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Die Wochenendbeilage von www.stattzeitung.in kultur I gesellschaft I wissen

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Die Wochenendbeilage von www.stattzeitung.in

kultur I gesellschaft I wissen

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Herr Oberbürgermeister, „geben Sie zu viel Gas?“ Kommen die Bürger bei dem Tempo noch mit?

Ich meine, Ingolstadt hat gewisse Dinge aufzu-holen gehabt. Wenn wir die aufgeholt haben, wird sich auch das Tempo wieder verringern. Wir brauchen eben bestimmte Infrastruktur-einrichtungen. Ich denke jetzt zum Beispiel an das neue Hallenbad, an das bereits errichtete Fußballstadion, die Saturn-Arena, das Erleb-nisbad (Wonnemar), in Gaimersheim an das neue Gymnasium oder auch an das neue Kongresszentrum. Letzteres ist ein Thema, das wir seit 10 Jahren diskutieren.Ein anderes Beispiel: Wir hatten einen ekla-

tanten Kaufkraftabfluss im Bereich Möbel. Durch den Möbelhof und die Erweiterungen bei Möbel Gruber in Gaimersheim ist das jetzt vom Tisch.

Wir kommen jetzt langsam in eine Si-tuation, in der das, was wir als „kleine Großstadt“ brauchen, vorhanden ist.

Ich habe schon vor zwei Jahren gesagt, dass wir jetzt auf qualitative Dinge und nicht nur auf Quantität schauen müssen.Zum Beispiel ist das Museum für Konkrete Kunst zur Miete. Der „Neubau“ des Museums in der ehemaligen Gießereihalle muss jetzt qualitativ hochwertig erstellt werden

„In diesem Tempo kann

man nicht immer weiter

gehen!“ Dieses über-

raschende Bekenntnis

stammt von Oberbür-

germeister Dr. Alfred

Lehmann. Im Interview

legt er dar, warum er „so

viel Gas gegeben hat“

und warum in Zukunft das

Bewahren des Vorhan-

denen eine größere Rolle

spielen wird.

OB Dr. Alfred Lehmann gibt Gas. Kommen die Bürger noch mit?

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Bitte vergessen Sie nicht den öffentlichen Personennahverkehr: Die ziehen jetzt um an den Nordbahnhof. Wir haben den Betriebshof neu gebaut. Die ganze Busflotte wurde erneu-ert. Jetzt kommt das System, bei dem die so ge-nannten „Echtzeiten“ angegeben werden. Das bedeutet, dass der Fahrgast an den Haltestellen sieht, wann der Bus wirklich kommt. Das muss jetzt einfach gemacht werden!

Kommt der Bürger bei diesen Maßnah-men hinreichend zu Wort oder steht er im Abseits?

Bei uns gibt es z.B.den Bürgerhaushalt. Wie viele Städte machen denn das? Ich finde, das ist eine ganz großartige Idee. Wir sagen den Men-schen: „Macht uns Vorschläge!“ Diese Vorschlä-ge werden in dem jeweiligen Bezirk vom Bezirk-

sausschuss bewertet. Was dort beschlossen wird, wird prinzipiell nicht mehr gefiltert. Ich bin strikt dagegen, dass die Verwaltung dann sagt: „Ach nein, das machen wir doch nicht“. Es gibt zwar Spielregeln, die eingehalten werden müs-sen, aber dann gibt es keine Bewertung mehr durch die Stadtverwaltung. Die Vorschläge der Bürger und die Beschlüsse der Bezirksaus-schüsse werden umgesetzt.

Ich habe auch vorgeschlagen, dass sich die Vorsitzenden der Bezirksausschüsse und deren Stellvertreter regelmäßig treffen, um sich unter-einander auszutauschen und zu diskutieren, wie sie noch effizienter arbeiten können. Auch soll erörtert werden, wie die Schnittstelle zur Stadt-verwaltung verbessert werden kann.

