der grossen Mengen Luftemissionen im Vergleich zu einer voll mechanisierten Ernte ökologisch eher nachteilig, dafür aber aufgrund der sehr tiefen Löhne der Feldarbeiter vergleichsweise kostengünstig.

Diese Ausführungen zeigen, dass die Priorisierung des einen Zuckers gegenüber dem anderen letztlich von der Gewichtung der verschiedenen, eingangs erwähnten Anforderungen an die Schweizer Landwirtschaft abhängt, welche schlussendlich von der Schweizerischen Agrarpolitik und den Konsumenten vorgenommen werden muss.

6.3 Methodische Diskussion Trotz des umfassenden Charakters der in dieser Studie vorgenommenen Nachhaltigkeitsanalyse blieben einige Aspekte unberücksichtigt, welche für eine abschliessende Entscheidungsgrundlage von Bedeutung sind (Ü auch Kap. 3.2.1 & 3.2.2):

» Dem Sachverhalt, dass die Zuckerrübe im Vergleich zur monokulturell bewirtschafteten in einer breit abgestimmten Fruchtfolge geschieht, wurde aufgrund des Fokus auf ein einzelnes Produkt (d.h. Zucker) keine Rechnung getragen. Folglich blieben langfristige Auswirkungen des Rüben- bzw. Rohranbaus auf die Bodenfruchtbarkeit bzw. –Qualität unberücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass der Rübenanbau von einer Berücksichtigung dieser Effekte profitiert hätte. Demgegenüber konnte aber in Brasilien – auch auf über längere Zeiträume bewirtschafteten Rohrflächen – keine abnehmenden Erträge registriert wer-den [30].

» Der Fokus auf die heutige Situation in den jeweiligen Ländern hat zur Folge, dass in der hoch dynami-schen Zuckerproduktion in Brasilien einige sich abzeichnende, und voraussichtlich positive Zukunftsent-wicklungen ausser Acht gelassen bzw. höchstens qualitativ behandelt wurden. Die wichtigsten seien hier nochmals kurz aufgelistet:

- Fortschreitende Mechanisierung der Feldarbeiten und flächendeckendes Verbot des Abbrennens der Felder vor der Ernte [56], was hinsichtlich der ökologischen und sozialen Bewertung bedeutend ist.

- Commitment zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Zuckerrohranbau [57], was sich stark posi-tiv auf die soziale Bewertung auswirkt bzw. im Falle von allfälligen Lohnerhöhungen die Umsatzren-tabilität und Produktionskosten negativ beeinflussen würde.

- Verbesserte Regulierung der Flächenausdehnung im Zuckerohranbau [40], was sich positiv in der so-zialen Nachhaltigkeitsdimension niederschlägt.

- Anstrengungen zur optimierten Ausschöpfung des energetischen Potentials in den Zuckerfabriken, was laut Macedo et al. [16] beinahe einer Verzehnfachung der Stromproduktion aus der Bagasse ent-spricht. Wie aus den vorgenommenen Gutschriften für den ins Netz eingespiesenen Strom abzuleiten ist, würde die Umweltbilanz der Brasilianischen Rohrfabrik dadurch stark positiv beeinflusst.

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» Die indirekten Wirkungen der Ausdehnung der Rohranbauflächen blieben unberücksichtigt. Prominen-testes Beispiel dafür sind die durch die Ausdehnung verursachten Landveränderungen in Brasilien. Denn wie in einer Vielzahl von Publikationen ausgewiesen, steht eine Ausdehnung der Anbauflächen aufgrund von kaskadischen Wirkungen (Zuckerrohr verdrängt Soja à Soja verdrängt Viehherden à neue Weide-flächen durch Rodung von Regenwäldern (vgl. dazu [58]).

Im folgenden, letzten Kapitel wird noch kurz darauf eingegangen, welche Form von zusätzlichen Analysen weiter durchgeführt werden könnten, um diesen methodischen Defiziten zu begegnen und damit voll um-fassende Entscheidungsorientierungen zu erarbeiten.

6.4 Weiterer Untersuchungsbedarf Weitere Analysen zum Vergleich der beiden Zuckerversorgungsketten lassen sich prinzipiell in zwei Typen unterteilen, auf die abschliessend noch kurz eingegangen wird:

Einerseits wäre es denkbar, die vorliegende Studie um weitere statische Betrachtungen zu ergänzen, um die vorhergehend umrissenen unberücksichtigten Aspekte in die Bewertung miteinfliessen zu lassen:

» Zeitbezug: Aufgrund der heute vorherrschenden Dynamiken in der Brasilianischen Zuckerproduktion könnte die weitgehend auf die heutige Situation beschränkte Analyse um Zukunftsszenarien ergänzt werden, um die sich in Umsetzung befindenden bzw. in naher Zukunft verbindlich geplanten Verände-rungen in der Bewertung zu berücksichtigen. Aufgrund der in Macedo et al. [16] ausgewiesen Zukunfts-abschätzungen würde sich ein Fokus auf das Jahr 2020 anbieten.

» Bezugsgrösse (funktionelle Einheit): Um die langfristigen Wirkungen auf Bodenqualität und –Fruchtbarkeit abschätzen zu können, könnte die Studie um eine Flächenbetrachtung ergänzt werden, welche alle im Rahmen einer Fruchtfolge anfallenden Produkte und Nebenprodukte in der Schweiz be-rücksichtigen würde. So könnten die Einflüsse der unterschiedlichen Bewirtschaftungsweisen in den bei-den Ländern sauberer herausgearbeitet werden.

Demgegenüber wäre auch eine dynamische Betrachtung denkbar, welche die mit einer grundlegenden, poli-tischen Entscheidung in Verbindung stehenden indirekten Wirkungen fokussiert, indem strukturelle Verän-derungen in der Analyse mitberücksichtigt würden (Idee der „consequential“ Analyse). Eine denkbare Frage-stellung wäre: „Wie verändern sich z.B. die mit der Schweizer Zuckernachfrage in Verbindung stehenden ökologischen Auswirkungen bei einem Wegfall der inländischen Zuckerproduktion und entsprechendem Mehr-Import aus dem Ausland?“ Dies würde bezogen auf zukünftige agrarpolitische Entscheidungen wert-volle und adäquate Orientierungen liefern.

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