aventin

17
Die Wochenendbeilage von www.stattzeitung-plus.in

description

aventin ingolstadt

Transcript of aventin

Page 1: aventin

1

kultur I gesellschaft I wissen

Die Wochenendbeilage von www.stattzeitung-plus.in

Page 2: aventin

2

Page 3: aventin

3

Dr. Tobias Hoffmann:

„Wir sind hier im Raum der Züricher Konkreten. Das ist die Künstlergeneration und Künstler-gruppe, die als erste den Begriff der konkreten Kunst aufgegriffen hat. Bill und Lohse sind die beiden großen Vordenker, die auch sehr viel als Theoretiker gearbeitet haben.

Dies ist kein ganz günstiges Bild. 200.000 Euro wurden dafür bezahlt. Es ist uns gelun-gen die Kulturstiftung der Länder und die Sie-menskunststiftung zu gewinnen, 120.000 Euro zu sponsern. Vor allem von Seiten der freien Wähler gab es einigen Protest. Lohse ist eine ganz wichtige Figur und dieses Werk gehört nach Ingolstadt, das hat auch die Siemens-kunststiftung so gesehen. Es war 10 Jahre als Leihgabe bereits in Ingol-

stadt. Die 200.000 Euro waren kein völlig uto-pischer Preis, sondern sind der ganz normale Marktwert.

Bei dem Bild sieht man sehr schön die ganzen Konzepte der konkreten Kunst und es soll kei-ne persönliche Handschrift mehr sichtbar sein. Die Farben sind mit der Walze aufgetragen, es soll eine homogene Oberfläche sein. Wichtig ist auch, dass Lohse ein radikaler Verfechter des Demokratieprinzips war.

Er versucht das auch im Bild zu verwirklichen. Das zeigt sich darin, dass jede Farbe im Bild die gleiche Fläche hat und das Bild kein Zen-trum hat. Vom farbmalerischen Gesichtspunkt her ist es fragwürdig. Die starke gelbe Farbe bleibt in Erinnerung und dominiert, es gibt kei-ne wirkliche Gleichberechtigung.“

Konkrete Kunst - ein MuseumsrundgangPaul Lohse

Page 4: aventin

4

Page 5: aventin

5

Dr. Tobias Hoffmann:

Dieses Bild von Albers , das jetzt dem Muse-um gehört, ist eigentlich das teuerste Werk, was wir in der Sammlung haben. Etwa 300.000 Euro dürfte das Bild jetzt wert sein.

Als ich es gekauft habe , habe ich damals 200.000 DM gezahlt. Also da sieht man schon, wie sich diese Anschaffung eigentlich gelohnt hat, weil wirklich Werte für die Stadt geschaf-fen wurden und das lässt sich eben an diesem Bild, das ungefähr doppelt so viel wert ist, wie die ganze Sammlung damals, sehr schön zei-gen. Albers hat schon am Bauhaus studiert und war dann dort Meister.

Die Hochschule für Gestaltung in Ulm hat ihn dann zurück aus Amerika geholt und dort als Dozenten installiert . Seine Grundmaxime ist, dass Farbe nichts Absolutes ist. Sondern Far-be ein relativer Wert ist, der immer abhängig

ist von anderen Farben und sei es letztendlich der weiße Hintergrund der Wand. Es gibt keine Farbe, die ein Wert an sich ist. Man muss beim Betrachten der Farbe immer über die anderen Farben der Umgebung mitdenken.

Und deswegen kombinierte er eben unter-schiedliche Farben mit diesen Quadraten ne-beneinander, um zu zeigen, wie dieses Grau sich verhält im Verhältnis zu diesem Braunton und nebenan im Vergleich zu dem Blauton auf der anderen Seite. Und er nutzt das Quadrat eigentlich nur als Form um Farbe malen zu können. Das Quadrat ist der Teller, auf dem ich eben die Speise, die Suppe präsentieren möchte.

Wir haben ja Gott sei dank noch ein zweites Werk aus einer Privatsammlung, das man so als Pondeau zeigen kann, um das systemati-sche Vorgehen von Albers dokumentieren zu können.

Hommage to the Square - Albers

Page 6: aventin

6

Page 7: aventin

7

Petra Kleine:Spielt das Verhältnis der Flächen eine Rolle?