Den Bürgern wird angeboten: „Macht mit!“

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Ein ganz anderes Thema: Wir haben in Europa wundervolle Partnerstädte. Brau-chen wir eine Partnerstadt in China?

Ich habe das Thema Partnerschaft mit China vor vielen Jahren schon einmal zur Diskussion gestellt. Damals waren alle - auch Audi - der Meinung, das sei für uns kein Thema. Aber die Welt dreht sich. Ich will mal ein Beispiel nennen: die Euro-Krise. Man fragt sich, wer kann uns hel-fen? Vor 10 Jahren hätte die Antwort gelautet: Wir müssen einmal mit Amerika reden. Man hat immer nach Westen geschaut. Jetzt ist das an-ders: man schaut plötzlich nach Osten und fragt: Können uns nicht die Chinesen helfen mit ihren enormen Währungsreserven? Der ganze Blick-winkel verschiebt sich. Und wenn man sieht, wie viele Ingolstädter bereits durch Audi Kontakt mit Chinesen haben; Media-Saturn ist seit anderthalb Jahren in China. Die ersten Audi-Zulieferer sind bereits drüben. Herr Peters und Herr Rottenkolber sagen mir, dass sie für

ihre Fotovoltaikanlagen in China einkaufen. Sie haben auch chinesische Gäste hier.

Und da stellte sich für uns die Frage, ist eine Partnerschaft für uns sinnvoll. Die wollten wir nicht politisch entscheiden durch eine abstrakte Diskussion. Wir haben uns entschieden, einmal hinzufahren und uns umzusehen. Die schnellen Gegenbesuche waren eigentlich mehr Zufall. Eine der beiden Städte war ohnehin mit einer Delegation in Europa unterwegs. In China sind wir zu folgendem Ergebnis gekommen: es gibt zwei Bereiche, die besonders interessant sind, zum einen Wissenschaft (inklusive Medizin) und Wirtschaft. Wir wollen nochmals zwei De-legationen zusammenstellen, die sich das auch ansehen. Und wenn es dann wirklich konkrete Anhaltspunkte gibt, dann, so meine ich, sollten wir in eine Partnerschaft gehen. Sonst nicht.

Es geht nicht darum, unbedingt eine Part-nerschaft zu haben.

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Ein ganz anderes Thema: Ist die Kosten-schätzung für das Museum für Konkrete Kunst (MKK) realistisch?

Ein Ingolstädter Architekt behauptet, beim Mu-seum Brandhorst in München, welches über ca. 2000 m² Ausstellungsfläche verfügt und folglich mit dem MKK vergleichbar ist, habe allein die Haustechnik und die Klimatisierung 20 Millio-nen EUR gekostet, also mehr als für das Muse-um für Konkrete Kunst insgesamt veranschlagt sei. Die vorliegenden Berechnungen sind auf die Kubatur und die Quadratmeterzahl bezo-

gen und die werden mit anderen Museums-bauten, auch mit Sanierungen, verglichen. Der Kulturausschuss hat viele verschiedene andere sanierte Museen besichtigt. Da wurde natürlich vor Ort gefragt, wie groß ist euer Museum und was hat es gekostet. Ich kann zwar nicht sagen, ob 15 Millionen reichen. Ich bin mit dem „De-ckeln“ etwas vorsichtiger. Sicher bin ich mir aber, dass die Größen-ordnung stimmt. Wir haben uns auch von den Architekten beraten lassen im Gestaltungs-beirat, die kriegen doch auch mit, wenn wir völ-lig daneben liegen würden.

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Thema Kongresszentrum: es kursiert das Gerücht, dass es keinen wirklich überra-genden Interessenten gebe, nur ein mit-telständischer Investor aus der Region sei bereit, hier tätig zu werden.

Das ist absolut falsch. Wir werden in der nächsten IFG-Beirats-Sitzung eine Zwi-scheninformation geben. Das ist nächste Wo-che. Ich bin mir sicher, dass wir im ersten Quartal des nächsten Jahres sehr weit kommen werden. Wir sind sehr zuversichtlich, dass es wird. Es ist eine erste internationale Adresse, mit der wir verhandeln. Wir bewegen uns im Bereich „vier Sterne plus“. Die kommen hierher und stellen das Projekt vor. Wir sind in einer intensiven Diskus-sion. Es geht nicht nur um „freundliche Gesprä-che“. Ich war auch selbst schon beim Investor in dessen Räumlichkeiten.

Im Finanzausschuss hat Bürgermeister Al-bert Wittmann dargelegt, dass er beim Kon-gresszentrum mit einem jährlichen Verlust von 500.000 EUR rechne. Lässt sich ein sol-ches Projekt nicht kostenneutral betreiben?

Es gibt viele Einrichtungen, die man nach betriebs-wirtschaftlichen Grundsätzen nicht nachrechnen darf. Das fängt beim Stadttheater an, geht über jede Sportstätte, das betrifft jedes Schwimmbad. Das ist Daseinsvorsorge.

Beim Kongresszentrum glaube ich, wenn wir die Entwicklung der Stadt sehen, dann ist das der nächste Schritt. Ingolstadt gewinnt noch einmal sehr an Re-putation, wenn hier viele Geschäftsreisen-de nach Ingolstadt kommen. Das stärkt den Standort und ermöglicht, das The-ma Tourismus noch einmal ganz anders zu fahren. Ich glaube, dass diese Initiative im Interesse der gesamten Wirtschaft ist. Das ist ähnlich wie beim GVZ, es sind solche Ansiedlungen, die den Stand-ort stärken. Das ist auch der Grund, warum Audi vor Ort in Kultur und Sport investiert. Damit will man keine überregionale Werbung be-treiben. Das ist vielmehr Marketing für die Audi-Mit-arbeiter, ist ein Bekenntnis zur Region. Wenn man ein Kongresszentrum nicht baut, besteht auch die Gefahr, dass große Veranstaltungen von Audi eben woanders stattfinden.

Vorbild für Ingolstadt?

Kongresszentrum Augsburg

(Foto: aus er Imagebroschre

des Kongresszentrums)

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Stichwort Audi: wie geht es weiter mit dem Standort Ingolstadt, wenn künftig mehr Elektroautos gebaut werden. Bei diesen Fahrzeugen ist ja die Fertigungstiefe viel geringer als bei Fahrzeugen mit Verbren-nungsmotor. Können Audi und die Zulie-ferer in eine tiefe Krise geraten?

Es stellt sich die Frage, ob Unternehmen, die von der Elektrik herkommen, jetzt in den Auto-mobilbau einsteigen. Ich glaube das nicht. Und ich bin auch der Meinung, dass die Entwicklung nicht so rasant geht, wie man das erwartet. Die entscheidende Frage ist doch, wie wird der Strom, den das Auto verbraucht, hergestellt und vor allem: wie wird er ge-speichert.

Wenn ich in einem Auto, das aus Atomstrom ge-speist wird, spazieren fahre, habe ich auch nichts gewonnen. Die nächste Frage ist, wie sieht es mit den klassischen Antrieben aus. Es hat jetzt ein neues Verfahren dazu geführt, dass die Gas-reserven aufgestockt werden können. Man kann jetzt neue Gas-Reserven erschließen. Die Frage ist, ob das Gas-Auto nicht eine größere Zukunft hat, als man das im Augenblick prognostiziert. Das Gas-Auto ist heute marktgängiger als das Elektro-Auto.

Ich bin gar nicht sicher, ob das Hybrid-Auto so der große Renner ist. Man muss ja auch be-achten, dass bei der Herstellung eines solchen Fahrzeugs zunächst einmal ein höherer Energie-verbrauch anfällt.