Dr. Tobias Hoffmann:Das Verhältnis der Flächen spielt hier keine Rolle. Farbe hat die Künstler fasziniert, aber die Formen eigentlich viel mehr. Es gibt eine Linie in der konkreten Kunst, die sich primär mit der Farbe beschäftigt haben und die haben versucht sich nur mit der Farbe auseinander-zusetzen. Albers wollte die Form so weit wie möglich reduzieren, deswegen malte er nur

das Quadrat, die einfachste Form überhaupt.

Petra Kleine:Warum macht er nicht bei allen Quadraten ein Zentrum?

Dr. Tobias Hoffmann: Ich vermute es ist eine gewisse Setzung, um eine Spannung zu erzeugen. Wenn er das Bild aus dem Zentrum heraus entwickeln würde, dann hätte das ganze eine Sogwirkung und dies möchte er vermeiden.

Page 8: aventin

8

Page 9: aventin

9

Dr. Tobias Hoffmann:Ein ganz wichtiges Werk für die Sammlung und weil es natürlich auch ein sehr altes Bild ist. Leider ha-ben wir hier noch kein Original aus den 20-er Jahren von Dexel. Er hat das eben dann fortgesetzt. Viele Werke, eben wie man es hier sieht, in Zeichnungen skizziert in den 20-er Jahren und dann später, nach dem zweiten Weltkrieg in einem größeren Format dann als Gemälde verwirklicht. Und er war daneben auch noch ein hervorragender Grafikdesigner und da haben wir jetzt tatsächlich eine Arbeit aus den 20-er Jahren. Ein Plakatentwurf von ihm in der Sammlung als Schenkung von Walter und Lusia Fit übrigens. Ein Sammlerehepaar. Walter Fit hat sich sehr um den Nachlass von Dexel, den er auch persönlich ge-kannt hat, verdient gemacht hat, viele Publikatio-nen gezogen, vorangetrieben von Dexel das ist so der Kernkünstler seiner Sammlung auch gewesen. Oder ist es immer noch. Und als dann hier eine Aus-stellung von Grafikdesign von Dexel gezeigt wurde, 2000 war die, in der Theatergalerie, da ist dieses Plakat dann hier als Schenkung hiergeblieben.

Janice Gondor:Ich fand den auch von der Sprache her, sie als Ger-manistin, eine Schau neuzeitlicher Gestaltung. Das

ist schon wie Pudding auf der Zunge, das ist so herrlich. Also alleine das macht schon Spaß.

Dr. Tobias Hoffman:Und auch das ist, obwohl es jetzt „nur“ ein Plakat ist, doch ein wichtiges Stück in der Sammlung, weil da eben dieses Übergreifen der konstruktiven Kunst die Alltagsgestaltung sehr schön zeigen kann. Im Grafikdesign hat es eben besonders gut funktio-niert, weil es eben sehr leicht ist diese geometrische Gestaltung dann zur Grundlage von Grafikdesign zu machen. Wir bringen hier dieses blaue Quadrat und diesen blauen Balken zum Einsatz und das un-terbricht hier noch einmal ein weißer Streifen. Hier ist die Schrift weiß auf blau, dort ist sie dann blau auf weiß. Er spielt mit den Gegensätzen hier auch ganz schön.

Janice Gondor:Die einzige Diskussion, die wahrscheinlich heute stattfinden würde, wäre dass der Kunde garantiert sagen würde: Das kann man nicht lesen. Und der Grafiker damals hatte garantiert mehr Freiheiten. Ein Plakat hat ja eine bestimmte Aufgabe. Und inwie-fern man den Rest an Freiheit zulässt, das ist na-türlich auch immer ein Spiel zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

Plakatentwurf

Page 10: aventin

10

Page 11: aventin

11

Dr. Tobias Hoffmann:

Das zweitälteste Werk in der Sammlung und das einzige „vor-konkrete Werk“, wenn man so will, von Walter Dexel. Er ist eine wichtige Figur in der kon-kreten Kunst, deswegen ist es schön, dass wir hier eine Arbeit haben, die am Übergang zur konkreten Kunst ist. Fangen wir mit diesem Werk an, weil man hier den Übergang gut erklären kann.

Das Werk heißt „Landschaft mit Häusern“ und man kann eben hier erklären wie Abstraktion funktio-niert. Vermutlich hat er sich wirklich eine tatsächli-che Landschaft herausgegriffen, die er gemalt und eben verfremdet hat. Man kann hier durchaus noch ein Haus erkennen, ein Fenster, ein Dach, auch viel-leicht weitere Häuser und dort hinten Wiesen, Berge und möglicherweise eine Sonne. Damit hat man

eben das Abbild einer Landschaft hier verfremdet, kubistisch verfremdet.