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Ein ganz anderes Thema: das Theater-Restaurant. Petra Kleine und Christel Ernst sind über die jetzige Lösung nicht glücklich und würden wohl am liebsten den Vertrag mit dem jetzigen Pächter kündigen und Festsaal und Theaterrestaurant getrennt ausschreiben.

Ich halte es jetzt für den schlechtesten Zeit-punkt, um über eine neue Ausschreibung der Theater-Gastronomie zu philosophieren.

Wir sind beim Theater in der Sanierungsphase und davon ist auch das Restaurant betroffen. Das hat auch Auswirkungen auf den Besuch und den Umsatz. Überdies gibt es ja bekannt-lich das Modell „Stadt an der Donau“. Da wird ja auch darüber nachgedacht, ausgehend von der Schlosslände, ein gastronomisches Pro-jekt „auf Stelzen“ über der Wasserfläche der Donau zu errichten. Wir sollten hier einfach noch abwarten.

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Vom Wasser ist es kein weiter Weg zum Hallenbad: welche Rolle spielt hier denn der SC Delphin?Ich habe letzte Woche nochmals ein Gespräch mit dem Verein geführt. Die hatten ein wenig Sorge, dass ihre Belange nicht berücksichtigt werden könnten. Da geht es zunächst natürlich um das Schwimmen; der Verein braucht aber auch einen Gymnastikraum und ein Büro. Das neue Hallenbad soll sozusagen der Ver-einssitzt werden.

Aber die können das nicht selber bauen. Da-für fehlt das Geld. Als Stadt dürfen wir keine 100%-Bürgschaft geben. Ich kann mir aber sehr wohl Kooperations-Modelle mit dem Ver-ein vorstellen. Wir sind bereit, noch mehr für den Verein zu tun, und der Verein könnte bei-spielsweise als Gegenleistung am Wochen-ende einen ehrenamtlichen Schwimmmeister zur Verfügung stellen. Das heißt aber nicht, dass kein Schwimmmeister mehr von der Stadt da ist.

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In letzter Zeit wird sehr viel von der „Hei-mat“ gesprochen. Es gibt Menschen, die fürchten einen Verlust der „Heimat“, weil sich so viel verändert, insbesondere so-viel gebaut und angeblich soviel abgeris-sen wird.Dem muss ich widersprechen. Es wird in der Alt-stadt sehr viel saniert. Und hier sind wir mit unserm Leerstandsmanagement sehr erfolgreich. Es wird hier zum Teil Stimmung gemacht, als würde alles abgerissen. Was ist denn abgerissen worden?

Heimat ist für mich eine Lebensqualität. Und Le-bensqualität heißt für mich Arbeit, Wohnen; Ge-sundheitsversorgung gehört auch noch dazu. Man kann doch in Ingolstadt wunderbar wohnen. Um die Gesundheitsversorgung: da braucht man sich doch nur das Klinikum anzuschauen.

Jährlich ziehen circa 7.500 Menschen neu nach Ingolstadt. Denen müssen wir ein Angebot ma-chen, damit sie sich hier „heimisch“ fühlen. Das ist keine leichte Aufgabe.

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Dieter Janecek, neben Theresa Schopper Lan-desvorsitzender der Grünen, wurde am 25. Mai 1976 in Pirmasens geboren, studierte in Mün-chen Politik und arbeitete anschließend als Kom-munikationsberater. Von 2006-2008 war er Lan-desgeschäftsführer der bayerischen Grünen. ImOktober 2008 wurde er Nachfolger des legendär-

en Sepp Daxenberger. Seit 2008 ist er auch Mit-glied des Bezirkstags von Oberbayern und seit August 2009 Vertreter der Grünen im Münchner Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg. Im Jahre 2007 wurde er bundesweit bekannt, als er ein Urteil erwirkte, das die Stadt München zur Ausweisung der Umweltzone zwang.

Die Stadt und das AutoInterview mit dem Landesvorsitzenden der Grünen

Dieter Janecek

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Wir trafen Dieter Janecek im „Lieblingscafé“ in der Goethestraße. Erhatte sich gerade über das Pro-jekt „Soziale Stadt“ im Konradviertel informiert.

Herr Janecek, wie sehen Sie die künftige Entwicklung der Innenstädte?

Es gibt einen klaren Trend zur Verdichtung in den Städten. Manche Menschen möchten auch auto-frei mobil sein. Gerade wenn man die Räume ver-dichtet, muss man dafür sorgen, dass das Auto nicht mehr das vorrangige Fortbewegungsmittel ist.

Wird auch das mit Öko-Strom betriebene Elektroauto aus der Stadt verbannt?

Es muss einen Mix geben von verschiedenen Mobilitätsformen. Das Auto wird es auch weiter-

hin geben, sowohl in fossiler Form als auch als Elektromobil. Darüber hinaus wird es auch das Fahrrad geben und den Fußverkehr. Jedoch wird es auch elektrische Fahrzeuge geben, die nicht der klassische PKW sind, wie ein Fahrrad, das angetrieben ist mit Elektromobilität, kleinere Fahr-zeuge, Bussysteme - und das ganze am besten so einfach, dass es die Menschen gut nutzen können, unkompliziert, zum Beispiel über eine Chip-Karte.

Sollen Autos aus der Stadt verbannt wer-den, weil sie „dreckig sind“, also durch Immissionen die Umwelt schädigen?

Natürlich ist der Dreck ein Grund. Es geht aber auch um die Kosten, die dadurch entstehen, dass Straßen erhalten, Umgehungsstraßen und Tunnel gebaut werden müssen.

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Geschäftsleute behaupten immer wieder, sie bräuchten Parkplätze vor dem Ge-schäft, damit der „schnelle Kunde“ kurz aussteigen und einkaufen könne.

Es gibt keine Untersuchungen, die das bele-gen. Das ist eine gefühlte Situation, wie da von den Geschäftsleuten argumentiert wird. Wenn Innenstädte attraktiv gestaltet sind, ohne Auto-verkehr, dann gibt es genug Beispiele, wie dort die Geschäfte auch florieren können.

Gibt es nicht in der Schweiz und in Nord-rhein-Westfalen eine Tendenz, Fußgän-gerzonen abzuschaffen oder zu verklei-nern und den Begegnungsverkehr von Fußgängern und Autos mit Vorfahrt für Fußgänger zuzulassen?

Es gibt die „shared Space“-Konzepte in der Schweiz, Holland und Dänemark. In Deutsch-

land hat immer noch das Auto Vorfahrt. In München ändert sich gerade etwas, weil die Parkraumbewirtschaftung dazu führt, dass das Autofahren teurer wird und weil auch die Men-schen immer weniger Autos besitzen.

Wenn es weniger Angebot an Parkplätzen gibt, werden sich die Menschen umstellen müssen.

So hat man in Paris dem Autoverkehr Räume genommen. In der ersten Phase gibt es dann viele Staus. Dann kommt es zur Umstellung und es gibt dann mehr Fahrradfahrer und mehr ÖPNV.

Der Trend wird dahin gehen, dass die Städte weniger Autoverkehr haben werden, weil man es sich schlichtweg räumlich nicht mehr leis-ten kann und es weniger attraktiv sein wird. Und es wird auf Dauer auch nicht mehr be-zahlbar sein.

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Wichtig wird „car-sharing“ sein. Ein „car-sharing“ Fahrzeug ersetzt 4-8 Besitz-Fahrzeuge. Das wäre auch ein Modell für Ingolstadt.