Der Kubismus war eine Vorgängerkunstform der konkreten Kunst. Dexel hat somit eine Landschaft gemalt, die abstrahiert wird, aber noch kein konkre-tes Bild darstellt. Die konkreten Künstler sagen, alles was uns in der Natur begegnet ist konkret.

Ich kann hier diesen Sockel anklopfen, dieser So-ckel ist konkret. Oder ich kann der Petra Kleine die Hand geben und weiß, das ist eine tatsächlich vor-handene Frau, die mir da begegnet.

Aber wenn ich jetzt die Petra Kleine malen würde, dann würde die Petra Kleine in Natura konkret sein und das Abbild von ihr ist eben nur ein Abbild. Das ist nicht konkret.

Landschaft mit Häusern

Page 12: aventin

12

Page 13: aventin

13

Janice Gondor:Es gibt genau vier oder fünf Gründe, warum Glas-meier für mich heute die Lieblingsarbeit ist. Eigent-lich bin ich ein totaler Fan der „alten“ konkreten Kunst, aber Rolf Glasmeier personifiziert für mich das, was ein Museum zu einem lebendigen Ort ma-chen kann. Hier liegen Handschuhe, die man anzie-hen kann und dieses Kunstwerk selbst entdecken. Der Kreislauf ist, dass das Kunstwerk noch dazu aus Alltagsgegenständen gefertigt wurde.

Das heißt, wir spielen tatsächlich mit dem Thema „Wie begeistere ich Menschen für Kunst?“. Ich lasse sie darin eintauchen, ich lasse sie damit spielen, ich lasse sie entdecken und ich habe gleichzeitig das, was im Alltag um uns herum ist zu einem Kunstwerk deklariert, indem ich es zu dieser Arbeit gemacht habe als Künstler.

Das waren jetzt zwei Gründe. Der dritte ist, weil ich selbst einen Rolf Glassmeier zu Hause habe. Der vierte Grund, der daran anschließt, ist weil wir der Arbeit von Rolf Glassmeier sehr nahe kommen durf-ten, indem wir den Katalog gestaltet haben und die Familie von Rolf Glassmeier, er selber ist sehr, sehr früh gestorben, uns in Dankbarkeit und Wertschät-zung diese Arbeit geschenkt hat und wenn man jeden Tag auf bestimmte Arbeiten schaut und man feststellt, dass nach Jahren der tägliche Blick immer noch eine Freude ist, dann ist das gute Arbeit. Der fünfte Grund ist, dass es auch ein Höchstmaß an

Ambiguität birgt, was gerade in meinem Studium der Naturwissenschaften ein ganz großes Thema ist, weil wir damit auch ganz viele Themen anreißen könnten, eben was Kunst ist, welche Inhalte Kunst vermitteln will, welche Fragen sich Kunst in welcher Zeit stellt, in der sie entsteht, oder was sie eben dann,wenn sie angeschaut wird,

Jahrzehnte später noch vermitteln kann oder wel-che Auseinandersetzungen sie mit sich zieht. Das waren die fünf Gründe, warum ich heute Rolf Glas-meier ausgewählt habe.

Dr. Tobias Hoffmann:Staudt hat sich auch mit diesen Strukturen und der Ästhetik der Strukturen beschäftigt und Glasmeier ist dann genau diesen Schritt weitergegangen und hat gesagt: Wenn ich den Leuten schon Struktur darstelle, dann wäre es eigentlich am sinnvollsten, ich mache es so, dass die Leute selbst ihre Erfah-rung mit dieser Struktur machen können.

So sagt er hier wirklich: Leute wie schaut es denn am besten aus? Kann man es parallel stellen? Wie schief muss ich sie stellen? Kann ich sie eben, wie hier jetzt, einfach als Zacken machen?

Petra Kleine:Es ist richtig nachgedacht worden, wie der Effekt des Spielens und Gestaltens optimal gestaltet wer-den kann. Einfacht toll!

Fenstergriffe

Page 14: aventin

14

Page 15: aventin

15

Dr. Tobias Hoffmann:

Da drüben ist auch schon eines meiner Lieblings-werke. Karin Sander ist eine Künstlerin die in Berlin lebt und als Konzeptkünstlerin bezeichnet werden muss, wobei das eigentlich eine Weiterentwicklung der konkreten Kunst ist.