In Ulm ist Daimler sehr aktiv. Dort gibt es das „Car to go“-Modell. Man kann mit einem Auto von A nach B fahren und es dann dort stehen lassen und mit der Chip-Karte abrechnen. Das nutzen dort 20 % der Bevölkerung. In München ist jetzt BMW eingestiegen mit „drive now“ und es gibt schon länger ein „car-sharing“-Modell auf genos-senschaftlicher Basis. Letztendlich wird dies dazu

führen, dass es weniger Autos geben wird. Das wollen wir Grüne auch haben.

Weniger Autos, das bedeutet doch für In-golstadt: weniger Wohlstand!

Da kommt es darauf an, womit Audi in der Zu-kunft dann sein Geld verdient. Es wird weiterhin Mobilität geben, die wird teuer sein. Man kann mit Mobilität Geld verdienen, man muss sie nur anders definieren. Automobilkonzerne müssen Mobilitäts-Dienstleister werden.

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Welchen Zeitraum geben Sie der Auto-mobilindustrie, also Audi in Ingolstadt, um sich auf die neue Situation einzu-richten?Das muss beim nächsten Projekt-Zyklus ge-schehen, also in diesem Jahrzehnt. Die Elekt-romobilität wird kommen, sie wird sich durch-setzen, sie wird aber in fünf Jahren noch nicht das sein, was heute die fossile Fahrzeug-Flot-te ist. Ist Elektromobilität etwas anderes als ein herkömmliches Auto mit einem anderen Motor?

Das funktioniert so nicht, weil zum Beispiel die Batterie schon die Hälfte des Gewichts ausmacht. Wichtig ist ein intelligenter Mix aus verschiedenen Mobilitätsformen. Das klappt vorrangig in den größeren Städten.

Im ländlichen Raum werde ich auch in Zukunft den Individualverkehr haben, wie vor 10 oder 30 Jahren, weil es eben nicht anders geht. In den Städten gibt es künftig weniger Anreize für den Menschen, individuell zu fahren. Es wird Verkehrsleitsysteme geben.

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Wichtig ist natürlich auch ein leistungsfähiger ÖPNV. Sicherlich kostet der auch Geld. Aber er spart auch Kosten: zum Beispiel den zusätzli-chen Ausbau von Straßen. Oder denken Sie an die Staub-Problematik. Das Thema Feinstaub wird sich allerdings wohl erledigen, weil zum ei-nen die Motorentechnik besser wird und der An-teil der elektrisch betriebenen Fahrzeuge steigt.

Auch in München gibt es natürlich beim öffent-lichen Personennahverkehr ein riesiges Defizit.

Der Kommune ist es das aber wert. Der öffent-liche Nahverkehr stärkt die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Und man muss natür-lich auch die Kosten gegenrechnen, die man hätte, wenn man alles über den Individualverkehr leisten möchte. Ich glaube, dass diese Kosten höher wären, als die für den ÖPNV. München ist allerdings auch -trotz BMW- keine Autostadt wie Ingolstadt. Hier ist es eben eine stark von einem Autokonzern geprägte Stadt. Aber auch bei Audi weiß man, dass sich die Zeiten ändern werden.

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Gibt es auf dem Weg zum Elektroauto ei-nen großen Strukturwandel, werden ins-besondere die Zulieferer betroffen sein?

Also zunächst wird es nicht das reine Batterie-fahrzeug geben. Es wird einen Mix sein: plug-in, hybride, teil-fossile Fahrzeuge, als Idealform vielleicht: 60 km fährt man elektrisch, dann fos-sil. Die meisten Fahrten sind ohnehin zumeist unter 60 km.

Was die Fertigungstiefe eines Elektromobils an-geht, so ist die weitaus geringer als die eines fossilen Fahrzeugs. Da werden auch Arbeits-plätze verloren gehen. Auf einem Kongress der IG-Metall wurde ausgeführt, dass ein fossiles

Fahrzeug 1200 Teile hat, ein Elektromobil nur 200 Teile. Aber der Prozess der Umstellung wird mindestens 10-15 Jahre dauern. Beim jetzigen Ziel der Bundesregierung, 1 Million Elektrofahr-zeuge bis 2020, dann haben Sie immer noch 46 Millionen Fahrzeuge, die nicht elektrisch sind.