Das Bild heißt „Mailed Painting“. Das heißt, das ein-zige was Karin Sander als Künstlerin hier macht ist, dass sie eine nackte Leinwand kauft, dieses zur Post bringt und sie einmal durch die ganze Welt schickt. Alles was man auf der Leinwand sieht, also die Fle-cken, den Aufkleber und auch diese blauen Bänder stammen nicht von der Künstlerin selbst, sondern von den unterschiedlichsten Postmitarbeitern, die offensichtlich das Gefühl hatten, sie müssten dieses Kunstwerk auf irgendeine Art und Weise schützen. Auf der Rückseite wird dann letztendlich die ganze

Geschichte dieses Bildes erzählt. Ich habe es für meine Sammlung über einen Galeristen in Stuttgart gekauft. Das Bild war aber eben als ich es gekauft habe schon gar nicht mehr in Stuttgart, sondern in Berlin und es wurde dann tatsächlich auch per Post so unverpackt nach Ingolstadt geschickt, ich muss-te dann die Mitarbeiter warnen, keinen Schreck zu bekommen, da der Briefträger das Kunstwerk brin-gen sollte.

Das ist natürlich eine ganz witzige Idee und greift aber genau das auf, worum es in der konkreten Kunst geht, nämlich dass der Künstler nichts Per-sönliches von sich erzählen, sondern einen allge-meinen Sachverhalt darstellen will. Karin Sander zieht sich auch hier komplett zurück und sagt: ich schicke das Werk auf seinen Weg und entlasse es in die Welt. Und erst in diesem Prozess des in der Welt Seins entsteht dieses Bild.

Mailed Painting

Page 16: aventin

16

Page 17: aventin

17

Petra Kleine:Warum begeistert mich dieses Kunstwerk? Ganz einfach: Man schaut es an und stellt sich folgen-de Fragen: Ist es in Bewegung? Ist es eine große Struktur? Ist es eine ganz kleine Struktur? Ist es eine Momentaufnahme? Ist es ein Inhalt? Es geht eine unheimliche Ruhe von dem Ganzen aus. Es strahlt eine gewisse Ästethik aus und etwas Mediatives. Zusätzlich spielt es mit der Bewegung und mit der Schwerkraft.

Man weiß also nicht, ob es sich im nächsten Au-genblick bewegt oder sich gerade bewegt hat. Wenn Licht dazu kommt mit diesem Plexiglas, lässt es nochmal ganz andere Formen zu. Sie sehen ja auch,das sind ganz viele Bewegungsströme, das könnte genauso gut der Blick in eine winzige Struk-tur sein, in der die Teilchen sich bewegen. Unheim-lich schön anzuschauen.

Dr. Tobias Hoffmann:Das ist ein Werk von Klaus Staudt, einer der Alt-meister der konkreten Kunst oder der Generation, die jetzt so die älteste Generation ist. Er stammt aus der Klasse von Ernst Geitlinger, ein überaus wich-tiger Professor an der Münchner Akademie, der eine ganze Reihe von hervorragenden Schülern hervorgebracht hat. Ben Muthofer, eng befreundet

mit Klaus Staudt ist auch Geitlinger-Schüler. Er lebt in Ingolstadt und ist der bekannteste Ingolstädter konkrete Künstler. Er beschäftigt sich wie es Petra Kleine richtig erkannt hat mit Strukturen und mit der Ästhetik der Strukturen und dem, was man aus die-sen Strukturen machen kann? Klaus Staudt hatte ur-sprünglich fast ein Medizinstudium absolviert, bevor er an die Akademie wechselte.

Eigentlich wollte er den Wunsch seines Vaters erfül-len und Arzt werden. Somit ist das Medizinstudium auch ein Inhalt, der den Künstler Klaus Staudt aus-macht und ihn sicherlich geprägt hat. Wie ein Blick in ein Mikroskop hinein. Wenn man an einen Lichtkegel denkt, könnten es auch die Flusen des Staubs sein, die sich darin bewegen. Das ist eigentlich sein The-ma mit dem er arbeitet, er hat diese Holzklötzchen in unterschiedlichen Farbigkeiten und zunächst hat er angefangen, diese einfach nur auf eine Holzplatte zu montieren .Danach hat er den Weg in die Dreidi-mensionalität entdeckt und nutzt natürlich diese Ma-terialität des Plexiglases, um dann eben mit dieser Dreidimensionalität zu spielen und auch ein Verwirr-spiel zu machen, weil man dann nicht mehr genau weiß, wo im Raum eigentlich dieses Holzklötzchen sitzt. Eine sehr schöne Arbeit. Wir sind sehr glück-lich, dass wir dieses Kunstwerk seit einem halben Jahr in der Sammlung haben.

Klaus Staudt