Das Segment, das Audi bedient, ist ja Premium, also nicht das klassische Stadtauto oder das Volksauto, das VW wie produziert. Ein Audi ist ein Fahrzeug für Menschen, die einen gewissen Komfort wollen und Sportlichkeit. Und dieses Segment wird es auch weiterhin geben, aber letztendlich alles auf einem anderen Niveau. Ich möchte nicht behaupten, dass das nicht zu be-wältigen ist, aber es ist eine Herausforderung.

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Gehen wir zur Landespolitik: können Sie sich prinzipiell eine schwarz-grüne Koali-tion in Bayern vorstellen?

Prinzipiell haben wir bei einer Regierungsüber-nahme eine Priorität: wir wollen mit der SPD zusammengehen und wohl auch mit den Frei-en Wählern, weil es ohne die nicht funktionieren wird. Wenn diese Konstellation nicht möglich ist, dann werden wir auch mit der CSU reden, was möglich ist.

Es könnte es sein, dass die CSU auch bei der nächsten Landtagswahl nicht die ab-solute Mehrheit erringt, aber auch SPD, Grüne und Freien Wähler zusammen die

absolute Mehrheit nicht erreichen, weil zum Beispiel die Piraten oder eine Partei vom rechten Rand im Landtag vertreten ist. Würden Sie dann, um eine andere Ko-alition, zum Beispiel zwischen CSU und SPD, zu verhindern, daran denken mit der CSU zu koalieren?

Mein Eindruck ist schon, dass die SPD sehr schnell dabei wäre. Wir werden mit einem klaren Konzept in die Wahl gehen. Es wird Dinge ge-ben, die man mit uns nicht machen kann, zum Beispiel der maßlose Ausbau von Straßen, Au-tobahnen und Flughäfen. Wenn aber eine Situ-ation auftreten sollte, so werden uns jedenfalls einem Gespräch nicht verweigern.

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Sagen Sie doch mal was Nettes über die Piraten!Ich finde es positiv, dass sie Themen wie mehr Transparenz, Beteiligung und Basisdemokra-tie in den Mittelpunkt gestellt haben. Positiv ist auch, dass Sie es offensichtlich geschafft ha-ben, Nicht-Wähler zu mobilisieren.Sind die Piraten vielleicht Ihr schärfster Gegner?

Die Piraten sind Konkurrenz. Wir haben Spek-tren, die sich überschneiden. Es gibt viele Gemeinsamkeiten bei Netzpolitik und mehr Demokratie. Anderseits muss man feststel-len, wenn sich bei den Piraten programma-tisch etwas entwickelt, falls sich überhaupt etwas entwickelt, dann wieder sehr schnell in Richtung FDP, also nicht sozial, nicht ökolo-gisch.

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Ein anderes Thema: was ist Ihrer Meinung nach die Energie der Zukunft?

Die Energie der Zukunft wird sein, weniger Ener-gie zu verbrauchen und die erneuerbaren Ener-gien sehr zu stärken. Wir sind ein Land ohne Rohstoffe. In den USA denkt man ja daran, jetzt Gas aus dem Boden zu ziehen, also noch die letzten Reserven anzuzapfen.

Ist es richtig, dass die Landwirtschaft der größte Klima-Sünder ist?

Der Bereich Ernährung, Landwirtschaft, trägt mehr dazu bei zum weltweiten Klimawandel als der Transport. Das wissen viele nicht. Denken Sie auch an die Übernutzung der Böden, den Fleischkonsum. Das soll nicht heißen, dass die Menschen in Zukunft kein Fleisch mehr essen oder keine Milch mehr trinken sollen. Aber die Reduzierung dieses Konsums macht auf jeden Fall Sinn.

Wir danken Ihnen für das Interview!Foto: djd